1. Verhandlungstag

Verhandlungsprotokoll der öffentlichen Sitzung des Oberlandesgerichts Stgt.-Stammheim, 21. Mai 1975



[1] Verhandlungsprotokoll

der öffentlichen Sitzung des Oberlandesgerichts

Stgt.-Stammheim, 21. Mai 1975

- Mehrzweckgebäude -

Beginn der Hauptverhandlung um 9 00 Uhr

2 StE (OLG Stgt.) 1/74

Anwesend:

Vorsitzender Richter am OLG Dr. Prinzing

- als Vorsitzender -

Richter am OLG Dr. Foth

Richter am OLG Maier

Richter am OLG Dr. Berroth

Richter am OLG Dr. Breucker

- als beisitzende Richter -

Richter am OLG Vötsch

Richter am OLG Dr. Nerlich

Richter am OLG Meinhold

Richter am OLG Freuer

- als Ergänzungsrichter -

Bundesanwalt Dr. Wunder

Oberstaatsanwalt Zeis

Regierungsdirektor Widera

Staatsanwalt Holland

- als Vertreter der Bundesanwaltschaft -

Justizsekretär Janetzko

Justizassistent z.A. Clemens

Justizassistent z.A. Scholze

- als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle -

Anwesend sind ferner die auf Seite 2 und 3 aufgeführten Angeklagten und die auf Seite 11 genannten Verteidiger.

[2] Strafsache gegen

1. den berufslosen Andreas Bernd Baader, geboren am 6. Mai 1943 in München, ohne festen Wohnsitz, Deutscher, ledig, zur Zeit in Untersuchungshaft in der Vollzugsanstalt Stgt.-Stammheim,

Pflichtverteidiger:[1]

a) Rechtsanwalt Eberhard Schwarz, Stuttgart

b) Rechtsanwalt Siegfried Haag, Heidelberg

c) Rechtsanwalt Dieter Schnabel, Ditzingen

Wahlverteidiger:[2] ---

2. die Studentin Gudrun Ensslin,

geboren am 15. August 1940 in Bartholomä,

Krs. Schwäbisch-Gmünd, ohne festen Wohnsitz, Deutsche, ledig,

zur Zeit in Untersuchungshaft in der Vollzugsanstalt Stgt.-Stammheim,

Pflichtverteidiger:

a) Rechtsanwalt Ernst Eggler, Karlsruhe

b) Rechtsanwalt Otto Schily, Berlin 15

c) Rechtsanwältin Marielouise Becker, Heidelberg

d) Rechtsanwalt Manfred Künzel, Waiblingen

Wahlverteidiger:

a) Rechtsanwalt Dr. Franz Josef Degenhardt, Hamburg

[3] 3. die Journalistin Ulrike Marie Meinhof, gesch. Röhl,

geboren am 7. Oktober 1934 in Oldenburg/Old., ohne festen Wohnsitz, Deutsche, geschieden, zur Zeit in Untersuchungshaft in der Vollzugsanstalt Stgt.-Stammheim,

Pflichtverteidiger:

a) Rechtsanwalt Dieter König, Stuttgart

b) Rechtsanwalt Helmut Riedel, Frankfurt

c) Rechtsanwalt Karl-Heinz Linke, Karlsruhe

Wahlverteidiger:

a) Rechtsanwalt Rainer Köncke, Hamburg

b) Rechtsanwalt Dieter Hoffmann, Berlin

4. den Diplomsoziologen Jan-Carl Stefan Raspe, geboren am 24. Juli 1944 in Seefeld/Tirol, ohne festen Wohnsitz, Deutscher, ledig, zur Zeit in Untersuchungshaft in der Vollzugsanstalt Stgt.-Stammheim,

Pflichtverteidiger:

a) Rechtsanwalt Stefan Schlaegel, Esslingen

b) Rechtsanwalt von Plottnitz, Frankfurt

c) Rechtsanwalt Peter Grigat, Stuttgart

Wahlverteidiger:

a) Rechtsanwalt Laubscher, Heidelberg

wegen Mordes u. a.

[4] Vors.:

Die Sitzung ist eröffnet.

Ich darf zunächst vor Aufruf der Sache[3] einige technische Dinge erläutern. Sie hängen damit zusammen, daß wir, wie mit der Verteidigung besprochen, beabsichtigen, ein Wortprotokoll[4] anzufertigen. Das dient dazu, daß alle Beteiligten nachher das gleiche Prozeßmaterial zur Verfügung haben. Es werden also alle Gespräche und alle Ausführungen auf Band übernommen, die Bänder werden übertragen, werden möglichst rasch abgelichtet und verteilt. Ich hoffe, daß wir es schaffen, innerhalb von drei Tagen jedem der Prozeßbeteiligten dann die Ablichtung in die Hand zu geben.

Danach sollen zwei Tage verbleiben, bis dahin müßten Beanstandungen des Inhalts des Protokolls bekannt gegeben werden. Danach würde das Band, wenn keine Beanstandungen kommen, gelöscht und erneut zu Aufnahmen verwendet.

Ich bitte um Verständnis, wenn ich darauf hinweise, daß die Bandaufnahme eine gewisse Sprechdisziplin erfordert. Durcheinanderreden bedeutet, daß wir kein Protokoll zustandekriegen, weil das eben nicht mehr verständlich ist. Daher muß ich darum bitten, was ja ohnehin dem § 240 StPO entspricht, jeweils sich zu Wort zu melden und abzuwarten, bis ich das Wort erteile. Ich muß also grundsätzlich z.B. erklären, Herr Rechtsanwalt Sowieso und Sowieso, damit auch das Protokoll weiß, wer nun im Augenblick spricht.

[5] Es ist außerdem nötig, sich beim Sprechen dann der Mikrophone zu bedienen. Die Mikrophone haben, das werden Sie gesehen haben, einen Knipser. Grundsätzlich werden sie aber eingestellt vom Protokollführer, der Knipser dient nur dazu, daß Sie die Möglichkeit haben, wenn das Mikophon eingeschaltet ist und Sie irgendein vertrauliches Gespräch fuhren wollen, daß das nicht nun ganz laut in den Saal erschallt. Sie können sich also selbst trennen. Ich muß aber darum bitten, alle Beteiligten, daß darauf geachtet wird, daß nicht zu viele Mikrophone auf einmal im Gange sind, denn das führte zu Störungen, d. h. nach Benutzung des Mikophons bitte darauf achten, daß abgestellt wird.

Ich darf jetzt die Frage an die Herren Verteidiger stellen, ob das Einverständnis, ein Wortprotokoll herzustellen, nach wie vor existiert? Ich sehe keine Beanstandungen. Dann können, wenn zu den technischen Angelegenheiten keine Fragen gestellt werden sollen? Auch das scheint nicht der Fall zu sein? ...

Herr Rechtsanwalt, bitte.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ich möchte um eine Äußerung bitten. Es gibt doch noch technische Fragen. Die erste betrifft die Sitzordnung der Mandanten. Wir stellen fest, daß auf der Bank, auf der sich die Mandanten befinden, insgesamt drei Wachtmeister sitzen. Diese Wachtmeister sind in der Lage zu hören, was wir mit den Mandanten kurz- oder längerfristig [6] während der Sitzung besprechen. Das ist ein Zustand, der entspricht nicht dem § 148 StPO.[5] Deshalb der erste Antrag, dafür Sorge zu tragen, daß Wachtmeister, die auf der gleichen Bank sitzen wie die Mandanten, außer Hörweite der Mandanten und ihrer Verteidiger plaziert werden.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich schlage vor, daß ich jetzt zunächst die Sache aufrufe, damit wir zur Hauptverhandlung kommen. Bis jetzt waren es ja die reinen äußeren Dinge. Das ist schon ein Punkt, der nun unmittelbar die Hauptverhandlung berührt. Ich würde also vorschlagen, wir kommen auf den Antrag gleich dann zurück.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ja also gut, das konnte man dann zurückstellen bis nach Aufruf, aber einen unmittelbaren technischen Punkt berührt die Frage der Protokollführerin der Verteidigung. Sie entsinnen sich, daß uns zugesagt worden ist, für den Pool der Verteidigung eine Protokollführerin, wir hatten auch am Freitag deren Personalien mitgeteilt dem Senat. Mußten gestern aber feststellen, daß man sich weigerte, den entsprechenden Besucherausweis auszustellen, also ich bitte unverzüglich, wenn’s geht, es handelt sich um Frau Hergenhahn, mitzuteilen, an der Pforte mitzuteilen, daß ihr Zutritt gewährt wird und daß ihr ein entsprechender Ausweis ausgestellt wird.

Vors.:

Ja. Ist die Dame hier?

[7] RA v[on ]P[lottnitz]:

Die Dame wartet vorne an der Pforte.

Vors.:

Ja. Wo haben wir Herrn Leinauer oder Herrn Berger.

Herr Leinauer, waren sie so freundlich und würden dafür sorgen, daß die Dame Zutritt bekommt. Eine Frau Hergenhahn, als Protokollführerin für die Verteidigung.

Sie hat Anspruch auf einen Platz, an einem dieser Tische hier. Ich darf im übrigen, um das noch festzustellen, davon ausgehen, daß diese Platzverteilung den Wünschen der Herren selbst entspricht. Das Gericht wollte also nicht eingreifen, wie sich die Verteidiger hier plazieren.

RA Riedel:

Herr Vorsitzender, bitte sehr, dazu technisch ebenfalls noch ein wichtiger Punkt. Die Protokollführerin oder unsere technische Kraft beabsichtigt ihre Aufgaben im Zusammenhang mit dem Tonband wahrzunehmen. Das Tonbandgerät habe ich mitgebracht. Es befindet sich in einem Schließfach und zwar deshalb, weil ich Batterien nicht dabei habe. Die, so ist mir gesagt worden, daß das nur mit Batterien geht, mit Anschluß jedenfalls nicht bedient werden darf. Ich bitte deshalb Gelegenheit zu geben, daß die beschafft werden können, damit die technische Kraft gleichzeitig das Gerät in Betrieb nehmen kann, wenn sie hier ist.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, wem soll ich Gelegenheit, sie zu beschaffen ...?

[8] RA R[iedel]:

Uns, uns ...

Vors.:

Ich habe nichts dagegen.

RA R[iedel]:

Dazu würden wir allerdings eine entsprechende Pause benötigen.

Vors.:

Ja, dann würde ich doch vorschlagen, daß sie Frau Hergenhahn selbst schicken, damit sie sich das besorgt.

RA R[iedel]:

Ja, das wäre eine Möglichkeit.

Vors.:

Also das war besprochen und das Gerät ist zugelassen, aber es sind ja keine Buchsen hier, wir können nur mit Batterie arbeiten.

RA Sch[ily]:

Ja, Herr Vorsitzender, Frau Hergenhahn soll hier im Saale sein, ich muß auch bitten, solange zu warten, bis Frau Hergenhahn hier im Saale sich befindet. Das war ja nun der Sinn der Sache, nicht daß sie dann irgendwann nachgeklappert kommt.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, die Anwesenheit einer Protokollführerin für die Verteidigung, zusätzlich, ist keine notwendige Voraussetzung für den Beginn des Prozesses.

RA Sch[ily]:

Wir haben aber einen Anspruch, glaube ich, darauf, daß wir [9] eine Hilfskraft hier im Saale haben und wenn das vorher verhindert wird, dann können sie ja nun nicht sagen, jetzt fangen wir eben an.

(V. und RA Sch[ily] sprechen durcheinander).

RA Sch[ily]:

Sie haben uns ja die Zusage gegeben, daß eine Sekretärin hier im Saal sein darf. Wir haben rechtzeitig die Sekretärin namhaft gemacht, sie war gestern rechtzeitig da, um sich den Ausweis zu beschaffen und wenn sie nun erst reingelassen wird, ja die Verzögerung haben wir nicht zu vertreten.

Vors.:

Ich auch nicht, ich habe nichts davon gehört, daß die Dame da ist. Ich hätte gestern selbstverständlich auch dafür gesorgt, so wie jetzt auch, daß sie hereinkann.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, dann ist es aber das Verschulden hier der Bediensteten, die hier anwesend waren, daß sie auch keine Verbindung zu Ihnen herstellen können.

Vors.:

Schön, also ich nehme an, das Frau Hergenhahn in Bälde auftauchen wird und daß die Verteidigung dadurch, hoffe ich, nicht allzusehr leidet, daß wir jetzt aufrufen und feststellen, wer anwesend ist, ohne Beisein von Frau Hergenhahn.

RA Sch[ily]:

Ich bitte doch zu warten bis Frau Hergenhahn erscheint, [10] das kann ja sich nur um ein paar Minuten handeln.

Vors.:

Ich beabsichtige, dem nicht zu entsprechen, Herr Rechtsanwalt.

RA Sch[ily]:

Ich bitte das wörtlich zu protokollieren. Was ich beantragt habe, nach § 273[ StPO] wörtlich zu protokollieren, daß Sie sich weigern, zu warten bis unsere Sekretärin hier anwesend ist.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, es ist bereits im Protokoll aufgenommen, beantragen Sie zusätzlich wörtliche Protokollierungen?

RA Sch[ily]:

Ja. Die Anordnungen nach § 273[ StPO] ist ja was anderes, nehme ich doch an, als wenn wir jetzt das Tonband mitlaufen lassen.[6]

Vors.:

Deswegen frage ich Sie ja auch.

RA Sch[ily]:

Ja, ich stelle den Antrag nach § 273[ StPO], das zu protokollieren.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, dazu kommt, daß wir uns jetzt noch nicht im Stadium der Hauptverhandlung befinden. Bis jetzt haben sich technische Gespräche ergeben, dazu gehört auch das Gespräch wegen Frau Hergenhahn. Wollen Sie vielleicht auch diesen Antrag zurückstellen, bis ich aufgerufen habe?

[11] RA Sch[ily]:

Dann stelle ich anheim, zunächst mal festzustellen, daß die Sache aufzurufen ist.

Vors.:

Schön, damit komme ich zum Aufruf der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin, Jan-Carl Raspe.

Dem Gericht sind die Angeklagten durch den Anhörungstermin vom 12. Februar 1975 persönlich bekannt.

Als Verteidiger sind erschienen, ich darf der Reihe nach aufführen:

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, Herr Rechtsanwalt Riedel, Frau Rechtsanwältin Becker, Herrn Rechtsanwalt Schily, Herr Rechtsanwalt Schwarz, Herr Rechtsanwalt Schnabel, Herr Rechtsanwalt Künzel, Herrn Rechtsanwalt Grigat, Herr Rechtsanwalt Eggler, Herr Rechtsanwalt Linke, Herr Rechtsanwalt König und Herr Rechtsanwalt Schlaegel.

RA’in B[ecker]:

(Zunächst unverständlich) ... Rechtsanwalt Haag bitte ich nach § 273 StPO folgendes wörtlich zu protokollieren.

Rechtsanwältin Becker verliest nunmehr den als Anlage beiliegenden Schriftsatz des Rechtsanwalts Haag vom 11. Mai 1975 (Anlage 1)

Ich begründe den Antrag auf Protokollierung. Das heutige Fernbleiben des Siegfried Haag[7] ist ein Vorgang in der Hauptverhandlung, auf dessen Protokollierung es ankommt nach § 273 Abs. 3 StPO. Die Gründe dieses Vorgangs nennt [12][8] [13] die wörtliche, zu protokollierende Erklärung. Die Verteidigung in diesem Verfahren bildet eine Einheit, jeder Schritt eines Verteidigers berührt deshalb das Verfahren der übrigen Angeklagten und ihrer Verteidigung. Die anwesenden Verteidiger sind verpflichtet, die Gründe für das Fernbleiben eines Mitverteidigers zu Gehör zu bringen.

Vors.:

Frau Rechtsanwältin, wie kamen Sie zu dieser Erklärung?

RA’in B[ecker]:

Diese Erklärung ist mir mit der Post, in unserem Büro, mit der Post zugegangen.

Vors.:

Wann?

RA’in B[ecker]:

Am ... Darf ich mal bitte noch feststellen.

Am 10. Mai 1975, und das Original dieser Erklärung hat die Bundesanwaltschaft in unserem Büro beschlagnahmt und ich kann deshalb nur eine Fotokopie dieser Erklärung vorlegen.

Vors.:

Zunächst, was das Verfahren anlangt, ich nehme an, Sie sind damit einverstanden, da das ja auch schriftlich ... Frau Rechtsanwältin, darf ich bitten im Augenblick, ich habe mit Ihnen gesprochen, vielleicht wäre es notwendig, Sie könnten sich ja dann nachher über das weitere unterhalten. Müssen wir das wörtlich protokollieren, wie Sie [14] verlangen. Es ist jetzt wortwörtlich zu Protokoll und es liegt außerdem, wie ich hier sehe, schriftlich vor. Wir können es also als Anlage zum Protokoll nehmen.

RA’in B[ecker]:

Ja gut, wenn es als Anlage, das reicht aus.

Vors.:

Einverstanden, gut. Dann wird diese Erklärung als Anlage Nummer 1 zum Protokoll genommen. Ich darf aus dieser Erklärung schließen, daß Herr Rechtsanwalt Haag, Frau Rechtsanwältin, nicht hier auftreten wird und auch zur Zeit unbekannten Aufenthalts für Sie ist.

RA’in B[ecker]:

Ja.

Vors.:

Ich habe deshalb Herrn Baader angeschrieben, noch am letzten Freitag, als es bekanntgeworden ist, daß Herr Haag nicht mehr greifbar sein würde, und ihn darauf hingewiesen, daß sein Pflichtverteidiger nicht erscheinen und nicht verteidigen kann, auch nicht weiter bestellt bleiben könne. Herr Baader, haben Sie irgendeinen Wunsch bezüglich eines anderen Pflichtverteidigers des Vertrauens?[9]

RA v[on ]P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, bevor wir streiten, zur [15] Erörterung des Problems, hatte ich einen Antrag zu stellen, der auch die Verteidigung und zwar unmittelbar Verteidigung betrifft.

Vors.:

Gut, darf ich vielleicht noch eins tun,

nämlich hiermit die Bestellung des Herrn Rechtsanwalts Haag als Pflichtverteidiger aufzuheben.

RA v[on] P[lottnitz]:

Ich habe folgenden Antrag zu stellen und zwar überreiche ich zunächst ein Schriftsatz des Kollegen Croissant vom 21. Mai 1975.

- siehe Anlage 2 b zum Protokoll -

Ein Schriftsatz durch den sich der Kollege Dr. Croissant als Verteidiger für den Herrn Raspe legitimiert.

Ich habe ergänzend hierzu den Antrag zu stellen, Herrn Rechtsanwalt Dr. Croissant unverzüglich als Verteidiger zur Hauptverhandlung zuzulassen und ihm den Zutritt zum Sitzungssaal zu gestatten. Das ist der erste Antrag.

Der zweite Antrag, die Hauptverhandlung zu unterbrechen, bis sich Herr Dr. Croissant als Verteidiger von Herrn Raspe im Sitzungssaal befindet. Einen solchen Antrag bräuchte man normalerweise nicht zu begründen, da jedoch der Kollege Dr. Croissant als Verteidiger von Herrn Baader, als früherer Verteidiger von Herrn Baader, von einem Ausschlußverfahren bereits betroffen ist.[10] Zur Begründung, ganz kurz folgendes:

- RA v. Plottnitz verliest nunmehr die Begründung aus Anlage 2 a.

Anlage wird zu den Akten übergeben.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Riedel, bitte.

[16-22][11] [23-24][12] [25] RA R[iedel]:

Bevor der Senat über diesen Antrag entscheidet, stelle ich, erkläre ich und überreiche in der Anlage einen Schriftsatz des Rechtsanwalts Kurt Groenewold, durch den ...

Vors.:

Wird dieser Antrag zu Protokoll gegeben, so daß ...

RA R[iedel]:

Er wird zu Protokoll gegeben, ja.

Vors.:

Gut, dann können wir es als Anlage machen, das Band braucht dann nicht mitzulaufen, alles was als Anlage kommt, braucht nicht aufs Band genommen zu werden, das ist ja klar.

Rechtsanwalt Riedel

verliest den Schriftsatz vom 21.5.1975, der dem Protokoll als Anlage 3 beigefügt ist, und übergibt weiterhin einen Schriftsatz des RA Groenewold vom 21. Mai 1975, der als[a] Anlage 3 a dem Protokoll beigefügt ist.

RA’in B[ecker]:

(Anfang schlecht zu verstehen) ... schließe mich dem Antrag der beiden Vorredner an, zu Herrn Rechtsanwalt Ströbele, der die Verteidigung von Frau Ensslin übernimmt. Ich kann den Schriftsatz nicht vorlegen, weil Herr Ströbele erst heute Vormittag mit dem Flugzeug angekommen ist und noch vor der Tür draußen wartet.

Er wird dann selber übergeben, aber ich kann erklären, daß er das Mandat von Frau Ensslin übernommen hat.

[26][13] [27-28][14] [29] Vors.:

Ja. Die Bundesanwaltschaft wird Stellung nehmen wollen. Sind Sie in der Lage das sofort zu tun, oder wollen Sie zuerst die Schriftsätze einsehen.

BA Dr. W[under]:

Ich möchte gleich Stellung nehmen.

Vors.:

Darf ich vielleicht, Herr Bundesanwalt, vorher noch das sagen: Herr Rechtsanwalt Schily, wir haben nun wegen Ihrer Schreibkraft veranlaßt, sie wird zur ...

Bitte? (Stimmengewirr)

Nein, darf ich jetzt das zu Ende bringen. Herr Rechtsanwalt, wir haben jetzt soeben veranlaßt, daß sie fotografiert wird, sie kriegt den Sonderausweis und wird dann hier zum Saale zugelassen.

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, bitte.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, wir hatten beantragt, die Hauptverhandlung zu unterbrechen, bis den Kollegen, die sich als Verteidiger soeben legitimiert haben, Zutritt zum Sitzungssaal gestattet worden ist.

Vors.:

Ja.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Wir meinen das also die, daß auch nicht eine Sekunde ge- [30] wartet werden darf, was den Zutritt dieser Kollegen angeht. Die Kollegen haben bereits Anspruch darauf, zu hören und Stellung zu nehmen, zu dem was die Bundesanwaltschaft jetzt zu sagen gedenkt. Also ich beantrage ausdrücklich nochmal die Hauptverhandlung jetzt kurz zu unterbrechen, bis sich diese Kollegen im Sitzungssaal befinden. Die Kollegen haben, genauso wie die Mandanten, für die sie sich legitimiert haben, hierauf einen unmittelbaren prozessualen Anspruch.[15]

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, über kürzere Unterbrechungen entscheidet der Vorsitzende, laut Prozeßordnung,[16] ich unterbreche jetzt nicht. Es gibt Gelegenheit für die Bundesanwaltschaft Stellung zu nehmen. Selbstverständlich sind die Herrn berechtigt, als Zuhörer zunächst hier im Saale zu sein.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ich beanstande, daß eine Maßnahme ...

RA Sch[ily]:

(Anfang undeutlich) ... Sich zum Verteidiger und haben dann einen Anspruch auf Zutritt auf den Verhandlungssaal und wollen dann sicherlich mit Interesse dann hören, was der Herr Bundesanwalt zu den weiteren Anträgen zu sagen hat. Das ist doch selbstverständlich. Wenn das nicht mehr selbstverständlich ist, dann weiß ich nicht, sind das wesentliche weitere Bestimmungen der Strafprozeßordnung auch schon entfallen. Dann hab ich davon noch nichts gehört.

[31] Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich weiß nicht inwieweit Sie die §§ 138 folgend[ StPO][17] überprüft haben, wir sind im Zweifel, ob das Verfahren, das im Augenblick vorgeschlagen wird, geht. Die reine Bestellung durch Anwälte be- (unverständlich) noch keineswegs, daß ein Gericht nun von dieser rechtlichen Möglichkeit, die Sie im Auge haben[b] Gebrauch machen könnte.

RA Sch[ily]:

Wenn sich ein Verteidiger meldet, liegt eine Vollmacht vor in einem, dann hat er das Recht zum Auftritt in der Verhandlung. Wenn das nicht mehr der Fall ist[c] , dann weiß ich, dann machen wir den Laden zu.

Vors.:

Das sind ausgeschlossene Rechtsanwälte, die hier alle benannt werden, das macht wohl die Sache etwas anders, als so wie sich ...

RA Sch[ily]:

Aber Herr Vorsitzender, ich wüßte nicht, daß z. B. der Kollege Dr. Croissant für Herrn Raspe ausgeschlossen ist.[18] Wenn Sie mir einen solchen Beschluß vorlegen, bitteschön. Den kenn’ ich nicht. Aber vielleicht haben Sie so einen Beschluß, ich weiß es nicht, ich kenn’ ihn nicht.

Vors.:

Ich auch nicht.

RA Sch[ily]:

Ja ja, dann muß er doch in Saal, das ist doch ganz selbstverständlich.

[32] Vors.:

Herr Rechtsanwalt Riedel.

RA R[iedel]:

Herr Vorsitzender, ich habe einen Antrag gestellt, ebenso wie der Kollege von Plottnitz und die Mitverteidigerin Becker und bevor das Gericht erwägt, die Vorschriften des § 138[ StPO] folgende zu heranzuziehen, zur Überprüfung darüber, ob den Anträgen stattzugeben ist, oder nicht, bitte ich doch das Gericht erst einmal, die davorstehende Vorschrift dem § 137[ StPO][19] anzusehen und zu prüfen, ob sich daraus nicht ganz klar eindeutig und unabwendbar ergibt, daß das sofort zu veranlassen ist, was der Kollege Schily soeben nochmals betont hat, nämlich das Zulassen, und zwar auf der Verteidigerbank, der Kollegen die sich soeben legitimiert haben.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, das Gericht steht vor der Frage, ob die Ausschließung, die ausgesprochen ist, wie bereits in ihren Anträgen zum Ausdruck kommt, sich auch bezieht auf das, was jetzt die weiteren Verteidiger vorhaben.

RA R[iedel]:

Herr Vorsitzender, das ist nicht die Frage.

Vors.:

Und dazu bedürfen wir der Stellungnahme der Bundesanwaltschaft, was sie für eine Meinung dazu hat und wir werden diese Stellungnahme auch einholen und dann entscheiden darüber.

RA R[iedel]:

Herr Vorsitzender, das ist nicht die Frage, die dem Ge- [33] richt in erster Linie gestellt worden ist, sondern das ist die sekundäre Frage, aber die primäre Frage ist doch, der Antrag, den wir gestellt haben, sofort die Anwesenheit auf der Verteidigerbank, der Kollegen zu gestatten. Das ist die primäre Frage.

Vors.:

Gewiß ...

RA R[iedel]:

Die sekundäre Frage ist, ob unter Umständen, das was Sie sagen, nämlich das schon stattgefundene Ausschlußverfahren[d], im Bezug auf die Verteidigung von Andreas Baader, irgendwie Auswirkungen auch auf die Mandatsübernahme, wie sie soeben beantragt worden ist hat, nicht wahr. Aber die primäre Frage, bleibt doch und das ergibt sich aus § 137[ StPO], die sofortige Zulassung, auf der ich auch bestehe und wo ich auch jetzt nochmal ausdrücklich beantrage, daß das Gericht eine Entscheidung herbeiführt, nicht wahr.

Wie auch immer, das Gericht hat zu entscheiden, was beantragt ist und kann diese Entscheidung nicht aufschieben und mit der sekundären Frage anfangen.

Vors.:

Schön, Sie haben also meine Maßnahme, die besagt, daß wir zuerst die Stellungnahme einholen, beanstandet,[20] darüber wird das Gericht befinden, wir werden uns dazu zurückziehen.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, vielleicht noch ein Satz dazu. Wenn den Kollegen, wie beantragt, nicht unverzüglich der Zutritt, [34] als Verteidiger und die Zulassung als Verteidiger gewährt wird, dann würde das in der Tat auf eine Rechtsbeugung[21] hinauslaufen. Diese Kollegen sind nicht ausgeschlossen worden als Verteidiger für die Mandanten, für die sie sich jetzt gemeldet haben. Sie wissen so gut wie die Verteidigung, daß z. B. in Presseberichten zu lesen war, daß die Autoren des Ausschlußgesetzes, das Gesetz als unvollständig empfinden, deshalb, weil es etwa nicht verhindert, daß in einem Verfahren gegen mehrere Beschuldigte ein Verteidiger sich legitimieren kann, als Verteidiger eines weiteren Beschuldigten im Bezug auf den er noch nicht ausgeschlossen war.

Wir können natürlich in der Tat, wie der Kollege Schily gesagt hat, die Strafprozeßordnung überhaupt nicht mehr zur Grundlage des zu derartigen Minimalfragen nicht mehr zur Grundlage dieser Hauptverhandlung machen, dann aber würde ich empfehlen tatsächlich ein Bundeswehrgeneral zum Vorsitzenden des Gerichts bestellt und einige Offiziere als Beisitzer und in der Tat den Laden zuzumachen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, ich weiß nicht, ob Sie nicht Ihre Begründung etwas überziehen. Den Vorschlag bezüglich des Vorsitzes durch ein Bundeswehrgeneral und den Ausdruck Rechtsbeugung, wenn wir nicht Ihrer Rechtsansicht folgen würden, den weise ich entschieden zurück.

RA Sch[ily]:

Aber Herr Vorsitzender, über solche einfache Dinge sollte doch eigentlich Klarheit herrschen. Ich meine, man kann [35] über viele Dinge, wenn zwei Juristen im Saal sind, sind zwei Meinungen, das ist ja dieses Sprichwort, was mitunter verbreitet wird. Aber bei solch einer einfachen Frage, wenn sich jemand als Verteidiger legitimiert, legt eine Vollmacht vor, da müßte doch eigentlich Klarheit herrschen, man kann jetzt nicht sagen, mit irgendwelchen Ausweichbewegungen an dieser klaren Rechtstatsache vorbeisteuern, das geht nicht, Herr Vorsitzender, und Sie kennen ja den Ausschlußbeschluß, das[e] nehm’ ich ja an, daß Sie ihn kennen. Daß der Ihnen zur Kenntnis gelangt ist und da steht nun eindeutig drin, wenn man noch lesen kann, liest man es. In der Strafsache gegen Andreas Baader wird der Kollege Dr. Croissant von der Verteidigung ausgeschlossen und sonst gar nichts, kein Jota[f] mehr und kein Komma mehr und der Kollege von Plottnitz hat hier ganz klar zum Ausdruck gebracht, dem kann ich mich nur anschließen. Der Mann, der ja nun am besten Bescheid wissen muß über das Zustandekommen dieser Norm, über den Ausschließungstatbestand, nämlich Herr Bundesjustizminister Vogel, der hat ja öffentlich bekanntgegeben, gesagt, ja das fehlt da noch darin und wir überlegen, ob wir vielleicht noch eine Ergänzung vornehmen müssen, um sozusagen da eine Lücke zu schließen, die man meint, sehen zu sollen. Das ist ja der Punkt und Sie können sich ja wohl nicht darüber hinwegsetzen, über diesen klaren Tatbestand. Und da können also auch jetzt nicht gesagt werden, ja wir müssen jetzt hier hin und [36] her argumentieren, sondern zunächst einmal muß der Kollege Dr. Croissant und die anderen Kollegen in den Saal und dann wie gesagt, werden wir mit Interesse hören, was die Bundesanwaltschaft dazu zu sagen hat.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Sie werden dem Gericht die Möglichkeit geben, ohne daß Sie glauben, daß das ein Verstoß gegen irgendwelche Rechte von Ihrer Seite wären, sich das zu überlegen, ob die Herrn den Anspruch haben sofort, hier zugelassen zu werden. Ich habe das zunächst nicht angeordnet und das ist beanstandet worden, das Gericht wird jetzt darüber befinden. Was Sie dazu sagen, sind Begründungen, die Sie bereits vorher schon vorgebracht haben.

RA Sch[ily]:

Ja, dann bitte ich sofort um einen Gerichtsbeschluß.

Vors.:

Das geschieht. Wir ziehen uns zurück zur Beratung.

Pause von 9.35 Uhr bis 9.45 Uhr. In dieser Pause erscheint Frau Hergenhahn (Protokollführerin der Rechtsanwälte).

Fortsetzung der Verhandlung:

Vors.:

So, ich bitte Platz zu nehmen.

Der Senat hat beschlossen, daß jetzt zunächst die Bundesanwaltschaft Gelegenheit erhält, Stellung zu nehmen. Würde [37] sie die Gelegenheit nicht haben und würden wir gleich den Wünschen der Verteidiger entsprechen, so wäre die Entscheidung, die beantragt ist, bereits vorweggenommen. Bitteschön, Herr Bundesanwalt.

BA Dr. Wu[nder]:

Ich darf zunächst zu den beiden vorangegangenen Anträgen Stellung nehmen.

1. Aus Sicherheitsgründen halte ich es für erforderlich, daß Polizeibeamte neben den Angeklagten postiert sind. In welcher Form oder Gruppierung, möge dem Gericht überlassen bleiben.

Zum zweiten Antrag.

Nachdem das Gericht selbst Tonbandaufnahmen fertigt, besteht kein Anlaß für weitere Aufnahmen.

Zu dem letzten Antrag.

Aus den Gründen, die in den Auschlußverfahren gegen die Herrn Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele, als Verteidiger Baaders, bereits vorgetragen sind, beantrage ich neue Auschlußverfahren einzuleiten und die Anwälte gemäß § 138c Abs. 3 StPO ihrer Rechte aus dem § 147, 148 StPO[22] sofort zu entheben. Im übrigen gebe ich zu den polemischen Ausführungen keine Erklärungen ab, bitte aber diese Protokollteile den zuständigen Anwaltskammern zuzuleiten.[23]

Vors.:

Dankeschön. Wird Ihrerseits dazu noch eine Stellungnahme abgegeben.

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, bitteschön.

[38] RA v[on ]P[lottnitz]:

Nachdem nunmehr die Bundesanwaltschaft Stellung genommen hat, auch in derselben Reihenfolge, also zunächst was die Sitzordnung auf der Bank der Gefangenen angeht, der Antrag war nicht gestellt, wie wir festgestellt haben, also der müßte von uns erst jetzt noch gestellt werden, wird jetzt gestellt, in der Form, das beantragt wird, die Wachtmeister, die sich in unmittelbarer Nähe der Gefangenen befinden, so zu plazieren, daß sie außer, daß sie nicht mithören können die Gespräche, die Gefangene und ihre Verteidiger während der Hauptverhandlung führen. Diese Regelung muß erfolgen, damit die Rechte aus § 148[ StPO] auch während der Hauptverhandlung gewahrt sind.

Der zweite Antrag zur Tonbandfrage, das Tonband ist uns bereits zugesagt worden, vom Senat für Zwecke der Verteidigung. Das Tonband ist erforderlich insbesondere dann, wenn die Verteidigung und zwar, was prozessual möglich ist und geboten sein kann, innerhalb einer, eines kurzen Zeitraums, etwa eines Zeitraums von nur drei bis fünf Minuten, sich Klarheit und Gewißheit verschaffen muß, über den genauen Wortlaut einer Äußerung eines der übrigen Verfahrensbeteiligten.

Der dritte Antrag betreffend die Verteidiger, die neu legitimierten Verteidiger der Gefangenen, diese Verteidiger haben nunmehr, haben nunmehr, nach dem die Bundesanwaltschaft Stellung genommen hat einen Anspruch und ein Recht darauf, genauso wie die Gefangenen selbst, ein Recht das aus § 137 StPO folgt, als [39] Verteidiger, nicht als Zuschauer, als Verteidiger zugelassen werden und den Saal zu betreten. Wir beantragen also erneut, die Hauptverhandlung jetzt zu unterbrechen, bis die Verteidiger, die sich legitimiert haben, im Saal sind, um dann mitzubekommen, was der Senat entscheidet, und auch ihnen Gelegenheit zu geben, zu den Ausführungen, die wir gerade gehört haben von der Bundesanwaltschaft, selbst Stellung zu nehmen. Das gehört zum Prinzip des rechtlichen Gehörs.[24]

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Riedel.

RA R[iedel]:

Herr Vorsitzender, zu dem Antrag, der hier von der Bundesanwaltschaft als erstes genannt worden ist, nämlich die Sitzordnung, die dort hinten betrifft, in dem Zusammenhang, wenn hier die Bundesanwaltschaft meint bemerken zu müssen, das Teile von Ausführungen seitens der Verteidigung, polemischen Inhalts gewesen sein, dann weiß ich nicht, welches Prädikat, die Bemerkung des Herrn Vertreter der Bundesanwaltschaft verdient, der sagt, Sicherheitsgründe stünden dem entgegen, was hier nochmal von der Verteidigung ausdrücklich nochmal beantragt worden ist, nämlich die Sitzordnung so zu gestalten, daß ein Kontakt während der Hauptverhandlung im Sitzungssaal möglich ist, der nicht akustisch überwacht werden kann, von Justizpersonal. [40] Nicht wahr, also ich weiß nicht, wenn das, was wir sagen polemisch sein soll, was dann und jeder im Saal kann das ja sehn, inwiefern die Sicherheit beeinträchtigt werden kann, konnte. Vorstellbar wäre eine Beeinträchtigung, wenn hier die Beamten so sitzen, daß sie akustisch nicht mithören können, was Verteidigung und Angeklagte miteinander im Sitzungssaal zu besprechen haben.

Also das polemisch ist bestimmt ein viel zu gelinder Ausdruck dafür, mir fällt also nichts Krasseres dazu ein.

Zu dem zweiten Antrag. Die Protokollentscheidung schließe ich mich an, was der Kollege v. Plottnitz sagt, und zum dritten Antrag hat die Bundesanwaltschaft ja nichts ausgeführt, was dem von uns zunächst einmal beantragten Gestatten der Anwesenheit auf der Verteidigerbank widerspricht, ja und das Ruhen der Rechte, das hier beantragt wurde, ist nach § 138a[ StPO] und so, berührt ja nicht diese von uns geforderte Tatsache, daß die Leute zunächst einmal und zwar sofort auf die Anklagebank gehören. (verbessert sich nach Zuruf: „Verteidigerbank“).

Vors.:

Ich hoffe nicht, daß das ein Freud’scher Versprecher war.

RA Sch[ily]:

Ich beantrage nach § 273 der StPO, wörtlich zu protokollieren, daß uns Herr Bundesanwalt Dr. Wunder bereits am ersten Verhandlungstag mit der Anwaltskammer droht, das ist, glaube ich, ein Hinweis auf die Verhandlungsführung, die die Bundesanwaltschaft in diesem [41] Verfahren beabsichtigt. Im übrigen beantrage ich, festzustellen, daß vor Beginn der heutigen Verhandlung der Einlaß nicht abgeschlossen war. Ich habe beobachtet, daß hier noch eine Reihe von Personen, die offenbar nicht rechtzeitig kontrolliert worden sind, dann erst im Laufe und nach dem Aufruf und nach Beginn der Verhandlung hier in den Saal gekommen sind, auch das halte ich für einen Verstoß gegen das Prinzip der Öffentlichkeit.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, was wollen Sie wörtlich protokolliert haben, welche Äußerung, sofern es nicht reicht ...

RA Sch[ily]:

Die Äußerung von Herrn Bundesanwalt Dr. Wunder, daß er beabsichtigt schon heute, die ersten Erklärungen der Verteidiger den Anwaltskammern zuzuleiten.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, es ist doch an sich im Protokoll enthalten. Wir können es Ihnen vorspielen, die Stelle, ob Ihnen das genügt, oder wollen Sie nun wirklich, daß wir darüber entscheiden, daß man das nun zusätzlich nochmals protokolliert. Auch die Behauptung, Feststellung, die Sie getroffen haben, daß Zuhörer erst nachträglich hereingekommen seien, ist wörtlich im Protokoll enthalten.

RA Sch[ily]:

In diesem Falle bitte ich um die Anordnung der wörtlichen Protokollierung.

[42] Vors.:

Aber Sie müßten jetzt genau sagen, was wörtlich protokolliert werden soll.

RA Sch[ily]:

(Anfang nicht verständlich) ... Herr Bundesanwalt Dr. Wunder nochmal seine Erklärung, das ist seine Erklärung, er muß sie ja verantworten, nochmal formulieren, ich will da gar nicht in seine Kompetenz eingreifen.

Vors.:

Nein, Sie müssen angeben, was Sie wörtlich protokolliert haben wollen.

RA Sch[ily]:

Ja, ich gebe an, daß Herr Bundesanwalt Dr. Wunder erklärt hat, er werde die heutigen polemischen Äußerungen der Verteidigung zum Anlaß nehmen, den Anwaltskammern vorzulegen.

Vors.:

Herr Dr. Wunder.

BA[ Dr. Wunder]:

Herr Rechtsanwalt, nicht die polemischen Äußerungen im Allgemeinen, sondern immer dann, wenn Sie der Bundesanwaltschaft, oder den Strafverfolgungsbehörden faschistische Methoden vorwerfen, dann würde ich diesen Antrag stellen.

RA Sch[ily]:

Naja, ich habe das gehört.

[43] Vors.:

Können wir uns jetzt darüber einigen, was wörtlich protokolliert werden soll? Ich gebe Ihnen jetzt Gelegenheit, Herr Rechtsanwalt, zu formulieren, was wörtlich ins Protokoll kommen soll.

RA Sch[ily]:

Ich stelle den Antrag, das wörtlich zu protokollieren, daß Herr Bundesanwalt Dr. Wunder erklärt hat, daß er die Äußerungen, die [g] heute von der Verteidigung zur Begründung der Zulassung des Kollegen Dr. Croissant vorgetragen worden sind, den Anwaltskammern zuleiten wird.

Reg. Dir. Widera:

Nur gerade das hat Dr. Wunder nicht gesagt.

RA Sch[ily]:

Doch, doch genau.

Vors.:

Schon. Ist es seitens des Protokolls so aufgenommen worden, wir Herr Rechtsanwalt Schily das eben formuliert hat, ich bitte das jetzt zu verlesen.

Zum Mikrophon bitte.

Herr Rechtsanwalt Schily beantragt ...

Protokollführer:

Herr Rechtsanwalt Schily, Herr Rechtsanwalt Schily beantragt, daß Herr Dr. Wunder erklärt hat, wenn die polemischen ...

RA Sch[ily]:

Nein, wörtlich zu protokollieren (mehrere Personen sprechen auf einmal) ...

[44] Protokollführer:

Beantragt wörtlich zu protokollieren ...

Vors.:

Haben Sie es so aufgeschrieben, so müssen Sie es aufschreiben, Sie müssen das verlesen, was Sie aufgeschrieben haben.

Also Herr Rechtsanwalt Schily beantragt, wörtlich zu protokollieren, daß ...

Protokollführer:

Daß er, wenn die polemischen Äußerungen ...

Vors.:

Das Herr Bundesanwalt Dr. Wunder geäußert habe ...

Protokollführer:

Dr. Wunder geäußert habe, mit den polemischen Äußerungen, der Verteidigung.

Vors.:

Herr Janetzko, wenn Sie es nicht richtig mitbekommen haben, sagen Sie es ruhig, es ist kein Problem, dann lassen wir es Herrn Rechtsanwalt Schily, wir bitten ihn das nochmals zu wiederholen, damit’s die Herrn, bitte nicht so schnell, damit es die Herrn auch richtig mitkriegen.

RA Sch[ily]:

Also, ich beantrage wörtlich zu protokollieren, daß Herr Bundesanwalt Dr. Wunder erklärt hat. Ich werde es jetzt mit Ihrer Erlaubnis allgemeiner fassen.

Vors.:

Bitteschön.

[45] RA Sch[ily]:

Er werde die heute von der Verteidigung abgegebenen polemischen Äußerungen den Anwaltskammern zuleiten.

Vors.:

Herr Bundesanwalt, Ihre Erklärung steht in Frage, sie ist hier nicht in direkter Rede wiedergegeben, es wäre also interessant, wie Sie Ihre Erklärung im Gedächtnis haben.

BA[ Dr. Wunder]:

Ja einmal, ich habe hier einmal bereits interpretiert, daß ich die speziellen Erklärungen gemeint hab, die faschistischen Methoden der Bundesanwaltschaft, bzw. der Strafverfolgungsbehörden, im übrigen habe ich nicht erklärt, daß ich diese Teile der Anwaltskammer, oder den Anwaltskammern zuleiten werde, sondern ich habe den Herrn Vorsitzenden gebeten, dies zu tun.

RA Sch[ily]:

Ja gut, dann ändere ich das ab, daß er die Bitte äußert, daß der Vorsitzende diese Äußerungen den Anwaltskammern zuleitet.

Vors.:

Schön, Herr Janetzko, damit wir nicht durcheinanderkommen. Sie haben jetzt zunächst mal es so aufgenommen, wie Herr Rechtsanwalt Schily den Antrag gestellt hat. Verlesen Sie bitte das zunächst mal.

Herr Rechtsanwalt Schily beantragt wörtlich zu protokollieren.

[46] Protokollführer:

Herr Rechtsanwalt Schily beantragt wörtlich zu protokollieren, daß Herr Bundesanwalt Dr. Wunder erklärt hat, er werde die Äußerungen der Verteidigung den Anwaltskammern zuleiten.

Vors.:

Schön, Herr Rechtsanwalt, so war’s zunächst. Jetzt kommt die Erklärung auf dem Protokoll, die Herr Bundesanwalt Dr. Wunder gegeben hat, und jetzt protokollieren Sie bitte: Herr Rechtsanwalt Schily ändert seinen Antrag auf wörtliche Protokollierung dahin ab, daß Herr Bundesanwalt Dr. Wunder erklärt habe, er bitte den Vorsitzenden, die Erklärung der Verteidigung der Anwaltskammer zuzuleiten.

Ist das richtig so?

RA Sch[ily]:

Jawohl.

Protokollführer:

Bittet den Vorsitzenden, die Erklärung ...

Vors.:

Die Erklärung der Verteidiger der Anwaltskammer zuzuleiten. Und diese letzte Passage bitte ich nochmals zu verlesen.

Protokollführer:

Herr Rechtsanwalt Schily ändert seinen Antrag auf wörtliche Protokollierung, darin ab, daß Herr Bundesanwalt Dr. Wunder erklärt habe, er bittet den Vorsitzenden, die Erklärung der Verteidigung den Anwaltskammern zuzuleiten.

Vorgelesen und genehmigt.

[47] Vors.:

Ja, das Gericht beabsichtigt nun, darüber zu beraten, ob die Anwälte zuzulassen sind. Das ist ja die beantragte Entscheidung.

Herr von Plottnitz. Bitte Protokoll Mikrophon einstellen; haben Sie es vielleicht ausgestellt, Herr Rechtsanwalt?

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ja, ich hatte es ausgestellt.

Eine Erklärung zu dem, was der Vertreter der Bundesanwaltschaft hier im Zusammenhang mit der Zuleitung von Äußerungen an Anwaltskammern gesagt hat. Mir scheint es erforderlich, der Bundesanwaltschaft nachdrücklich zur Kenntnis zu bringen, daß sich die Verteidigung durch Drohungen solcher Art, Drohungen, mögen sie Anwaltskammern betreffen, oder Ausschlußverfahren, hier nicht disziplinieren lassen würden und auch nicht einschüchtern lassen würden.

Vors.:

Gut.

Herr Rechtsanwalt Riedel.

RA R[iedel]:

Herr Vorsitzender, meine Kollegin Becker ...

RA’in B[ecker]:

Ehe sich das Gericht zur Beratung zurückzieht, möchte ich noch einen Antrag stellen und zwar, daß die Angeklagten sich untereinander während der Verhandlungspausen sprechen können und daß wir mit allen Angeklagten [48] in der Verhandlungspause sprechen können.

Vors.:

Auch darüber werden wir jetzt beraten, ob das möglich ist. Dazu werden wir auch noch bitten, daß vielleicht Herr Regierungsdirektor Nusser ganz kurz zum Senat runter kommt, um uns zu sagen, welche technische Möglichkeiten in dieser Hinsicht hier im Gebäude bestehen.

Entschuldigen Sie, ich möchte natürlich den übrigen Herrn Verteidigern auch Gelegenheit geben. Wollen Sie sich zu diesen ganzen Vorgängen äußern?

Ich sehe nicht; gut, dann unterbrechen wir kurz.

Der Senat zog sich um 10.00 Uhr zur Beratung zurück.

Wiedereintritt des Senats um 10.47 Uhr.

Vors.:

Der Senat hat folgendes

beschlossen:

„Die Anwälte können die von ihnen verteidigten Mandanten in den Vorführzellen während der Verhandlungspausen, in denen die Verbringung der Angeklagten in die Zellen angeordnet ist, sprechen. Der weitergehende Antrag wird abgelehnt.“

Zur Begründung: Die Regelung der Sprechgelegenheit entspricht dem Gesetz, das jeweils nur die Verteidigung eines Angeklagten durch einen Anwalt vorsieht.[25] Der Zusammenschluß mehrerer Angeklagter wird nach der Handhabung des Senats nur in Einzel- [49] fällen zugelassen. Davon während der Sitzung abzuweichen, besteht kein Anlaß.

Es bleibt bei der Sitzanordnung in der Anklagebank. Dies geschieht aus Sicherheitsgründen. Die Begleitung durch Wachpersonal ist im Sitzungssaal im übrigen allgemein üblich. Zum ungestörten Verkehr zwischen Angeklagten und Verteidigung ist anderwärts Gelegenheit gegeben. Dazu dient nicht der Sitzungssaal.

Aber die gravierendste Entscheidung betrifft den Antrag auf die Verteidigung durch die Herrn Dr. Croissant, Groenowold und Ströbele.

Hier hat der Senat

beschlossen:

„Die Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele dürfen aus Rechtsgründen in diesem Verfahren keinen der Angeklagten verteidigen.

Zur Begründung:

Die genannten Anwälte sind durch Beschlüsse des Oberlandesgerichts Stuttgart von der Verteidigung des Angeklagten Baader ausgeschlossen worden. Dieser Ausschluß erstreckt sich nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift des § 138a StPO[26] auf das gesamte Verfahren, hindert auch also an der Verteidigung aller Angeklagten dieses Verfahrens. Nach der derzeitigen Regelung sind die Verteidiger lediglich in der Lage, Mitangeklagte dieses Verfahrens in einem anderen Verfahren zu verteidigen.“

Es ist noch zu bemerken, daß der erste Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart, der den Ausschluß ausge- [50] sprochen hat, keinen Anlaß hatte, einen anderen Angeklagten in den Ausschlußbeschlüssen als Herrn Baader zu erwähnen, einfach deshalb, weil die betroffenen Verteidiger nur Herrn Baader verteidigten.

Im übrigen ist auf den Antrag der Bundesanwaltschaft, die Verteidigerrechte der genannten Rechtsanwälte vor läufig zu entziehen, bei dieser Rechtslage nicht einzugehen.

BA Dr. Wunder:

Herr Vorsitzender, ich bitte um Unterbrechung der Sitzung, weil wir gegen diese Rechtsauffassung des Senats große Bedenken hegen und ergänzende Erklärungen vorbereiten möchten.

Vors.:

Wollen die Herren Verteidiger sich dazu äußern?

RA Sch[ily]:

(Anfang nicht zu verstehen) ... unterbrechen.

Vors.:

Wir werden dann unterbrechen. Können Sie uns ungefähr voraussagen, welche Zeit es beansprucht?

BA Dr. W[under]:

Ich denke an etwa eine Stunde, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Das würde dann bedeuten, daß wir in die Mittagspause kommen, mit der weiteren Folge, daß wir erst heute nachmittag fortsetzen. Dann bitte ich, die Angeklagten wieder zurückzubringen, zum Mittagessen.

Wir setzen dann die Sitzung heute, wenn alle Beteiligten [51] einverstanden sind, 13.30 Uhr fort.

Ist es Ihnen genehm?

RA Sch[ily]:

Ich würde vorschlagen 14.00 Uhr.

Vors.:

Nachdem wir jetzt eine Stunde hinzuverwenden[h], Herr Rechtsanwalt ...?

RA Sch[ily]:

Wir sind ja normalerweise, haben wir gerechnet mit einer Mittagspause, etwa zwischen 12.00 Uhr und 14.00 Uhr. Sie müssen damit doch rechnen, daß die auswärtigen Anwälte doch etwas Schwierigkeiten haben.

Vors.:

Ich möchte nur nicht ein Präjudiz schaffen, daß die Mittagspause grundsätzlich drei Stunden umfaßt.

RA Sch[ily]:

Nein, das sicherlich nicht. Wie haben Sie denn normalerweise die Mittagspause vorgesehen?

Vors.:

Wir haben gewünscht, daß wir gegen 12.00 Uhr - 12.30 Uhr zu Ende[i] sind, 14.00 Uhr uns wieder treffen.

RA Sch[ily]:

Zwei Stunden hatte, so hatte ich auch an sich mir das vorgestellt.

Vors.:

Aber jetzt haben wir drei Stunden auf diese Weise. Deswegen meine ich, könnten wir diese halbe Stunde vielleicht zugewinnen.

[52] RA Sch[ily]:

Ja. Nur wenn da einmal sich eine Verschiebung ergibt, ist das immer ein bißchen schwierig. Weil man sich darauf einrichtet, auf eine feste Mittagspause, in einer gewissen Zeit.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, fürchten Sie nicht, daß sich diese Einrichtung ohnehin nicht auf die Dauer aufrechterhalten läßt. Ich glaube, wir werden verschiedentlich in der Beweisaufnahme die Zeit zugeben.

RA Sch[ily]:

Schön.

Vors.:

Wären Sie einverstanden, 13.30 Uhr Fortsetzung? Bis dahin wird die Sitzung unterbrochen.

RA v[on] P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, ich bitte noch um die Gelegenheit, einen Antrag stellen zu können. Und zwar einen Antrag, der betrifft die Fragen, die schon für die vergangene Sitzungspause, von der Kollegin Becker, in Form eines Antrages angesprochen worden ist. Ich beabsichtige eine gleichartige Regelung, als generelle Regelung für diese Hauptverhandlung zu beantragen. Ich bitte um Gelegenheit, diesen Antrag jetzt stellen zu können und begründen zu können, weil die Hauptverhandlung fortgesetzt wird und angestrebt ist, diese in der Regelung für die Zukunft einzuführen.

Vors.:

Um was geht es dabei?

[53] RA v[on ]P[lottnitz]:

Da geht es um die Frage, um folgende Fragen. Und zwar beantragen wir:

RA v[on ]Plottnitz verliest nunmehr den aus Anlage 4 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrag, der anschließend übergeben und dem Protokoll beigefügt wird.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ich bitte das, was wir zur Begründung dieses generellen Antrages ausgeführt haben, auch als Gegenvorstellung[27] dann zu betrachten, gegenüber dem Beschluß, den wir vorher gehört haben. In Ergänzung hierzu noch ein Wort zur Frage der Sitzordnung, auf der Bank der Angeklagten.

Wenn Senat und Bundesanwaltschaft hier behaupten, Sicherheitsrisiken machten diese Regelung, wie sie jetzt besteht erforderlich, so wird damit im Klartext behauptet, daß die Sicherheit in diesem Saal gewährt wird, wenn während der Dauer der Hauptverhandlung, während die Hauptverhandlung also läuft, die Rechte aus § 148 StPO suspendiert sind. Es ist auch nicht richtig, wenn der Senat sagt, es sei in Hauptverhandlungen üblich, daß Wachpersonal in einer Weise plaziert wird, die die Kommunikation zwischen Verteidigung und Mandanten akustisch überwacht. Das ist nicht zutreffend, daß in anderen Hauptverhandlungen nicht üblich. Ich bitte daraufhin den Beschluß nochmals zu überprüfen und sicherzustellen. Das kann doch kein Problem sein, die Wachtmeister statt [54-57][28] [58] neben die Mandanten, hinter die Mandanten auf die Stühle, die sich hinter der Bank befinden, plazieren.

Vors.:

Dankeschön.

Nur zu einem Punkt: Ist es Ihnen nicht bekannt, daß der Hofgang für die Dauer der Hauptverhandlung, der gemeinschaftliche Hofgang zwischen den Männern einerseits und den Damen andererseits, bereits genehmigt ist?

RA v[on] P[lottnitz]:

Ist mir nicht bekannt.

Vors.:

So kann man also davon ausgehen, wenn ich Ihnen das jetzt mitteile, daß das nicht mehr Gegenstand Ihres Antrags sein wird.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Herr Baader, höre ich, sagt gerade, daß diese Regelung bislang nicht praktiziert wurde. Das ist überhaupt ein Dilemma in diesem Verfahren, daß die Verteidigung über Verfügungen des Senats, die die Haftbedingungen betreffen, gerade die neuesten Verfügungen entweder überhaupt nicht oder sehr spät erst informiert worden ist.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, das ist nicht so, daß Ihnen das vorenthalten werden soll, sondern Sie wissen, diese Verfügungen sind zum Teil durch bestimmte Ereignisse hervorgerufen worden, die mußten sehr rasch ergehen. Das ist der einzige Grund dafür. Es ist auch so, das konnte [59] nicht praktiziert werden, weil diese Verfügung gilt für die verhandlungsfreien Tage. Während der Verhandlung selber ist ein gemeinschaftlicher Hofgang nicht durchzuführen. Das paßt nicht in den ganzen Rhythmus des Anstaltsgeschehens herein.

Ich wollte es Ihnen nur gesagt haben, damit dieser Punkt des Antrags von vornherein vielleicht gegenstandslos wird.

RA v[on] P[lottnitz]:

Das ist richtig.

Ich überreiche den Antrag schriftlich.

Vors.:

Wir werden dann jetzt, wenn die Bundesanwaltschaft Gelegenheit nehmen will, noch dazu Stellung zu nehmen, die Unterbrechung zurückstellen[j].

BA Dr. W[under]:

Soweit über den Antrag nicht bereits entschieden ist, treten wir ihm entgegen.

Vors.:

Danke.

Dann kommen wir zur Unterbrechung. 13.30 Uhr Fortsetzung.

- Der Senat zog sich um 11.15 Uhr zur Beratung zurück. -

- Ende des ersten Tonbandes -

[60] Fortsetzung um 13.35 Uhr in derselben Besetzung von heute morgen.

Vors.:

Bevor die Bundesanwaltschaft Gelegenheit bekommt, ihren Antrag zu stellen bzw. sich zu äußern, möchte ich noch einige kleine Dinge bekanntgeben:

Zunächst, Frau Ensslin, ist uns bekanntgeworden, daß Sie heute früh geraucht hätten im Sitzungssaal. Das ist dem Gericht entgangen. Ich würde drum bitten, das in Zukunft zu unterlassen. Das Gericht wird den Sitzungssaal natürlich nicht zum Rauchzimmer machen lassen.

Dann ist heute früh gefragt worden, mit was es zusammenhinge, daß einige Zuschauer während der Sitzung erst kamen, also offensichtlich zu spät. Wir haben uns überzeugt durch Berichte, die uns gegeben wurden, daß diese Zuschauer entsprechend spät gekommen sind. Die Kontrollen waren nicht früher möglich. Es ist also keinesfalls so, daß zurückgehalten wurde.

RA Schily:

Ich darf dazu folgendes sagen:

Ich hatte ja gebeten zu protokollieren. Ich weiß nicht, ob dem Antrag bisher entsprochen worden ist, oder was Sie beabsichtigen mit dem Antrag, wie Sie da entscheiden wollen. Aber ich habe ganz gegenteilige Informationen zu dem, was Sie jetzt grade vorgetragen haben, und zwar sind eine Reihe von Zuhörern bereits sehr zeitig hier erschienen. Ich habe auch die Namen; beispielsweise ein Mann, der hier erschienen ist als Zuhörer war um 7.00 Uhr da, um 7.00 Uhr, und ist um 9.20 Uhr in den Saal eingelassen worden, und nach seinen Beobachtungen waren zu diesem Zeitpunkt noch 30 Plätze ca. frei. Es sind weitere Personen hier erschienen - 7,45 Uhr -, die dann wohl erst um 9.45 Uhr hereingekommen sind[k]: [61] eine Person um 8.00 Uhr, die um 9.45 Uhr erst hereingekommen ist; eine Person um 8.15 Uhr, die um 9.45 Uhr hereingekommen ist; eine Person um 8.30 Uhr, um 9.45 Uhr hereingekommen; und eine Person um 8.45 Uhr.

Also wenn hier schon derartig penible Kontrollen durchgeführt werden, dann muß sichergestellt werden, daß die Kontrollen abgestellt, also so durchgeführt werden, daß alle Personen kontrolliert und in dem Saal sind, bevor die Verhandlung beginnt, und ich bitte ausdrücklich zu protokollieren das, was ich jetzt soeben hier dem Senat mitgeteilt habe; denn ich meine, daß das Prinzip der Öffentlichkeit bereits heute in den ersten Stunden der Verhandlung verletzt worden ist.

Vors.:

Gut. Protokolliert ist es. Insoweit können Sie beruhigt sein. Wir führen ja dieses Wortprotokoll. Im übrigen, der Senat wird selbstverständlich darauf achten, daß die Kontrollen zügig abgewickelt werden. Uns ist der Vorfall nicht bekannt gewesen, den Sie uns jetzt im einzelnen schildern; unsere Mitteilungen waren andere.

RA Sch[ily]:

Ich stelle soeben fest, daß wiederum die Verhandlung beginnt und einige Journalisten noch nicht mal im Saal Platz gefunden haben.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, das ist keine Frage, die das Gericht zu verantworten hat. Wir wissen ja nicht, wann die Herrn gekommen sind. Wir sind nicht dafür verantwortlich, daß Zuschauer und Presse pünktlich da sind; sie haben das Recht, frei zuzugehen, wann sie wollen und zu gehen, wann sie wollen.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, das ist sicherlich richtig.

Aber wenn Personen sich pünktlich eingefunden haben, und ich habe hier ... ich kann den Namen mitteilen: Ein Herr Werner [62] Robbers, der um 7.00 Uhr heute morgen da war, ...

Vors. (wirft ein):

Sie sagten es.

RA Sch[ily]:

... wird erst um 9.20 Uhr hier in den Saal gelassen worden.

Vors.:

Wir werden dafür sorgen, daß solche Vorkommnisse, wenn sie zutreffen - ich muß zunächst mal davon ausgehen - sich nicht wiederholen.

Es ist dann ferner zu verkünden, was auf den Antrag von Herrn Rechtsanwalt v[on] Plottnitz, der zuletzt gestellt worden ist, vom Senat beschlossen wurde:

„Auf den Antrag des Rechtsanwalts v[on] Plottnitz, den Angeklagten während der Sitzungstage und an sitzungsfreien Tagen Gelegenheit zu gemeinsamen Besprechungen zu geben, wird entschieden, daß es wie bisher bei der Einzelfallregelung bleibt.“

Dazu ist auszuführen, daß es keinen Anspruch auf Maßnahmen zur Durchführung einer sogenannten kollektiven Verteidigung[29] gibt; gleichwohl hat der Senat, weil er begreift, daß die Angeklagten ein Bedürfnis haben, ihre Verteidigungsangelegenheit miteinander zu besprechen, immer wieder Gelegenheit zu gemeinschaftlichen Besprechungen - zum Umschluß früher - zu gemeinschaftlichem Hofgang gegeben und dies, obwohl es sonst üblicherweise bei als Mittäter Angeklagten solche Vergünstigungen nicht gibt.

Mit der Entführung Lorenz[30] hat sich die Sicherheitslage verschärft. Der Senat hat alsbald, nachdem sich herausstellte, daß hier kein greifbarer Zusammenhang gegeben zu sein schien, die Maßnahmen wieder gelockert bis zu dem Terroranschlag in Stockholm.[31] Hier hat der Senat konkrete Hinweise bekommen, die Verbindungen befürchten lassen. [63] Es soll hier sein Bewenden dabei haben, daß z. B. der Rechtsanwalt Haag unter dem Vorwurf - das war ein Gegenstand auch des Haftbefehlsantrages, - möglicherweise an der Planung in Stockholm beteiligt gewesen zu sein steht[32] und inzwischen untergetaucht ist. Die Einschränkungen waren aus Sicherheitsgründen nach den Ereignissen in Stockholm unerläßlich.

Damit ist auch die Absicht des Senates durchkreuzt worden, die früher den Angeklagten schon bekanntgegeben worden war, daß wir in der Vorbereitungsphase des Prozesses, was die Besprechungsmöglichkeiten anlangt, einen großzügigen Maßstab anlegen wollten. Trotzdem ist inzwischen in der vergangenen Woche und in dieser Woche ein gemeinschaftliches Treffen möglich gewesen:

einmal von einer Stunde;

einmal von zwei Stunden.

Außerdem ist am Pfingstmontag Herrn Baader und Herrn Raspe die Gelegenheit gegeben gewesen, gemeinschaftlichen Hofgang zu machen, und es ist angeordnet, wie ich heut' früh schon erwähnte, generell an sitzungsfreien Tagen wieder gemeinschaftlichen Hofgang zwischen den Männern und den Frauen durchzuführen.

Damit hat der Senat ein weitgehendes Entgegenkommen gezeigt. Wie gesagt, das weicht von der Übung, die sonst bei Mittätern üblich ist, ab. Es liegen allerdings besondere Gründe dafür vor, die nicht zuletzt auch in der Dauer der Haft hier liegen.

Auf die Behauptungen, es werde hier eine bewußte Isolation betrieben, geht der Senat nicht ein.

Aus dem Antrag ist lediglich noch zu einer Passage eine Bemerkung zu machen: Es wird hier - ist auch heute früh öffentlich gesagt worden - davon gesprochen, die Untersuchungshaft habe nunmehr fast drei Jahre gedauert. Tatsache ist, daß die Untersuchungshaft von Frau Ensslin für dieses Ver- [64] fahren noch nicht mal neun Monate, bei Herrn Baader für dieses Verfahren noch nicht mal sieben Monate dauert. Vorher waren beide zwar in Haft, aber aus anderen Gründen.[33]

Bei Frau Meinhof trifft es zu, daß sie seit Juni 1972 in Untersuchungshaft ist; aber diese Untersuchungshaft galt gleichzeitig auch dem Berliner Verfahren, das inzwischen ja zu einer Verurteilung geführt hat.[34]

Lediglich Herr Raspe ist in der Tat seit Juni 72 ununterbrochen für dieses Verfahren in Untersuchungshaft.

Nunmehr, Herr Bundesanwalt, haben Sie Gelegenheit zu Ihren Ausführungen.

- Bundesanwalt Dr. Wunder verlas den Antrag, der als Anl. 5 dem Protokoll beigefügt ist. -

RA Sch[ily]: (nicht zu verstehen)

... Stellungnahme abgeben?

BA Dr. Wunder:

Danke schön.

Vors.:

Bitte. Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Sch[ily]:

Ich darf vielleicht in Ergänzung der Ausführungen von Herrn Bundesanwalt Dr. Wunder verlesen, wörtlich, aus einem Beschluß des Bundesjustizministers und der Länderjustizminister bzw. Senatoren.

Die Länderjustizminister und der Bundesjustizminister haben in der Zeit vom 5.-7. Mai 1975 eine Tagung abgehalten, und in Punkt 2 der Tagesordnung ist folgende Entschließung gefaßt worden - ich zitiere daraus -:

[65-67][35] [68] „Die Justizminister und Senatoren der Länder haben die Frage erörtert, ob die bestehenden gesetzlichen Vorschriften zur Verhinderung des Mißbrauchs von Verteidigerrechten ausreichen. Sie sind der Auffassung, daß die Vorschriften über die Ausschließung im Sinne einer besseren Wirksamkeit überprüft werden sollen. Unzulänglichkeiten haben sich besonders darin gezeigt, daß die Ausschließung sich nicht (wiederholt) sich nicht auf die Verteidigung von Mitbeschuldigten erstreckt.“

Das ist die Erklärung der Justizminister und des Herrn Bundesjustizministers, in dessen Hause ja dieses Gesetz entworfen worden ist, nämlich dieser Ausschließungstatbestand, der dann ab 1. Januar in Kraft getreten ist, und wenn das keine authentische (wiederholt) wenn das keine authentische Interpretation dessen ist, was jetzt im Gesetz steht, dann weiß ich nicht mehr, was eigentlich authentisch sein soll, und der Senat kann sich doch nicht einfach hier über den Wortlaut des Gesetzes und über diese offiziellen Verlautbarungen aus dem Bundesjustizministerium hinwegsetzen. Das - glaube ich - wäre wohl in keiner Weise vertretbar.

Vors.:

Danke schön.

Weitere Stellungnahmen seitens der Herren Verteidiger?

RA Sch[ily]: (Nicht zu verstehen)

... Tatsache, daß auch aus den Ausführungen des Herrn Bundesanwalts Dr. Wunder, daß er sich unserer Auffassung anschließt, daß die Verteidiger, die hier genannt worden sind, sofort hier in den Verhandlungssaal begeben dürfen, daß nur der Antrag gestellt wird,

die Rechte aus § 148[ StPO] vorläufig ruhen zu lassen ...

[69] Vors. (bemerkt dazwischen):

... und den Ausschluß der Rechtsanwälte

RA Sch[ily]:

... und den Ausschlußantrag gestellt hat, ja.

Vors.:

Ja.

RA Sch[ily]:

Aber er hat gesagt gleichzeitig: Sie sind vorläufig zur Verhandlung zuzulassen, und deshalb beantrage ich auch,

die Kollegen sofort jetzt in den Verhandlungssaal einzulassen.

Vors.:

Weitere Stellungnahmen seitens der Herren Verteidiger? Herr v[on] Plottnitz.

RA v[on] Plottnitz:

Ja, ich schließe mich dem an, was von dem Kollegen Schily zum Schluß gesagt worden ist.

Aus den Ausführungen der B. Anwaltschaft ergibt sich eine einzige Konsequenz: Die Kollegen sind nunmehr unverzüglich hier zuzulassen, damit ihnen Gelegenheit gegeben wird, zu dem Stellung zu nehmen, was die B. Anwaltschaft grade ausgeführt hat.

RA Riedel:

Ich beantrage, den Mitverteidiger, für den ich den Antrag gestellt hatte, zugelassen zur ... zur Verteidigung zugelassen zu werden, die Möglichkeit zu geben, hier vor Gericht jetzt Stellung zu nehmen zu dem, was die B. Anwaltschaft ausgeführt hat.

[70] Vors.:

Nun müssen wir zunächst mal darüber befinden, was die B. Anwaltschaft beantragt hat. Erst dann, ja, wir werden’s dann gleich zu uns nehmen; werden wir über die Frage, ob die Kollegen zuzulassen sind, uns hier äußern können.

Darf ich noch die Frage stellen? Was bedeutete, daß die Akten vorzulegen an den 1. Strafsenat? Was wir als Akten uns hier vorstellen können, wäre allenfalls ein Auszug aus dem Protokoll.

BA Dr. Wunder:

Selbstverständlich nicht die ganzen Gerichtsakten, sondern die Teile, die üblicherweise für ein Ausschlußverfahren notwendig sind.

Vors.:

- Das ist ja nun ’ne Antragssache der B. Anwaltschaft. Die Teile sollten schon bestimmt sein.

BA Dr. Wunder:

Die entsprechenden Stellen aus dem Hauptverhandlungsprotokoll.

Vors.:

Gut. Wenn das damit gemeint ist, dann sind wir uns darüber einig.

RA Sch[ily]:

An sich nicht. Gibt’s da schon ’ne Rechtsübung? Weil der Herr B. Anwalt Dr. Wunder sagt, üblicherweise. Hat sich da schon ’ne Übung ergeben.

Vors.:

Wen meinen Sie mit dieser Frage?

RA Sch[ily]:

Nein! Weil der Herr B. Anwalt Dr. Wunder sagt:

Die Akten sollen vorgelegt werden, die üblicherweise vorgelegt werden. Ich wollte nur mal wissen, ob’s da schon ’ne Übung gibt, sozusagen.

[71] Vors.:

Ich weiß nicht, ob der Herr Dr. Wunder Ihnen diese Frage beantworten will. Das Gericht kann wohl nicht damit gemeint sein mit dieser Frage.

RA Sch[ily]:

Nein, Nein! Sicherlich. Ich frage die B. Anwaltschaft.

Vors.:

Wie bitte?

BA Dr. Wunder:

Das Gesetz bestimmt, daß die Akten dem Senat vorzulegen sind.

BA Dr. Wunder:

Ja, nicht mehr, nicht mehr, erkläre ich.

RA Sch[ily]:

Sie haben nur gesagt, wenn ich Sie erinnern darf, Herr B. Anwalt Dr. Wunder, so sind die Aktenbestandteile vorzulegen, die üblicherweise vorgelegt werden. Deshalb[l] wollt’ ich mal wissen, welche Übung da bisher sich ... ob’s da schon ’ne Übung gibt in der Richtung?

BA Dr. Wunder:

Die B. Anwaltschaft legt überhaupt keine Akten vor. Das tut der 2. Strafsenat.

RA Sch[ily]:

Ja, das ist mir vollkommen klar.

Aber Sie haben doch gesagt, es sollen die ... Sie haben ja Ihren Antrag dann abgewandelt und haben gesagt: die Aktenbestandteile, die üblicherweise vorgelegt werden. Nun wollt’ ich mal wissen, ob’s das vielleicht schon gibt?

BA Dr. Wunder:

Die Aktenteile, die notwendigerweise vorgelegt werden.

[72] RA Sch[ily]:

Aha. Also üblicherweise wollen Sie nicht aufrechterhalten!

BA Dr. Wunder:

Die notwendigerweise vorgelegt werden.

Vors.:

Schön.

Wollen die Angeklagten zu diesem Punkte eine Erklärung abgeben?

RA’in Becker:

Ich möchte noch das Schreiben von ...

Vors.:

Frau Rechtsanwältin[m], ich habe im Augenblick gebeten bzw. den Angeklagten die Gelegenheit gegeben, sich zu äußern. Ich sehe aber nicht. Bitte.

RA’in Be[cker]:

Ich möchte noch das Schreiben von Rechtsanwalt Ströbele vorlegen, womit er das Mandat übernommen hat, und die Vollmacht und stelle auch für im den Antrag,

daß er unverzüglich in den Saal gelassen wird.

Vors.:

Ja. Gut.

RA’in Be[cker]:

Damit er zu dem Antrag Stellung nehmen kann der Bundesanwaltschaft.

- Das Schreiben wird[n] von Rechtsanwältin Becker übergeben und als Anlage 6 dem Protokoll beigefügt. -

[73-74][36] [75] Vors.:

Herr RA König, bitte sehr. Bitte Mikrophon. Protokoll ist eingestellt drüben? Geht nicht über Mikrophon. Da klappt irgendwas nicht. Haben Sie vielleicht bei Ihnen den Knipser falsch bedient?

RA Riedel:

Bevor der Herr Kollege König das Wort ergreift, ...

Vors.:

Ja, Herr RA Riedel. Die Tatsache, daß das Mikrophon gestört ist, rechtfertigt natürlich nicht, daß Sie jetzt das Wort ergreifen.

RA Rie[del]:

(Nicht zu verstehen)

Vors.:

Im Augenblick hat Herr RA König das Wort erteilt bekommen, und ich bitte ihn auch ... Aber ich lege jetzt Wert darauf, daß die Worterteilung, die gegeben worden ist, auch erfüllt werden kann.

RA Rie[del]:

... bitte ich um Entscheidung darüber, ob es mir verweigert wird, dazu vorab eine Erklärung abzugeben. Die Absicht, daß Herr König sprechen will, veranlaßt mich dazu, vorab eine Erklärung abzugeben.

Vors.:

Einverstanden.

Nach geheimer Umfrage verkündet der Vorsitzende den Beschluß:

Der Senat hat beschlossen, Herr RA König hat zunächst das Wort.

RA König:

Der Herr B. Anwalt hat zur Begründung ...

Angekl. Baader:

Herr RA König Sie haben auch grundsätzlich nichts zu sagen[37] ...

(Folgendes war nicht zu verstehen, da nicht über die Mikrophonanlage gesprochen wurde.)

[76] Vors.:

Herr Baader, auch Sie werden nicht die Gelegenheit haben, das Wort, das jetzt erteilt ist, dem Herrn RA zu entziehen.

Angekl. Ba[ader]:

... spricht nicht in meinem Namen und meinem Auftrag.

Vors.:

Gut. Das wird zur Kenntnis genommen.

Herr RA König, bitte schön.

RA König:

Ich darf vielleicht vorab erklären, ...

(Angekl. Ba[ader] ist nicht zu verstehen)

Vors.:

Im Augenblick, Herr Baader, hat Herr RA König das Wort.

Es ist kein Grund gegeben, daß wir Ihnen jetzt zuhören. Sie werden nachher Gelegenheit haben, sich dazu zu äußern.

Bitte, Herr RA König.

RA König:

Um Herrn Baader zu beruhigen: Ich spreche nicht für ihn, ich verteidige Frau Meinhof und nicht Herrn Baader.

Zur Sache selber:

Der Herr B. Anwalt hat sich zur Begründung seiner Gegenvorstellung und seines Antrags teilweise auf Antragsschriften in Bezug auf die Ausschließung der Herren Croissant, Ströbele und Groenewold berufen. Ich kenne diese Anträge nicht.

(Zwischenruf der Angekl. Meinhof; nicht über Mikrophonanlage)

RA König:

Ich habe diese Anträge bisher auch nicht zugestellt bekommen. Ich glaube deshalb, daß zur Vervollständigung ...

[o]

(RA Riedel nicht zu verstehen)

Vors.:

Herr RA, es hat im Augenblick, Herr RA König ... Herr RA König hat jetzt das Wort, und ich bitte Sie, sich dran zu halten, daß ich hier das Wort zu erteilen habe. Der Senat hat, [77] nachdem Sie meine Verfügung beanstandet haben, das bestätigt.

Herr RA, bitte sehr.

RA König:

Ich bitte deshalb darum, zur Vervollständigung dieses Antrages uns die Antragsschriften zur Kenntnis zu bringen.

Vors.:

Ist in Ordnung.

RA v[on ]P[lottnitz]:

... veranlaßt mich, zunächst mal den Antrag zu teilen, daß das, was Frau Meinhof zur Erklärung des RA König gesagt hat, wörtlich zu protokollieren und anschließend verlesen zu lassen.

Vors.:

Mich veranlaßt Ihr Verhalten als RAe, daß ich Sie darauf hinweise, daß wir hier eine Verfahrensordnung haben, die auch für Sie gilt. Danach erteilt der Vors. das Wort. Ich habe das Wort[p] Herrn RA König, der sich als erster gemeldet hat, erteilt. Es wurde beanstandet. Es ist dann entsprechend vom Senat beschieden worden. Sie müssen sich an diese Verfahrensordnung halten.

RA Sch[ily]:

Wenn ein Angekl. den Eindruck hat und den Eindruck haben muß, daß durch die Wortmeldung eines aufgezwungenen Verteidigers ihm Nachteile im Verfahren entstehen, dann ist es sein gutes Recht, eine solche Wortmeldung zu unterbrechen und darauf hinzuwirken, daß dieser aufgezwungene Verteidiger diese Erklärung nicht abgibt.

Vors.:

Herr RA ...

RA Sch[ily]:

Es ist sein selbstverständliches und gutes Recht, und an die Prozeßordnung, an die halten wir uns sehr wohl.

[78] Vors.:

Dann müssen Sie nicht vom guten Recht sprechen. Wir verstehen das auch ein bißchen, was die Prozeßordnung besagt, und wir glauben, daß der Verfahrensgang, wie ich ihn eben angezeigt habe, wohl der richtige ist.

Frau Meinhof, Sie wollten eine Erklärung abgeben. Bitte schön.

RA Riedel:

Herr Vorsitzender, vorab bitte ich wörtlich zu protokollieren, daß ich beantragt hatte, vor der Erklärung oder vor der Stellungnahme des RA König eine Erklärung abgeben zu dürfen.

Vors.:

Das ist keine Frage der wörtlichen Protokollierung.

Dann müssen Sie Ihre Erklärung, die Sie wörtlich protokolliert haben, wollen, sagen. Wir können nicht immer in indirekter Weise feststellen, was Sie eigentlich wörtlich protokolliert haben wollen.

RA Riedel:

Der Wortlaut dessen, was ich beantrage, wörtlich zu protokollieren, ist schlicht und einfach der, daß ich beantragt hatte, mir das Recht einzuräumen, eine Erklärung vorab ...

Vors.:

Langsam, damit die Herren mitkommen.

RA Riedel:

... abzugeben.

Vors.:

Ja.

Protokollführer:

Der Schluß fehlt mir.

Vors.:

Der Schluß fehlt im Protokoll noch, von Ihren Ausführungen eben.

RA Riedel:

Daß ich das Recht ... daß ich beantragt hatte, mir das Recht einzuräumen, eine Erklärung vorab abgeben zu dürfen.

[79] Vors.:

Das wird sich zwar aus dem Tonbandprotokoll auch noch genau ergeben. Sie haben ja den Text dann nicht zur Verfügung. Aber lesen Sie bitte vor: RA Riedel hat beantragt, wörtlich zu protokollieren, daß ...

Protokollführer:

... daß er beantragt hatte, mir das Recht einzuräumen, eine Erklärung vorab abgeben zu dürfen.

RA Riedel:

Weiterhin bitte ich wörtlich zu protokollieren den Wortlaut dessen, was[q] die Mandantin versucht hat bzw. erklärt hat, während der Kollege König sprach.

Vors.:

Ich kenne diesen Wortlaut nicht. Ich habe das nicht mitbekommen, denn der Herr RA König hatte das Wort. Aber Frau Meinhof hat jetzt die Gelegenheit, sich zu äußern, was sie ...

RA Riedel:

Die Mandantin hat erklärt - das bitte ich wörtlich aufzunehmen - ...

Vors.:

Herr RA, im Augenblick soll Ihre Mandantin die Erklärung abgeben. Wir sind an Ihren Erklärungen, was die Mandantin im Augenblick erklärt hat, wenn Sie’s wörtlich protokolliert haben wollen[r], weniger interessiert.

RA Riedel:

Ja, zwangsläufig. Herr Vors., das ist doch wohl ein Streit um Kaisers Bart, ob der Verteidiger des Betroffenen hier das wörtlich zu Protokoll gibt, was[s] protokolliert werden soll oder die Mandantin selber. Nicht wahr, dazu ist der Verteidiger ja da.

Vors.:

Keineswegs.

RA Riedel:

Und die Mandantin hört ja mit, und wenn sie meint, daß ich etwas zu Protokoll diktiere, was sie nicht gesagt hat, dann kann sie das ja richtigstellen.

[80] Vors.:

Das Gericht hat keine wörtliche Erklärung von Frau Meinhof zur Kenntnis nehmen können, weil es nicht verständlich war. Sie hat also die Gelegenheit, uns diese Erklärung zu geben, sonst können wir doch nicht fertigprotokollieren.

RA Riedel:

Diese Gelegenheit bitte ich ihr jetzt einzuräumen, dann kann sie ja wiederholen.

Vors.:

Hatte sie schon seit zwei Minuten, die Gelegenheit.

Frau Meinhof, bitte schön.

Angekl. Meinhof:

Ja, das ist einfach.

Hört man das?

Vors.:

Schlecht. Wir wollen mal sehen, daß Ihr Mikrophon auch in Gang kommt.

Angekl. Meinhof:

Gut. Es handelt sich bei diesen Herren um Zwangsverteidiger.[38] Keiner von denen hat im geringsten das Recht ...

Vors.:

Halt. ’s läuft nicht über Band. Frau Meinhof, entschuldigen Sie bitte, es läuft nicht auf Band. Wir müssen’s ja auf’s Protokoll bekommen. Es ist nicht meine Schuld.

Angekl. Meinhof:

Lassen Sie mich mal ausreden!

Angekl. Ba[ader]:

Ja, was sollen denn diese Mätzchen hier, verdammt noch mal!

Ist doch jedem klar, worum’s hier geht. Jedem der Verhandlungsbeteiligten ist vollkommen klar, ...

Vors.:

Ja, Herr Baader. Ich glaube, Frau Meinhof ist „Manns genug“, ihre Erklärung selbst abzugeben.

Angekl. Me[inhof]:

... laßt uns reden.

Angekl. Ba[ader]:

Das ist doch ganz sicher nicht Ihr Problem.

[81] Vors.:

Ist das eine Kollektivverteidigung, wenn Sie nun kollektiv hier durcheinanderreden?

Angekl. Ba[ader]:

Aber nun hören Sie doch mit Ihren dummen Witzen auf! Kommen Sie zur Sache! Es ist wirklich wesentlich besser. wenn Sie hier auf diese Weise ...

Vors.:

Herr Bader, Sie haben im Augenblick nicht das Wort.

Angekl. Ba[ader]:

... zwischen dem Gericht und den Angeklagten vorstellen, dann lassen Sie doch den Quatsch ganz einfach, sondern kommen Sie zur Sache. Das ist wirklich besser.

Vors.:

Kommt das, was Frau Meinhof eigentlich sagt, irgendwie auf Band?

Angekl. Me[inhof]:

Hör doch mal auf mit dem Unterbrechen! Laß uns doch mal ausreden.

Angekl. Ba[ader]:

Sie haben doch zwei Methoden: Sie unterbrechen uns auf der einen Seite oder Sie manipulieren uns mit Ihrer Aufnahmeanlage.

Vors.:

Gewiß. Mit der Technik machen wir’s unmöglich, daß Sie Erklärungen abgeben können.

Angekl. Ba[ader]:

Sie erschweren es.

Vors.:

’S tut mir leid, daß das Band nicht läuft; ich hätte es lieber reibungslos, daß es draufkommt. Ist das jetzt gewährleistet?

Bitte Frau Meinhof, wenn Sie doch nochmals beginnen wollen.

Angekl. Me[inhof]:

Ja, es ist einfach. Es handelt sich bei diesen Zwangsverteidigern um Instrumente der B. Anwaltschaft.

[82] Protokollführer:

’S geht immer noch nicht.

Angekl. Me[inhof]:

... aufgezwungen worden. Staatsschutzverteidiger, die sich in einem Abhängigkeitsverhältnis von der B. Anwaltschaft befinden, bei denen bei jeder Äußerung davon auszugehen ist, daß sie gegen uns gerichtet ist, und natürlich überhaupt dazu keine Legitimation unsererseits dazu besteht; und das ist zu protokollieren.

Vors.:

Ist das auf’s Protokoll gekommen?

Protokollführer:

Nein.

RA Rie[del]:

Das ist nicht nur auf’s Band zu nehmen, sondern wörtlich zu protokollieren, Herr Vorsitzender. Das bitte ich auch zur Kenntnis zu nehmen.

Vors.:

Herr RA Riedel, darüber, was wörtlich protokolliert wird, hat ja nun der Vorsitzende auch mitzuentscheiden. Ich werde es wörtlich protokollieren, aber Sie müssen mir gestatten, daß ich es auch so verstehe, daß ich’s richtig aufnehmen[t] kann.

RA Rie[del]:

Aber es ist natürlich schwierig, Herr Vorsitzender, wenn das, was wörtlich protokolliert werden soll - und so es ja beantragt gewesen - und wenn darüber entschieden werden soll, dann muß es ja erst mal dastehen, nicht wahr, damit auch über den genauen Text, über den der Antrag gestellt wird, entschieden werden kann, und das zu diesem Zweck bitte ich doch dann das auch mitzuschreiben.

Vors.:

Eben. Wer?

RA Rie[del]:

Der Protokollführer natürlich.

Vors.:

Er hat auch sich bemüht, mitzuschreiben; aber ich bin nicht sicher, daß das so schnell geht. Haben Sie das wörtlich mitbekommen? Nicht. Dann wollen wir diese Erklärung jetzt [83] versuchen zu rekapitulieren, und zwar, was wörtlich ins Protokoll kommt. Aber es muß dafür gesorgt werden.

Ist hier niemand von der Technik da, daß dieses Ding da klappt? Jetzt tut’s ja! Hatten Sie den Knopf nicht an, den Drücker, Frau Meinhof?

Ja, Frau Meinhof, das war eine lange Erklärung. Wenn Sie wörtlich ... d. h. keine lange Erklärung, aber für’s wörtliche Protokollieren müssen wir’s schon festlegen, was Sie nun wünschen, was ins Protokoll wörtlich kommt. Würden Sie das langsam ins Protokoll diktieren, was Sie hier wörtlich festgehalten wissen wollen?

Angekl. Me[inhof]:

Ich stelle erst mal fest, daß diese Mikrophone ja hier wohl deswegen stehen und auch verschlossen gewesen sind, weil alles, was wir hier reden, über Sie mitgehört werden kann, abgehört wird. Im übrigen stelle ich mir natürlich vor, daß Sie das, was ich gesagt habe, verstanden haben und selbst protokollieren können. Sie sind verantwortlich für’s ...

Vors.:

Es geht um die wörtliche Protokollierung. Dazu ist nicht der Vorsitzende da, daß er die nun wörtlich diktiert, sondern das müssen schon Sie, die Sie Wert darauf legen, daß es wörtlich kommt, wiedergeben; aber wir haben gesehen, jetzt tut Ihr Mikrophon. Es wäre also jetzt die Gelegenheit, daß Sie’s wörtlich in das Mikrophon diktieren.

Angekl. Me[inhof]:

Es ist aber bemerkenswert, daß Ihnen das Gedächtnis sozusagen in dem Moment versagt, wo wir klarstellen, daß die Zwangsverteidiger Instrumente der B. Anwaltschaft sind.

Vors.:

Woher wissen Sie das? ...

[84] Angekl. Me[inhof]:

(Nicht zu verstehen) ... gegen uns eingesetzt als Staatsschutzverteidiger.

Vors.:

Woher wissen Sie, daß das Gedächtnis versagt? Ich meine nur, die wörtliche Protokollierung müssen Sie veranlassen.

Ich hab’s nicht wörtlich übernommen, was Sie sagten.

(Stimmengewirr)

RA Sch[ily]:

Wenn eine Erklärung abgegeben wird, dann diktiert der Vorsitzende, der ja für das Protokoll verantwortlich ist, die Formulierung ins Protokoll. So kennen wir’s doch eigentlich, gar nicht anders.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, wären Sie imstande, diese Formulierung jetzt wörtlich zu wiederholen? ...

RA Sch[ily]:

Das ist doch ... wie? Sie, hab’ ich die Verhandlungsleitung? Ich bin sehr gerne bereit ...

Vors.:

Ich bin nicht imstande dazu, das wörtlich wiederzugeben.

Ich bezweifle, daß Sie’s wären.

RA Sch[ily]:

Das ist eine andere Frage. Ich bin gerne bereit, Herr ...

Vors.:

Eben. Deswegen bin ich ja bemüht, da es auf wörtliche Protokollierung ankommt, daß es auch korrekt ins Protokoll kommt.

Frau Meinhof, bitte diktieren Sie die wörtliche Erklärung jetzt ins Protokoll.

[85] Angekl. Me[inhof]:

Es handelt sich bei diesen Verteidigern um Zwangsverteidiger, die als Instrumente der B. Anwaltschaft ohne jede Kompetenz, abhängige Staatsschutzverteidiger sind, d. h. ihrer Funktion in diesem Prozeß nach Vertreter der Anklagebehörden und der Staatsschutzabteilung. Keiner von ihnen ist legitimiert, auch nur ein Wort in unserem Namen und in unserem Auftrag zu sagen. Sie haben dazu keine Legitimation. So.

Vors.:

Bitte, wenn Sie es mitbekommen haben, verlesen Sie.

Protokollführer:

Der Schluß fehlt mir.

Vors.:

Wenn Sie irgendwo nicht mitgekommen sind ...

Angekl. Me[inhof]:

Außerdem ist zu protokollieren, daß die Manipulation an diesen Mikrophonen darauf schließen läßt, daß sie deswegen vorgenommen worden ist, um das, was wir hier sprechen, abzuhören.

Auch das ist zu protokollieren, selbstverständlich.

Vors.:

Ja. Was soll denn in einer öffentlichen Verhandlung für ein Interesse bestehen, abzuhören?

Angekl. Me[inhof]:

Dann erklären Sie, warum die Mikrophone manipuliert sind.

(RA Riedel ist nicht zu verstehen)

Vors.:

Augenblick, Herr RA Riedel, Herr Baader wollte was sagen.

[86] Ich möchte Sie nicht abschneiden. Aber wir wollen doch die wörtliche Protokollierung zu Ende bringen.

(Angekl. Ba[ader] nicht zu verstehen)

Vors.:

Könnten Sie das ein bißchen weniger gekrümmt vor sich halten, das Mikrophon?

Angekl. Ba[ader]:

(Nicht zu verstehen) ... daß die Mikrophone so geschaltet sind hier, daß sie permanent an sind, d. h., daß sie auch aufnehmen, die Kommunikation, die zwischen den Verteidigern und den Gefangenen stattfindet, ja sozusagen nichtöffentliche.

Vors.:

Das ist ein Irrtum, denn Sie ...

Angekl. Ba[ader]:

Das sagen Sie. Das ist aber falsch. Denn es ist deutlich formuliert worden, daß der Schalter, der an allen anderen Mikrophonen ist, mit dem man das Mikrophon ausschalten kann, der wird zugeklebt. Also die Einrichtung ist wirklich perfekt. Ganz abgesehen davon, daß jemand Kopf ab hin[u] geschrieben hat.

Vors.:

Im letzten Satz:

Was war mit dem Kopf?

Angekl. Ba[ader]:

Ich habe grade entdeckt, daß jemand neben das Mikrophon geschrieben hat „Kopf ab“. Was fällt Ihnen dazu ein?

[87] Vors.:

Das ist mir zu dunkel, dieser Sinn. Ich weiß nicht, was Sie damit wollen.

Darf ich jetzt bitten, vorzulesen, was Frau Meinhof wörtlich abgegeben hat? Wo Sie nicht mitgekommen sind, werden wir sehen, daß wir Ergänzungen kriegen.

Angekl. Ba[ader]:

Aber ich habe grad noch zu ergänzen (nicht zu verstehen) ...

Vors.:

Herr Baader, jetzt im Augenblick wird verlesen, was Frau Meinhof wörtlich ins Protokoll übernommen hatte. Sie haben jetzt das Wort nicht ...

Angekl. Baader:

(Dazwischenredend) ... noch zu ergänzen ...

Vors.:

Sie haben aber jetzt keine Möglichkeit.

Jetzt wird zunächst mal korrekt die wörtliche Protokollierung durchgeführt mit der Verlesung. Das schreibt das Gesetz vor; das ist nicht meine private Entscheidung.

Bitte, jetzt zu beginnen.

(Angekl. Ba[ader] nicht zu verstehen)

Protokollführer:

Es handelt sich bei diesen Verteidigern um Zwangsverteidiger, die als Instrumente der B. Anwaltschaft ohne jede Kompetenz, abhängige Staatsschutzverteidiger sind. ...

Vors.:

Das scheint mir ein bißchen kurz zu sein. Da war doch noch ein bißchen mehr dran.

Frau Meinhof, vielleicht helfen Sie dem Herrn Protokollführer noch. Ich meine, wir können’s auch von Band abnehmen, wenn Sie damit zufrieden sind. Wir lassen einfach das Tonband [88] zurücklaufen. Lassen Sie sich’s nochmal vorspielen, was war, dann haben wir’s ganz genau.

- An dieser Stelle wurde die Aufnahme kurz unterbrochen, da die Erklärung der Angekl. Meinhof auf dem Band zu suchen war. -

RA. R[iedel]:

... wie im Gesetz eben vorgesehen ist, dadurch, daß es niedergeschrieben wird und nicht auf’s Tonband aufgenommen wird.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, Sie haben recht.

Deswegen geben wir ja trotz dieses Wortprotokolls, das hier geführt wird, noch die Gelegenheit, wenn sie beantragt wird, wörtlich zu protokollieren. Bloß einen größeren Sinn hat es nicht; denn Sie finden nachher, wenn Sie unsere Ablichtungen bekommen, zunächst mal die Erklärung von Frau Meinhof.

RA Rie[del]:

Richtig.

Vors.:

Dann: Der Antrag ist wörtlich zu protokollieren. Dann dieses mühselige Gestoppel, dieses wörtliche Protokoll zusammenzubringen, das nachher im Zweifelsfall gar nicht mehr übereinstimmt mit dem, was hier gesagt wurde ...

RA Rie[del] (Dazwischenredend):

Das ist ja richtig. (nicht zu verstehen) ... formellen Unterschied und der auch rechtlich relevant sein könnte,[39] nicht wahr. Und deswegen muß man’s eben doch machen, und müssen diese Anträge gestellt werden und muß ihnen nachgegangen werden ... stattgegeben werden.

[89] Vors:

Ja. Wir werden’s uns mal überlegen, ob wir da nicht einen Modus finden, wie wir das vereinfachen können.

Haben Sie die Stelle jetzt wiederbekommen, meine Herrn?

- Hierauf wurde nach zweimaligem Vorspielen der Erklärung der Angekl. Me[inhof] diese vom Protokollführer vorgelesen und von den Beteiligten genehmigt. -

RA Sch[ily):

- Sofort nach dem Verlesen durch den Protokollführer stellte RA Schily fest, daß dieser für eine Erklärung, die recht knapp, präzise und klar war, eine halbe Stunde benötigte, und daraus sollten die nötigen Schlußfolgerungen gezogen werden. -

- Fortsetzung Tonbandprotokoll -

Vors.:

Gewiß.

Die Schlußfolgerungen sind - ich möchte doch den Vorschlag wiederholen - am einfachsten dadurch zu ziehen, daß wir uns auf das Wortprotokoll, d. h. das Band, das alles aufnimmt, verlassen. Sie sehen ja, da steht’s drauf und wird auch so wiederkehren.

RA Sch[ily]:

Der Unterschied zwischen [§ ]273[ StPO] und einem Protokoll, selbst wenn es also wörtlich wiedergibt, ist ja doch bekannt, sicherlich auch dem Senat bekannt.

Vors.:

Gewiß, ist es bekannt. Aber ich sage, wir könnten ja hier sicher einen Modus finden, daß man in solchen Fällen Bezug nimmt als wörtliche Protokollierung, wenn Sie bestimmte Passagen wünschen, ohne sie zu wiederholen. Vielleicht ließe sich das machen. Das muß mal überlegt werden.

[90] RA v[on ]P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, dieses halbstündige Intermezzo ...

Vors.:

Eine halbe Stunde hat’s nicht gedauert, aber bitte ...

RA v[on ]P[lottnitz]:

Naja. In etwa. In etwa. Ich nehm’s auch ... ’s kommt ja auch auf die Minute nicht drauf an. Auf jeden Fall war’s lang genug.

Man hat ja angefangen damit, daß grade hier ein Zwangsverteidiger, der meiner Mandantin zugeordnet ist, hier versucht hat, das Wort zu ergreifen, und ich meine, egal, wie es jetzt technisch, ob’s in der Zukunft technisch besser geht oder nicht, auf jeden Fall ein Weg gefunden wäre, derartige mißliche Unterbrechungen zu vermeiden, daß klargestellt wird, daß keiner der Zwangsverteidiger, zumindest sage ich das, es ist ja im Plural bei meiner Mandantin von Zwangsverteidigern zu sprechen, daß keiner dieser Zwangsverteidiger seitens des Gerichts, sei es auch aus eigener Machtbefugnis heraus, in diesem Verfahren die Gelegenheit bekommt, auch nur ein Wort zu den Vorgängen, die hier ablaufen, zu sagen; denn alles - das ist klar -, was meine Mandantin gesagt hat und unmißverständlich; denn alles, was Sie tun, alles, was Sie sagen oder in rechtlich relevanter Weise unterlassen, widerspricht den Interessen der Mandanten und ist gegen deren ausdrücklichen Willen gerichtet. Wie ein Verteidiger, der sich noch ... der diesen Namen verdient, in der Lage überhaupt ist, etwas Derartiges zu tun, was gegen den erklärten Willen gerichtet ist, das ist mir unverständlich. Bitte deshalb, Sorge zu tragen, daß so etwas überhaupt nicht mehr geschehen kann. Dann sind wir dieser ganzen Schwierigkeiten und auch diesen Verzögerungen auch enthoben.

[91] Vors.:

Selbstverständlich wird diesem Antrag in keiner Weise stattgegeben.

Wir haben hier keine „Zwangsverteidiger“, sondern Herren, die sich als Pflichtverteidiger hier mit allen Rechten der Verteidigung befinden und diese Rechte auch wahrnehmen, und zwar unverkürzt.

Im übrigen darf ich mein Erstaunen darüber zum Ausdruck bringen, daß Sie dieses Wort „Zwangsverteidiger“ so selbstverständlich übernehmen. Es sind Kollegen von Ihnen.

(Zwischenbemerkung nicht zu verstehen)

Vors.:

Das weiß ich. Ich sage aber, Sie übernehmen es. Wenn ein Angeklagter aus seiner Sicht das tut, jederzeit. Das ist seine Möglichkeit; das ist sein Recht, sich hier zu äußern und Ausdrucke zu verwenden, die er glaubt, sie seien richtig. Aber daß ein Rechtsanwalt vom andern Rechtsanwalt selbstverständlich solche Bezeichnungen übernimmt, das ist ...

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, wie soll ich denn jemanden bezeichnen?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, wir haben doch ausdrücklich vereinbart, daß wir eine gewisse Sprechdisziplin halten. Sie haben nicht mir das Wort jetzt im Augenblick abgeschnitten, sondern ihrem Kollegen Riedel. Ich kann auf diese Weise niemals ein geordnetes Protokoll herstellen. Deswegen bitte ich Sie um Wortmeldung. Bitte sehr, Herr Rechtsanwalt Schily.

[92] RA Sch[ily]:

Ich wollte dazu sagen, daß das Wort Zwangsverteidiger einen Sachverhalt korrekt und präzise beschreibt. Und wenn der Herr Vorsitzende der Meinung ist, daß wir hier dies als irgendeine obskure, da sage ich dann wirklich, obskure Kollegialität über die Wahrnehmung der Interessen unserer Mandanten stellen, dann sind Sie im Irrtum. Dann sind Sie in einem vollständigen Irrtum begriffen. Und wir stehen ja mit dieser Meinung gar nicht alleine. Es ist ja ein bekannter Strafverteidiger wie der Kollege Schmidt-Leichner. Nicht. Der hat doch sehr interessante Ausführungen zu diesem Problem gemacht in der Neuen Juristischen Wochenschrift.[40] Kann man ja nachlesen. Und das ist doch ein Vorgang, der sehr zu denken gibt.

Solange, es gibt ja den einzigen Ausnahmefall, wo vielleicht die Beiordnung eines Pflichtverteidigers angemessen sein könnte, wenn nämlich der Angeklagte sich partout weigert, überhaupt einen Anwalt seines Vertrauens zu benennen - vielleicht, weil er aus irgendwelchen Gründen dazu nicht in der Lage ist aus psychischen oder aus anderen Gründen -, das ist doch ein ganz anderer Fall. Aber hier ist das Wort korrekt: Zwangsverteidiger; und da wird keine Kollegialität verletzt, sondern da wird ein Sachverhalt korrekt beschrieben.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, Sie haben eine eigenartige Auslegung dieses Aufsatzes von Herrn Schmidt-Leichner. Ich kenne ihn auch. Er gibt Ihnen nicht das mindeste Recht, solche Ausführungen zu machen, wie Sie sie gerade gemacht haben.

Im übrigen:

Sie wissen selbst, daß ohne diese sog. Zwangsverteidiger im Augenblick zumindest gegen einen der Angeklagten das Verfahren das Verfahren schon nicht mehr durchführbar wäre.

[93] RA Sch[ily]:

Ist eigentlich auch nicht durchführbar.

Vors.:

Das ist Ihre Meinung.

RA Sch[ily]:

Ja.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, v[on ]Plottnitz.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ich möchte das ergänzen, was der Kollege Schily gesagt hat, und ich möchte festhalten, ...

Vors.:

Darf ich fragen, welchem [v] Zwecke dienen jetzt diese Ausführungen?

RA v[on ]P[lottnitz]:

Der Frage, zu der der Kollege Schily Stellung genommen hat.

Es ist eine Zumutung, hier von uns eine Kollegialität ... die Praktizierung einer Kollegialität zu verlangen, der die Interessen der Mandanten zum Opfer fallen soll. Das ist zwar das Prinzip, nach dem hier die Zwangsverteidiger, die sehr wohl als Zwangsverteidiger zu bezeichnen sind, bestellt worden sind. Das ist aber ein Prinzip, dem wir uns natürlich hier nicht unterordnen und dem wir hier ganz explizit[w] widersprechen.

Vors.:

Welches Interesse der Mandanten haben Sie denn im Auge?

[94] RA v[on ]P[lottnitz]:

Das Interesse der Mandanten, nicht verteidigt zu werden von Verteidigern, zu denen sie kein Vertrauen haben, mit denen sie jegliche Kommunikation ablehnen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich würde in Ihrem eigenen Interesse, da ich nicht wünsche, daß man Rechtsanwälte in öffentlichen Sitzungen mit Dingen konfrontiert, die unter Umständen eine sehr deutliche Abhängigkeit kundtun würden, bitten, dieses Gespräch nicht unbedingt zu vertiefen, sonst könnte ich Ihnen vielleicht durch einige Ausführungen, die man in den Zellen gefunden hat, nachweisen, daß Sie offenbar die Vorstellung haben, es müßten Rechtsanwälte sein, die sich ganz und gar den Vorstellungen der Mandanten unterordnen.

Das muß nicht sein.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Also Herr Vorsitzender, das ist eine ... mir fehlen die Worte.

RA Sch[ily]:

(Nicht zu verstehen) ... diszipliniert werden. Was wollen Sie uns denn hier? Wollen Sie uns drohen, Herr Vorsitzender!? Wollen Sie uns drohen mit irgend etwas?!

RA v[on ]P[lottnitz]:

Das ist unabhängig Ihnen gegenüber und der B. Anwaltschaft gegenüber zu sein, und nicht hier eine Unabhängigkeit von den Mandanten zu praktizieren, die darauf hinausläuft, daß man sie nicht mehr verteidigt.

Vors.:

Ich darf Ihnen nur aus der Feststellung des 1. Senates mitteilen, das in der Zelle gefunden wurde. Ich nehme nur diesen einen Satz jetzt im Augenblick vor.

[95] RA Rie[del]:

In Welchem Verfahren, Herr Vorsitzender, vorab ist das ...

Vors.:

Augenblick. Die Stelle darf ich wohl angeben, Herr Rechtsanwalt Schily.

(RA Schily ist nicht zu verstehen)

Vors.:

In dem Verfahrensstadium, das Sie im Augenblick herbeigerufen haben. Wir glauben, daß diese Ausführungen, die jetzt gemacht werden, für das Verfahren in keiner Weise dienlich sind.

RA Sch[ily]:

Naja. Dann ist doch die Frage:

Sind wir jetzt in der Beweisaufnahme?[41]

Vors.:

Ich bin gerne bereit, daß wir dieses Thema hier abbrechen.

Ich sagte ja ...

RA Sch[ily]:

Ja, sind wir jetzt in der Beweisaufnahme oder was ist jetzt ...

Vors.:

Sie haben doch im Augenblick sich über den Begriff der Zwangsverteidiger verbreitet, nicht der Senat. Der hat gar kein Interesse, das zu tun. Wir glauben jedenfalls, daß hier Verteidiger am Werke sind, die ihr Handwerk verstehen, und daß sie ganz unabhängig von den Meinungen, die Sie hier verbreiten, ihrer Pflicht als Verteidiger in jeder Phase dieses Verfahrens nachkommen werden.

Wollen wir’s damit abschließen. Ich glaube, daß der Senat jetzt Grund hat, sich zurückzuziehen und über die Anträge der B. Anwaltschaft Beschluß zu fassen.

Wir unterbrechen die Sitzung.

[96] - Der Senat zog sich um 14.20 Uhr zur Beratung zurück.

Nach Wiedereintritt des Senats um 15.45 Uhr wurde folgendes verkündet: -

Vors.:

Der Senat hat folgendes

beschlossen:

„Auf die Gegenvorstellung der Bundesanwaltschaft wird der heutige Antrag auf Ausschluß der Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold, Ströbele als Verteidiger der Angeklagten Raspe, Meinhof und Ensslin dem 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart gemäß § 138c Abs. 2 [x] StPO[42] zur Entscheidung vorgelegt.

Der Antrag der Bundesanwaltschaft wird den betroffenen Rechtsanwälten zu Händen ihrer Vertreter. der Herrn Rechtsanwälte v[on] Plottnitz, Riedel und Frau Becker, zur Stellungnahme bekanntgegeben.

Der Senat wird über den Antrag auf Ruhen der Verteidigerrechte aus [§]§ 147, 148 StPO

am Freitag, 23.5.1975

entscheiden.

Die Hauptverhandlung wird unterbrochen.

Fortsetzung am

Freitag. 30.5.1975 9.00 Uhr

in diesem Gebäude.

Zu diesem Termin werden alle Beteiligten hiermit geladen.“

[97] Zur Begründung:

Der Senat ist nach wie vor der Auffassung, daß gewichtige Gründe für die Auslegung des § 138a Abs. 1 S. 1 StPO sprechen, die seiner Entscheidung von heute zugrunde liegen. Es darf darauf hingewiesen werden, daß auch die gesetzgeberischen Bestrebungen in der gleichen Richtung verlaufen. Insbesondere Wortlaut und Zweck dieser Vorschrift sprechen dafür. Die Vorschrift läßt jedoch, wie die Ausführungen der [y] Beteiligten zeigen, immerhin verschiedene Auslegungen zu, wenn es auch authentische Auslegungen von Gesetzen, auf die sich hier ein Verteidiger berufen hat, nicht gibt.

Um jedoch die Rechte der Angeklagten hinsichtlich ihrer Verteidigung auf keinen Fall zu kürzen, sieht sich der Senat veranlaßt, dem Vorlageantrag stattzugeben. Gleichzeitig war die Hauptverhandlung - wie für diesen Fall gesetzlich zwingend vorgeschrieben - zu unterbrechen.

Es ist noch hinzuzufügen, daß, wenn die Frist, die bis zur Fortsetzung bestimmt ist, nicht ausreicht bzw. ausreichen sollte, ein neuer Fortsetzungstermin bekanntgegeben werden würde.

Der Senat ist sich bewußt, daß diese Entscheidung nur schwer auf Verständnis stoßen kann, zumal es auch schon im Bericht des Rechtsausschusses in der Bundestagsdrucksache 72989 heißt:

„Ein Verteidiger, der sich selbst strafbar verhält oder an kriminellen Aktionen der Mandanten beteiligt, ist, verletzt seine Aufgaben als Organ der Rechtspflege. Ihm fehlt damit die Legitimation, weiter in einem Verfahren als Verteidiger mitzuwirken.“

Die unklare Fassung des Gesetzes nötigt jedoch zu dieser Entscheidung, wobei der Senat nicht verkennt, daß diese Entscheidung in sich auch die Möglichkeit [z] birgt, daß in Zukunft weitere Verzögerungen infolge dieser Gesetzesfassung eintreten könnten.

Damit ist die Sitzung geschlossen.

[98] RA v[on ]P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, noch eine Frage: ...

Vors.:

Können wir dies außerhalb der Sitzung machen?

RA v[on ]P[lottnitz]:

Nein, nein.

... Ist sichergestellt, daß die Kollegen Croissant, Groenewold und Ströbele am Freitag, wenn fortgesetzt werden soll, um 9.00 Uhr als Verteidiger hier im Saal sind?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, von unserer Seite würden keine Bedenken dann bestehen, wenn etwa der Antrag auf Ausschluß durch den 1. Strafsenat abgelehnt sein sollte bis dahin. Das wäre natürlich die Voraussetzung.

RA Sch[ily]:

Können wir den schriftlich bekommen?

Vors.:

Der Beschluß kann schriftlich ausgefertigt werden und Ihnen morgen schnellstens zugeleitet werden.

RA Sch[ily]:

Ich bedanke mich.

Vors.:

Bitte sehr.

Ende der Sitzung: 15.50 Uhr.

- Ende des zweiten Tonbandes -


[1] In den Fällen der sog. notwendigen Verteidigung ist die Mitwirkung eines Verteidigers oder einer Verteidigerin gesetzlich vorgeschrieben (§ 141 StPO a.F.; seit dem 13.12.2019 [Gesetz zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019, BGBl. I, S. 2128] ist die Bestellung in manchen Fällen von einem Antrag des/der Beschuldigten abhängig, § 141 Abs. 1 StPO). Die notwendige Verteidigung ergab sich in diesem Verfahren daraus, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht stattfand (§ 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO) und dem Vorwurf eines Verbrechens (§ 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO; ein Verbrechen liegt vor bei einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr, § 1 Abs. 1 StGB a.F.; heute: § 12 Abs. 1 StGB), sowie der Inhaftierung der Beschuldigten für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten (§ 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO a.F.; heute ist die zeitliche Vorgabe entfallen). Auch zuvor gewählte Verteidiger/innen können als Pflichtverteidiger/innen bestellt werden. Für einige der sog. Vertrauensverteidiger/innen war dies geschehen, und zwar: Rechtsanwalt Schily und Rechtsanwältin Becker für die Angeklagte Ensslin, Rechtsanwalt Riedel für die Angeklagte Meinhof und Rechtsanwalt von Plottnitz für den Angeklagten Raspe. Zusätzlich wurden ihnen je zwei Verteidiger (gegen ihren Willen) durch das Gericht zur Sicherung des Verfahrens beigeordnet.

[2] § 137 Abs. 1 StPO lautet: „Der Beschuldigte kann sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers bedienen. Die Zahl der gewählten Verteidiger darf drei nicht übersteigen“.

[3] Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache (§ 243 Abs. 1 Satz 1 StPO). Hierdurch werden sowohl die Prozessbeteiligten als auch die Öffentlichkeit über den Beginn der Strafsache informiert.

[4] Die Anfertigung eines Wortprotokolls ist in deutschen Strafverfahren unüblich. Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO lediglich dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Sie wird durch den/die Vorsitzende/n auf Antrag oder von Amts wegen angeordnet.

[5] § 148 StPO a.F. (entspricht dem heutigen § 148 Abs. 1 StPO) lautet: „Dem Beschuldigten ist, auch wenn er sich nicht auf freiem Fuß befindet, schriftlicher und mündlicher Verkehr mit dem Verteidiger gestattet.“

[6] Der wörtlichen Protokollierung nach § 273 Abs. 3 StPO kommt ein besonderer Beweiswert zu: Die Beweiskraft des Protokolls bezieht sich nach § 274 StPO grundsätzlich nur auf die für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten. Wird aber ein Vorgang nach § 273 Abs. 3 StPO vollständig niedergeschrieben und verlesen, nimmt er an der Beweiskraft des Protokolls teil (Greger, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 274 Rn. 5). Das Verhältnis der wörtlichen Protokollierung gem. § 273 Abs. 3 StPO zum ständig mitlaufenden Tonband sorgte für manche Diskussionen (so etwa am 31. Verhandlungstag, S. 2495 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[7] Rechtsanwalt Siegfried Haag, der ursprünglich Andreas Baader als Pflichtverteidiger beigeordnet war, wurde wenige Tage vor Beginn der Hauptverhandlung vorläufig festgenommen, seine Kanzlei- und Wohnräume wurden durchsucht. Der beim Bundesgerichtshof beantragte Haftbefehl wurde zunächst abgelehnt. Als er im Beschwerdeverfahren schließlich erteilt wurde, war Haag bereits untergetaucht und hatte sich der RAF angeschlossen (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 212 f.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 69).

[8] Anlage 1 zum Protokoll vom 21.5.75: Presseerklärung des Rechtsanwalts Siegfried Haag.

[9] „Pflichtverteidiger des Vertrauens“ ist keine offizielle Bezeichnung. Sie dient hier der Abgrenzung derjenigen Pflichtverteidiger/innen, die von den Angeklagten zuvor als Wahlverteidiger/innen frei gewählt worden waren (§§ 137, 138 StPO) und vom Gericht auf Antrag als Pflichtverteidiger/innen (§§ 141, 142 StPO) beigeordnet wurden, von denjenigen Pflichtverteidigern, die den Angeklagten zusätzlich gegen ihren Willen zur Sicherung des Verfahrens beigeordnet wurden.

[10] Zwischen dem 22. April und dem 13. Mai 1975 wurden die Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele, zu diesem Zeitpunkt allesamt Verteidiger von Andreas Baader, auf Grundlage des erst am 1.1.1975 in Kraft getretenen § 138a StPO wegen des Verdachts der Tatbeteiligung (Unterstützung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB) von der Mitwirkung im Verfahren ausgeschlossen; zudem wurden strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 156 ff., S. 537 ff.; s. auch die angehängte Chronik in Dreßen [Hrsg.], Politische Prozesse ohne Verteidigung?, 1976, S. 104 f.).

[11] Anlage 2 a zum Protokoll vom 21. Mai 1975: Antrag des Rechtsanwalts von Plottnitz.

[12] Anlage 2 b zum Protokoll vom 21. Mai 1975: Verteidigungsanzeige und Prozessvollmacht des Rechtsanwalts Dr. Croissant (betr. Jan-Carl Raspe).

[13] Anlage 3 zum Protokoll vom 21. Mai 1975.: Antrag des Rechtsanwalts Riedel.

[14] Anlage 3 a zum Protokoll vom 21. Mai 1975: Verteidigungsanzeige und Prozessvollmacht des Rechtsanwalts Groenewold (betr. Ulrike Meinhof).

[15] Das Recht des/der Beschuldigten auf Hinzuziehung von bis zu drei Wahlverteidiger/innen in jeder Lage des Verfahrens (§ 137 Abs. 1 StPO) umfasst auch deren Recht auf Anwesenheit in der Hauptverhandlung, um eine angemessene Verteidigung zu gewährleisten (Thomas/Kämpfer, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, § 137 Rn 22; Sommer, StraFo 1999, S. 402, 403).

[16] Die Strafprozessordnung unterscheidet zwischen (kürzeren) Unterbrechungen und der Aussetzung des Verfahrens. Während die Unterbrechung der Hauptverhandlung für einen kürzeren Zeitraum (§ 229 Abs. 1 StPO a.F.: zehn Tage; heute: 3 Wochen) durch den/die Vorsitzende/n angeordnet werden kann (§ 228 Abs. 1 Satz 2 StPO), ist für die Entscheidung über die Aussetzung sowie über für bestimmte Situationen vorgesehene längere Unterbrechungen (z.B. nach § 229 Abs. 2 StPO) das Gericht - hier wäre das der Senat - zuständig (§ 228 Abs. 1 Satz 1 StPO). Eine Aussetzung hat stets die Folge, dass mit der Hauptverhandlung von neuem zu beginnen ist; gleiches gilt für eine die Frist des § 229 Abs. 1 StPO überschreitende Unterbrechung (§ 229 Abs. 3 Satz 1 StPO a.F.; heute Abs. 4 Satz 1 StPO; s. zu den grundlegenden Unterschieden zwischen Aussetzung und Unterbrechung auch Arnoldi, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl. 2016, § 228 Rn. 3 ff.).

[17] Die §§ 138a ff. StPO enthalten Vorschriften über den Ausschluss von Verteidiger/innen von der Mitwirkung im Verfahren. Die Vorschriften wurden nur wenige Monate vor Beginn der Hauptverhandlung mit dem Ergänzungsgesetz zum Ersten Strafverfahrensreformgesetz vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3686) eingeführt. Sie waren erforderlich geworden, nachdem das Bundesverfassungsgericht den vorigen Ausschluss des Rechtsanwalts Schily mangels Rechtsgrundlage für verfassungswidrig erklärt hatte (BVerfG, Beschl. v. 14.2.1973 - Az.: 2 BvR 667/72, BVerfGE 34, S. 293 ff.). Die neu eingeführte Vorschrift § 138a StPO hatte vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand (BVerfG, Vorprüfungsausschuss, Beschl. v. 4.7.1975 - Az.: 2 BvR 482/75, NJW 1975, S. 2341). Zum Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens s. die Ausführungen des Rechtsanwalts Dr. Heldmann am 11. Verhandlungstag, S. 837 f. des Protokolls der Hauptverhandlung.

[18] Zum Zeitpunkt ihrer Ausschlüsse vertraten die Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele allesamt Andreas Baader, sodass auch die Ausschließungsbeschlüsse nur im Hinblick auf seine Verteidigung ergehen konnten.

[19] § 137 Abs. 1 Satz 1 StPO lautet: „Der Beschuldigte kann sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers bedienen.“

[20] Sachleitungsbezogene Anordnungen des/der Vorsitzenden können als unzulässig beanstandet werden (§ 238 Abs. 2 StPO). Über die Beanstandung entscheidet sodann das Gericht, in diesem Fall der Senat in voller Besetzung.

[21] Wer sich als Richter/in, Amtsträger/in oder Schiedsrichter/in bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei das Recht beugt, macht sich nach § 336 StGB a.F. (heute: § 339 StGB) strafbar. Der Begriff der Rechtsbeugung wird in der Rechtsprechung restriktiv ausgelegt. Darunter fällt nicht bereits jede Falschanwendung des Rechts, sondern nur ein solcher Verstoß gegen die Rechtspflege, bei dem sich der*die Täter*in „bewusst und in schwerer Weise zugunsten oder zum Nachteil einer Partei von Recht und Gesetz entfernt“ (BGH, Urt. v. 5.12.1996 - Az.: 1 StR 376/96, BGHSt 42, S. 343, 344).

[22] §§ 147, 148 StPO enthalten die grundlegenden Rechte der Verteidigung, etwa das Akteneinsichtsrecht sowie den Grundsatz der ungestörten Kommunikation zwischen Beschuldigten und Verteidiger/innen.

[23] Erlangt die Rechtsanwaltskammer Kenntnis über berufsrechtliche Pflichtverletzungen von Anwält/innen, so kann sie entweder - falls die Schuld nur gering ist - selbst eine Rüge aussprechen (§ 74 Bundesrechtsanwaltsordnung [BRAO]), oder bei der Staatsanwaltschaft die Einleitung eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens (früher „Ehrengerichtsverfahren“) beantragen (§ 122 BRAO). Durch Einreichen einer Anschuldigungsschrift bei dem zuständigen Anwaltsgericht kann diese das Verfahren einleiten (§ 121 BRAO). Das Gericht kann verschiedene Maßnahmen gegen den Rechtsanwalt/die Rechtsanwältin verhängen; diese reichen - je nach Schwere des Verstoßes - von einer Warnung (§ 114 Abs. 1 Nr. 1 BRAO) bis zum Ausschluss aus der Rechtsanwaltschaft (§ 114 Abs. 1 Nr. 4 BRAO a.F.; heute: § 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO).

[24] Der Anspruch auf rechtliches Gehör, der in Art. 103 Abs. 1 GG ausformuliert ist, ist eine Ausprägung sowohl des Rechtsstaatsprinzips aus Art. 20 Abs. 3 GG, als auch der Menschenwürdegarantie aus Art. 1 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschl. v. 8.1.1959 - Az.: 1 BvR 396/55, BVerfGE 9, S. 89, 95). Er ist zudem einfachgesetzlich in § 33 StPO normiert: „Eine Entscheidung des Gerichts, die im Laufe einer Hauptverhandlung ergeht, wird nach Anhörung der Beteiligten erlassen“ (Abs. 1).

[25] Mit dem Gesetz zur Ergänzung des Ersten Strafverfahrensreformgesetzes vom 20.12.1974 (BGBl. I, S. 3686) wurde mit Wirkung zum 1.1.1975 das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) eingeführt. Dies hatte zur Folge, dass die zuvor zugelassene Blockverteidigung - die gemeinsame Verteidigung aller Angeklagten durch mehrere Verteidiger/innen - unzulässig wurde und die Verteidigung neu sortiert werden musste. Auf die Einhaltung dieser Vorgaben achtete der Vorsitzende Dr. Prinzing in der Regel sehr genau (s. dazu etwa die Diskussion am 4. Verhandlungstag, S. 279 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, sowie am 12. Verhandlungstag, S. 928 f. des Protokolls).

[26] § 138a Abs. 1 StPO a.F. lautete: „Ein Verteidiger ist von der Mitwirkung in einem Verfahren auszuschließen, wenn er dringend oder in einem für die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Grade verdächtig ist, an der Tat, die den Gegenstand der Untersuchung bildet, beteiligt zu sein [...].“ Der Umfang des Ausschlusses geht hieraus nicht eindeutig hervor. Bereits am 1. September 1975 brachte die Bundesregierung schließlich einen Gesetzesentwurf u.a. zur Änderung des erst seit dem 1.1.1975 geltenden § 138a StPO a.F. (s. Fn. 10) in den Bundestag ein. Die für § 138a StPO vorgesehene Ergänzung stellte nun ausdrücklich fest, dass der Ausschluss auch für andere Beschuldigte im selben Verfahren gilt. In der Begründung hierzu heißt es: „In der Rechtsprechung ist die Auffassung vertreten worden, eine Ausschließung nach § 138a schließt den Verteidiger aus dem Verfahren insgesamt aus, also nicht nur von der Verteidigung des Beschuldigten, den er im Zeitpunkt der Ausschließung vertritt, sondern auch von der Verteidigung aller Mitbeschuldigten. Da diese Rechtsauffassung nicht unumstritten ist - im Zuge der parlamentarischen Beratungen zu § 138a StPO ist darauf hingewiesen worden, daß das nunmehr geltende Recht keine Erstreckung der Ausschließung auf die Verteidigung von Mitbeschuldigten beinhalte - und die Erfahrung gezeigt hat, daß die Ausschließung auf die Verteidigung von Mitbeschuldigten erstreckt werden muß, um konspiratives Verhalten von Verteidigern möglichst umfassend zu verhindern, soll durch einen neuen Absatz 5 in § 138a StPO eine Regelung getroffen werden, die für voneinander abweichende Rechtsauffassungen keinen Raum läßt“ (BT-Drs. 7/4005, S. 11). Diese Regelung wurde schließlich mit dem Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozessordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes, der Bundesrechtsanwaltsordnung und des Strafvollzugsgesetzes vom 18. August 1976 (BGBl. I, S. 2181) eingeführt. Seither wurden die Ausschlusstatbestände noch weiter ausgedehnt, insbesondere für Verfahren, die Straftaten nach § 129a StGB (Bildung terroristischer Vereinigungen), auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1 StGB (Erweiterung des § 129a StGB auf Auslandstaten), zum Gegenstand haben.

[27] Eine Gegenvorstellung ist ein Rechtsbehelf, der zwar nicht in der Strafprozessordnung vorgesehen, allerdings in Rechtsprechung und Literatur überwiegend anerkannt ist. Sie beinhaltet die formlose Aufforderung, über eine getroffene Entscheidung erneut zu befinden und die Entscheidung aufzuheben oder abzuändern (Hoch, in Satzger/Schluckebier/Widmaier [Hrsg.], Strafprozessordnung, 4. Aufl. 2020, Vor §§ 296 ff. Rn. 39 ff.).

[28] Anlage 4 zum Protokoll vom 21.5.1975: Antrag des Rechtsanwalts von Plottnitz auf gemeinsame Beratungsmöglichkeit der Angeklagten während der Sitzungspausen sowie an sitzungsfreien Tagen.

[29] Zum Verbot der Mehrfachverteidigung s. bereits Fn. 25. Zulässig ist seither nur noch eine abgestimmte Verteidigung, bei der zwar eine gemeinsame Verteidigungsstrategie entwickelt werden kann, jede/r Verteidiger/in aber nur eine/n Angeklagte/n vertreten darf (s. dazu OLG Düsseldorf, Beschl. vom 20.8.2002 - Az. 1 Ws 318/02, NJW 2002, S. 3267 ff.).

[30] Der CDU-Politiker und Spitzenkandidat bei der Wahl um das Berliner Abgeordnetenhaus Peter Lorenz wurde am 27. Februar 1975 von der Bewegung 2. Juni entführt und in einem „Volksgefängnis“ in Berlin-Kreuzberg festgehalten. Im Austausch gegen Lorenz wurde die Freilassung von sechs Gefangenen gefordert: Verena Becker, Rolf Heißler, Gabriele Kröcher-Tiedemann, Horst Mahler, Rolf Pohle und Ingrid Siepmann. Die Bundesregierung unter Kanzler Schmidt ging auf die Forderungen ein: Bis auf Horst Mahler, der das Angebot ablehnte, bestiegen am 3. März 1975 die anderen fünf Inhaftierten mit dem ehemaligen West-Berliner Bürgermeister Heinrich Albertz als Vermittler eine Maschine der Lufthansa nach Aden im Jemen. Nach der erfolgreichen Ankunft wurde Lorenz am 4. März freigelassen (Dahlke, in Hürter/Rusconi [Hrsg.], Die bleiernen Jahre, 2010, S. 31, 36 ff.; Korndörfer, in Straßner [Hrsg.], Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 37, 250 ff.). Die Bewegung 2. Juni benannte sich nach dem Todestag des Studenten Benno Ohnesorg, der am 2.6.1967 bei einer Demonstration der Studentenbewegung gegen den Staatsbesuch des Schahs von Persien durch einen Polizisten erschossen wurde (Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 21 f.).

[31] Am 24. April 1975 überfiel das RAF-Kommando „Holger Meins“ die deutsche Botschaft in Stockholm und forderte die Freilassung von 26 inhaftierten RAF-Mitgliedern, darunter von Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof. Dem Kommando gehörten Karl-Heinz Dellwo, Siegfried Hausner, Hanna Krabbe, Bernhard Rössner, Lutz Taufer und Ulrich Wessel an. Zur Durchsetzung ihrer Forderungen nahmen sie zwölf Geiseln, von denen sie zwei erschossen. Anders als zwei Monate zuvor bei der Lorenz-Entführung durch die Bewegung 2. Juni lehnte die Bundesregierung nun Verhandlungen mit den Geiselnehmer/innen ab. Ihr Ende fand die Geiselnahme durch eine nicht geklärte Sprengstoffexplosion im Inneren des Botschaftsgebäudes, die sich noch vor dem Zugriff schwedischer Sicherheitskräfte ereignete. Bei der Explosion wurde Ulrich Wessel tödlich verletzt. Siegfried Hausner erlag seinen Verletzungen Anfang Mai 1975 in der JVA-Stammheim. Die übrigen vier Geiselnehmer/innen wurden verhaftet und am 20. Juli 1977 zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt (Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 361 ff.; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 69).

[32] Siegfried Haag wurde verdächtigt, Tatmittel für das Stockholm-Attentat beschafft zu haben. Das OLG Stuttgart verurteilte ihn später wegen seiner Beteiligung hieran zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren (Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 69).

[33] Andreas Baader und Gudrun Ensslin verbüßten jeweils den Rest einer dreijährigen Haftstrafe, zu der sie im sog. Frankfurter Kaufhausbrandstiftungsprozess verurteilt wurden: Am 2. April 1968 verübten sie zusammen mit Thorwald Proll und Horst Söhnlein Brandanschläge auf Kaufhäuser in Frankfurt am Main, bei denen zwar erhebliche Sachschäden entstanden, aber keine Menschen verletzt wurden. Die Kaufhausbrandstiftungen zählen zu den ersten politischen Gewalttaten von Baader und Ensslin vor Gründung der RAF. Motiviert wurden sie durch eine Kampagne der Kommune I, die eine Brandtragödie mit mehr als 200 Toten in einem Brüsseler Kaufhaus im Jahr 1967 für Kritik am Vietnamkrieg nutzte. Im Oktober 1968 begann der Prozess am Landgericht Frankfurt gegen Baader, Ensslin, Proll und Söhnlein. Mit Urteil vom 31.10.1968 wurden sie jeweils zu Haftstrafen in Höhe von drei Jahren verurteilt. Da der BGH auch im Juni 1969 noch nicht über die Revision entschieden hatte, das Urteil also noch nicht rechtskräftig war, und die in der Zwischenzeit in U-Haft verbrachte Zeit einer ausgeurteilten Haftstrafe angerechnet werden würde, hob das LG Frankfurt den Haftbefehl am 13. Juni 1969 vorläufig auf. Nachdem der BGH die Revision schließlich im November 1969 zurückgewiesen hatte, tauchten Baader, Ensslin und Proll unter (s. die Beiträge von Bressan/Jander und Hakemi/Hecken, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 398, 407 ff. und S. 316 f., 322 ff.; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 27 ff.).

[34] Ulrike Meinhof wurde vom LG Berlin mit Urteil vom 29.11.1974 wegen ihrer Beteiligung an der Befreiung von Andreas Baader aus der Haft am 14. Mai 1970 zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 95 ff.). Ab dem 29.1.1976 wurde die Freiheitsstrafe schließlich vollstreckt (s. den entsprechenden Hinweis des Vorsitzenden Dr. Prinzing am 71. Verhandlungstag, S. 6396 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[35] Anlage 5 zum Protokoll vom 21.5.1975: Gegenvorstellung der Bundesanwaltschaft.

[36] Anlage 6 zum Protokoll vom 21.5.1975: Verteidigungsanzeige und Prozessvollmacht des Rechtsanwalts Ströbele (betr. Gudrun Ensslin).

[37] Rechtsanwalt König gehörte zu denjenigen Verteidigern, die den Angeklagten gegen ihren Willen durch das Gericht beigeordnet worden waren. Diese von ihnen sog. Zwangsverteidiger lehnten die Angeklagten vehement ab (s. dazu Ulrike Meinhof an diesem Verhandlungstag auf S. 85 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[38] „Zwangsverteidiger“ ist kein offizieller Begriff. Er wurde von den Angeklagten in Abgrenzung zu den sog. Vertrauensverteidiger/innen verwendet, um ihr Verhältnis zu den ihnen gegen ihren Willen beigeordneten Verteidigern zu beschreiben. Auch in der Literatur war diese Vorgehensweise - die Beiordnung von Pflichtverteidiger/innen gegen den Willen der Angeklagten neben vorhandenen (Wahl-)Verteidiger/innen - lange umstritten (s. dazu Thomas/Kämpfer, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, § 141 Rn. 6). Die Rechtsprechung ließ diese sog. Sicherungsverteidigung zu (BVerfG, Beschl. v. 28.3.1984 - Az.: 2 BvR 275/83, BVerfGE 66, S. 313, 321; BGH, Urt. v. 11.12.1952 - Az.: 3 StR 396/51, BGHSt 3, S. 395, 398; s. auch EGMR, Urt. v. 25.9.1992 - Az.: 62/1991/314/385, EuGRZ 1992, S. 542, 545 f.). Erst mit dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 (BGBl. I, S. 2128) wurde hierfür in § 144 StPO auch eine gesetzliche Regelung geschaffen.

[39] Der besondere Beweiswert der wörtlichen Protokollierung nach § 273 Abs. 3 StPO (s. bereits Fn. 6) kann insbesondere im Falle eines späteren Revisionsverfahrens Bedeutung erlangen. Über dort geltend gemachte Verfahrensverstöße wird im sog. Freibeweisverfahren Beweis erhoben. Dabei ist das Protokoll der Hauptverhandlung das wichtigste Beweismittel. Die wörtliche Protokollierung eines Vorgangs nach § 273 Abs. 3 StPO hat zudem zur Folge, dass sich das erkennende Gericht mit dem Inhalt der zu Protokoll gegebenen Aussagen in der Urteilsbegründung zumindest auseinandersetzen muss. Andernfalls kann mittels einer Verfahrensrüge die Verletzung des § 261 StPO („Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung“) beanstandet werden (Greger, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 273 Rn. 31).

[40] Rechtsanwalt Dr. Erich Schmidt-Leichner kritisierte die mit Wirkung zum 1.1.1975 in Kraft getretenen Änderungen des Strafverfahrensrechts, insbesondere die Einschränkungen der Verteidigung. Er äußerte u.a. seine Bedenken im Hinblick auf die Bestellung, Auswahl und Entlassung von Pflichtverteidiger/innen sowie das Verhältnis zur Wahlverteidigung: Es scheine, „daß der ‚Verteidiger des Vertrauens des Angeklagten‘ in den ‚Verteidiger des Vertrauens des Gerichts‘ umgewandelt werden“ solle. Er verwendet zudem den Ausdruck „aufgezwungener Pflichtverteidiger“ und schlägt vor, dass die Bestellung von Pflichtverteidiger/innen nur noch mit Zustimmung der Beschuldigten und deren Wahlverteidiger/innen erfolgen solle, und sie auf Antrag (in Konfliktfällen) wieder zu entlassen seien. Die Auswahl solle in jedem Fall den Beschuldigten überlassen sein (Schmidt-Leichner, NJW 1975, S. 417, 421 f.).

[41] Die Hauptverhandlung befindet sich zu diesem Zeitpunkt im Stadium zwischen der Feststellung der Anwesenheit und der Vernehmung der Angeklagten zur Person. Vor dem Eintritt in die Beweisaufnahme erfolgt zudem noch die Verlesung des Anklagesatzes (heute außerdem: Mitteilung über ggf. stattgefundene Erörterungen) und die Vernehmung der Angeklagten zur Sache (§§ 243, 244 StPO).

[42] Nach § 138c Abs. 1 Satz 1 StPO liegt die Zuständigkeit für Ausschließungsentscheidungen grundsätzlich beim Oberlandesgericht. Ist das Verfahren, wie hier, bereits vor einem Senat eines Oberlandesgerichts anhängig, so entscheidet über die Ausschließung ein anderer Senat des Oberlandesgerichts (§ 138c Abs. 1 Satz 3 StPO).


[a] Handschriftlich ersetzt: als durch der

[b] Handschriftlich eingefügt: haben

[c] Handschriftlich eingefügt: ist

[d] Handschriftlich ergänzt: Ausschlußverfahren

[e] Handschriftlich ersetzt: dem durch das

[f] Handschriftlich ersetzt: Jodler durch Jota

[g] Handschriftlich durchgestrichen: er

[h] Handschriftlich ersetzt: hinzubewenden durch hinzuverwenden

[i] Handschriftlich eingefügt: zu Ende

[j] Maschinell durchgestrichen: zurückzustellen

[k] Handschriftlich ersetzt: ist durch sind

[l] Maschinell ersetzt: Da durch Deshalb

[m] Handschriftlich durchgestrichen: Rechtsanwältinnen

[n] Maschinell eingefügt: wird

[o] Handschriftlich durchgestrichen:(RA v. Plottnitz nicht zu verstehen)

[p] Handschriftlich eingefügt: Wort

[q] Maschinell ersetzt: das durch was

[r] Handschriftlich eingefügt: wollen

[s] Handschriftlich ersetzt: das durch was

[t] Handschriftlich ergänzt: aufnehmen

[u] Maschinell eingefügt: hin

[v] Handschriftlich durchgestrichen: Frage

[w] Handschriftlich ersetzt: exzit durch explizit

[x] Handschriftlich durchgestrichen: ZPO

[y] Handschriftlich durchgestrichen: Verteidi

[z] Handschriftlich durchgestrichen: berück