23. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 5. August 1975, um 9.05 Uhr


Anlagen


[1833] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 5. August 1975, um 9.05 Uhr.

(23. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft - mit Ausnahme von Reg. Dir. Widera - erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte waren anwesend:

Just. Sekr. Janetzko und

Just. Ass. z. A. Clemens.

Die Angeklagten waren anwesend mit ihren Verteidigern:

RAe. Becker, Dr. Heldmann, Riedel, v[on] Plottnitz, Eggler, Künzel, Schnabel, Schwarz, König und Grigat.

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort.

Wie ich sehe, fehlen die Herrn RAe Schily, Schlaegel und Linke. Die beiden Herrn - Schlaegel und Linke - haben sich entschuldigt. Sie werden später kommen. Herr RA Schily ...

RA’in Be[cker]:

Er kommt etwas später.

Vors.:

... gleichfalls. Danke schön.

Es ist zunächst der Beschluß bekanntzugeben, den die zur Entscheidung berufenen Richter gefaßt haben bezüglich des Ablehnungsgesuchs gegen die Richter des Senats.

Das Original wird als Anlage zum Protokoll kommen; braucht also nicht mitlaufen.

Vors. verliest den Beschluß vom 1. August 1975. Dieser Beschluß ist dem Protokoll als Anl. 1 beigefügt.

RA Schlaegel erscheint um 9.07 Uhr.

Während der Verlesung dieses Beschlusses wird der Vors. wie folgt unterbrochen:

[1834-1844][1] [1845] Angekl. Baa[der]:

Werden Sie doch mal langsamer.

Vors.:

Ich werde in dem Tempo vorlesen, wie ich es für richtig halte. Sie können später nachlesen.

Währenddessen der Vors. auf den Angekl. Baader antwortet, redet die Angekl. Meinhof dazwischen:

Angekl. Me[inhof]:

Nee. Wir wollen’s verstehen.

Der Vorsitzende fährt daraufhin mit der Verlesung der Beschlußgründe fort.[a]

Vors.:

Wir haben dann, nachdem gestern dieser Beschluß bekanntgeworden ist, über den Antrag zu entscheiden gehabt, der in der letzten Hauptverhandlung gestellt worden ist, bis zur Äußerung der Fachärzte[2] nur noch vormittags zu verhandeln.

Der Beschluß lautet:

„Der Antrag, bis zur endgültigen Äußerung der Fachärzte nur noch vormittags zu verhandeln, wird abgelehnt, weil die Auffassung des Senats, die Angeklagten seien in der Lage, sich im Rahmen des bisherigen Sitzungsprogramms verständig und verständlich zu verteidigen - sie seien mithin verhandlungsfähig - inzwischen von allen medizinischen Sachverständigen, jedenfalls für den hier in Frage stehenden Zeitraum, bestätigt worden ist.“

Damit können wir zur Vernehmung zur Person[3] kommen:

Herr Baader.

Herr RA Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich habe zwei Fragen:

1. Ist es richtig, daß dem über Herrn Baaders Ablehnungsgesuch entscheidenden Senat eine Tonbandabschrift nicht vorgelegen hat?

Vors.:

Das ist nicht richtig.

RA Dr. He[ldmann]:

Das ist nicht richtig?

Vors.:

Das ist nicht richtig.

[1846] RA Dr. He[ldmann]:

Ich begründe diese Frage:

Herrn Baader ist auf seine wiederholte[b] Bitte, ihm die Tonbandabschrift zur Verfügung gestellt worden, geantwortet worden, und zwar, wie ich ihn verstanden habe, insgesamt[c] dreimal:

Eine Tonbandabschrift liege nicht vor; der erkennende Senat, also der entscheidende Senat habe sich das Tonband abgehört.

Vors.:

Hm. Das war am Donnerstagabend schon geschehen; am Donnerstag waren die natürlich noch nicht geschrieben.

Angekl. Baa[der]:

Nein. Das ist mir gesagt worden.

Vors.:

Der erkennende Senat hat die kompletten Protokolle gehabt. Er hat auch von den Vorgängen in der letzten Verhandlung, die Ihre Anträge betrafen, die Zusatzbegründungen, volle Abschriften bekommen.

Die Frage von Herrn Baader ist schon in einem Zeitpunkt gestellt worden, als die Abschrift technisch einfach noch nicht möglich war. Das ist selbstverständlich.

Gut. Aber Sie können sich jederzeit, Herr RA Dr. Heldmann, bei den Richtern, die beteiligt waren, diese Frage beantworten lassen, ob sie im Besitz dieser Tonbandprotokolle waren oder nicht. Im übrigen haben sie diese Unterlagen alle noch zur Verfügung, so daß Sie einsehen könnten, was dort der Entscheidung zugrunde gelegen hat.

RA Dr. He[ldmann]:

Denn die Notizen zu meinem ...

Vors.:

Wir wollen dann den Punkt nicht weiter erörtern. Ich kann Ihnen nur sagen: So ist es. Es ist alles abgegeben worden, was irgendwie im Zusammenhang mit diesen Anträgen steht, und das bisherige Protokoll vollinhaltlich an den Senat gegangen.

[1847] RA Dr. He.:

Es geht mir um den Ablehnungsantrag des Herrn Baader. Darauf kommt es mir an, ja? Der Ablehnungsantrag des Herrn Baader lag also nicht nur in diesem schriftlichen Gerippe, sondern in der vollen Tonbandabschrift dem entscheidenden Senat vor.

Vors.:

... vollen Tonbandabschrift mit der Zusatzerklärung von Herrn Baader.

RA Dr. He[ldmann]:

Ja. Danke.

2. Sie, Herr Vorsitzender, sagten grade, sämtliche zur Untersuchung berufene Ärzte - wie ich Sie verstanden habe - hätten die uneingeschränkte Verhandlungsfähigkeit[4] bejaht.

Vors.:

... im Rahmen des Verhandlungszeitraums, den wir hier bisher eingehalten haben. Diejenigen, die untersucht haben, haben das bestätigt für den Zeitraum bis zu ihrer Rückkehr,[5] sind also einschlägig in dem Beschluß enthalten.

RA Dr. He[ldmann]:

Die Internisten haben Sie ausdrücklich darauf verwiesen, daß die Einholung der psychiatrischen Stellungnahme zwingend sei.

Vors.:

Das nützt nichts, nein. Das ist ...

RA Dr. He[ldmann]:

Wer ist eigentlich kompetent, der Senat oder die Internisten?

Vors.:

Die haben nicht gesagt: Es ist zwingend, d. h., sehr wichtig. Aber ganz abgesehen davon:

Das nützt natürlich im gegenwärtigen Zeitpunkt gar nichts, weil diese ganzen Beurteilungen vorläufiger Natur sind; die psychiatrischen Untersuchungen sind noch nicht durchgeführt, wie Sie wissen.

[1848] RA Dr. He[ldmann]:

Ja. Dann sind die Untersuchungen inkomplett.

Vors.:

Deswegen sagten wir:

Die Ärzte, die bisher zur Untersuchung gekommen sind.

RA Dr. He[ldmann]:

Damit sind die Untersuchungen über die derzeitige Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten inkomplett, weil nicht nur der Senat, sondern auch die anderen Fachärzte, insbesondere Internisten, darauf gedrungen haben, jene Äußerungen, von denen ich jetzt spreche, unbedingt und unverzüglich einzuholen.

Vors.:

Ja. Das hat ja der Senat bei der Entscheidung berücksichtigt. Der Wortlaut geht ja da hin. Es ging ja bloß darum, daß bis zur endgültigen Äußerung der Fachärzte eine Entscheidung zu treffen ist. Es ist also alles in diesem Schwebezustand zu beurteilen gewesen und auch beurteilt worden.

Wir können damit zur Vernehmung zur Person kommen.

Herr RA v[on] Plottnitz.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Ich habe vorher, und zwar zur Vorbereitung eines eventuellen Ablehnungsgesuchs, zwei Fragen an Sie persönlich zu stellen:

Trifft es zu, daß Sie gestern der Kollegin Petra Rogge aus Hamburg gegenüber angeordnet haben, daß sie ihren Mandanten, Herrn Raspe, nicht besuchen dürfe, wenn sie nicht bereit sei, mehrere Zeitschriften, die sie mit sich geführt habe - Tageszeitungen und Wochenmagazine - bei Herrn Oberverwalter Götz zu hinterlegen?

Zweite Frage:

Trifft es zu, daß Frau Rogge Ihnen ausdrücklich erklärt hat, daß sie bereit sei, natürlich die Zeitungen wieder mitzunehmen, daß also eine Übergabe nicht in Betracht käme.

Vors.:

Ich beantworte Ihnen diese Frage außerhalb der Hauptverhandlung, wenn Sie wollen. Wir können die nächste Pause dazu benützen.

[1849] RA v[on] Pl[ottnitz]:

Herr Vors., ich habe ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß ... ’s geht um die Vorbereitung eines Ablehnungsgesuches; es gibt das Unmittelbarkeitsprinzip,[6] Kabinettsjustiz gibt’s noch nicht. Also ich bitte, das hier zu beantworten.

Vors.:

Sie können ja den Antrag stellen. Ich bin nicht verpflichtet, Ihnen hier Fragen zu beantworten, beabsichtige dies auch nicht zu tun. Ich bin gern bereit, außerhalb der Hauptverhandlung und nicht hier - obwohl das auch keine Pflicht ist - außerhalb der Hauptverhandlung die nötige Unterrichtung zu geben. Aber hier in der Hauptverhandlung nicht.[7]

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Dann habe ich zu beantragen,

eine Pause von 20 Minuten zu gewähren.

Vors.:

Nein.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Herr Vors., hören Sie doch erst mal zu, warum ich eine Pause brauche, statt zwangshaft „nein“ zu sagen.

Vors.:

Das ist nicht zwangshaft.

RA v[on] Plottnitz:

Das ist zwangshaft, so, wie Sie „nein“ gesagt haben.

Also ich beantrage,

mir eine Pause von 20 Minuten zu gewähren, damit ich mit dem Mandanten die Möglichkeit eines Ablehnungsgesuchs aufgrund der Vorgänge, die ich hier durch Ihre Antworten aufklären wollte, damit ich das besprechen kann.

Vors.:

Nein. Ich mache diese Pause nicht. Sie können das zu einem späteren Zeitpunkt, wenn sich eine Pause sowieso ergibt, erledigen.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Dann habe ich also zunächst mal diese Maßnahme zu beanstanden und um einen entsprechenden Senatsbeschluß zu bitten.[8]

Vors.: (nach geheimer Umfrage)

Der Senat stimmt mit meiner Entscheidung überein:

Es wird keine Pause gemacht.

[1850] RA v[on] Pl[ottnitz]:

Dann habe ich folgenden Antrag für den Herrn Raspe zu stellen:

Der Gefangene Raspe lehnt den Vorsitzenden Richter Dr. Theodor Prinzing wegen der Besorgnis der Befangenheit ab.

Der Antrag wird für den Herrn Raspe wie folgt begründet:

Am gestrigen Montag hat die Kollegin Petra Rogge ihrem Mandanten Jan-Carl Raspe, dessen Wahlverteidigerin[9] sie ist, in der JVA in Stammheim zu einer Verteidigerbesprechung aufgesucht. Beim Betreten der JVA führte sie Tageszeitungen und Zeitschriften mit sich. Die Anstaltsleitung, vertreten durch den Anstaltsbeamten Götz oder den Anstaltsbeamten Konrad, hat ihr gesagt, daß sie die Zeitungen und Zeitschriften am Eingang der JVA bei dem Beamten zu hinterlegen habe; haben ihr also verboten, diese Zeitschriften und Zeitungen zu dem Besuch zum Mandanten mitzunehmen.

Die Kollegin hat diese Anordnung moniert; sie hat ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß es nicht darum gehe, hier irgendwelche Zeitschriften oder Zeitungen dem Gefangenen zu übergeben. Sie hat gesagt, es handle sich um ihre Zeitschriften und ihre Zeitungen, an deren Mitnahme sie niemand hindern dürfe.

Diese Gegenvorstellungen haben bei der Anstaltsleitung bzw. bei den Anstaltsbediensteten, mit denen sie konfrontiert war, keinen Erfolg gehabt. Die Kollegin hat daraufhin Kontakt mit dem Vorsitzenden des Senats - mit dem abgelehnten Richter also - aufgenommen und ihn ersucht, so zu verfahren, wie sie’s gewünscht hat:

also anzuordnen, daß sie

- Herr Vorsitzender, Sie haben ihr die Auskunft nicht gegeben; ich bin jetzt also verpflichtet, zur Glaubhaftmachung[10] Ihrer dienstlichen Äußerung dann Bezug zu nehmen; also dann überlegen Sie sich mal, wer hier eigentlich das Verfahren verzögert und verschleppt mit zwanghaftem nein, nein, nein.

[1851] Vors.:

Herr RA v[on] Plottnitz, es ist vielleicht eine Vereinfachung für Sie, wenn ich Ihnen sage gleich von vornherein:

Eine Kontaktaufnahme hat nicht stattgefunden. Ich bin befragt worden von der Vollzugsanstalt.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Na also wie auch immer. Sie hat mittelbar oder unmittelbar - das ist nun keine sehr erhellende Auskunft, kann ich nur sagen - sie hat mittelbar oder unmittelbar versucht, mit dem abgelehnten Richter und nicht nur versucht, sondern es ist ihr auch gelungen, mit dem abgelehnten Richter Kontakt aufzunehmen, und der abgelehnte Richter hat entschieden, daß entweder der Besuch so stattzufinden habe, wie er von der Anstalt angeordnet worden sei, also ohne Mitnahme der Zeitschriften und der Magazine oder der Besuch überhaupt nicht stattzufinden habe.

Wegen dieses Sachverhalts beziehe ich mich zunächst auf ... zur Glaubhaftmachung auf die dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters sowie dienstliche Äußerungen der Justizbediensteten Konrad und Götz, vorsorglich auch auf eine dienstliche Äußerung des stellvertretenden Anstaltsleiters der JVA Schreitmüller.

Der Vorgang, der begründet worden ist zur Begründung des Gesuchs ist ein weiteres Beispiel dafür, daß Verteidiger in diesem Strafverfahren es sich gefallen lassen müssen, durch entsprechend... im Rahmen entsprechender Verfügung des Vorsitzenden nicht als Verteidiger und Organe der Rechtspflege, sondern als eine Art potentieller Rechtsbrecher behandelt zu werden. Es bedarf überhaupt keiner rechtlichen Erörterung, daß es völlig illegal ist, einem Verteidiger in einem Verfahrensstadium wie demjenigen, in dem wir uns hier befinden, zu verbieten, Zeitschriften und Magazine mit zu einem Mandanten zu nehmen, zumal dann, wenn er ausdrücklich erklärt - der Verteidiger nämlich -, daß er bereit sei, diese Zeitschriften und Magazine wieder mit rauszunehmen aus der JVA.[11] [1852] Es ist eine in jeder Beziehung illegale Entscheidung, eine illegale Entscheidung, mit der ohne jede Rechtsgrundlage eingegriffen wird in die Freiheitsrechte desjenigen, der so behandelt wird.

Die Entscheidung offenbart einmal mehr ein unerträgliches Mißtrauen gegen die Verteidiger, der Gefangenen ganz allgemein, hier konkret gegen die Verteidigung des Gefangenen Raspe. Von Herrn Raspe kann in der Tat nicht erwartet werden, daß ein Richter, der sich so verhält, wie der abgelehnte Richter sich gestern der Kollegin Rogge gegenüber verhalten hat, daß der ihm gegenüber unparteilich und unvoreingenommen sei.

So, das zur Begründung des Gesuchs.

Vors.:

Ich bitte die Prozeßbeteiligten, wollen Sie vorweg Stellung nehmen?

OStA Zeis:

Die B. Anwaltschaft wird zum 10. sog. Jubiläumsantrag der Verteidiger auf Ablehnung des Vorsitzenden auf schriftlichem Wege Stellung nehmen.

Vors.:

Ja. Dann bitte ich die Prozeßbeteiligten, um 10.00 Uhr wieder hier im Saale zu sein. Dann wird Weiteres bekanntgegeben, wie’s weitergeht, insbesondere wegen der Stellungnahme.

Unterbrechung der Sitzung um 9.30 Uhr.

Ende von Band 75.

[1853][12] [1854][13] [1855][14] [1856-1857][15] [1858] Die Hauptverhandlung wurde um 11.00 Uhr fortgesetzt.

Rechtsanwalt Schily und Rechtsanwalt Linke sind jetzt auch[d] anwesend.

Vors.:

Wir können die Sitzung fortsetzen.

Der Senat hat beschlossen

Der Vorsitzender verlas den Beschluß vom 5. August 1975 aus Anlage 2 zum Protokoll.

Der Beschluß ist dem Protokoll als Anlage 2 beigefügt.

Wir können damit fortfahren.

Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Sch[ily]:

Ja, ich wollte Sie bitten, mir Gelegenheit zu geben, eine Erklärung abzugeben ...

Vors.:

Eine Erklärung, Herr Rechtsanwalt ...

RA Sch[ily]:

... und zwar, weil ich der Meinung bin, daß möglicherweise ...

Vors.:

Darf ich den Gegenstand der Erklärung erfahren?

RA Sch[ily]:

Naja, wissen Sie, weil doch in der Presse manches auf, vielleicht auf Unverständnis gestoßen ist und ...

Vors.:

Darf ich den Gegenstand erfahren? Um was handelt es sich ...

RA Sch[ily]:

Es geht ...

Vors.:

Wir wollen ja hier keine Erklärungen mehr entgegennehmen, sondern wir wollen Anträge entgegennehmen, im übrigen fortfahren.

[1859] RA Sch[ily]:

Nein, es geht darum, um die Beurteilung der Tätigkeit der Verteidiger in diesem Verfahren und wie das in der Öffentlichkeit bewertet worden ist.

Vors.:

Nein, Herr Rechtsanwalt, dazu kann ich Ihnen leider das Wort nicht erteilen. Dazu haben wir jetzt in dieser Prozeßphase keine Möglichkeit.[16]

RA Sch[ily]:

Dazu wollen Sie mir das Wort nicht erteilen.

Vors.:

Nein.

RA Sch[ily]:

Gut, das nehme ich ...

Vors.:

Wir fahren fort.

RA Sch[ily]:

... dann zur Kenntnis. Dann möchte ich einen Antrag stellen.

Vors.:

Bitte.

RA Sch[ily]:

Rechtsanwalt Schily verliest den Antrag aus Anlage 3 zum Protokoll.

Soweit der Antrag.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, liegt der Antrag schriftlich vor?

RA Sch[ily]:

Schriftlich ja, den kann ich Ihnen ...

Vors.:

Dankeschön, wir kriegen ihn dann.

Frau Ensslin ...

Der Antrag wunde übergeben, um diesen fotokopieren zu lassen. Die Fotokopie ist dem Protokoll als Anl. 3 beigefügt.

Ende Band 76

[1860][17] [1861-1865][18] [1866] Vors.:

Ich darf die Angeklagten darauf hinweisen, die Mikrofonanlage wird geändert in der nächsten Woche während der Prozeßpause, und zwar so, daß jeder von Ihnen ein Mikrofon vor sich hat, so daß Sie dieses Verknoten des Mikrofons nicht mehr notwendig haben werden.

Angekl. E[nsslin]:

Bei der Begründung, die ich zu diesem Antrag vortragen werde, wird es sich um ziemlich umfangreiche Argumentation handeln. Im wesentlichen, weil die Begründung, die Schily vorgetragen hat, für mich sehr wesentliches nicht enthalt. Prinzings Aktivitäten, Prinzings und des Senats Aktivitäten gegenüber den Medien, ergeben sich aus seiner Instrumentierung für das Vernichtungsinteresse und die Vernichtungsstrategie der Bundesanwaltschaft und des Staatsschutzapparats. Sie sind durch seine Verhandlungsführung im Verfahren selbst dauernd präsent, aber nicht darauf beschränkt. Seine Unterscheidung zwischen außerhalb und innerhalb der Hauptverhandlung hat es selbst längst aufgelöst und er wendet diese nur an, wo sie praktisch die Verteidigung einengt und vollends zerschlägt. Als Staatsschutzfunktionär entwickelt er die Produkte, die Fälschungen und Konstruktionen der Bundesanwaltschaft und des Staatsschutzapparats selbständig weiter. Als eine Ihrer wesentlichen Vermittlungen zur Presse, die alle erst aus seiner Stellung und Funktion hier in diesem Verfahren, das selbst nur Kriegspropagandamittel für den starken Staat ist, möglich ist. Das heißt, aus seiner Funktion für den Staatsschutz entwickelt er die Aktivitäten, die wiederum funktional sind, zu seinen Beschlüssen, mit denen er die Vernichtungshaft verfügt und funktional zu der Verurteilung, die der Staatsschutzapparat unter dem Kommando Bubacks[19] vorprogrammiert hat und durch psychologische Kriegsführung konditioniert. Prinzing macht sich selbst durch sie, diese Aktivitäten, zum Bestandteil der psychologischen Kriegsführung. Deshalb lehnen wir ihn ab. Über diesen Zusammenhang, Befangenheit Prinzings und des Senats, Staatsschutzjustiz, psychologische Kriegführung, Folter und Öffentlichkeit, ist hier einiges zu sagen. Das Moment der Öffentlichkeit in dem geschlossenen System, trägt die Bundesanwaltschaft, Gericht, Staatsschutzpresse, wahren die Anwälte Ströbele, Groenewold und Claus Croissant. [1867] Sie sind verhaftet worden, weil sie für Buback identisch sind mit internationaler Information über die Methoden, die er und Prinzing lieber im Dunkeln lassen würden. Es gibt keinen anderen Grund für die Ausschlußverfahren und für die Verhaftungen.[20] Keinen. Sie sind verhaftet worden, um die verbliebenen Anwälte unserer Wahl, wie[e] Buback die Unverschämtheit besitzt, sogenannte Vertrauensanwälte in seinem Interview in der Quick zu nennen, abzuschrecken. Sogenannte Vertrauensanwälte[21], also Wahlverteidiger, die die demnach auch nur sogenannte Menschenrechtskonvention als Grundrechte, sogenanntes Grundrecht, einem Angeklagten zugesteht. Abschreckung war das Wort in Bubacks Interview in der „Welt am Sonntag“, im März. Abschreckung ist die Funktion von Terror und sie reicht über die Anwälte hinaus. Als Claus Croissant verhaftet worden war, mit der expliziten Begründung, er habe internationale Öffentlichkeit hergestellt, zum Schutz der Gefangenen. Er habe die Öffentlichkeit über den Hungerstreik informiert, kam Bussek drauf, daß dieser Vorwurf, also Haftgrund natürlich, auch jedem Journalisten gemacht werden kann, sofern er mehr sagt, als die Agenturmeldungen, d.h. ihm fiel ein, daß der Terror gegen die Anwälte natürlich auch Terror gegen die Journalisten ist und die Abschreckung funktioniert. Der Einzelne hält sich daran und es ist nicht notwendig, daß er das weiß.

Was es jetzt noch gibt, ist die Anwesenheit der Gefangenen in den Verfahren. Denn daß sie Post und Besuche haben könnten, ist nicht wahr. Was wir davon erfahren, sind Prinzings Ablehnungs - und Beschlagnahmebeschlüsse, die jede politische Kommunikation mit einer abstrusen Sicherheitsargumentation verbieten. Wohinter aber die Gleichsetzung von Kommunikation und Agitation steckt. Das heißt, Prinzings Konsumentenbegriff von Kommunikation, was Agitation ist, weiß er nicht. Was er macht ist, daß er jede Lebensäußerung von uns, einfach jedes Wort als staatsgefährdend klassifiziert. Insofern ist er schon idealtypisch die Sorte Unmensch, für die Maihofer[22] das Wort Aktivbürger gefunden hat ...

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender, die Bundesanwaltschaft bittet ums Wort.

Angekl. E[nsslin]:

Nach Maihofers ...

Vors.:

Frau Ensslin, bitte unterbrechen Sie kurz, bitte schön Herr [1868] Bundesanwalt Zeis.

RA Sch[ily]:

Warum wird jetzt unterbrochen, wir unterbrechen die Bundesanwaltschaft ja auch nicht.

Vors.:

Lassen Sie den Antrag stellen, der offenbar jetzt gestellt werden soll.

RA Sch[ily]:

Wieso, wieso.

OStA Z[eis]:

Die Bundesanwaltschaft beantragt, die Angeklagte Ensslin zu verwarnen, in dieser Art und Weise nicht mehr fortzufahren. Es geht nicht an, daß die Angeklagte Ensslin die Begründung eines Ablehnungsgesuches dazu mißbraucht, Gericht und den Vorsitzenden hier zu beschimpfen.

Vors.:

Frau Ensslin, Sie haben den Antrag der Bundesanwaltschaft gehört. Ich gebe Ihnen den weiter. Bitte halten Sie sich an das, was Sie gerade gehört haben. Auch ich möchte Sie in dieser Richtung verwarnen. Sie haben keine Möglichkeit, den Antrag zu Beleidigungen auszunützen.

Herr Rechtsanwalt Schily, um Ihnen vorzugreifen. Es ist zulässig, wenn jemand prozessual eingreift, weil er den Verfahrensgang etwa in der Richtung beeinflussen will, daß Beleidigungen, Abschweifungen und dergleichen unterbunden werden müssen. Das geht nicht anders, als daß das Wort erteilt wird.

RA.Sch[ily]:

... daß wir bei Abschweifung der Bundesanwaltschaft dann unterbrechen.

Vors.:

Das ist ganz selbstverständlich. Dasselbe Recht haben Sie auch. Das ist ganz klar.

Bitte, Frau Ensslin, fahren Sie fort.

Angekl. E[nsslin]:

Für die Maihofer. Ich werde darauf nicht eingehen. Für die Maihofer das Wort Aktivbürger gefunden hat. Nach Maihofers Definition ist das der Bürger, der die geistige Auseinandersetzung mit den Ursachen dieser Erscheinungen, diese Er- [1869] scheinungen, die Maihofer da hat, ist die Stadtguerilla. Und das bewußte Eintreten jedes Bürgers für seinen Staat. „Seinen“ ist natürlich ein Euphemismus bei einem Staat, den das transnationale US-Kapital beherrscht. Die Bundesregierung, jedenfalls so Maihofer in der Bundestagsdebatte am 13. März, wird diese Voraussetzung solcher geistiger Auseinandersetzungen durch planmäßige Aufklärungsarbeit weiter stärken, wie sie das schon bisher in ihren Berichten und Dokumentationen also illegalen und gefälschten Dokumentationen aus den Ermittlungsakten getan hat. Prinzings Job ist dabei, zu verhindern, daß die Gefangenen aus der Stadtguerilla in dieser geistigen Auseinandersetzung zu Wort kommen. Die Regierung schützt ihn. Er schützt die Regierung. Mit dem Aktivbürger ist der Staat unter sich.

Ich werd mal einen Moment unterbrechen.

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Baader möchte sich diesem Antrag anschließen und ebenfalls zur Begründung vortragen.

Vors.:

Ja, soll die Begründung nun von ihm übernommen und fortgesetzt werden oder was Neues?

Bitte?

RA Dr. H[eldmann]:

Er hat seine eigene Begründung.

Vors.:

Ja, und was ist mit Frau Ensslins Begründung?

Frau Ensslin, wir legen natürlich Wert darauf, Ihre Begründung im Zusammenhang zu haben.

Angekl. E[nsslin]:

Ich habe unterbrochen.

Ende von Band 77

[1870] Angekl. E[nsslin]:

Ich bin fertig.

Vors.:

Bitte? Sie sind fertig. Gut, Herr Baader, Sie haben sich dem Antrag angeschlossen, dann können Sie jetzt Ihre Begründung bringen.

Angekl. B[aader]:

Ja. Prinzings Identifikation und des Senats Identifikation mit der Strategie der psychologischen Kriegsführung, ihren[f] Maßnahmen ist[g] formuliert in Prinzings Beschluß zur Zulassung von Sartre zum Besuch bei mir.[23] In dem Prinzing da ganz nackt befindet, die Aktion gegen Drenkmann[24] habe die früher vermißte Bereitschaft, und damit ist gemeint die Bereitschaft der Medien, geweckt, der gegen Staat und Justiz gerichteten Verleumdungskampagne durch die Aufklärung der Bevölkerung entgegenzutreten. Das muß man mal beachten. Prinzing, das wird da ganz offensichtlich, bittet den Staatsschutz um Provokation. Er bittet ihn um die Verpestung des öffentlichen Klimas. Er sagt ganz offen, das ist also[h] sein Job: die Vernichtung der Gefangenen aus der RAF, die Unterstützung der Medien braucht. Das ist ein Job als im Krieg versteht (?). Wir, ich muß das ja eigentlich nicht sagen, wir distanzieren uns natürlich nicht von der Aktion gegen die Berliner Justiz. Daß Prinzing diese Aktion begrüßt hat, daß sie ihm gelegen kam, zeigt einfach nur, wo er[i] seit seiner Beteiligung oder seiner Rolle beim Tod von Holger[25] steht. Psychologische Kriegsführung ist zur dominanten Methode des Klassenkampfs von oben, Mitte der sechziger Jahre, geworden. Als mit der Welle[j] von Rezession in einem Akkumulationszentrum des Imperialismus und der Verschärfung des[k] Antagonismus, Metropolen Dritte Welt, der Eskalation der amerikanischen Kriegsführung in Vietnam,[26] die Revolution in den Metropolen endlich wieder aktuell zu werden schien. Sie[l] ist aus[m] der Psychologisierung, der Konsumentenwerbung entwickelt worden, als Kriegsstrategie. Aus der spezifischen Kolonisierungsstruktur in den Metropolen, die der US-Imperialismus nach 45 Westeuropa aufgezwungen hat, durch Antikommunismus und durch Konsumentenkultur. Ihr Instrument sind die Medien. Oder anders gesagt ... des imperialistischen Krieges, komplement zum atomaren Patt, [1871] wurde die psychologische Kriegsführung nach dem Bruch zwischen Strategie und Taktik des Kapitals, das heißt, seit es keine Strategie mehr hat, auf Krise und revolutionären Angriff nur noch reagiert, nur noch reagieren kann, indem der Imperialismus als Ausdruck seiner historischen Defensive, der Tatsache, daß er strategisch ein Papiertiger ist, nur noch Vernichtungsstrategien bilden konnte, ab Mitte der 60iger Jahre hochgezogen wurde zu dominanter imperialistischer Politik, die Krieg ist. Psychologische Kriegsführung absorbiert alle bisherige Wissenschaft. Natur- und Gesellschaftswissenschaft als Herrschaftswissenschaft. Sie ist als Fusion auf politische Fusionierung, das heißt, reaktionäre, faschistische Mobilisierung aus. Sie bringt den imperialistischen, überdeterminierten Staat auf seinen umfassenden Begriff, Kontrolle und Erfassung. Ihr spezifisches Feld, Prävention, Eindämmung, verläßt die psychologische Kriegsführung nur, um das ganze imperialistische System seiner Bestimmung, seiner endlichen Bestimmung, dem Krieg im Prozeß seiner Zerschlagung durch die Weltrevolution zuzuführen. Die totalitäre Logik der psychologischen Kriegsführung ist ein in sich geschlossenes System. Die offensive Information, die wie Maihofer sagt, geistige Durchdringung der Erscheinungsformen des politischen Terrorismus, wie Schmidt sagt, die geistlich politische Auseinandersetzung mit der revolutionären Linken, operiert mit Material, das der Apparat aus Bundesanwaltschaft, Gericht, Bundeskriminalamt und Regierung selbst produziert. Sie produzieren das Feindbild, sie produzieren den Jargon, sie produzieren die Tatsachen, die ihr Feindbild ... sollen, sie produzieren schließlich den Provokateur, die den Behauptungen der psychologischen Kriegsführung den Schein von Tatsächlichkeit verschafft, sie dem Schein nach ... Ein Heer, kann man schon sagen, von Wissenschaftlern und ein Schützengrabensystem von Institutionen arbeitet die Definition und die Möglichkeiten ihrer Verifizierung aus. Das läuft zum Beispiel so: Man schafft den Begriff Terrorismus, er ist eine Projektion, er ist falsch.

Vors.:

Augenblick bitte, darf ich kurz bitten zu unterbrechen, Herr [1872] Baader ...

Angekl. B[aader]:

Lassen Sie mich doch ...

Vors.:

Wir bewegen uns im Augenblick im Rahmen eines Antrags auf Ablehnung dieses Senats.

Angekl. B[aader]:

Ja, dieser Senat ...

Vors.:

Aus Gründen, die genau umrissen sind, der Senat habe sich mit den Medien zu stark eingelassen. Sie sollten sich also bemühen, bei Ihrer Begründung sich diesem Rahmen anzupassen und nicht jetzt wieder über Dinge herumzureden, die erstensmal sehr häufig schon hier erwähnt worden sind und zweitens in keinem Sachzusammenhang mehr stehen. Ich warne Sie, wenn Sie in dieser Weise fortfahren, werde ich Ihnen das Wort entziehen müssen ...

Angekl. B[aader]:

Ich kann dazu nur feststellen, daß das ganz exakt der Rahmen ist, der die Beziehung des Senats zu den Medien definiert, über den ich hier spreche. Das ist der 1. Punkt und der 2. Punkt ist, daß wir wieder feststellen, daß Sie[n] nicht folgen können, denn das was hier gesprochen wird ist in diesem Verfahren weder entwickelt worden, noch ist explizit darüber gesprochen worden. Sie können also sich nicht hinsetzen und können sagen, das ist schon sehr oft besprochen worden hier, denn diese Argumentation ist genau noch nicht entwickelt worden hier. Und ich würde wirklich mal empfehlen, daß Sie sich wenigstens bemühen, die Inhalte, und wir sind ja anscheinend die Einzigen, die hier überhaupt Inhalt bringen in dieser Verhandlung, daß Sie sich also bemühen, den Inhalten wenigstens einigermaßen zu folgen, dann werden Sie so etwas nicht mehr sagen.

(Unruhe im Saal)[o]

Vors.:

Ich bitte zunächst im Saal um Ruhe. Wir wollen möglichst ohne jede Mißfallens- oder Beifallskundgebungen hier auskommen, im Interesse aller Beteiligten. Herr Baader, Sie können, wenn es sich um die Sacheinlassung handelt, oder wenn Sie sonst Ihre ganze Konzeption darlegen wollen, das habe ich Ihnen [1873] schon angedeutet unbeschränkt reden ...

Angekl. B[aader]:

... erlauben ...

Vors.:

Hier geht es um den Antrag, Herr Baader, uns abzulehnen, wegen zu enger Verbindung mit der Presse und Sie müssen sich an diesen Rahmen halten, erkennbar halten, dann können Sie mit der Begründung fortsetzen, wenn Sie wollen.

Angekl. B[aader]:

Na, vielleicht werden Sie erlauben, daß man explizit in diesem Zusammenhang darstellt, aus was für Strukturen auch aus was für staatlichen Strategien, und das ist ja nun wirklich nicht zu bestreiten, daß dieses Verfahren unmittelbar in all seinen Phasen, in allen Verfahrensphasen unmittelbar determiniert worden ist, von der Regierung. Also innerhalb welcher Strategien sich so eine Beziehung eines Gerichts zur öffentlichen, manipulierten öffentlichen Meinung herstellt. Das ist unmittelbar begründet, unmittelbar die Ablehnung dieses Gerichts. Also ich möchte auf jeden Fall ... Außerdem ist es auch nicht richtig, wenn Sie sagen, ich würde hier unsere Konzeption entwickeln. Ich entwickle hier die Konzeption der Bundesanwaltschaft, beziehungsweise der Regierung in der Form psychologischer Kriegsführung. Also nochmal. Die Terrorismusdefinition mit der die Counterstrategie gegen die Guerilla operiert, stammt von Hacker, der Psychiater ist, und der mit pseudowissenschaftlichem Vokabular die Frage der sozialen Veränderung, Entwicklung als Problem der Erhaltung des gesellschaftlichen Status quo stellt[p]. Als Problem der gewaltsamen Anpassung des Menschen an unmenschliche Verhältnisse. Hacker gehört zu der Clique imperialistischer Wissenschaftler, die wie der Verhaltensforscher Lorenz und Skinner sich, wie die Kapazitäten der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, zur Lebensaufgabe gemacht haben, den materiellen Inhalt vom antiimperialistischen Kampf zu mystifizieren. Die Gefangenenvernichtungsprogramme, Programme zur Vernichtung von Gefangenen, Revolutionären und Rebellen, wissenschaftlich aufzudrapieren.

Hacker ist Berater des Pentagon, des FBI und des Bundeskriminalamts für[q] Aufstandsbekämpfung. Schwarz, Maihofer, Schmidt [1874] haben ihren Terrorismusbegriff von dort, auch Borchert, die Polizeiliteratur und der Berliner Professor Barning kürzlich auf einer Tagung der Thyssenstiftung staffieren ihn mit dem Schein von Wissenschaftlichkeit und Hintergrundinformation aus. Sie haben keine. Weil die ganze Definition angewendet auf die Stadtguerilla falsch ist. Quatsch ist. Nach der Definition von Schwarz, Innenminister in Rheinland-Pfalz, ist die Grundregel, wörtliches Zitat „Die Grundregel des Terrorismus möglichst viele[r] Menschen zu töten, lähmendes Entsetzen, daß der Gefühlszustand, den Terroristen offenbar bei[s] immer mehr Menschen in der ganzen Welt herstellen wollen.“

Ich würde sagen, das ist die präzise Definition von Israels Politik gegen die palästinensische Befreiungsbewegung.[27] das ist die präzise Definition der Vietnampolitik der USA bis zu ihrer Niederlage. Das ist die präzise Definition der Politik der Junta in Chile[28] und das ist die präzise Definition der Politik Bundesanwaltschaft und ihre Grundregel, möglichst viele tote[t] Kämpfer, möglichst viele tote Gefangene, Exekutionen auf offener Straße, der Todesschuß usw. Lähmendes Entsetzen ist in der Tat präzise der Gefühlzustand, den[u] die Bundesanwaltschaft bei immer mehr Menschen herstellen will, wenn Sie immer mehr tote Trakts[29] bauen läßt und immer öfter Gefangene in tote Trakts bringt und drin läßt.

Vors.:

Herr Baader, ich verwarne Sie jetzt zum zweiten Mal; es richtet sich gegen die Richter dieses Senats. Sie haben Ablehnungsgründe gegen diese Richter vorzutragen und zu ergänzen, nicht allgemeine Ausführungen zu machen. Bitte halten Sie sich an dieses Konzept, ich kann Ihnen sonst das Wort nicht mehr weiter belassen.

Angekl. B[aader]:

Ich kann es Ihnen nochmal erklären, es sind insofern Ablehnungs... das ist ja wirklich unglaublich, was Sie hier machen. Sie lassen die Bundesanwaltschaft jedes Mal wirklich teilweise zusammenhanglosen agitatorischen Quatsch hier reden und wenn hier stringent die Konstellation der psychologischen Kriegs- [1875] führung in der dieser Senat sich bewegt in seiner gesamten Äußerung im Verfahren, in seiner gesamten Äußerung zur Öffentlichkeit, die diesen Ablehnungsantrag begründet. Wenn die hier entwickelt werden soll, da sagen Sie, ich würde nicht zur Sache reden.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. H[eldmann].

RA Dr. H[eldmann]:

Gegenstand des Ablehnungsantrags[v] des Kollegen Schily, den Herr Baader soeben anschließt[w], ist ausdrücklich auch der Vorwurf an den Senat gewesen, nämlich der Vorwurf der Parteilichkeit, daß er, wie es seine Pflicht gewesen wäre, unverurteilte Angeklagte vor öffentlichen Angriffen, die bis hin gehen zum Ruf bildlich gesprochen „Hängt sie“, nicht in Schutz genommen habe, und dazu genau redet Herr Baader jetzt.

Vors.:

Na, ich weiß nicht so recht. Aber wir wollen mal versuchen Herr Baader, bemühen Sie sich halt bei der Sache zu bleiben.

Ende des Bandes 78.

[1876] Angekl. B[aader]:

Also lähmendes Entsetzen ist präzise der Gefühlszustand, den die Bundesanwaltschaft bei immer mehr Menschen herstellen will, wenn sie immer mehr tote Trakts bauen läßt, und das ist nur ein Beispiel, und immer öfter gefangene Revolutionäre in tote Trakts bringt und darin läßt. Das heißt, das ist die Intention der Folter durch Isolation. Schwarz, als Polizeiminister, weiß natürlich was das ist, Terrorismus. Ich würde sagen, er hat den Begriff „Folter“ in dieser Formulierung anschaulich gefaßt und ich meine das auch ganz genau, so wie ich es sage, weil wir eigentlich im Gegensatz zu den Faschisten mit überdeterminierten Begriffen nicht so recht bei der Hand sind. Aber daher und nur daher, also aus dem Terrorismus der Bundesanwaltschaft ist zu verstehen, wie es möglich war, daß der Hungerstreik die Aufhebung der Isolation nicht erzwingen konnte, weil Buback und wir würden sagen: was Buback macht ist exakt definiert Terrorismus, staatlicher Terrorismus, also der Terrorist Buback ...

Vors.:

Herr Baader, jetzt entziehe ich Ihnen das Wort.

Angekl. B[aader]:

Ich ...

Vors.:

Auf diese Weise können wir nicht fortfahren ...

Angekl. B[aader]:

Bitte ...

Vors.:

... und zwar diesmal nicht wegen sach... weil Sie nicht bei der Sache bleiben und abschweifen, sondern weil Sie schon wieder beleidigend werden. Wenn Sie dem Generalbundesanwalt vorwerfen wollen, er betreibe staatlichen Terrorismus, dann geht es über das hinaus, was wir ...

Angekl. B[aader]:

Haben Sie mal, haben Sie mal eine Definition ...

Vors.:

Herrn Baader ist das Wort entzogen. Ich bitte dementsprechend zu verfahren.

Will sich die Bundesan... Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

[1877] RA Dr. H[eldmann]:

Ich begründe dann den Ablehnungsantrag des Herrn Baader, mit welchem er sich zunächst dem Kollegen Schily, mit seinem Antrag für Frau Ensslin, angeschlossen hat, weiterhin:

1. Der Vorsitzende Richter, hat den Verteidigungsvortrag des Herrn Baader hier in der öffentlichen Hauptverhandlung soeben herabqualifiziert, als Herr Baader „ich warne Sie - wörtlich - wieder herumzureden“, Verteidigungsvortrag als wieder herumzureden, in öffentlicher Hauptverhandlung abzuqualifizieren, zeigt Voreingenommenheit dessen, der ihn ausgesprochen hat, des Vorsitzenden Richters[x] Prinzing.

2.

Herr Baader erweitert seinen Ablehnungsantrag, mit welchem er sich dem, der Frau Ensslin durch Herrn Schily vorgetragen, angeschlossen hat um den weiteren Punkt da genau, da genau, wo er zu sprechen angesetzt hat, von den öffentlichen Vorverurteilungs- und Hetzkampagnen der Generalbundesanwaltschaft gegen die hier nach wie vor als unschuldig zu behandelnden Angeklagten,[30] wo er angesetzt hat, hier die Dinge beim Namen zu nennen, zu analysieren und angesetzt hatte, Beispiele dafür zu bringen, ist ihm das Wort entzogen worden. Das heißt, er ist vom Vorsitzenden Richter behindert worden, seinen Verteidigungsvortrag hier in der Form des Ablehnungsgesuchs fortzusetzen.

Ich bitte vorsorglich jedoch, nachdem ich sehr auf diese Punkte hingewiesen habe, die Verfügung des Vorsitzenden Richter, durch den Senat, durch den Senat entscheiden zu lassen.

Vors.: (nach geheimer Umfrage)

Der Senat billigt die Entscheidung, die ich getroffen habe.

RA Dr. H[eldmann]:

Dann habe ich dem Ablehnungsantrag des Herrn Baaders anzufügen, er richtet sich in diesen beiden neuen Punkten, die über die bisher genannten hinausgehen,

auch gegen die Richter am OLG Dr. Breucker, Dr. Foth, Maier und Dr. Berroth.

[1878] RA Dr. H[eldmann]:

Ich bitte, zu dieser weiteren Begründung - aufgrund des eben gefaßten Senatsbeschlusses, nicht?

Ich bitte zu dieser weiteren Begründung des bisher, ausschließlich bisher behandelten Ablehnungsantrags, Herrn Baader selbst zu hören.

Sagen Sie dazu ...

Vors.:

Herrn Baader ist das Wort entzogen, es wird ihm nicht erteilt mehr. Er hatte zur Begründung Gelegenheit.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich habe einen ...

RA v[on] P[lottnitz]:

Um eine neue Tatsache hervorzubringen, Herr Vorsitzender.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich habe doch einen neuen Ablehnungsantrag gestellt und dazu ist Herr Baader zu hören, denn ich habe nicht für mich, sondern für Herrn Baader diesen Antrag gestellt.

Vors.:

Nein, Herr Baader hat keine Gelegenheit mehr, ihm ist das Wort entzogen wegen Beleidigung.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich bitte um Senatsbeschluß.

Vors.:(nach geheimer Umfrage)

Der Senat billigt die Entscheidung.

RA Dr. H[eldmann]:

Dann stelle ich fest, daß der Senat Herrn Baader verwehrt, zu seinem eigenen neuen Ablehnungsantrag das Wort zu ergreifen, stelle ich fest zu Protokoll.

Vors.:

Die Bundesanwaltschaft hat Gelegenheit, wenn Sie sich sofort äußern wollen.

Herr Rechtsanwalt Riedel.

RA R[iedel]:

Ich erkläre, daß sich Frau Meinhof dem gestellten Ablehnungsantrag anschließt, und um das Wort bittet.

Vors.:

Darf ... Wollten Sie sich zu Wort melden?

[1879] Richter Dr. Foth:

Herr Rechtsanwalt Riedel, allen Anträgen oder welchen Anträgen?

RA R[iedel]:

Dem gestellten Befangenheitsantrag des Kollegen Schily, ...

Richter Dr. F[oth]:

Also nicht dem, was Herr Heldmann noch zusätzlich dazu gebracht hat?

RA R[iedel]:

... die der Kollege Schily vorgetragen hat.

Dem zusätzlichen Antrag des Kollegen Heldmann auch.

Richter Dr. F[oth]:

Auch, also alle ... bisher.

RA R[iedel]:

Beide, beide.

Vors.:

Wollen Sie eine weitere Begründung geben dazu, oder ist die Anschlußerklärung ...

RA R[iedel]:

Ich bitte darum, daß zunächst Frau Meinhof das Wort erhält.

Vors.:

Wollen Sie zunächst sich schon zu den gestellten Anträgen äußern, oder warten Sie ...

RA R[iedel]:

Das zerreißt doch den Zusammenhang.

Vors.:

... ich halte es für zweckmäßig.

Gut, Frau Meinhof.

Angekl. M[einhof]:

Naja, das ist genau der Punkt um den es sich handelt. Also wir bleiben auch dabei hier, die Struktur der Öffentlichkeit, natürlich die zu analysieren, weil es sonst albern und Quatsch ist, dem Senat vorzuwerfen, daß er mit dieser Öffentlichkeit, daß er diese Öffentlichkeit manipuliert, ohne zu erklären, um was für eine es sich handelt. Das ist das eine und das andere ist, daß die Methode „Knebelung“, Mikrophon abstellen, Wort abschneiden eben genau ein Element ihrer Manipulation von [1880] Öffentlichkeit ist, nachdem die Verteidiger, die Öffentlichkeit hergestellt hatten und damit Schutz für die Gefangenen, kriminalisiert worden sind.

Und das ... ja das gehört ... Ich schiebe das jetzt mal ein. Natürlich zu der Struktur Ihres Verhältnisses, Ihrer Manipulation der ... Öffentlichkeit, daß Sie genau in dem Moment, wo wir die Bundesanwaltschaft kritisieren ein paar Bestimmungen, analytische Bestimmungen machen, genau in dem Moment uns das Wort abschneiden und das heißt, uns von der Öffentlichkeit abschneiden.

Nachdem Begriff „Terrorismus“ ... Nachdem der Begriff „Terrorismus“ durch die Sprachregelung der Regierung über die Medien durchgesetzt ist, als Projektion, mit anderen Worten, die Politik des Imperialismus gegen die Befreiungsbewegungen auf diese, wie alle imperialistische Propaganda, also die Counter-Propaganda nichts anderes kann, als projizieren, füllen ihnen die Provokation der Polizei aus. Mit der Drohung, mit Trinkwasservergiftung gegen die Stadt Stuttgart[31] und das Klima für den Prozeß hier aufzuheizen[y], mit der Raketendrohung vor einem Jahr gegen die Fußballweltmeisterschaft,[32] mit der Lüge, es sei Gelbkreuzgas gestohlen worden und dem falschen Gelbkreuzalarm,[33] mit den Bombendrohungen gegen Stuttgart 1972[34], schließlich mit der Polizeiaktion „Real“[35], der Bombe die am 6. Dezember in einem Gepäckschließfach in Bremen explodiert ist,[36] um nach der Ermordung von Holger, der Counterpropaganda Stoff gegen den Hungerstreik und für Liquidation von weiteren Gefangenen am Streik zu verschaffen.

Schließlich produziert man den Provokateur, jetzt in der Figur von Müller[37], den der Staatsschutz, der ihn seit 1 Jahr präpariert, die Aktion bestätigen läßt, als von der RAF. Der Terrorismus, militärwissenschaftlich ist damit auch gemeint, die Zerstörung von Versorgungseinrichtungen, als Deichen, Wasserwerken, Krankenhäuser, Kraftwerken eben kurz alles das, worauf die amerikanischen Bombenangriffe gegen Nord-Vietnam seit 1965[38] systematisch abzielten. Der Terrorismus operiert mit der Angst der Massen. Die Stadt-Guerilla dagegen trägt die Angst in den Apparat. Der Terrorismus macht sich die [1881] Massen zum Objekt ...

Vors.:

Frau Meinhof ...

Angekl. M[einhof]:

Die Stadt-Guerilla ...

Vors.:

... ich benütze diesen Satzabbruch auch dazu, um Sie zu verwarnen. Ich kann das nicht hinnehmen, daß Sie hier eine Begründung abgeben, die keinen Sachzusammenhang erkennen läßt zu dem gestellten Antrag.

Angekl. M[einhof]:

Nein, nein, das ist ...

Vors.:

Bitte Frau Meinhof wieder das Wort.

Sie sind also gewarnt.

Angekl. M[einhof]:

Naja, also wie oft wollen Sie denn warnen? Machen Sie doch mal ... Sagen Sie mal, wie oft ...

Angekl. B[aader]:

Schließen Sie uns doch gleich aus. Schließen Sie uns doch gleich aus. Sie wollen doch hier jedes Wort verhindern im Grunde.

Vors.:

Herr Baader, Sie sind hier schon zu vielen Worten gekommen.

Wir wollen darüber nicht ...

Angekl. B[aader]:

Das ist ja gar nicht der Fall, das wissen Sie genau.

Vors.:

Frau Meinhof, Sie haben das Wort. Bitte halten Sie ...

Angekl. B[aader]:(Anfang nicht verständlich)

... inhaltlich wurde, haben Sie hier abgeknüpft.

Vors.:

Herr Baader, Sie haben das Wort jetzt nicht, sondern Frau Meinhof. Frau Meinhof, bitte halten Sie sich an das, an den Antrag, der gestellt ist. Der Gegenstand und der Bezug dazu, muß noch erkennbar bleiben.

Fahren Sie bitte fort.

Angekl. M[einhof]:

Können Sie den nicht erkennen?

[1882] Vors.:

Nein, sonst hätte ich nicht gewarnt. Sie müssen sich darüber im Klaren sein, daß hier über einen Antrag zu entscheiden sein wird und daß dieser Antrag begründet sein soll.

(Angekl. Baader spricht mit der Angekl. Meinhof)

Vors.:

Bitte Frau Meinhof, Sie haben das Wort, fahren Sie fort.

Angekl. M[einhof]:

Naja, also nochmal. Es handelt sich um die Struktur von der Öffentlichkeit. Es handelt sich darum, daß man, daß also z. B. der Journalist Hill im „Vorwärts“ ganz richtig geschrieben hat, daß die Bundesrepublik sicherlich nicht mehr das gleiche Land sein wird, nach diesem Prozeß, wie sie es vorher war. Es ist also ganz unverständlich und auch ganz unmöglich ... darauf zu verzichten, den Zusammenhang darzustellen, also ich würde auch sagen, Sie sollten sich einfach mal ein bißchen bemühen, ihn zu verstehen.

Also, ich sage das nochmal, die Stadt-Guerilla operiert mit der Kluft zwischen Apparat und Massen und steht immer auf der Seite der Massen. Die Aktion der Stadt-Guerilla richten sich nie, richten sich nie gegen das Volk. Es sind immer Aktionen gegen den imperialistischen Apparat. Die Stadt-Guerilla bekämpft den Terrorismus des Staats. Die Aktionen der Stadt-Guerilla schließen die Terrorismusprojektion der inneren Sicherheitsdiskussion aus und das Volk weiß das.

86 % sind laut Umfragen der Meinung, daß es Politiker und Großaktionäre sind, die die[z] Sicherheitsfrage betrifft, aber nicht das Volk. Während immerhin 24 % der Meinung sind, daß ihr Telefon vom Staat abgehört wird. Das sind erstaunliche. Zahlen, wenn man bedenkt, wie die innerstaatliche Feinderklärung pausenlos über die Medien eingehämmert wird, wie schwach die Guerilla noch ist und dagegen die Staatspropaganda. Sie verweisen auf die Reife des Systems, zerrüttet und schließlich zerstört zu werden, auf das latentrevolutionäre Manifest staatsfeindlich Bewußtsein im Volk. Aber nochmal Müller, denn er ist wirklich das Beispiel. Das Beispiel, wie der Staatsschutz den Begründungszusammenhang selbst produziert, den er dann einsetzt, um in der Öffentlichkeit seine Vernichtungs- [1883] strategie gegen uns durchsetzen. Das Beispiel - der Provokateur Müller - für den Terrorismus des Staats. Es war Müller, der den Fetzen ins Info[39] geschickt hat, in dem er sich überlegt hat, wie man einen Sprengsatz präpariert[aa], daß er, wenn er zur Entschärfung enteist wird, noch hochgeht, zu einem Zeitpunkt, wo er schon vom Staatsschutz seine Anweisungen kriegte. Das heißt, er schickte das Zeug ins Info, von dem aus die Brücke zur Bremer Polizeiaktion „Gepäckschließfach“ zwar nicht geschlagen, wohl aber suggeriert werden kann und damit das Zeug, das Buback jetzt benutzt, um seinen Terror gegen die Anwälte zu rechtfertigen, die Tatsache zu verschleiern, daß er die Anwälte terrorisiert, weil sie das einzige Moment von Öffentlichkeit für die Gefangenen sind. Um die Schutzfunktion, die sie noch sind, zu beseitigen, um endlich zur Vernichtung[bb] aller Gefangenen zu kommen.

Ende Band 79

[1884] Und er läßt Müller behaupten, die Bombe der Polizei im Gepäckschließfach in Bremen sei doch von der RAF.

Weil der Staatsschutz sich andererseits mit dieser schmierigen Figur als Kronzeuge[40] selbst nur blamieren könnte, auch weil er ihn in dreieinhalb Jahren Isolation so zerstört hat, daß Müller nur noch stammelt und das Desaster beim Aufsagen der Texte der B. Anwaltschaft nur noch größer sein kann, als es bei Ruhland[41] schon war, hatte er das Mitgliedsbuch der Sozialdemokratie überreicht, die politische Identität einer Partei, die selbst seit 45 keine andere Identität mehr hat als vom US-Kapital gekauft zu sein.

Vors.:

Frau Meinhof, ich kann Sie jetzt nicht mehr weitersprechen lassen. Sie schweifen derartig ab, daß der Sachzusammenhang nicht mehr erkennbar ist.

Ich entziehe Ihnen hiermit das Wort.

Herr RA Riedel, bitte.

RA Rie[del]:

Herr Vorsitzender, ich bitte, auch aus anderen Zusammenhängen, zunächst einmal um ne kurze Pause, um mit der Mandantin nochmals zu klären, in welcher Art und Weise die Begründung hier fortgesetzt werden soll.

Vors.:

Das ist ein Gesichtspunkt. Aber ich ...

RA Rie[del]:

Ganz kurz. Es reicht, wenn’s im Saal 2-3 Minuten geschieht.

Vors.:

Gut. Ist in Ordnung. Dann warten wir hier im Saale, wenn’s bloß 2-3 Minuten dauert. Bitte schön.

- Pause von 11.56 - 11.58 Uhr. -

Vors.:

Ich bitte Herrn RA Riedel, sich zu äußern.

RA Rie[del]:

Ja, Herr Vorsitzender, es ist doch das Problem folgendes, daß sich in dieser zeitlichen Gedrängtheit die weiteren Fragen, die ich noch klären müßte, nicht klären lassen, zumal [1885] deswegen, weil eben auch die Mittagspause bevorsteht. Ich würde deswegen darum bitten, zunächst die Mittagspause eintreten zu lassen und dann an dieser Stelle nachmittags fortzufahren.

Vors.:

Herr RA., dem kann ich nicht stattgeben. Sie wissen ja, wie die technischen Abläufe sind:

Das muß nachher alles geschrieben werden; es muß die Vertretung für uns[42] anreisen. Das nimmt sehr viel Zeit in Anspruch.

Wir sind also darauf angewiesen, daß dieses ganze Vortragsprogramm geschlossen vorhanden ist und geschrieben werden kann.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Nein, war nicht bekannt.

Herr Vors., darf ich darauf aufmerksam machen ...

Vors.:

Herr RA v[on] Plottnitz, ich bin im Augenblick noch in der Unterhaltung mit Herrn RA Riedel.

Herr RA Riedel, wird die Begründung jetzt dann fortgesetzt werden oder wie stellen Sie sich’s vor?

RA Rie[del]:

Ja die Begründung kann selbstverständlich fortgesetzt werden. Das setzt natürlich voraus, daß die Unterbrechungen möglichst entfallen, und vor allen Dingen, daß die Mandantin das Recht bekommt, weiterzusprechen, nicht wahr.

Insofern beantrage ich auch, einen Senatsbeschluß herbeizuführen dahingehend,

daß die Mandantin Gelegenheit erhält, ihre Begründung abschließend zu Ende zu bringen.

Vors.:

Das braucht nicht der Senat im Augenblick zu beschließen. Ich kann ihr das Wort wieder erteilen, obwohl ich’s ihr im Augenblick entzogen habe.

RA Rie[del]:

Dann bitte ich darum.

Vors.:

Selbstverständlich bekommt sie das Wort zur Begründung, aber es muß eine Begründung des Antrags sein, und nicht allgemeine Erörterungen von Anliegen, die die Angeklagten hier der Öffentlichkeit mitteilen wollen.

[1886] RA Rie[del]:

Ich weise noch einmal darauf hin, daß der Senat als Ganzes darüber zu entscheiden hat, ob der Befangenheitsantrag begründet ist oder nicht. Es wird für meinen Begriff dem Gericht äußerst schwierig gemacht, wenn seitens der Prozeßleitung immer wieder mit der Behauptung, es sei ein Zusammenhang nicht mehr zu erkennen, die Begründung unterbrochen wird.

Grade dadurch, daß Unterbrechungen eintreten - das ist auch verschiedentlich schon einmal ausgeführt worden - grade dadurch, daß Unterbrechungen eintreten, wird es natürlich immer schwieriger, Zusammenhänge darzustellen, die sehr kompliziert sind, und nach einer Reihe von Unterbrechungen fällt es natürlich dann auch demjenigen, der entscheiden soll, schwerer, die Zusammenhänge zu erkennen.

Vors.:

Herr RA., es ist nicht die Schuld des Gerichts, wenn die Begründungen eben nicht mehr zum Antrag passen. Das, was hier vorgetragen worden ist, hat mit einer Begründung dieses gestellten Ablehnungsgesuches nichts mehr zu tun; kein erkennbarer Zusammenhang. Ich bin verpflichtet, einzugreifen.[43]

Ich werde es auch dann bleiben, wenn Ihre Mandantin im weiteren Vortrag sich nicht an das Sachthema hält.

Ich erteile ihr hiermit wieder das Wort. Bitte, Frau Meinhof.

Herr RA v[on] Plottnitz.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Ich wollte nur wegen der Zeitplanung des Senats mitteilen, daß auch der Herr Raspe beabsichtigt, sich den gestellten Ablehnungsgesuchen anzuschließen und auch dazu noch Ausführungen machen wird.

Vors.:

Darf er dann. Wir werden alles.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

... und zwar längere Ausführungen.

Vors.:

Auch das werden wir noch vor der Mittagspause entgegennehmen.

Angekl. Baa[der]:

Das können Sie nicht, das ist ganz sicher.

[1887] Vors.:

Das ist ganz sicher, Herr Baader, meinen Sie, daß Sie die Verhandlungsleitung haben.

Angekl. Baa[der]:

Nein. Aber Sie können nicht hier die Gefangenen 6 Stunden festhalten, wenn sie kaum eine Stunde sitzen können.

Vors.:

Frau Meinhof, Sie haben das Wort.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Herr Vorsitzender, ich darf auch ... also ich darf doch drauf aufmerksam machen, daß den ... Mittagspause Rechnung getragen werden muß. Also ich nehme nicht an, daß wir hier bis 2, 3 Uhr nachmittags ohne Mittagspause verhandeln.

Vors.:

Ich nehme nicht an, daß die Begründung bis 2, 3 Uhr nachmittags dauert.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Ist das. Soll das eine Drohung sein, daß die Begründung unterbunden werden soll.

Vors.:

Ach, das was Sie machen, war ne Drohung.

Wir wollen jetzt fortfahren.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Ich darf doch wohl unterbrechen.

Vors.:

Bitte, Herr RA v[on] Plottnitz, ich habe mich mit Ihnen unterhalten. Wir sind am Ende.

Frau Meinhof, Sie haben jetzt die Möglichkeit, Ihre Begründung vorzutragen. Aber halten Sie sich an die Sache.

Angekl. Me[inhof]:

Naja. Ich kann ja versuchen, Ihnen ein bißchen nachzuhelfen. Also es müßte Ihnen eigentlich auch bekannt sein, daß es inzwischen ein Gesetz gibt, dessen Gegenstand die terroristische Vereinigung ist.[44] Das kann Ihnen eigentlich auch nicht entgangen sein, daß dieses Gesetz und dieser Begriff, daß damit wir gemeint sind, daß er der Kernbegriff der politischen Justiz und der psychologischen Kriegsführung ist, daß er der Kernbegriff der ganzen Aufklärungskampagnen, wie die Regierung [1888] sie sich vorstellt als die politisch geistige Auseinandersetzung mit uns, daß er das ist; also daß die Bestimmung des Terrorismus als Kernbegriff der psychologischen Kriegführung die Öffentlichkeit ist bzw. der Inhalt von Öffentlichkeit ist, innerhalb dessen sich der Senat bewegt. Naja.

Es gibt keine absolute Kontrollierbarkeit. Um sich herzustellen, führt der Staat Krieg; innere Sicherheit ist sein Kriegsziel. Sein Ziel ist, ihr die Initiative zu nehmen, ihre subjektive individuelle Lebensäußerung zu brechen, ihre Vergeblichkeit zu demonstrieren.

Vors.:

Frau Meinhof, ich kann Ihnen jetzt das Wort zur Begründung dieses Antrags nicht[cc] weiter mehr belassen. Das, was Sie hier vortragen, hat mit einer Begründung des Ablehnungsgesuchs gegen den Senat nichts mehr zu tun.

Das Wort ist entzogen.

Herr RA Riedel.

RA Rie[del]:

Ich erkläre dazu, das, was die Mandantin hier und insofern ...

Vors.:

Augenblick, Herr RA ...

Sämtliche vier Angeklagte stehen auf, packen ihre Sachen zusammen und drängen aus der Sitzbank.

Vors.:

Sie haben ja vorhin bzw. beim letztenmal gesagt:

Sie könnten nicht verfolgen, wenn Ihre Mandanten sich ungebührlich benehmen.

RA Rie[del]:

Richtig.

Vors.:

Jetzt dürfen Sie sehen, es scheint sich also wieder anzubahnen.

RA Rie[del]:

Aber es ist doch bis jetzt noch nichts Ungebührliches passiert.

Vors.:

Nein, nein. Ich sage: Es scheint sich anzubahnen.

[1889] Herr Baader, Frau Ensslin und Frau Meinhof, bitte, nehmen Sie Platz. Sie haben kein Recht ...

Angekl. Baa[der]:

Wir denken gar nicht daran. Schließen Sie uns aus? Sie knebeln uns hier.

Vors.:

Sie haben kein Recht, die Hauptverhandlung zu verlassen.

Angekl. Baa[der]:

Sie lassen uns nicht mal die Begründung von Ablehnungsanträgen bringen, d. h., unsere Anwesenheit ist vollkommen funktionslos. Sie berauben uns unserer wirklich elementarsten letzten Rechte, hier über unsere Angelegenheit und[dd] explizit hier über die Ablehnung dieses Gerichts, dieses befangenen Gerichts zu reden. Das tun Sie.

Vors.:

Herr Baader, wollen Sie jetzt mitsamt den übrigen Angeklagten ...

Angekl. Baa[der]:

... und das hat keine Funktion, solange wir hier sind. Augenblick.[ee]

Vors.:

Herr Baader, wollen Sie jetzt Platz nehmen?

Angekl. Baa[der]:

Sie haben von Anfang an ...

Vors.:

Ob Sie Platz nehmen wollen und in der Begründung ...

Angekl. Baader:

Quatschen Sie doch nicht dazwischen, wenn ich rede.

Vors.:

So, Herr Baader, ja.

Zwischenruf eines Besuchers von der rechten Seite (vom Richtertisch aus gesehen):

„Du Pfeife, Du.“

Vors.:

Ich bitte im Saal aber jetzt sofort um Ruhe. Ich müßte diesen Herrn, der diesen Ruf gemacht hat, sonst sofort aus dem Saale weisen.

[1890] Angekl. Baa[der]:

Schließen Sie mich ...

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Herr Vorsitzender, ich bitte zunächst ...

Angekl. Enss[lin]:

Lenken Sie doch nicht ab von dem, was hier läuft.

Angekl. Baa[der]:

Sei doch ruhig. Ich hab doch’s Mikrophon.

Das ist doch sehr einfach.

Vors.:

Ich habe Sie verwarnt. Wollen Sie wieder Platz nehmen und still sein und der Verhandlung weiterfolgen, oder wollen Sie ...

Angekl. Baa[der]:

Sie wollen, daß wir still sind. Das ist der wesentliche Inhalt Ihrer ... Ihres ganzen Auftritts hier. Das ist das, weshalb Sie ...

Vors.:

Herr Raspe, was ist mit Ihnen, wollen Sie Platz nehmen?

Angekl. Baa[der]:

... und das ist auch genau der Punkt, warum wir Sie hier ablehnen.

Vors.:

Herr Baader, Sie haben jetzt nicht das Wort.

Stellen Sie doch das Wort ab; es ist doch gar kein Grund.

Herr Baader hat’s nicht.

Angekl. Baader spricht ohne Mikrophon weiter.

Vors.:

Herr Raspe, wollen Sie Platz nehmen? Wollen Sie jetzt Platz nehmen oder nicht? Gut.

Angekl. Raspe:

Nein.

Angekl. Baa[der]:

Sie sind der Herr der Mikrophone, das mag ja sein. Aber der Herr des Verfahrens sind Sie deswegen noch lange nicht.

Vors. (nach geheimer Umfrage):

Der Senat hat beschlossen:

Der Angeklagte Baader ist für den weiteren Tag ... für den weiteren Ablauf des heutigen Tages ausgeschlossen.[45]

[1891] Bitte, Herrn Baader aus dem Saale zu bringen. Die übrigen Angeklagten bitte ich, wieder Platz zu nehmen.

Angekl. Enss[lin]:

Wir denken gar nicht daran.

Vors. (nach geheimer Umfrage):

Gut. Auch Frau Ensslin wird für den weiteren Tag ausgeschlossen.

Die Angekl. Baader und Ensslin werden um 12.07 Uhr aus dem Verhandlungssaal abgeführt.

Vors.:

Ich bitte die andern Angeklagten, Platz zu nehmen.

Herr Raspe, Frau Meinhof, bitte, nehmen Sie wieder Platz.

Wollen Sie jetzt Platz nehmen und der Verhandlung weiter folgen?

Die Angekl. Meinhof und Raspe bleiben weiterhin stehen.

Angekl. Ra[spe]:

Ja, ich werde diesen Antrag weiterverlesen.

Vors.:

Gut. Frau Meinhof, was ist mit Ihnen? Sie sind nicht ausgeschlossen. Nehmen Sie doch Platz.

Angekl. Me[inhof]:

Kann ich weiterreden?

Vors.:

Herr Raspe wird jetzt dann das Wort bekommen. Sie haben das Wort nicht mehr.

Angekl. Me[inhof]:

Ja, dann geh ich raus.

Vors.:

Ja, Sie haben nicht nach freiem Willen zu entscheiden, ob Sie dableiben wollen oder nicht.

Angekl. Ra[spe]:

Wollen Sie diesen Tanz hier überhaupt machen?

Schließen Sie sie aus.

Vors.:

Frau Meinhof, Sie sind also nicht willens, sich zu setzen und hierzubleiben?

[1892] Angekl. Ra[spe]:

Nein. Das sehen Sie doch.

Vors.:

Frau Meinhof, Sie müßten ausgeschlossen werden, wenn Sie jetzt nicht Platz nehmen. Sie wollen sich nicht äußern dazu. Gut.

Vors. (nach geheimer Umfrage):

Auch Frau Meinhof wird ausgeschlossen.

Für sämtliche drei Angeklagte, die ausgeschlossen sind für den Rest des Tages, gilt die gleiche Begründung. Die Angeklagten haben sich geweigert, Platz zu nehmen; sie haben sich geweigert, der Verhandlung still zu folgen; sie haben durch ihr Verhalten die Verhandlung gestört und waren trotz Abmahnung nicht bereit, von ihrem Verhalten Abstand zu nehmen.

Die Angekl. Meinhof wird um 12.08 Uhr aus dem Verhandlungssaal abgeführt.

Vors.:

Es hat jetzt das Wort Herr RA v[on] Plottnitz.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Ich habe zunächst mal mitzuteilen, daß der Herr Raspe sich den gestellten Anträgen, den gestellten Ablehnungsgesuchen anschließt, also sich anschließt dem Ablehnungsgesuch der Gefangenen Ensslin, in dem auf Versuche der abgelehnten Richter abgestellt wurde, die Öffentlichkeit zum Nachteil der Verteidigungsinteressen der Gefangenen hier, insbesondere durch Intervention Presseorgane und Medienorgane gegenüber zu beeinflussen.

Herr Raspe schließt sich auch dem Ablehnungsgesuch an, soweit es auf die Tatsachen gestützt worden ist, die von dem Kollegen Heldmann hier vorgetragen worden sind. Das bezieht sich also unmittelbar auf das Verhalten

a) des abgelehnten Richters Dr. Prinzing, soweit es um die Wortentziehung ging, und zwar bei der Begründung von Ablehnungsgesuchen;

b) auf das Verhalten der abgelehnten Richter Dr. Breucker, Dr. Berroth, Dr. Foth und Maier, soweit sie dieses Verhalten des abgelehnten Richters Dr. Prinzing per Senatsbeschluß bestätigt haben.

[1893] Zur Frage des Sachzusammenhangs, der in der Begründung dieses Ablehnungsgesuchs bereits auf den zuletzt genannten Tatsachen gestützt wird, eine erhebliche Rolle spielt.

Eigentlich kann man da nur einen Punkt hervorheben:

Die abgelehnten Richter beteuern hier immer wieder, sie vermögen einen Sachzusammenhang nicht zu erkennen. Das ist ja logisch, oder das liegt möglicherweise sogar in der Natur der Sache, daß die Richter, die mit diesen Anträgen hier abgelehnt worden sind, daß die einen Sachzusammenhang nicht zu erkennen vermögen. Warum? Sie sind selbst die abgelehnten Richter. Sie sind die Richter ... Im übrigen sind es die Richter, die nicht zu entscheiden haben über die Gesuche, die hier angebracht worden sind; denn über die Ablehnungsgesuche entscheiden - wie Sie wissen - drei Richter des vierten Senates des Oberlandesgerichts, nicht aber die Richter, die hier abgelehnt worden sind.[46] Daß diese Richter die Neigung haben werden, Neigung haben werden, den Sachzusammenhang zu bestreiten, ihn in Frage zu stellen, zu negieren, das hat eben mit dem zu tun, was hier Gegenstand der Erörterung gegenwärtig in der Vormittagssitzung ist, nämlich mit ihrer eigenen Befangenheit. Zu diesem Punkt ... Im übrigen ist auch in der Tat erstaunlich, daß gegenüber dem, was hier vorgetragen worden ist an Ablehnungsgründen, denen sich der Gefangene Raspe anschließt, bestritten wird der Sachzusammenhang. Denn was ist geschehen?

Der Kollege Schily hat zunächst dargestellt für die Gefangene Ensslin und in deren Namen, die Interventionsversuche der abgelehnten Richter der Presse gegenüber, Interventionsversuche, die hier die Verteidigungsinteressen der Gefangenen ganz erheblich tangieren. Daraufhin haben die Gefangenen, die sich angeschlossen haben und ergänzende Ausführungen dazu gemacht haben, nichts anderes getan als quasi das Terrain beschrieben und analysiert, auf dem diese Interventionsversuche der abgelehnten Richter ihr besonders gravierendes Licht erhalten. Denn in der Tat geht es ja nicht nur hier um Intervention der abgelehnten Richter, die isoliert betrachtet werden könnten. Es geht um Intervention der abgelehnten [1894] Richter, auf der Grundlage einer in der Tat gigantischen Kampagne, mit der die Vorverurteilung sämtlicher Gefangener betrieben werden soll, mit der die Weichen für dieses Verfahren definitiv auf Verurteilung gestellt werden sollen.

Von daher erhalten die Interventionsversuche der abgelehnten Richter ihr ganz besonderes gravierendes Gewicht, ihren Aspekt der Verletzung richterlicher Sorgfaltspflichten.

Ich bitte also, soweit’s jetzt geht, um die Erläuterung von Herrn Raspe.

Dazu noch:

in Zukunft mit mehr Mäßigung dem Begriff des Sachzusammenhangs von Seiten der abgelehnten Richter gegenüberzutreten.

Vors.:

Herr Raspe, bitte.

Ende von Band 80.

[1895] Angekl. R[aspe]:

Prinzing muß in seiner Funktion als Staatsschutzrichter immer offener, nach den Direktiven der Bundesanwaltschaft, seinen Unterdrückungsjob gegen uns hier durchsetzen. Seine immer deutlicher werdende Praxis, das haben wir schon ein paarmal gesagt und das ist jetzt eben durch die Entscheidung des ganzen Senats bewiesen worden, auch offen gezeigt worden, ist die Praxis der Knebelung, indem man uns hindert zu sprechen und indem man durch diese Praxis sicherstellt, daß hier von uns die in den Tatsachen begründete Zusammenhänge nicht entwickelt werden kennen, so sicherstellt, daß auch nur zerstörte und zerstückelte Argumentationen rezipiert werden können, wenn sie überhaupt könnten, verhindert er Öffentlichkeit. Er begründet in dieser von ihm offen durchgesetzten Funktion seine Befangenheit und das gilt für das ganze Gericht, soweit es diese Beschlüsse trägt. Er muß in der Frage der Öffentlichkeit befangen sein, weil er weiß, daß das geschlossene System, die staatsschutzgesteuerte Öffentlichkeit, Bedingung für die und in der strategischen Planung dieses Verfahrens durch die Bundesanwaltschaft und dem Staatschutz war.

So zum Beispiel die Presseberichte zu Bückeburg, das will ich hier nur[ff] kurz einfügen. Es wurde bereits damals offen genannt, Bückeburg sei die Generalprobe für diesen Prozeß hier und für Buback zeigte Bückeburg, der Prozeß[47] dort, offen die Notwendigkeit, diese drei Anwälte, Croissant, Ströbele und Gronewold auszuschließen als Bedingung der Realisierung der Staatsschutzplanung. Er zeigte die Notwendigkeit, sie ausschließen zu müssen. Denn die Öffentlichkeit, die sich für die Vernichtungsstrategie der Bundesanwaltschaft noch in diesem Kaff, Bückeburg liegt im Weser-Bergland, hergestellt hatten, zeigte mit Sicherheit, daß bei den Dimensionen, die der Prozeß hier schon hatte, durch die Kampagne der Bundesanwaltschaft, die Kriminalisierung der einzige Weg für den Staatschutz war, die Öffentlichkeit hier zu verhindern, bzw. sie durch Gegenpropaganda zu zersetzen oder neutralisieren zu können. Solange die Medien die ihnen zukommende Funktion erfüllen, die staatliche Counter-Strategie und hier speziell die Lüge des rechtstaatlichen Verfahrens öffentlich zu propagieren, konnte Prinzing uns reden lassen. Die Isolation, das geschlossene System der Staatschutzöffentlichkeit, war perfekt.

[1896] Es war so sichergestellt, daß kein Wort, nichts, geschweige denn Inhalte dessen, was wir hier entwickelt haben, bzw. versucht haben zu entwickeln, öffentlich wurde. Es ist in diesen drei Monaten kein einziger Satz von Andreas, obwohl er hier an fast jedem Verhandlungstag die Lügen, die falschen Tatsachenbehauptungen, die durch den Senat verbreitet worden sind und die Lügen und die falschen Tatsachenbehauptungen der Bundesanwaltschaft aufgelöst hat, es ist kein einziger Satz davon in auch nur einer Zeitung erschienen ohne in sein absolutes Gegenteil verkehrt worden zu sein. Und zwar in das bestimmte Gegenteil, in das dreckige Gegenteil. Und das dann mit dem gehässigen Kommentar, das die Klischees der psychologischen Kriegsführung der Bundesanwaltschaft seit fünf Jahren auf uns projiziert. Und auf keinen von uns so brutal projiziert, so kontinuierlich, so verbissen, wie auf Andreas. Das ist so, weil er mit Illegalität gleichgesetzt ist und das, was durch sie, durch Illegalität als die Form des befreiten Gebiets im Klassenkrieg, das hier möglich ist zum Ausdruck gebracht ist, die radikale Negation, die Ablehnung jeder anderen Macht und Norm, jedes anderen Gesetzes als der auf kritisches Bewußtsein und revolutionäre Gewalt gestützten menschlichen Macht, also proletarische Menschlichkeit. Die nicht auf Herrschaft sondern auf Befreiung aus ist. Alles das ist Andreas im Haß von Buback zum Beispiel, weil er sich mit Illegalität gleichsetzt. So wird bei Hill im „Vorwärts“ aus dem Satz von Andreas, den er hier neulich im Zusammenhang des Antrags, Ströbele wieder zuzulassen, vorgetragen hatte, aus dem Satz, „Was die politischen Gefangenen objektiv als Objekte staatlicher Repression vereinigt, ist die politische Justiz“. Aus diesem Satz macht Hill im Vorwärts den Satz: „Was die Gefangenen vereinigt sind ihre Tränen.“ Hill erfindet Tränen, um den Inhalt von Andreas Erklärung dem politischen Begriff zu denunzieren. Er stellt sich damit direkt und bewußt auf die Seite der Folter, weil seine Gehässigkeit als Rechtfertigung für sie wirkt und er macht das, nachdem Vogel, der[gg] Justizminister, Hill wegen seiner bisherigen Prozeßberichterstattung, in der er aber auch nur mal festgestellt hat, daß das Gericht sich gegenüber den Anträgen der Verteidigung sich systematisch taub stellt. Nachdem also Vogel Hill wegen dieser bisherigen Prozeßberichterstattung eins reingewirkt hat, in derselben Nummer des „Vorwärts“ übrigens. Weiter.

[1897] Andreas hatte gesagt, daß wir von mindestens 10 Gefangenen aus der RAF wissen, daß ihre Gesundheit durch die Isolation so zerstört ist, daß sie sich nicht mehr erholen werden. In der „Frankfurter Rundschau“ kann man lesen, als Zitat, daß sie nicht mehr davon kommen werden. D. h., die einfache Feststellung, die Mitteilung einer Tatsache, wird in eine brutale Formulierung umgestanzt. Die Brutalität die es ist, Gefangene jahrelang zu isolieren, wird in der Berichterstattung auf uns projiziert. Die Information, ihre Message, wird umgedreht. Was gegen den Staat spricht, wird gegen uns gedrückt und gedruckt. In der „Frankfurter Rundschau“, die von der SPD bestimmten Fraktion des Verfassungsschutz in der Berichterstattung gezielt eingesetzt wird, macht Krumm aus genau dieser Feststellung das geschlossene System von[hh] Staatsschutz, Bundesanwaltschaft, staatstragender Presse den idiodisierenden Satz, die Anwälte sind permanent in der Schlagzeile „Baader Anwälte“. Ebenso verfährt Busche in der „FAZ“. Nachdem deutlich geworden war, das Prinzing einer differenzierten Argumentation nicht folgen kann, wohl aber als Aktivbürger, sei es mografisch und hysterisch auf jede Spur von Kritik reagiert, nachdem Prinzing Andreas an einem einzigen Verhandlungstag 17 Mal unterbrochen hatte. In einem Zusammenhang, den er entwickelt hat, daß der Zweck der Isolation aus der Geschichte dieser drei Jahre als Vernichtungszweck deutlich wird. So provoziert Busche Prinzings wüsten Umgang mit dem rechtlichen Gehör auf uns, indem er „wüste Tonart“ behauptet. Prinzings pauschale Wortentziehung provoziert er auf uns, indem er pauschale Erklärungen behauptet. Unser Insistieren auf unseren Rechten wird grundsätzlich und immer als Störung vermittelt, so daß einzelne Journalisten, wenn sie aus dem Konformismus der Berichterstattung mal punktuell aussteigen wollen, sich erst mal mit der Bemerkung entschuldigen dafür, daß sie mal die Wahrheit sagen wollen. Es sei eben in der Berichterstattung das, was tatsächlich in dieser Militärfestung abläuft, nirgendwo wieder zu erkennen. Ich bringe Ihnen noch ein Beispiel. Wir hatten hier gesagt, daß Müller militärtechnisches Material als Provokation in das Infosystem, daß wir zur Verteidigungsvorbereitung legal hatten, gegeben hat. Daß er der einzige politische Gefangene war, der eine richterliche Ge- [1898] nehmigung für den Bezug militärtechnischer Publikationsmittel hatte. Daß der Staatsschutz Müller seit Sommer 74 in der Hand hat. Daß es sich also bei dem Material mit dem der Staatsschutz jetzt die Anwälte kriminalisiert um Staatsschutzmaterial, Material, das der Staatsschutz selbst produziert hat, handelt. Von all dem bleibt z. B. in der Berichterstattung der „Frankfurter Rundschau“ nichts. Die „Frankfurter Rundschau“ macht daraus Spaltungsgift gegen uns. Ulrike hätte gesagt, kann man dort lesen, Müller sei der einzige gewesen, der sich für diesen militärischen Kram interessiert hat. Das ist also eine Formulierung, wird in dieser Zeitung daraus, die genau in die Legende und in das Klischee paßt, das der Staatsschutz auf uns projiziert. Die Trennung von revolutionärer Politik und revolutionärer Militanz sind, das ist dazu zu sagen, ein Unding in dieser letzten Phase, des Imperialismus.

Ende von Band 81

[1899] Angekl. R[aspe]:

Noch ein letztes Beispiel. Aus der Tatsache, daß Prinzing in unseren Augen befangen ist, unter anderem, weil er in einer Fernsehpropagandasendung gegen uns gesagt hat, dies sei kein politisches, das sei ein normales Strafverfahren, womit er die Dimension von Repression abstreitet, die[ii] dieses Verfahren von jedem anderen abhebt. Es ist ein Projekt, der Internationalen ... Aus dieser Tatsache macht ein Kommentar vom Süddeutschen Rundfunk, wir machten Prinzing den Vorwurf, er setze uns mit gemeinen Verbrechern gleich. Da setzt uns der Journalist, ein hochnäsiger Bourgeois, ein hochnäsiger Bourgeois-Pinkel, mit sich gleich. Da er die Gefangenen, die von uns nur die Isolation, die Abriegelung wahrnehmen, gegen uns aufhetzen, einen Keil zwischen sie und uns treiben. Wenn wir von politischen Gefangenen sprechen, meinen wir damit nicht, den Begriff Bourgeoisie, die damit ihre Klassenangehörigen in Gefängnissen von Militärdiktaturen betreut. Wir meinen überhaupt nie dasselbe wie Bourgeoisie. Jeder gefangene Arbeiter ist ein politischer Gefangener, ist ein Gefangener imperialistischer Politik, also des imperialistischen Staates. 1. und 2.: Jeder Gefangene, egal aus welchem Anlaß er kriminalisiert wurde, der die Gewalt, der er unterworfen ist, politisch begreift, jeder der Widerstand leistet, der sich gegen den Staatsterror im Gefängnis organisiert und wehrt, jeder Gefangene der kämpft, ist einer von uns. Die gemeinen und unmenschlichen Verbrecher sitzen ohnehin nicht im Gefängnis, wir stehen ihnen vor, sie sitzen also auf Stühlen, wie diesen dort. Also besitzlose, proletarische Gefangene sind alle Gefangene, wenn man von den paar Naziverbrechern mal absieht. Sich im Gefängnis wehren, kämpfen, bedeutet äußert verelendigend und trifft alle, die sich im Gefängnis ihrer Entmenschung aus Gründen gesellschaftssanitärer Staatsräson widersetzen. Sie werden isoliert, der Vollzug, die Justiz wird alle Mittel der Repression gegen sie ein. Inzwischen ist zum Verteidigerausschluß und demnächst der Überwachung des Verteidigergesprächs, also der Beseitigung des einzigen Kontakts, der den ohnehin geschlossenen Gefängnissystem noch möglich wird. Der isolierte Gefangene [1900] hat, wie wir gesagt haben, das Privileg, gefoltert zu werden. In schalltoten Trakts, in besonderen Gefängnisfluren untergebracht zu sein, das Privileg, daß der Staatsschutz seine Ermordung plant. Die Anerkennung als politischer Gefangener im Vollzug bedeutet, zum Beispiel für einen Abschreckungsvollzug zum Beispiel von Abschreckungsvollzug gemacht werden. Es gibt natürlich keinen Gefangenen, der das für ein Privileg hält. Soviel an unmittelbar konkreten Beispielen, für die Art und Weise, in den Medien, was wir hier dargestellt haben, versucht haben, darzustellen, wenn uns nicht der Ton abgedreht worden ist, daß also aus dem gemacht worden ist. Allgemein heißt dazu noch zu sagen, daß die Fälschung, ihr Zweck, die Absichtlichkeit eindeutig sind. Der Kitsch, die Brutalität, die Dümmlichkeit, die der imperialistische Journalismus produziert, produziert um sie auf uns zu projizieren, um uns den Dreck, den wir ausspucken, in den Mund zu legen, hat Methode. Sie ist in der imperialistischen Struktur, in der Reife des Widerspruchs Produktivkräfte, Produktionsverhältnisse selbst verankert, die den Status Quo nur noch reproduzieren kann, indem sie jede Opposition, jedes kritische Denken, jede Erkenntnis von Zusammenhang, die stofflichen Inhalte der Repression verschweigen, seine Transzendierung in der kritischen Darstellung zerstören muß.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, ich darf um das Wort bitten, der Herr Raspe sagt mir, daß er also jetzt nicht mehr in der Lage ist zu komplettieren seinen Vortrag, ich beantrage deshalb, in die Mittagspause einzutreten und nach der Mittagspause ihm Gelegenheit zu geben, das, was noch vorzutragen ist.

Vors.:

Ich habe die Gründe schon genannt, warum das nicht möglich ist.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, ich konfrontiere Sie jetzt mit der Mitteilung, daß Herr Raspe sich gesundheitlich nicht mehr in der Lage sieht, ohne Mittagspause weiter zu verhandeln.

[1901] Vors.:

Heute früh ist der Beschluß dazu ergangen, wie wir die Dinge beurteilen, es gibt daran im Augenblick für mich nichts zu ändern. Entweder Herr Raspe setzt jetzt seine Begründung zu Ende fort - und abgesehen davon, nur weil ich davon ausgegangen bin, daß er wirklich zu Ende kommt, habe ich die Warnung unterlassen, daß[jj] bei der weiteren Abschweifung ihm das Wort entzogen werden müßte. Ich weiß nicht, wie lange die Begründung noch dauern soll, muß Herr Raspe beurteilen können.

Angekl. R[aspe]:

... im Augenblick ohnehin die Begründung ist.

Vors.:

Daß die ...

Angekl. R[aspe]:

... die Begründung, daß ich im Augenblick auch die Begründung vortrage, die Sie also durch ihren Wortentzug den anderen dreien verhindert haben und daß die Begründung, die ich zusätzlich noch dazu habe, außerdem auch noch folgt.

Vors.:

Das ist natürlich ein Irrtum, Herr Raspe. Sie haben die Möglichkeit, Ihre Begründung vorzutragen, da kann man nicht die Möglichkeit einräumen[kk], all das zu verlesen, was die anderen, denen das Wort entzogen werden mußte, vorbereitet hatten.

Haben Sie jetzt noch weiteres zur Begründung Ihres Antrags vorzutragen, Herr Raspe.

Angekl. R[aspe]:

Ich begründe das jetzt weiter. Ich kann dazu nur sagen ...

Vors.:

Ich darf Sie darauf hinweisen Herr Raspe, auch bei Ihnen gilt natürlich die Warnung, daß bei weiteren Abschweifungen vom Sachgegenstand ein Wortentzug notwendig sein wird.

Angekl. R[aspe]:

Ja, wir haben dazwischen einiges gesagt zu den Fragen der Abschweifung und Sachgegenstand.

Vors.:

Bitte, Herr Raspe, fahren Sie jetzt fort, Sie haben das Wort.

[1902] Angekl. R[aspe]:

... noch zusätzlich zwei Sätze sagen, zu Ihren Einwürfen, Ihrer Vorwegnahme dessen, daß Sie mich also hier auch unterbrechen werden und mir das Wort wahrscheinlich auch entziehen werden. Ich will dazu nur sagen, daß Sie also jedenfalls sich vielleicht mal überlegen sollten, daß dieser Zusammenhang genau in der Dimension dieses Verfahrens ankert. Also gerade deswegen ist auf dieser Ebene darüber zu reden und insofern können nicht Sie den Zusammenhang bestimmen, sondern insofern ist dieser Zusammenhang in den Tatsachen bestimmt, konkret bestimmt, also in denen - Maß, in denen durch die Praxis des Senats hier das Kompliment in der Berichterstattung der Medien sichergestellt wird.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Darf ich ums Wort bitten, Herr Vorsitzender ...

Vors.:

Nein Herr Rechtsanwalt v[on ]P[lottnitz] ich möchte jetzt gern, daß Herr Raspe mit seiner Begründung zu Ende kommt. Es wird ...

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ich habe eine Beanstandung anzubringen, eine sachleitende Maßnahme und zwar habe ich zu beanstanden die Tatsache, daß Sie gerade eine Warnung ausgesprochen haben, dessen Inhalt, der zu vernehmen war, zu dieser Warnung haben Sie sich offensichtlich überhaupt nicht veranlaßt gesehen durch irgendwelche inhaltlichen Überlegungen zu dem, was von Herrn Raspe bisher zu hören war, sondern allein durch die Befürchtung, daß hier der Vortrag noch ihren zeitlichen Vorstellungen möglicherweise zuwider laufen könnte, daß ein derartiger Gesichtspunkt natürlich überhaupt nie Anlaß sein kann. Herr Vorsitzender, habe ich Ihre Aufmerksamkeit? Herr Vorsitzender habe ich Ihre Aufmerksamkeit?

Vors.:

Sie haben sie wieder, ja.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Es kann keine Frage sein, daß die Tatsache, daß die Begründung eines Antrages eine bestimmte zeitliche Dauer in Anspruch nimmt [1903] nie und nimmer irgendeinem Vorsitzenden das Recht gibt hier, Warnungen auszusprechen, um den Vortrag zeitlich abzukürzen. Ich beanstande also ausdrücklich diese Warnung und bitte um Senatsbeschluß, soweit nicht die Warnung explizit getilgt wird.

Vors.: (Nach geheimer Umfrage)

Der Senat lehnt diese Beanstandung als unzulässig ab. Es war keine Entscheidung,[48] es bleibt bei der Warnung. Herr Raspe, fahren Sie bitte fort.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Darf ich dazu feststellen, wenn der Senat das als unzulässig ablehnt, dann geht offensichtlich der Senat im Gegensatz zum Vorsitzenden davon aus, daß diese Warnungen hier überhaupt keine Funktion haben. Ich bin bisher vom Gegenteil ausgegangen.

Vors.:

Das haben Sie mißverstanden.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Daß die Warnung nämlich sozusagen immer die Vorbereitung eines effektiven Wortentzugs dann dient.

Vors.:

Sie haben es mißverstanden, es bleibt bei der Warnung, Herr Raspe, halten Sie sich bitte an die Warnung, jetzt können Sie fortfahren.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Dann habe ich die zweite Warnung ebenso zu beanstanden.

Herr Dr. Breucker, Sie äußern mißfallend, wollen Sie das nicht öffentlich sagen.

Vors.:

Der Senat entscheidet jetzt nicht weiter darüber, Herr Raspe bitte, Sie fahren jetzt mit Ihrer Begründung fort oder wir gehen in die Mittagspause, aber Sie haben dann keine Gelegenheit mehr, sich in der Begründung weiter zu äußern.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Herr ...

Vors.:

Nein, jetzt bleibt Herr Raspe beim Wort.

[1904][49] [1905] RA v[on ]P[lottnitz]:

Herr Dr. Breucker hat ums Wort gebeten; ich dachte ...

Vors.:

Das macht nichts aus, ich habe Herrn Raspe das Wort erteilt, wir wollen in der Tat darauf Rücksicht nehmen, daß er ja auch die Mittagspause offenbar wünscht und dabei bleibt es jetzt. Herr Raspe hat das Wort und niemand anderes. Sie insbesondere jetzt nicht, Herr v[on ]P[lottnitz] Sie haben das Wort jetzt nicht, halten Sie sich bitte als Anwalt auch einmal daran.

RA v[on] Plottnitz redet unverständlich ohne Mikrofon.

Vors.:

Herr Raspe, fahren Sie fort.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender ...

Vors.:

Wenn Sie jetzt ...

RA v[on ]P[lottnitz]:

... das Wort zu erteilen und das geschieht ...

Vors.:

Nein, Sie haben jetzt das Wort nicht, ich habe Ihnen bereits gesagt, das hat Herr Raspe und Sie bekommen jetzt das Wort nicht.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Dann beanstande ich diese Maßnahme, bitte ...

Vors. (nach geheimer Umfrage):

Der Senat billigt diese Entscheidung. Herr Raspe hat das Wort.

Angekl. R[aspe]:

Ich setze die Begründung fort: In Medien ist keine einzige der Richtigstellung, dieser Fälschungen von uns vier durchgekommen. Es ist nicht durchgekommen, daß wir nie, kein einziger von uns, jemals 25 oder 20 Verteidiger hatten, das heißt, daß die Beschränkung der Zahl der Verteidiger[50] nie das Problem war, nur propagandistische Funktion hatte, um uns als privilegiert hinzustellen und zu verschleiern, daß mit [1906] dem Verbot der Blockverteidigung[51] und dem Verteidigerausschlußgesetz[52] es darum geht, die Isolation zu verschärfen oder wie Herold[53] sagt, die Zellen dicht zu machen. Eine Haftsituation zu schaffen, die nur formal den Tatbestand der Todesstrafe nicht erfüllt. Stofflich ist sie nichts anderes.

Vors.:

Herr Raspe, ich verwarne Sie jetzt letztmals, das sind Weiterungen, die mit dem Antrag nichts zu tun haben, entweder Sie halten sich jetzt an die Begründung, die den Sachantrag hier betrifft oder aber Sie werden das Wort nicht mehr haben. Herr Raspe hat das Wort weiterhin. Bitte.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ich bin nach wie vor der Auffassung, daß diese Warnung hier sehr wohl den Tatbestandsmerkmal des § 238[ StPO][54] entsprechen und von da deshalb anfechtbar sind. Ich beanstande diese Maßnahme und bitte um Senatsbeschluß. Ich habe schon einmal gesagt, von den Warnungen werden ja ganz effektiv spätere offensichtliche Entscheidungen gemacht. Die sollen doch vorbereiten etwas.

Vors.: (Nach geheimer Umfrage)

Der Senat billigt meine Entscheidung, die Warnung ist berechtigt, Herr Raspe fahren ...

RA v[on ]P[lottnitz]:

Heißt das, daß jetzt das Argument der Unzulässigkeit nicht mehr ...

Vors.:

Wie Sie bemerkt haben, ist der Senat sachlich auf ihr Vorbringen eingegangen. Herr Raspe fahren Sie jetzt fort. Ich sage, wenn Herr Raspe jetzt nicht fortfährt, dann wird die Sitzung unterbrochen und es gibt keine Gelegenheit mehr, weiter zu begründen.

Angekl. R[aspe]:

Ja, ich wollte das hier nur noch sagen, also genau die Stelle, an der sie mich eben wegen eines angeblich ziemlich ersichtlichen Sachzusammenhangs unterbrechen, es ist wirklich eine Stelle, die äußerst, wo der Zusammenhang äußerst naheliegt.

[1907] Vors.:

Herr Raspe, darf ich Sie vielleicht klar machen, was ich meine, darf ich Ihnen das mal sagen.

Angekl. R[aspe]:

Ich habe das gerade erwähnt, daß die falsche Darstellung, wir hätten 25 Gefangene ... wir hätten 25 Verteidiger, daß diese falsche Darstellung nicht, also daß unsere Korrektur der falschen Darstellung nicht durchgekommen ist.

Vors.:

Herr Raspe, Sie haben keine Möglichkeit im Rahmen ...

Angekl. R[aspe]:

... der Senat ...

Vors.:

... Augenblick, Herrn Raspe jetzt bitte das Wort abzustellen. Herr Raspe ich habe keine Möglichkeit, Ihnen das Wort zu belassen, wenn Sie jetzt im Rahmen eines Ablehnungsantrags gegen den Senat versuchen, sämtliche Beanstandungen, die Sie bisher offenbar zusammengebracht habend gegen die Presseberichterstattung, hier als Beispielsfall vorzutragen.

Das sind Weiterungen, die in diesem Rahmen nicht hingenommen werden können. Wir müssen mit diesem Verfahren, auch wenn es sich um einen Ablehnungsantrag handelt, fortschreiten, deswegen können Sie in dieser Form nicht fortfahren. Wenn Sie sich nicht daran halten, muß ich Ihnen das Wort entziehen, ich möchte aber jetzt, daß Herr Raspe weiter seine Begründung vortragen kann.

RA v[on ]P[lottnitz]:

... daß das, was Herr Raspe kritisiert an Presseberichterstattung über dies Verfahren, über die Gefangenen ausdrücklich mit der Darstellung verbunden wird, daß diese Presseberichterstattung ihre Inhalte nicht vom Himmel gefallen sind, sondern daß sie sehr wohl eben initiiert worden sind durch Maßnahmen der abgelehnten Richter auch und den Hintergrund, über den ich mich vorhin geäußert habe. Der Sachzusammenhang ist offenkundig.

[1908] Vors.:

Herr RA, das scheint mir nun wirklich der Beweis für eine Weiterung zu sein was Sie sagen. Wir haben also initiiert [ll] die Presseberichte bisher!

RA v[on ]P[lottnitz]:

... ja explizit im Rahmen dieser ...

Vors.:

Ja, also ich kann Ihnen nur noch sagen, Herr Raspe, fahren Sie nicht in dieser Ausschweiflichkeit fort, sonst muß Ihnen das Wort entzogen werden, bitte begründen Sie jetzt weiter.

Ende Band 82.

[1909] Angekl. R[aspe]:

Naja, das ist schon klar. Es war auch klar. Die Medien klammern sich an die Formalität. Aber selbst ihre permanente Verletzung durch Prinzing findet kaum einen Reflex in der Berichterstattung, weil es ohne inhaltliche Auseinandersetzung nicht geht. Die Gefangenen, und dafür sorgt und keineswegs nach Schmidt, Maihofer, Vogel und Buback, Prinzing, keineswegs zuletzt die Gefangenen, kommen in der Berichterstattung nicht vor, weil das nicht geht ohne inhaltliche Auseinandersetzung mit dem, was wir sagen. Das aber kann sich dieser Staat schon nicht mehr leisten, kritisches Bewußtsein aus dem Entschluß sich zu bewaffnen und zu kämpfen. Das ist der Grund, weshalb Prinzing uns manchmal reden läßt. Er weiß inzwischen, daß nichts von dem, was wir sagen, aus dem Gerichtssaal rausging. Offensive Information, also die offensive Lüge, wird so auch notwendig administrativ produziert. Wie Buback im Februar sagte, entscheidend sei, wie, wann und welche Informationen weitergegeben werden. Der Staatsschutz und seine Operation sind der öffentlichen Kontrolle entzogen. Er kontrolliert die Öffentlichkeit, indem er kontrolliert, was veröffentlicht wird. Der Staatsschutz, die Öffentlichkeit des Verfahrens, zeigt sich darin in seinem ...[mm]. Über die Inhalte, die veröffentlicht werden, wird auf Pressekonferenzen und in geheimen Absprachen zwischen Regierung und Presserat, Bundesanwaltschaft, Presserat und Chefredakteuren entschieden, und sie sind reduziert auf das, was die Bundesanwaltschaft, die Clique, auf ihren Pressekonferenzen zensiert[nn] und auf den Markt schafft. Wie Schmidt ganz nackt in der Bundestagsdebatte am 13. März gesagt hat: Ich bin mir mit dem deutschen Presserat darüber einig, daß die Berichterstattung über Gewaltverbrechen nicht dramatisiert werden darf, nicht zur Überdramatisierung führen darf. Und Buback nackt in der Sendung Kennzeichen D am 6.5. Zitat: „Wir können nur erfolgreich sein, wenn Journalisten sich darauf beschränken, Mittler sein zu wollen zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft und Bevölkerung. Presserat und Chefredakteure sollen dahingehend wirken, daß Presse und Staatsanwaltschaft näher zusammenrücken“. Soweit das Zitat Buback. Da[oo] spricht mit der Stimme von Buback das geschlossene System wirklich für sich. So haben Buback und Herold zu Prozeßbeginn Schmidt dazu gebracht, den endgültigen Ausschluß der Verteidiger aus dem Verfahren zu fordern und Prinzing im Vorgriff ihrer Unter- [1910] stützung, der Unterstützung der ganzen Repressionsmaschine, zu versichern, falls er zögern sollte, nach der Zweckmäßigkeit die der Staatsschutz bestimmt, das Verteidigerausschlußgesetz zu extrapolieren ...

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender, die Bundesanwaltschaft bittet ums Wort.

Vors.:

Zu welchem Zwecke ...

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ich beantrage, der Bundesanwaltschaft nicht das Wort zu erteilen.

Vors.:

Zu welchem Zwecke wollen Sie das haben.

OStA Z[eis]:

Warten Sie doch erst mal ab zu welchem Zweck, Herr Verteidiger.

Zu dem Zweck ... darauf hinzuweisen, daß der Angeklagte Raspe schon minutenlang hier neben der Sache Äußerungen macht. Deswegen gehören sie nicht hierher und deswegen sind sie unzulässig.

Vors.:

Sie beantragen also die Wortentziehung, wenn ich es recht ... Gut, es ist der Antrag zur Wortentziehung gestellt. Sie können sich dazu äußern, Herr[pp] Raspe. Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, Sie selbstverständlich auch.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ich möchte mich dazu äußern. Ich widerspreche dem Antrag natürlich. Es ist bezeichnend, daß die Bundesanwaltschaft einmal mehr mit dem formalen Argument hier operiert, irgendwelche Ausführungen lägen neben der Sache, ohne nun konkret zu benennen, warum und aus welchen Gründen sie neben der Sache liegen. Die Bundesanwaltschaft scheint hier nicht in der Lage zu sein, sich zur Sache zu äußern. Herr Raspe äußert sich sehr wohl zur Sache, äußert sich auch zum Sachzusammenhang, worin der besteht, habe ich hier schon wiederholt ausgeführt. Ich beantrage deshalb hier, den Herrn Raspe seinen Vortrag fortsetzen zu lassen.

[1911] Vors.:

Herr Raspe, Sie können fortfahren. Aber halten Sie sich jetzt an die verschiedentlichen Mahnungen, die Ihnen gegeben worden sind.

Angekl. R[aspe]:

So führt Schmidt, naja es ist ganz deutlich, daß natürlich Zeis genau an der Stelle interveniert und an der Stelle interveniert, wo er so ...

Vors.:

Herr Raspe, kommen Sie jetzt bitte weiterhin zu Ihrer Begründung.

Angekl. R[aspe]:

... über die Methodik der Bundesanwaltschaft was gesagt worden ist, in dem Zusammenhang. Ja, ich komme weiter. Schmidt, das habe ich gesagt, führt mit dem Presserat Gespräche, greift Vogel unmittelbar im „Vorwärts“ an, um auch nur Andeutungen von Kritik, weil die Gefangenen in ihr vorkommen, weil sie eine Andeutung von Inhaltlichkeit war, abzublocken und sein kriminalistisches Geschichtsverständnis durchzusetzen. Nur Ausländer, die von der Counter-Propaganda der Bundesanwaltschaft nicht erreicht werden, Vogel sagt dazu, die nicht mit den Details vertraut sind, nur Ausländer könnten die Rechtmäßigkeit des Verfahrens der Vernichtungsstrategie die hier verfährt, bezweifeln. Die Auslandspresse ist das Loch in diesem geschlossenen System, und da ist der Vorsatz natürlich wichtig, als Parteipresse der Sozialdemokratie in ihrem Projekt, die Sozialdemokratie international für die Counter-Strategien des US-Imperialismus zu organisieren. Der Punkt ist, daß die Strategie der Verrechtlichung, besser der Verstaatlichung der Gesellschaft, die aktive Unterdrückung jeder inhaltlichen Argumentation in den Medien braucht, weil sonst über den Inhalt des Verfahrens das Projekt der Counter-Strategie vermittelt würde, nämlich Krieg. Der Grund, weshalb Prinzing es nicht bringt, endlich zuzugeben, daß er befangen ist und warum er es auch nicht muß, ist, daß er sich voll mit dem Projekt der Bundesanwaltschaft identifiziert, der Rolle, die ihm in diesem Verfahren zugedacht ist, nämlich die Vernichtungsstrategien der Bundesanwaltschaft zu verschleiern und zwar in permanenter Abstimmung zwischen dem, was hier läuft und ...

[1912] Vors.:

Herr Bundesanwalt bitte.

OStA Z[eis]:

Ich beantrage abermals, dem Angeklagten Raspe das Wort zu entziehen. Es ist ganz klar, nach dem letzten Satz, den er eben ausgeführt hat, von der Vernichtungsstrategie der Bundesanwaltschaft. Es geht nicht an, daß der Angeklagte ...

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ich bitte um Stellungnahme.

OStA Z[eis]:

Bitte unterbrechen Sie mich jetzt nicht ... daß der Angeklagte Raspe das Vorbringen innerhalb eines Ablehnungsantrags dazu mißbraucht, Beleidigungen auszustoßen und zu verunglimpfen.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, der Zusammenhang ist sehr eindeutig.

Vors.:

Herr von Plottnitz, bitte.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ich widerspreche einmal mehr dem Antrag, den die Bundesanwaltschaft gerade gestellt hat. Die Bundesanwaltschaft erwartet hier offensichtlich von den Gefangenen dieses Verfahrens, daß diese mindestens zwei Stunden etwa pro Sitzungstag damit verbringen, die Behörde und die Belange und die Verfolgungsinteressen der Bundesanwaltschaft und ihre Sitzungsvertreter zu lobpreisen. Diese Erwartung wird fehlgehen, Herr Oberstaatsanwalt Zeis. Die Gefangenen haben eine sehr präzise Einschätzung dessen, was von Seiten der Bundesanwaltschaft ihnen gegenüber beabsichtigt ist. Sie haben, und schon unter dem Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen natürlich, das Recht, das in diesem Verfahren auch klar zu sagen, ob das nun der Bundesanwaltschaft gefallen mag oder nicht. Die Bundesanwaltschaft hat jederzeit die Möglichkeit, inhaltlich einzugehen auf Vorwürfe und diese Vorwürfe gegebenenfalls dann zu entkräften. Was sie nicht hat ist das Recht, zu versuchen, ohne inhaltliche Auseinandersetzung einfach Ausführungen zu diesem Punkt zu untersagen.

Vors.:

Ich möchte Herr Raspe zunächst noch das Wort belassen. Herr Raspe bitte.

[1913] Um 12.52 Uhr verließ Bundesanwalt Dr. Wunder den Sitzungssaal.

Angekl. R[aspe]:

Na, ich muß das nochmal kurz sagen, was notwendig ist, um dort wieder anzuknüpfen. Ich habe gesagt, das war die Rolle, die Prinzing in diesem Verfahren von der Bundesanwaltschaft zugedacht ist, nämlich ihre Vernichtungsstrategie zu verschleiern und zwar in permanenter Abstimmung zwischen dem, was hier läuft und der öffentlichen Rezeption. Das sind die Klippen, durch die Prinzing das Verfahren manövrieren soll. Seine exemplarische Verwertbarkeit und Vorbildhaftigkeit für alle Verfahren gegen die Gefangenen aus der RAF, d.h. die Vernichtungsstrategie der Bundesanwaltschaft hier prozessual abzusichern, sie gleichzeitig zu verschleiern und die öffentliche Rezeption zu steuern, zu einer Verurteilung zu kommen, die in den lebenslänglichen Urteilen, die die Bundesanwaltschaft und die Regierung längst gefällt haben, den Anschein von Legitimität gibt ...

RA Sch[ily]:

Ich stelle fest, daß Herr Bundesanwalt Dr. Wunder offenbar auch ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, ich glaube nicht, daß Sie das Wort bis jetzt erteilt bekommen haben.

RA Sch[ily]:

Ich darf den Vorsitzenden um das Wort bitten.

Vors.:

Haben Sie jetzt irgend etwas, was sachlich zu dem Antrag gehört.

RA Sch[ily]:

Nein, ich wollte eine sachleitende Maßnahme anregen.

Vors.:

Ich habe also bezüglich der Bundesanwaltschaft, wenn Sie etwa das, daß Herr Bundesanwalt Dr. Wunder den Saal verlassen hat, beanstanden wollten, keine Möglichkeit irgendwo einzugreifen.

RA Sch[ily]:

Nein, ich beanstande das gar nicht. Ich finde nur, das ist offenbar so, daß auch Herr Bundesanwalt Dr. Wunder es für [1914] richtig hält, jetzt die Mittagspause für sich persönlich eintreten zu lassen.

Vors.:

Gut, das können Sie jetzt nicht beanstanden.

Herr Rechtsanwalt Schily, wir wollen nicht weitere Zeit verlieren.

RA Sch[ily]:

Es ist 6 Minuten vor eins. Ich weiß also nicht ...

Vors.:

Rechtsanwalt Schily, ich erteile Ihnen zu diesem Vortrag nicht weiterhin das Wort. Wir sind bei der Begründung von Herrn Raspe. Es ist im übrigen auch gegenüber Herrn Raspe nicht besonders fair, seine Begründung so zu unterbrechen. Herr Raspe hat jetzt weiter das Wort.

RA Sch[ily]:

Über Fairness brauchen Sie mich wirklich nicht zu belehren.

Vors.:

Ist gut, wenn ich das nicht tun muß, Herr Rechtsanwalt ... Herr Raspe, fahren Sie bitte in der Begründung fort.

RA Sch[ily]:

Ich hatte mich an Herrn Raspe gewandt, ob es ihn stört, wenn ich ihn unterbreche ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich habe Ihnen das Wort jetzt im Augenblick nicht mehr erteilt, bitte halten Sie sich daran.

Herr Raspe fahren Sie fort.

RA Sch[ily]:

Aber Herr Vorsitzender, ist es nicht nützlich, daß man ...

Vors.:

Nein, es ist nicht nützlich, wenn Sie jetzt weiter fortfahren. Wir wollen diese Begründung zu Ende hören. Wir wollen sehen, ob wir sie weiter zu Ende hören können.

RA Sch[ily]:

Wenn sie bis 6 Uhr dauert also offenbar auch oder wie ...

Vors.:

Das wollen wir sehen. Herr Raspe fahren Sie fort.

[1915] RA Sch[ily]:

Das wollen wir dann sehen. Das finde ich ja hervorragend.

Angekl. R[aspe]:

Ich habe gesagt, das sind die Klippen, durch die Prinzing das Verfahren lavieren soll. Seine exemplarische Verwertbarkeit und Vorbildhaftigkeit für alle Verfahren gegenüber den Gefangenen aus der RAF, d. h. die Vernichtungsstrategie der Bundesanwaltschaft hier prozessual abzusichern und gleichzeitig zu verschleiern.

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender, ich bitte abermals ums Wort.

Vors.:

Nein, ich darf jetzt vielleicht meine Entscheidung von vornherein treffen, sie macht den Antrag überflüssig. Herr Raspe, Sie haben jetzt zum dritten Mal diese Vernichtungsstrategie wiederholt.

Angekl. R[aspe]:

Das sind Tatsachen.

Vors.:

Zu diesen Ausweitungen Ihrer Antragsbegründung gebe ich Ihnen das Wort weiterhin nicht mehr, das Wort ist Ihnen entzogen.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Wird ihm dazu rechtliches Gehör gewährt.

Vors.:

Rechtliches Gehör? Die Maßnahme ist schon erfolgt. Wollen Sie die Maßnahme beanstanden?

-Währenddessen steht der Angeklagte Raspe auf und packt seine Sachen zusammen um den Sitzungssaal zu verlassen.-

RA v[on ]P[lottnitz]:

Bevor Sie ... der natürliche Vorgang wäre gewesen mir und dem Herrn Raspe zu sagen, der Senat beabsichtige das Wort zu entziehen. Wollen Sie dazu Stellung nehmen.

Vors.:

Sie haben die Möglichkeit, das rechtliche Gehör in Form der Beanstandung meiner Entscheidung zu haben. Das können Sie jetzt tun.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Eben, ich beanstande diese Entscheidung und stelle dazu zur Be- [1916] gründung fest, daß diese Entscheidung ganz offensichtlich nur deshalb erfolgt ist, um hier einen Vortrag zeitlich abzukürzen.

Die Tatsache, daß ein Gefangener hier von Vernichtungsinteresse spricht und damit sich auf seine eigene Situation bezieht, rechtfertigt nie und nimmer sein Vortragen zu zensieren und ihm das Wort zu entziehen.

Angekl. R[aspe]:

Ich will dazu noch einen Satz sagen.

Vors. (nach geheimer Umfrage):

Der Senat billigt die getroffene[qq] Entscheidung.

Herr Raspe hat das Wort nicht mehr.

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Nein, Augenblick, ich bitte nochmal ums Wort für Herrn Raspe.

Vors.:

Er hat das Wort jetzt nicht mehr.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ich beantrage für Herrn Raspe, ihm das Wort wieder zu erteilen.

Vors.:

Nein.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Dann beanstande ich diese Maßnahmen.

Angekl. R[aspe]:

Ich will zu dem Wortentzug ein Wort sagen.

Vors. (nach geheimer Umfrage):

Es bleibt beim Entzug. Auch der Senat billigt diese Entscheidung. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich erweitere abermals den für Herrn Baader gestellten Ablehnungsantrag gegen den Herrn Vorsitzenden Richter Dr. Prinzing und die Richter am OLG Dr. Breucker, Dr. Foth, Maier und Dr. Berroth. Mit dem folgenden weiteren materiellen Ablehnungsgrund ...

Vors.:

Unsere Aufmerksamkeit haben Sie, Herr Rechtsanwalt.

RA Dr. H[eldmann]:

Vielen Dank.

Vors.:

Bitte.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich habe es bemerkt. Jetzt auch die andere. Herr Raspe ...

[1917] Vors.:

Augenblick, Herr Raspe beabsichtigt, sich zu entfernen, scheint so. Herr Raspe, das geht nicht.

Angekl. R[aspe]:

Ja, wollen Sie, daß ich hier tobe oder was.

Vors.:

Bitte.

Angekl. R[aspe]:

Natürlich gehe ich jetzt.

Vors.:

Sie sollen sich hinsetzen und der Verhandlung ruhig folgen.

Angekl. R[aspe]:

Nein, ich setz mich nicht.

Vors.:

Sind Sie nicht bereit, der Verhandlung weiter im Sitzen zu folgen?

Angekl. R[aspe]:

Sie haben mir das Wort entzogen, und dann ist es sinnlos geworden, hierzubleiben.

Vors.:

Herr Raspe, wenn Sie sich weiter so benehmen wie jetzt im Augenblick, müßten Sie ausgeschlossen werden.

Angekl. R[aspe]:

Ja, tun Sie das, verdammt noch mal.

Der Vorsitzende verkündet nach geheimer Umfrage folgenden Beschluß:

Der Angeklagte Raspe wird für den weiteren Tag ausgeschlossen.

Gründe: Er hat sich geweigert, der Verhandlung ruhig und ohne Störung zu folgen. Auf Abmahnung erklärte er, er wolle ausgeschlossen werden und fügte hinzu: „Verdammt noch mal.“

- Der Angeklagte Raspe wurde um 12.57 Uhr aus dem Sitzungssaal abgeführt -

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

Nochmal ganz kurz. Ich erweitere also den Ablehnungsantrag von Herrn Baader um einen weiteren materiellen Ablehnungstatbe- [1918] stand. Herr Baader wirft den abgelehnten Richtern Demonstration ihrer Parteilichkeit auch insoweit vor, als sie heute soeben nämlich dem Angeklagten Raspe auf dessen Vokabular „Vernichtungsstrategie der Bundesanwaltschaft“ und auf die Intervention des Oberstaatsanwalts Zeis nämlich, das Gericht müsse verbieten, daß ein Angeklagter Beleidigungen ausstoße und verunglimpfe, dem Angeklagten Raspe das Wort entzogen hat. Parteilichkeit ist darin zu sehen, daß in seinem Beschluß vom 20.6.1975 der Senat, in welchem er wortwörtlich die Stellungnahme der Bundesanwaltschaft übernommen hat, eine Vielzahl von Beleidigungen und Verunglimpfungen der Bundesanwaltschaft undistanziert[rr] in seinem eigenen Beschluß hier an das Publikum weitergegeben hat, ohne dort auf den Gedanken gekommen zu sein, hierin etwa Grund zu sehen, der Bundesanwaltschaft das Wort zu entziehen oder zumindest auch nur einen Anlaß zu sehen, die Bundesanwaltschaft nicht durch einen eigenen Senatsbeschluß zu Worte kommen zu lassen, wo es um Beleidigungen und Verunglimpfungen von Angeklagten und Verteidigern geht. Das ist also die differenzierende, d.h. die parteiliche Behandlung, die wir soeben wieder erlebt haben, und ich beziehe mich darauf wieder auf jenen früher schon gerügten Beschluß des Senats vom 22.6.

2. Ich erstrecke den hier erweiterten Ablehnungsantrag, den ich vorhin bereits um zwei Punkte erweitert hatte, des Herrn Baader auf den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, Herrn Aspacher, auf den Richter am Oberlandesgericht König, auf den Richter am Landgericht Jans. Diejenigen Richter also, die den heute vormittag vom Senat verkündeten Beschluß auf den Ablehnungsantrag Baader vom 31.7. beschlossen haben. In ihrem Beschluß haben die abgelehnten Richter Aspacher, König und Jans 1., wie Sie ihn heute verkündet haben, die Vorverurteilung der Angeklagten für Rechtens erklärt. Ich beziehe mich darauf, auf die Ziffern 1-4 des Baaderschen Ablehnungsantrags vom 31.7. und die hierzu, und die darauf bezogenen Exkulpationen aus dem heute verlesenen Beschluß der Richter Aspacher, König und Jans.

Ende von Band 83

[1919] RA Dr. H[eldmann]:

Die abgelehnten Richter Aspacher, König und Jans haben die Behinderung der Verteidigung und meines Mandanten Baader durch Beeinflussung der Sachverständigen Henck und Rausch zum Nachteil des Angeklagten, ich verweise hierfür auf Ablehnungsantrag vom 31.7. zu den Ziffner 2.1 - 2.12, rechtfertigt und ihre summarische, aber rein summarischen Rechtfertigungen dieser handgreiflichen Intervention zur Verhinderung der Verteidigung zu allem Überfluß auch noch zu begründen unterlassen.

3. Die abgelehnten Richter Aspacher, König und Jans haben die Parteilichkeit dieses Gerichts, wie Herr Baader in seinem Antrag in den Ziffern 3.1 - 3.11 sie im einzelnen gerügt, aus den Protokollen belegt hat, diese Parteilichkeit dieses Gerichts als Prozeßmaxime in diesem Verfahren legalisiert.

4. Die Beschlußgründe, die Sie heute aus dem Beschluß jener hier abgelehnten Richter verlesen haben, begründen den Verdacht, daß die Tonbandabschriften diesen Richtern möglicherweise vor Augen gekommen, von diesen Richtern jedoch überhaupt nicht gelesen worden sind, denn sonst würde der heute hier verlesene, begründete Beschluß der Richter Aspacher, König und Jans für die Zukunft im deutschen Strafprozeß bedeuten, daß Richterablehnungen absolut ausgeschlossen sind. Mögen Richter sich Demonstrationen von Vorverurteilungen, von Parteilichkeit, von Behinderung der Verteidigung leisten nach jeder Hinsicht. Es kann also nicht den §§ 24 ff. StPO[55] entsprechen, und diese Tatsache, diese eindeutige Mißachtung der StPO zum „Thema Besorgnis der Befangenheit durch den Angeklagten“ begründet die Annahme, daß die abgelehnten Richter Aspacher, König und Jans das Tonbandprotokoll vom Antrag vom 31.7.1975 nicht gelesen haben.

Zur Glaubhaftmachung beziehe ich mich auf die Tonbandprotokolle, wie sie in Herrn Baaders Ablehnungsantrag vom 31.7.im einzelnen zitiert worden sind und 2. auf die dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter Aspacher, König und Jans.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily.

[1920] RA Sch[ily]:

Ich schließe mich dem weitergehenden Ablehnungsantrag für die Angeklagte Ensslin an und beziehe mich auf den Sachvortrag des Kollegen Dr. Heldmann, sowie auf die dort bezeichneten Mittel zur Glaubhaftmachung.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz.

RA v[on] P[lottnitz]:

Ich habe mich zu Herrn Raspe auch dem Ablehnungsgesuch anzuschließen, das der Kollege Heldmann soeben angebracht hat, und zwar ausdrücklich auch, soweit es sich auf die Richter König, Aspacher und Jans bezieht. Wegen der Tatsachen und wegen der Mittel, die zur ihrer Glaubhaftmachung benannt worden sind, verweise ich auf das, was von dem Kollegen Heldmann bereits gesagt worden ist. Ich stütze im übrigen das Gesuch des Gefangenen Raspe gegen den Vorsitzenden Richter und die beisitzenden Richter, deren Namen ich ja nicht zu wiederholen brauche, nunmehr auch auf die Tatsache der Wortentziehung, deren Opfer Herr Raspe soeben geworden ist. Herr Raspe selbst hat dargestellt, daß er zunächst mal wesentliche Teile dessen vorgetragen hat, was [ss] vorzutragen[tt], vorzutragen beabsichtigten seine Mitgefangenen. Er hatte wesentliche Punkte noch, natürlich auch immer für sich wesentliche Punkte noch, nachzutragen zur Begründung des Ablehnungsgesuchs. Dieser Nachtrag ist ihm unmöglich gemacht worden, unmöglich gemacht worden durch die Entscheidung von Richtern, die über das Ablehnungsgesuch, die Gründe die es stützen und die Frage, ob das was zur Begründung vorgetragen worden ist von den Gefangenen, zum Sachzusammenhang gehört oder nicht, gar nicht zu befinden hatten. Zu befinden hierüber hätten ganz andere Richter.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Riedel.

RA R[iedel]:

Ich schließe mich für Frau Meinhof dem, von dem Kollegen Heldmann gestellten erweiterten Befangenheitsantrag und der [1921] abgegebenen Begründung ebenfalls an.

Vors.:

Es ist klar, daß heute keine Verhandlung mehr zustandekommen kann. Ich bitte, die Prozeßbeteiligten um ...

OStA Z[eis]:

Die Bundesanwaltschaft bittet ums Wort.

Vors.:

Verzeihung, natürlich.

OStA Z[eis]:

Die Bundesanwaltschaft beantragt

die Ablehnungsanträge nach[uu] § 26a Abs. 1 Ziff. 1 + 3[ StPO] als unzulässig zu verwerfen.

Soweit Ablehnungsgründe geltend gemacht worden sind, die schon vor den letzten Ablehnungsanträgen liegen, ergibt sich deren Unzulässigkeit aus § 26a Abs. 1 Ziff. 1 StPO in Verbindung mit § 25 Abs. 1 S. 2 StPO.[56] Diese Ablehnungsgründe hätten schon damals vorgebracht werden müssen; weil dies nicht geschah sind sie verspätet und damit gemäß § 26a Abs. 1, Ziff. 1[ StPO] unzulässig. Insgesamt aber sind die Anträge deshalb unzulässig, weil durch die Ablehnung offensichtlich - ich wiederhole - offensichtlich das Verfahren nur verschleppt und nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen.[57]

Die Verteidigung steigert sich offensichtlich in eine Art Ablehnungsrausch. Waren es letzte Woche täglich ein Ablehnungsgesuch, so lautet offenbar die neue Prozeßmaxime der[vv] Gegenseite: „Täglich mindestens 2, dann geht der Prozeß niemals vorbei“. Daß es so nicht mehr weitergehen kann, liegt auf der Hand. Die Prozeßverschleppungstaktik der Gegenseite ist evident. Diese Absicht tragen die Anträge geradezu auf der Stirn. Wen auch noch nur der geringste Zweifel plagt, der vergegenwärtige sich die Ablehnungsvorträge der Angeklagten Baader, Meinhof, Ensslin und Raspe, die neben der ... offenbar vorgefertigt waren und nur dazu dienten, dieses vorgefertigte Machwerk loszuwerden.

Vors.:

Ja, Herr Rechtsanwalt Schily, bitte.

[1922] RA Sch[ily]: (Anfang nicht verständlich)

... also daß Sie kein guter Mediziner und Psychiater sind, das haben wir schon bei anderer Gelegenheit festgestellt, Herr Bundesanwalt Dr. Zeis. Wenn Sie also jetzt von Rauschzuständen sprechen, dann weiß ich nicht, ob nicht da angebracht gewesen wäre, daß der Herr Vorsitzende einmal eingegriffen hätte und gesagt hätte, das liegt nun wahrhaft neben der Sache. Ich weiß auch nicht, ob Sie als Verseschmieder besonders gut geeignet sind, also diese Art von kleinbürgerlicher Poesie, die ist mir ziemlich fremd, aber das ist eben Ihr, Ihre Art und Weise, Ihre Methode, um an inhaltlicher Argumentation vorbeizukommen. Das ist ja, läßt sich ja seit Beginn dieser Hauptverhandlung nachweisen, und ich weiß nicht, vielleicht habe ich die Vorschrift überlesen irgendwo in der StPO, daß es da irgendwo eine Bestimmung gibt, die die Zahl von Ablehnungsantragen begrenzt. Aber vielleicht kenne ich die StPO doch in der Richtung besser als Sie, Herr Bundesanwalt Zeis, was ja nicht heißen soll, daß Sie vielleicht im Bundestag anregen, auch insoweit die StPO zu ergänzen. Wenn Sie meinen, der Antrag sei wegen der sogenannten Konzentrationsmaxime unzulässig, dann verkennen Sie, daß die Tatsachen, die ich mit dem Ablehnungsantrag hier vorgetragen habe, sämtlich sich auf Vorgänge beziehen, die nach Einbringung des ersten Ablehnungsantrages von Frau Ensslin hier sich abgespielt haben. Wenn in diesem Zusammenhang auch zur Darstellung Tatsachen miteinbezogen werden in die Würdigung, wie beispielsweise eine, dieser Fernsehfilm, der in der Tat schon vor Beginn der Hauptverhandlung, also auch schon dem Ablehnungsgesuch, ausgestrahlt worden ist, dann übersehen Sie das natürlich, wenn neue Tatsachen sich abspielen, daß diese eine neue Bedeutung gewinnen können. Alte Tatsachen mit den neuen verbunden, eine neue Bedeutung gewinnen[ww] können, und dann es durchaus berechtigt ist, in einem Ablehnungsantrag auch wiederum die alten Tatsachen, die eben in der Gesamtheit der Umstände zu bewerten sind, vorzutragen. Dadurch wird ein Ablehnungsgesuch nicht unzulässig. Und was [1923] Sie nun mit verfahrensfremden Zwecken meinen, das kann ich eigentlich auch nicht, läßt mich auch nicht, überzeugt mich auch nicht, weil ja doch die Unbeeinflußtheit des Gerichts etwas ist, was eines der wesentlichsten Grundsätze des Rechtsstaats ist, die den Rechtsstaat auszeichnet. Und wenn wir mit andern Anträgen, die das auch belegen, daß hier das Gericht eben nicht die notwendige Unvoreingenommenheit mit sich bringt, wenn wir mit diesen Anträgen keinen Erfolg gehabt haben, können Sie uns das wohl kaum zum Vorwurf machen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann war der nächste, der sich gemeldet hat.

RA Dr. H[eldmann]:

Für Herrn Baader.

1. Herr Baader hat von den Ablehnungsgründen aus dem Ablehnungsantrag vom 4.8. des Kollegen Schily erst heute erfahren, folglich trifft Ihr Einwand: Konzentrationsmaxime, also verwirkt, nicht zu; vielmehr ist zu urteilen nach § 25 Abs. 2, Ziff. 1[ StPO].[58]

2. Ich habe ausdrücklich hervorgehoben, daß ich im Antrag des Herrn Baader über denjenigen Teil hinaus, in welchem er sich Herrn Schilys Antrag angeschlossen hat, drei neue hier in der heutigen Verhandlung erst entstandene Ablehnungstatbestände zum Gegenstand seines Ablehnungsantrags gemacht habe; folglich trifft erst recht nicht zu, hier sei etwas prozessual überholt[xx] oder prozessual verwirkt.

Zum wiederholten Vorwurf der Bundesanwaltschaft, die Verteidigung benutzte handgreifliche Demonstrationen von Parteilichkeit oder Voreingenommenheit gegen die Angeklagten, indem sie sie zur Ablehnungsanträgen formuliert, das sei Prozeßverschleppung, braucht man sich nach dem bisherigen Prozeßverlauf wohl nicht mehr zu[yy] äußern.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz.

RA v[on] P[lottnitz]:

Ja, ich habe für Herrn Raspe auch darauf hinzuweisen, daß entgegen dem, was der Herr Oberstaatsanwalt Dr. Zeis dazu [1924] gemeint hat, die Konzentrationsmaxime der Zulässigkeit seines Gesuchs [zz] mitnichten entgegensteht. Der Herr Raspe hat sein Ablehnungsgesuch gestützt auf Tatsachen, die in der Tat, auf einige Tatsachen, die in der Tat zeitlich vor dem letzten von ihm gestellten Ablehnungsgesuch lagen, hat aber auch das Ablehnungsgesuch gestützt auf Tatsachen, die ihm erst nach dem Zeitpunkt seines letzten Ablehnungsgesuchs bekanntgeworden sind, die also zuvor gar nicht angebracht werden konnten. Die Tatsachen insgesamt sind als Einheit zu betrachten, darauf ist bereits hingewiesen worden, und erhalten ihr Gewicht aus der Akkumulation der neuen und der alten Tatsachen, so daß von daher ein Zulässigkeitshindernis nicht besteht. Im übrigen kann ich nur sagen, die Substanz dessen, was hier von der Bundesanwaltschaft zur Frage von Ablehnungsgesuchen und den Verteidigungsinteressen die dahinterstehen angeblich gesagt wird, wird nicht durch die Verwendung radikaler Ausdrücke größer, in diesem Fall ist hier also der Ausdruck „Machwerk“ gefallen. Herr Oberstaatsanwalt Dr. Zeis, ich bin gespannt, ob hier noch mal der Tag eintreten wird, wo Sie irgend etwas inhaltlich zu dem sagen, was von dieser Seite des Sitzungssaales aus vorgebracht wird.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Riedel, wollen Sie auch noch eine Erklärung abgeben?

RA R[iedel]:

Ich erkläre für Frau Meinhof ebenfalls, daß von Unzulässigkeit im Sinne von § 25 der StPO im Zusammenhang der hier gestellten Ablehnungsanträge nicht gesprochen werden kann, weil heute - das ist keinem der Verfahrensbeteiligten entgangen - völlig neue Gesichtspunkte, die eine Ablehnung [aaa] nach Auffassung der Mandantin begründen, hier aufgetaucht sind und geltend gemacht worden sind. Und zur Begründung dieser Anträge ist natürlich auch das mit zu berücksichtigen, was vorher schon verschiedentlich hier behandelt worden ist, [1925] weil es das Gesamtbild, wie vorgetragen, die Entscheidung beeinflußt.

Vors.:

Es kann heute mit der Fortsetzung der Verhandlung nicht mehr gerechnet werden. Ich bitte die Prozeßbeteiligten, um 16.00 Uhr wieder im Saale zu sein und, dann wird bekanntgegeben, wie die Dinge weiterlaufen.

Ende der Sitzung um 13.15 Uhr

Ende Band 84

[1926-1929][59] [1930][60] [1931][61] [1932][62] [1933][63] [1934][64] [1935][65] [1936][66] [1937][67] [1938][68] [1939-1941][69] [1942][70] [1943][71]


[1] Anlage 1 zum Protokoll vom 5. August 1975: Senatsbeschluss (Zurückweisung der Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit als unbegründet).

[2] Die vollständige Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten wurde durch die Verteidigung seit Beginn der Hauptverhandlung immer wieder bestritten (s. zur Chronologie der Ereignisse in diesem Zusammenhang die Ausführungen des Rechtsanwalts von Plottnitz am 26. Verhandlungstag, S. 2093 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Inzwischen wurde mit Beschluss vom 18.7.1975 eine Kommission aus Sachverständigen verschiedener Fachrichtungen damit beauftragt, die Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten zu begutachten (der Beschluss selbst ist nicht im Protokoll enthalten, vgl. aber den ergänzenden Beschluss in Anlage 2 zum Protokoll vom 29.7.1975, S. 1570 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 20. Verhandlungstag).

[3] Die Hauptverhandlung beginnt nach dem Aufruf der Sache und Feststellung der Anwesenheit mit der Vernehmung der Angeklagten zur Person, an die sich die Verlesung der Anklage (heute außerdem: Mitteilung über ggf. stattgefundene Erörterungen) sowie die Vernehmung der Angeklagten zur Sache anschließen. Hierauf folgt die Beweisaufnahme (§§ 243, 244 StPO). Aufgrund vorrangiger Anträge fand die Vernehmung zur Person sowie die Verlesung der Anklage erst am 26. Verhandlungstag statt.

[4] Verhandlungsfähigkeit ist die Fähigkeit „in und außerhalb der Verhandlung seine Interessen vernünftig wahrzunehmen, die Verteidigung in verständiger und verständlicher Weise zu führen sowie Prozesserklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen“ (BGH, Beschl. v. 8.2.1995 - Az.: 5 StR 434/94, BGHSt 41, S. 16, 18). Die Verhandlungsunfähigkeit bildet ein vorübergehendes oder dauerndes Verfahrenshindernis (§§ 205, 206a StPO). Eingeschränkter Verhandlungsfähigkeit kann durch die Anordnung besonderer Maßnahmen (ärztliche Unterstützung, Einlegung von Erholungspausen o.ä.) begegnet werden (s. dazu auch Rechtsanwalt Dr. Heldmann auf S. 1255 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 15. Verhandlungstag). Bei vorsätzlicher und schuldhafter Herbeiführung der Verhandlungsunfähigkeit kann die Hauptverhandlung in Abwesenheit des/der Angeklagten durchgeführt werden (§ 231a StPO).

[5] Die Internisten Prof. Dr. Müller und Prof. Dr. Schröder gaben in einem am 21. Verhandlungstag eingereichten Zwischenbescheid an, ihrem Eindruck nach sei die Verhandlungsfähigkeit aller Angeklagten für die nächsten zwei bis drei Wochen zu bejahen. Eine abschließende Beurteilung stehe noch aus, sei aber vor dem anstehenden Urlaub beider Gutachter nicht mehr zu realisieren (Anlage 3 zum Protokoll vom 30.7.1975, 21. Verhandlungstag, S. 1710 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[6] Der Unmittelbarkeitsgrundsatz findet seine Grundlage in der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO sowie der Vorschrift des § 261 StPO, wonach das Gericht nur auf der Grundlage der von ihm selbst (unmittelbar) in der Hauptverhandlung wahrgenommenen Umstände entscheiden darf (sog. formeller Unmittelbarkeitsgrundsatz, Kühne, Strafprozessrecht, 9. Aufl. 2015, Rn 914). Dieser Grundsatz gilt jedoch nur im sog. Strengbeweisverfahren (auch „förmliche Beweisaufnahme“), das in den §§ 244 bis 256 StPO geregelt ist und Anwendung findet zum Beweis aller Tatsachen, die die Straf- und Schuldfrage betreffen, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe. Im Freibeweisverfahren ist das Gericht hingegen nicht auf die Wahl bestimmter Beweismittel beschränkt, sondern kann grundsätzlich alle verfügbaren Erkenntnisquellen nutzen; auch an die im Strengbeweisverfahren vorgeschriebene Form ist es nicht gebunden (BGH, Urt. v. 28.6.1961 - Az.: 2 StR 154/61, BGHSt 16, S. 164, 166). Einschränkungen ergeben sich weder aus dem Unmittelbarkeitsgrundsatz, noch aus dem Prinzip der Mündlichkeit (Krehl, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 244 Rn. 16).

[7] Notwendigerweise Gegenstand der Hauptverhandlung ist alles, was der Beantwortung der Schuld- und Straffrage dient, d.h. der Tathergang, die Schuld der/des Angeklagten sowie die Höhe der Strafe, da nur solche Tatsachen zur Begründung des Urteils herangezogen werden dürfen, die (prozessordnungsgemäß) in die Hauptverhandlung eingeführt wurden (§ 261 StPO).

[8] Sachleitungsbezogene Anordnungen des/der Vorsitzenden können als unzulässig beanstandet werden (§ 238 Abs. 2 StPO). Über die Beanstandung entscheidet sodann das Gericht, in diesem Fall der Senat in voller Besetzung.

[9] § 137 Abs. 1 StPO lautet: „Der Beschuldigte kann sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers bedienen. Die Zahl der gewählten Verteidiger darf drei nicht übersteigen.“

[10] Der Grund, aus welchem Richter/innen abgelehnt werden, muss nach § 26 Abs. 2 Satz 1 StPO glaubhaft gemacht werden. Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht sie für überwiegend wahrscheinlich hält (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 26 Rn. 7). Die Glaubhaftmachung erfordert damit eine geringere Form der Überzeugung als der sog. Vollbeweis. Die Glaubhaftmachung genügt nur dort, wo das Gesetz sie ausdrücklich zulässt. Mittel der Glaubhaftmachung kann auch das Zeugnis des/der abgelehnten Richter/in sein (§ 26 Abs. 2 Satz 3 StPO).

[11] Der Zugang zu Zeitschriften und Magazinen, also zu Informationen aus allgemein zugänglichen Quellen, ist grundsätzlich von dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG (Grundrechts auf Informationsfreiheit) umfasst (Grabenwarter, in Maunz/Dürig [Begr.], Grundgesetz Kommentar, 92. Ergänzungslieferung, Stand: August 2020, Art. 5 Rn. 996 ff.). Durch Beschluss des Ermittlungsrichters vom 12.6.1972 wurde unter anderem der Bezug von Zeitungen und Zeitschriften für die Beschuldigten beschränkt und war nur noch über die Haftanstalt möglich. Eine hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde von Andreas Baader und Ulrike Meinhof wies das Bundesverfassungsgericht allerdings als unbegründet zurück: Bei einer Abwägung zwischen der Informationsfreiheit der Inhaftierten und der Missbrauchsgefahr der Übermittlung verschlüsselter Nachrichten durch Druckschriften sei es zur Sicherung des Haftzwecks gerechtfertigt, die Inhaftierten auf einen Bezug über die Haftanstalt zu verweisen (BVerfG, Beschl. v. 14.3.1973 - Az.: 2 BvR 621/72, BVerfGE 34, S. 384, 400).

[12] Verfügung: Frist zur Stellungnahme und voraussichtliche Fortsetzung der Hauptverhandlung.

[13] Dienstliche Äußerung des Vorsitzenden Dr. Prinzing.

[14] Antrag der Bundesanwaltschaft auf Zurückweisung der Ablehnung als offensichtlich unbegründet.

[15] Stellungnahme des Rechtsanwalts von Plottnitz zur dienstlichen Äußerung des Vorsitzenden Dr. Prinzing.

[16] Die Hauptverhandlung befindet sich in diesem Zeitpunkt im Stadium zwischen der Feststellung der Anwesenheit und der Vernehmung der Angeklagten zur Person (§ 243 Abs. 1 und 2 StPO). Dieser Verfahrensabschnitt ist nicht gesondert geregelt und nimmt üblicherweise nur wenig Raum ein. Die Erklärungsrechte der Verteidigung sind nach § 257 Abs. 2 StPO zeitlich und inhaltlich in den Zusammenhang mit vorangegangenen Beweismitteln gestellt.

[17] Anlage 2 zum Protokoll vom 5. August 1975: Senatsbeschluss vom 5.8.1975 (Zurückweisung der Ablehnung des Vorsitzenden Dr. Prinzing durch den Angeklagten Raspe als unbegründet).

[18] Anlage 3 zum Protokoll vom 5. August 1975: Ablehnung des Vorsitzenden Dr. Prinzing sowie der beisitzenden Richter Dr. Foth, Maier, Dr. Berroth und Dr. Breucker wegen Besorgnis der Befangenheit durch die Angeklagte Ensslin.

[19] Siegfried Buback war zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung Generalbundesanwalt und damit Leiter der Strafverfolgungsbehörde „Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof“, welche das Amt der Staatsanwaltschaft beim BGH (§ 142 Nr. 1 GVG), sowie in den zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug gehörenden Strafsachen (§ 120 Abs. 1 und 2 GVG) ausübt (§ 142a Abs. 1 GVG).

[20] Zwischen dem 22. April und dem 13. Mai 1975 und damit kurz vor Beginn der Hauptverhandlung wurden die Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele, zu diesem Zeitpunkt allesamt Verteidiger von Andreas Baader, auf Grundlage des erst am 1.1.1975 in Kraft getretenen § 138a StPO wegen des Verdachts der Tatbeteiligung (Unterstützung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB) von der Mitwirkung im Verfahren ausgeschlossen; zudem wurden strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 156 ff., S. 537 ff.; s. auch die angehängte Chronik in Dreßen [Hrsg.], Politische Prozesse ohne Verteidigung?, 1976, S. 104 f.). Am 23. Juni 1975 wurden die Kanzleiräume der Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele sowie der Rechtsanwältin Becker durchsucht. Rechtsanwältin Becker wurde einen halben Tag festgehalten und schließlich wieder entlassen, Dr. Croissant und Ströbele wurden verhaftet (s. hierzu die Ausführungen des Rechtsanwalts Dr. Heldmann am 9. Verhandlungstag, S. 748 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, und der Rechtsanwältin Becker, S. 754 f. des Protokolls). Der vierte Vertrauensverteidiger Baaders, Rechtsanwalt Siegfried Haag, wurde wenige Tage vor Beginn der Hauptverhandlung vorläufig festgenommen, seine Kanzlei- und Wohnräume wurden durchsucht. Der beim Bundesgerichtshof beantragte Haftbefehl wurde zunächst abgelehnt. Als er im Beschwerdeverfahren schließlich erteilt wurde, war Haag bereits untergetaucht und hatte sich der RAF angeschlossen (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 212 f.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 69; s. auch die Presseerklärung Haags in Anlage 1 zum Protokoll vom 21.5.1975, S. 12 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag).

[21] Als „Vertrauensanwälte“ bzw. „Vertrauensverteidiger“ wurden diejenigen Verteidiger/innen bezeichnet, welche von den Angeklagten frei gewählt waren (§§ 137, 138 StPO). Einige von ihnen wurden den Angeklagten als Pflichtverteidiger/innen (§ 141 StPO) beigeordnet. Mit der Bezeichnung der Vertrauensverteidiger/innen wurden sie von denjenigen Verteidigern abgegrenzt, die den Angeklagten zusätzlich gegen ihren Willen durch das Gericht zur Sicherung des Verfahrens beigeordnet worden waren. Die von den Angeklagten so bezeichneten „Zwangsverteidiger“ lehnten die Angeklagten als „Staatsschutzverteidiger“ (s. Ulrike Meinhof am 1. Verhandlungstag, S. 85 des Protokolls der Hauptverhandlung) entschieden ab.

[22] Werner Maihofer (FDP) war von 1974 bis 1978 Bundesminister des Innern.

[23] Während des dritten Hungerstreiks in Stammheim besuchte der französische Philosoph Jean-Paul Sartre am 4. Dezember 1974 Andreas Baader in der Haftanstalt. Über ihren Anwalt Dr. Croissant hatten die RAF-Mitglieder zuvor Kontakt zu Sartre aufgenommen, damit dieser persönlich die von ihnen als „Isolationsfolter“ bezeichneten Haftbedingungen bezeugen konnte. In einer anschließenden Pressekonferenz bestätigte Sartre diese Angaben. Allerdings ist mittlerweile bekannt, dass Sartre während des relativ kurzen und für beide Seiten enttäuschenden Gesprächs mit Baader zu keiner Zeit Zugang zu dessen oder anderen Zellen hatte, um sich ein eigenes Bild zu machen. Nichtsdestotrotz rief Sartre auf der Konferenz zur Gründung eines internationalen Komitees zum Schutz der politischen Gefangenen in der BRD auf (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 254 ff.; Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa, 2014, S. 275 ff.).

[24] Der Präsident des Berliner Kammergerichts Günter von Drenkmann wurde von der Bewegung 2. Juni in einem Racheakt für den verstorbenen Holger Meins getötet. Nachdem Meins am 9. November 1974 an den Folgen eines Hungerstreiks gestorben war, versuchte die Bewegung am folgenden Tag, von Drenkmann zu entführen. Als dies aufgrund von Drenkmanns Gegenwehr misslang, wurde er erschossen (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 470 f.; Wunschik, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 531, 550).

[25] Holger Meins, ursprünglich Mitangeschuldigter im Stammheim-Prozess, starb noch vor Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) am 9. November 1974 in Untersuchungshaft in Wittlich an den Folgen des dritten Hungerstreiks. Da zu diesem Zeitpunkt der Senat als Gericht der Hauptsache zuständig für den Vollzug der Untersuchungshaft und damit auch für Entscheidungen über die Haftbedingungen war (§ 126 Abs. 2 StPO), machten die Angeklagten den Senat, insbesondere den Vorsitzenden Dr. Prinzing, unmittelbar verantwortlich für den Tod von Holger Meins. Gegen ihn (und weitere) erstattete Rechtsanwalt von Plottnitz im Namen von Meins’ Angehörigen sowie im eigenen Namen Strafanzeige wegen Mordes (Auszüge der Strafanzeige sind abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 195 ff.; vollständig, aber schlecht lesbar, befindet sich die Strafanzeige auch im Anhang zu Anlage 1 zum Protokoll vom 19. Juni 1975, 7. Verhandlungstag, S. 644 ff.). Eine auf die Ereignisse um den Tod Holger Meins’ gestützte Ablehnung des Vorsitzenden Dr. Prinzing wegen Besorgnis der Befangenheit durch die Angeklagte Ensslin findet sich in Anlage 1 zum Protokoll vom 19. Juni 1975 (7. Verhandlungstag, S. 620 ff.). Die dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden Dr. Prinzing befindet sich auf S. 677 ff. (ebenfalls 7. Verhandlungstag).

[26] Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges und mit dem Ziel, die Ausbreitung des Kommunismus in Südostasien einzudämmen, führten die USA in Vietnam von 1964 bis 1973 einen Luft- und Bodenkrieg gegen die südvietnamesische Befreiungsfront und nordvietnamesische Truppen. Trotz wachsender Proteste in der amerikanischen Bevölkerung und entgegen den Einschätzungen und Warnungen hochrangiger Berater, entschieden sich mehrere US-Präsidenten für die Fortsetzung der Kämpfe. Während dieses Krieges griff das US-amerikanische Militär auf Methoden zurück (u.a. search and destroy, Phoenix-Programm), die darauf ausgerichtet waren, möglichst viele Gegner/innen auszuschalten und deren Strukturen zu zerschlagen (Fischer, Die USA im Vietnamkrieg, 2009, S. 104 ff.; Frey, Geschichte des Vietnamkriegs, 2016, S. 83 ff.; 126 ff.; 144 ff.; 187 ff.; Greiner, Krieg ohne Fronten, 2007, S. 56 ff.).

[27] Die Palestine Liberation Organization (PLO) wurde 1964 als Dachorganisation verschiedener palästinensischer Gruppierungen gegründet. 1969 setzte sich die Fatah, eine von Jassir Arafat angeführte palästinensische Befreiungsbewegung, innerhalb der PLO durch. Unter ihrer Führung wurden in den folgenden Jahren zahlreiche Anschläge gegen Israel verübt. Israel begegnete dem Ziel der Palästinenser/innen nach einem eigenen Staat mit einer Ausweitung der Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten und damit verbundener Militärstützpunkte. Während die PLO zunächst ihrer Nationalcharta von 1968 entsprechend den bewaffneten Kampf als „einzig möglichen Weg“ ansah, wurde in den 1970er Jahren zunehmend auf politische Verhandlungslösungen gesetzt und ein palästinensischer Teilstaat neben Israel in Betracht gezogen. Dieser zunehmend diplomatische Ansatz führte schließlich dazu, dass die UN-Generalversammlung die PLO im Oktober 1974 als Repräsentantin des palästinensischen Volks anerkannte (Böhme/Sterzing [Hrsg.], Kleine Geschichte des israelisch-palästinensischen Konflikts, 8. Aufl. 2018, S. 36 ff.; Pabst, Der Nahostkonflikt, 2018, S. 30, 97 f., 103 ff., 114 ff.).

[28] Nach dem Putsch der sozialistischen Regierung unter Salvador Allende installierte General Augusto Pinochet ab September 1973 eine Militärdiktatur in Chile, die bis 1990 bestehen sollte. Bis 1977 ließ er mehrere zehntausend politische Gegner/innen in umfunktionierten Massengefängnissen inhaftierten und mitunter foltern, mehrere tausend Menschen wurden ermordet (Angell, in Tobler/Bernecker [Hrsg.], Lateinamerika im 20. Jahrhundert, Band 3, 1996, S. 847, 870 ff.).

[29] Mit „Trakt“, auch „Toter Trakt“, bezeichneten die Angeklagten einen isolierten Trakt innerhalb einer JVA. In der JVA Köln-Ossendorf befand sich ein solcher Trakt in der psychiatrischen Frauenabteilung, in der zunächst Astrid Proll untergebracht war, später auch Ulrike Meinhof, bevor sie im April 1974 nach Stuttgart-Stammheim verlegt wurde. Im Februar 1974 wurde auch Gudrun Ensslin für zwei Monate nach Köln-Ossendorf verlegt (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 97 ff.). Meinhof beschrieb den Zustand im Trakt mit den Worten: „Das Gefühl, es explodiert einem der Kopf (das Gefühl, die Schädeldecke müsste eigentlich zerreißen, abplatzen) - das Gefühl, es würde einem das Rückenmark ins Gehirn gepresst [...]. das Gefühl, die Zelle fährt [...] rasende Aggressivität, für die es kein Ventil gibt. Das ist das Schlimmste. Klares Bewußtsein, daß man keine Überlebenschance hat [...]“ (Erklärung von Ulrike Meinhof, abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 103 ff.; s. auch die Ausführungen im Antrag der Angeklagten am 5. Verhandlungstag, Anlage 1 zum Protokoll vom 12.6.1975, insbes. die S. 425 ff. des Protokolls bzw. 20 ff. der Anlage; s. zu den Haftbedingungen in Köln-Ossendorf aber auch Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 95 ff.).

[30] Die Unschuldsvermutung ist in Art. 6 Abs. 2 EMRK verankert: „Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig.“ Sie wird auch aus dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG hergeleitet, wodurch ihr auch Verfassungsrang zukommt (BVerfG, Beschl. v. 26.3.1987 - Az.: 2 BvR 589/79, BVerfGE 74, S. 358, 370).

[31] Anlässlich einer gestohlenen Flasche Zyankali nährten Polizei und Bild-Zeitung im Mai 1974 Gerüchte, die RAF wolle durch eine Trinkwasservergiftung in einer deutschen Großstadt die Freilassung von Meinhof und Ensslin durchsetzen. Die Gerüchte entbehrten jedoch jeder Grundlage (Balz, in Hürter/Rusconi [Hrsg.], Die bleiernen Jahre, 2010, S. 73, 80).

[32] Massenveranstaltungen wie die Fußballweltmeisterschaft 1974 wurden nach dem Attentat auf die israelische Mannschaft bei den Olympischen Spielen 1972 als besonders sensible Ereignisse wahrgenommen. In diesem Zusammenhang häuften sich spekulative Meldungen, wie die über einen geplanten Raketenangriff der RAF auf das Hamburger Volksparkstadion (Balz, Von Terroristen, Sympathisanten und dem starken Staat, 2008, S. 192).

[33] Zwei angeblich aus einem Bundeswehrdepot verschwundene Senfgasflaschen lösten im Mai 1975 Spekulationen über einen Giftgas-Angriff der RAF aus. Als Folge dieser von zahlreichen Tageszeitungen aufgegriffenen Meldung erließ z.B. die Bundestagspräsidentin eine Besuchersperre im Bundestag. Später wurde jedoch festgestellt, dass gar keine Flaschen entwendet worden waren (Balz, in Hürter/Rusconi [Hrsg.], Die bleiernen Jahre, 2010, S. 79; Balz, Von Terroristen, Sympathisanten und dem starken Staat, 2008, S. 191).

[34] Am 2. Juni 1972 wurde aufgrund einer Bombendrohung die Stuttgarter Innenstadt gesperrt. In einem Schreiben unbekannter Herkunft war zuvor ein Sprengstoffanschlag auf drei Autos durch „RAF-Pionier-Sprengexperten“ angekündigt worden. Die Drohung bewahrheitete sich nicht, fand jedoch große mediale Aufmerksamkeit. Die Echtheit des Schreibens wurde schon kurze Zeit später in Zweifel gezogen (Balz, in Hürter/Rusconi [Hrsg.], Die bleiernen Jahre, 2010, S. 76 f.).

[35] Auf welche „Polizeiaktion“ Meinhof hier Bezug nimmt, ist nicht bekannt.

[36] Zwischen Dezember 1974 und Ende 1975 kam es zu einer Reihe bis heute unaufgeklärter Bombenanschläge auf Bahnhöfe in Bremen, Hamburg, Köln und Nürnberg. Der Bombenanschlag von Bremen vom 6. Dezember wurde am 9. Dezember von der BILD fälschlicherweise der RAF zugeordnet. Im linken Milieu kursierte sehr schnell die Theorie, dass es sich bei dem Anschlag um eine fingierte Aktion von Seiten staatlicher Sicherheitsbehörden gehandelt haben könnte (Balz, Von Terroristen, Sympathisanten und dem starken Staat, 2008, S. 191 ff.). Zu den genannten linken Mutmaßungen siehe etwa: „Faschistischer Terror in Bremen - Die Behörden wussten Bescheid!“, Roter Morgen, 28.12.1974, S. 1, 6 abrufbar unter: https://www.mao-projekt.de/BRD/ORG/GRM/Roter_Morgen/RM_1974_52.shtml, zuletzt abgerufen am 24.09.2021).

[37] Gerhard Müller war ein ehemaliges Mitglied der RAF und einer der Hauptbelastungszeugen in diesem sowie in weiteren Verfahren gegen Mitglieder der RAF. Er wurde ab dem 124. Verhandlungstag als Zeuge vernommen. Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass die umfassende Aussage Müllers, mit der er die Angeklagten schwer belastete, u.a. durch das Versprechen diverser ungesetzlicher Vorteile unzulässig beeinflusst worden war (s. hierzu etwa die Beweisanträge in den Anlagen 4 bis 19 zum Protokoll zum 20.7.1976, S. 10643 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 128. Verhandlungstag; s. zu den Vorwürfen der Verteidigung auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 305 ff.).

[38] Wenige Monate nach ihrem Kriegseintritt, begann die US-amerikanische Luftwaffe am 2. März 1965 mit der Bombardierung von Zielen in Nordvietnam. Die Operation trug den Namen „Rolling Thunder“ und endete erst nach mehr als drei Jahren am 31. Oktober 1968. Obwohl die Amerikaner/innen mit mehr als 300.000 Einsätzen zahlreiche infrastrukturelle Zerstörungen anrichteten und ca. 50.000 Menschen töteten, scheiterten sie mit ihrem Vorhaben, Nordvietnam zur Aufgabe zu zwingen (Frey, Geschichte des Vietnamkriegs, 2016, S. 118 ff.).

[39] Das INFO war ein Informations- und Kommunikationssystem, das einen Austausch von Rundbriefen, Zeitungsartikeln etc. unter den inhaftierten RAF-Mitgliedern ermöglichte. Über die Verteidigerpost, die im Vergleich zu anderer Post vollzugsrechtlich privilegiert ist (§§ 97 Abs. 1 Nr. 1, 148 StPO), konnte Material ohne vorherige Zensur ausgetauscht werden. Den Rechtsanwälten Ströbele, Groenewold und Dr. Croissant wurde später vorgeworfen, durch die Beteiligung am „Info-System“ dazu beigetragen zu haben, dass die inhaftierten RAF-Mitglieder auch aus der Haft heraus ihre kriminelle Vereinigung hätten fortführen können. Dabei ging es nicht um das INFO an sich, sondern um die Weiterleitung ganz bestimmter Unterlagen (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 521 ff.; s. auch die Interviews mit K. Groenewold und H.-C. Ströbele, in Diewald-Kerkmann/Holtey [Hrsg.], Zwischen den Fronten, 2013, S. 49, 58 f., 70 f. sowie S. 121, 132 f.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 52).

[40] Die Schaffung einer speziellen gesetzlichen Kronzeugenregelung wurde zum damaligen Zeitpunkt zwar diskutiert, erfolgte aber zunächst nicht. Während bereits mit Gesetz vom 28.7.1981 (BGBl. I, S. 681) eine Kronzeugenregelung für Betäubungsmitteldelikte geschaffen wurde (§ 31 BtMG), geschah dies erst 1989 auch für terroristische Straftaten (BGBl. I, S. 1059, 1061). Diese Regelung trat jedoch zum 1.12.1999 wieder außer Kraft. Erst seit dem 1.9.2009 gibt es im deutschen Strafrecht mit § 46b StGB eine allgemeine Kronzeugenregelung (eingeführt durch das 43. Strafrechtsänderungsgesetz vom 29.7.2009, BGBl. I, S. 2288).

[41] Der Schlosser Karl-Heinz Ruhland wurde im Dezember 1970 verhaftet. Erst wenige Monate zuvor hatte Ruhland wohl aus Geldsorgen begonnen, die RAF mit dem Frisieren gestohlener Autos zu unterstützen. Am 29. September 1970 beteiligte sich Ruhland an den Berliner Banküberfällen. Bis zu seiner Verhaftung kundschaftete er u.a. gemeinsam mit Meinhof und Jansen mögliche Einbruchsziele aus und beging Diebstähle. In mehreren Verfahren gegen RAF-Mitglieder fungierte Ruhland, der sich von der RAF losgesagt hatte, als umstrittener Belastungszeuge. Mit Urteil vom 15.3.1972 wurde er vom OLG Düsseldorf wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt; nach nur zweieinhalb Jahren wurde er vom damaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann begnadigt. Im Laufe seiner verschiedenen Aussagen verstrickte er sich in zahlreiche Widersprüche (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 243 ff., 253 ff., 260, 271 ff.; Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 243 ff.). Heinrich Hannover bezeichnete ihn als „berühmtesten oder richtiger ruhmlosesten aller bisherigen Kronzeugen“ (Hannover, Terroristenprozesse, 1991, S. 140).

[42] Abgelehnte Richter/innen können bei der Entscheidung über die Begründetheit der sie selbst betreffenden Ablehnung nicht mitwirken (§ 27 Abs. 1 StPO).

[43] Die Befugnis des/der Vorsitzenden, unzulässige oder weitschweifige Ausführungen einzuschränken, leitet sich aus der Zuweisung der Verhandlungsleitung (§ 238 Abs. 1 StPO) ab (Becker, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 6, 27. Aufl. 2019, § 238 Rn. 3).

[44] Mit Gesetz vom 18. August 1976 (sog. Anti-Terroristengesetz, BGBl. I, S. 2181) wurde § 129a StGB (Bildung terroristischer Vereinigungen) in das Strafgesetzbuch eingefügt. Die Schaffung des neuen Tatbestandes, der am 20. September 1976 in Kraft trat, war Bestandteil der gesetzgeberischen Reaktionen auf das „Phänomen Terrorismus“ (Krauß, in Laufhütte/Rissing-van Saan/Tiedemann [Hrsg.], Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 5, 12. Aufl. 2009, § 129a, S. 385 f.) Für die hier angeklagten Taten konnte der neue Tatbestand des § 129a StGB aufgrund des Rückwirkungsverbots (Art. 103 Abs. 2 GG) jedoch keine Anwendung mehr finden.

[45] § 177 GVG eröffnet die Möglichkeit, Angeklagte wegen ordnungswidrigen Benehmens aus dem Sitzungszimmer zu entfernen. Nach § 231b Abs. 1 StPO kann die Hauptverhandlung sodann in Abwesenheit der Angeklagten fortgeführt werden, wenn das Gericht ihre Anwesenheit nicht für unerlässlich hält und solange weitere schwerwiegende Störungen zu befürchten sind.

[46] S. bereits Fn. 42.

[47] Im niedersächsischen Bückeburg fand der Prozess gegen den niederländischen Studenten Ronald Augustin statt. Augustin war Teil der Bewegung 2. Juni und Mitglied der ersten RAF-Generation. Festgenommen im Juli 1973, wurde er im Mai 1974 in die JVA Hannover verlegt, wo er in strenger Einzelhaft saß. Seine Haftbedingungen wurden mit denen in Köln-Ossendorf verglichen, auch die Bezeichnung „Toter Trakt“ (s. Fn. 29) wurde hierfür verwendet. Die Hauptverhandlung in Bückeburg wurde, ähnlich wie die in Stuttgart-Stammheim, in einer eigens dafür eingerichteten Mehrzweckhalle durchgeführt. Der Prozess wurde nicht nur deshalb von manchen als „Generalprobe“ für das Verfahren in Stuttgart angesehen (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 108 ff.; Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 206; Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa, 2014, S. 367 ff.).

[48] § 238 Abs. 2 StPO setzt als Rügegegenstand eine „auf die Sachleitung bezügliche Anordnungen des Vorsitzenden“ voraus. Unter einer Anordnung sind allerdings nicht nur Entscheidungen zu verstehen, sondern alle Maßnahmen, mit denen der/die Vorsitzende auf den Verfahrensablauf oder die Verfahrensbeteiligten einwirkt, worunter neben Belehrungen und Hinweisen auch Ermahnungen zählen (Grube, in Satzger/Schluckebier/Widmaier [Hrsg.], Strafprozessordnung, 4. Aufl. 2020, § 238 Rn. 18).

[49] Fehlblatt.

[50] Die Beschränkung auf drei Wahlverteidiger/innen (§ 137 Abs. 1 Satz 2 StPO) wurde durch das Ergänzungsgesetz zum Ersten Strafverfahrensreformgesetz vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3686) mit Wirkung zum 1.1.1975 eingeführt.

[51] Während bis zum 31.12.1974 die sog. Blockverteidigung - die kollektive Verteidigung mehrerer Angeklagter bei gleicher Interessenlage - zulässig war, wurde durch das Ergänzungsgesetz zum Ersten Strafverfahrensreformgesetz vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3686) mit Wirkung zum 1.1.1975 das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) eingeführt. Jede/r Verteidiger/in durfte fortan nur noch eine/n Angeklagte/n vertreten, wodurch eine Neusortierung der Mandatsverhältnisse erforderlich wurde.

[52] Die Möglichkeit, Verteidiger/innen wegen des Verdachts der Tatbeteiligung von der Mitwirkung im Strafverfahren auszuschließen (§§ 138a ff. StPO) wurde ebenfalls mit dem Ergänzungsgesetz vom 20. Dezember 1974 eingeführt. Eine gesetzliche Grundlage war erforderlich geworden, nachdem das Bundesverfassungsgericht den vorigen Ausschluss des Rechtsanwalts Schily mangels Rechtsgrundlage für verfassungswidrig erklärt hatte (BVerfG, Beschl. v. 14.2.1973 - Az.: 2 BvR 667/72, BVerfGE 34, S. 293 ff.). Die neu eingeführte Vorschrift § 138a StPO hatte vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand (BVerfG, Vorprüfungsausschuss, Beschl. v. 4.7.1975 - Az.: 2 BvR 482/75, NJW 1975, S. 2341). Zum Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens s. die Ausführungen des Rechtsanwalts Dr. Heldmann am 11. Verhandlungstag, S. 837 f. des Protokolls der Hauptverhandlung.

[53] Horst Herold war von 1971 bis 1981 Präsident des Bundeskriminalamtes (s. die vorangestellte Vita in: Bundeskriminalamt [Hrsg.], Festschrift für Horst Herold zum 75. Geburtstag, 1998, S. 15, 17).

[54] S. bereits Fn. 48.

[55] In den §§ 24 ff. StPO befinden sich die Vorschriften über die Ablehnung von Richter/innen, darunter wegen Besorgnis der Befangenheit.

[56] § 25 Abs. 1 Satz 2 StPO a.F. (heute: Abs. 1 Satz 3) schreibt vor, dass alle Ablehnungsgründe gleichzeitig vorzubringen sind (sog. Konzentrationsmaxime). Geschieht dies nicht, ist das Vorbringen, das sich auf solche Gründe stützt, die zum Zeitpunkt des letzten Ablehnungsgesuchs bereits vorgelegen haben, aber nicht zur Begründung herangezogen wurden, wegen Verspätung nach § 26a Abs. 1 Nr. 1 StPO als unzulässig zu verwerfen (Conen/Tsambikakis, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, § 26a Rn. 8). Zulässig ist allerdings, zunächst noch abzuwarten, ob sich der Eindruck der Befangenheit verfestigt (OLG München, Beschl. v. 22.11.2006 - Az.: 4St RR 182/06, NJW 2007, S. 449, 451).

[57] Die Ablehnung ist nach § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO als unzulässig zu verwerfen, wenn „durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen“.

[58] § 25 Abs. 2 StPO a.F. enthielt zusätzliche zeitliche Vorgaben für Ablehnungen ab dem Zeitpunkt der Vernehmung der Angeklagten zur Sache (heute: ab dem Zeitpunkt der Vernehmung der Angeklagten über ihre persönlichen Verhältnisse). Da dieses Stadium zu diesem Zeitpunkt noch nicht erreicht war, ist auch § 25 Abs. 2 StPO nicht anwendbar. Dies hätte auch keinen Vorteil gegenüber der hier anwendbaren Konzentrationsmaxime (Fn. 56) gebracht, sondern im Gegenteil die zeitlichen Vorgaben für Ablehnungen weiter verschärft.

[59] Dienstliche Äußerung des Vorsitzenden Dr. Prinzing nebst Anlage.

[60] Dienstliche Äußerung des Richters Dr. Foth.

[61] Dienstliche Äußerung des Richters Maier.

[62] Dienstliche Äußerung des Richters Dr. Berroth.

[63] Dienstliche Äußerung des Richters Dr. Breucker.

[64] Dienstliche Äußerung der Richter Aspacher, König und Jans.

[65] Verfügung: Frist zur Stellungnahme und voraussichtliche Fortsetzung der Hauptverhandlung.

[66] Stellungnahme des Angeklagten Raspe.

[67] Aktenvermerk über Fristverlängerungsantrag der Rechtsanwälte Dr. Heldmann, Schily und von Plottnitz.

[68] Verfügung: Ablehnung des Antrags auf Fristverlängerung.

[69] Stellungnahme des Rechtsanwalts Schily zu den dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter.

[70] Stellungnahme des Rechtsanwalts von Plottnitz zu den dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter.

[71] Stellungnahme des Rechtsanwalts Dr. Heldmann zu den dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter.


[a] Maschinell eingefügt: Der Vorsitzende fährt daraufhin mit der Verlesung der Beschlußgründe fort.

[b] Maschinell eingefügt: wiederholte

[c] Maschinell eingefügt: insgesamt

[d] Handschriftlich eingefügt: jetzt auch

[e] Handschriftlich ersetzt: die durch wie

[f] Handschriftlich ersetzt: deren durch ihren

[g] Handschriftlich ersetzt: es durch ist

[h] Handschriftlich eingefügt: also

[i] Handschriftlich ersetzt: weil durch wo er

[j] Handschriftlich ersetzt: Mähre durch Welle

[k] Handschriftlich eingefügt: des

[l] Handschriftlich ersetzt: So durch Sie

[m] Handschriftlich ersetzt: es durch aus

[n] Handschriftlich ersetzt: wie durch Sie

[o] Maschinell eingefügt: (Unruhe im Saal)

[p] Handschriftlich ersetzt: vorstellt durch quo stellt

[q] Handschriftlich ersetzt: zur durch für

[r] Maschinell eingefügt: viele

[s] Handschriftlich eingefügt: bei

[t] Handschriftlich eingefügt: tote

[u] Handschriftlich ersetzt: der durch den

[v] Handschriftlich ergänzt: Ablehnungsantrags

[w] Handschriftlich ersetzt: anstieß durch anschließt

[x] Handschriftlich ergänzt: Richters

[y] Handschriftlich ersetzt: aufzuhalten durch aufzuheizen

[z] Handschriftlich eingefügt: die

[aa] Handschriftlich ersetzt: repariert durch präpariert

[bb] Maschinell ergänzt: Vernichtung

[cc] Handschriftlich eingefügt: nicht

[dd] Maschinell eingefügt: und

[ee] Maschinell eingefügt: Augenblick.

[ff] Handschriftlich ersetzt: Ihnen durch hier nur

[gg] Handschriftlich ersetzt: die durch der

[hh] Handschriftlich ersetzt: zwecks durch von

[ii] Handschriftlich eingefügt: die

[jj] Handschriftlich eingefügt: daß

[kk] Handschriftlich eingefügt: einräumen

[ll] Handschriftlich durchgestrichen: wie

[mm] Handschriftlich ersetzt: Fauser durch ...

[nn] Handschriftlich ersetzt: nonsiert durch zensiert

[oo] Handschriftlich durchgestrichen: Das

[pp] Handschriftlich durchgestrichen: Herrn

[qq] Maschinell eingefügt: getroffene

[rr] Handschriftlich ersetzt: um distanziert durch undistanziert

[ss] Handschriftlich durchgestrichen: zu

[tt] Handschriftlich durchgestrichen: vorzubetragen

[uu] Handschriftlich eingefügt: nach

[vv] Maschinell eingefügt: der

[ww] Handschriftlich ersetzt: gewissen durch gewinnen

[xx] Handschriftlich ersetzt: geholt durch überholt

[yy] Maschinell eingefügt: zu

[zz] Maschinell durchgestrichen: liegt

[aaa] Handschriftlich durchgestrichen: im