40. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 30. September 1975, 9.05 Uhr 40. Verhandlungstag



[3113] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 30. September 1975, 9.05 Uhr

40. Verhandlungstag

Gericht und Bundesanwaltschaft - mit Ausnahme von OStA Holland - erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte sind anwesend:

Just. Ass. z. A. Clemens, Just. Ass. z. A. Scholze

Die Angeklagten erscheinen mit ihren Verteidigern, Rechtsanwälte Schily, Pfaff, Dr. Heldmann, Riedel, von Plottnitz, Eggler, Künzel, Schnabel, Schwarz, König, Linke und Grigat.

Gerichtsreferendar Düx war ebenfalls anwesend.

Vors.:

Ich bitte Platz zu nehmen.

Wir setzen die Sitzung fort. Herr RA Schlaegel scheint sich verspätet zu haben.

Es hat sich für Frau Ensslin Herr Rechtsanwalt Arndt Müller aus Hamburg neu gemeldet - nicht anwesend, wie ich sehe - Frau Rechtsanwältin Becker, als Pflichtverteidigerin?[1]

RA Sch[ily]:

Läßt sich entschuldigen für heute.

Vors.:

Danke.

Dann hab ich folgenden Beschluß des Senats zu verkünden:

RA R[iedel]:

Nehmen Sie bitte zur Kenntnis ...

Vors.:

Die Hauptverhandlung wird in Abwesenheit der Angeklagten fortgesetzt.

RA Riedel spricht unverständlich dazwischen.

Vors.:

Ich bitte ...

RA R[iedel]:

Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, daß ich um’s Wort bitte für Frau Meinhof.

Vors.:

Ich kann Ihnen jetzt das Wort nicht erteilen, weil zunächst die Entscheidung zu verkünden ist.

Der Tenor lautete:

Die Hauptverhandlung wird in Abwesenheit der Angeklagten fortgesetzt.

Die Begründung: Die Angeklagten sind ...

[3114] RA Pfaff spricht unverständlich dazwischen.

Vors.:

Ich bitte nicht zu unterbrechen. Ich will jetzt ...

RA Pfaff.:

... Prozeßgeschädigten vorzugehen hat.

Vors.:

Ich will jetzt die Entscheidung begründen. Bitte, mich nicht zu unterbrechen.

Die Angeklagten sind verhandlungs...[2]

Mehrere RAe sprechen unverständlich dazwischen.

Vors.:

Es wird weder Wort ... Es wird weder jetzt das Wort erteilt, noch können Anträge gestellt werden, bevor nicht diese Entscheidung verkündet und begründet ist.

RA v[on ]Pl[lottnitz]:

Nein, Herr Vorsitzender, Sie haben ja mit dem Gutachten

Vors.:

Ich habe jetzt mit der Entscheidungsbegründung ...

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Sie haben uns jetzt Gelegenheit zu geben, unsere Begründung ...

Vors.:

Ich bitte das Wort abzustellen. Es hat hier niemand das Wort. Herr Rechtsanwalt, Sie haben, Sie haben jetzt nicht das Wort.

Ich begründe diese Entscheidung.

RA v[on ]Pl[ottnitz]:

Ich stelle den Antrag, mir das Wort zu erteilen.

Vors.:

Nein, ich habe Ihnen gesagt, jetzt nicht. Jetzt wird diese Entscheidung begründet.

RA v[on ]Pl[ottnitz]:

Ich habe Ihnen mitgeteilt, daß wir einen Antrag zu stellen haben, im Zusammenhang mit den Gutachten, der prozeßual unverzüglich gestellt werden muß. Und darum beantrage ich, mir das Wort zu erteilen.

Vors.:

Ja, ich habe Ihnen schriftlich mitgeteilt, daß - also Sie diese Stellungnahme der Bundesanwaltschaft bekommen haben - es beim heutigen Termin bleibt. Es war die Gelegenheit gegeben, schriftlich dazu Stellung zu nehmen.

RA v[on] Pl[ottnitz] (unverständlich)

RA Dr. H[eldmann]:

Gestern haben wir sie bekommen und wir hatten kein rechtliches Gehör dazu gehabt.[3]

Vors.:

Ich sage Ihnen, Sie haben jetzt nicht das Wort.

RA Dr. H[eldmann]:

Wir haben jetzt rechtliches Gehör.

Vors.:

Sie haben kein rechtliches Gehör, denn Sie hatten es bereits.

Sie hatten es bereits.

RA Dr. H[eldmann]:

Wir hatten es nicht. Gestern haben wir den Antrag der Bundesanwaltschaft ...

[3115] Vors.:

Die Begründung: ...

Angekl. B[aader]:

Ich hatte nicht einmal die Stellungnahme gehabt, Du Schwein. Das ist doch nicht drin hier.

Vors.:

Herr Baader, wir wollen uns hier nicht ...

Angekl. Baader spricht unverständlich dazwischen.

Vors.:

Wir wollen uns hier nicht jetzt wegen dieser beleidigenden Äußerung noch die Zeit rauben. Ich verwarne Sie. Wenn Sie nochmals stören, führt es zu Ihrem Ausschluß.

Angekl. B[aader]:

Verwarn mich doch, altes Arschloch.

Vors.:

Ich fahr in der Begründung fort.

Die Angeklagten sind verhandlungs...

RA Pfaff:

Sie können doch gar nicht begründen, ohne daß wir Stellung genommen haben zu dem Antrag der Bundesanwaltschaft.

Was wollen Sie denn, was wollen Sie denn begründen?

Vors.:

Ich habe Ihnen gesagt, daß die Entscheidung im schriftlichen Verfahren getroffen wird, beim Schluß der letzten Sitzung.

RA Pfaff schreit unverständlich dazwischen.

Vors.:

Die Entscheidung ist ...

RA Pfaff (schreit):

... Stellungnahme der Bundesanwaltschaft konnten wir doch gar nicht Stellung nehmen. Darum geht’s doch. Es geht doch nur um ...

Vors.:

Selbstverständlich

RA Pfaff:

... bis Donnerstag eingeräumt war, von unserer Seite.

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Vorsitzender, Sie wollen unsere Stellungnahmen unterdrücken. Das ist der Tatbestand.

Vors.:

Die Stellungnahmen konnten schriftlich abgegeben werden, bis zum gestrigen Tag.

RA v[on ]Pl[ottnitz] (mit lauter Stimme):

... doch verhindert, bloß der Senat nimmt sich das Recht ...

RAe von Plottnitz und Dr. Heldmann reden laut unverständlich durcheinander.

RA Dr. H[eldmann] (mit lauter Stimme):

Gestern Abend ...

Vors.:

Ja, was machen wir bei diesen Leuten.

RA Dr. H[eldmann] (mit lauter Stimme):

... der Antrag der Bundesanwaltschaft.

... Stellung nehmen, wenn ich wollte, hier.

RA Sch[ily]:

Aber wir haben ja diese Entscheidung schon gestern aus der Bildzeitung erfahren, Herr Vorsitzender. Und wenn [3116] Herr Buback ... reagiert ..., kann man sich ja vorstellen, was hier heute herauskommt.

Wir haben’s ja gestern in der Bildzeitung bereits gelesen, Herr Vorsitzender. Insofern ist natürlich ihre Entscheidung gar keine Überraschung.

Vors. (nach geheimer Umfrage):

Der Senat hat diesen Chor der Verteidiger als Beanstandung der Maßnahme des Vorsitzenden[4] betrachtet, daß jetzt weder das Wort erteilt wird, noch Anträge gestellt werden können. Der Senat billigt diese Entscheidung. Es hat jetzt Vorrang die Verkündung der getroffenen Entscheidung.

Angekl. Raspe:

Das kommt überhaupt nicht in Frage hier.

Vors.:

Der Tenor[5] ist bereits bekanntgegeben. Die Gründe lauten:

Die Angeklagten sind ver...

Angeklagter Raspe spricht unverständlich dazwischen.

Vors.:

Die Gründe lauten: ...

Angekl. Baa[der]:

Wir haben keine Möglichkeit gehabt ...

Vors.:

Die Angeklagten sind ...

Angekl. Baa[der]:

Wir haben keine Möglichkeit gehabt ...

Reg. Dir. Wi[dera]:

Wir stellen den Antrag, die Angeklagten von der weiteren Verhandlung auszuschließen.[6]

RA v[on ]Pl[ottnitz]:

Wollen Sie den Angeklagten ... ihren Antrag stellen zu können, Ja? ...

RA Schlaegel erscheint um 9.10 Uhr

Vors.:

Herr Baader, Sie haben Gelegenheit, sich zu der Frage zu äußern, ob Sie ausgeschlossen werden. Das heißt, Sie haben jetzt, trotz voriger Mahnung, wiederum gestört. Wollen Sie etwas dazu sagen?

Angekl. Baa[der]:

Natürlich will ich was dazu sagen.

Ja, ich beantrage zunächst mal eine

Pause,

weil wir vorhaben, einen Ablehnungsantrag gegen Sie zu stellen.

Vors.:

Sie können jetzt nur Stellung nehmen zu der Frage, ob Sie ausgeschlossen werden oder nicht.

Angekl. Baa[der]:

... daß ich das Recht hab, bei der wirklich brachialen Manipulation, die Sie hier versuchen, daß ich das Recht hab, mich dagegen zu wehren. Ich hab die Stellungnahme, die Buback[7] selbst, diesen Befehl Buback’s an Sie, diese [3117] Stellungnahme, die habe ich nicht gesehen, vor gestern Abend. Das heißt, wir hatten keinerlei Möglichkeit, auf die Stellungnahme der Bundesanwaltschaft, nach der Sie Ihre Entscheidung getroffen haben, überhaupt einzugehen. Das heißt, wir hatten auch keine Möglichkeit, darauf einzugehen auf die Fälschungen ...

Vors.:

Gut. Herr Baader, Sie sprechen nicht zur Sache. Ich entziehe Ihnen hierzu das Wort.

Mehrere RAe sprechen unverständlich dazwischen.

RA Sch[ily]:

Das ist die Sache.

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Vorsitzender ...

RA Sch[ily]:

Was ist denn die Sache?

Vors. (nach geheimer Umfrage):

Es ist der Beschluß des Senats ergangen:

Der Angeklagte Baader wird vom weiteren Ablauf des heutigen Verhandlungstages ausgeschlossen.

Er hat trotz Abmahnung durch Zwischenrufe gestört.

Angekl. Enss[lin]:

Ja Du bist doch ein Idiot.

Vors.:

Und es ist zu erwarten, daß der Angeklagte weiter stören wird. Ich bitte, den Angeklagten zu entfernen.

Mehrere Verfahrensbeteiligten sprechen laut, unverständlich dazwischen.

Angekl. Enss[lin]:

Wir erklären ..., daß die Stellungnahme der Bundesanwaltschaft nicht zur Sache gehört.

Vors.:

Darf ich Sie, darf ich bitten, den Angeklagten Baader abzuführen.

Der Angeklagte Baader steht auf, bleibt jedoch noch im Sitzungssaal vor der Anklagebank stehen.

RA Dr. H[eldmann]:

Ist das ein Senatsbeschluß, bitte?

Vors.:

Ja.

RA v[on ]Pl[ottnitz]:

Wann hat die Beratung dazu stattgefunden?

RA Sch[ily]:

Das war doch geheime Umfrage![8]

Vors.:

Wir unterbrechen die Sitzung, wenn jetzt nicht ...

Angekl. Baa[der]:

Das ist doch einfach ganz klar, daß Sie hier jetzt mit äußerster Brutalität verhandeln hier müssen (spricht unverständlich weiter).

[3118] Vors.:

Ich bitte jetzt, den Angeklagten abzuführen.

Angekl. Baa[der]:

Rühr mich nicht an, hier (zu einem Vollzugsbeamten).

Vors.:

Abführen.

Angekl. Baa[der]:

Die Lüge, die dieses Verfahren ... ist doch einfach, an diesem Punkt hier.

RA Dr. H[eldmann]:

Das ist ein unglaublicher Akt von Unterdrückung, Herr Dr. Prinzing.

Vors.:

Ich bitte jetzt den (Dr. Foth schlägt mit der Faust auf den Tisch)[a] Angeklagten Baader notfalls mit Gewalt abzuführen.

RA Sch[ily]:

Moment mal.

Angekl. Baa[der]:

Was ist denn das?

RA Sch[ily]:

Was ist denn das hier eben, Herr Vorsitzender?

RA Pfaff:

... diese Erregung da.

RA Sch[ily] (im Stehen):

Was ist denn das jetzt eben.

Mehrere RAe sprechen laut, unverständlich dazwischen.

RA Sch[ily]:

Was war denn das hier eben?

Vors.:

Was ist?

RA Sch[ily]:

Ich bitte um eine Pause, ich bitte um eine Pause.

Vors.:

Es wird keine Pause ...

Bitte, den Baader abzuführen.

RA Sch[ily]:

Moment ...

Mehrere Verfahrensbeteiligten sprechen unverständlich dazwischen.

RA Pfaff:

Überlegen Sie sich doch wenigstens ...

RA Sch[ily] (immer noch stehend):

Moment.

Ich lehne namens und in Vollmacht der Angeklagten Ensslin den beisitzenden Richter Dr. Foth wegen Besorgnis der Befangenheit[9] ab.

Der beisitzende Richter hat soeben mit der Faust auf den Tisch geschlagen.

Der Angekl. Baader wurde um 9.13 Uhr aus dem Sitzungssaal abgeführt.

Währenddessen stehen die 3 übrigen Angeklagten vor ihrer Anklagebank.

Vors.:

Ja, Herr Rechtsanwalt, Sie haben im Augenblick, im Augenblick nicht das Wort.

RA Sch[ily]:

Moment. Aber zu einem Ablehnungsgesuch werde ich ja wohl noch das Wort bekommen.

Vors.:

Auch der Ablehnungsantrag wird jetzt nicht entgegengenommen.[10]

Die Frage der Unverzüglichkeit[11] ist überhaupt nicht berührt, wenn jetzt zuerst die Entscheidung begründet wird. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis.

[3119] RA Sch[ily]:

Nein, ich nehm das nicht zur Kenntnis. Ich werde jetzt mein Ablehnungsgesuch stellen.

Vors.:

Ich ... Nein, ich fahre jetzt mit der Begründung fort. Ich habe bereits den Tenor bekanntgegeben es ist eine unaufschiebbare Handlung,[12] daß jetzt weiterhin begründet wird.

RA Pfaff (schreit unverständlich dazwischen)

Vors.:

Ich darf die Herren Rechtsanwälte jetzt endlich bitten, sich an das zu halten, was ihnen hier als Anwälte als Pflicht vorgeschrieben ist.

RA Pfaff:

Herr Vorsitzender, Sie haben dieser Verteidigung über Monate hinweg ...

Vors.:

Sie haben sich ...

RA Pfaff (ab jetzt schreiend):

... die Möglichkeit genommen, die Rechte der Angeklagten ...

Vors.:

Haben Sie, haben Sie das Wort im Augenblick

RA Pfaff schreit weiter, jedoch unverständlich.

Vors.:

Haben Sie jetzt im Augenblick das Wort.

RA Pfaff:

Ich nehme mir ...

RA Pfaff und die Angekl. Ensslin schreien unverständlich dazwischen.

RA Pfaff (schreiend):

... Verhandlungsunfähigkeit hier auf den Tisch zu legen. Jetzt liegen die Gutachten vor und jetzt wollen Sie die Angeklagten ausschließen, weil sie verhandlungsunfähig sind. Das ist einfach ungeheuerlich.

RA Dr. H[eldmann] (schreiend):

... verhandlungsunfähig hat diese Justiz sie gemacht, durch die Haftbedingungen.

RA Pfaff und RA Dr. Heldmann schreien unverständlich weiter.

RA Pfaff:

In den Gutachten steht das ganz klar drin.

Vors.:

Herr RA Pfaff, Herr RA Pfaff, Sie werden nicht verhindern können, daß wir die Entscheidung begründen, die ich im Tenor bereits bekanntgegeben habe. Sie werden nur beweisen können, daß Sie hier Manieren anwenden, die ein Verfahren, ein geordnetes Verfahren, unmöglich machen.

Mehrere Verfahrensbeteiligte sprechen laut unverständlich dazwischen.

Vors.:

Wir machen, wir machen zur ...

[3120] RA Sch[ily]:

Was ist mit den Manieren von Herrn Dr. Foth?

Vors.:

Ich mache ...

RA Sch[ily]:

Was ist mit den Manieren von Herrn Dr. Foth (schreiend)?

Vors.:

Ich mache jetzt zur Beruhigung der Gemüter eine Pause von 10 Minuten.

RA Sch[ily]:

Was ist mit den Manieren von Dr. Foth, möchte ich fragen?

Pause von 9.15 Uhr bis 9.25 Uhr

Bei Fortsetzung der Hauptverhandlung um 9.25 Uhr waren folgende Rechtsanwälte nicht mehr[b] anwesend:

RA Pfaff, RA Dr. Heldmann und Gerichtsreferendar Düx.

Vors.:

Ich bitte Platz zu behalten

RA v[on ]Pl[ottnitz]:

Kann ich für Herrn Raspe das Wort bekommen?

Angekl. Enss[lin]:

Moment.

Vors.:

Nein. Ich darf Sie nochmals darauf hinweisen, an diesem Standpunkt wird sich nichts ändern: Ich habe mit der Begründung des Tenors ...

Die Angekl. Meinhof und Ensslin sprechen unverständlich dazwischen.

Angekl. Enss[lin]:

... die Reihen zu lichten, Du Schwein ... Killer.

Vors. (nach geheimer Umfrage):

Der Senat hat beschlossen: ...

RA v[on ]Pl[ottnitz] (unverständlich)

Vors.:

Frau, Frau Rechts., Herr Rechtsanwalt, Herr Rechtsanwalt

Die Angekl. Ensslin spricht unverständlich dazwischen.

Vors.:

... lassen Sie mich jetzt bitte mal zu Worte kommen.

Frau Ensslin, wollen Sie sich jetzt zu der Frage, daß Sie ausgeschlossen werden, äußern?

Angekl. M[einhof]:

Ja, ... äußern.

Vors.:

Frau Ensslin, Frau Ensslin.

Angekl. Enss[lin]:

Ich stelle fest[c], daß das ein Richter ist, dessen Beschäftigung es ist, die Reihen hier[d] zu lichten.

Vors.:

Ja, ...

RA Rie[del]:

Frau Meinhof hat noch nicht ihre ...

Vors.:

Frau Ensslin, es geht nur um Frau Ensslin im Augenblick.

(nach geheimer Umfrage):

Frau Ensslin wird nach Senatsbeschluß vom weiteren Ablauf des heutigen Tages ausgeschlossen,

[3121] da Sie durch Zwischenrufe die Verhandlung gestört hat, trotz Abmahnung davon nicht abläßt, und weitere Störungen zu befürchten sind.

Gerichtsreferendar Düx erscheint wieder[e] um 9.27 Uhr

Die Angekl. Meinhof und Raspe stehen auf und bleiben vor der Anklagebank stehen.

Angekl. R[aspe]:

(Anfang unverständlich) ... Senat und die Richter ...

Vors.:

Darf ich bitten, daß Frau Ensslin abgeführt wird

Die Angeklagte Ensslin steht auf, bleibt jedoch noch im Sitzungssaal vor der Anklagebank stehen.

Angekl. R[aspe]:

(Anfang unverständlich) ... ausschließen. Wollen Sie denn das auch noch?

Vors.:

Herr Raspe, Sie werden jetzt nicht durch weitere Zwischenrufe oder Reden das Verfahren stören können. Sonst blüht Ihnen dasselbe Schicksal.

RA v[on ]Pl[ottnitz]:

... Sie Herr Vorsitzender, nicht Herr Raspe

BA Dr. Wunder verläßt um 9.27 Uhr für ca. 1 Minute den Sitzungssaal.

Die Angekl. Meinhof schreit stehend unverständlich dazwischen.

Vors.:

Frau Meinhof. Es ist nicht verständlich, was Sie sagen. Aber es ist eine Störung. Auch Sie haben die Gelegenheit, sich zu äußern, ob Sie irgendwas vorzubringen haben dagegen, daß Sie jetzt ausgeschlossen werden müssen?

Frau Meinhof, Sie haben Gelegenheit, sich zu äußern. Denn der Senat erwägt, ob Sie jetzt ausgeschlossen werden müßten.

Angekl. M[einhof]:

Ja ich will mal sagen: Wir werden das nicht vergessen, was Sie hier abziehen. Und es wird Ihnen auch nicht gelingen, hier einen Prozeß durchzuziehen, mit falschen Zeugen, mit falschen Polizeikonstruktionen und mit dem ganzen Desaster Und Sie werden auch nicht vermeiden, daß wir deswegen verhandlungsunfähig sind, weil wir seit 3 einhalb[f] Jahren gefoltert werden. Das werden Sie nicht vom Tisch kriegen.

Vors. (nach geheimer Umfrage):

Frau Meinhof ist vom weiteren Ablauf des heutigen Verhandlungstages ausgeschlossen.

RAe Dr. Heldmann und Pfaff erscheinen um 9.28 Uhr wieder im Sitzungssaal.

[3122] Vors.:

Sie hat durch Zwischenrufe gestört. Es ist zu erwarten, daß Sie weiterhin stört. Trotz Abmahnung läßt Sie davon nicht ab.

Angekl. M[einhof]:

Du imperialistisches Staatsschwein.

Vors.:

Bitte, Frau Meinhof abzuführen.

Die Angeklagte Meinhof bleibt vor der Anklagebank stehen.

Angekl. Ra[spe]:

Das ist unmöglich, Prinzing, in diesem Verfahren hier, gegen den nackten Faschismus ...

Vors.:

Herr Raspe, Sie haben, Herr Raspe, Sie haben nicht das Wort.

Ist denn das Mikrofon eingestellt? (zu den Protokollführern)

Angekl. Ra[spe]:

Wir sagen dazu noch folgendes: Weder Prinzing, noch der Senat ...

Vors.:

Ich bitte jetzt, Frau Meinhof und ...

Der Angeklagte Raspe spricht unverständlich weiter.

Vors.:

Herr Raspe, stören Sie nicht weiter durch Zwischenrufe, sonst haben Sie genau den Ausschluß.

Angekl. Ra[spe]:

Was heißt hier stören? Wer schließt denn hier aus?

Vors.:

Herr Raspe, Sie haben die Gelegenheit, sich zu äußern dazu, daß Sie jetzt möglicherweise auch ausgeschlossen werden müßten. Wollen Sie etwas dazu sagen?

Angekl. Ra[spe]:

... ist, was Sie gestern in der Bildzeitung verkünden haben lassen. Und deswegen ist es auch uninteressant, was Sie jetzt hier erklären. Das stand nämlich schon gestern gestern bei Springer. Daß es das Projekt ist ...

Vors.:

Wollen Sie sich zur Sache äußern, zur Frage Ihres möglichen Ausschlusses?

Angekl. Ra[spe]:

Es geht hier nicht um den Ausschluß. Und Ihr Projekt ist, dadurch, daß Sie uns nach diesem Befehl Bubacks ausschließen, zwei Sachen durchzuziehen:

1. Brauchen Sie die Haftbedingungen nicht zu ändern, können Sie also an der Vernichtungshaft festhalten - nachdem Sie [§ ]231[ StPO][13] anwenden -, und

2. ...

Vors.:

Gut, Sie sprechen jetzt nicht zu der Frage Ihres Ausschlusses wegen ordnungswidrigen ...

Angekl. Ra[spe]:

Und 2.

[3123] RA v[on] Pl[ottnitz]:

Das ist der Punkt, um den es hier geht.

Angekl. Ra[spe]:

... werden Sie eine Beweisaufnahme durchziehen, genau das ist die Ursache ...

Vors. (nach geheimer Umfrage):

Der Senat hat beschlossen: ...

Der Angeklagte spricht weiter unverständlich dazwischen.

Vors.:

Der Senat hat beschlossen:

Auch der Angeklagte Raspe ist vom weiteren Ablauf der Verhandlung ausgeschlossen, aus den gleichen Gründen, wie bei den anderen Angeklagten.

Während der Verkündung des Beschlusses, sprechen mehrere Angeklagte unverständlich dazwischen.

Vors.:

Ich bitte die Angeklagten abzuführen.

Angekl. Ra[spe]:

Das wollten ... hören. Das ist klar.

Angekl. Enss[lin]:

Du wirst’s nicht vergessen, Prinzing. Dafür hast Du gesorgt für Deine Zeit, die nun kommt.

Vors.:

Bitte jetzt die Angeklagten abzuführen.

Ich bitte jetzt die Angeklagten abzuführen. Ich bitte, das etwas beschleunigt zu tun.

Angekl. M[einhof]:

Jetzt hast du deinen Schauprozeß prima durch.

Die Angeklagten Meinhof, Ensslin und Raspe werden um 9.30 Uhr aus dem Sitzungssaal abgeführt.

Vors.:

Ich fahre in der Begründung fort.

Der Vorsitzende verliest daraufhin die Gründe des Beschlusses aus Anlage 1 zum Protokoll.

Der Beschluß ist dem Protokoll als Anlage 1 beigefügt.

Der Vorsitzende wird bei der Verlesung wie folgt unterbrochen:

Beschluß, Seite 4, 7. Zeile nach „möglich“:

RA v[on ]Pl[ottnitz]:

Das soll doch keinen Gerichtsvorsitzenden ...

Gerichtsreferendar Düx verläßt in der Zeit von 9.32 Uhr bis 9.33 Uhr den Sitzungssaal.

[3124-3140][14] [3141] Beschluß, Seite 5, 3. Zeile nach „vor allem“:

RA v[on ]Pl[ottnitz] (unverständlich)

Vors.:

Sie sollten, Herr RA von Plottnitz, sich abgewöhnen, durch Zwischenrufe zu unterbrechen. Und außerdem bekommen Sie nachher ...

RA Dr. H[eldmann]:

Sie sollten die Öffentlichkeit nicht täuschen.

Vors.:

Sie bekommen nachher, Sie bekommen nachher die Ablichtung dieses Beschlusses und Sie können dann sämtliche Zitate, die in Anführungszeichen stehen, kontrollieren.

RA v[on ]Pl[ottnitz] (unverständlich)

Vors.:

Ich habe im Augenblick gesagt, daß er gemeint habe, wahrscheinlich nicht in erster Linie die Haftbedingungen, die zu diesem Gesundheitszustand geführt hätten ...

RA Pfaff:

Im Einzelnen heißt es, im Einzelnen.

Vors.:

... vielmehr „die psychischen Belastungen durch die Länge der Untersuchungshaft als solcher und vor allem durch das Strafverfahren selbst“.

Beschluß, Seite 5, 15. Zeile nach „befassen“:

RA Schily lacht und sagt:

Schämen Sie sich nicht, Herr Vorsitzender.

Beschluß Seite 6, 13. Zeile nach „unter anderem:“:

RA v[on ]Pl[ottnitz]:

Herr Vorsitzender, verkünden Sie anschließend das Urteil?

Vors.:

Ich bitte mich nicht zu unterbrechen.

RA Sch[ily]:

Nein, Sie haben doch ...

Beschluß, Seite 6, 32. Zeile nach „und so weiter“:

RA Pfaff:

Zur Sache.

Beschluß, Seite 6, 37. Zeile nach „Alle Macht dem Volk“:

RA Sch[ily]:

Ich stelle den Antrag,

dem Herrn Vorsitzenden das Wort zu entziehen, weil er nicht zur Sache spricht.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt. Sie kennzeichnen sich durch diese Äußerung selbst. Wenn Sie zur Kenntnis nehmen würden, daß es sich um einen Gerichtsbeschluß handelt.

RA v[on ]Pl[ottnitz]:

Herr Vorsitzender. Es ist ein Antrag gestellt worden. Dem Antrag schließe ich mich an.

Vors.:

Ich verbitte mir weitere Einmischung. Lassen Sie mich die Begründung zu Ende lesen.

[3142] RA v[on ]Pl[ottnitz]:

Es war völlig zurecht beantragt worden ... das Wort zu entziehen.

RA von Plottnitz und RA Dr. Heldmann schreien unverständlich dazwischen.

RA v[on ]Pl[ottnitz]:

Sie können doch nicht von uns erwarten, daß wir das hinnehmen ...

Obwohl der Vorsitzende mit der Verlesung der Beschlußgründe fortfährt, spricht RA von Plottnitz unverständlich dazwischen.

Beschluß, Seite 6, ganz unten „werden soll:“:

RA Sch[ily]:

Sogenannte.

Beschluß, Seite 7, 17. Zeile nach „geführt werden.“:

RA Dr. H[eldmann]:

„Vermutlich“. Begründen Sie den Beschluß vermutlich?

Beschluß, Seite 7, 18. Zeile nach „Angeklagten Ensslin“:

RA Dr. H[eldmann]:

Ein Skandal ist das!

Beschluß, Seite 9, 1. Zeile nach „gefährden kann“:

RA Pfaff:

Das könnte man aber auch nicht, ohne sozial isoliert zu sein.

Beschluß, Seite 9, 11. Zeile nach „Befreiungspläne“:

RA Sch[ily]:

Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Gerichtsreferendar Düx verläßt um 10.05 Uhr den Sitzungssaal.

Beschluß, Seite 13, 20. Zeile nach „bis heute,“:

RA Sch[ily]:

Ist komisch, Herr Dr. Breucker, nicht? Ist komisch, sehr komisch.

Beschluß, Seite 15, 11. Zeile von unten nach „Annahme“:

RA Sch[ily]:

Das ist doch nicht wahr.

Beschluß, Seite 16, 8. Zeile nach „aufhorchen“:

RA v[on ]Pl[ottnitz]:

Da meint er Sie, Herr Vorsitzender.

RA Pfaff und RA Schily sprechen unverständlich dazwischen.

[3143] Am Ende des Beschlusses sagte RA von Plottnitz:

„Heil, Dr. Prinzing!“

Vors.:

Ist das zu Protokoll genommen, daß Herr von Plottnitz im Augenblick bemerkte, „Heil, Dr. Prinzing“? Ich bitte das zu protokollieren.

RA v[on ]Pl[ottnitz] (unverständlich).

Vors.:

Gegen diesen Beschluß ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zulässig. Sie wäre schriftlich einzulegen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle. Den Angeklagten selbst steht hierzu die Haftrichtergeschäftsstelle bei der Vollzugsanstalt Stuttgart zur Verfügung. Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung.[15] Das Verfahren müßte also im Falle der Einlegung der Beschwerde unterbrochen werden, bis der Bundesgerichtshof über die Beschwerde entschieden hat. Das Gesetz sieht eine maximale Unterbrechungsfrist bis zu 30 Tage vor.[16] Im Hinblick darauf, daß die Frage der Rechtsmitteleinlegung über den weiteren Fortgang des Verfahrens in den nächsten Wochen entscheiden wird - wir also abwarten müssen, ob, wovon wohl auszugehen ist, von der Beschwerdemöglichkeit Gebrauch gemacht wird - sehen wir zunächst die Fortsetzung der Verhandlung nach Ablauf der Beschwerdefrist am Mittwoch, dem 8.10.1975, um 9.00 Uhr in diesem Saale vor. Sollte bis dahin von der Beschwerdemöglichkeit Gebrauch gemacht sein, würde dieser Termin hinfällig und müßte innerhalb der 30-Tagesfrist ein neuer Termin bestimmt werden. Damit ist die Sitzung geschlossen.

Ende der Sitzung: 10.15 Uhr

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, ich hatte ein Ablehnungsgesuch ... ich hatte ein Ablehnungsgesuch gegen Herrn Dr. Foth gestellt.

Vors.:

Außerhalb der Hauptverhandlung[17] können Sie das auch stellen.

RA Sch[ily] (schreiend):

Das ist doch unglaublich, unglaublich.

RA Pfaff:

Nicht nur die Angeklagten werden ausgeschlossen. (schreiend)

RA Sch[ily] (schreiend):

... kommen auch nicht zu Wort und nur Sie hier, Ihre Agitationsrede haben Sie gehalten.

- Unruhe im Sitzungssaal -

RA Sch[ily]:

Herr Foth, da haben Sie den Rechtsstaat wirklich ruiniert. Herzlichen Glückwunsch, Herr Zeis.

[3144][18]


[1] In den Fällen der notwendigen Verteidigung ist die Mitwirkung eines Verteidigers oder einer Verteidigerin gesetzlich vorgeschrieben (§ 141 StPO a.F.; seit dem 13.12.2019 [Gesetz zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019, BGBl. I, S. 2128] ist die Bestellung in manchen Fällen von einem Antrag des/der Beschuldigten abhängig, § 141 Abs. 1 StPO). Die notwendige Verteidigung ergab sich in diesem Verfahren daraus, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht stattfand (§ 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO) und dem Vorwurf eines Verbrechens (§ 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO; ein Verbrechen liegt vor bei einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr, § 1 Abs. 1 StGB a.F.; heute: § 12 Abs. 1 StGB), sowie der Inhaftierung der Beschuldigten für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten (§ 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO a.F.; heute ist die zeitliche Vorgabe entfallen). Auch zuvor gewählte Verteidiger/innen können als Pflichtverteidiger/innen bestellt werden. Da die Beiordnung als Pflichtverteidiger/in dem öffentlichen Interesse dient, dafür zu sorgen, dass Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhalten und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird (BVerfG, Beschl. v. 8.4.1975 - Az.: 2 BvR 207/75, BVerfGE 39, S. 238, 242), gehen mit ihr besondere Pflichten einher. Darunter fällt auch die Anwesenheitspflicht während der Hauptverhandlung, und zwar unabhängig davon, ob weitere (Pflicht-)Verteidiger/innen anwesend sind (OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.12.2015 - Az: 2 Ws 203/15, NStZ 2017, S. 436, 437 f.).

[2] Die vollständige Verhandlungsfähigkeit - d.h. die Fähigkeit, „in und außerhalb der Verhandlung seine Interessen vernünftig wahrzunehmen, die Verteidigung in verständiger und verständlicher Weise zu führen sowie Prozesserklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen“ (BGH, Beschl. v. 8.2.1995 - Az.: 5 StR 434/94, BGHSt 41, S. 16, 18) - der Angeklagten wurde durch die Verteidigung seit Beginn der Hauptverhandlung immer wieder bestritten. Mit Beschluss vom 18.7.1975 beauftragte das Gericht schließlich eine Kommission aus Sachverständigen verschiedener Fachrichtungen mit der Begutachtung der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten (der Beschluss selbst ist nicht im Protokoll enthalten, vgl. aber den ergänzenden Beschluss in Anlage 2 zum Protokoll vom 29.7.1975, S. 1570 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 20. Verhandlungstag; zur Chronologie der Beauftragungen der verschiedenen Gutachter s. die Ausführungen des Rechtsanwalts von Plottnitz am 26. Verhandlungstag, S. 2093 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Die abschließenden Gutachten, die am 39. Verhandlungstag vorlagen, legten eine zeitlich beschränkte Verhandlungsfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit nahe. Die Gutachten sind im Protokoll nicht enthalten. Auszüge finden sich in Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 207 ff., sowie Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Auflage 2014, S. 117 ff. Zur Behandlungsmöglichkeit führte der Sachverständige Prof. Dr. Rasch aus: „[D]ie Durchführung einer Behandlung dürfte während der Dauer der Hauptverhandlung und bei Beibehaltung der jetzt gegebenen Haftbedingungen nicht möglich sein“ (so die Wiedergabe des Vorsitzenden Dr. Prinzing auf S. 3112 des Protokolls der Hauptverhandlung, 39. Verhandlungstag).

[3] Der Anspruch auf rechtliches Gehör, der in Art. 103 Abs. 1 GG ausformuliert ist, ist eine Ausprägung sowohl des Rechtsstaatsprinzips aus Art. 20 Abs. 3 GG, als auch der Menschenwürdegarantie aus Art. 1 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschl. v. 8.1.1959 - Az.: 1 BvR 396/55, BVerfGE 9, S. 89, 95). Er ist zudem einfachgesetzlich in § 33 Abs. 1 StPO geregelt. S. zur Argumentation des Rechtsanwalts Dr. Heldmann auch die im Namen des Angeklagten Baader gegen den Beschluss erhobene Beschwerde, abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 132 ff.

[4] Sachleitungsbezogene Anordnungen des/der Vorsitzenden können als unzulässig beanstandet werden (§ 238 Abs. 2 StPO). Über die Beanstandung entscheidet sodann das Gericht, in diesem Fall der Senat in voller Besetzung.

[5] Eine gerichtliche Entscheidung besteht u.a. aus dem Tenor (auch: Entscheidungsformel) und den Entscheidungsgründen. Dabei umfasst der Tenor die Rechtsfolgen einer Entscheidung (Groh, „Urteilsformel“, in Creifelds [Begr.], Rechtswörterbuch, 24. Aufl. 2020).

[6] § 177 GVG eröffnet die Möglichkeit, Angeklagte wegen ordnungswidrigen Benehmens aus dem Sitzungszimmer zu entfernen. Nach § 231b Abs. 1 StPO kann die Hauptverhandlung sodann in Abwesenheit der Angeklagten fortgeführt werden, wenn das Gericht ihre Anwesenheit nicht für unerlässlich hält und solange weitere schwerwiegende Störungen zu befürchten sind.

[7] Siegfried Buback war zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung Generalbundesanwalt und damit Leiter der Strafverfolgungsbehörde „Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof“, welche das Amt der Staatsanwaltschaft beim BGH (§ 142 Nr. 1 GVG), sowie in den zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug gehörenden Strafsachen (§ 120 Abs. 1 und 2 GVG) ausübt (§ 142a Abs. 1 GVG).

[8] Vorgaben über die Beratung und Abstimmung in einem Kollegialgericht finden sich in den §§ 192 ff. GVG. Die Art und Weise der Abstimmung ist allerdings nicht näher geregelt. Nach § 194 Abs. 1 GVG sammelt der/die Vorsitzende die Stimmen; § 193 Abs. 1 GVG schreibt zudem vor, dass außer den zur Entscheidung berufenen Personen (mit wenigen Ausnahmen, etwa im Rahmen der Ausbildung) niemand bei der Beratung und Abstimmung zugegen sein darf. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Beratung stets in einem hierfür vorgesehenen Beratungszimmer stattzufinden hat. In einfachen Fällen ist auch die Beratung im Sitzungssaal möglich, solange das Beratungsgeheimnis (durch Flüstern o.ä.) gewahrt werden kann (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 193 GVG Rn. 4).

[9] Gemäß § 24 Abs. 1 StPO können Richter/innen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Die Ablehnung findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters/einer Richterin zu rechtfertigen (§ 24 Abs. 2 StPO).

[10] Die Entscheidung, einen Antrag anzunehmen, ist Bestandteil der Verhandlungsleitung, welche durch den/die Vorsitzende/n ausgeübt wird (§ 238 Abs. 1 StPO). Es besteht aber keine Verpflichtung, Anträge zu jeder Zeit entgegenzunehmen. Prozessbeteiligte, die einen Antrag zu einem ungünstigen Zeitpunkt stellen, können daher auf einen späteren Zeitpunkt verwiesen werden (BGH, Beschl. v. 10.6.2014 - Az.: 3 StR 57/14, NStZ 2014, S. 668, 670; Meyer-Goßner, in Meyer-Goßner/Schmitt, 63. Aufl. 2020, § 238 Rn. 5). Diese Grundsätze gelten auch für Ablehnungsgesuche. Aus der Verpflichtung, das Gesuch unverzüglich zu stellen (§ 25 Abs. 2 Nr. 2 StPO), folgt nach der Rechtsprechung keine Pflicht des Gerichts, eine sofortige Gelegenheit zur Anbringung des Gesuchs zu geben. Ergeben sich etwa während einer Zeugenvernehmung Umstände, die die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen können, ist nach (heutiger) Rechtsprechung des BGH die Verweisung auf die Stellung des Gesuchs nach der Vernehmung zulässig (BGH, Urt. v. 15.1.1986 -2 StR 630/85, StV 1986, S. 281). Teilweise wird hieraus gefolgert, dass die Gelegenheit zur Anbringung noch am selben Hauptverhandlungstag ausreichend sei (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 25 Rn. 9; Drees, NStZ 2005, 184 f.; ähnlich: Senge, NStZ 2002, S. 225, 232).

[11] Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit musste nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO a.F. ab dem Zeitpunkt der Vernehmung der Angeklagten zur Sache unverzüglich, also „ohne eine nicht durch die Sachlage begründete Verzögerung“ (BGH, Urt. v. 10.11.1967 - Az.: 4 StR 512/66, BGHSt 21, S. 334, 339) erfolgen (heute gilt dies bereits ab der Vernehmung der/des Angeklagten über die persönlichen Verhältnisse); andernfalls wäre sie nach § 26a Abs. 1 Nr. 1 StPO wegen Verspätung als unzulässig zu verwerfen. Zulässig ist allerdings, zunächst noch abzuwarten, ob sich der Eindruck der Befangenheit verfestigt (OLG München, Beschl. v. 22.11.2006 - Az.: 4 St RR 182/06, NJW 2007, S. 449, 451).

[12] Eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit hatte nach damaliger Rechtslage zur Folge, dass der/die abgelehnte Richter/in vorläufig amtsunfähig wurde und damit ab dem Zeitpunkt der Ablehnung nicht mehr an Entscheidungen mitwirken durfte; eine Ausnahme galt nur für unaufschiebbare Handlungen (§ 29 StPO a.F.). Unaufschiebbar ist eine Handlung dann, wenn sie wegen ihrer Dringlichkeit nicht aufgeschoben werden kann, bis ein/e Ersatzrichter/in eintritt (BGH, Beschl. v. 3.4.2003 - Az.: 4 StR 506/02, BGHSt 48, S. 264, 265; BGH, Urt. v. 14.2.2002 - Az.: 4 StR 272/01, NStZ 2002, S. 429, 430). Nachdem zwischenzeitliche Gesetzesänderungen weitere Mitwirkungsmöglichkeiten u.a. bei in der Hauptverhandlung gestellten Ablehnungen ermöglichten, wurde das Verfahren nach einer Ablehnung durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10.12.2019 (BGBl. I, S. 2121) grundlegend neu geregelt. Nach § 29 Abs. 1 StPO sind zwar weiterhin nur unaufschiebbare Handlungen gestattet; die Hauptverhandlung wird aber nach § 29 Abs. 2 Satz 1 StPO gesetzlich als unaufschiebbar eingeordnet. Bis zur Entscheidung über die Ablehnung (Frist: zwei Wochen, Abs. 3) findet diese nun unter Mitwirkung des/der abgelehnten Richter/in statt. Wird die Ablehnung für begründet erklärt, ist der seit Anbringung des Ablehnungsgesuchs durchgeführte Teil der Hauptverhandlung zu wiederholen, es sei denn, dies ist nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand möglich (Abs. 4).

[13] Gemeint ist wohl § 231a StPO. Danach kann die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Angeklagten fortgeführt werden, wenn diese noch nicht zur Anklage vernommen wurden, sie sich vorsätzlich und schuldhaft in den Zustand der Verhandlungsunfähigkeit versetzt haben und das Gericht ihre Anwesenheit nicht für unerlässlich hält. Die Norm wurde durch das Gesetz zur Ergänzung des Ersten Strafverfahrensreformgesetzes vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3686) eingeführt. Bereits vor dem Inkrafttreten der neuen Norm war eine solche Vorgehensweise zumindest für den Zeitraum nach Vernehmung der Angeklagten zur Sache (§ 243 Abs. 4 StPO a.F.; heute: Abs. 5) zulässig, da das eigenmächtige Versetzen in den Zustand der Verhandlungsunfähigkeit mit dem eigenmächtigen Entfernen der Angeklagten aus der Hauptverhandlung gleichgesetzt wurde (so BGH, Urt. v. 22.4.1952 - Az.: 1 StR 622/51, BGHSt 2, S. 300, 304). Für diesen Fall galt schon damals § 231 Abs. 2 StPO, der die Fortsetzung der Hauptverhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglichte. Die Einführung des § 231a StPO führte nur insofern zu einer Verschärfung der Rechtslage, als dass die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten nun bereits vor Abschluss der Vernehmung zur Sache möglich wurde. Für die Zeit danach ist auch heute noch § 231 Abs. 2 StPO anwendbar (Becker, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 6, 27. Aufl. 2019, § 231 Rn. 16 und § 231a Rn. 1 f., 10; Meyer-Goßner, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 231 Rn. 17 ff.).

[14] Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975: Senatsbeschluss (Fortsetzung der Hauptverhandlung in Abwesenheit der Angeklagten).

[15] Hat ein Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung, bedeutet dies, dass die Wirkung der angefochtenen Entscheidung - hier die Fortsetzung der Hauptverhandlung in Abwesenheit der Angeklagten - bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf gehemmt wird. Die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss nach § 231a StPO ist in § 231a Abs. 3 Satz 3 StPO festgelegt.

[16] Nach § 229 Abs. 1 StPO a.F. durfte die Verhandlung grundsätzlich nur für maximal zehn Tage unterbrochen werden (heute: drei Wochen), im Falle von zehn vorher stattgefundenen Verhandlungstagen - das ist hier der Fall - aber immerhin einmal auch für 30 Tage (§ 229 Abs. 2 Satz 1 StPO a.F.). Bei Überschreitung der Frist hätte mit der Hauptverhandlung von neuem begonnen werden müssen (§ 229 Abs. 3 StPO a.F.).

[17] Notwendigerweise Gegenstand der Hauptverhandlung ist alles, was der Beantwortung der Schuld- und Straffrage dient, d.h. der Tathergang, die Schuld der/des Angeklagten sowie die Höhe der Strafe, da nur solche Tatsachen zur Begründung des Urteils herangezogen werden dürfen, die (prozessordnungsgemäß) in die Hauptverhandlung eingeführt wurden (§ 261 StPO). Auch andere Erklärungen und Anträge können jedoch im Strafverfahren innerhalb der mündlichen Verhandlung mündlich erfolgen (vgl. zur Form: Kudlich, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, 1. Aufl. 2014, Einl. Rn. 337; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, Einl. Rn. 124). Für Befangenheitsgesuche regelt § 26 StPO das Verfahren. Danach kann das Ablehnungsgesuch entweder beim Gericht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle angebracht werden. Der Bundesgerichtshof hat mittlerweile klargestellt, dass es die freie Entscheidung des/der Antragssteller/in ist, wie das Gesuch geltend gemacht wird: Die Praxis, Befangenheitsgesuche in der Hauptverhandlung nur im Einzelfall zuzulassen und im Übrigen auf Geltendmachung außerhalb der Hauptverhandlung zu verweisen, widerspreche dem (seit dem hiesigen Verfahren unveränderten) Wortlaut des § 26 StPO. Es gehöre „zu den grundlegenden Rechten eines Angeklagten, in einer laufenden Hauptverhandlung sachdienliche Anträge zu seiner Verteidigung zu stellen“. Die Sachleitungsbefugnis des/der Vorsitzenden geht daher nicht so weit, Befangenheitsgesuche in der Hauptverhandlung gar nicht zuzulassen (BGH, Beschl. vom 8.6.2005 - Az.: 2 StR 118/05, StV 2005, S. 531).

[18] Fehlblatt.


[a] Maschinell eingefügt: (Dr. Foth schlägt mit der Faust auf den Tisch)

[b] Maschinell eingefügt: mehr

[c] Maschinell eingefügt: fest

[d] Maschinell eingefügt: hier

[e] Maschinell eingefügt: wieder

[f] Maschinell eingefügt: einhalb