[10622] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 20. Juli 1976, um 9.04 Uhr.
(128. Verhandlungstag)
Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am ersten Verhandlungstag.
Als Urkundsbeamte sind anwesend:
Just. Ass. Clemens,
Just. Ass. z. A. Scholze
Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]
Als deren Verteidiger sind erschienen:
RAe Dr. Heldmann, Geulen (als Vertreter von RA Schily), Dr. Hoffmann, Dr. Augst (als amtlich bestellter Vertreter von RA Eggler), Künzel, Schnabel, Schwarz, Schlaegel u. Grigat.
Vors.:
Ich bitte, Platz zu nehmen.
Wir können mit der Sitzung fortfahren:
Herr RA Eggler wird durch Herrn RA Dr. Augst vertreten; die Vertretung wird genehmigt. Es liegt ja im Augenblick keine amtliche Bestellung[2] vor.[3]
RA Dr. Augst:
Die kommt erst noch.
Vors.:
Gut, dann wird die Vertretung ausdrücklich genehmigt.
Es ist zunächst Gelegenheit gegeben, wie am Schluß der letzte Sitzung angekündigt, sich gem. § 257 StPO[4] zur Aussage des Zeugen Müller zu äußern.
Die B. Anwaltschaft hat schon gemeldet, daß sie sich äußern wolle. Herr RA Geulen.
RA Geu[len]:
Herr Vorsitzender, ich habe einen Antrag zu stellen, und zwar einen unaufschiebbaren Antrag - ich möchte ihn jetzt verlesen gerne -.
In der Strafsache gegen Baader u.a. (hier gegen Gudrun Ensslin) ...
BA Dr. Wu[nder]:
Herr Vorsitzender, ...
RA Geu[len]:
Es ist ein Ablehnungsantrag.[5]
BA Dr. Wu[nder]:
... die Vernehmung des Zeugen Müller ist abgeschlossen ...
RA Geu[len]:
Es ist ein Ablehnungsantrag, Herr Bundesanwalt.
[10623] BA Dr. Wu[nder]:
... und wir haben jetzt ein Recht, unsere Erklärung abzugeben.
Vors.:
Es ist ein Ablehnungsantrag.
Wenn wir abgelehnt oder jemand abgelehnt ist, können wir Ihre Erklärung nicht anhören;[6] deswegen ist es in der Tat so, daß er Vorrang hat.
RA Geulen verliest nunmehr den aus Anl. 1 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrag, der anschließend übergeben und dem Protokoll beigefügt ist.
Die Verlesung wird auf Seite 3 - nach dem 2. Absatz - des Antrags vom Vorsitzenden wie folgt unterbrochen:
Vors.:
Herr RA Geulen, verzeihen Sie, wenn ich drauf hinweise: Soweit ich mich erinnern kann, hieß es „der Belehrung“ nicht „der Beratung“. Völlig eindeutig, daß das Gericht keine Beratung mit einem Zeugen pflegt.
RA Geu[len]:
Ich möchte zunächst mal die Begründung vortragen und kann nur das wiedergeben, was von uns in der Verhandlung vernommen worden ist. Sie können ja dann in der dienstlichen Erklärung, Herr Vorsitzender Richter, vor allem das, was der wesentliche Punkt dieses Ablehnungsgesuches ist, nämlich nicht nur das, was in der Hauptverhandlung gesagt worden ist, sondern das, was eben zwischen dem 13. und 14. Juli stattgefunden hat und insbesondere die Kenntnis, die Sie davon gehabt haben; das ist der Hintergrund dieses Ablehnungsgesuches.
RA Geulen setzt nunmehr die Verlesung des aus Anlage 1 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrags bis zum Ende fort.
Vors.:
Herr RA Dr. Heldmann.
RA Dr. He[ldmann]:
Herr Baader lehnt den Vorsitzenden Richter Dr. Prinzing wegen der Besorgnis der Befangenheit ab
mit folgender Begründung:
Der abgelehnte Richter hat in der Hauptverhandlung am 15.7.76 seine Prozeßleitungsbefugnis fortgesetzt dazu genutzt, den von der B. Anwaltschaft benannten Zeugen Gerhard Müller[7] gegen die Befragung durch die Verteidigung abzuschirmen. Durch die Art, wie er das getan hat, hat er den Zeugen zu aggressiver Abwehr gegenüber der Verteidigerbefragung stimuliert und hierdurch [10624-10627][8] [10628] provozierte Ausfälligkeiten dieses Zeugen bis hin zur Formalbeleidigung akzeptiert.
Nachdem sozusagen einleitend Herr OStA Zeis die Zeugenbefragung durch RA Schily als ein Pläuschchen mit dem Zeugen bezeichnen durfte, durfte ungerügt, von gelegentlich freundväterlichem Zuspruch abgesehen, der Zeuge Müller z. B. einem Verteidiger antworten:
1. Das geht sie gar nichts an;
2. das ist eine Unverschämtheit;
ferner:
Die Antwort des Zeugen auf eine Verteidigerfrage, nämlich:
„Sie unterstellen mir Ihre infame Methode“ hat den abgelehnten Richter erst einmal bewogen, den Verteidiger zu rügen.
Auf den Zuruf des Zeugen an einen anderen Verteidiger:
„Halten Sie den Mund“ hat der abgelehnte Richter den Verteidiger gerügt.
Auf Vorhalt und Frage von mir selbst hat u. a. der abgelehnte Richter, nachdem er vorangegangen schon wiederholt Fragen der Verteidigung durch unbegründete Interventionen zerstört hatte, wie folgt interveniert:
a) mit der Frage, aus welchem Protokoll der Vorhalt stamme, als ob es eine Vorschrift gebe, die gebietet, einen Vorhalt nach einer Fundstelle zu datieren;
b) nach meinem Quellenhinweis auf eigene Mitschrift zweifelt unsubstantiiert der abgelehnte Richter die Zuverlässigkeit dieser Mitschrift an;
c) folgt hinsichtlich der Frage, nicht also des Vorhalts der abgelehnte Richter einmal mehr einer Polemik ohne Worterteilung der B. Anwaltschaft: Der Verteidiger kenne wohl die Akten nicht, um den Verteidiger auf das Protokoll - hinsichtlich der Frage, nicht des Vorhalts - der polizeilichen Vernehmung hinzuweisen, woraus eben der Verteidiger seine Frage bezogen hatte;
[10629] d) alsdann liest der abgelehnte Richter dem Zeugen den einschlägigen Passus von Bl. 7 des Protokolls der polizeilichen Vernehmung vom 31.3.1976 vor, um alsdann den Zeugen selbst zu befragen, ob er das gesagt habe, mit der zu erwartenden Antwort und der offenbar erwarteten Antwort: Ja.
Wiederholt hat der abgelehnte Richter dem Zeugen empfohlen, ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO[9] zu gebrauchen, als ob er gewußt hätte, was alles der Zeuge zu verbergen hat; als ob er angestrebt hätte, die Unglaubwürdigkeit dieses Zeugen nicht zutage treten zu lassen.
Nachdem der abgelehnte Richter über vier Tage hinweg zu verschiedenen handgreiflichen Falschaussagen des Zeugen geschwiegen hatte, hat er am Ende der Beweisaufnahme vom 15.7.76 einem Verteidiger vorgehalten, er bezweifle dessen Erklärung, daß dieser seine Zeugenbefragung schon konzipiert hätte.
Nach all dem muß mein Mandant die Befangenheit des abgelehnten Richters besorgen, den Mangel nämlich an Neutralität und Distanz gegenüber bestimmten Verfahrensbeteiligten.
Diese Ablehnung ist unverzüglich,[10] weil maßgebend derjenige Zeitpunkt ist, in welchem der Ablehnungsberechtigte die Ablehnungstatsachen selbst erfährt. Das aber war hier nicht vor Ende der Hauptverhandlung am 17.5. möglich, die um ca. 18.30 Uhr geschlossen worden ist.
Glaubhaftmachung:[11]
a) Sitzungsprotokoll;
b) dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters.
Vors.:
Herr RA Dr. Hoffmann.
RA Dr. Ho[ffmann]:
Ich schließe mich für Jan-Carl Raspe den Anträgen meiner Kollegen Geulen und Heldmann an und mache mir ihre Begründung zu eigen.
Vors.:
Will sich sonst noch ein Verteidiger dazu äußern? Ich sehe nicht.
Die B. Anwaltschaft?
Bitte schön, Herr B. Anwalt Widera.
[10630] Reg. Dir. Wi[dera]:
Ich beantrage für die Bundesanwaltschaft,
die Ablehnungsgesuche als unzulässig zu verwerfen.
Sie sind verspätet und dienen offensichtlich nur dazu, das Verfahren zu verschleppen oder verfahrensfremde Zwecke zu verfolgen.[12]
Ich beginne gleich mit dem, was Herr RA Dr. Heldmann zuletzt ausgeführt hat:
Es ist in der Konsequenz natürlich unrichtig; denn es wäre ein Leichtes gewesen für die Verteidiger, wenn sie meinten, Ablehnungsgründe gegen den Vorsitzenden Richter lägen vor, eine Unterbrechung zu erbitten und sich mit den Mandanten darüber zu unterhalten, ihnen die Tatsachen zu berichten.
Im übrigen:
Was hätte es eigentlich gehindert, einen solchen Antrag am Freitag letzter Woche oder am Montag dieser Woche zu stellen? Schon deshalb muß meines Erachtens das ... müssen die Gesuche als unzulässig verworfen werden.
Im übrigen kann man nur fragen, wenn man an die Ausführungen des RA Geulen denkt, die er grade gemacht hat: Was kann eigentlich der Vorsitzende dafür, wenn ein Zeuge zunächst einmal die Wahrheit nicht sagt?
Und zu dem weiteren Punkt, zu den Fragen nämlich, die nicht zugelassen wurden, weil sie Anwaltsgespräche berühren: Da hat doch noch jeder im Ohr, mit welch eingehendem Beschluß der Senat diese Fragen nicht zugelassen hat. Diese eingehende Begründung wird doch wohl deutlich gemacht haben, daß hier nicht der geringste Anhaltspunkt für Voreingenommenheit zu erkennen ist; und daß der Vorsitzende auf den Zeugen Müller Einfluß genommen hätte. Auch dafür ist überhaupt kein Anhalt. Es waren notwendige Vorhalte, die der Herr Vorsitzende gemacht hat. Und wenn gesagt wurde, es sei überhaupt nicht zu erkennen gewesen der Grund dafür, warum der Zeuge Müller seine Aussage berichtigt habe - ganz davon abgesehen, daß der Zeuge Müller selber den Grund genannt hat - war auch so für jeden deutlich erkennbar - der lag gradezu auf der Hand, und der Zeuge Müller hat ihn nochmals gesagt: Er habe zunächst einmal Angst gehabt, daß er sich selbst belasten könne und anhand der [10631] Vorhalte habe er dann Anlaß gehabt, in der Nacht darüber nachzudenken, und deshalb habe er am nächsten Tage dann seine Aussage in diesen beiden Punkten, die genannt wurden, berichtigt. Soweit die Ausführungen des RA Heldmann.
Über diesen Themenkreis hinausgehend kann ich nur sagen: Auf diese Ausführungen ist es wirklich nicht notwendig einzugehen. Herr RA Heldmann hat in der von ihm seit langem bekannten Art sich einmal mehr darum bemüht, in übler Weise die Tatsachen zu verdrehen. Und ich kann mich - und das will ich abschließend sagen - des Eindrucks nicht erwehren, die Verteidigung habe nichts Sachliches mehr zu bieten und will offenbar hier die Zeit damit totschlagen, solche echt unsinnigen Anträge vorzutragen.
Vors.:
In einer Viertelstunde bitte ich die Beteiligten wieder ... Ja ich bitte auch bei Ihnen, Herr Dr. Heldmann, das, wenn es schriftlich vorliegt, sofort zu übergeben.
RA Dr. He[ldmann]:
Liegt nicht vor.
Vors.:
Liegt nicht vor; dann müssen wir es vom Protokoll holen. Ich bitte in einer Viertelstunde die Prozeßbeteiligten wieder anwesend zu sein. Es wird dann bekanntgegeben, wie es weitergeht.
Pause von 9.21 Uhr bis 10.31 Uhr
Ende von Band 615
[10631a][13] [10632] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 10.31 Uhr
Vors.:
Es ist folgender Beschluß gefasst worden:
Der Vorsitzende verliest nunmehr den Beschluß aus Anlage 2 zum Protokoll.
Der Beschluß ist dem Protokoll als Anlage 2 beigefügt.
Es folgen die Unterschriften der drei beteiligten Richter.
Es ist ein Schreiben beim Senat eingegangen, wonach Herr Professor Azzola Frau Ensslin nicht mehr vertritt. Frau Ensslin hat das mitgeteilt.
Siehe Anlage 3 zum Protokoll.
Damit kann ich jetzt der Bundesanwaltschaft, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, das Wort zur Erklärung gem. § 257 StPO erteilen.
BA Dr. Wu[nder]:
Die Bundesanwaltschaft hat den wegen Beteiligung an der den Angeklagten zur Last gelegten Taten bereits abgeurteilten Gerhard Müller[14] in diesem Verfahren als Zeugen benannt, weil bekanntgeworden war, daß er sich nicht mehr zur Gruppe um Baader und Ensslin zählt und aussagebereit ist. Wir waren dazu verpflichtet, um die Aktivitäten der Angeklagten, nun nicht zuletzt auch die weitgehend noch[a] im Dunkeln gebliebenen Gruppeninternas, aufzuklären. Welche Konsequenzen sich aus den Bekundungen des Zeugen für die Angeklagten ergeben, ist Sache der Beweiswürdigung im Plädoyer. In dieser Erklärung soll nur folgendes gesagt werden: Jeder an ein und derselben Tat Beteiligte, vor allem aber der noch nicht rechtskräftig[15] Abgeurteilte, wie hier der Zeuge Gerhard Müller, befindet sich objektiv und subjektiv in einer schwierigen Situation, wenn er als Zeuge auszusagen hat.
Müller ist dialektisch nicht geschult, aber er hat bis auf Ausnahmen, wo er sich verständlicherweise nicht bloßstellen wollte, aber auch nicht bloßstellen lassen wollte und deshalb die Aussage verweigert hat, erkennbar offen ausgesagt, und sich dabei teilweise selbst erneut belastet.
Ich verwahre mich mit Nachdruck gegen den Vorwurf, Müller sei von Angehörigen der Bundesanwaltschaft oder des Bundeskriminalamtes gekauft, umgedreht oder wie es außerhalb der Sitzung von der Seite der [10633] gewählten Verteidiger[16] zu hören war, einer sogenannten Gehirnwäsche unterzogen worden. Das sind ebenso haltlose, wie im Ergebnis auch törichte Behauptungen. Für diese Version kann aber schon gar nicht ein im Frühjahr 1973 mit Müller über eine Reihe von Haftbeschwerden geführtes Gespräch herhalten. Obwohl Müller zweifellos schuldbeladen ist, halte ich ihn für glaubwürdig. Es gab meines Erachtens lediglich einen Punkt, wo in diesen tagedauernden Vernehmungen Müller zuerst bewußt die Unwahrheit gesagt hat, bis er sich dann am nächsten Sitzungstag korrigierte; das war das Problem um Harry.[17]
Hier aber muß man berücksichtigen und ihm zugutehalten, daß ihn jene entscheidende Frage des Vorsitzenden, die zwar den Tag über im Raume stand, nach 6stündiger Vernehmung, abends gegen 17.00 Uhr überrascht haben dürfte. Das alles kann aber dahinstehen, denn auszugehen ist davon, daß sich Müller letztlich auch in diesem Punkt zur Wahrheit bekannt hat.
Ich bin somit der Auffassung, daß der Zeuge diese für ihn sehr schwierige Situation hier in diesem Verfahren bestanden hat. Wenn ich ihn für glaubwürdig halte, so ist damit zur Gesamtpersönlichkeit Müllers, wenn man diese auf Jahre zurückblättern wollte, nichts gesagt und nichts zu sagen. Hier geht es allein um seine, in diesem Verfahren gemachten Zeugenaussagen und der damit im Zusammenhang stehenden Glaubwürdigkeit; das sei ausdrücklich betont. Dennoch aber muß bemerkt werden, daß es nicht das erste Mal wäre, wenn sich ein Saulus zu einem Paulus bekehrt. Und in einem Rechtsstaat, der sich der Resozialisierung verschrieben hat, sollte derartiges nicht als ungewöhnlich angeprangert werden.
Nur am Rande sei noch bemerkt, weil es interessant ist - es soll und darf uns ... darf für uns nicht entscheidend sein -, daß dieser Eindruck über die Glaubwürdigkeit, wie deutlich wurde von zahlreichen Vertretern namhafter Organe, von Presse, Rundfunk und Fernsehen, die diese Vernehmungen verfolgt haben, geteilt wird. Schon grundsätzlich verdient jemand, der sich aus den Klauen einer kriminellen Vereinigung befreit, eben weil er im Gegensatz zu anderen mit seiner bisherigen Lebensweise Schluß macht, ein gewisses Verständnis, wenn nicht sogar Respekt. Dies hier umso mehr, weil Müller auch den Mut gezeigt hat, die Gruppe so darzustellen, als das darzustellen, was sie, jedenfalls in seinen Augen, war und verfolgt hat. Seine Bekundungen fügen sich nahtlos in das hier seit Mai vergangenen Jahres gebotene Bild. Sie sind logisch, weil sie durch eine Vielzahl anderer Be- [10634-10635][18] [10636][19] [10637] weismittel, unter anderem die ihm vorgelegten Asservate und deren Beziehung zu den einzelnen Taten, erhärtet werden. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, daß der Zeuge Müller die Angeklagten zu Unrecht belastet, denn Versprechungen, illegale Zusagen oder dergleichen, vor allem in der Richtung, daß er Vorteile in seiner Strafsache erwarten darf, sind nicht gemacht worden, von keiner Seite. Auch die Tatsache, daß er sich nicht mehr zu Baader, Ensslin und Raspe bekennt, stellt keinen ernstzunehmenden Grund dafür dar, zu Unrecht die sogenannte RAF zu belasten. Daß die Verteidigung[b] Anstrengungen unternimmt den Zeugen auf seine Glaubwürdigkeit hin zu durchleuchten, ist nicht nur ihr gutes Recht, es ist auch ihre Pflicht. Nur waren fast alle Fragen kaum dazu bestimmt, noch mangels Sachbezogenheit überhaupt dafür geeignet, etwas zur Frage der Glaubwürdigkeit des Zeugen hier in diesem Verfahren herzugeben. In einigen Fällen wurde dies besonders deutlich, wo offensichtlich in die Persönlichkeit des Zeugen, in seine private Sphäre gezielt werden sollte. Es fiel übrigens auf, daß die Angeklagten an allen diesen Tagen dem Zeugen Müller nicht gegenübertreten wollten. Ebenso, wie Sie[c] sich grundsätzlich gescheut haben, an jenen Tagen hier im Sitzungssaal zu erscheinen, an denen ihre Opfer, die Verletzten bei den 6 Sprengstoffanschlägen vernommen worden sind. Anscheinend gibt es auch bei ihnen entweder noch das schlechte Gewissen oder vielleicht die Angst, Müller, von dem sie sich doch am Nerv getroffen fühlen müssen, könnte gerade durch ihre Anwesenheit an noch mehr erinnert werden.
Die Anklagevertretung hält Müller für einen Glauben verdienenden Zeuge, danke.
Vors.:
Nunmehr haben die Herren[d] Verteidiger die Möglichkeit; die Reihenfolge mögen die Herren selbst [e] bestimmen.
Herr Dr. Heldmann.
RA Dr. He[ldmann]:
Der Herr Bundesanwalt Dr. Wunder hat gesagt, Müller sei als Zeuge benannt worden, weil bekanntgeworden sei, daß er nicht mehr zur Gruppe gehöre. Die Verteidigung hat in der Beweisaufnahme bereits angedeutet, zum Teil durch Vorhalt, nämlich belegt, daß die Bemühungen der Ermittlungsbehörden, Müller als Zeugen zu gewinnen, bereits sogleich nach seiner Verhaftung begonnen haben - und wie wir jetzt wissen - erfolgreich geworden sind.
Der Herr Bundesanwalt hat gesagt, nur einer Falschaussage sei der Zeuge Müller überführt worden in dieser Hauptverhandlung, nämlich seiner Angabe ... seinen Angaben über Harry und Hardy, sie sind all- [10638] gemein bekannt. Die Verteidigung meint sagen zu können, die Tonbandprotokolle, die wohl dem Gericht, wie ich vorhin gehört habe, vorliegen, nicht jedoch der Verteidigung, werden erweisen, daß Müller eine Fülle von Falschaussagen hier gemacht hat.
3. Die Glaubwürdigkeit Müllers insbesondere wird Gegenstand von, unter anderem Gegenstand von Beweisanträgen der Verteidigung werden.
4. Es ist zumindest, wobei ich unterstelle, daß nicht die Ausführungen des Herrn Bundesanwalts über die Abwesenheit der Gefangenen in dieser Hauptverhandlung während jener[f] Beweisaufnahme polemisch gemeint waren, zumindest eine Fehleinschätzung hier zu behaupten, sie hätten sich gescheut, Müller gegenüberzutreten. Ich denke dem Herrn Bundesanwalt wird nicht entgangen sein, daß einer ganz kurzen Ausnahme von wenigen Minuten, seit dem Tod von Ulrike Meinhof,[20] die Gefangenen diese Hauptverhandlung nicht mehr betreten haben.
Nächster Punkt. Die Verteidigung hält die Aussagen des Gerhard Müller als Zeugen in dieser Hauptverhandlung für unverwertbar, weil sie nach Methoden zustande gekommen sind, welche § 136a der Strafprozeßordnung[21] verbietet. Das Vorgehen der Bundesanwaltschaft mit diesem Zeugen entspricht dem hemmungslosen Sprachstil, welchen vorhin Herr Regierungsdirektor Widera hier demonstriert hat.
Und eine letzte Bemerkung. Unbewusst und ungewollt hat Herr Müller als Zeuge in der Hauptverhandlung einmal die Wahrheit gesagt. Auf Frage von Herrn Schily nach den Auswirkungen der Isolation auf ihn hat Müller geantwortet: „Sie sehen mich doch hier“.
Vors.:
Sonstige Erklärungen nach § 257 StPO?
Herr Rechtsanwalt Künzel, bitte?
RA Kün[zel]:
Die Vorstellung, daß hier ein Zeuge zum wichtigsten Belastungszeugen der Anklagebehörde wird, ist bedrückend, wenn in Betracht gezogen wird, daß vieles dafürspricht, daß dieser Zeuge als Mittäter auf der Anklagebank in diesem Gerichtssaal sitzen könnte oder sitzen müßte. Nichtwahr, derjenige, der nun, wie wir wissen, mit Hoff zusammen die Bomben abgekühlt hat, die dann in Frankfurt kurze Zeit später hochgehen[g] und der nun die Zutaten zu diesen Bomben besorgt hat, ist doch eigentlich Mittäter. Es stellt sich bei dieser Situation, bei dieser Vermutung, der wir uns nicht entziehen können, mit aller Schärfe die Frage, ob die Angaben dieses Zeugen verwertbar sind, ob nicht die Anwendung des § 136a Strafprozeßordnung der Verwertung dieser Angaben entgegensteht. Das Unbehagen ver- [10639] dichtet sich ja, wenn man nun weiß, daß der Zeuge gerade zu dem Zeitpunkt hier eingeführt wurde, als jedenfalls seine Strafsache einen Stand erreicht hatte, die eine Verschlechterung seiner Position aus Rechtsgründen wohl nicht mehr befürchten lässt.[22]
Nun ist zu Beginn der Vernehmung des Zeugen Müller von der Verteidigung gebeten worden, daß weitere Akten beigezogen werden, damit von Anfang an bei der Vernehmung die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen überprüft werden kann. Unter dem Gesichtspunkt der Frage der Verwertbarkeit seiner Angaben greife ich diese Anregung erneut auf und meine, daß im Wege des Freibeweises[23] zu klären ist, ob hier Zugeständnisse gemacht wurden, die eine Verwertung ausschließen. In diesem Zusammenhang wäre daran zu denken, im Wege des Freibeweises genügt wohl eine Beweisanregung,[24] wäre dann zu denken, daß die Akten beizuziehen sind, die vor dieser Vernehmung hier gemacht wurden. Es ist ursprünglich [h] gesagt worden, die Vertrauenswürdigkeit der Anklagebehörde gibt eine gewisse Gewähr dafür, daß weitere Akten, als die, die wir haben, nicht existieren. Nun kommt man dazu, daß dieses Vertrauen vielleicht doch nicht gerechtfertigt ist. Wenn man 240 Aktenblätter liest, von Kriminalbeamten aufgenommen, in welchen nun nicht einmal die Frage gestellt wird, ob der Zeuge Müller „Harry“ sei[i], ist mir völlig unverständlich. Eine solche Vernehmung... Vernehmungsprotokolle müssen doch den Verdacht erwecken, daß sie jedenfalls nicht vollständig ist. Es ist schlechterdings nicht denkbar, daß die vernehmenden Beamten die Problematik „Harry“ nicht gekannt haben sollten. Ich meine deshalb, daß das einer Beiziehung der Akten, die es von diesem Zeugen gibt, eine Beiziehung der Akten über die Tötung des Polizeibeamten Schmid[25] Aufschluß geben könnten, ob - im Wege des Freibeweises - ob hier Zusagen gemacht wurden. Und ich meine auch, daß man die Beamten, Stellmacher, Freimuth, Feuerhahn, Habekost, die Müller vernommen haben, hier[j] hören sollten. Die Beamten wußten - müssen es gewußt haben -, was es mit „Harry“ auf sich hat, und haben offenbar die Fragen in dieser Richtung ausgeklammert, weil man das nicht wollte, offenbar, weil dann[k] dieser Zeuge von Anfang an hier als Zeuge hätte gar nicht auftreten können, sondern sich allenfalls als Mittäter hier verantworten müssen. Dankeschön.
Vors.:
So, das war wohl eine Kombination schon zwischen [§ ]257[ StPO] und dieser Beweisanregung. Das kann, wenn keine weiteren Wortmeldungen mehr zu § 257[ StPO] erfolgen,- ich sehe nicht -, dazu überleiten, daß jetzt die [10640] angekündigten Beweisanträge gestellt werden können.
Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, bitte.
RA Dr. He[ldmann]:
Herr Vorsitzender Richter, wir würden es begrüßen, wenn wir diese Beweisanträge zurückstellen könnten, bis uns die Tonbandprotokolle, die Wortprotokolle der 4-tägigen Vernehmungen[l] des Herrn Müller vorliegen. Es wäre dienlich, diese Protokolle zu haben, damit die Beweisthemen präzise formuliert werden können.
Vors.:
Nun, Sie kennen ja den Ablauf. Sie haben vorhin erwähnt, das Gericht sei im Besitz von den Protokollen, Sie[m] aber nicht, wie wenn das etwas Erstaunliches wäre, das ist etwas ganz Selbstverständliches; das Gericht muß die ja[n] vorher durchlesen, bevor die dann verbreitet werden. Sie können sich also weiß Gott nicht beschweren, was die Tonbandprotokolle anlangt.
RA Dr. He[ldmann]:
Habe ich mich beschwert?
Vors.:
Sie kennen den Weg der Dinge. Ich weiß nicht, wie weit wir sind; wir werden wahrscheinlich diese Protokolle zum wesentlichen Teil noch heute oder spätestens morgen ausgeben können. Ich würde doch Wert darauf legen, daß Beweisanträge schon vorher gestellt[o] werden. Ich glaube nicht, daß Sie davon abhängig sind, daß Sie die Protokolle selbst haben, denn das Gericht hat, mit Ausnahme von wenigen Dingen, die noch zu erledigen sind, kein Beweisprogramm mehr. Schon aus dieser Sicht könnte die Beweisaufnahme in kürzester Frist geschlossen werden und mit den Plädoyers begonnen werden. Und wir haben es ja mit Ihnen besprochen, daß heute die Sitzung dazu dienen solle - Sie haben es schon angekündigt - Anträge zu stellen. Sie konnten dabei schlechterdings nicht davon ausgehen, daß Ihnen, nach den bereits gemachten Erfahrungen, die Tonbandprotokolle heute schon vollständig zur Verfügung stehen könnten.
RA Dr. He[ldmann]:
Herr Vorsitzender, wir haben selbstverständlich die Beweisanträge, von denen ich vorhin gesprochen habe, die haben wir wohl vorbereitet. Aber wir haben in jedem Beweisantrag den Vorbehalt gemacht, hinsichtlich Kenntnisnahme der Wortprotokolle von dieser 4-tägigen Vernehmung, so daß also die Situation eintreten kann, daß Beweisanträge erweitert, ergänzt werden müssen. Das rationellere Verfahren erschien mir diesen Tag abzuwarten, bis die Protokolle vorliegen. Aber wir sind darauf, um die Anträge stellen zu können, jetzt nicht angewiesen.
Vors.:
Das wäre dann doch ein Kompromiss: ich würde dann doch bitten, diese bereits vorbereiteten Anträge zu stellen, unter dem genannten Vorbehalt.
[10641] RA Dr. He[ldmann]:
Dürften wir dann um eine Pause von 5 Minuten bitte, ja?
Vors.:
Ja. Machen wir gleich eine Viertelstunde Pause, dann haben Sie ausreichend Gelegenheit. 11.10 Uhr setzen wir dann die Sitzung fort.
Pause von 10.54 Uhr bis 11.16 Uhr
Bei Fortsetzung der Hauptverhandlung um 11.16 Uhr ist Rechtsanwalt Schily nunmehr auch anwesend.
Vors.:
Wir können die Sitzung fortsetzen.
Ich bitte jetzt um die Antragstellung.
Herr Rechtsanwalt Schily.
Rechtsanwalt Schily verliest nunmehr den aus Anlage 4 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrag, der anschließend übergeben und dem Protokoll beigefügt ist.
RA Schi[ly]:
Ich darf das noch erläutern. Der Senat hat ja bereits in einem früheren Beschluß den Antrag auf Vernehmung der Zeugin Schiller zurückgewiesen. Die Prozeßsituation ist aber jetzt eine andere, nachdem der Zeuge Müller ausdrücklich erklärt hat, er habe den Polizeibeamten Norbert Schmidt nicht erschossen; das ist Bestandteil seiner Aussage, und insofern hat der Antrag dann eine neue Bedeutung.
Rechtsanwalt Schily verliest nunmehr den aus Anlage 5 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrag, der anschließend übergeben wurde und dem Protokoll beigefügt ist.
Rechtsanwalt Schily verliest nunmehr den aus Anlage 6 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrag, der anschließend übergeben wurde und dem Protokoll beigefügt ist.
[10642] Rechtsanwalt Schily verliest nunmehr den aus Anlage 7 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrag, der anschließend übergeben wurde und dem Protokoll beigefügt ist.
Diese Zitate sind in dem[p] Beweisantrag, dessen Verlesung beantragt wird, ausdrücklich als Behauptungen des Zeugen Müller gekennzeichnet.
Rechtsanwalt Schily verliest nunmehr den aus Anlage 8 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrag, der anschließend übergeben wurde und dem Protokoll beigefügt ist.
Rechtsanwalt Schily verliest nunmehr den aus Anlage 9 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrag, der anschließend übergeben wurde und dem Protokoll beigefügt ist.
Rechtsanwalt Schily verliest nunmehr den aus Anlage 10 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrag, der anschließend übergeben wurde und dem Protokoll beigefügt ist.
Soweit das Zitat aus diesem Beschluß, dessen Verlesung beantragt wird.
Und schließlich wiederhole ich den Antrag
auf Beiziehung der Akten der Bundesanwaltschaft 1 BJs 7/76.
und ... mit dem zusätzlichen Antrag
den Prozeßbeteiligten nach Beiziehung dieser Akten Gelegenheit zur Akteneinsicht zu geben.
Wir haben aus der Aussage des Zeugen Müller erfahren, daß die Vernehmung, die diese Akte enthält, sich ausdrücklich auf die Vorgänge bezogen hat, die hier Gegenstand der Anklage sind durch eine künstliche Aktentrennung. Es handelt sich also in Wahrheit bei diesem sogenannten Verfahren gegen Unbekannt um einen Aktenbestandteil [10643][26] [10644][27] [10645-10646][28] [10647][29] [10648][30] [10649-10650][31] [10651-10652][32] [10653-10654][33] [10655] dieses Verfahrens; eine künstliche Aktentrennung ist nicht zulässig. Das Gericht hat daher Anlaß, diese Akten zu diesem Verfahren hinzuzuziehen und den Prozeßbeteiligten über den vollen Inhalt der Akten Aufklärung zu geben.
Vors.:
Sind weitere Anträge, die gestellt werden sollen?
RA Hoff[mann]:
Ja.
Vors.:
Herr Rechtsanwalt Dr.[q] Hoffmann.
RA Hoff[mann]:
Rechtsanwalt Hoffmann verliest nunmehr den aus Anlage 11 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrag, der anschließend übergeben wurde und dem Protokoll beigefügt ist.
Rechtsanwalt Hoffmann verliest nunmehr den aus Anlage 12 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrag, der anschließend übergeben wurde und dem Protokoll beigefügt ist.
Vors.:
Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.
RA Dr. He[ldmann]:
Rechtsanwalt Dr. Heldmann verliest nunmehr den aus Anlage 13 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrag, der anschließend übergeben wurde und dem Protokoll beigefügt ist.
Erweiterungen und Präzisierungen dieses Beweisantrags ist erst nach Vorliegen der Protokolle über die Aussagen des Zeugen Müller in der Hauptverhandlung möglich: und dieser Vorbehalt gilt nunmehr für alle weiteren Beweisanträge, soweit sie die Benennung von Anwälten als Zeugen betreffen.
Rechtsanwalt Dr. Heldmann verliest nunmehr den aus Anlage 14 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrag, der anschließend übergeben wurde und dem Protokoll beigefügt ist.
[10656] Rechtsanwalt Dr. Heldmann verliest nunmehr den aus Anlage 15 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrag, der anschließend übergeben und dem Protokoll beigefügt ist.
Rechtsanwalt Dr. Heldmann verliest nunmehr den aus Anlage 16 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrag, der anschließend übergeben wurde und dem Protokoll beigefügt ist.
Rechtsanwalt Dr. Heldmann verliest nunmehr den aus Anlage 17 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrag, der anschließend übergeben wurde und dem Protokoll beigefügt ist.
Rechtsanwalt Dr. Heldmann verliest nunmehr den aus Anlage 18 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrag, der anschließend übergeben wurde und dem Protokoll beigefügt ist.
Antrag:
Rechtsanwältin Marlies Becker als Zeugen zu vernehmen.
Die Zeugin wird bekunden, daß sie entgegen der Aussage Müllers nicht Informationen von den Gefangenen mittels Tonbandkassetten zusammengetragen hat,
2. daß sie entgegen den Aussagen Müllers Eberhard Becker keinerlei Informationen zum Aufbau einer neuen Gruppe vermittelt hat,
3. daß sie entgegen Müllers Aussagen nicht mit Müller darüber gesprochen hat, ob Sigi Hoffmann[34], als RAF-Aktivistin geeignet sei,
4. daß sie entgegen Müllers Aussagen keinen anderen Kontakt zu Mitglieder der sogenannten „Gruppe 4. 2.“[35] gehabt hat, als rein anwaltlichen.
Antrag:
Rechtsanwalt Jürgen Laubscher als Zeuge zu vernehmen.
Der Zeuge wird bekunden, 1. daß er entgegen der Aussage des Zeugen Gerhard Müller zu keiner Zeit einen Brief von Irmgard Möller an [10657-10658][36] [10659][37] [10660-10661][38] [10662-10663][39] [10664][40] [10665][41] [10666][42] [10667][43] [10668] einen Gefangenen weitergegeben hat,
2. daß Gerhard Müller ihm berichtet hat von seiner, Müllers Kontroverse mit seinem damaligen Verteidiger Ströbele, wobei Müller sich beklagt hat, Ströbele habe mit der Politik der Roten Armee Fraktion nichts im Sinne, wolle mit ihr nichts zu tun haben und daß[r] Müller vergeblich versucht hat, Ströbele von dieser Politik zu überzeugen.
Rechtsanwalt Dr. Heldmann verliest nunmehr den aus Anlage 19 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrag, der anschließend übergeben wurde und dem Protokoll beigefügt ist.
Vors.:
Danke. Sonstige Anträge?
Herr Rechtsanwalt Künzel, wie steht es mit diesem Antrag auf Anhörung eines Schußwaffensachverständigen? Können Sie heute dazu Stellung nehmen? Sie haben angedeutet, daß Sie sich in dieser Richtung noch Überlegungen machen wollen?
RA Kün[zel]:
Ja, ich halte den Antrag nicht aufrecht.
Vors.:
Wird zurückgenommen.
Sind sonstige Anträge, die gestellt werden sollen? Ich sehe nicht. Nun, wird sich[s] die Frage erheben, wie wir weiter verfahren. Die Bundesanwaltschaft wird zu diesen Anträgen Stellung nehmen wollen; das ist eine Fülle von Anträgen. Wir werden selbstverständlich bemüht sein, Ihnen sofort die Kopien zu vermitteln, die wir selbst dann bekommen haben.
Bis wann wären Sie im Stande, wenn Sie Stellung nehmen wollen dazu? Läßt sich das voraussehen?
Ich meine, wir können selbstverständlich davon ausgehen, daß wir die Sitzung morgen oder am Donnerstag fortsetzen, wobei allerdings ich den Vorbehalt machen muß, das eine oder andere Beweismittel, wenn dem sofort stattgegeben werden könnte, daß man das bereits am Donnerstag spätestens einführen würde.
Es ist so, ich schlage vor, daß wir uns um 14.00 Uhr im Saale wieder treffen; bis dahin werden wir mal ganz kurze Grobsicht machen, ob Beweisanträge gleich beschieden werden können, nämlich positiv, so daß wir unter Umständen dann gleich Vernehmungen und die Termine entsprechend bekannt geben könnten[t].
14.00 Uhr Fortsetzung.
Pause von 11.42 Uhr bis 14.04 Uhr
Ende Band 616
[10669-10670][44] [10671] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 14.04 Uhr.
RAe Schily, Dr. Heldmann und Schlaegel sind nicht mehr anwesend[u].
Vors.:
Wir setzen die Sitzung fort.
Herr RA Schlaegel hat sich entschuldigt für heute Nachmittag.
Herr RA Künzel.
RA Kü[nzel]:
Darf ich noch zwei Beweisanträge stellen? Ist es gestattet?
Vors.:
Bitte, ja.
RA Kü[nzel]:
... in das Wissen des Zeugen Hoff die Tatsachenbehauptung stellen, daß er bei seiner Begegnung im Gerichtssaal in Hamburg den Zeugen Müller nach, um es ... zu zitieren, Nase, Augen[v], Gesicht und Ohren wiederzuerkennen glaubte, daß ihn lediglich die andere Haartracht daran gehindert hat, die sichere Aussage zu machen, daß es sich bei dieser Person um Müller handelt.
RA Dr. Heldmann erscheint wieder um 14.05 Uhr im Sitzungssaal.
Ich nehme sodann Bezug auf die Angaben des Zeugen Müller, der gesagt hat, daß Frau Ensslin und wohl auch Herr Baader am 11. Mai 1972 die Möglichkeiten erkundet hätten, wie im IG-Farbenhochhaus[45] Bomben gelegt werden können. Sie seien dann gekommen, und Frau Ensslin hätte gesagt, daß die Bombe als Reisegepäck verpackt werden soll, weil dort eine Reisegesellschaft abgefertigt wurde.
Unter Bezugnahme auf diese Bekundung des Zeugen benenne ich zum Beweis dafür, daß am 11. Mai 1972 in der Zeit von 10.00 Uhr und 15.00 Uhr an der Stelle, an der abends dann die Reisegesellschaft abgefertigt wurde, in der Zeit - 10.00 Uhr, 15.00 Uhr - keine Reisegesellschaft abgefertigt wurde,
die Frau Hoser aus der Fa. Hotelplan in Frankfurt.
[10672] Und dann schließlich zum Beweis dafür, daß nach dem Schluß des Verhandlungstages ... nach dem Schluß der Verhandlung am 13.7.1976 und dem Beginn der Verhandlung am folgenden Tag, Kontakte zwischen Verfahrensbeteiligten, die nicht Verteidiger sind - den Herrn Vorsitzenden ausgenommen - und dem Vertreter des Zeugen Müller aufgenommen wurden. Zu diesen Kontakten kam es wegen der Aussageverweigerung des Zeugen Müller auf die Frage nach seiner Identität mit dem sog. „Harry“. Als Folge dieser Kontakte hat der Zeuge Müller von seinem Aussageverweigerungsrecht Abstand genommen und die Frage beantwortet.
Das war das Wesentliche.
Tatsache, Beweismittel: Zeugnis des RA Huth aus Bonn.
Vors.:
Also ich bin ausgenommen?
RA Kü[nzel]:
Sie sind ausgenommen.
Vors.:
Ich hab ja meine Erklärung bereits heute früh dazu abgegeben, und Sie ziehen die nicht in Zweifel. Das hoffe ich auch. Sind sonstige Anträge zu stellen? Wir haben ja jetzt eine Flut von Anträgen.
Dann darf ich zunächst fragen:
Ist die B. Anwaltschaft imstande, zu den heute früh gestellten Anträgen, vielleicht auch zu den jetzt gestellten Anträgen, sich zu äußern?
Herr B. Anwalt Holland.
OStA Ho[lland]:
Mit den am Vormittag beantragten Beweiserhebungen soll ganz offensichtlich die Glaubwürdigkeit des Zeugen Gerhard Müller erschüttert werden. Vorbehaltlich einer endgültigen Stellungnahme will die B. Anwaltschaft diesen beantragten Beweiserhebungen grundsätzlich dennoch nicht entgegentreten. Dies gilt allerdings nicht, soweit die Vernehmungen des Bundesministers der Justiz Dr. Vogel und des Generalbundesanwalts Buback beantragt werden. Insoweit können die erbetenen Vernehmungen durch die Einholung behördlicher Auskünfte ersetzt werden.[46]
Wie schon wiederholt dargelegt, besteht über die vorgelegten Teile der Ermittlungsakte 1 BJS 7/76 hinaus kein Anspruch auf Offenlegung weiterer Aktenteile dieses Verfahrens. Die Bundesanwaltschaft hat in diesem Zusammenhang schon wiederholt darauf hingewiesen, daß die Offenlegung weiterer Aktenteile des [10673] vorgenannten Verfahrens schon deshalb nicht in Betracht zu ziehen ist, weil hierdurch z. B. Fahndungskonzepte der Bundesanwaltschaft und der Polizei preisgegeben werden würden. Im übrigen sieht die B. Anwaltschaft dem Aufgebot an Mittätern und ihrer Gehilfen mit einiger Gelassenheit entgegen ... soweit in diesem Verfahren nichtverteidigende Rechtsanwälte als Zeugen benannt worden sind.
In diesem Zusammenhang sei bereits jetzt darauf hingewiesen, daß gegen diese Rechtsanwälte, mit Ausnahme von Herrn RA Laubscher, sämtlich straf-[47] oder ehrengerichtliche[48] Verfahren eingeleitet worden sind. In diesen Verfahren werden diesen benannten Rechtsanwälten, und zwar völlig unabhängig von der Aussage Gerhard Müllers, schwerste Verfehlungen gegen das Strafgesetzbuch und gegen berufliche Obliegenheiten zur Last gelegt.
Zu dem eben von RA Künzel vorgetragenen Beweisantrag soll evtl. erst später von der B. Anwaltschaft Stellung genommen werden.
Vors.:
Danke schön.
Dann erhebt sich jetzt die Frage, wie wir weiterverfahren. Zunächst einmal ist zu sagen:
Morgen wird keine Sitzung sein.
Wir wollen am Donnerstag die Sitzung durchführen; ich lade also alle Beteiligten auf
Donnerstag, 22.7.1976, 9.00 Uhr.
Es soll an diesem Tage zunächst mal aus dem angebotenen Beweisprogramm die Vernehmung der
Zeuginnen Schubert und Mohnhaupt
durchgeführt werden; sodann werden wir versuchen, die namentlich benannten Rechtsanwälte zu erreichen und sie auf diesen Tag auch vorladen. Ich kann im Augenblick natürlich nicht übersehen, inwieweit wir hier schon die Herrn Rechtsanwälte erreichen können und davon ausgehen können, daß sie uns am Donnerstag zur Verfügung stehen.
Also auf dieses Vernehmungsprogramm bitte ich die Herrn, sich einzustellen.
[10674] Wir werden im übrigen dann in der kommenden Woche ... Die Fortsetzung ist zunächst auf Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, wie besprochen, vorgesehen, wobei ich den Vorbehalt machen muß, daß zur Zeit ein festes Programm in der alten Form schlechterdings nicht mehr möglich ist - wir hängen von vielen Umständen, die außerhalb unserer Einflußsphäre liegen, ab -, daß also in der nächsten Woche an einem dieser Sitzungstage dann eine weitere und möglichst endgültige Entscheidung über die gestellten Anträge ergehen wird. Vorweggenommen sind die soeben genannten Zeugen, die wir am Donnerstag vernehmen wollen. Ich würde die B. Anwaltschaft bitten, daß sie zumindest die Frage der Aussagegenehmigung[49] betr. des Zeugen Generalbundesanwalt Buback klärt, ob es hier überhaupt sinnvoll ist, sich weiter um eine Behördenerklärung notfalls zu bemühen; wenn die Aussagegenehmigung nicht erteilt werden würde, wäre das ja für uns ein Hinweis, daß weitere Bemühungen unnötig wären.
Die Herrn Verteidiger, die die Beweisanträge gestellt haben, möchte ich bitten, daß sie die Adressen der Journalisten, die genannt worden sind, nachbringen. Es kann für die Entscheidung des Senats nicht ausreichen, wenn gesagt wird: Adressen zu ermitteln über die B. Anwaltschaft; sondern Sie müssen uns die Adressen entweder direkt benennen oder wenigstens die passenden Hinweise geben, die uns instand setzen, mit Erfolg Ladungen durchzuführen. Das gilt insbesondere auch für den Herrn Ruch, der als Zeuge hier benannt worden ist - das ist alles im Antrag des Herrn RA Schily. Ich bitte also, dafür zu sorgen, daß diese Adressen möglichst bald nachgeliefert werden, sonst sind ja die Folgen bei nicht vollständigen Beweisanträgen[50] klar. Auch für die Zeugin Roll, die sich auf freiem Fuß befindet, gilt das.
Damit ist die Sitzung für heute beendet.
Fortsetzung am Donnerstag um 9.00 Uhr.
Ende der Hauptverhandlung um 14.13 Uhr.
[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - Az.: 1 StE 1/74 - StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).
[2] Die amtliche Bestellung allgemeiner Vertreter/innen erfolgt nach § 53 BRAO in Fällen längerer Abwesenheit oder im Voraus für alle Verhinderungsfälle in einem bestimmten Zeitraum. Dem/der amtlich bestellten Vertreter/in stehen nach § 53 Abs. 7 BRAO die gleichen anwaltlichen Befugnisse wie der vertretenen Person zu.
[3] Die Bestellung von Pflichtverteidiger/innen erfolgt nur für die jeweils bestellte Person. Diese kann sich daher grundsätzlich weder durch unterbevollmächtigte, noch durch Rechtsanwält/innen derselben Sozietät vertreten lassen. Ausnahmsweise wird aber im Falle vorübergehender Verhinderung die Vertretung mit Zustimmung des/der Vorsitzenden für zulässig erachtet (KG, Beschl. v. 29.6.2005 - Az.: 5 Ws 164/05, NStZ-RR 2005, S. 327, 328). Anders ist die Situation im Falle einer amtlich bestellten Vertretung: Diese ist gemäß § 53 Abs. 7 BRAO befugt, überall dort aufzutreten, wo auch die vertretene Person als Prozessbevollmächtigte/r auftreten könnte. Die Vertretungsbefugnis besteht in diesem Fall auch unabhängig von der Zustimmung des/der Vorsitzenden (Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 9. Aufl. 2019, Rn. 3554 ff.; Schwärzer, in Weyland [Hrsg.], Bundesrechtsanwaltsordnung, 10. Aufl. 2020, § 53 Rn. 42a).
[4] Nach § 257 Abs. 1 StPO sollen Angeklagte u.a. nach jeder Zeugenvernehmung befragt werden, ob sie etwas dazu erklären wollen. Der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft ist hierzu auf Verlangen ebenfalls die Gelegenheit zu geben (§ 257 Abs. 2 StPO).
[5] Gemäß § 24 Abs. 1 StPO können Richter/innen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Die Ablehnung findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters/einer Richterin zu rechtfertigen (§ 24 Abs. 2 StPO).
[6] Eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit hatte nach damaliger Rechtslage zur Folge, dass der/die abgelehnte Richter/in vorläufig amtsunfähig wurde und damit ab dem Zeitpunkt der Ablehnung nicht mehr an Entscheidungen mitwirken durfte; eine Ausnahme galt nur für unaufschiebbare Handlungen (§ 29 StPO a.F.). Unaufschiebbar ist eine Handlung dann, wenn sie wegen ihrer Dringlichkeit nicht aufgeschoben werden kann, bis ein/e Ersatzrichter/in eintritt (BGH, Beschl. v. 3.4.2003 - Az.: 4 StR 506/02, BGHSt 48, S. 264, 265; BGH, Urteil vom 14.2.2002 - Az.: 4 StR 272/01, NStZ 2002, S. 429, 430). Nachdem zwischenzeitliche Gesetzesänderungen weitere Mitwirkungsmöglichkeiten u.a. bei in der Hauptverhandlung gestellten Ablehnungen ermöglichten, wurde das Verfahren nach einer Ablehnung durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10.12.2019 (BGBl. I, S. 2121) grundlegend neu geregelt. Nach § 29 Abs. 1 StPO sind zwar weiterhin nur unaufschiebbare Handlungen gestattet; die Hauptverhandlung wird aber nach § 29 Abs. 2 Satz 1 StPO gesetzlich als unaufschiebbar eingeordnet. Bis zur Entscheidung über die Ablehnung (Frist: zwei Wochen, Abs. 3) findet diese nun unter Mitwirkung des/der abgelehnten Richter/in statt. Wird die Ablehnung für begründet erklärt, ist der seit Anbringung des Ablehnungsgesuchs durchgeführte Teil der Hauptverhandlung zu wiederholen, es sei denn, dies ist nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand möglich (Abs. 4).
[7] Gerhard Müller war ein ehemaliges Mitglied der RAF und einer der Hauptbelastungszeugen in diesem sowie in weiteren Verfahren gegen Mitglieder der RAF. Er wurde vom 124. bis zum 127. Verhandlungstag als Zeuge vernommen.
[8] Anlage 1 zum Protokoll vom 20.7.1976: Ablehnung des Vorsitzenden Dr. Prinzing wegen Besorgnis der Befangenheit durch die Angeklagte Ensslin.
[9] Nach § 55 Abs. 1 StPO steht Zeug/innen ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, wenn sie sich selbst oder ihre Angehörigen (§ 52 Abs. 1 StPO) durch die Beantwortung einer Frage der Gefahr aussetzen würden, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt werden. Hierüber sind sie zu belehren (§ 55 Abs. 2 StPO).
[10] Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit muss in diesem Stadium der Hauptverhandlung unverzüglich, also „ohne eine nicht durch die Sachlage begründete Verzögerung“ (BGH, Urt. v. 10.11.1967 - Az.: 4 StR 512/66, BGHSt 21, S. 334, 339) erfolgen; andernfalls wäre sie nach § 26a Abs. 1 Nr. 1 StPO wegen Verspätung als unzulässig zu verwerfen. Zulässig ist allerdings, zunächst noch abzuwarten, ob sich der Eindruck der Befangenheit verfestigt (OLG München, Beschl. v. 22.11.2006 - Az.: 4 St RR 182/06, NJW 2007, S. 449, 451).
[11] Die Voraussetzung des rechtzeitigen (unverzüglichen) Vorbringens muss, ebenso wie der Grund der Ablehnung, nach § 26 Abs. 2 Satz 1 StPO glaubhaft gemacht werden. Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht sie für überwiegend wahrscheinlich hält (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 26 Rn. 7). Die Glaubhaftmachung erfordert damit eine geringere Form der Überzeugung als der sog. Vollbeweis. Die Glaubhaftmachung genügt nur dort, wo das Gesetz sie ausdrücklich zulässt. Mittel der Glaubhaftmachung kann auch das Zeugnis des/der abgelehnten Richter/in sein (§ 26 Abs. 2 Satz 3 StPO).
[12] § 26a Abs. 1 StPO benennt die Fälle, in denen eine Ablehnung als unzulässig zu verwerfen ist, nämlich bei Verspätung der Ablehnung (Nr. 1), wenn ein Grund zur Ablehnung oder ein Mittel zur Glaubhaftmachung nicht oder nicht innerhalb einer bestimmten Frist benannt wird (Nr. 2) sowie wenn durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen (Nr. 3).
[13] Dienstliche Erklärung des Vorsitzenden Dr. Prinzing zum Ablehnungsgesuch vom 20. Juli 1976 sowie Verfügung des Richters Dr. Foth (Frist zur Stellungnahme und voraussichtliche Fortsetzung der Hauptverhandlung).
[14] Am 30. Juni 1975 begann das Verfahren gegen Irmgard Möller und Gerhard Müller vor dem Landgericht Hamburg. Die Anklagevorwürfe betrafen u.a. das Geschehen um die versuchte Festnahme des RAF-Mitglieds Margrit Schiller, in deren Verlauf ein Polizeibeamter erschossen, ein weiterer verletzt wurde. Der getötete Polizeibeamter Norbert Schmid war das erste Todesopfer der RAF. Der genaue Tatvorgang, insbesondere die Täterschaft, konnte bis heute nicht aufgeklärt werden. Gerhard Müller wurde mit Urteil vom 16.3.1976 wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Beihilfe zum Mord, Beteiligung an Bombenanschlägen und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zehn Jahren verurteilt (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 113 ff.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 29). Insbesondere der Freispruch Müllers in Bezug auf die Tötung Schmids sorgte im Stammheimer Verfahren für Aufregung. Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass die umfassende Aussage Müllers durch das Versprechen diverser ungesetzlicher Vorteile unzulässig beeinflusst worden sei (s. hierzu etwa die Beweisanträge in den Anlagen 4 bis 19 zum Protokoll zum 20.7.1976, S. 10643 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 128. Verhandlungstag; s. zu den Vorwürfen der Verteidigung auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 305 ff.).
[15] Müller selbst legte zunächst das Rechtsmittel der Revision ein. Trotz dadurch eingetretener Hemmung der Rechtskraft (§ 343 Abs. 1 StPO), hatte Müller eine Verschlechterung seiner Situation (etwa durch Erhöhung des Strafmaßes) zu diesem Zeitpunkt kaum noch zu befürchten. Die Frist zur Einlegung einer Revision (eine Woche ab Verkündung des Urteils, § 341 Abs. 1 StPO) für die Staatsanwaltschaft war abgelaufen; § 358 Abs. 2 StPO enthält ein Verbot der Schlechterstellung im Rahmen der Revision u.a. für den Fall, dass nur der/die Angeklagte Revision eingelegt hat. Weitere Rechtsmittel stehen gegen ein Urteil des Landgerichts nicht zur Verfügung; ein erneutes Verfahren wegen der abgeurteilten Taten ist nach Art. 103 Abs. 3 GG grundsätzlich ausgeschlossen. Die Möglichkeit der Wiederaufnahme eines Verfahrens zuungunsten des/der Verurteilten besteht nur in eng begrenzten Ausnahmesituationen (§ 362 StPO).
[16] Gemeint sein dürften die „Vertrauensverteidiger“; manche dieser ursprünglich gewählten Verteidiger/innen (§§ 137, 138 StPO) waren den Angeklagten als Pflichtverteidiger/innen beigeordnet worden (§§ 141, 142 Abs. 2 StPO). Nach zwischenzeitlichen Entpflichtungen traf das zu diesem Zeitpunkt nur noch auf die Rechtsanwälte Dr. Heldmann (für den Angeklagten Baader) und Rechtsanwalt Schily (für die Angeklagte Ensslin) zu. Vertrauensverteidigung ist kein offizieller Begriff, dient aber hier der Abgrenzung zu denjenigen Pflichtverteidigern, die den Angeklagten zusätzlich gegen ihren Willen durch das Gericht beigeordnet worden waren.
[17] „Harry“ war ein Deckname, den Gerhard Müller in der RAF benutzte. In seiner Vernehmung als Zeuge stritt Müller dies zunächst ab. Damit einher ging die Behauptung, er habe den Zeugen Dierk Hoff nie getroffen (S. 10399 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 125. Verhandlungstag); dieser hatte im Rahmen seiner Zeugenaussage allerdings ein Treffen mit einem „Harry“ geschildert, den er inzwischen als Müller identifizierte, s. S. 5948 des Protokolls der Hauptverhandlung, 68. Verhandlungstag). Müller korrigierte seine Aussage schließlich am 126. Verhandlungstag (S. 10407 des Protokolls der Hauptverhandlung).
[18] Anlage 2 zum Protokoll vom 20.7.1976: Senatsbeschluss (Zurückweisung der Ablehnung als unbegründet).
[19] Anlage 3 zum Protokoll vom 20.7.76: Mitteilung der Angeklagten Ensslin (keine Mandatserteilung für Prof. Azzola).
[20] Am Morgen des 9. Mai 1976 wurde Ulrike Meinhof tot in ihrer Zelle aufgefunden. Die Umstände ihres Todes - offiziell Suizid durch Erhängen - wurden, nicht zuletzt durch die Vertrauensverteidigung, erheblich angezweifelt. Meinhofs Tod wurde zu einem medial breit diskutierten Ereignis (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 394 ff.; Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 268 ff.; März, Linker Protest nach dem Deutschen Herbst, 2012, S. 159 ff.; Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa, 2014, S. 398 ff.). Der Angeklagte Raspe erklärte am 109. Verhandlungstag: „Wir glauben, daß Ulrike hingerichtet worden ist; wir wissen nicht, wie, aber wir wissen, von wem“ (S. 9609 des Protokolls der Hauptverhandlung).
[21] § 136a StPO enthält eine Auflistung von verbotenen Methoden bei der Vernehmung von Beschuldigten. Diese sind: die Beeinträchtigung der Willensentschließung und -betätigung durch Misshandlung, Ermüdung, körperlichen Eingriff, Verabreichung von Mitteln, Täuschung, Quälerei oder Hypnose, sowie die Drohung mit einer unzulässigen Maßnahme oder das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils (Abs. 1). Ferner untersagt sind Maßnahmen, die das Erinnerungsvermögen oder die Einsichtsfähigkeit der Beschuldigten beeinträchtigen (Abs. 2). Für den Fall eines Verstoßes gegen diese Verbote enthält § 136a Abs. 3 Satz 3 StPO ein Verwertungsverbot für die so zustande gekommenen Aussagen.
[22] S. Fn. 15.
[23] Das Freibeweisverfahren findet Anwendung zum Beweis von Tatsachen, die nicht die Straf- oder Schuldfrage, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe, betreffen. Im Unterschied zum dort anzuwendenden Strengbeweisverfahren ist das Gericht im Freibeweisverfahren nicht auf die Wahl bestimmter Beweismittel beschränkt, sondern kann grundsätzlich alle verfügbaren Erkenntnisquellen nutzen; auch an die im Strengbeweisverfahren vorgeschriebene Form ist es nicht gebunden (BGH, Urt. v. 28.6.1961 - Az.: 2 StR 154/61, BGHSt 16, S. 164, 166).
[24] Ein Beweisantrag erfordert grundsätzlich die hinreichende Konkretisierung sowohl der zu beweisenden Tatsache, als auch des Beweismittels (früher bereits ständige Rechtsprechung, s. etwa BGH, Urt. v. 23.1.1951 - Az.: 1 StR 37/50, BGHSt 1, S. 29, 31; BGH, Urt. v. 7.5.1954 - Az.: 2 StR 27/54, BGHSt 6, S. 128, 129; BGH, Urt. v. 12.8.1960 - Az.: 4 StR 48/60, NJW 1960, S. 2156, 2157; heute definiert in § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO). Ein Beweisermittlungsantrag liegt hingegen vor, wenn entweder die Beweistatsache oder das Beweismittel nicht hinreichend konkretisiert ist. Die Unterscheidung ist deshalb von Bedeutung, da § 244 Abs. 3-6 StPO begrenzte und abschließende Ablehnungsgründe für Beweisanträge enthält. Liegt keiner dieser Ablehnungsgründe vor, ist dem Beweisantrag zu entsprechen. Beweisermittlungsanträge berücksichtigt das Gericht hingegen nur nach § 244 Abs. 2 StPO im Rahmen seiner allgemeinen Aufklärungspflicht, die Ablehnung eines Beweisermittlungsantrags ist nicht auf die Gründe des § 244 Abs. 3-6 StPO beschränkt. § 244 Abs. 3 StPO bezieht sich jedoch auf das sog. Strengbeweisverfahren. Im Freibeweis entscheidet das Gericht über den Umfang der Beweisaufnahme nach pflichtgemäßem Ermessen (Krehl, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 244 Rn. 17), sodass die Unterscheidung zwischen Beweis- und Beweisermittlungsantrag letztlich ohne Bedeutung ist (s. auch Trüg/Habetha, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl. 2016, § 244 Rn. 46, wonach Beweisanträgen im Freibeweis lediglich die Qualität einer Beweisanregung zukomme).
[25] Der Polizeibeamte Norbert Schmid wurde bei einem Festnahmeversuch des RAF-Mitglieds Margrit Schiller erschossen. Er war das erste Todesopfer der RAF. Der genaue Tatvorgang, insbesondere die Täterschaft, konnte bis heute nicht aufgeklärt werden. Schiller selbst belastete Gerhard Müller schwer, der mit Urteil vom 16.3.1976 vom LG Hamburg zwar für andere Taten, darunter Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und Beihilfe zum Mord, nicht aber für den Mord an Schmid verurteilt wurde (Fn. 14).
[26] Anlage 4 zum Protokoll vom 20.7.76: Antrag des Rechtsanwalts Schily auf Vernehmung von Margrit Schiller als Zeugin.
[27] Anlage 5 zum Protokoll vom 20.7.76: Antrag des Rechtsanwalts Schily auf Vernehmung der Journalisten Boyer, Thorer, Rieber und Nagy als Zeugen.
[28] Anlage 6 zum Protokoll vom 20.7.76: Antrag des Rechtsanwalts Schily auf Vernehmung von Franz Ruch als Zeugen.
[29] Anlage 7 zum Protokoll vom 20.7.76 (nicht lesbar).
[30] Die Seite ist nicht im Aktenbestand enthalten.
[31] Anlage 8 zum Protokoll vom 20.7.76: Antrag des Rechtsanwalts Schily auf Vernehmung des Generalbundesanwalts Siegried Buback als Zeugen.
[32] Anlage 9 zum Protokoll vom 20.7.76: Antrag des Rechtsanwalts Schily auf Gegenüberstellung der Zeugen Müller und Hoff.
[33] Anlage 10 zum Protokoll vom 20.7.76: Antrag des Rechtsanwalts Schily auf Aktenbeiziehung und Verlesung.
[34] Sieglinde Hofmann war ein ehemaliges Mitglied des Sozialistischen Patientenkollektivs. Über die sog. Haag-Mayer-Bande gelangte sie zur RAF In der zweiten RAF-Generation zählte sie u.a. neben Brigitte Mohnhaupt zu der Führungsebene der Gruppe. Zu den ihr vorgeworfenen Verbrechen gehören die Schleyer-Entführung und der Anschlag auf NATO-Oberbefehlshaber Alexander Haig (Wunschik, Baader-Meinhofs Kinder, 1997, S. 202 f., 255 ff., 313 f., 354, 360, 369).
[35] Nach den Verhaftungen der RAF-Führungsriege 1972 begannen eine Gruppe um Margrit Schiller ab Mitte 1973 damit, sich zu reorganisieren. Ihre Pläne zur gewaltsamen Befreiung der inhaftierten Mitglieder wurden jedoch durch ihre Festnahmen am 4. Februar 1974 in Frankfurt am Main verhindert. In Anlehnung an das Verhaftungsdatum wurde die Gruppierung als Gruppe 4.2. bezeichnet. Verhaftet wurden an diesem Tag in Frankfurt am Main neben Margrit Schiller auch Kay-Werner Allnach und Wolfgang Beer, darüber hinaus Eberhard Becker, Christa Eckes, Helmut Pohl und Ilse Stachowiak in Hamburg, sowie kurz darauf Ekkehard Blenck (zusammen mit Axel Achterrath) in Amsterdam (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 55, 78 ff., 116 ff., 121 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 357 ff.; Straßner, in Ders. [Hrsg.] Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 209, 219).
[36] Anlage 11 zum Protokoll vom 20.7.76: Antrag des Rechtsanwalts Dr. Hoffmann auf Vernehmung des PM Lemke als Zeugen.
[37] Anlage 12 zum Protokoll vom 20.7.76: Antrag des Rechtsanwalts Dr. Hoffmann auf Vernehmung des Bundesjustizministers Hans-Jochen Vogel als Zeugen.
[38] Anlage 13 zum Protokoll vom 20.7.76: Antrag des Rechtsanwalts Dr. Hoffmann auf Vernehmung des Rechtsanwalts Hans-Christian Ströbele als Zeugen.
[39] Anlage 14 zum Protokoll vom 20.7.76: Antrag des Rechtsanwalts Dr. Hoffmann auf Vernehmung des Rechtsanwalts Dr. Klaus Croissant als Zeugen.
[40] Anlage 15 zum Protokoll vom 20.7.76: Antrag des Rechtsanwalts Dr. Hoffmann auf Vernehmung des Rechtsanwalts Kurt Groenewold als Zeugen.
[41] Anlage 16 zum Protokoll vom 20.7.76: Antrag des Rechtsanwalts Dr. Hoffmann auf Vernehmung des Rechtsanwalts Rainer Köncke als Zeugen.
[42] Anlage 17 zum Protokoll vom 20.7.76: Antrag des Rechtsanwalts Dr. Hoffmann auf Vernehmung des Rechtsanwalts Armin Golzem als Zeugen.
[43] Anlage 18 zum Protokoll vom 20.7.76: Antrag des Rechtsanwalts Dr. Hoffmann auf Vernehmung des Rechtsanwalts Rupert von Plottnitz als Zeugen.
[44] Anlage 19 zum Protokoll vom 20.7.76: Antrag des Rechtsanwalts Dr. Heldmann auf Vernehmung von Irmgard Möller, Manfred Grashof, Christa Eckes, Ilse Stachowiak, Ronald Augustin, Werner Hoppe, Heinrich Jansen, Carmen Roll, Ingrid Schubert, Brigitte Mohnhaupt, Klaus Jünschke und Helmut Pohl als Zeug/innen.
[45] Am 11. Mai 1972 detonierten im sog. I.G.-Farben-Hochhaus, dem Hauptquartier des 5. US-Corps, in Frankfurt a.M. 3 Sprengkörper. Dabei wurde eine Person getötet und eine andere in nahe Lebensgefahr gebracht; weitere Personen wurden verletzt (Feststellungen des OLG Stuttgart, Urt. v. 28.4.1977, 2 StE 1/74, S. 1 ff.). Dieser Vorgang war ab dem 65. Verhandlungstag Gegenstand der Beweisaufnahme. Das I.G.-Farben-Haus entstand zwischen 1928 und 1931 im Auftrag der Interessen-Gemeinschaft Farbenindustrie Aktiengesellschaft (I.G. Farben), die sowohl an der nationalsozialistischen Wirtschafts- und Rüstungspolitik als auch an der Zwangsarbeit und der Vernichtung von KZ-Häftlingen beteiligt war. Nach Kriegsende beherbergte das Haus den Hauptsitz der amerikanischen Militärverwaltung. 1951 zog das 5. amerikanische Armeekorps ein (Jeßberger, JZ 2009, S. 924, 925; Stokes, in Lillteicher [Hrsg.], Profiteure des NS-Systems?, 2006, S. 45, 48 ff.).
[46] § 250 StPO enthält den Grundsatz der persönlichen Vernehmung. Nach § 250 Satz 2 StPO darf die Vernehmung einer Person über Tatsachen, die sie wahrgenommen hat, nicht durch die Verlesung einer früheren Vernehmung oder einer schriftlichen Erklärung ersetzt werden. Die §§ 251 ff. StPO enthalten enge Ausnahmen von diesem Grundsatz. § 256 StPO benennt bestimmte Arten verlesbarer Erklärungen, darunter die „ein Zeugnis oder Gutachten enthaltenden Erklärungen öffentlicher Behörden“ (§ 256 Abs. 1 Satz 1, 1. Var. StPO a.F.; heute: § 256 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StPO).
[47] Gegen die vom Verfahren ausgeschlossenen Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele wurden Ermittlungsverfahren wegen der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung eingeleitet. Am 23. Juni 1975 wurden die Kanzleiräume der Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele sowie der Rechtsanwältin Becker durchsucht. Rechtsanwältin Becker wurde einen halben Tag festgehalten und schließlich wieder entlassen, Dr. Croissant und Ströbele wurden verhaftet (s. hierzu die Ausführungen des Rechtsanwalts Dr. Heldmann am 9. Verhandlungstag, S. 748 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, und der Rechtsanwältin Becker, S. 754 f. des Protokolls). Rechtsanwalt Dr. Croissant wurde am 16.2.1979 vom LG Stuttgart zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zweieinhalb Jahren, Rechtsanwalt Groenewold am 10.7.1978 vom OLG Hamburg zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zwei Jahren auf Bewährung und Rechtsanwalt Ströbele am 24.3.1982 vom LG Berlin zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Gegen Rechtsanwalt Dr. Croissant wurde ein vierjähriges Berufsverbot verhängt (Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 52), gegen Rechtsanwalt Groenewold ein Teilberufsverbot für Strafsachen für die Dauer von fünf Jahren, wovon zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits vier durch ein vorläufiges Berufsverbot abgegolten waren (Interview mit Groenewold, in Diewald-Kerkmann/Holtey [Hrsg.], Zwischen den Fronten, 2013, S. 49, 70 f.).
[48] Ehrengerichtsverfahren (heute: anwaltsgerichtliche Verfahren) können im Falle einer Verletzung berufsrechtlicher Pflichten von Anwält/innen durch die Staatsanwaltschaft vor speziellen Anwaltsgerichten, früher „Ehrengerichte“ eingeleitet werden (§ 121 BRAO). Diese können verschiedene Maßnahmen gegen den Rechtsanwalt/die Rechtsanwältin verhängen; diese reichen - je nach Schwere des Verstoßes - von einer Warnung (§ 114 Abs. 1 Nr. 1 BRAO) bis zum Ausschluss aus der Rechtsanwaltschaft (§ 114 Abs. 1 Nr. 4 BRAO a.F.; heute: § 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO). Gegen die Verteidiger/innen in den RAF-Prozessen wurden zahlreiche solcher Ehrengerichtsverfahren eingeleitet (s. dazu etwa das Interview mit von Plottnitz, in Diewald-Kerkmann/Holtey [Hrsg.], Zwischen den Fronten, 2013, S. 91, 95 f.; s. auch die Dokumentation von Ehrengerichtsverfahren von Spangenberg, Kritische Justiz 1976, S. 202).
[49] Landes- und Bundesbeamt/innen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet bezüglich aller Angelegenheiten, die ihnen im Rahmen ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgeworden sind. Aussagen vor Gericht hierüber sind nur nach und im Umfang der Genehmigung durch den jeweiligen Dienstherrn gestattet (heute geregelt in § 37 Abs. 1 und 3 BeamtStG für Landesbeamt/innen und in § 67 Abs. 1 und 3 BBG für Bundesbeamt/innen; für den Stand 1975 galten für Landesbeamt/innen noch Landesgesetze, die sich allerdings an § 39 des Beamtenrechtsrahmengesetzes vom 1.7.1957 orientieren mussten; für Bundesbeamt/innen galt § 61 BBG a.F.). § 54 Abs. 1 StPO stellt sicher, dass die Verschwiegenheitspflicht auch im Falle einer Vernehmung als Zeug/in in einem Strafprozess fortbesteht.
[50] Die unzureichende Individualisierung des Beweismittels kann dazu führen, dass kein Beweisantrag, sondern nur ein Beweisermittlungsantrag vorliegt (s. bereits Fn. 24). Ist der/die Antragsteller/in nicht in der Lage, eine ladungsfähige Anschrift anzugeben, so kann ausnahmsweise auch die Angabe weiterer Anhaltspunkte genügen, wenn diese eine hinreichende Individualisierung ermöglichen; die Rechtsprechung scheint hier in den letzten Jahren zunehmend strenge Maßstäbe anzulegen (s. hierzu Trüg/Habetha, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl 2016, § 244 Rn. 15 ff.).
[a] Maschinell eingefügt: noch
[b] Handschriftlich durchgestrichen: Verteidigungen
[c] Maschinell eingefügt: Sie
[d] Maschinell eingefügt: Herren
[e] Maschinell durchgestrichen: zu
[f] Maschinell ersetzt: dieser durch jener
[g] Handschriftlich ersetzt: hochgeht durch hochgehen
[h] Handschriftlich durchgestrichen: hier
[i] Maschinell eingefügt: sei
[j] Maschinell eingefügt: hier
[k] Maschinell eingefügt: dann
[l] Handschriftlich ergänzt: Vernehmungen
[m] Maschinell ersetzt: ... durch Sie
[n] Handschriftlich ersetzt: da durch ja
[o] Maschinell ergänzt: gestellt
[p] Maschinell eingefügt: dem
[q] Maschinell eingefügt: Dr.
[r] Handschriftlich ersetzt: was durch dass
[s] Maschinell eingefügt: sich
[t] Handschriftlich ergänzt: könnten
[u] Maschinell ersetzt: anwesend durch mehr anwesend
[v] Handschriftlich ergänzt: Augen