34. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 4. September 1975 um 9.05 Uhr



[2742] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 4. September 1975 um 9.05 Uhr

(34. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am ersten Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte sind anwesend

Just. Ass. z. A. Clemens

Just. Ass. z. A. Scholze

Die Angeklagten erscheinen mit ihren Verteidigern Rechtsanwälte Schily, Pfaff, Dr. Heldmann, Riedel, von Plottnitz, Eggler, Künzel, Schnabel, Schwarz, König, Linke und Grigat.

Vors.:

So, ich[a] bitte Platz zu nehmen. Wir setzen die Sitzung fort.

Herr Rechtsanwalt Schlaegel hat mitgeteilt, er ist überraschend für heute verhindert. Es ist ein neues Gesicht zu sehen, Herr Rechtsanwalt Pfaff. Die Vollmacht ist übergeben. Ich darf sie gleich zu den Akten nehmen. Sie sind jetzt der dritte Wahlverteidiger für Herrn Baader, so daß das gesetzlich zulässige Kontingent von Verteidigung[1] jetzt bei Herrn Baader wohl gefüllt ist.

-Siehe Anlage 1 zum Protokoll-[b]

RA Sch[ily]:

Ich bitte das Ausbleiben von Frau Kollegin Becker für den heutigen Sitzungstag zu entschuldigen.

Vors.:

Dankeschön. Bevor wir zur Sache selbst kommen, ich glaube, es hat sich gestern ein Weg angedeutet, wie wir diese sitzungsfreie Woche, die ja am Schluß der nächsten Woche dann beginnen soll, gestalten könnten. Herr Rechtsanwalt König, Sie haben angedeutet, daß es möglich wäre, eine Vertretung hierherzuschicken.

RA Kö[nig]:

Ja.

Vors.:

Läßt sich das machen?

RA Kö[nig]:

Ja.

Vors.:

Kann auch gesagt werden, daß der oder die Vertreterin im Stande ist, hier zu verteidigen, die genügende Sachkenntnis besitzt?

[2743] RA Kö[nig]:

In dem Prozeßabschnitt, in dem sie eingesetzt wird, wird sie sich noch einarbeiten, es ist ja noch Zeit bis dahin. Ich gehe ja nicht davon aus, daß sie alle 150 Ordner lesen muß, um einen Tag zu überstehen, das wird möglich sein.

Vors.:

Gut, es würde also jetzt nicht an der Verhinderung der beiden Herrn Rechtsanwälte König und Linke hängenbleiben. Sind die übrigen Herren mit der Vorstellung des Gerichts einverstanden, daß wir also am Freitag kommender Woche vormittags noch möglichst kurz verhandeln und dann erst in der übernächsten Woche am Dienstag, 23., fortsetzen und Mittwoch, 24., Donnerstag 24 ... 25.9. weiterverhandeln?

Allseitiges Einverständnis?

RA Sch[ily]:

Also, wie ursprünglich geplant, ja?

Vors.:

Nein, nicht wie ursprünglich geplant. Ursprünglich war ja geplant.

RA Sch[ily]:

(Anfang unverständlich) ... zwischendurch geplant, also bevor die, also jetzt Freitag der letzte Tag und dann am Dienstag weiter, statt ...

Vors.:

Jawohl, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag.

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz.

RA v[on] P[lottnitz]:

Folgende Frage dazu. Da[c] die bisherige Erfahrung gezeigt hat, daß freitags in der Kürze, wie regelmäßig in Aussicht genommen, hier doch nicht verhandelt wird und das verhandelt ..., vier Tage pro Woche mit ungeheuren Belastungen für übliche Kanzleibetriebe verbunden ist. Die Frage zunächstmal, nur die informelle Frage, ist es nicht möglich, am Mittwoch zu beginnen und Mittwoch, Donnerstag, Freitag zu verhandeln?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, nein, und zwar einfach deswegen, weil in der Tat die Freitagsverhandlung nur der Fristwahrung[2] dienen soll. Es hängt von den Umständen ab. Sie wissen, beim letzten Mal ist es dadurch schiefgelaufen, daß wir, weil eine Entscheidung ausstand, erst um 10.00 Uhr beginnen konnten; wenn wir um 9.00 Uhr begonnen hätten, wären wir um ¼ - ½ elf wieder auseinandergegangen, und so stelle ich mir es auch vor, ohne in dieser Richtung ein bindendes Versprechen abzugeben. Mit Sicherheit wird nicht länger als bis 12.00 Uhr nachmittags verhandelt werden, aber vorgesehen ist an sich nur eine Fristwahrungs- [2744][3] [2745] verhandlung.

RA v[on] P[lottnitz]:

Das ist eine volle Verhandlung bis 12.00 Uhr, Herr Vorsitzender. Im übrigen, Garantien im Strafprozeß, daß nicht wieder irgendwelche Gründe dafür vorliegen eine Stunde später anzufangen oder Verzögerungen in Kauf nehmen zu müssen, gibt es nicht. Die Frist ist gewahrt, wie auch immer, durch eine Freitagsverhandlung zur Fristwahrung ist die Dienstagsverhandlung nicht erforderlich.

Vors.:

Sicher, aber die Freitagsverhandlung dient nicht dazu, die Sache in dem Maße weiterzufördern, wie die übrigen Verhandlungstage in der Woche das tun sollen. Ich bitte also um Verständnis, daß wir hier diesen Zusatztag einlegen wollen. Es ist schon beim letzten Mal gesagt worden, hier könnte wohl durch Vertretung und dergleichen oder auch unter[d] Umständen sogar durch Ausbleiben manche Härte gemildert werden. Ich bitte[e] das also zu überlegen.

Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Sch[ily]:

Ich habe auch eine, mehrere Anträge zu technischen Fragen. Ich darf, weil also hier jetzt der Verhandlungsrhythmus angesprochen worden ist, zunächst einmal darauf hinweisen, daß es ja einen[f] Parallel-Prozeß gibt, der begonnen hat in Kaiserslautern,[4] und dort wird nur an zwei Verhandlungstagen in der Woche verhandelt. Ich glaube, darüber besteht Übereinstimmung, daß dieses Verfahren für alle Prozeßbeteiligten aber besonders auch für die Verteidiger eine sehr erhebliche Belastung darstellt, weil sie sehr weitgehend ihrer übrigen[g] Praxis entzogen werden. Das gilt natürlich insbesondere für auswärtige Verteidiger, denn ich habe keine Möglichkeit an einem Verhandlungstag, wenn hier zu Ende ist, etwa nach Berlin zurückzufliegen und da noch meine Sprechstunde um 21.00 Uhr vielleicht dann abzuhalten, das ist ja nicht möglich. Also, das sollte auch mal überdacht werden, also, ob man nicht wenigstens dann diesem Beispiel folgen sollte, aber das stelle ich einstweilen zurück. Was wichtiger ist, ist folgendes: Der Vorsitzende der[h] dortigen Strafkammer hat mit einer Verfügung vom 22. Aug. 75 den dortigen Angeklagten einen täglichen Zusammenschluß in der Zeit von Montag bis Freitag von 2 Stunden zugebilligt. [2746] Vom Montag bis Freitag auf Verlangen, so heißt es in dieser Verfügung, täglich 2 Stunden, und ferner, genaueres könnte darüber, glaube ich, noch der Kollege Dr. Heldmann berichten, ist eine Regelung getroffen worden, daß eine Möglichkeit besteht für alle Verteidiger zu gemeinsamen Besprechungen mit allen Angeklagten, auch im Anwaltszimmer, auch diese Regelung scheint mir angemessen zu sein, und ich ...

Vors.:

Herr Rechtssanwalt, verzeihen Sie, wenn ich unterbreche, es ist wohl wiederum ein Vorbringen, das wohl außerhalb der Hauptverhandlung angebracht ist.[5]

Angekl. R[aspe]:

Nein, in der Hauptverhandlung stattfindet.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, Sie haben doch selber auch hier technnische Fragen, ich will mich auch kurz fassen. Ich stelle also den Antrag,

diese beiden Maßnahmen entsprechend dem Vorbild in Kaiserslautern auch für das hiesige Verfahren zu treffen ...

Vors.:

Gut, Herr Rechtsanwalt, ich[i] darf den Vorschlag machen ...

RA Sch[ily]:

... das heißt also täglicher Zusammenschluß, und daß gemeinsame Besprechungen[j] im Anwaltszimmer mit allen Angeklagten und allen Verteidigern zugelassen werden.

Vors.:

Ich darf Sie bitten, das vielleicht doch ganz kurz schriftlich nochmals festzuhalten und dem Senat zur Kenntnis zu bringen. Wir werden dann darüber außerhalb der Hauptverhandlung uns Gedanken machen.

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz.

RA v[on] P[lottnitz]:

Ich bitte zunächst, zunächst, ums Wort, und ich habe, also über das hinausgehend, was der Kollege Schily gerade beantragt hat, zu beantragen

die beiden Anträge, denen sich Herr Raspe anschließt, die gestellt worden sind, in öffentlicher Sitzung, heute und jetzt entgegenzunehmen und über diesen beiden Anträge heute und jetzt zu entscheiden.

Ganz einfach deshalb, weil das Anträge sind, die sich auf die Verteidigung in dieser Hauptverhandlung beziehen, die also auch nicht aus der Hauptverhandlung rausgedrängt werden dürfen, insbesondere nicht deshalb etwa rausgedrängt werden dürften, weil dem Senat hier die Tatsache unangenehm [2747] sein könnte, daß in einem Parallel-Verfahren ein Gericht sich außerstand gesehen hat, in der Vorschrift des § 119 Abs. 3[ StPO][6] irgendwelche Bedenken bezüglich der Regelung, wie sie jetzt beantragt ist,[k] zu sehen. Was in Kaiserslautern recht ist, kann nur in Stammheim billig sein.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt ...

RA v[on] P[lottnitz]:

Es fördert das Verfahren, darf ich, bitte, meinen Antrag zu Ende begründen ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich möchte aber jetzt ... Entschuldigen Sie bitte ...

RA v[on] P[lottnitz]:

Das, was ich sage, gilt der ... Herr Vorsitzender, das, was ich sage, dient der Begründung des Antrags hier ...

Vors.:

Es geht jetzt schon wieder los. Nein, Herr Rechtsanwalt, bitte, seien Sie so gut, nehmen Sie es zur Kenntnis, wir haben verstanden, was Sie beantragen wollten. Wir haben Ihren Hinweis verstanden. Ich sage Ihnen, der Antrag wird jetzt nicht behandelt.

RA v[on] P[lottnitz]:

Wollen Sie mich nicht mal meinen Antrag zu Ende begründen lassen.

Vors.:

Nein.

RA v[on] P[lottnitz]:

Ich habe den Antrag gestellt, diese Anträge in der öffentlichen Sitzung entgegenzunehmen.

Vors.:

Nein, der Antrag ist inhaltlich ... Herr Rechtsanwalt, der Antrag ...

RA v[on] P[lottnitz]:

Haben Sie denn das nicht gehört?

Vors.:

Doch, der Antrag ist inhaltlich bekannt. (RA v[on] Plottnitz spricht unverständlich dazwischen) Ich bitte Sie jetzt den Antrag nicht weiter zu begründen. Wir wollen jetzt fortfahren ...

RA v[on] P[lottnitz]:

Der Bitte kann ich nicht entsprechen.

Vors.:

... mit der Antragsbegründung der Ablehnung.

RA v[on] P[lottnitz]:

Der Bitte kann ich nicht entsprechen, weil ich natürlich mich nicht hier, mir nicht von einem Vorsitzenden sagen lassen kann, welche Anträge ich stelle und welche ich nicht stelle.

Vors.:

Sie können ...

RA v[on] P[lottnitz]:

Das Gericht hat die Befugnis, einen Antrag abzulehnen, das Gericht hat nicht die Befugnis, die Begründung eines Antrags hier zu ... treiben.

Vors.:

Das ist falsch. Das ist falsch. Ich nehme diesen Antrag jetzt [2748] nicht weiter entgegen, auch die Begründung nicht. Sie können diese Maßnahme beanstanden.[7]

RA v[on] P[lottnitz]:

Ich habe ... Ich war noch nicht mit der Begründung meines Antrags zu Ende, deswegen habe ich zunächstmal den Antrag zu stellen, mir Gelegenheit zu geben ...

Vors.:

Ich gebe Ihnen aber jetzt ..., Herr Rechtsanwalt von Plottnitz ...

RA v[on] P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, unterbrechen Sie mich bitte nicht. Wo sind wir denn hier, wir sind doch hier nicht auf einem Kasernenhof.

Vors.:

Selbstverständlich unterbreche ich Sie. Sie haben jetzt das Wort ...

RA v[on] P[lottnitz]:

Nein, Sie unterbrechen mich selbstverständlich nicht. Sie werden zuhören, wenn ich Anträge zu stellen habe.

Vors.:

Sie haben ... Sie haben jetzt das Wort nicht mehr zur Begründung dieses Antrags.

RA v[on] P[lottnitz]:

Ich habe das Wort.

Vors.:

Nein, Sie haben es nicht.

RA v[on] P[lottnitz]:

Dann stelle ich den Antrag,

mir das Wort zu erteilen und ..., damit ich einen Antrag stellen kann.

Vors.:

Gut. Ja, und ich gebe Ihnen zur Stellung dieses Antrags, er ist vorformuliert durch Herrn Rechtsanwalt Schily, Sie haben sich angeschlossen für Herrn Raspe, nicht mehr weiterhin das Wort. Sie können diese Maßnahme beanstanden.

RA v[on] P[lottnitz]:

Ich hab, wollte nicht zur Stellung des Antrages das Wort, ich wollte zunächstmal überhaupt das Wort, wie Ihnen vielleicht an meinen Antrag aufgefallen ist.

Vors.:

Nein, Sie wollten es zur Begründung dieses Antrags.

RA v[on] P[lottnitz]:

Woher wissen Sie das?

Vors.:

Weil Sie es sagten.

RA v[on] P[lottnitz]:

Also, dann beanstande ich zunächstmal die Maßnahme.

Vors. (nach geheimer Beratung):

Aufgrund des Senatsbeschlusses erhalten Sie zur weiteren Begründung des Antrags, den bereits Herr Rechtsanwalt Schily gestellt hat, nicht das Wort. Das Wort hat jetzt Herr Baader, dem ist aber folgendes vorauszusagen. Herr Baader, Sie haben ja die Befangenheit der beiden [2749] Psychiater, die abgelehnt werden durch Sie,[8] mit drei Punkten begründet, allgemein mit der politischen Funktion der Psychiatrie, die Sie noch ...

Angekl. B[aader]:

Moment mal, Herr Prinzing ...

Vors.:

Augenblick, Augenblick, Herr Baader ... Herr Baader, lassen Sie mich jetzt bitte, das Ihnen mal ausreden.

Angekl. B[aader]:

Sie soll man immer ausreden lassen, ja?

Vors.:

Ja, eben.

Also, allgemein mit der politischen Funktion der Psychiatrie, die Sie noch als eine politische faschistische Staatspsychiatrie begreifen.

2. Haben Sie ...

Angekl. B[aader]:

Das ist falsch ...

Vors.:

... beanstandet den biologisch-faschistisch, biologischen Krankheitsbegriff der konservativen Psychiatrie, wobei Sie die beiden Sachverständigen als Angehörige dieser konservativen Richtung bezeichneten, daraus die Befangenheit wohl herleiten wollen, und schließlich haben Sie noch die besondere politische Funktion der Psychiatrie betont, im Rahmen militärtaktischer Methoden, wie Sie das bezeichnen, und zwar im Zusammenhang mit angeblicher Folter- und Folter zwecks Informationsbeschaffung. Und Sie wollten das belegen durch Beispiele, welche die Psychiatrie, Herr Baader, hören Sie vielleicht zweckmäßigerweise zu, Sie wollten das belegen durch Beispiele, welche die Psychiatrie bisher schon in diesem Verfahren gespielt habe. Wir haben Ihnen gestern nicht mehr weiter die Gelegenheit gegeben, das Beispiel des Sachverständigen Witter hier auszuführen und Sie schlagen dann den Bogen, und damit begründen Sie auch den Sachzusammenhang, mit dem grundsätzlichen Einverständnis, das die hier bestellten Gutachter nach ihren Veröffentlichungen mit diesen Zielen der Psychiatrie, wie Sie sie begreifen, haben würden.

Angekl. M[einhof] (spricht ins abgeschaltene Mikrophon):

Nein, der ausdrücklichen.

Angekl. B[aader]:

Naja ...

Vors.:

Herr Baader, folgendes: Sie hatten nun genügend Zeit, die allgemeinen Voraussetzungen, mit der Sie darlegen konnten, wie Sie aus Ihrer Sicht die Funktion der Psychiatrie ver- [2750] stehen, auszuführen, bis hin zu Ihrer Auffassung, daß bei seelischen Störungen das revolutionäre Verhalten eine Möglichkeit wäre, zur Besserung zu führen, und jetzt haben Sie und nur dazu erteile ich Ihnen noch das, die Möglichkeit, den konkreten Bezug, ausschließlich den konkreten Bezug zu den beiden abgelehnten Herrn Sachverständigen herzustellen. Das heißt, es muß ein Vortrag sein, der erkennen läßt, daß das, was Sie ausführen, unmittelbar diese beiden abgelehnten Herrn betreffende Argumente sind. Über die allgemeine Rolle der Psychiatrie innerhalb oder außerhalb dieses Verfahrens, können Sie das Wort jetzt nicht mehr erhalten. Bloß, daß wir von vornherein den Rahmen genau abgesteckt haben, in dem Sie weitere Ausführungen machen können.

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Vorsitzender, ich hätte es vorgezogen, wenn Zusammenfassungen bisherigen Begründungsinhalts derjenige, von dem sie stammen, selbst gegeben hätte, so daß [l] auch nicht einmal der Verdacht etwa einer Verballhornung hier entstehen könnte, und

2. erlaube ich mir den Hinweis, daß Ihre Verhandlungsleitung sicher nicht soweit geht, daß Sie entweder im nachhinein oder, wie Sie es eben getan haben, prophylaktisch Inhalte, die Sie erwarten mögen, vorzensieren. Und deswegen meine ich, seien[m] diese Hinweise an Herrn Baader nun verfehlt, und, bitte, nun Herrn Baader das Wort zu erteilen.

Vors.:

Ja, es war keine Zensur, es war ein Rahmen ...

RA Dr. H[eldmann]:

Vorzensur, sagte ich.

Vors.:

... ein Rahmen, damit Herr Baader weiß, in welchem Rahmen er sich jetzt mit seinen Ausführungen noch bewegen kann.

Bitte, Herr Baader.

Angekl. B[aader]:

Naja, das ist ja immerhin mal ein[n] ganz löblicher Versuch, daß Sie versuchen, hier dazustellen, daß Sie folgen können, aber Sie können offenbar nicht folgen. Ich habe nicht von der faschistischen Staatspsychiatrie gesprochen, ich habe gesprochen, daß ganz konkret, und ich habe das durch [o] Zitate belegt, daß Ehrhardt durch seine rechtspolitischen Initiativen versucht, rechtliche Voraussetzungen[p] wieder herzustellen, die ihrerseits Voraussetzung waren der Massenexperimente in KZs und der bekannten Rolle der Psychiatrie [2751] im dritten Reich, das habe ich gesagt. Und ich habe das also wirklich, würde ich sagen, daß ich das relativ ausführlich belegt habe aus den Zitaten Ehrhardts, und jetzt zum konkreten Zusammenhang. Ich habe gestern schon den ganzen Tag nicht mehr über die allgemeine Funktion der Psychiatrie gesprochen, sondern ich habe über[q] ihre besondere Funktion in diesem Verfahren gesprochen, und ich habe, als Beispiel, das allerdings [r] versucht zu entwickeln an Witter, der ja in diesem Verfahren bereits ein Gutachten abgegeben hat. Man muß das aber konkretisieren, Witter ist deswegen auch ein entscheidender Punkt, es besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Witters Maßnahmen und diesen beiden Gutachtern, weil einer der Gutachter, nämlich Mende, sich ausdrücklich mit Witter identifiziert hat und seiner Maßnahme; einerseits der Zwangsnarkose, andererseits der Zwangszintigrafie, und weil ich belegt habe, was Ehrhardt angeht, daß Ehrhardt diese Maßnahme des Zwangseingriffs und das geht bei ihnen ja bis zum neuro-chirurgischen[s] Zwangseingriff, daß er diese Maßnahmen rechtfertigt, auf der einen Seite zwangsweise und auf der anderen Seite auch durch Täuschung, oder einfach dadurch, daß er in, daß er sein Opfer, würde ich mal sagen, behandelt unter Zwang, und zwar noch unterhalb der Schwelle der richterlichen Anordnung. Das sind doch die beiden Linien, das habe ich gestern aber wirklich genau erklärt, die Ehrhardt propagiert. Es besteht also eine wirklich unmittelbare Beziehung zu[t] einer Untersuchung durch Ehrhardt, einer Bestellung von Ehrhardt als Gutachter; mal vorgestellt, könnte bedeuten, daß hier von Ehrhardt Untersuchungsmethoden, die er da propagiert, beantragt werden und unter Umständen durchgeführt werden, bzw. falls sie nicht beantragt werden, könnte es sein, daß er sie zwangsweise unterhalb der Schwelle der richterlichen Anordnungen durchführt. Was das also konkret bedeutet und wie das abläuft, wie sowas gemacht wird, das war an Witter zu belegen in diesem Zusammenhang. Jetzt frage ich Sie nochmal, denn ich bin der Ansicht, daß man das so darstellen muß unbedingt, ob Sie vorhaben, mich in diesem Zusammenhang wieder [2752] zu unterbrechen, wenn ich das versuche? Also, wenn ich diesen Zusammenhang, wie ich ihn jetzt umrissen habe, nochmal konkret darstelle an der Veranlassung Witters im Sommer 73.

Vors.:

Es ist Ihnen gestern schon durch Senatsbeschluß gesagt worden, daß die Verhaltensweise des Sachverständigen Witter hier nicht maßgebend werden könne für Ablehnungsgründe gegenüber den Herrn. Auch wenn Sie den Zusammenhang so herstellen wollen ...

Angekl. B[aader]:

Muß ich es Ihnen nochmal sagen, ist das für Sie nicht schlüssig, muß ich nochmal ausdrücklich sagen, daß Herr Mende sich mit Witter identifiziert hat uns gegenüber, damit ich Ihnen also erklären kann, womit sich Herr Mende identifiziert hat, den Sie hier als Gutachter benannt haben. Ist es vielleicht notwendig, Ihnen das mal darzustellen, denn wir haben es Mende ja auch dargestellt.

RA Sch[ily]:

In diesem konkreten Verhalten, Herr Vorsitzender ...

Vors.:

Ich habe, darf ich das vielleicht hinzufügen noch, gestern, Herr Baader, glaube ich, Ihnen gegenüber in dieser Richtung ziemlich viel Geduld gezeigt.

Angekl. B[aader]:

Das ist doch wohl lächerlich, wirklich.

Vors.:

Ich habe Ihnen auch gesagt, solange Sie sich in Kürze mit solchen Fragen befassen und nicht nun beginnen endlos viele Zitate z. B. zu bringen, sondern die Fakten auf den Tisch zu legen, wird wahrscheinlich keine Schwierigkeit für Sie entstehen.

Angekl. B[aader]:

Na, das ist doch eine ...

Vors.:

Aber, halt Herr Baader ...

Angekl. B[aader]:

Das ist doch eine Ungeheuerlichkeit.

Vors.:

Herr Baader, nicht wahr, Sie könnten mit derselben Begründung, die Sie hier jetzt bezüglich dieser Ärzte vorbringen, etwa einen Richter ablehnen, indem Sie sagen, er stammt aus einem Elternhaus, wo der Vater, sagen wir mal, im dritten Reich auch schon Richter gewesen ist, und jetzt wäre es zwingend darzulegen, welche Rolle die Justiz im dritten Reich gespielt hat.

-Reg. Dir. Widera verlässt um 9.20 Uhr den Sitzungssaal.-

Angekl. B[aader]:

Das ist doch der Gipfel.

RA v[on] P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, wie kommen Sie eigentlich zu der [2753] Analogie?

(RA Schily ist nicht verständlich)

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, bitte, ich darf bitten das, ...

(RA Dr. Heldmann, RA Schily und Angekl. Baader reden unverständlich durcheinander)

Herr Rechtsanwalt Schily, darf ich folgendes sagen ...

Herr Baader, Sie haben jetzt nicht das Wort.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, wenn ein Richter sich ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, ist Herr Dr. Heldmann nicht Manns genug, die Interessen von Baader zu verteidigen.

RA Sch[ily]:

Selbstverständlich, natürlich. Ach, Herr Dr. Prinzing.

RA Dr. H[eldmann]:

Das sollten Sie eigentlich wissen, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Ja, dann müssen Sie doch aber sich jetzt nicht zu Wort melden.

RA Sch[ily]:

Herr Dr. Prinzing, muß denn sowas ...

RA Dr. H[eldmann]:

Ich habe mich ... Ich habe mich schon öfter hier zu Wort gemeldet.

Vors.:

Ja, ich gebe Ihnen deswegen ja auch das Wort.

RA Sch[ily]:

Ich will nur auf folgendes hinweisen: Wenn ein Richter öffentlich erklären würde, daß er sich mit einer rechtswidrigen Maßnahme, beispielsweise mit einer Foltermaßnahme, die von einem anderen Richter angeordnet worden ist[u], mit dem er vielleicht sonst irgendwie kollegial verbunden ist, identifiziert, ausdrücklich. Und vielleicht haben Sie es nicht gehört, Herr Baader hat eben ausgeführt, der Herr Mende hat sich mit diesen konkreten Maßnahmen ...

Vors.:

Ja, ich habe es gehört, Herr Rechtsanwalt.

RA Sch[ily]:

Ja, ja ... (RA Schily und RA Dr. Heldmann sprechen unverständlich durcheinander)

RA Dr. H[eldmann]:

Dann ist Ihre ...

RA Sch[ily]:

(Anfang unverständlich) ... anderen Auffassung festhalten.

RA Dr. H[eldmann]:

Dann ist Ihre Bemerkung unverständlich.

Vors.:

Wie soll denn eine Verhandlung so durchgeführt werden, wenn selbst die Verteidiger schon im Chor miteinander reden.

RA Dr. H[eldmann]:

Ja.

Vors.:

Sie müssen doch wenigstens sich selber die Möglichkeit geben, verständlich zu werden, indem Sie nacheinander sprechen und nicht gleichzeitig rufen. Aber wir werden es im Einzelfall zu beurteilen haben, ob Herr Baader den Sachzusammenhang [2754] wahrt. Ich habe ihm den Rahmen aufgezeigt, den ich für jetzt noch gegeben halte, wo er sprechen kann. Wir wollen sehen, was sich hier tut. Eine Vorfrage, Herr Baader, die Sie stellen, ob ich Sie unterbrechen würde, ist nicht zu beantworten, weil ich nicht weiß, was Sie sagen wollen.

Angekl. B[aader]:

Ja Moment, kann ich mal den Ton haben. Ich muß Sie nochmal fragen. Ich finde das völlig absurd, was Sie hier machen. Ich habe Ihnen doch genau erklärt, was ich jetzt vorhabe, und ich möchte nochmal ausdrücklich darauf hinweisen, daß, wenn Sie von Großzügigkeit sprechen, da kann man[v] nun wirklich nur lachen. Sie haben gestern mit einer unglaublichen Brutalität, haben Sie den Zusammenhang zerstört, und wenn Sie also sagen, ich würde hier endlose Zitate bringen, dann muß ich Ihnen mal sagen, das ist so knapp gefaßt, und davon hat sich Herr Heldmann z. B. überzeugt, wie es überhaupt nur sein kann, in den Auszügen und in den Zitaten. Und Sie stellen ... Sie setzen sich darüber hinweg und behaupten, wir würden ideologische Ausführungen machen. Wenn wir das nun belegen, was wir hier sagen, d. h. wir würden hier proklamieren, wenn wir das nun belegen aus den Zitaten der Leute, die hier abzulehnen sind, dann behaupten Sie, denn wollen Sie, dann wollen Sie wiederum diese Zitate aus der Hauptverhandlung rausdrängen. Das ist absurd, um ...

Vors.:

Herr Baader, beginnen Sie jetzt mit Ihren Ausführungen. Wir wollen uns nicht über die Frage unterhalten, was kommen muß. Wir wollen ...

Angekl. B[aader]:

Na, ich würde sagen, lassen Sie doch[w] bitte erst Herrn Heldmann reden, er hat zu dieser Frage was zu sagen. Aber ich wollte kurz noch sagen, es besteht natürlich, es gibt, das ist absolut ein vollkommen unzulässiger Analogieschluß, vom Elternhaus zu sprechen. Es ist hier von einer politischen Funktion die Rede. Es ist hier von einer außerwissenschaftlichen Übereinkunft zwischen Psychiatern die Rede, so ist sie klassifiziert worden, es ist hier, oder als Komplott, und wenn Sie dabei als Rassist offensichtlich, wenn Sie dabei also[x] hier rassistische Assoziationen haben, vom Elternhaus anfangen zu reden, dann ist das wirklich, verweist das wirklich nur auf Sie, und es beweist auch nochmal, daß Sie über- [2755] haupt nicht begriffen haben, wovon hier geredet wird.

Vors.:

Herr Baader, bitte, Sie dürfen glauben, auch wenn Sie Ihre Ausführungen für intellektuell so herausragend erachten, es ist ...

Angekl. B[aader]:

Das tun wir nicht, aber wir erachten Ihre Qualifikation ... sind intellektuell so dürftig, daß Sie auch ... ach ...

Vors.:

... es ist uns möglich, es ist uns möglich ... Es ist möglich Ihren Ausführungen a) inhaltlich zu folgen und [y] ihren intellektuellen Gehalt auch richtig zu bewerten. Ich darf Sie jetzt bitten, zu beginnen.

Angekl. B[aader]:

Ich würde annehmen, daß Sie dauernd das Gegenteil unter Beweis stellen.

RA Dr. H[eldmann]:

(Anfang unverständlich) ... Anfrage, wollten Sie mir das Wort nicht geben?

Vors.:

Ich denke, Sie wollten für Herrn Baader das Wort haben. Sie haben doch gebeten, Herrn Baader das Wort zu erteilen.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich habe ... mich vorhin schon gemeldet ...

Vors.:

Bitte, Herr Rechtsanwalt.

RA Dr. H[eldmann]:

... worauf Sie, Ihnen der Einfall, hier zu sagen, ob nicht Herr Heldmann Manns genug sei, selbst zu sprechen, ...

Vors.:

Die Interessen von Herrn Baader zu vertreten.

RA Dr. H[eldmann]:

... bei dem habe ich mich weiter ...

Vors.:

Sie sind sein Verteidiger.

RA Dr. H[eldmann]:

Ja, wessen ... Wessen Interessen soll ich denn hier vertreten, wenn nicht die des Herrn Baader.

Vors.:

Eben.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich können keinen im Saale entdecken, dessen Interessen ich hier vertreten möchte.

Herr Vorsitzender, die Herren des Senats, Herr Baader hat dargelegt, und vor mir liegt ein unmittelbar nach dem Gespräch mit Herrn Mende verfasstes Inhaltsprotokoll, daß nämlich die vier Gefangenen Herrn Mende die Maßnahmen des Herrn Witter, nämlich Szintigrafie und Zwangsnarkose, ausführlich dargelegt haben und um seine Einstellung hierzu gebeten haben. Und Herr Witter, Verzeihung, und Herr Mende hat sich von dieser Darstellung nicht etwa beeindruckt gezeigt, sondern als einzige Reaktion, daß gegen Einbeziehung solcher Zwangsmaßnahmen gegen den Willen des Patienten als[z] Voraussetzung für Untersuchungen, d. h. also lediglich für diagnostische Maßnahmen an die Adresse der Straf- [2756] verfolgungsbehörden, von seiner Seite aus nichts einzuwenden sei. Das ist der Sachzusammenhang, und er hat ausdrücklich Zwangsnarkose und Szintigrafie[9], d. h. einen Eingriff, für den nach der ersten Strahlenschutzverordnung zwingend die Einwilligung des Patienten vorliegen muß, die hat er für gerechtfertigt erklärt. Das also ist der Sachzusammenhang: Mendes Äußerungen gegenüber den Gefangenen, auf die sich in erster Linie dieser Ablehnungsantrag auch stützt, und 2. der Hintergrund, der dann zu diesem Ablehnungsantrag führt, nämlich die Einstellung des Herrn Mende, gekennzeichnet durch diese Äußerungen.

Vors.:

Deswegen ist es nicht erforderlich und hat keinen Sachzusammenhang, die etwa, die von Ihnen beanstandeten Praktiken des Herrn Prof. Witter hier im einzelnen detailliert darzustellen. Darüber ist ...

RA Dr. H[eldmann]:

Ja, dürfen wir ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt ...

RA Dr. H[eldmann]:

Darf ich ausgehen, dürfen wir davon ausgehen ...

Vors.:

Darüber ist ...

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Vorsitzender, daß in dieser Hauptverhandlung noch das Mündlichkeitsprinzip[10] gilt ...,

Vors.:

Ja, das gilt noch ausreichend.

RA Dr. H[eldmann]:

... dann allerdings muß das, wovon gesprochen werden soll, was Gegenstand einer Antragsbegründung ist, auch ausgesprochen werden können, und damit war Herr Baader beschäftigt solange, bis Sie ihn also jetzt[aa] wiederholt, und nun muß ich schon sagen: beharrlich, unterbrochen haben.

Vors.:

Ich habe jetzt Anlaß, Herrn Baader zu bitten, mit seinen Ausführungen zu beginnen. Wir werden sehen.

Angekl. B[aader]:

Naja, ich kann es nur nochmal versuchen. Der Zusammenhang stellt sich darüber her, daß Ehrhardt theoretisch rechtfertigt Zwangsnarkotisierungen, Zwangsmaßnahmen gegen die Einwilligung seines Patienten, auch neuro-chirurgische Eingriffe, und daß Witter sich angeboten hat, solche Eingriffe durchzuführen, das ist ein unmittelbarer Zusammenhang. Insofern waren Witter zu ..., Witter nachzuweisen, was eine Begutachtung, also der Umkehrschluß[bb], was eine Begutachtung durch Ehrhardt bedeuten würde für jeden von uns. Und dagegen schließ- [2757] lich, wenden wir uns ...[cc] diese[dd] Begutachtung durch Ehrhardt zu verhindern, das schließlich ist der Versuch dieses Antrags. Insofern muß ich eigentlich, muß ich einfach versuchen, die Konsequenzen oder ist es auch definitiv möglich, die Konsequenzen einer Begutachtung durch Ehrhardt an den Initiativen von Witter nachzuweisen hier. Es ist[ee] dazu auch nochmal wesentlich zu sagen, das Witter der Gutachter war, der in der Voruntersuchung bestellt worden ist um nach 8 Monaten Trakt[11], offensichtliche Symptome der Dissoziation, Unzurechnungsfähigkeit zu bestätigen und die Einweisung, ein Gutachten zu liefern, das die Einweisung in eine, in ein Asyl ermöglicht oder in eine psychiatrische Anstalt, und in dieser psychiatrischen Anstalt sollte dann auf die Initiative von Zeis offensichtlich. Herr Löv mit der Sache betraut werden. Das ist ein Neurochirurg und der hätte dann ja möglicherweise nach den Methoden der Einwilligung, die man von Herrn Ehrhardt hier, also über die man über Herrn Ehrhardt hier was erfahren hat, den neuro-chirurgischen Eingriff durchgeführt, der dann sozusagen, ich mal sagen, der Schlußakt, der chirurgische Schlußakt des ganzen Programms war, das anfängt im Trakt in Ossendorf. Es Besteht auch ein unmittelbarer Zusammenhang insofern, naja ich würde sagen, der Charakter dieser ganzen Maßnahme ist eigentlich viel weitergehend, als die Narkoanalyse, auch um auf der Ebene nochmal den Zusammenhang herzustellen, die Ehrhardt ja auch propagiert, die Ehrhardt ja auch rechtlich für möglich hält. Er hält sie nicht für opportun, sie bringt dem Strafverfahren nichts, aber grundsätzlich sagt er, muß sie möglich sein, steht ihr rechtlich nichts entgegen, obwohl sie also zu den, auf der Ebene der psychiatrischen Begutachtung, obwohl sie also zu den verbotenen Vernehmungsmethoden gehört.

Was hier dargestellt worden ist, die Kontur des ganzen Projekts der Bundesanwaltschaft, Trakt, Gutachtung, Einweisung, möglicherweise neuro-chirurgischer Eingriff, das ist natürlich ein viel weitergehendes Projekt als[ff] die Narkoanalyse. Die Informationsbeschaffung und die Aussagebeeinflussung, wie Ehrhardt das ganze nennt, ist dabei tatsächlich eher nebensächlich. Das ist eben tatsächlich auch nur eine unmittelbare Funktion von Folter, wo es Bei der Bekämpfung [2758] illegaler Gruppen darum geht, schnell Informationen zu beschaffen, die psychische Folter wesentlich auch oder die Narkoanalyse. Und da ist Ehrhardt natürlich auch etwas hinter der Zeit zurück, 1954, also unter den Medikamenten, die er da anführt, sind z. B. Medikamente nicht aufgeführt, die teilweise bei uns verwendet worden sind - Adruvin, Dolantin - und solche Sachen. Aber es ist auch natürlich nicht so, daß die Narkoanalyse überhaupt nicht mehr verwendet würde. Ich würde eigentlich sagen, daß man aus dem Verlauf der Zwangsnarkose bei Carmen Roll[12] im Zusammenhang der Abnahme von Fingerabdrücken sagen kann, daß das eine Zwangsnarkose war, um sie in der Narkose zu vernehmen. Deswegen hat diese Narkose, um Fingerabdrücke abzunehmen, 1 ½ Stunden gedauert. 1 ½ Stunden eine Äthernarkose, um Fingerabdrücke abzunehmen, und es ist ½ Liter Äther ver... 300 Mililiter verbraucht worden, das haben wir in den letzten Tagen erfahren. Aber der Zusammenhang ist auch nochmal auf der Ebene, Witter rechtfertigt die Zwangsnarkotisierung, und das würde ich gerne etwas ausführlicher machen, als eine medizinische Maßnahme sozusagen, und darf ich vielleicht nochmal [gg] erinnern, daß auch der Wasserentzug[13][hh] als medizinische Maßnahme gerechtfertigt wurde, die völlig unbedenklich sei für den Beschuldigten. Und das ist eben einfach falsch. Eine Zwangsnarkose gegen jemand angewendet, der sich wehrt, ist eine absolut lebensgefährliche Sache, und da gibt es das Fachgutachten von Prof. Frei, wo er[ii] in diesem Zusammenhang ausführt: „Sollte die Patientin jedoch,” - also das ist ein Gegengutachten gegen den Antrags Witters, eine Zwangsnarkose bei Ulrike durchzuführen - „sollte die Patientin jedoch auf ihrer Ablehnung der Untersuchung und Narkose beharren, so würde dies bei zwangsweiser Durchführung zu einer Erregung der Patientin führen, mit Erhöhung des Blutdrucks infolge vermehrter Ausschüttung des auf den Kreislauf wirkenden Nebennierenhormons Adrenalin. Dies hat den physiologischen Sinn, den Körper bereit zu machen zum Kampf oder zur Flucht. Das Narkoserisiko wird durch diesen erhöhten Adrenalinspiegel im Blut[jj] gesteigert. Die Gefahr von Zwischen- [2759] fällen ist also bei zwangsweisen durchgeführten Narkose größer, als bei ... der Patientin.“

Als Beispiel, kommt eine[kk] Beobachtung, da sagt er: Für jeden ärztlichen Eingriff ist die Einwilligung des Patienten erforderlich, denn sonst würde es sich ja strafrechtlich um eine Körperverletzung handeln,[14] ärztlich gesehen, jedoch um eine unnötige Erhöhung des Risikos. Sie haben also daran nochmal festzustellen, daß Ehrhardt ein Mann ist, der propagiert ungesetzliche Methoden der Körperverletzung, wenn er davon, also wenn er sozusagen seinen Bezugsrahmen der deutschen Psychiatrie die Methoden empfiehlt, wie sie unterhalb der gesetzlichen Schwelle zur Anwendung solcher Methoden kommt. Er sagt dann am Schluß, Frei: Ich glaube deshalb nicht, daß sich von den 27 000 Fachärzten für [ll] Anästhesie in der Welt, und nur ein Anästhesist dürfte nach heutiger Auffassung eine solche Risikonarkose durchführen, einer[mm] bereitfinden wird, eine Zwangsnarkose vorzunehmen.

Ende Band 153

[2760] Dazu ist eben einfach festzustellen:

Der Mann, der sich bereitfand, eine Zwangsnarkose durchzuführen, ist Witter. Er war ... er hat sich dazu mit[nn] außerordentlicher Intensität angedient ...

Vors.:

Bitte, Herr Baader, verbreiten Sie sich nicht über Herrn Witter. Wir haben jetzt zugelassen, daß Sie die Methoden aufzeigen. Aber über die Person von Herrn Witter brauchen Sie sich nun wirklich nicht weiter verbreiten.

Angekl. Baa[der]:

Gut, seine Methoden, schön.

Angekl. En[sslin]:

Ja, Moment. Er hat das alles ausdrücklich gebilligt.

Angekl. Baa[der]:

Ja, lassen Sie doch bitte mal nen Moment Ulrike reden, weil wir ... sie doch auch da vielleicht etwas mehr weiß.

Vors.:

Herr Baader, jetzt führen Sie Ihre Ausführungen weiter.

Angekl. Baa[der]:

Wir haben doch auch gesagt, daß wir diese Erklärungen zusammen entwickeln. Dann lassen Sie ...

Vors.:

Das macht nichts aus. Jetzt haben Sie das Wort, und Sie erhalten’s ...

Angekl. Baa[der]:

Ja, Moment. Was heißt, das macht nichts aus?

Vors.:

Sie haben jetzt die Gelegenheit, Ihre Ausführungen zu Ende zu bringen.

Angekl. Me[inhof]:

Ja der Punkt ist doch, ...

Vors.:

Frau Meinhof, Sie haben nicht das Wort.

Angekl. Me[einhof]:

Wir haben diese ganze ...

Vors.:

Frau Meinhof, Sie haben nicht das Wort jetzt.

Es hat Herr Baader das Wort, und wenn er nicht fortfährt, wird er das Wort nicht weiterhin erhalten.

Daß wir da ganz klar sehen.

Herr Baader, fahren Sie fort.

Angekl. Baa[der]:

Also ich will jetzt mal hier nicht auswalzen, was ne Zwangszintigraphie ist. Wenn Sie sagen, die Methoden, gut. [2761] Wir waren also bei der Frage der[oo] Narkose, und Tatsache ist, daß also ’ne Zwangsnarkose eine absolut lebensgefährliche Sache ist, und daß der Arzt - und das ist nicht der einzige, ich hab hier vier Gutachten - davon ausgeht, daß es überhaupt keinen Anästhesisten gibt, daß sich überhaupt keiner finden läßt, der diese Zwangsnarkose durchführen würde. Und dazu ist natürlich dann festzustellen, Witter ist natürlich kein Anästhesist, sondern Witter ist Psychiater, und er hätte sie als Psychiater und offensichtlich ohne Anästhesisten durchgeführt diese Zwangsnarkose.

Zwangsnarkosen führen natürlich selbstverständlich auch Gefängnisärzte durch wie Weilacher in Aichach, der eben diese Äthernarkose, diese vollkommen wahnsinnige Äthernarkose durchgeführt hat.

Vors.:

Herr Baader, wenn Sie nicht bei den Methoden bleiben und dann den Bezug herstellen zu Prof. Mende oder Prof. Ehrhardt, dann wird Ihnen das Wort entzogen. Ich sag’s Ihnen aber jetzt zum Allerletztenmal.

Angekl. Baa[der]:

Also gut. Der Zusammenhang ist einfach der, daß es genau das ist, diese Sorte von Maßnahmen, die sich hinter den rechtspolitischen Intensionen Ehrhardts versteckt. Das steht hinter seinem Kampf gegen die, wörtlich, „Einengung ärztlicher Handlungsfreiheit durch wirklichkeitsfremde Rechtsvorschriften“ wie z. B. in Art. 1[15] und 2[16] des GrundG, den er beklagt. Die Methoden, die Ehrhardt rechtlich absichern will in dieser Schrift vom Oktober 1954 „Chemische und psychische Aussagebeeinflussung“ sind inzwischen verbessert worden, das kann man sagen.

Das Verhältnis und die Funktion der Psychiatrie dazu ist identisch, ist das gleiche geblieben.

Und dazu vielleicht noch nen Satz zur Narko-Analyse von Ehrhardt - wörtlich:

[2762] „Es ist auch eine Tatsache, daß ihr Erkenntniswert in Ermittlungsverfahren umstritten ist, sicher auch begrenzt. Ein Wahrheitsserum gibt es nicht. Deswegen bedeutet ja nach geltendem Recht erforderlicher Verzicht ... der nach geltendem Recht erforderliche Verzicht auf diese Methoden keine entscheidende Beeinträchtigung des strafprozessualen Ermittlungsverfahrens.“

Dazu ist aber nochmals darauf hinzuweisen, daß er zwei Seiten vorher in dieser Untersuchung feststellt, daß sie ... daß sie für das Strafverfahren vielleicht nicht unmittelbar von Bedeutung ist, diese Methode einer Narko-Analyse, daß sie aber der Polizei über den Tathergang oft wertvolle Hinweise liefern kann, und dazu sage ich einfach nochmals:

Anwesend waren bei der Zwangsnarkotisierung von Carmen Roll in Aichach Polizisten, angeblich, um die Fingerabdrücke abzunehmen in diesen anderthalb Stunden. Aber wir würden schon annehmen, um sie zu befragen.

„Die gerade auch ...

- Ehrhardt weiter jetzt -

Die gerade auch für den Juristen interessante Frage, wie es wäre, wenn wir ein echtes Wahrheitsserum hätten, kann ich hier nur andeuten. Mit der entrüsteten Ablehnung aus zeitbedingten, weltanschaulichen, politischen Motiven und dem Hinweis auf Art. 1 GG

- das darunter vermutlich fällt unter zeitbedingt Weltanschauliches -

würde man es sich zu bequem machen, wenn in dieser Richtung überhaupt

- wenn in dieser Richtung, also in der Richtung der Aussageerpressung durch Psychodrogen oder durch psychologische Methoden -

[2763] Wenn in dieser Richtung überhaupt ein Fortschritt möglich wäre, dann würde er sich meines Erachtens durch Verbotstafeln kaum aufhalten lassen, wie die Geschichte der Naturwissenschaft und der Technik und der Medizin beweist.”

Das ist aber auch noch ziemlich grotesk, weil er da für seine Destruktionswissenschaft sozusagen positive Aspekte der Produktivität beansprucht. Sicher ist, daß dieser Fortschritt seit 1954 - und da hatte Ehrhardt das geschrieben - möglich war, und daß ihn weder weltanschaulich-zeitbedingte[pp] Entrüstung, die 54 vielleicht noch etwas nach der Wache war, nach der Erfahrung der gesetzlichen Barbarei des Nationalsozialismus, daß sie weder durch Verbotstafeln noch - wie gesagt - durch weltanschaulichzeitbedingte Entrüstung aufgehalten wurde. Dieser Fortschritt ist die Methode der sensorischen Deprivation, der Isolation, der Trakt. Die zwei Millionen, die Gross von der NATO bekommt für das Camera-Silens-Projekt[17] sind für die Entwicklung dieser Methode in der Erwägung ihrer militärtaktischen Relevanz zur Spezialkriegsführung sicher ausgegeben worden. Das ist natürlich inzwischen ne andere Dimension. Ehrhardt ist da etwas antiquiert. Aber Ehrhardt sitzt hier als Gutachter, weil seine Veröffentlichung ein Gutachten auf der Linie dieses Projekts garantieren.

Er hat die Methoden der ungesetzlichen Aussagebeeinflussung schon 1954 aufgelistet und gerechtfertigt. Er hat auch schon 1954 den Verfassungsbruch und das Staatsverständnis, die Funktionalisierung von der Psychiatrie gefordert, die sie ermöglichen und entwickelt haben.

Ich schließ das jetzt mal ab mit einem Zitat von Posser[18] vom 15.3.74 in der FAZ:

„Die Häftlinge lehnen nach Darstellung des Ministers allerdings jedes Gespräch mit Ärzten und Psychologen ab. Daher, daher sei die Frage, wann es zu einem Prozeß komme, derzeit kaum zu beantworten.“

[2764] Das heißt: Für die Festlegung des Prozeßzeitpunkts, des Zeitpunkts der öffentlichen Hauptverhandlung für relevant erachtete Posser die Frage, wann wir mit Ärzten und Psychologen reden. Der Satz sagt wirklich genau alles über die Konzeption der Prozesse als Schauprozesse, die Rolle der psychiatrisch instrumentierten Folter, denn er wurde zu der Einrichtung des toten Trakts besorgt; und zu der Rolle von Ärzten und Psychologen in diesem Programm. Daran ist wirklich nichts dämonisch, um mal auf Hiller einzugehen. Das ist so glatt und so logisch, wie jede Maßnahme der B. Anwaltschaft, so glatt, wie diese Apparate und ihre Funktionäre und wie hier das Gericht. Es gibt da ein Dutzend Entsprechungen: Zwangsnarkosen nochmals, Wasserentzug, medikamentöse Zwangsbehandlung mit ... bei Astrid[19], Zwangsernährung. Und es gab eine gigantische öffentliche Diskussion um die Ruhigstellung, die medikamentöse Ruhigstellung - und das muß man sich mal überlegen, was das bedeutet - der Gefangenen ...

Vors.:

Herr Baader, der Bezug zu den abgelehnten Herrn!

Angekl. B[aader][qq]:

Sagen Sie, haben Sie nicht zugehört oder?

Vors.:

Doch. Ich habe zugehört. Ich darf Innen zunächst mal sagen:

Dieses Zitat von dem Justizminister Posser und seine Ausdeutung ist eine Wiederholung, wahrscheinlich sogar schon die zweite Wiederholung. Sie haben sie schon früher mal gebracht.

Angekl. Baa[der]:

Ja, jetzt aber in diesem Zusammenhang ...

Vors.:

In dem Zusammenhang. Sie bringen diese Zitate immer wieder neu. Jetzt wollen Sie wieder auf Methoden eingehen, von denen Sie uns nicht erläutern, in welchem Zusammenhang das zu den Ärzten steht.

Angekl. Baa[der]:

Ja würden Sie sagen, ...

Angekl. Me[inhof]:

Doch.

Angekl. Baa[der]:

... glauben Sie nicht, daß die medikamentöse Ruhigstellung - Sie haben ja offenbar überhaupt keinen Begriff davon, was das ist, medikamentöse Ruhigstellung. Das kann nur ein Psychiater letzten Endes [2765] durchführen, und das war auch in diesem Fall ...

Vors.:

Herr Baader, überheben Sie sich doch nicht immer so, daß Sie glauben, Begriffe würden nur Sie beherrschen.

Angekl. Baa[der]:

Das ... ja ich ... man versteht doch einfach nicht, warum Sie, wie Sie ... man versteht Ihre Reaktion hier nicht, keiner von uns, und auch die Verteidiger ...

Vors.:

Herr Baader, Sie wollten abschließen mit dem Zitat von Herrn Posser.

Bitte das Wort Herrn Baader jetzt grade nicht zu geben.

Herr Baader, Sie haben abschließen wollen mit dem Zitat von Posser, sagten Sie. Jetzt kommen Sie wieder zur Ausarbeitung von irgendwelchen medizinischen Methoden, und nachher kommt wieder der Schlenker zu irgendwelchen Namen, die hier im Ablehnungsgespräch sind, und damit meinen Sie, ist der Zusammenhang ausreichend hergestellt.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Herr Vorsitzender, ... doch nicht irgendwelchen medizinischen Methoden, den Methoden, für die sich hier verwenden die beiden abgelehnten Gutachter.

Vors.:

Herr RA v[on] Plottnitz, ...

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Nicht irgendwelche Methoden.

Vors.:

... es ist merkwürdig. Es scheint sich alles zu drängen, für Herrn Baader zu sprechen. Ich habe nun deutlich das Gefühl, daß Herr Baader wirklich Manns genug ist, sich selber zu verteidigen.

Durcheinanderreden auf der Verteidigerbank.

Ich darf jetzt bitten, Herr Baader, fassen Sie das zusammen, was Sie zu sagen haben, und schließen Sie dann ab, wie Sie’s angekündigt haben, und fangen Sie jetzt nicht wieder neu an, nachdem Sie bereits von Abschluß gesprochen haben.

[2766] Angekl. Baa[der]:

Also hören Sie, ich erinnere Sie nochmals, ich bin immer noch ... der Zusammenhang ist immer noch der, daß ich hier diese beiden Psychiater ablehne aus der besonderen politischen Funktion der Psychiatrie und explizit auch dem, was sich aus den Veröffentlichungen in diesem Zusammenhang dieser beiden Leute belegen läßt für Folter, d. h. für ungesetzliche Vernehmungsmethoden, für ungesetzliche Methoden in der Willensbeeinflussung, also einfach für den Versuch, Gefangene zu brechen und dann öffentlich zu verwerten, und dazu gehört auch als Beispiel in diesem ganzen Kontext ungesetzlicher Methoden, die Ehrhardt rechtfertigt, gehört z. B. auch die medikamentöse Ruhigstellung der Gefangenen durch Psychiater.

Ich weise auch nochmals darauf hin, daß er bereitgefunden hätte sich, mit Sicherheit, - das ist also ausdrücklich immer wieder hier von den Ärzten, die im Zusammenhang des Hungerstreiks an die Gefangenen herangeschoben wurden, betont worden - keiner dieser freien niedergelassenen Ärzte hätte sich überhaupt zu ner Zwangsmaßnahme bereitgefunden. Das waren alles Chefärzte. Haben sie alle strikt grundsätzlich abgelehnt. Man findet überhaupt Ärzte, die so was machen, die sich für so was hergeben, die findet man überhaupt nur im Vollzug, und im Vollzug sind es unter Umständen immer wesentlich explizit die Psychiater, die diese Sachen draufhaben wie Götte in Köln - das ist das gute Beispiel - oder die beiden anderen, der ja immerhin vor dem Trakt gesessen hat und hat acht Monate zugesehen, wie da ein Mensch kaputtgeht drin, der das Programm überwacht hat als Beispiel. Oder der bei Astrid einfach zugesehen hat, wie sie langsam zerfiel, wie sie körperlich kaputtging und wie sie psychisch kaputtging, so daß ich sie nicht mehr sprechen konnte.

Das ist schließlich die Situation. Verdammt! Man muß das einfach mal sagen, daß die Situation im [2767] Gerichtssaal schließlich die war, daß ein Mädchen, das eine starke politische Identität hatte, nicht mehr die Willensentscheidung aufbringen konnte, den Saal zu verlassen, obwohl sie das wollte und unter den Tisch gekrochen ist wie ein Hund. Das sind die Folgen! So sieht das konkret aus!

Vors.:

Wollen Sie jetzt abschließen damit? Dann darf ich fragen:

Hat jemand sonst noch zur Begründung dieses Ablehnungsantrags etwas vorzutragen?

Angekl. Baa[der]:

Nein, ich wollte nicht abschließen.

Vors.:

Herr Baader, aber dann empfehle ich Ihnen jetzt wirklich, bei dem Bezug zu den beiden Herrn zu bleiben.

Angekl. Baa[der]:

Also ich würde sagen, was machen Sie denn eigentlich?

Vors.:

Die Darstellung ...

Angekl. Baa[der]:

Sie quatschen doch dauernd Wiederholungen!

Vors.:

Die Darstellung ...

Angekl. Baa[der]:

Lassen Sie mich doch mal sprechen!

Dann können Sie das doch feststellen, wie ich den Zusammenhang hier herstelle.

Vors.:

Herr Baader, die Darstellung dessen, was Sie grade noch glaubten, unter dem Wort „Verdammt nochmal, das muß ja endlich mal gesagt werden“, war vollkommen abseits dessen, was zur Ablehnung dieser Herrn führen soll. Nach Ihren ...

Angekl. Baa[der]:

Sagen Sie, war es abseits dessen, wenn ich sage, wohin ungesetzliche Behandlungsmethoden ...

Vors.:

Ich rechte mit Ihnen jetzt nicht mehr darüber.

Angekl. Baa[der]:

... Ehrhardts und Mendes, wohin die führen?

Vors.:

Fahren Sie jetzt fort.

Angekl. Baa[der]:

Wenn ich das z. B. belege, gibt es da keinen Zusammenhang?

Vors.:

Ich sage Ihnen nochmals mein Beispiel.

Sie haben das mit dem Elternhaus abgelehnt vorhin.

[2768] Nehmen Sie an, es wäre das Verhältnis zwischen einem wissenschaftlichen Ausbildungsverhältnis, es wäre ein Mann gewesen, der einen Arzt, der Sie begutachten soll, ausgebildet hat, und dieser Mann wäre früher im Dritten Reich tätig gewesen, und nun glaubten Sie, Sie müßten die gesamte Tätigkeit bzw. das gesamte Verhalten seiner Fachrichtung im Dritten Reich darstellen. Das ist die Ausdehnung.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Wir reden hier nicht über Vergangenheit.

RA Sch[ily]:

Das ist wirklich nicht richtig. ... eine solche Verzerrung des Tatbestandes.

Angekl. Baa[der]:

Also hören Sie, ich kann das nochmals ganz kurz erklären.

Vors.:

Nein, Herr Baader, wir haben jetzt ...

Angekl. Baa[der]:

Der zentrale Begriff bei Herrn Ehrhardt ist die ärztliche Behandlungsweise.

Vors.:

Herr Baader, Herr Baader.

Augenblick. Bitte Herrn Baader das Wort abstellen.

Herr Baader, wir kennen den Zusammenhang, wie Sie ihn darstellen wollen. Der Bogen, den Sie hier ziehen - ich hab’s Ihnen gestern schon gesagt - läßt aus Ihrer Sicht den Zusammenhang erkennen. Das bestreite ich nicht. Er ist für die Begründung eines konkreten Ablehnungsantrags zu weit gespannt, und deswegen bitte ich Sie, nachdem wir jetzt im vierten Tag der Begründung dieses Antrags sind, endlich die Sache so eng zu spannen, daß der konkrete Bezug ständig gewahrt bleibt. Bitte halten Sie sich daran. Ich bestreite Ihnen den Zusammenhang nicht, wie Sie ihn sehen, aber er ist zu weit.

Angekl. Baa[der]:

Die ärztliche Handlungsfreiheit, die Ehrhardt propagiert, darum ging es wesentlich. Das ist doch der Punkt.

Der Begriff ärztliche Handlungsfreiheit, also auch Handlungsfreiheit gegenüber wirklichkeitsfremden Rechtsvorschriften, den Ehrhardt propagiert, naja, [2769] der ist durchgeführt worden z. B. von ... oder er ist empfohlen worden von Herrn Witter, und er ist durchgeführt worden von Herrn Götte, und ich hab - Götte als Psychiater. Die Folgen dieses Begriffs „ärztliche Handlungsfreiheit“, den Ehrhardt propagiert als Spitzenfunktionär der Psychiatrie, die habe ich an Astrid belegt als Beispiel oder dargestellt.

Das kommt einem wirklich langsam vor wie, wie, wie das reaktionäre Gesamtkunstwerk ...

Vors.:

Fahren Sie jetzt bitte fort, Herr Baader.

Angekl. Baa[der]:

... wo auf drei Bühnen übereinander ... Bitte?

RA Dr. He[ldmann]:

Das will er doch gerade. Ihnen kommt’s offenbar nur noch auf Unterbrechungen an. Das geht jetzt schon drei Tage so, und dann beschweren Sie sich, daß die Antragsbegründung nunmehr drei Tage dauert. Aber lesen Sie doch vielleicht im Protokoll mal nach, wieviel Sie davon gesprochen haben.

Vors.:

Herr Baader, fahren Sie fort.

Angekl. Baa[der]:

Ich sage nochmals: Wir klagen gar nicht an hier, wir teilen das alles nur mit. Und wir sind darüber auch nicht erstaunt. Aber es geht uns natürlich wirklich wesentlich darum, daß es endlich mal klar wird, was da läuft.

Vors.:

Kommen Sie jetzt bitte zur Sache, Herr Baader.

RA Dr. He[ldmann]:

Verzeihen Sie, er hatte grade einen Satz gesagt.

Angekl. Baa[der]:

Also es wäre tatsächlich erstaunlich, und das Verfahren wäre wahrscheinlich weder notwendig noch möglich, wenn es anders wäre, wenn nicht gefoltert würde, und wenn diese Apparate nicht die Methoden des Verhörs und der Militärtaktik, die ihnen die Psychiatrie zur Verfügung stellt - und ich hab das schon mal festgestellt, seit Mitte der 50er Jahre in den Metropolen entwickelt werden und von der B. Republik als Militärhilfe exportiert werden - benutzen würden, daß das meistens als Ausbildung [2770] und Aufbau der Polizeiapparate läuft, also im Justizbereich könnte man auch sagen, nach der strategischen Linie, die Herold[20] richtig begriffen hat als Verpolizeilichung des Krieges. Es ist sehr erstaunlich, und es ist eben nur als offene Lüge zu bestreiten oder so manipulativ, wie Sie das hier versuchen, weil es eine sichtbare Tatsache ist, daß der Staat hier in diesem jämmerlichen Verfahren und auch in den andern Verfahren gegen Gefangene mit allen Mitteln um seine Legitimation ringt, kämpft. Die Relation erscheint ziemlich skurril, das ist sicher richtig. Aber daß dabei alle Mittel eingesetzt werden, über die man verfügt, das ist auch sicher, solange ihr Einsatz opportun ist, und das sind eben zuerst alle Mittel der institutionellen Gewalt und so der Psychiatrie. Ich halte das auch für wichtig, daß man das sozusagen allgemein vermittelt, weil Sie natürlich grundsätzlich wieder bestreiten werden, daß das ganze irgendeine Realität hat, also daß das ganze irgend etwas anderes sei, wie es die Presse ja jetzt schon versucht, obwohl das also wirklich durch Tatsachen und auch durch die[rr] Argumentationslinien, die dahinterstecken also sozusagen historisch belegt haben, daß das irgend etwas anderes sei als ideologische Selbstdarstellung hier.

Und deswegen ist der Zusammenhang, in dem solche Maßnahmen möglich sind, angewendet werden, da ist er hier einfach nochmals kurz darzustellen. Schmidt hat ja auch davon gesprochen, daß alle Mittel ...

Vors.:

Herr Baader, dazu erteile ich Ihnen jetzt nicht mehr das Wort. Das Wort ist Ihnen entzogen wegen ständiger Abschweifung.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Würden Sie dann Herrn Raspe das Wort erteilen? Herr Vorsitzender, Herr Raspe bittet ums Wort.

Vors.:

Herrn Raspe ist im Zusammenhang mit dieser Antrags- [2771] begründung bereits das Wort entzogen worden.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Moment mal. Herr Raspe hat zunächst mal ...

Vors.:

Gestern.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

... um das Wort gebeten, Herr Vorsitzender.

Lassen Sie ihn erst mal sagen, was er zu sagen hat.

Vors.:

Darf ich Sie fragen, was er sagen will?

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Er wollte ... das wollte Ihnen Herr Raspe sagen. Herr Raspe hat selbst eine Stimme.

Vors.:

Will Herr Raspe in der Begründung fortfahren oder was will er?

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Herr Vorsitzender, Herr Raspe bittet ums Wort. Entscheiden Sie darüber.

Vors.:

Ich möchte von Ihnen erfahren - oder Herr Raspe, Sie können ja sagen - um was geht es?

Angekl. Ra[spe]:

Ich wollte dazu was sagen im Zusammenhang mit dieser Begründung natürlich.

RA v[on] Pl[ottnitz] (zur Richterbank):

Darf ich erfahren, was soeben beraten wird?

Angekl. Ra[spe]:

Und zwar wollte ich sagen, ...

Vors. (zu RA v[on] Plottnitz):

Sie sind schon seltsam. Wenn Sie sich untereinander unterhalten - die Herrn Verteidiger - frag’ ich auch nicht nach, was Sie im Augenblick gesprochen haben.

- Unverständliches Durcheinanderreden -

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Es ist jedenfalls schwierig, 'nen richtigen Begriff von dem zu bekommen, was geschieht: Zum Teil spricht Herr Raspe, zum Teil ist offensichtlich ‚’ne geheime Umfrage.

Vors.:

Darf ich jetzt fragen, was Herr Raspe will?

Wir befinden uns im Augenblick in der Antragsbegründung für die Ablehnung. Etwas anderes wird jetzt ohnedies nicht debattiert. Wir wollen mit dem zu Ende kommen. Deswegen sehe ich die Dinge so, daß Herr Raspe sich lediglich auch in diesem Rahmen äußern könnte, und dazu hat er das Wort nicht mehr.

Angekl. Ra[spe]:

Ich will doch sagen ... was sagen zum Zusammenhang der Psychiatrisierungsinitiative. Geht das?

Vors.:

Nein.

[2772] Angekl. Ra[spe]:

Und der Bestellung von Ehrhardt und Mende?

Vors.:

Nein. Sie haben kein Rederecht mehr, Herr Raspe, im Zusammenhang mit der Begründung dieses Antrags.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Herr Vorsitzender, Entschuldigung. Auf welche Rechtsgrundlage stützt sich diese Maßnahme von ihnen?

Vors.:

Auf § 238[ StPO][21], den Wortentzug, der gestern erfolgt ist.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Heißt das, daß Herr Raspe nicht die Möglichkeit hat, ein Ablehnungsgesuch, das auch er in seinem Namen gestellt hat, zu begründen?

Vors.:

Waren Sie gestern da?

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Herr Vorsitzender, ich war nicht da gestern, bin aber doch sehr gut orientiert über das, was gestern in der Sitzung geschehen ist.

Vors.:

Gut. Wenn Sie orientiert sind, dann wissen Sie, daß ihm gestern im Zusammenhang mit der Begründung dieses Antrags das Wort entzogen worden ist. Das gilt selbstverständlich für die Begründung dieses Antrags.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Das bezog sich auf den gestrigen Verhandlungstag und bezog sich auf die konkrete Situation, in der sich Herr Raspe geäußert hat auf den konkreten Gegenstand, der da eine Rolle spielte.

Vors.:

Ich betrachte das als Beanstandung[22] dessen, daß ich Herrn Raspe das Wort nicht gebe.

Geheime Umfrage.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Herr Vorsitzender, was geschieht? Was geschieht? Eine geheime Umfrage wohl.

Vors.:

Der Senat hat beschlossen:

Die Wortentziehung, die gestern gegen Herrn Raspe ausgesprochen worden ist, ist auch heute noch gültig.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Herr Vorsitzender, Herr Raspe will dazu einen Antrag stellen.

Vors.:

Nein, dazu ist jetzt keine Gelegenheit. Wir bleiben jetzt bei der Antragsbegründung. [2773] Hat jemand auf Seiten der Anklagebank noch die Absicht, sich zur Begründung zu äußern?

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Vorsitzender, erinnern Sie sich, daß ich Herrn Baaders Verteidiger bin?

Vors.:

Durchaus. Darf ich die Frage jetzt zunächst an die Angeklagten richten?

RA Dr. He[ldmann]:

Nee, nee.

Vors.:

Nein. Ich erteile Ihnen erst dann das Wort, wenn ...

Angekl. Baa[der]:

Ja.

Vors.:

Wer will sich noch äußern?

Angekl. Baa[der]:

In jeder Form.

Vors.:

Wer will sich noch äußern?

Angekl. Baa[der]:

Alle.

Angekl. Ra[spe]:

Alle.

Vors.:

Herr Baader und Herr Raspe, Sie können sich jetzt nicht mehr äußern.

RA Dr. He[ldmann]:

Gerade deswegen möchte ich sprechen.

Vors.:

Nein. Jetzt will ich zuerst aber noch die Angeklagten Meinhof und Ensslin gefragt haben:

Wollen Sie sich äußern?

Herr RA Dr. Heldmann, lassen Sie mich die Frage jetzt zuerst stellen. Sie werden sofort dann das Wort bekommen.

Bitte, Frau Meinhof, Frau Ensslin, wollen Sie sich noch äußern zu der Antragsbegründung?

Angekl. Me[inhof]:

Jaja.

Vors.:

Ja. Frau Ensslin?

Angekl. Enss[lin]:

Mal sehen.

Vors.:

Sie wissen’s noch nicht sicher.

Herr Dr. Heldmann, bitte.

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Vorsitzender, Sie haben eben mal wieder Kraft Ihrer Majestät[ss] Herrn Baader das Wort endgültig entzogen:

1. unterließen Sie eine Begründung dafür, um die ich Sie bitte;

Vors.:

Fortwährende Abschweifungen.

RA Dr. He[ldmann]:

Aha.

[2774] 2. bitte ich daraufhin - ich habe nämlich nur das Reizwort Schmidt gehört, was Sie elektrisiert dann zum Wortentzug greifen ließ - dann bitte ...

Vors.:

Woher wissen Sie, daß das ein Reizwort für mich sei?

RA Dr. He[ldmann]:

Nunja, ich hab’s schon öfter beobachtet.

Nun: Also fortwährende Abschweifungen haben Sie konstatiert.

Dann bitte ich darüber

um einen Senatsbeschluß.

Geheime Umfrage.

Vors.:

Der Senat hat beschlossen:

Dem Angeklagten Baader bleibt das Wort entzogen wegen[tt] fortwährender Abschweifungen.

RA Dr. He[ldmann]:

Ja. Herr Baader, als Sie ihm das Wort entzogen haben, wie ja jetzt bestätigt worden ist, sprach über Herrn Ehrhardt. Er hätte jetzt noch etwas zu Herrn Mende zu sagen. Wie steht’s damit?

Vors.:

Er ist wegen Abschweifungen, wegen Mißbrauchs seines Wortrechts gehindert worden, weiter fortzufahren. Das gilt für die gesamte Begründung des Antrags.

RA Dr. He[ldmann]:

Aha.

Vors.:

Frau Meinhof, Sie haben nunmehr das Wort.

Angekl. Me[inhof]:

Naja. Also ich will sagen: Mit dieser Methode, Knebelung, Wortentziehung, Unterbrechung, Zerstückelung wird tatsächlich ...

Vors.:

Frau Meinhof, Sie irren sich.

Darf ich bitten, zunächst mal abzustellen?

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Lassen Sie doch mal jemand ausreden. Sie hat doch noch gar nicht angefangen.

RA Sch[ily]:

Nach einem alten Satz ...

Durcheinanderreden auf der Verteidigerbank.

[2775] Vors.:

Darf ich die Herrn Verteidiger bitten, Sie sollten in Ruhe sich mal anhören, was ich zu sagen habe, denn das steht mir zu, und das lasse ich mir von Ihnen nicht nehmen.

Frau Meinhof, Sie irren sich. Sie haben das Wort bekommen zur Begründung des Antrags, nicht, um jetzt irgendeine Rüge oder Gegenvorstellung oder Gegenantrag wegen der Wortentziehung bei Herrn Baader hier anzubringen, nur zur Begründung des Antrags.

Ich bitte, Frau Meinhof, zu ...

Angekl. Me[inhof]:

Darf ich noch etwas dazu sagen?

RA Schily unverständlich.

Vors.:

Herr RA Schily, Sie haben das Wort jetzt nicht.

RA Sch[ily]:

... darauf hinweisen dürfen, daß er nicht ...

Vors.:

Ich mache eine Pause.

RA Sch[ily]:

... daß er nicht das Wort hat, ... sondern sich zu einem Ablehnungsgesuch zu äußern.

Pause von 10.04 Uhr bis 10.08 Uhr.

Ende von Band 154.

[2776] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 10.08 Uhr

Vors.:

Bitte Platz zu nehmen.

Ich stelle fest, die Sitzung ist unterbrochen worden, weil eine Fortführung im Augenblick nicht mehr möglich war, durch eigenmächtige Wortergreifung seitens eines Verteidigers. Nunmehr hat Frau Meinhof das Wort, aber nur zur Begründung des Antrags.

RA Sch[ily]:

Ich bitte ums Wort.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, ich möchte aber möglichst vermeiden, daß jetzt die Begründung des Antrags zerrissen wird.

RA Sch[ily]:

Ich habe ... Ich habe genau drei Sätze zu sagen.

Vors.:

Bittesehr.

RA Sch[ily]:

Ich werde mir gestatten ... Ich möchte an das Wort des Herrn Vorsitzenden, des Fraktionsvorsitzenden der SPD erinnern, der ja mal gesagt hat, wer rausgeht, muß auch wieder reinkommen. Im übrigen wollte ich folgendes sagen zu dieser Unterbrechung. Sie haben Herrn Widera seinerzeit, der zu einem Ablehnungsgesuch Stellung genommen hat, auch nicht unterbrochen und gesagt, Sie haben jetzt Gelegenheit Ihre Erwiderung auf ein Ablehnungsgesuch zu begründen und nicht, Sie sind jetzt nicht am Zuge, eine Anschuldigungsschrift gegen Verteidiger vorzutragen. Ich möchte nur mal darauf aufmerksam machen, wie die unterschiedliche Handhabung, Sie werden sich daran erinnern, daß Herr Widera hier Gelegenheit genommen hat, irgendwelche Behauptungen über ein vermeintliches standeswidriges Verhalten eines Verteidigers hier zu verbreiten. Und da ist eine Unterbrechung nicht erfolgt und ich würde doch denken, Sie sollten wenigstens den Anschein wahren, daß hier gleiche Maßstäbe im Ansatz angelegt werden. Das ist meine Bemerkung, die ich hier dazu zu machen habe.

Vors.:

Das waren die drei Sätze; jetzt Frau Meinhof bitte.

Angekl. M[einhof]:

Ich fahre also mal fort einfach, ohne den Zusammenhang herzustellen.

Also gestern hat er, um die Unterbrechung und schließlich den Wortentzug bei Jan zu rechtfertigen behauptet, die Bundesanwaltschaft hätte nichts mit der Berufung von Ehrhardt und Mende zu tun.

[2777] Tatsache aber ist, daß die Nominierung über die deutsche Gesellschaft der Psychiatrie gelaufen ist. Daß die deutsche Gesellschaft für Psychiatrie hier von Rauschke[23] als Instanz eingeführt worden ist, die man auffordern soll, Ärztevorschläge zu machen. Tatsache ist, daß Rauschke ein Mann der Bundesanwaltschaft ist, weil er es war, der den Obduktionsbefund bei Siegfried Hausner[24] gefälscht hat,[25] um den Mord an Siegfried durch die Bundesanwaltschaft zu verschleiern. Also die Bundesanwaltschaft hat hier die deutsche Gesellschaft für Psychiatrie ins Spiel gebracht und so Ehrhardt und Mende in dieses Verfahren lanciert. Prinzing bestreitet das einfach. Die Schlußfolgerung daraus, daß er es bestreitet, kann aber nur umsomehr sein, die Tatsachen hier auf den Tisch zu bringen. Also wir kommen ja, wir haben es ja auch schon ein paar mal gesagt, allmählich darauf, daß Sie auf diesen Stuhl da vorne lanciert worden sind, nicht weil Sie besonders clever sind, sondern weil Sie nichts mitkriegen. Aber das spricht einfach dafür, daß wir hier erklären, was Sache ist.

Also, ich komme auch nochmal zurück auf Lengede.[26] Es ist richtig, was Sie da gesagt haben gestern, daß wir diesen Arbeitsunfall, weil Krupp, dem die Ilseder-Hütte gehört, Dividende sparen wollte und es deshalb hat dazu kommen lassen, anders sehen als Mende. Aber das ist auch genau richtig, weil eben Mendes Interesse an Lengede sein Interesse war, psychische Belastbarkeit zu quantifizieren und damit für die Folter zu instrumentalisieren und Rentenansprüche abzuklären für die Berufsgenossenschaften, also für Krupp. Aber genau da fängt Mendes und eklatant ja auch Ehrhardts Befangenheit uns gegenüber an. Also bei ihrem Klassenstandpunkt, dem Klasseninteresse das sie vertreten, den Interessen des Kapitals die sie internalisiert haben, und die bei Mende und noch schärfer bei Ehrhardt, einfach, weil er mehr veröffentlicht hat, in jedem Satz zum Ausdruck kommt. Also aus jedem Satz von Ehrhardt stinkt ja wirklich sein Klassenhass auf das Proletariat, seine Menschenverachtung gegenüber Kranken, sein klassenspezifischer Dünkel und sein bourgeoiser Rassismus. Also wir fahren in dem ganzen Zusammenhang andererseits deswegen dann doch nicht aus der Haut, weil wir wissen, daß das System, daß das alles das System ist, Imperialismus. Und daß [2778] es verbal nicht zu bekämpfen ist und uns die öde Veranstaltung hier infolgedessen auch wenig angeht. Aber, daß Sie noch die banalen Zusammenhänge auseinanderfingern müssen[uu], daß Sie in der Ausführung Ihres Klassenauftrags hier schon fürchten, es würde der Ilseder-Hütte schaden, wenn wir hier nur mal en passant aussprechen was Lengede, was an Lengede Sache war, ihm zu erklären über welche Verbrechen Herr Mende sich hinweggesetzt hat, also mit einer psychiatrisch-bornierten Fragestellung sich da eingemischt hat. Naja, ich würde sagen, das ist[vv] irrational, das ist schon Hysterie.

Also nochmal Ehrhardt, es ist also noch mal der Zusammenhang der Funktion der Psychiatrie in diesem Verfahren wie Ehrhardt hier sie ranbringt, wie Ehrhardt sie hier einbringen soll und Mende. An präventiven Maßnahmen gegen die RAF 70/ 71 und Mitteln dazu, einer ½ Milliarde damals, hat es nie gefehlt. Die staatliche Reaktion war und ist in ihren Mitteln so stark wie, das ist der Ärger, in ihren Inhalten schwach. Das ist hier jedenfalls sichtbar, das Defizit. Das Defizit an Inhalten ist es auch schließlich, was die Begründung des Senats und den Auftritt der Bundesanwaltschaft so[ww] quälend banal macht. Ich spreche von Inhalten ...

Vors.:

Frau Meinhof, auch Sie muß ich jetzt mahnen. Ich habe gesagt, die allgemeinen Ausführung insbesondere zur Funktion der Psychiatrie in oder außerhalb dieses Verfahrens.

Angekl. B[aader]:

Was denn hier ...

RA v[on] P[lottnitz]:

Geht das schon wieder los?

Angekl. B[aader]:

... lassen Sie doch mal reden.

Vors.:

Geht es jetzt los, daß Sie glauben mich ständig unterbrechen zu können, Herr Rechtsanwalt, in dem Augenblick wo ich anfange.

RA R[iedel]:

Mit geht’s darum klarzustellen ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, jetzt habe ich im Augenblick mein Wort an Frau Meinhof gerichtet und bitte, mich nicht zu unterbrechen.

RA R[iedel]:

Ich bitte, mir das Wort zu erteilen. (lautes Stimmengewirr)

Vors.:

Sie sind nicht der Verhandlungsführer hier.

RA R[iedel]:

Ich bitte, mir das Wort zu erteilen.

Vors.:

Nein, jetzt rede ich zunächst zu Frau Meinhof und dann können Sie das Wort haben.

Angekl. B[aader] (schreit ins abgeschaltete Mikrophon):

Was denn ...

[2779] RA R[iedel]:

Bann bitte ich schon jetzt das Wort danach ...

Vors.:

Frau Meinhof, ich werde Sie unterbrechen müssen und Ihnen das Wort entziehen müssen, wenn Sie sich nicht daran halten, ich wiederhole es nochmals, die Darstellung der allgemeinen Funktion der Psychiatrie in- oder außerhalb dieses Verfahrens ist genügend erörtert worden. Jede weitere Wiederholung ist eine Abschweifung und wird nicht hingenommen.

Herr Rechtsanwalt Riedel.

RA R[iedel]:

Herr Vorsitzender, ich hatte darauf aufmerksam gemacht, daß ich darum bitte, der Mandantin nicht mit Unterbrechung wieder ins Wort zu fallen. Wir kommen immer wieder zu der selben Stelle, daß Zusammenhänge auseinandergerissen werden und es absolut unmöglich wird, daß jemand hier etwas vortragen kann bei dem er sich konzentrieren muß, bei dem er nachdenken muß. Sie haben genau gesehen, daß es sich um Konzepte handelt, die nicht ausgearbeitet sind und deswegen ist es absolut unmöglich und es wird, kann nur die Tendenz erkennen lassen, die Sie hier verfolgen, daß Zusammenhänge nicht deutlich werden dürfen.

Vors.:

Die Behauptung weise ich zurück. Es ist selbstverständlich überhaupt nicht diese Absicht damit verbunden. Es ist[xx] nicht Sache etwa des Angeklagten durch Zusammenhänge, die er ausarbeitet oder nicht ausarbeitet, das Gericht zu zwingen, Abschweifungen hinzunehmen, die mit der Sache nichts mehr zutun haben. Hier geht es um die Ablehnung der Professoren Mende und Ehrhardt.

RA R[iedel]:

Genau, genau.

Vors.:

Allgemeine Dinge sind genügend gesagt. Wir wollen den Bezug ...

Angekl.[ Baader]:

Dazu ist doch einfach mal zu sagen, Prinzing, daß ...

Vors.:

... zu den ... Herr Baader, Herr Baader, ich verwarne Sie ...

Angekl. B[aader]:

... Sie hier ganz bewußt und ganz gezielt ...

Vors.:

Ich verwarne Sie ...

Angekl. B[aader]:

... daß Sie hier ganz gezielt versuchen die Argumentation kaputtzumachen.

Vors.:

Ich bitte den Antrag zu stellen, einen Antrag zu stellen ...

OStA Z[eis]:

Also wir beantragen

den Angeklagten Baader ...

[2780] RA v[on] P[lottnitz]:

... die Bundesanwaltschaft gebeten ...

(Mehrere Personen schreien laut und unverständlich durcheinander).

OStA Z[eis]:

Die Bundesanwaltschaft beantragt ...

RA Sch[ily]:

Ich bitte um eine Pause.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich bitte um Pause.

RA v[on] P[lottnitz]:

Ich bitte auch um eine Pause, genau.

RA Sch[ily]:

Ich bitte um eine Pause.

Vors.:

Jetzt wird ein Antrag gestellt[yy] ...

RA Sch[ily]:

Nein, ich bitte um eine Pause ...

RA v[on] P[lottnitz]:

Nein, wir ...gestellt ... (RA v[on] Plottnitz und RA Schily reden laut aber unverständlich ins abgeschaltete Mikrophon)

RA Sch[ily]:

Sie haben eben wörtlich erklärt, „ich bitte einen Antrag zu stellen.“

RA Dr. H[eldmann]:

Oder wollten Sie uns bitten, einen Ablehnungsantrag zu stellen?

Vors.:

Ich darf Sie bitten jetzt zu warten, bis die Bundesanwaltschaft, wenn sie einen Antrag stellt ...

(Mehrere Rechtsanwälte reden laut durcheinander)

RA Dr. H[eldmann]:

Nein, nein, nein ...provoziert ...

RA Sch[ily]:

Moment, ich bitte ...

RA Dr. H[eldmann]:

Sie bedienen sich der Bundesanwaltschaft, in einer eindeutigen Weise gegen die Angeklagten und ... abermals Ihre Voreingenommenheit ...

Vors.:

Eindeutiger Weise gegen die Angeklagten? Sie haben jetzt nicht ...

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, ich bitte um eine Pause.

Vors.:

Nein, Sie kriegen die Pause jetzt nicht.

RA Sch[ily]:

Ich beantrage eine Pause zur Vorbereitung eines Ablehnungsgesuches.

Vors.:

Ich

lehne den Antrag ab.

RA Dr. H[eldmann]:

Dann nehmen wir uns die Pause. Herr Vorsitzender, dann nehmen wir Sie uns.

RA v[on] P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, bevor wir gezwungen sind, uns hier eine Pause zu nehmen ...

Vors.:

Das dürfen Sie tun.

RA v[on] P[lottnitz]:

... habe ich für den Herrn Raspe den Antrag zu stellen,

eine[zz] Pause zu bewilligen.

[2781] Vors.:

Ich weise die Herren Rechtsanwälte darauf hin ... (RA v[on] Plottnitz spricht unverständlich weiter) ..., wenn Sie ausziehen, handeln Sie pflichtwidrig.[27] Im Verfahren wird fortgefahren wie vorgesehen.[28]

RA v[on] P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, dann ..., auf diese Hinweise ..., auf diesen Hinweis an die Rechtsanwälte muß ich, um in Ihrer Sprache zu bleiben, feststellen, daß die ... Weise, wie Sie hier die Verhandlung leiten, mit[aaa] Ihren richterlichen Pflichten einfach nicht zu vereinbaren ist.

Vors.:

Ja, und Sie, wie Sie sich benehmen, ist mit Ihren anwaltschaftlichen Pflichten überhaupt nicht zu vereinbaren.

RA v[on] P[lottnitz]:

Ja, Herr Vorsitzender, das ist der Schein, den Sie hier zu erwecken versuchen. Ich kann Ihnen dazu nur vielleicht eines sagen, wenn man hier mal länger als 4 Tage mit Ihnen im Saal war ...

Vors.:

Die Bundesanwaltschaft hat jetzt das Wort.

Herr Rechtsanwalt, bitteschön.

RA v[on] P[lottnitz]:

Nein, nein ...

OStA Z[eis]:

Die Bundesanwaltschaft beantragt ...

Die Bundesanwaltschaft beantragt

den Angeklagten Baader von der heutigen Sitzung wegen dauernder Störung auszuschließen.[29]

RA Sch[ily]:

Ich bitte um eine Pause.

RA v[on] P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, ich ... bevor die Entscheidung ...

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, ich bitte um eine Pause.

OStA Z[eis]:

Die Bundesanwaltschaft beantragt ...

(Unruhe auf der Verteidigerbank)

Vors.:

Herr Baader ...

RA Sch[ily]:

Namens der Angeklagten Ensslin

lehne ich den Herrn Vorsitzenden Dr. Prinzing wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

Vors.:

Gut. (lautes Stimmengewirr)

RA Sch[ily]:

Bevor Sie hier beraten und Anträge gegen ... einfach in der Verhandlung fortsetzen. Jetzt beantrage ich, als unaufschiebbare Maßnahme[30] des Herrn Vorsitzenden

mir zur Begründung und Vorbereitung des Ablehnungsgesuches eine Pause einzuräumen.

[2782] Vors.:

Nein, die Pause wird nicht eingeräumt.

RA Sch[ily]:

Dann begründe ich das Ablehnungsgesuch weiter damit ...

RA Dr. H[eldmann]:

Ich habe eine Frage ...

Vors.:

Es ist im Augenblick Herr Rechtsanwalt Schily dran und hat den Antrag gestellt. Er soll den Antrag bitte begründen.

RA Dr. H[eldmann]:

Zur Antragsbegründung gehört die Antwort auf meine Frage.

Vors.:

Zur Antragsbegründung sind Sie jetzt nicht aufgerufen. Es ist im Augenblick Herr Rechtsanwalt Schily, der mich ablehnt. Ich bitte den Antrag zu begründen.

RA Sch[ily]:

Ich lehne Sie nicht ab, sondern die ... Wie Sie vielleicht aus dem Gesetz wissen, haben die Angeklagten ein Ablehnungsrecht.

(RA Schily spricht ins abgeschaltete Mikrophon)

Protokollführer:

Herr Rechtsanwalt, bitte Mikrophon einschalten.

RA Sch[ily]:

Namens der Angeklagten Ensslin,

wird der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht Dr. Prinzing wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

Zur Begründung dieses Ablehnungsgesuches trage ich namens der Angeklagten Ensslin folgendes vor:

1. Der abgelehnte Richter hat an die Bundesanwaltschaft gewandt; wörtlich erklärt, „ich bitte den Antrag zu stellen.“ Diese Erklärung hatte nach dem gesamten Verhandlungsablauf eindeutig den Sinn, die Bundesanwaltschaft zu bestimmen, einen Ausschlußantrag zu stellen. Das wird unter anderem dadurch erkennbar, daß die Bundesanwaltschaft diesen Antrag dann auch folgerichtig hier zu Protokoll gegeben hat. Zur Glaubhaftmachung[31] dieses Sachverhalts beziehe ich mich auf eine dienstliche Erklärung des abgelehnten Richters und die Sitzungsniederschrift.

2. Das Ablehnungsgesuch wird ferner darauf gestützt, daß der abgelehnte Richter eine Pause, auch eine ganz kurze Pause, zur Vorbereitung eines Ablehnungsgesuches abgelehnt hat.

Zur Glaubhaftmachung wird wiederum auf eine dienstliche Erklärung des abgelehnten Richters und die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Er räumt mit dieser Verweigerung der Pause, den Angeklagten und den Verteidigern nicht einmal das Recht ein, zu prüfen, [2783] ob, in welcher Form und mit welcher Begründung ein Ablehnungsgesuch zu stellen ist. Diese krasse Rechtsverweigerung macht deutlich, daß der Vorsitzende Richter, der hiermit abgelehnt wird, über sämtliche Rechte der Verteidigung und der Angeklagten hinweggeht.

Soweit wird das Ablehnungsgesuch begründet.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich komme jetzt mit meiner Frage. Hat über den Antrag der Bundesanwaltschaft bereits ein Senatsbeschluß stattgefunden?

Richter Dr. Foth:

Über welchen Antrag?

RA Dr. H[eldmann]:

Na, Herrn Baader auszuschließen.

Vors.:

An sich keine unaufschiebbare Handlung, aber ich wüßte nicht, daß ein Beschluß verkündet sei.

RA Dr. H[eldmann]:

Hat eine Beschlußfassung stattgefunden?

Vors.:

Nein.

RA Dr. H[eldmann]:

Darf ich Sie fragen, Herr Vorsitzender, Sie haben nachdem Herr Oberstaatsanwalt Zeis den Antrag für die Bundesanwaltschaft gestellt hat, haben Sie angehoben, bevor Herr Schily überhaupt noch ein Wort wieder fassen konnte, obgleich er seine Wortmeldung hatte, haben Sie angeboten Herrn..., angehoben Herrn Baader anzusprechen „Herr Baader“. Sollte das der Beginn einer Beschlußbekanntgabe sein?

Vors.:

Nein, das rechtliche Gehör, das vorauszugehen hat.

RA Dr. H[eldmann]:

Ah gut, danke.

Vors.:

Da wir ja die Rechte der Angeklagten nicht übergehen.

RA Dr. H[eldmann]:

Dann schließe ich mich ...

(Angeklagter Baader lacht)

Angekl. B[aader]:

Ja, das halte ich ja nicht aus. Das ist ja ulkig.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, bitte.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich schließe mich für Herrn Baader, den es hier betroffen hat, diesen Ablehnungsantrag an.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Riedel.

RA R[iedel]:

Ich schließe mich für Frau Meinhof dem Ablehnungsantrag ebenfalls an, und stütze ihn zur weiteren Begründung darauf, daß ihr das Wort entzogen worden ist, nach dem sie gerade erst angesetzt hatte in der, bzw. unterbrochen worden ist, nach dem sie gerade erst angesetzt hatte, mit der Begründung fortzufahren, die, wie das Gericht und Herr Vorsitzende auch weiß, hier von [2784] sämtlichen Angeklagten vorgetragen wird. Die Wortentziehung erfolgte zu einem Zeitpunkt, als überhaupt noch nicht für den Herrn Vorsitzenden erkennbar sein konnte, daß hier wie behauptet worden ist, abgewichen wird von dem Thema, daß ja immerhin lautet, die Befangenheit von Gutachtern und wie schon gestern darauf hingewiesen worden ist, wie der Senat und der Herr Vorsitzende auch ganz genau weiß, daß bei diesem Thema die subjektive Überzeugung bzw. der subjektive Eindruck desjenigen der jemanden ablehnt, das entscheidende ist. Und wenn die subjektive Überzeugung entscheidend ist, ist es notgedrungen so, daß derjenige der ablehnt Gelegenheit haben muß, alles das, was seiner Meinung nach dazu gehört, vorzutragen und zwar in Zusammenhang und ohne Unterbrechungen. Der Wortentzug kann wiederum nur verdeutlichen, daß hier die Zusammenhänge um denen es den Angeklagten in diesem Falle Frau Meinhof geht, nicht zu Gehör gebracht werden dürfen.

Das wiederum begründet die Befangenheit.

RA v[on] P[lottnitz]:

Ich habe mich für den Herrn Raspe dem gestellten ...

RA Dr. H[eldmann]:

Einen Moment ...

RA R[iedel]:

Augenblick, zunächst die Mandantin noch.

Vors.:

Frau Meinhof. Bitte, will Frau Meinhof nicht sprechen?

RA Sch[ily]:

Doch, doch.

RA R[iedel]:

Sie muss ja noch Luft holen.

Angekl. M[einhof]:

Ja, man muß sich ... Man muß sich doch nach dem Gekrächze von Ihnen erstmal erholen.

Also, ich schließe mich dem Antrag an und zusätzlich mit der Begründung, daß ja in dieser Aufforderung an die Bundesanwaltschaft, daß Ihr brutales und sinnloses Gestammel hier seit 3 Tagen, Ihr Maßnahmengestammel, einfachmal die Absicht, die Sie damit verfolgen, durchgeschlagen ist.

Worum es Ihnen geht, das ist auch deutlich, nämlich Andreas hier auszuschließen, nachdem Sie 3 Tage, über 3 Tage unsere Begründung der Ablehnung von Ehrhardt und Mende gedehnt haben, in dem Sie es systematisch zerhackt haben und wir würden sagen, daß es Ihnen auch gelungen ist. Das heißt, an der Stelle, wo es darum ging die politische Konstruktion dieses Verfahrens wirklich transparent zu machen und zwar an der Rolle der Psychiatrie und ihren Maßnahmen, die an uns in den letzten 3 ½ Jahren vollstreckt worden sind. Da haben Sie das einfach, da haben Sie den Zusammenhang dermaßen zerstört, daß er, naja daß wir sagen würden, er ist kaputt. Also er ist [2785] zerstört. Und die ab ... Und was sich an der ..., Ihrer Aufforderung an die Bundesanwaltschaft nun endlich zum Ausschlußantrag zu kommen, einfach gezeigt hat, daß es, daß Sie, daß es Ihre Absicht ist. Daß hinter Ihrem ganzen Gestammel nichts anderes steckt, als hier die Darstellung von Zusammenhängen zu verhindern. Und dazu müssen Sie uns natürlich loswerden, damit die Inhalte weiterhin versteckt bleiben, so wie Sie sich das vorstellen, in Ihrer Begriffslosigkeit, will ich mal dazu sagen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, bitteschön.

RA v[on] P[lottnitz]:

Ich schließe mich für den Herrn Raspe dem gestellten Ablehnungsgesuch an, beziehe mich auch auf die Tatsachen, die vorgetragen worden sind bereits zur Begründung dieses Ablehnungsgesuches und ergänze die Begründung noch wie folgt:

Die Äußerung, auf die hier das Ablehnungsgesuch gestützt worden ist, die Äußerung des abgelehnten Richters, hat einmal mehr gezeigt, daß er sich, in welchem Ausmaß er sich den Verfolgungsinteressen der Bundesanwaltschaft hier unterwirft. Der Satz, „ich bitte Sie um einen Antrag“, zeigt die Furcht des Vorsitzenden, des abgelehnten Richters, hier Entscheidungen in Erwägung zu ziehen, die etwa die Mißbilligung der Bundesanwaltschaft finden könnten. Es soll im Vorhinein bereits der Konsens der Bundesanwaltschaft hergestellt werden. Ich möchte in übrigen das Ablehnungsgesuch, soweit es den Herrn Raspe, für den Herrn Raspe gestellt wird, auch ergänzend begründen mit der Tatsache, daß hier im Verlauf des heutigen Sitzungstages sowohl Herr Raspe das Wort entzogen bekommen hat, als auch die übrigen Gefangenen, nämlich der Herr Baader. Diese Wortentziehung mit der völlig willkürlichen Begründung, es sei hier außerhalb des Sachzusammenhangs das Ablehnungsgesuch gegen die Sachverständigen von seiten dieser Gefangenen begründet worden, die Wortentziehung signalisiert ein Mißbrauch der richterlichen Verhandlungsleitungsrechte. Ein Mißbrauch, der darauf abzielt hier, das fällt einem besonders auf, wenn man mal 4 Tage nicht in diesem Sitzungssaal war oder länger als 4 Tage nicht in diesem Sitzungssaal war, der darauf abzielt ein repressives Verhandlungsklima herzustellen, in[bbb] dem es [2786] unmöglich wird, für die Gefangenen hier ihre Stimme zu Gehör zu bringen. Das ist das, was ich noch [ccc] ergänzend zur Begründung dieses Ablehnungsgesuchs zu sagen habe.

Vors.:

Bitte, die Bundesanwaltschaft. Wollen Sie Stellung nehmen gleich.

RA v[on] P[lottnitz]:

Herr Vorsitzende, ich bitte ...

OStA Z[eis]:

Die Bundesanwaltschaft ...

RA v[on] P[lottnitz]:

... Herr Raspe.

Vors.:

Ja bitte, er hat zuerst das Wort.

Angekl. R[aspe]:

Ich möchte anschließen an das, was Plottnitz gesagt hat, und dazufügen als 1. Punkt, daß heute für Plottnitz ja auch, daß er dann erzählt, sehr deutlich war, daß er hier völlig orientierungslos war in diesem Verfahren, weil er nämlich, ich kann das nur nochmal wiederholen, weil er also in einem normalen Straffall war in der Zwischenzeit und als er jetzt zurückkommt, sich tatsächlich in diesem Verfahren nicht mehr orientieren kann. Das ist ein Punkt.

Aber konkret jetzt noch zur Frage der Ablehnung aufgrund Ihrer Unterbrechung und zu dem Projekt was dahintersteht, denn es ist natürlich ganz offensichtlich ein Projekt, das ist in diesen 3 Tagen sichtbar geworden. Daß es Ihr Versuch ist, mit allen Ihnen wirklich zur Verfügung stehenden Methoden und das ist also in Augenblick, in dem Augenblick wo wir also hier dabei sind, eine inhaltliche Argumentation zu entwickeln, die Methode der Unterbrechung durch ... die Methode des Dazwischenredens und die Methode des Versuchs uns zu provozieren, dem einzig und allein das Ziel aktuell Andreas auszuschließen, weil Sie sich vielleicht in Ihrer Kurzsichtigkeit ausrechnen, mit den anderen dreien könnten Sie noch fertig werden, also was alles völlig absurd ist, was in Ihrem Kopf vorgehen muß, mit dem Gesamtziel natürlich, aber insgesamt uns alle vier auszuschließen, um endlich überhaupt inhaltlich Argumentationen loszuwerden und sie damit ausgeschlossen zu haben. Das scheint Ihr Ziel zu sein und es ist tatsächlich ein durchkonstruiertes Projekt und es wird sichtbar, wenn man sich das mal kurz vergegenwärtigt wie das in den letzten 3 Tagen gelaufen ist. Sie haben uns am 1. Tag und zwar zu allen 3 Punkten die wir genannt haben, relativ ausführlich reden lassen und Sie haben [2787] gestern genau an den Punkten, und ich meine, das zeigt einfach aus welcher Perspektive Sie die ganze Sache betrachten, denn Sie scheinen wirklich auf dem Kopf zu stehen. Sie haben gestern genau an den Punkten uns unterbrochen, wo wir die in den Schriften zitierten allgemeinen[ddd] Zusammenhänge konkretisiert haben an den Funktionen, die diese Psychiater in diesem Verfahren haben sollen, bzw. die die Psychiatrie in diesem Verfahren bereits gehabt hat. Das war auf der einen Seite Mende im Punkt Lengede beispielsweise, wo Sie also verhindert haben, daß mal also argumentativ darauf auf die Gründe eingeht, die dem Senat bestimmt haben bei einem bestimmten Psychiater hier zu bestellen, expres... bestimmt haben, und das war z. B. der andere Punkt Ehrhardt, wo Sie also konkret in dem Augenblick jede Argumentation verhindert haben, Sie zerstört haben, indem es darum ging sozusagen die andere Hälfte darzustellen, deren erste Hälfte der, also die andere Hälfte darzustellen, nämlich die, die bereits in diesem Verfahren gelaufen ist. Das war nämlich die Initiative von Witter und Sie haben also beispielsweise, obwohl wir diesen § 80a[ StPO][32] vorgelesen haben, in dem auch noch formal juristisch der Zusammenhang hergestellt wird, den Sie natürlich eben genau verhindern müssen, den Sie zerstören müssen, darum geht es Ihnen. Also, obwohl wir diesen Zusammenhang in diesem § 80a[eee] StPO Ihnen auch auf dieser formalen juristischen Ebene vorgelesen haben, haben Sie natürlich alles unternommen, um es zu verhindern und ich würde sagen, es ist tatsächlich das Ziel und der Zweck dieser Sache, uns zu provozieren daß wir endlich heraus sind und mit uns jede inhaltlich Argumentation ausgeschlossen ist. Und ich meine, man kann das auch natürlich noch an einem weiteren Punkt sehen, ich glaube daß das richtig ist zu sagen, daß Sie natürlich im Zusammenhang Ihrer Äußerung neulich, als Sie bei einem Ihrer früheren Versuche uns das Wort zu entziehen, erklärt haben, wir könnten im Zusammenhang der Erklärung zur Sache uns in aller epischen Breite auslassen, in aller epischen Breite, das war Ihre Formulierung. Daß Sie natürlich inzwischen offensichtlich diesen Satz nicht mehr gesagt haben wollen und so ist es ganz sicher Ihre Initiative gestern und heute um unseren Ausschluß zu provozieren bzw. ihn von der Bundesanwaltschaft bean- [2788] tragen zu lassen zuvor, ist das auch die Initiative, zu versuchen, uns in einem Prozeßstadium loszuwerden, mit dem Sie dann sozusagen die, die Erklärung zur Sache überspringen können, um danach, um dann zu einem späteren Stadium behaupten zu können, wir hätten uns also selbst verschuldet, wir hätten es also selbst verschuldet, daß wir zur Sache nichts mehr sagen können, genau deswegen wird das nicht laufen, und genau deswegen lehnen wir Sie ab.

Vors.:

Herr Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich bitte um das Wort für Herrn Baader, der den Ablehnungsantrag, seinen Ablehnungsantrag über Ihr Antragsbestellsystem hinaus erweitern möchte.

Vors.:

Bitte.

Angekl. B[aader]:

Ja, ich wollte sagen, daß das inzwischen natürlich hier alles sehr psychologisch wird, denn was Sie sich da gerade geleistet haben, in dem Sie die Bundesanwaltschaft gebeten haben, sie möchte Ihnen sozusagen zur Hilfe kommen, in den sie meinen Ausschluß beantragt. Das ist ja glaube ich wohl doch ein ziemlich einmaliger Vorgang in einem Gerichtssaal, aber geschenkt. Ich meine, wie die Dimension Ihrer Befangenheit, die läßt sich glaube ich wirklich ganz gut illustrieren an einer Sache die gestern gelaufen ist, als Sie Ihre, Ihre Wortentziehung bei Jan nochmal begründet haben, in dem Sie ihn zitiert haben. Man wird sich also da vielleicht erinnern, Sie haben nach den Ablehnungsantrag, soviel ich weiß ...

(Angekl. Baader wendet sich an Angekl. Meinhof) ... haben Sie, haben Sie aus dem Protokoll Jan zitiert. Und das war unheimlich interessant, der agitat..., der agitierte Tonfall, den Jan, er spricht ja nicht agitiert, er spricht sehr ruhig und er spricht unheimlich fachlich, also wie Sie das, was er gesagt hat übernommen haben und wie agitiert Sie es vorgebracht haben, wie Sie umgeformt haben, diesen ..., sozusagen in diesem Zwang ihn[fff] zitieren zu müssen in eine Hetzrede, das ist wirklich unglaublich deutlich, wie weitgehend Sie das schon verinnerlicht haben hier, diese Konfrontation als Klassenkonfrontation in die Sie nur noch hassen können. Ich habe dann dazwischen gerufen wie heute und daraufhin ist es Ihnen dann aufgefallen, daß es vielleicht doch peinlich ist, was Sie da machen und da haben Sie Ihren Tonfall gemäßigt.

[2789] Es drückt doch auch noch ... Dieses Beispiel, ich meine man kann sich davon überzeugen, wenn man das Tonband abspielen läßt, falls es schon nicht vernichtet ist, das zeigt auch auf einer anderen Ebene Ihre Befangenheit, weil das exakt die Methode ist, der sich die Bundesanwaltschaft hier bedient. Man erinnert sich vielleicht, daß die Bundesanwaltschaft ein sogenannten Kassiber hier mal[ggg] vorgetragen hat und zwar immer wechselweise Zeis und Widera und daß es da auch diesen unglaublichen Charakter annahm, daß man da wirklich den Eindruck hatte, man würde, es würde aus dem Volksempfänger kommen, was diese beiden Herren da vortragen, weil sie die, weil sie offensichtlich das für eine richtige, in ihrer absoluten Inhaltsarmut, das für die richtige Methode halten, daß wenn sie zitieren müssen, daß sie diese Zitate unglaublich imuziös, imazinalisieren durch den Tonfall. Genau das haben Sie gestern auch gemacht. Und ich meine, das ist wohl, das ist wirklich auch schon eine Sache, die das, was hier inzwischen abläuft charaktisiert. Das ist wirklich zwangshaft, Ihre Verhandlungsführung.

Vors.:

Herr Raspe, was ..., geht es jetzt noch ...

Angekl. R[aspe]:

Ich wollte nur noch zu meiner Begründung eben einige Sätze zufügen und zwar möchte ich sagen, daß also in diesem Projekt, was offensichtlich hinter Ihrer Aktivität steckt uns also auszuschließen und insbesondere im Augenblick Andreas auszuschließen, daß Sie in diesem Projekt natürlich vor dem Widerspruch, der also auch offensichtlich wird darin, nicht zurückschrecken, nämlich vor dem Widerspruch, daß hier natürlich offensichtbar wird, daß es dieser Senat und in erster Linie, also sein Vorsitzender Prinzing ist, der hier Prozeßverschleppung betreibt. Das ist also wirklich ziemlich deutlich geworden nicht nur gestern, sondern es wird also auch wieder deutlich heute. Es ist ...

RA Dr. H[eldmann]:

Der hört gar nicht zu.

Angekl. R[aspe]:

Nee, nee ...

RA v[on] P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, hat Herr Raspe Ihre Aufmerksamkeit, oder ...

Vors.:

Ich habe sogar gehört, wie Sie bemerkten, der hört gar nicht zu. So genau habe ich gehört.

[2790] Angekl. R[aspe]:

Ja, ich wollte sagen, daß in dem Zusammenhang noch mal die Begründung von gestern erinnern, an die zusätzliche Begründung von Andreas, mit denen er also die Argumentation von Prozeßverschleppung, die natürlich mit Sicherheit kommt, das sieht man also schon ... nee, auch Zeis hat keine andere. Ich wollte das trotzdem nur noch gesagt haben, daß diese Argumentation einfach absurd ist[hhh], weil sie, weil für jeden sichtbar ist, daß Sie mit der Begründung dieses Antrags zur Ablehnung der Psychiater allerdings tatsächlich längst fertig wären, wenn Sie nicht eben gezwungen wären, Ihr Projekt durchzuziehen, nämlich uns ausschließen zu sollen und zu müssen.

Angekl. B[aader]:

Ich kann ... Ich möchte ...

Vors.:

Nein, ich gebe jetzt das Wort nicht mehr ...

Angekl. B[aader]:

... Ich habe eine ... Momentmal, ich lehne Sie ab ...

Vors.:

... Sie können jetzt nicht ein Ringelspiel machen. Herr Baader, Sie haben jetzt das Wort nicht mehr, Sie hatten die Begründungsmöglichkeit gehabt. Ich bitte jetzt die Bundesanwaltschaft die Frage zu beantworten. Wollen Sie sich zum Ablehnungsgesuch äußern?

OStA Z[eis]:

Zwei Sätze, Herr Vorsitzender.

Die Bundesanwaltschaft will dem Beispiel, dem schlechten Beispiel der Gegenseite, die Zeit hier durch Filibustern[iii] rumzubekommen, nicht folgen. Sie wird deshalb ihre Stellungnahme schriftlich nun im sogenannten Zwischenverfahren abgeben.

Vors.:

Ich bitte die Beteiligten um 11.00 Uhr wieder hier im Saal zu sein, dann wird bekanntgegeben, wie es weitergeht mit dem Verfahren.

Die Sitzung wird um 10.40 Uhr unterbrochen.

Ende Band 155

[2791][33] [2792][34] [2793][35] [2794-2795][36] [2796][37] [2797] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 14.10 Uhr.

Die Bundesanwaltschaft ist nunmehr[jjj] in folgender Besetzung anwesend:

Oberstaatsanwalt Zeis,

Regierungsdirektor Widera,

Staatsanwalt Holland.

Rechtsanwalt König ist nicht mehr[kkk] anwesend.

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort.

Herr RA König hat mitteilen lassen, daß er etwas später kommen würde.

Die zur Entscheidung zuständigen Richter haben folgenden Beschluß erlassen.

Der Vorsitzende verliest den Beschluß vom 4. September 1975 aus Anl. 2 zum Protokoll.

Dieser Beschluß ist dem Protokoll als Anl. 2 beigefügt.

RA Sch[ily]:[lll]

Herr Vorsitzender, ich bitte ums Wort.[mmm]

Vors.:[nnn]

Herr RA Schilly.

RA Sch[ily]:

Ich habe einen Antrag zu stellen, von dem ich vorweg sage, daß er zustandegekommen ist aufgrund einer erneuten Akteneinsicht der Verteidiger, und zwar in einen Ordner „Ärztliche Untersuchungen“, der uns heute vormittag zur Verfügung stand.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, darf ich fragen, um welchen Verfahrensgegenstand handelt es sich?

RA Sch[ily]:

Es handelt sich um ein Ablehnungsgesuch gegen Sie und die Herrn Beisitzer. Ich darf das verlesen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, darf ich zunächst noch abschließen? Es war das Ausschlußverfahren gegen Herrn Baader heute früh angeschnitten worden.

Der Antrag auf Ablehnung wird dann entgegengenommen, sobald über dieses Ausschlußverfahren gesprochen ist.

[2798] RA Sch[ily]:

Nein. Ich halte das für unverzüglich,[38] daß zunächst einmal jetzt dieses Ablehnungsgesuch ...

Vors.:

Das Ausschlußverfahren ist ja auch eine sofort vorzunehmende Handlung. Ich darf Sie dabei auf folgendes hinweisen - es ist gleich erledigt:

RA Sch[ily]:

Ja, bitte.

Vors.:

Nachdem eine Pause eingetreten ist, Herr Baader, und Sie inzwischen bemerkt haben, daß auch diese ständigen Zwischenrufe dazu führen können, daß gegen Sie Ausschluß notwendig werden würde, wollen wir es diesmal bei der Verwarnung, bei der nochmaligen Verwarnung belassen. Der Ausschluß wird nicht ausgesprochen. Jetzt hat Herr RA Schily zum Ablehnungsantrag das Wort.

Angekl. Baa[der]:

Ich hätte dazu rechtliches Gehör.

Vors.:

Herr RA Schily, bitte schön.

RA Sch[ily]:

Herr Baader möchte sich dazu äußern.

Vors.:

Nein. Es wird ein Ablehnungsantrag gestellt;

der geht nun dem wieder vor. Das andere war noch von heute früh zu erledigen.

RA Sch[ily]:

Also, ich verlese das Ablehnungsgesuch:

In der Strafsache gegen Baader und andere, hier: Gudrun Ensslin

- folgt das Aktenzeichen -

lehnt die Angeklagte Ensslin den Vorsitzenden Richter am OLG Dr. Prinzing sowie die beisitzenden Richter am OLG Dr. Breucker, Maier, Dr. Berroth und Dr. Foth wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

Zur Begründung wird folgendes ausgeführt: Herr Dr. Breucker hat am 1. September 1975 im Auftrage des Senats mit Prof. Rauschke telefonisch Verbindung aufgenommen und angefragt, ob er sich in dieser oder in der nächsten Verhandlungswoche auf Abruf bereithalten könne, um die Angeklagten adhoc auf ihre Verhandlungsfähigkeit[39] zu begutachten.

Vors.:

Verzeihen Sie, Herr Rechtsanwalt, bekommen wir das Manuskript?

[2799-2801][40] [2802] RA Sch[ily]:

Sie können das gerne haben, wenn Sie uns freundlicherweise dann Kopien davon zur Verfügung stellen.

... um die Angeklagten adhoc auf ihre Verhandlungsfähigkeit zu begutachten. Für den Verhinderungsfall - und jetzt wörtliches Zitat aus dem Vermerk -

„möge er einen Kollegen vom Gesundheitsamt benennen.“

Ende dieses Zitats aus diesem Vermerk.

Zur Glaubhaftmachung wird

1. auf eine dienstliche Erklärung des abgelehnten Richters Dr. Breucker und

2. auf den Inhalt des Vermerks vom 1. September 1975 auf Bl. 75 und 76 des Ordners „Ärztliche Untersuchungen“ Bezug genommen.

Daraus ergibt sich, daß die abgelehnten Richter

a) einen Sachverständigen außerhalb der Hauptverhandlung ohne Wissen und ohne vorherige Anhörung der Verteidigung sowie unter Verstoß gegen den Konsens der Prozeßbeteiligten über die Auswahl der Sachverständigen beauftragt haben;

b) dem Sachverständigen Prof. Rauschke die Kompetenz zugeteilt haben, einen Sachverständigen - Kollegen vom Gesundheitsamt - auszuwählen;

c) die Beauftragung von Prof. Rauschke vorgenommen haben, obwohl dieser keine Untersuchung durchgeführt und erklärt hat bei seiner früheren Anhörung,

daß er ohne eingehende Untersuchungen, für die er sich im übrigen selbst nicht für kompetent hält, keine Gutachten erstatten könne;

d) mit der Beauftragung von Prof. Rauschke, die bestellten Sachverständigen Prof. Müller, Prof. Schröder und Prof. Rasch, ohne diese zu verständigen, von der Begutachtung ausgeschaltet haben, obwohl die Verteidigung mehrfach die Begutachtung der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten in der Hauptverhandlung auf der Grundlage der vorhandenen Untersuchungsergebnisse beantragt hat.

Außerdem hat der abgelehnte Richter Dr. Breucker Prof. Rauschke gegenüber erklärt, der Senat gehe nach Rückfrage bei den Internisten davon aus, daß die von den Internisten [2803] bestimmte Höchstdauer der Verhandlung als reine Verhandlungszeit ohne Pausen zu verstehen sei. Dabei hat der abgelehnte Richter verschwiegen, daß die Internisten Prof. Müller und Prof. Schröder besonderen Wert auf die Feststellung gelegt haben, daß die Bemessung der Verhandlungszeit nicht in kleinlicher Weise gehandhabt werden solle.[41]

Zur Glaubhaftmachung insoweit wird auf eine dienstliche Erklärung des abgelehnten Richters Dr. Breucker Bezug genommen.

Aus der Sicht der Angeklagten stellt sich der geschilderte Sachverhalt als Versuch der abgelehnten Richter dar, die Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten ohne ärztliche Untersuchungsergebnisse zu fingieren.

Ferner belegt aus der Sicht der Angeklagten die Geheimhaltung der Beauftragung von Prof. Rauschke die Absicht der abgelehnten Richter, ihnen das gebotene rechtliche Gehör zu verweigern.

Soweit die Begründung des Ablehnungsgesuches

RA König erscheint wieder[ooo] um 14.22 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Herr HA Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Baader schließt sich ... aja, natürlich. Verzeihung.

RA Schily übergibt dem Gerichtswachtmeister den Befangenheitsantrag, um diesen fotokopieren zu lassen.

Eine Fotokopie dieses Antrags wird als Anl. 3 dem Protokoll beigefügt.

Vors.:

Herr Bietz, bitte gleich fotokopieren und dann Bundesanwaltschaft, Gericht ... und dann zurückgeben das Original.

Bitte, Herr ... Entschuldigung. Wer ...?

RA Sch[ily]:

Frau Ensslin möchte das Ablehnungsgesuch ergänzend begründen.

Vors.:

Ja, Frau Ensslin, bitte.

[2804-2808][42] [2809] Angekl. Enss[lin]:

Das Ablehnungsgesuch, das Schily eben formuliert hat, zeigt das Gericht auf einem Schleichweg, und das sind genau die Wege, die ihm bleiben, im Versuch, die un... übergesetzlichen Wege und ungesetzlichen Wege, die ihm bleiben, im Versuch, ein ungesetzliches ... das ungesetzliche Verfahren von der Stelle zu bringen, und von der Stelle zu bringen ist eigentlich ungenau, man muß sagen, von einer ganz bestimmten Stelle zu bringen. Das hat die B. Anwaltschaft auch genau verstanden und schreibt genau deshalb wie in vorangegangenen Situationen, gleichen Situationen; das Gegenteil ist wahr: Die Situation, die heute eingetreten ist und wie sie heute morgen deutlich war, gab’s überhaupt noch nicht vorher. Ich will das mal zeigen an einem bestimmten Kommentar, den wir gestern gehört haben, wo gesagt war, daß dieser Ablehnungsantrag - eben dieser - gegen die Psychiatrie, Ablehnung der Psychiater, nicht nur die Frage gestellt hätte und die Frage stellt, wie krank ist die deutsche Psychiatrie, sondern das ganze dazu geeignet sei, das ganze Verfahren zu kitten, weil es das ganze Verfahren berührt, und zwar insofern, als gesagt war, d. h., es ist eben bemerkt worden, und es heißt, daß, und das erklärt auch Prinzings Verhalten heute morgen, also sowohl sein Versuch, am Anfang da irgendwelches Verständnis zu heucheln als auch die beson... seine besondere Angespanntheit, und schließlich auch die Entgleisung, die ihm - würde ich sagen - weniger passiert ist, in der auch eine Zwangsläufigkeit steckt, insofern er mit seinen Mitteln, mit der Methode Prinzing, dauernd zu unterbrechen usw., die Gefangenen über das Verhindern und Zerstören der Inhalte fertig zu machen, einfach am Ende ist. Also die überhaupt nicht gleiche, sondern ganz bestimmte Situation ist eben die - und so wörtlich [2810] dieser Journalist - er sagte: Dieser Antrag sei deshalb für die Gefangenen so besonders wichtig, weil, wenn das so ist, wie sie überzeugend und - das sind seine Worte - auf einem hohen Niveau und intellektuell brillante Formulierungen bringen, daß, wenn das so ist, daß das ganze Verfahren insofern berührt, als es derselbe Richter ist, der die Bedingungen - die Haftbedingungen - anordnet, Anordnungen trifft. Das ist der Punkt.

Es ist eben verstanden worden, und was Prinzing zu hüten hatte, was er verstecken mußte, ist nicht mehr zu verstecken. Das wird eben auch deutlich in dieser dienstlichen Äußerung. Das ist ja nicht so, daß er sich nicht mehr die Mühe machen wollte, noch zu verschleiern; die Sache ist, daß Sie’s einfach nicht mehr können auch, und zu dem Handzeichen, das Sie da erfinden, fällt uns wirklich nur ein, daß das genau so unsichtbar ist wie die Fragezeichen, auf die Sie manchmal kommen.

Und insgesamt stellt es ... ist es, würde ich sagen, naja, ne Prothese, mit der Sie das Verfahren, nachdem es entgleist ist, von der Stelle bringen wollen. Es ist alles jetzt sehr dürftig geworden.

Vors.:

Herr Dr. Heldmann, Sie haben das Wort.

RA Dr. He[ldmann]:

Für Herrn Baader ...

Angekl. Enss[lin]:

Moment. Ich bin noch nicht fertig.

RA Dr. He[ldmann]:

Oh, Verzeihung.

Angekl. Enss[lin]:

Ich will zu der ... zu dieser bestimmten Stelle, also was ...

Vors.:

Ja, Frau Ensslin ...

Angekl. Enss[lin]:

... was einfach deutlich geworden ist, was so gefährlich für Sie ist - also unterbrechen Sie mich nicht - ist die Interessenidentität, also genau das, wovon wir vom ersten Tag der Verhandlung an sprechen, um es zu erklären, um es auf den Tisch zu bringen, die Interessenidentität zwischen [2811] Psychiatrie, Justiz, insgesamt dem Verfahren eines geschlossenen Systems. Es besteht hier ganz deutlich auf der einen Seite die Psychiatrie als Zwangssystem, mit dem also hier die Psychiater bestellt werden, die beurteilen etwas, was sie selbst produzieren als die Wissenschaft, die beteiligt ist an der Isolation, an der Vernichtungshaft; auf der andern Seite die Justiz als das Zwangssystem, das beurteilen läßt, was es selbst anordnet; und zu dieser Identität von Interessen in dem geschlossenen System, das da verfährt und dessen Geschlossenheit Sie verteidigen und um[ppp] dessen Geschlossenheit Sie ringen, zu dem gehört wesentlich, daß es eben auch dieselbe Behörde ist, die die Isolation methodisch eingeführt hat, nämlich die Bundesanwaltschaft oder zusammen besser mit B. Kriminalamt als ...

... die Waffe eingeführt hat, ist dieselbe Behörde, die das Gesetz angestoßen hat, einfach gemacht hat, daß das Verfahren ohne Angeklagte ermöglicht, und da ist man an den Punkt angelangt, an dem Ihnen nur noch einfallen kann, hier Andreas, d. h. eben uns alle, auszuschließen. Die Entgleisung ist eben keine Entgleisung, sondern es ist Ihre letzte ultima ratio, wie Sie das nennen.

Vors.:

So, jetzt, Herr Dr. Heldmann, zum dritten Mal.

Ende von Band 156.

[2812] RA Dr. H[eldmann]:

Für Herrn Baader, der sich diesem Antrag anschließt, begründe ich diesen Antrag weiter. Bereits mit Antrag vom 22.7.1975 hat in der Hauptverhandlung die Verteidigung beantragt, von der Beauftragung der Professoren Ehrhardt und Mende als psychiatrische Sachverständige abzusehen, und hatte es im einzelnen begründet. Insbesondere hat die Verteidigung bei dieser Begründung darauf abgestellt, daß die Professoren Ehrhardt und Mende als forensische Psychiater die Interessen der Justiz, wie aus Ihren Schriften allein schon hinreichend belegt war, über die Folgerungen, zwingende Folgerungen, diagnostische, therapeutische aus ihren fachwissenschaftlichen Einsichten stellen, d.h. also, ihr Fachwissen oder die Ihnen beigegebenen wissenschaftliche Qualifikation eindeutig wie hier, den Bedürfnissen der Strafrechtspflege unterordnen, sich selbst also als Organe, als Hilfsorgane der Strafrechtspflege verstehen und dementsprechend, wo Sie als Gutachter bestellt werden, handeln. Das war am 22.7. bereits. Am 22.8. hat Herr Mende an den Vorsitzenden Richter dieses Senats geschrieben, ich zitiere: „Nachdem ich an dem[qqq] gestrigen Sitzungstag als stiller Zuhörer teilgenommen habe, bin ich doch recht bedrückt über den schlechten Verhandlungsstil, der von den Wahlverteidigern[43] praktiziert wird. Die Angeklagten selbst kamen ja gestern kaum zu Worte. Nachdem Herr Schily erklärt hat, daß sie sich nicht von mir untersuchen lassen wollen, stellt sich die Frage, ob der Gutachtenauftrag aufrecht erhalten wird“. Am 21.8. hat Herr Professor Ehrhardt an den 2. Strafsenat unter anderem geschrieben: „Die Verhandlungsprotokolle, soweit ich sie bisher lesen konnte, sind natürlich psychologisch und zeitgeschichtlich interessant, streckenweise deprimierend. Diesen Protokollen wird sich kaum etwas entnehmen lassen, was für eine nennenswerte Beeinträchtigung der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten spricht. Es finden sich aber zum Teil abenteuerliche Ausführungen [rrr] etwa über partielle Verhandlungsfähigkeit, über den Arzt des Vertrauens oder über die sensorische Deprivation. Von der Verfahrenstaktik abgesehen werden dabei auch grundsätzliche Mißverständnisse deutlich“. Nachdem mit seinem Schreiben vom 21.7., also einem Monat vorher, noch derselbe Sachverständige Ehrhardt den Senat darauf hingewiesen hat, daß, um die Frage der Verhandlungsfähigkeit und ihre etwaigen Grenzen beurteilen zu können, Untersuchungen notwendig sind, fährt er dann in dem hier zitierten Schreiben vom 21.8. fort: „Falls keiner [2813] den als Gutachter benannten Psychiater eine ihm ausreichend erscheinende persönliche Untersuchung durchführen kann, wäre für das Gericht eventuell eine grundsätzliche Stellungnahme zur Frage der Verhandlungsfähigkeit im Strafprozeß unter Berücksichtigung der in diesem Verfahren aufgeworfenen Fragen nützlich. Da dieses Thema in juristischen wie im psychiatrischen Schrifttum eine bisher nur minimale Rolle spielt, könnten einige der oben angedeuteten Mißverständnisse klar gestellt werden auch ohne direkten Bezug auf die Verhandlungsfähigkeit dieser Angeklagten. Ohne einen erheblichen und verifizierbaren pathologischen“, - wohlgemerkt auch ohne direkten Bezug auf die Verhandlungsfähigkeit dieser Angeklagten, ohne einen erheblichen und verifizierbaren pathologischen - „Befund rückt die Frage der Verhandlungsfähigkeit in den Bereich der Normalpsychologie und ist als solche primär vom Gericht zu beantworten, wie das ja auch sonst bei der Beurteilung von Fähigkeiten in anderen Bereichen, Schuldfähigkeit, Geschäftsfähigkeit, Erwerbsfähigkeit in foro die Regel ist.“ Dazu zwei Anmerkungen, die ich Sie bitte, als weitere Ablehnungsgründe zur Kenntnis zu nehmen und als solche aber auch zu würdigen. Nämlich 1: Obgleich dem Gericht einen Monat vorher schon bekannt gegeben worden war, daß und warum gegen gerade diese beide Sachverständigen schwerwiegende Bedenken von Seiten der Angeklagten und ihrer Verteidiger bestehen aus den Gründen, die Ihnen nun wiederholt vorgetragen worden sind, hat das Gericht es nicht für nötig befunden, uns überdies die Eingänge dieser Schreiben, über die Existenz dieser Schreiben überhaupt nur einen Hinweis zu geben, uns diese Schreiben zur Kenntnis zu geben oder uns etwa auf die Existenz dieser Schreiben hinzuweisen.

2. Der Inhalt der beiden hier zitierten Schreiben alleine begründet hinreichend, und wenn ich mich Ihrer Formulierung, wie Sie soeben gebraucht haben, bedienen darf, hinreichend für jeden vernünftigen Betrachter die absolute Voreingenommenheit dieser beiden von Ihnen bestellten Sachverständigen gegenüber den Angeklagten für die Ihnen hier gestellte Gutachteraufgabe, begründet für jeden vernünftigen Betrachter die Voreingenommenheit und damit Befangenheit und damit deren Untauglichkeit dieser Gutachteraufgabe, nach den wiederholt vorgetragenen Ablehnungsgründen der Verteidigung wahrzunehmen.

[2814] 3. Und darauf kommt es nun entscheidend an und das begründet dieses Ablehnungsgesuch vollends, haben nach Empfang dieser beiden Schreiben, hat nach dem Empfang dieser beiden Schreiben Herr Dr. Prinzing als Vorsitzender Richter die Gutachterbeauftragungen ausdrücklich aufrechterhalten, nämlich mit gleichlautenden Schreiben vom 25.8.1975 an Professor Ehrhardt und an Herrn Professor Mende. Das begründet weiterhin die Besorgnis der Befangenheit gegenüber den Richtern des Senats und für den Fall, daß, was ich hier nicht erkennen kann, die ausdrückliche Gutachterbestellung, d.h. das Schreiben von Herrn Dr. Prinzing unterschrieben, vom 25.8., des[sss] Senats, nur Herrn Dr. Prinzing zuzurechnen sei, bezieht sich der Ablehnungsgrund hinsichtlich dieses Schreibens vom 25.8. nur auf den Herrn Vorsitzenden Richter. Im übrigen bleiben die Ablehnungstatbestände, die ich als Ziffer 1 und 2 genannt habe, hinsichtlich der hier im einzelnen abgelehnten Richter auch insoweit bestehen.

-Um 14.39 erscheint Bundesanwalt Dr. Wunder wieder im Sitzungssaal-

Vors.:

Weitere Wortmeldungen? Herr Baader.

Angekl. B[aader]:

Ja, jetzt sind wir hier wirklich auf dem Punkt, was die Psychiatrie angeht, denn jetzt ist natürlich der Moment erreicht, wo man sagen kann, daß man das Gericht hier ablehnen muß, weil es diese Psychiater benannt hat, explizit. Und die Gründe, warum es diese Psychiater benannt hat, die zeigen sich natürlich auch in dem konspirativen Umgang, den diese Briefe dokumentieren in diesem Zusammenhang. Denn was sich hier, zunächst mal allgemein zu sagen, herstellt, und was sich eben auch herstellt, indem, was heute mittag hier Sache war, in der Zerstörung einer Argumentation, in der Zerstörung der Darstellung von Tatsachen, durch die dauernde Unterbrechung und durch den Wortentzug und schließlich durch die Androhung oder den Versuch des Ausschlusses, das ist die Identität dieser beiden großen Zwangssysteme der Bourgeoisie, Justiz und Psychiatrie in ihrer Klassenfunktion. Die Psychiatrie, mal wirklich abgesehen jetzt von ihrer allgemeinen reaktionären staatlichen Funktion, die in der Counter-Bewegung ein strategisches Projekt des Kapitals und des Staates gegen das Volk geworden ist, entwickelt hier explizit Methoden der Aussage- [2815] erpressung, wie Ehrhardt sagt, der psychologischen und chemischen Aussagebeeinflussung, die die Justiz rechtlich absichert, abzusichern hat und die der Justiz dienen. Und sie führt sie natürlich auch durch, das ist wesentlich. Der Widerspruch, der Senat bestellt hier explizit Psychiater, die auch an der Entwicklung dieser Methoden gearbeitet haben und er bestellt sie, um die Folge dieser Methoden als Ergebnis der justizförmigen Anwendung begutachten zu lassen. Das hat wirklich zwei Funktionen. Das ist erstens natürlich und darauf hat Mende ja auch, das hat Mende ja wirklich angekündigt. Es ist eine Kontrolluntersuchung. Es gibt in der Bundesrepublik und es gibt wahrscheinlich in der ganzen Forschung im Moment nicht Leute, die so lange Zeit isoliert waren und es gibt natürlich auch entsprechend keine Untersuchungen. Es ist also eine Kontrolluntersuchung, was verändert sich, was verbiegt sich, wie Mende das formuliert, also wie Mende den Stressfaktor unmenschlicher Lebensbedingungen formuliert, als Verbiegung der Persönlichkeit, und wie verbessert man diese Methoden. Das ist ja implizit der Fragestellung Mendes als Beispiel. Also was hier stattfinden soll, an der Angel der Frage der Verhandlungsfähigkeit ist natürlich auch, der Psychiatrie sozusagen Terrain zu verschaffen auf dem diese Konzepte sozusagen tierisch abgesichert werden. Und das ist zweitens natürlich der Versuch, die Folgen dieser Veranlassung, dieser justizförmigen Veranlassung der Durchführung dieser Maßnahmen zu neutralisieren, also sozusagen zu verhindern, daß sie hier im Widerspruch zum Institut der Verhandlungsfähigkeit der justitiellen Verwertung des Gefolterten, die sie ja schließlich vorbereiten sollen, daß sie in diesem Widerspruch das Verfahren platzen lassen. Ehrhardt, um das nochmal zu sagen, und Rauschke, naja, also Ehrhardt ist dazu geeignet 1. weil er für den offenen, also gesetzlichen und die verdeckten, also den Verdeckten durch z.B. wie er selbst formuliert konkludentes[ttt] Handeln, aufgezwungenen Einsatz dieser Methoden, den er korrekt als Bedingung jedes psychiatrischen Eingriffs begreift, eintritt. Und 2., also das habe ich nun wirklich belegt, inwiefern Ehrhardt die Linie, die sozusagen Ehrhardts gesamte Veröffentlichungen durchzieht, der Versuche, wo es gesetzliche Schranken für eine schrankenlose Anwendung der Psychiatrie gegenüber dem einzelnen und sozial gibt, diese [2816] Schranken abzuräumen, auszuräumen oder durchzukriechen, durch, naja eben durch Mittel der Täuschung oder, wie er es bringt, durch Definitionen, naja, die sich sozusagen rechtlich überhaupt nicht mehr fassen lassen, diese Definitionen des konkludenten Handelns, indem sich sozusagen das Einverständnis mit seinem Objekt herstellen soll, das ist in sich schon eine vollkommene Absurdität. Und was damit gemacht werden kann, naja, das ist ein absoluter Willkürbegriff ist diese Definition, das kann sich nun wirklich jeder vorstellen. Ich werd das später noch einmal belegen, aber er definiert einfach, also grundsätzliche Definitionen, das grundsätzliche Verständnis Ehrhardts ist, die Arzt- Pationenbeziehung als Gewaltverhältnis, als Zwangsverhältnis. Und das propagiert er, und diese Bestimmung ist sozusagen ja auch die Basis, auf der sich diese ganze Maßnahmen psychiatrisch gesteuert, die jetzt in diesem Verfahren relevant sind oder relevant werden, weswegen diese Gutachter überhaupt bestellt werden mußten, naja überhaupt ermöglichen. Ich sag ja, er ist 2. geeignet dazu, weil er einen biologisch rassistischen Krankheitsbegriff hat, wie wir gesagt haben, und propagiert, der jede rechtliche Relevanz, rechtliche Relevanz der psychiatrischen Verstümmelung ohnehin bestreitet, bis hin zum neurologischen Eingriff. Und ich hab da so ein Beispiel, ich werd das mal ganz kurz vorlesen ...

Vors.:

Herr Baader, nein, Herr Baader, Nein, auch im Rahmen des Ablehnungsgesuchs, das sich gegen uns richtet, muß ich Abschweifungen verhindern. Sie haben jetzt klar gemacht ...

Angekl. B[aader] (schreit):

Sie fangen ja schon wieder an, Sie wissen ja gar nicht, was ich sagen will.

Vors.:

Herr Baader, wenn Sie in dieser Weise stören, hat es Konsequenzen. Ich sage Ihnen nochmals, auch im Zusammenhang mit einem Ablehnungsgesuch, das sich gegen uns richtet und bei dem Sie begreiflich machen wollen, daß die Auswahl von Professor Ehrhardt eine Befangenheit von uns in Ihrer Sicht begründet, gibt es keine Abschweifungen. Sie brauchen jetzt in dem Zusammenhang nach drei tagelangen Erörterungen über Herrn Professor Ehrhardt nicht wiederum fortfahren, um dessen Rolle zu beleuchten. Beleuchten Sie die unsere.

Angekl. B[aader]:

Ja, das ist ja auch der Punkt. Ich erkläre die Befangenheit des Senats sozusagen auf der Funktion Ehrhardts und ich sage, ich kann das also, wissen Sie, sehr einfach herzustellen, es ist [2817] einfach belegt, a) in der, das ist wirklich ein sehr komplexer Zusammenhang, es ist einfach eine Zwangsläufigkeit, daß dem Senat genehme Ergebnisse bei diesen Untersuchungen rauskommen müssen, die sich wirklich ergibt aus der Funktion Ehrhardts und aus seiner Praxis, seiner ganz spezifischen Praxis als Psychiater, soweit sie in seinen Veröffentlichungen dokumentiert ist. Wenn also jemand sozusagen wirklich sagen würde, es geht hier darum, zu bestreiten, daß diese Leute in ihrer Verhandlungsfähigkeit eingeschränkt sind, daß ihre Krankheit oder ihre Schwächung bedingt ist in den Haftbedingungen, wenn man das verbergen will oder verstecken will, dann ist Ehrhardt der geeignete Mann. Und dann ist auch als Beispiel Mende der geeignete Mann und sie sind eben, das ist hier uns sofort aufgefallen und das fällt jedem auf, der diese Materie ein bißchen kennt, sie sind außerordentlich profiliert, alle beide, in diesem Zusammenhang. Und daß der Senat sie, ausgerechtet diese beiden Typen, als Gutachter hier benannt hat, das begründet tatsächlich zwingend, in dieser Konklusion die Befangenheit des Senats. Denn der Senat ist es, man muß das einfach noch einmal sagen, der für die Haftbedingungen und damit auch wesentlich für den Zustand der Gefangenen mitverantwortlich ist.[44] Das ist der eigentliche, das ist der Hintergrund der ganzen Sache.

Und wenn Sie sagen Abschweifung, ich versteh das nicht. Es geht darum, das relativ für sich, würde ich schon mal sagen, zu begründen und da kann man einfach mal an dem Beispiel ärztlicher, also an dem Begriff ärztlicher Handlungsfreiheit, den Ehrhardt zugrunde legt und er legt ihn ja auch zugrunde, nicht nur sozusagen der therapeutischen, was er als Therapie bezeichnet und was wirklich immer Therapie gegen den Kranken ist, er legt ihn ja auch zugrunde, diesen Begriff der ärztlichen Handlungsfreiheit und er legt ihn wesentlich zugrunde auch bei Untersuchungsmethoden. Also auch im Stadium oder in der Phase der medizinisch nicht indizierten Untersuchung propagiert Ehrhardt ja bestimmte Methoden und das ist durchaus eine dieser Methoden, die er propagiert, ist der neurochirurgische Eingriff in Form z.B. der Szintigrafie oder der Entnahme von Gewebeproben aus dem Gehirn, die Lumbalpunktion usw. Das heißt, wenn Ehrhardt hier als Gutachter benannt wird, ein Mann, der solche Methoden auch in ihrer zwangsweisen Anwendung propagiert, dann [2818] hat das z.B. für uns die Konsequenz, daß wir damit rechnen müssen, daß dieser Kerl anfängt, entweder mit seinem Messer ankommt ...

Vors.:

Herr Baader, jetzt ist auch die Form verletzt, ich entziehe Ihnen hiermit wegen 1. Abschweifung, 2. Mißbrauches des Wortes durch Formverletzung die weiteren Ausführungen.

RA v[on] P[lottnitz]:

Welche Form ist verletzt worden, Herr Vorsitzender bitte.

Vors.:

Wenn Sie glauben, daß ein Sachverständiger, der hier im Auftrag des Gerichts handeln soll, sich als „Kerl“ bezeichnen lassen muß, dann ist das Ihre Sache.

RA v[on] P[lottnitz]:

Oh, entschuldigen Sie Herr Vorsitzender, selbst im Umgangsdeutsch ist die Bezeichnung „Kerl“ nicht etwas Beleidigendes. Ein ganzer Kerl sagt man z.B. sogar.

Vors.:

Ja, ja. Bitte weitere Begründungen, weitere Anschlüsse.

Herr Rechtsanwalt Riedel.

RA R[iedel]:

Ich schließe mich an, Herr Vorsitzender, und möchte zur Begründung mich auch darauf beziehen, was Herr Baader soeben versucht hat, vorzutragen. Ich erinnere mich, daß gestern unter anderem der Vortrag, die Begründung, von, Herrn Baader mit dem Bemerken unterbrochen worden ist, daß das, was er vorträgt, zur Auswahl und Bestellung der Sachverständigen allenfalls verwendet oder verwertet werden könne, in einem zur Begründung eines Ablehnungsgesuchs gegen denjenigen, der die Sachverständigen ausgewählt hat. Wenn er nun heute genau das tut, was der Senat gestern ihm vorgehalten hat, bzw. Sie, Herr Vorsitzender, ihm vorgehalten haben, dann ist es einfach unverständlich, wenn er an dieser Stelle unterbrochen wird und wenn an dieser Stelle behauptet wird, das gehöre nicht zum Zusammenhang einer Begründung eines Befangenheitsantrags gerade gegen denjenigen, der die Sachverständigen ausgewählt hat. Ich bitte nun zur weiteren Begründung des Antrags der Mandantin das Wort zu erteilen.

Vors.:

Frau Meinhof bitte.

Ich habs gesehen, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann; wenn Frau Meinhof Ihre Ausführungen gemacht hat ...

Angekl. B[aader]:

Erstensmal haben Sie mir kein rechtliches Gehör gegeben.

Vors.:

Sie haben kein rechtliches Gehör jetzt im Augenblick mehr zu erwarten, das Wort ist Ihnen entzogen, Herr Baader.

[2819] Angekl. B[aader]:

Ja Moment mal, ich habe zu diesem Vorgang kein rechtliches Gehör.

Vors.:

Sie sind verwarnt worden. Bitte, Frau Meinhof hat jetzt das Wort.

Angekl. B[aader]:

Das ist eben genau falsch, ich bin nicht verwarnt worden. Wollen Sie schon wieder einen Ablehnungsantrag haben?

Vors.:

Herr Baader nochmals, jetzt letztmals der Hinweis. Sie haben nicht hier dazwischen zu reden.

Angekl. B[aader]:

Sie haben mich nicht verwarnt. Sie haben mir also, ich habe kein rechtliches Gehör gehabt.

Vors.:

Wollen Sie einen Senatsbeschluß, ob die Wortentziehung gerechtfertigt war oder nicht, das können Sie verlangen.

Angekl. B[aader]:

Ich möchte zum Vorgang, nachdem offensichtlich mein Verteidiger sich nicht in der Lage sieht, in diese Sache hier einzugreifen ...

Vors.:

Ob Sie diesen Senatsbeschluß beantragen wollen.

Angekl. B[aader]:

... möchte ich ...

Vors.:

Bitte dem Herrn Baader das Wort jetzt nicht zu geben.

Herr Baader, wollen Sie einen Senatsbeschluß herbeiführen.

Angekl. B[aader]:

Bitte?

Vors.:

Wollen Sie einen Senatsbeschluß herbeiführen, oder um was geht es.

Angekl. B[aader]:

Ich möchte rechtliches Gehör zu dieser Frage der Wortentziehung ...

Vors.:

Herr Baader nein, ich habe Ihnen jetzt gesagt, Sie können einen Antrag stellen, sonst nichts.

Angekl. B[aader]:

Bitte?

Vors.:

Sie können einen Antrag stellen, sonst nichts. Sie können einen Antrag stellen und dann begründen, was Sie begründen wollen dazu, und mehr nicht.

Angekl. B[aader]:

Ja, ich möchte einen Senatsbeschluß und dazu möchte ich vorher rechtliches Gehör, weil ich dazu etwas sagen möchte.

Vors.:

Begründen Sie, begründen Sie Ihren Antrag auf Senatsbeschluß, das können Sie.

Angekl. B[aader]:

Ja, dieser Begriff, „Kerl“, Sie können nicht sagen, es sei auch die Form verletzt, das ist ja auch sehr interessant. [2820] Schön, das ist also sozusagen eine verbale, das fährt einem so raus in so einer Situation. Das war, das genau kann nie die Ebene sein, auf der wir uns mit Herrn Ehrhardt auseinandersetzen, das wissen Sie auch. Also der Begriff kann hier gar nicht Gegenstand sein, den nehme ich ohne weiteres zurück.

Mir geht es darum, die Identität hier wesentlich, der Funktion Ehrhardt und die Interessenidentität zwischen Ehrhardt, als Beispiel, und Mende und dem Senat zu begründen.

Vors.:

Das brauchen Sie nicht wieder zu wiederholen, das wissen wir, Herr Bader, das wissen wir.

Angekl. B[aader]:

Ja, und das wollen Sie jetzt genau verhindern.

Vors.:

Sie können jetzt nur ...

Angekl. B[aader]:

Entziehen Sie mir unter einem Vorwand wieder mal das Wort.

Vors.:

Es geht jetzt um die Frage, daß das Wort entzogen worden ist.

Der Senat hat gehört, daß Sie dagegen einen Senatsbeschluß erwirken wollen.

Der Vorsitzende verkündet nach geheimer Umfrage den B e s c h l u ß :

Der Wortentzug wird bestätigt, weil Sie

a) entgegen der Abmahnung durch Abschweifungen die Sache verzögern und außerdem die Form verletzt haben durch die Bezeichnung des Sachverständigen „dieser Kerl“.

Frau Meinhof, jetzt haben Sie zunächst das Wort.

Frau Meinhof, da Sie das Wort offenbar nicht in Anspruch nehmen ...

Angekl. M[einhof]:

Natürlich, ich werde das in Anspruch nehmen.

Vors.:

Darauf wollen wir aber nicht zu lange warten.

Angekl. M[einhof]:

Ja wieso, Sie können mich doch nicht unterbrechen, bevor ich überhaupt angefangen habe, also wirklich.

Vors.:

Ich habe Sie nicht unterbrochen, sondern aufgefordert, anzufangen.

Angekl. M[einhof]:

Also weil das jetzt der Punkt ist, daß wir das Gericht ablehnen, weil es diese Psychiater Ehrhardt und Mende berufen hat, womit die ganze Sache auch wirklich auf die richtige Ebene kommt, weil das Gericht diese Psychiater ja schließlich berufen hat und in dieser Manipulation mit Rauschke ist es also sozusagen auch mal voll sichtbar geworden, weil sie solche Faschisten sind, wie wir dauernd versuchen, hier zu vermitteln und darzustellen. Also ich will noch dazu sagen, es wird sowieso von Ehrhardt und Mende kein Gutachten geben, weil wir uns von Ihnen [2821] nicht untersuchen lassen. Aber das Thema ist eben damit nicht am Ende, denn das Gericht hat sich von ihnen nicht getrennt.

Und aus der Mentalität von Ehrhardt und Mende als Typen, die ein Interesse der Funktionalität der Justiz ist, koste es was es wolle, ist zu schließen, daß sie das Angebot der Justiz, sich am Krieg des Staatsschutz gegen die RAF zu beteiligen, bereits angenommen haben. Wie gesagt, uns interessieren Ehrhardt und Mende nicht. Was interessiert ist, das Gericht, das sich solcher Typen bedient, daß sie ein Legitimationsdefizit seiner Unfähigkeit, auch nur in einem Beschluß zu einer inhaltlichen Aussage zu kommen, mit dieser Sorte Medizinmännern zu kaschieren versucht. Die Tatsache, daß Gericht und Bundesanwaltschaft auf Gutachtern beharren, die keine Untersuchungen machen werden, beweist, daß es ihnen, hier nicht auf irgendwie objektivierte Feststellungen ankommt, sondern auf die propagandistische Legitimation ihrer Isolationsbeschlüsse. Die Weigerung, Isolationsforscher, also Experten zuzulassen, beweist, daß sie deren Aussagen und Erkenntnisse auf Untersuchungen gestützt für uns also nur darum handeln, die Machenschaften des Gerichts aufzudecken und in dem, was über Ehrhardt und Mende zu sagen ist und ganz sicher nicht darum, an das Gericht zu appellieren, diese Vernichtungsexperten abzuberufen. Schließlich hat es sie eingesetzt, weil sie Faschisten sind. Wir stellen also fest, daß Prinzing hier Psychiater benannt hat ...

Vors.:

Frau Meinhof, auch Sie werden daran erinnert, daß es nicht zulässig ist, daß Sie hier die Sachverständigen in einer Weise abqualifizieren, die als Beleidigung verstanden werden muß. Dazu zählt der Ausdruck „Faschisten“. Also wenn Sie sagen, sie sind Faschisten. In dem Zusammenhang, wie sonst das Wort gebraucht worden ist, haben wir es ja immer hingenommen bisher.

Angekl. M[einhof]:

Ich habe das nicht verstanden, naja. Also wir stellen fest, daß das Gericht hier Psychiater benannt hat, die die international geächteten grundgesetz- und menschenrechtswidrigen[uuu] Untersuchungsmethoden, Methoden der Wahrheitsfindung, wie Ehrhardt die Sache nennt, d.h. Verhörmethoden, d.h. Methoden der Folter, die die Polizei gesetzlich nicht anwenden darf, offen für die Psychiatrie beanspruchen. Es sind Psychiater, die der Vernichtungsstrategie der Bundesanwaltschaft ihr gesamtes In- [2822] strumentarium angedient haben. Diese gesamte Strategie, das Legitimationsdefizit dieses Verfahrens mit Psychiatern aufzufüllen, kann wissenschaftlichen Ansprüchen nicht genügen. Am Schluß werden falsche Hypothesen herauskommen. Das heißt aber nicht, daß sie harmlos seien, sondern das macht genau ihre Inhumanität aus. Die ideologische Funktion der Psychiatrie ist hier Widerstand, politische Oppositionen mit ihrem mystifizierenden scheinwissenschaftlichen Begriffsapparat als Krankheit zu interpretieren und ihre Ursache, ihre Bedingung in den sozialen Verhältnisse, aus den also der politischen Ökonomie in den einzelnen, in die Biologie zu verlegen. Sie ist die Wissenschaft, die den Klassenkampf zu einer Frage der Kriminalbiologie macht. Sie löst kein Problem, aber sie macht seinen Ausdruck als Protest, als Krankheit, als Kriminalität, als Revolte stumm. Die Psychiatrie ist die Entpolitisierungsstrategie des Imperialismus auf der Ebene der Anthropologie indem sie nicht in der Anatomie des Menschen den Schlüssel für Anatomie des Affen findet, wie Marx[45] gesagt hat, sondern im Affen das Programm der Anatomie des Aktivbürgers, wie Maihofer sagt. Die Psychiatrie soll der Entpolitisierung des Verfahrens, man kann auch wie Schmidt sagen, der Entdramatisierung der ganzen Konfrontation Guerillastaat den Charakter des zufälligen akzidentiellen Vorübergehenden geben ...

Vors.:

Ja, Frau Meinhof, kommen Sie jetzt bitte zur Sache. Gegenstand ist der Ablehnungsantrag.

Ende von Band 157

[2823] Angekl. M[einhof]:

Ja, übrigens die Sachen verstehe ich überhaupt nicht. Also muß ich nochmal anfangen. Die Psychiatrie soll ja Entpolitisierung des Verfahrens, man kann auch, wie Schmidt, sagen, der Entdramatisierung, das heißt der ganzen Konfrontation Guerilla Staat, den Charakter des Zufälligen, Akzidentellen, Vorübergehenden geben, um das Problem ...

Vors.:

Frau Meinhof, ich glaube, wir haben uns mißverstanden.

Angekl. M[einhof]:

... mit der politischen und psychischen Vernichtung der Gefangenen und der Kämpfer zu lösen.

Vors.:

Frau Meinhof, ich glaube, wir haben uns mißverstanden, ich habe Sie darauf hingewiesen, daß jetzt nicht der Ort ist, im Zusammenhang mit der Ablehnung der Richter des Senats, wieder aufzuwärmen, was seit drei oder vier Tagen nun gesagt worden ist, nämlich die Bedeutung, der Inhalt und die Funktion der Psychiatrie aus Ihrer Sicht.

RA R[iedel]:

Das hängt doch zusammen, Herr Vorsitzender, das läßt sich doch nicht bestreiten, das hängt doch nun mal zusammen.

Vors.:

Bitte, Frau Meinhof, kommen Sie zur Sache.

Angekl. M[einhof]:

Also, ich gehe auf das Gequatsche nicht ein. Sie halten die Stadtguerilla, weil Ihre Geschichte zu Ende ist, für ein geschichtsloses Phänomen, und daran kommt natürlich auch Ihr ganzer Rassismus, aufgrund dessen Sie Ehrhardt hier gerufen haben, zum Ausdruck, als der Linie der Psychiatrie. Sie spiegelt die Auflösung der bürgerlichen Ideologie, sie hat den Begriff der Geschichte durch Biologie, Kriminalbiologie ersetzt. Zu Ehrhardts Begriff der Kriminalbiologie ist zu sagen, das ist die Suche nach biologischen, also erbbiologischen Ursachen als Bedingung der Kriminalisierung, von Menschen durch den Staat ist. Da trifft sich Ehrhardt übrigens mit der sowjetischen Psychiatrie. Die im Maß die sowjetische Gesellschaft ...

Vors.:

Ja, Frau Meinhof, jetzt muß ich Ihnen wegen Abschweifungen auch das Wort entziehen. Sie können es hier nicht weiter vortragen. So geht das nicht. Wir kommen nicht zu Ende, Sie haben den Sachgegenstand verlassen. Weitere ... Ja, ja, Sie waren im Augenblick bei der sowjetischen Psychiatrie. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich bitte, zugleich als Mittel zur Glaubhaftmachung, [2824] dem Protokoll dieses Ablehnungsantrags die folgenden Schreiben in Fotokopien anzuhängen, anzufügen, nämlich erstens: Schreiben vom 21., das sind diejenigen, auf die ich mich für meine Ablehnungsgründe bezogen habe, Schreiben des Herrn Professor Ehrhardt vom 21.7.75, Schreiben vom 21.8. des Herrn Ehrhardt, Schreiben vom 22.8. des Herrn Professor Mende und Schreiben vom 25.8. des Oberlandesgerichts Stuttgart, 2. Strafsenat. Aus der Ärzteakte tragen sie die Blattnummern 24, 59 bis 61, 65 und 62.

Vors.:

Dankeschön. Will die Bundesanwaltschaft sich dazu äußern?

RA v[on] P[lottnitz]:

... für den Herrn Raspe.

Vors.:

Bitte Herr Rechtsanwalt.

RA v[on] P[lottnitz]:

Ich habe mich für den Herrn Raspe anzuschließen den Anträgen, die gestellt worden sind. Ich will zur Begründung nur einen Aspekt noch würdigen. Bislang hat uns ja, hat es ja bereits für die Gefangenen, beziehungsweise ihre Verteidiger, Schwierigkeiten gegeben, was die Möglichkeit anging, zu überprüfen, nämlich durch Anhörung in öffentlicher Sitzung zu überprüfen, die Grundlagen, auf denen hier zum Beispiel von Sachverständigen Zwischenbescheide gestützt worden sind. Wir wurden da auf das Freibeweisverfahren[46] verwiesen, und bis heute warten wir eigentlich noch auf den Beschluß, mit dem der Senat unseren Antrag, der inzwischen, glaube ich, wiederholt sogar gestellt worden ist, bescheidet, die Sachverständigen hier in öffentlicher Sitzung zu hören, zumindest, was ihre definitiven Gutachten angeht. Inzwischen ist der Senat ja weitergegangen, sind die abgelehnten Richter weitergegangen, inzwischen wird also im Gegensatz zu dem, was früher noch mal üblich war, noch nicht einmal mehr den Gefangenen und Verteidigern mitgeteilt, welche Beweismittel im Freibeweisverfahren hier gehört werden sollen, beziehungsweise beigezogen werden sollen. Wenn hier ein Telefonat mit dem Herrn Dr. Rauschke erfolgt und der Herr Dr. Rauschke ein Gutachterauftrag kriegt, dann ist es wohl das Minimalste, was eine Verteidigung verlangen kann, daß hier über einen derartigen Vorgang, daß über einen derartigen Vorgang in Kenntnis gesetzt wird und hierzu auch die Gelegenheit gegeben wird, rechtliches Gehör zu erhalten, insbesondere dann, wenn es sich um einen Sachverständigen handelt, der hier bereits vor Monaten zu erkennen gegeben hat, daß er ohne Untersuchungsbefunde sich [2825] überhaupt nicht äußern kann. Herr Dr. Foth, ich sehe, Sie machen eine überaus angeekelte Miene, ist das richtig interpretiert, ja? Soll ich auch auf diese, auf Ihr Seufzen und Stöhnen jetzt das Ablehnungsgesuch stützen.

Richter Dr. F[oth]:

Herr von Plottnitz, die Art, wie ich Luft hole, müssen Sie schon mir überlassen.

RA v[on] P[lottnitz]:

Na Ja, ne also, wenn Sie derartig viel von Ihrem Innenleben verrät und Ihre Einstellung den Gefangenen gegenüber, beziehungsweise dem, was ihre Verteidiger dazu vortragen, dann kann ich es Ihnen nicht überlassen. Aber ich will davon absehen, auch das noch zur Begründung eines Ablehnungsgesuches heranzuziehen. Das war das, was ich gesagt hab. Moment, der Herr Raspe wünscht aber auch noch das Wort dazu.

Vors.:

Ja, bitte Herr Raspe.

Angekl. R[aspe]:

Ja, ich würde sagen, im Zusammenhang der Wortentziehung, die Sie eben hier durchgezogen haben, und zwar würde ich also auch den Ablehnungsantrag gegen das Gericht auf diesen Punkt noch zusätzlich stützen, daß das Gericht eben Andreas das Wort in einer, in[vvv] einem Begründungszusammenhang entzogen hat, der ausdrücklich den inhaltlichen Zusammenhang gerade hergestellt hat. Wir haben das schon ein paarmal gesagt, genau in den letzten Tagen ist es wirklich sehr deutlich geworden, an den Versuchen, und zwar gilt natürlich auch gezielt, das habe ich auch heute morgen schon gesagt, Andreas das Wort zu entziehen, um uns, wenn Sie es also nicht schon psychiatrisch schaffen, dann eben auf diese Weise zum Schweigen zu bringen. Es ist also wirklich an diesem Punkt sehr deutlich geworden, gerade deswegen, weil es ein Punkt war, in dem der Zusammenhang hergestellt worden ist, der Zusammenhang nämlich, der besteht zwischen der Befangenheit des Senats in seiner, in seinem Versuch jetzt, Rauschke zuzuziehen, ohne die Verteidigung und uns darüber zu informieren, auf der einen Seite und auf der anderen Seite der Funktion, die diese Psychiater Ehrhardt und Mende, die er[www] bereits bestellt hat, in diesem Verfahren haben sollen. In dem Augenblick, wo Andreas genau den Zusammenhang hergestellt hat, in dem Augenblick haben Sie ihm das Wort entzogen. Und der, und das ist ein Versuch, ganz offensichtlich uns wirklich hier zum Schweigen zu bringen, und deswegen will ich diesen Punkt ausdrücklich in den Befangenheitsantrag miteinbeziehen, zumal, das möchte ich nochmal betonen, der Anlaß, das Wort „Kerl“, natürlich also für jeden sichtbar, ein[xxx] nackter und wirklich an [2826] den Haaren herbeigezogener Vorwand ist. Sie haben wirklich nur darauf gewartet, ihn zu haben.

Vors.:

Die Bundesanwaltschaft bitte.

Angekl. B[aader]:

Herr Prinzing, ich habe vor, mich diesem Ablehnungs- also dieser ...

Vors.:

Herr Baader, Sie haben nicht mehr das Wort jetzt zu dem Ablehnungsantrag, es ist Ihnen entzogen.

Angekl. B[aader]:

Ich möchte ...

Vors.:

Jetzt hat die Bundesanwaltschaft bitte.

OStA Zeis spricht ohne Mikrofon, daher unverständlich.

Just. Ass. z. A. Clemens:

Bitte Mikrophon einschalten.

Vors.:

Mikrophon bitte.

OStA Z[eis]:

Es war eingeschaltet. Die Gegenseite ist einmal mehr wieder dabei, den Prozeß zu verschleppen und seinen weiteren Fortgang zu sabotieren. Das seit Tagen hier praktizierte „Filibustern“ scheint selbst den Herrn dort drüben langsam peinlich zu werden und dann greift man wieder zum bewährten probaten Mittel, Ablehnungsanträge zu stellen. Das achte Ablehnungsgesucht mit seinen an den Haaren herbeigezogenen, ich wiederhole, mit seinen an den Haaren herbeigezogenen Ablehnungsgründen ist - soweit die Ablehnungsgründe sowieso nicht verspätet sind, wie die des Dr. Heldmann; denn insoweit hat Herr Rechtsanwalt Schily schon gestern diese beiden Schreiben in den Prozeß eingeführt[47] - offensichtlich unbegründet und damit gem. § 26a Abs. 1 Ziff. 3 StPO[48] unzulässig.

Vors.:

Der Senat meint keine Erwiderung mehr ... Nein, sind keine ...

RA Sch[ily]:

Frage der Zulässigkeit, Herr Vorsitzender ...

Vors.:

Nein, keine neuen Fakten.

RA Sch[ily]:

Frage der Zulässigkeit darf ich doch erörtern.

Vors.:

Dazu speziell ja, bitte Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Sch[ily]:

Herr Zeis, ich weiß nicht, was ich eigentlich von solchen Ausführungen halten soll, die in der Tat eins verdienen, daß man das etwa als Filibuster bezeichnet. Aber, wenn Sie den Verzicht auf jegliche inhaltliche Argumentation nun als das prozeßgemäß ansehen, dann haben Sie da das Urteil gegen sich selbst gefällt. Aber ich, zu der Frage der Verspätung, diese beiden Schreiben sind in [2827] der Tat gestern hier in der Hauptverhandlung eingeführt worden. Ich darf nur darauf hinweisen, daß diese beiden Schreiben also Gegenstand aus einer vorläufigen Akteneinsicht uns ins Auge gefallen sind, aber dieser Ablehnungsgrund, der zusätzlich geltend gemacht wird, Herr Zeis, der beruht ja nicht allein auf diesen beiden Schreiben, sondern nur in Verbindung mit den weiteren Schreiben des Herrn Vorsitzenden, daß er den Gutachtenauftrag aufrecht erhält. Und das ist das Entscheidende dabei, denn diese beiden Schreiten sind für sich genommen nur ein Ablehnungsgrund gegen diese beiden Herren Sachverständigen und der Ablehnungsgrund gegen den Herrn Vorsitzenden ergibt sich nur aus der Tatsache, daß dieses weitere Schreiben des Herrn Vorsitzenden aus den Akten sich ergibt, indem er eben ausdrücklich den Gutachtenauftrag aufrechterhält und nach diesem Schreiben und in Kenntnis der Tatsache, daß Herr Mende keine Untersuchung durchführen kann und selbst erklärt, daß er ein Gutachten nicht erstatten kann, wenn er keine Untersuchung vor sich hat, das ist, auf das sind Sie nicht eingegangen. Aber in Ihrer Hast, in Ihrer Hast, Herr Zeis, nun alles mit dieser Schablone Prozeßverschleppung hier vom Tisch wischen zu können, entgehen Ihnen eben die einfachsten Zusammenhänge.

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender, Herr Rechtsanwalt Schily es war ja bezeichnend, Sie haben ja einen Antrag gestellt, uns gebührt das letzte Wort, Herr Rechtsanwalt Schily, weil Sie schon wieder so fragend zum Vorsitzenden schauen ...

RA Schily spricht ohne Mikrophon.

... ich laß mich jetzt nicht unterbrechen, Herr Rechtsanwalt, ich laß mich jetzt nicht unterbrechen, Herr Rechtsanwalt Schily.

Es ist ja bezeichnend, daß Sie für die Erklärungen mehrere Minuten gebraucht haben. Sie kommen nicht darüber hinweg, daß diese beiden Schreiben Ihnen gestern bekannt gewesen sind, desgleichen die Tatsache gestern bekannt gewesen ist, daß der Vorsitzende diese beiden Schreiben nicht zum Anlaß genommen hat, die beiden Sachverständigen Professor Ehrhardt und Professor Mende abzuberufen, und deshalb bleibt die Bundesanwaltschaft bei Ihrer Auffassung, daß sie insoweit die Ablehnungsgründe verspätet und infolgedessen unzulässig sind.

Vors.:

Fortsetzung 16.15 Uhr. Fortsetzung 16.15 Uhr.

[2828] RA v[on] P[lottnitz]:

Ich bitte ums Wort.

Vors.:

Nein, wir wollen jetzt nicht mehr fortfahren, es hat alles Möglichkeit gehabt.

RA Dr. H[eldmann]:

Die Bundesanwaltschaft durfte natürlich nochmal.

Vors.:

Die Bundesanwaltschaft ...

RA v[on] P[lottnitz]:

Die Bundesanwaltschaft, die kann erwidern, soviel sie will.

Vors.:

... hatte als Antragsgegner das Recht. Fortsetzung 16.15 Uhr.

Verfahrensbeteiligte bitte wieder hier sein. Auch Publikum vorsorglich wieder zugelassen. Ich bitte, den Arztordner dem Gericht wieder zurückzugeben, da er zur Beratung benötigt wird.

[yyy]

- Pause von 15.11 Uhr - 16.17 Uhr -

Ende des Bandes 158.

[2829] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 16.17 Uhr.

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort.

Der Senat hat folgenden Beschluß gefaßt:

Die Ablehnungen der Richter

Dr. Prinzing, Dr. Foth, Maier, Dr. Berroth und Dr. Breucker

werden einstimmig als unzulässig verworfen.

1. Prof. Dr. Rauschke ist nicht als Gutachter bestellt, sondern lediglich befragt worden, ob er als Amts- und somit auch als Gerichtsarzt für den Fall zur Verfügung stehe, daß bei einem der Angeklagten innerhalb der vorgesehenen Verhandlungszeit von drei Stunden eine vorübergehende Verhandlungsunfähigkeit in Betracht komme.

Diese Anfrage bedurfte keiner Mitteilung an Verfahrensbeteiligte. Solche Maßnahmen im Vorfeld gerichtlicher Entscheidungen haben mit rechtlichem Gehör nichts zu tun.

2. Die Verteidiger sind wiederholt auf ihr Recht zur Akteneinsicht hingewiesen worden. Es wurde vor ihnen, wie die Antragstellung zeigt, nichts geheim gehalten. Alle Schreiben von Sachverständigen mitzuteilen, besteht kein Grund, solange solche Schreiben in Entscheidungen nicht verwertet werden. Die bloße Aufrechterhaltung eines bestehenden Gutachterauftrags ist keine Entscheidung in diesem Sinne.

3. Am 25.8.1975 bestand kein Grund, die Gutachteraufträge zurückzunehmen. Ablehnungsgründe waren weder geltend gemacht noch erkennbar. Die Angeklagten halten selbst ihre bis jetzt viertätigen Ausführungen noch nicht für ausreichend, um die behauptete Voreingenommenheit der Sach- [2830] verständigen darzutun. Nunmehr soll es für den Senat ohne diese Darlegungen damals bereits offensichtlich gewesen sein, daß die Sachverständigen befangen seien.

4. Der Wortentzug bei den Angeklagten Baader und Meinhof war, wie klar zutage lag, gerechtfertigt.

Allem nach sind die vorgebrachten Ablehnungsgründe für jeden, auch für die Angeklagten und deren Verteidiger, erkennbar ohne jegliche Erfolgsaussicht.

Die Ablehnung soll offensichtlich das Verfahren nur verschleppen.

Werden nun noch weitere Wortmeldungen gewünscht von den Beteiligten zur Begründung der Ablehnung der Sachverständigen Professoren Ehrhardt und Mende?

RA Sch[ily]:

Ja, gern. Einen kurzen Satz noch zur Ergänzung, weil mir aus dieser Entscheidung ein grundliegendes Mißverständnis des Senats zu erkennen scheint.

Ich bin der Meinung, daß - und ich glaube, das auch mit aller ... allem Nachdruck hier vorgetragen zu haben - daß allein die beiden gestern genannten Schreiben bereits ausreichen, das Ablehnungsgesuch zu begründen, und daß auch andere Tatsachen für sich genommen bereits das Ablehnungsgesuch gegen die Herrn Professoren Mende und Ehrhardt begründen, aber daß selbstverständlich das nicht heißt, daß nun gesagt wird, weil noch andere Gründe geltend gemacht werden ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, das ist eine entschiedene Sache. Bitte, es hat keinen Sinn, eine Gegenvorstellung[49] können wir jetzt nicht entgegennehmen.

RA Sch[ily]:

Nein, nein. Ich will keine Gegenvorstellung ... Moment.

Vors.:

Im übrigen sind beide Schreiben von Ihnen gestern zum Gegenstand des Ablehnungsantrags gegen die beiden Professoren gemacht worden. Wir können also darüber jetzt nicht mehr sprechen.

[2831] RA Sch[il]y:

Nein, nein, Herr Vorsitzender ...

Vors.:

Ich erteile jetzt das Wort zur weiteren Begründung. Über diese entschiedene Sache sprechen wir nicht mehr.

Bitte, Herr Rechtsanwalt.

RA Sch[ily]:

Nein. Ich wollte mich doch gar nicht zum Ablehnungs...

Vors.:

Sie wollen’s jetzt verdeutlichen, was Sie im Sinne hatten mit Ihrem Ablehnungsantrag. Über den ist bereits entschieden.

RA Sch[ily]:

Nein! Ablehnungsantrag gegen Prof. Mende und Prof. Ehrhardt. Darüber habe ich jetzt eine neue Erkenntnis gewonnen.

Vors.:

Ach, Sie wollen zur Begründung der Ablehnung, die noch läuft, jetzt was vortragen?

RA Sch[ily]:

Ja, genau.

Vors.:

Ja, bitte. Dazu haben Sie das Wort.

RA Sch[ily]:

Nur zur Verdeutlichung, weil mir das ja eine ... eine, sagen wir mal, einen Anlaß dazu bietet. Der Anlaß ergibt sich in der Tat aus den Gründen dieser Entscheidung über das Ablehnungsgesuch gegen die Mitglieder des Senats, weil es da heißt, daß Sie ... daß der Senat der Auffassung sei, daß aus der Tatsache, daß die Begründung des Ablehnungsgesuches gegen die Herrn Professoren Mende und Schröder noch nicht abgeschlossen sei, daß daraus zu erkennen sei, daß man selbst seitens der Verteidigung und der Angeklagten der Meinung sei, daß die bisher vorgetragenen Gründe nicht ausreichen, und ich wollte Ihnen nur verdeutlichen, daß die Verteidigung der Auffassung ist, daß die bis hier vorgetragenen Tatsachen einzeln - für sich genommen - also das, ich ... ich sehe, Sie nicken, das ist klar geworden,

Vors.:

Jaja, das ist klar geworden.

RA Sch[ily]:

... die ... die einzelnen Tatsachen - für sich genommen - auch den Ablehnungsgrund darstellen, und [2832] natürlich auch in der Gesamtheit ...

Vors.:

Ja.

RA Sch[ily]:

... es nur darum geht, noch zusätzliche Tatsachen vorzutragen.

Vors.:

Bitte, sollen zusätzliche Begründungen noch gegeben werden?

Herr RA Dr. Heldmann, wollen Sie zur Begründung noch etwas beitragen?

RA Dr. He[ldmann]:

Nein. Ich möchte Sie bitten, die Verhandlung abzubrechen.

Vors.:

Aha. - Herr RA Dr. Heldmann, aus welchem Grunde?

RA Dr. He[ldmann]:

Weil die Angeklagten, abgesehen von den ...

Protokollführer:

Herr Rechtsanwalt, bitte Mikrophon einschalten.

RA Dr. He[ldmann]:

Aja. Danke schön.

... weil die Angeklagten, abgesehen von in ihrem Sprachgebrauch Nettoverhandlungzeiten, heute insgesamt ca. vier Stunden in diesen Kellerräumen da unten verbracht haben, in denen man so nach, auch wenn man als gesunder Mensch drinsteckt, nach etwa einer Stunde Luftholschwierigkeiten bekommt, und danach ist [zzz] angesichts des Ihnen bekannten reduzieren ... reduzierten Leistungs... - (kurze Pause)

Vors.:

Wir hören zu. Ich muß mich ja umsehen, ob sich jemand meldet zu Ihren Ausführungen.

RA Dr. He[ldmann]:

Also hier wird doch jeder erst zuhören wollen, was ich sage, und dann wird die Wortmeldung kommen, nicht?

Vors.:

Ich kann das doch tun, wann ich will.

Bitte schön.

RA Dr. He[ldmann]:

Aber selbstverständlich.

... und im Hinblick, mit Rücksicht auf die Ihnen bekannte Leistungsreduzierung der Angeklagten also nicht möglich ist - von Zumutbarkeit will ich gar nicht mehr sprechen - nicht möglich ist, jetzt kurz vor halb fünf am Nachmittag weiterzuverhandeln.

[2833] BA Dr. Wu[nder]:

Die B. Anwaltschaft tritt diesem Antrag entgegen.

Wir stützen uns zunächst auf die bis jetzt vorliegenden ärztlichen Äußerungen, die vorläufigen Gutachten.[50] Wir stützen uns aber auch auf unsere eigene Beurteilung der Angeklagten - das Verhalten.

Alle Angeklagten heute, insbesondere ihr gezeigtes Temperament, teilweise ihre gezeigte Fröhlichkeit machen deutlich, daß heute jedenfalls von einer Verhandlungsunfähigkeit ab jetzt keine Rede sein kann. Wenn die Angeklagten jetzt häufiger vor Ablauf der von den Ärzten festgesetzten drei Stunden erklären, nicht mehr verhandlungsfähig zu sein, dann glaube ich, können die Zusammenschlüsse und das Hierverbleiben der Angeklagten in diesem Gebäude in den Pausen nicht weiter hingenommen werden. Allerdings meine ich, daß es sowohl dem Senat als auch der B. Anwaltschaft in der Zukunft durch Anwesenheit eines Amtsarzts oder Anstaltsarzts, zumindest an den Nachmittagen, leichter gemacht werden sollte, so - wie jetzt geschehen - Stellung zu nehmen bzw. so zu entscheiden. Ein insoweit beigezogener Arzt hätte zumindest die Möglichkeit, aufgrund seiner Beobachtungen hier, etwas dann zum augenblicklichen Zustand der Angeklagten zu sagen.

Vors. (nach geheimer Umfrage)[aaaa]:

Der Senat hat beschlossen:

Die Unterbrechung der Verhandlung wird abgelehnt.

Im übrigen darf ich darauf hinweisen: In der Tat wird das wiederholte Vorbringen, daß dort unten Löcher seien oder Kellerräume dazu führen müssen, daß wir die auf Wunsch der Angeklagten gewährte Möglichkeit, dort über die Mittagspause zu verbleiben, um den Umschluß zu haben, überprüfen.

[2834] Die Sitzung wird fortgesetzt.

Es hat nunmehr Frau Meinhof, oder wer sonst noch das Wort nehmen will zur Begründung des Ablehnungsantrags gegen die Herrn Sachverständigen, das Wort. Nein. Jetzt bleiben wir bei der Begründung dieses Antrags. Ich nehme jetzt keine weiteren Anträge entgegen.

RA Dr. He[ldmann]:

Für meine eigene Zeitplanung würd’s mich mal interessieren: Welche Nettozeit haben Sie bisher gestoppt?

Vors.:

Sie werden’s gleichzeitig erfahren. Wir überziehen die Zeit von drei Stunden nicht; selbst, als gestern Herr Baader bereit war, noch über die Zeit hinaus sich zu äußern - wissen Sie -, habe ich mit Rücksicht auf den Ablauf der Zeit die Verhandlung abgebrochen. Das geschieht auch heute.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Herr Vorsitzender, darf ich ums Wort bitten, für Herrn Raspe zunächst mal?

Angekl. Ra[spe]:

Ich möchte was richtigstellen.[bbbb]

Vors.:

Zu diesem Punkt nicht. Nein. Herr Raspe hat zur Begründung des Antrags nicht mehr das Wort.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Herr Vorsitzender, das ist wieder was anderes. Ich bitte ums Wort für Herrn Raspe.

Vors.:

Was will Herr Raspe?

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Herr Vorsitzender, das wollte Ihnen Herr Raspe grade sagen. Was meinen Sie, warum ich das Wort für ihn wünsche?

Vors.:

Nein. Herr Raspe kriegt jetzt nicht das Wort, wenn ich nicht erfahre, um was es geht.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Herr Raspe will auf jeden Fall nichts begründen, was mit der Frage, die grade entschieden worden ist, zu tun hat.

Vors.:

Wenn Sie ein Geheimnis draus machen wollen?

Wir wollen jetzt die Begründung des Antrags hören.

Angekl. Baa[der]:

Fragen Sie ihn doch selbst.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Herr Vorsitzender, es ist doch unglaublich! Wollen Sie denn wenigstens ... Sie können doch hier nicht auf den Gedanken kommen, daß die Verhandlung [2835] verzögert wird, wenn Herr Raspe einen Satz sagt.

Vors.:

Wenn Sie die Absicht haben, Herrn Raspe das Wort zu verschaffen, sind Sie imstande, mir mitzuteilen, um was es geht.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Nein. Ich denke gar nicht dran!

Vors.:

Gut. Und ich denke dann nicht dran, Herrn Raspe das Wort zu geben.

Angekl. Baa[der]:

Dann fragen Sie ihn doch bitte selbst.

Vors.:

Ich bitte Sie jetzt ...

Durcheinanderreden auf der Verteidigerbank.

Ich gebe Ihnen jetzt noch die Gelegenheit, daß Sie den ...

[RA von ]Pl[ottnitz]:

Herr Vorsitzender,

Vors.:

... Antrag begründen.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

... Herr Raspe ist geschäftsfähig.[51] Von daher besteht überhaupt kein Anlaß, also erst durch die Verteidiger zu [cccc] filtern, was ...

Vors.:

Dann kann sich Herr Raspe auch ohne Ihre Unterstützung, die nur eine Verzögerung zusätzlicher Art bringt, äußern. Wenn er dann einen Antrag stellen will, bitte ich um Mitteilung, welchen Antrag.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Herr Vorsitzender, meinen Sie, daß das das Verfahren beschleunigt, was Sie hier machen?

Fortdauerndes Durcheinanderreden auf der Verteidigerbank.

RA Rie[del]:

Er meldet sich doch die ganze Zeit.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Herr Raspe hat mich gebeten, für ihn das Wort zu beantragen, weil seine Meldung nicht berücksichtigt worden ist.

Vors.:

Es wird jetzt der Antrag nicht entgegengenommen.

Frau Meinhof hat das Wort.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Es war nicht von Antrag die Rede, ich habe nur um das Wort für Herrn Raspe gebeten.

Vors.:

Nein. Sie erhalten jetzt das Wort für Herrn Raspe nicht, zumal, wenn von keinem Antrag die Rede ist.

Frau Meinhof.

[2836] RA Dr. He[ldmann]:

Herr Vorsitzender, verzeihen Sie: Sind wir hier in einem Strafprozeß oder im Entmündigungsverfahren?

Vors.:

Ja das hab ich allerdings mir auch schon überlegt, aber aus anderen Gründen als Sie.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Wieso haben Sie sich das überlegt, Herr Vorsitzender?

Vors.:

Frage: Warum haben Sie sich’s denn überlegt, ob es so was geben könnte, wenn Sie die Frage stellen?

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Weil Sie offensichtlich Wert darauf legen, erst mal vom Verteidiger zu hören, was der Gefangene zu sagen hat.

Vors.:

Frau Meinhof, Sie haben jetzt die Möglichkeit - Frau Meinhof.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Ich möchte dann zunächst um einen Senatsbeschluß bitten, soweit’s um die Worterteilung von Herrn Raspe geht.

Vors. (nach geheimer Umfrage):

Der Senat hat beschlossen,

daß Frau Meinhof jetzt das Wort erhält;

Herr Raspe bekommt nicht die Wortzuteilung.

Frau Meinhof.

Vors. (nach längerer Pause):

Frau Meinhof, Sie wollen offensichtlich nichts Weiteres mehr vortragen?

Angekl. Me[inhof]:

Doch.

Vors.:

Dann fangen Sie an.

Angekl. Me[inhof]:

Also Sie lassen hier andauernd Ihre Häckselmaschine los, und dann soll man noch begründen können.

Vors.:

Wollen Sie jetzt, Frau Meinhof, ...

Angekl. Me[inhof]:

Ja!

Vors.:

... zur Begründung kommen? Dann bitte, kommen Sie.

Angekl. Me[inhof]:

Also ich stelle erst nochmals den Antrag:

die Sitzung zu unterbrechen.

[2837] Vors.:

Frau Meinhof, dazu haben Sie jetzt nicht das Wort.

Angekl. Me[inhof]:

Dann will ich noch was zu da unten sagen, und das mach ich auch!

Vors.:

Nein, nein.

RA Rie[del]:

Vielleicht gibt es neue Gründe.

Vors.:

Die sofortige Wiederholung dieses Antrages ist nun wirklich in dieser Phase mißbräuchlich.

RA Rie[del]:

Ja aber es gibt doch unter Umständen neue Gründe.

RA Dr. He[ldmann]:

Haben wir ... haben wir Blockverteidigung?[52]

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Haben wir Blockverteidigung, Herr Vorsitzender?

RA Dr. He[ldmann]:

Haben wir Blockverteidigung plötzlich?

Angekl. Me[inhof]:

Ich hab’ noch etwas dazu zu sagen.

Vors.:

Frau Meinhof, Sie haben jetzt das Wort, Ihren Antrag ...

Angekl. Me[inhof]:

Ja eben.

Vors.:

... zu begründen. Ich nehme jetzt ...

Angekl. Me[inhof]:

Also hab’ ich das Wort oder Sie?

Vors.:

... den Antrag auf Unterbrechung nicht an. Nehmen Sie’s zur Kenntnis: Wenn Sie jetzt das Wort nicht ergreifen, dann werden Sie’s nicht mehr erhalten zur Begründung Ihres Antrags. Entweder oder.

RA Sch[ily]:

Also das ist doch ein ... Es ist[dddd] doch bisher nur der Antrag von Herrn Baader gestellt worden.

Vors.:

Frau Meinhof hat das Wort nicht ergriffen.

Bitte, Frau Ensslin.

Angekl. Me[inhof]:

Ich ergreife das Wort. Jetzt hören Sie doch endlich auf mit Ihrem Gelaber!

RA Rie[del]:

Sie ist doch noch dabei.

Angekl. Me[inhof]:

Es geht schließlich darum, also in diesem ganzen Zusammenhang geht’s um die Verhandlungsfähigkeit, und es geht bei der Sache da unten mit diesen Zellen darum, daß Sie uns da stundenlang eingeschlossen lassen, anstatt uns nen Umschluß zu ...

Vors.:

Frau Meinhof, es geht darum, daß Sie die abgelehn... - [2838] Frau Meinhof, ich entziehe Ihnen hiermit das Wort. Sie mißbrauchen Ihre Worterteilung.

Angekl. Meinhof unverständlich.

Vors.:

Ich entziehe Ihnen hiermit das Wort. Sie mißbrauchen Ihre Worterteilung.

Angekl. Meinhof redet unverständlich weiter.

Vors.:

Frau Ensslin, haben Sie noch irgend etwas ...

Angekl. Enss[lin]:

Ja. Ich habe noch ne ganze Menge zu sagen!

RA Rie[del]:

Herr Vorsitzender, ich beanstande die Wortentziehung und beantrage:

einen Senatsbeschluß herbeizuführen.

Ich begründe das damit, daß die Mandantin grade angesetzt hat, darzutun, weshalb sie Unterbrechung beantragt, nämlich deshalb, weil sie aufgrund der Unterbringung, die sie grade versucht hat, zu beschreiben, anzusetzen versucht hat, sie zu beschreiben, nicht mehr verhandlungsfähig ist.

Wie ... wie in diesem Zusammenhang ein Wort entzogen werden kann, wenn hier ein Angeklagter versucht, darzutun, daß er nicht mehr kann, ist mir völlig schleierhaft.

RA Sch[ily]:

Ich bitte ums Wort.

RA Rie[del]:

Das nicht nicht mehr zu überbietender Zynismus, zu behaupten, es ginge weiter.

RA Sch[ily]:

Ich bitte ums Wort, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Jetzt im Augenblick, Herr Rechtsanwalt, geht es um den Antrag der Frau Meinhof und die Wortentziehung gegenüber der Frau Meinhof, und damit haben Sie im Augenblick, soweit ich sehe ...

RA Rie[del]:

Ja, es geht um die Wortentziehung erstmal, nicht um den Antrag.

RA Sch[ily]:

Über welchen Antrag beraten Sie, darf ich das mal wissen? Darf ich ... Ich würde wissen ... gerne [2839] wissen, über welchen Antrag zur Zeit beraten wird?

Vors. (nach geheimer Umfrage):

Frau Meinhof, es ist mir mitgeteilt worden, daß Sie sich dem Antrag auf Unterbrechung der Verhandlung vorhin nicht angeschlossen hätten. Trifft das zu?

Angekl. Me[inhof]:

Ja.

Vors.:

Ja? Bitte, dann können Sie’s begründen.

Angekl. Me[inhof]:

Also mit dieser Drohung, die Sie ausgesprochen haben, daß wir - darf ich sagen, daß da unten Camera-Silens-Zellen[53] sind -, daß Sie da nur die eine Möglichkeit sehen, daß ... daß Sie uns in den Pausen, dies da gibt, rüberschaffen lassen in die Anstalt, dann ist das ne ganz klare Erpressung nämlich. Es ist die Erpressung, die faktisch hier ja auch dauernd stattfindet, daß wir mehrere Stunden einzeln eingeschlossen in diesen - ich sag es nochmals - Camera-Silens-Zellen untergebracht sind, um also diese halbe Stunde oder dreiviertel Stunde Umschluß, die wir mittags haben, dann zu kriegen, d. h., das, was das also an Verteidigungsvorbereitungen ermöglicht und damit natürlich auch ein bißchen Puste, was man kriegen kann mit diesem Umschluß,

Vors.:

Das hat mit Ihrer Verhandlungsunfähigkeit ...

Angekl. Me[inhof]:

... das wird systematisch ...

Vors.:

... und der Unterbrechung im Augenblick nichts zu tun.

Angekl. Me[inhof]:

... das wird systematisch ...

Natürlich hat’s ungeheuer viel damit zu tun!

RA Sch[ily]:

Aber Herr Vorsitzender.

Vors.:

Frau Meinhof, Sie wollen begründen, warum Sie nicht verhandlungsfähig seien. Es ist seltsam, daß Sie mir nun sagen, es sei ne Drohung, Sie von diesen Zellen zu befreien, die Sie im übrigen jetzt als Camera-Silens-Zellen bezeichnen usw.

[2840] Angekl. Me[inhof]:

Ja, weil Sie dauernd drohen, daß Sie damit gleichzeitig den Umschluß streichen. Das ist doch der Punkt.

Vors.:

Das ist nicht der Punkt.

Angekl. Me[inhof]:

Aber darum geht’s überhaupt nicht.

Angekl. Baa[der]:

... menschliche Kontakte. Darum geht’s doch.

Angekl. Me[inhof]:

Ja. Also vielleicht kann man ...

Vors.:

Haben Sie zu Ihrer Verhandlungsunfähigkeit noch was vorzubringen.

Angekl. Enss[lin]:

Es geht darum, daß ... daß wir ...

Angekl. Me[inhof]:

Ich hab dazu vorzubringen, daß wir da unten mehr Umschluß haben wollen, und daß die Lösung des Problems ist, daß das reine Folterzellen sind.

Vors.:

Gut. Das ist keine Begründung.

Angekl. Me[inhof]:

Und das sind reine Folterzellen.

RA Rie[del]:

Herr Vorsitzender, ich bitte vorher noch ums Wort zur Ergänzung.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, wissen Sie, ...

RA Rie[del]:

Ich beantrage ...

Vors.:

... es ist eine hochinteressante Entwicklung - und sie soll ruhig auch demonstriert werden- wir kommen, darüber sind wir uns auch klar, zu keiner Verhandlung mehr. Die halbe Stunde, die jetzt noch zur Verfügung stand, wird jetzt wieder auf diese Weise ...

RA Rie[del]:

Ja aber, Herr Vorsitzender, das ist doch der Grund ...

Vors.:

Herr RA Riedel, ich wollte es nur betont haben.

RA Rie[del]:

Ja, sicher. Aber Herr Vorsitzender,

Angekl. Baa[der]:

Sie verhindern ...

RA Rie[del]:

... der Grund ...

Angekl. Baa[der]:

... Sie verhindern doch die Verhandlung.

RA Rie[del]:

Der Grund ist doch schlichtweg der, daß die Angeklagten nicht mehr verhandlungsfähig sind bzw. meine Mandantin nicht verhandlungsfähig ist. Sie versucht das, darzutun, und genau an dieser Stelle [2841] wird behauptet, das hindere die ... den Fortgang der Verhandlung. Natürlich hindert das den Fortgang der Verhandlung, wenn jemand nicht mehr verhandlungsfähig ist. Aber der Senat mag doch zumindest so weit gehen und zur Kenntnis nehmen, aus welchen Gründen. Und um die Gründe etwas deutlicher zu machen, beantrage ich dazu,

daß der Aufenthalt in diesen Zellen unten mindestens genauso anstrengend ist und die Konzentration und was weiß ich nicht alles, was zur Verhandlungsfähigkeit gehört, der Angeklagten genauso strapaziert wie die ... wie das gegenwärtig in der Hauptverhandlung selber hier im Saal,

die sofortige Anhörung der vom Gericht benannten und bestellten Gutachter, der Prof. Schröder und Müller.

Die beiden Herrn könnten und sollten sich vergewissern und sollen dann darüber berichten, wie sie einschätzen diesen Aufenthalt oder/und in welchem Verhältnis er steht und welche Strapazen er auferlegt.

Vors.:

Also die Verhandlung wird nicht unterbrochen.

Über den Antrag, daß die beiden Professoren sich die Zellen ansehen, wird außerhalb der Hauptverhandlung entschieden.

RA Sch[ily]:

Ich bitte ums Wort.

Vors.:

Frau Meinhof, Sie haben jetzt im Augenblick das Wort.

RA Sch[ily]:

Ich bitte ums Wort.

Vors.:

Zu welchem Zwecke?

RA Sch[ily]:

Ich möchte einen Antrag stellen.

Vors.:

Darf ich erfahren, um was es sich hierbei handelt?

RA Sch[ily]:

Einen Antrag auf Unterbrechung der Verhandlung.

Ich beantrage:

die Hauptverhandlung heute zu unterbrechen und erst am Dienstag fortzusetzen

- aus folgenden Gründen:

[2842] Der Senat hält es ja im übrigen offenbar gar nicht mehr für notwendig, die B. Anwaltschaft zu fragen, weil er ..., und ich weiß auch nicht mehr, wie diese Art von Beratung eigentlich noch stattfindet: durch Blickkontakt mit dem Herrn Beisitzer Dr. Foth oder wie das eigentlich noch sich ereignet. Aber ich halte es trotzdem für notwendig, doch einmal jetzt noch einmal auf die Tatsachen zurückzugehen. Niemand, der noch ... der ein bißchen Beobachtungsgabe ... über etwas Beobachtungsgabe verfügt, kann es doch entgehen, daß ein Verfahren wie dieses für alle Prozeßbeteiligten, aber insbesondere für die Gefangenen, ein erheblicher Stress ... als erheblicher Stress anzusehen ist, und wenn Sie dann, wenn Sie einmal in den Zellen unten waren - fensterlose Zellen, die mit einer Klimaanlage versehen sind, mit so Neonlicht und weiß gekälkt - wenn Sie diese Zellen kennen, dann müssen Sie wissen, daß wenigstens im Verlauf eines Tages, der sozusagen um 7.00 Uhr beginnt für die Gefangenen mit dem ... und bis in den Nachmittag herein, daß dieser Zellenaufenthalt keine echten Erholungspausen sind. Es mag ein ... Sie wollen mich jetzt wieder unterbrechen und sagen ...

Vors.:

Ich wollte sagen, Herr Rechtsanwalt: Die Verhandlungszeit läuft ab.

RA Sch[ily]:

Moment! Moment!

Vors.:

Damit wird Ihr Antrag auf Unterbrechung auch gegenstandslos. Er bedarf also jetzt keiner weiteren Begründung mehr.

Wir werden uns diese Überlegungen, die jetzt durch diese Anträge veranlaßt sind hinsichtlich dieser Zellen machen bis zum Dienstag. Sie werden einsehen, daß ein gegenstandsloser Antrag jetzt nach Ablauf der Verhandlungszeit nicht mehr sinnvollerweise begründet werden kann.

[2843] Ich bitte also die Prozeßbeteiligten, am Dienstag um 9.00 Uhr wieder in diesem Saale zu sein zur Fortsetzung der Verhandlung.

Ende der Sitzung um 16.37 Uhr.

Ende von Band 159.


[1] Mit dem Ergänzungsgesetz zum Ersten Strafverfahrensreformgesetz vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3686) wurde mit Wirkung zum 1.1.1975 u.a. eine Beschränkung der Zahl der Wahlverteidiger/innen auf drei eingeführt (§ 137 Abs. 1 Satz 2 StPO).

[2] Nach § 229 Abs. 1 StPO a.F. durfte die Verhandlung grundsätzlich nur für maximal zehn Tage unterbrochen werden (heute: drei Wochen), im Falle von zehn vorher stattgefundenen Verhandlungstage aber immerhin einmal auch für 30 Tage (§ 229 Abs. 2 Satz 1 StPO a.F.). Bei Überschreitung der Frist hätte mit der Hauptverhandlung von neuem begonnen werden müssen (§ 229 Abs. 3 StPO a.F.).

[3] Anlage 1 zum Protokoll vom 4. September 1975: Strafprozeßvollmacht für Rechtsanwalt Pfaff.

[4] Vor dem LG Kaiserslautern fand zu dieser Zeit die Verhandlung gegen die RAF-Mitglieder Manfred Grashof, Wolfgang Grundmann und Klaus Jünschke statt. Vorgeworfen wurden ihnen neben der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung verschiedene Straftaten im Zusammenhang mit einem Banküberfall in Kaiserslautern am 22. Dezember 1971, bei dem der Polizeiobermeister Herbert Schoner erschossen wurde (Grashof und Jünschke), sowie im Zusammenhang mit der Verhaftung von Grundmann und Grashof am 2. März 1972, bei der der Kriminalhauptkommissar Eckhart durch einen Schuss durch Grashof schwer verletzt wurde und schließlich am 22. März 1972 seinen Verletzungen erlag; Jünschke ferner die Beteiligung an der Herbeiführung der Explosion in Frankfurt am Main am 11.5.1972. Jünschke und Grashof wurden am 2.6.1977 je zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe, Grundmann zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von vier Jahren verurteilt (Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 30 ff., 322).

[5] Notwendigerweise Gegenstand der Hauptverhandlung ist alles, was der Beantwortung der Schuld- und Straffrage dient, d.h. der Tathergang, die Schuld der/des Angeklagten sowie die Höhe der Strafe, da nur solche Tatsachen zur Begründung des Urteils herangezogen werden dürfen, die (prozessordnungsgemäß) in die Hauptverhandlung eingeführt wurden (§ 261 StPO). Für den Vollzug der Untersuchungshaft und damit auch für die Haftmodalitäten liegt die gerichtliche Zuständigkeit zwar auch beim Gericht der Hauptsache (§ 126 Abs. 2 StPO); allerdings erfolgt eine Erörterung der Fragen üblicherweise außerhalb der Hauptverhandlung, weil sie zur Beantwortung der Schuld- und Straffrage nicht von Belang sind.

[6] § 119 Abs. 3 StPO a.F. lautete: „Dem Verhafteten dürfen nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die der Zweck der Untersuchungshaft oder die Ordnung in der Vollzugsanstalt erfordert.“ Zweck der Untersuchungshaft ist die Sicherung des Verfahrens, sodass alle Maßnahmen der Untersuchungshaft hieran auszurichten sind (BVerfG, Beschl. v. 15.12.1965 - Az.: 1 BvR 513/65, BVerfGE 19, S. 342, 347; Kühne, Strafprozessrecht, 9. Aufl. 2015, Rn. 448).

[7] Die Entscheidung, einen Antrag anzunehmen, ist Bestandteil der Verhandlungsleitung, welche durch den/die Vorsitzende/n ausgeübt wird (§ 238 Abs. 1 StPO). Es besteht aber keine Verpflichtung, Anträge zu jeder Zeit entgegenzunehmen. Prozessbeteiligte, die einen Antrag zu einem ungünstigen Zeitpunkt stellen, können daher auf einen späteren Zeitpunkt verwiesen werden (BGH, Beschl. v. 10.6.2014 - Az.: 3 StR 57/14, NStZ 2014, S. 668, 670; Meyer-Goßner, in Meyer-Goßner/Schmitt, 63. Aufl. 2020, § 238 Rn. 5). Sachleitungsbezogene Anordnungen des/der Vorsitzenden können als unzulässig beanstandet werden (§ 238 Abs. 2 StPO). Über die Beanstandung entscheidet sodann das Gericht, in diesem Fall der Senat in voller Besetzung.

[8] Prof. Dr. Mende und Prof. Dr. Erhardt wurden als Sachverständige bestellt, um die Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten aus psychiatrischer Sicht zu begutachten. Rechtsanwalt Dr. Heldmann beantragte bereits am 19. Verhandlungstag die Neubestellung der psychiatrischen Sachverständigen (S. 1505 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Da das Gericht an der Bestellung beider Gutachter festhielt, lehnte Dr. Heldmann sie am 31. Verhandlungstag ab (S. 2548 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Die ergänzende Begründung der Angeklagten dauerte vier Tage (vom 32. bis zum 35. Verhandlungstag, S. 2594 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Das Gericht wies die Ablehnungen schließlich am 35. Verhandlungstag zurück (S. 2898 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[9] Mit Beschluss vom 13.7.1973 gab der Untersuchungsrichter am BGH Knoblich dem Antrag der Bundesanwaltschaft statt, Ulrike Meinhof - notfalls gegen ihren Willen unter Anwendung von Narkose - auf ihre Zurechnungsfähigkeit während der Tatzeit untersuchen zu lassen. Hintergrund war, dass sie sich 1962 aufgrund eines gutartigen Tumors einer Gehirnoperation unterziehen musste, sodass der Verdacht einer Beeinträchtigung durch einen Tumor aufkam. Zu den genehmigten Behandlungen zählten Röntgenaufnahmen und eine Szintigraphie des Gehirns. In einem offenen Brief wandten sich 70 Ärzte und Medizinalassistenten direkt an den Richter am BGH Knoblich mit der Aufforderung, diesen Beschluss aufzuheben (der Brief ist abgedruckt in: Komitees gegen Folter an politischen Gefangenen in der BRD, Der Kampf gegen die Vernichtungshaft, S. 133 f.). Dies geschah schließlich auch auf Antrag der Bundesanwaltschaft, allerdings mit der Begründung, die Untersuchung sei aufgrund neuer Erkenntnisse überflüssig geworden (so Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 115 f.; s. dazu auch Ulrike Meinhof am 19. Verhandlungstag, S. 1541 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[10] Das Prinzip der Mündlichkeit, nach dem nur das Grundlage der Urteilsfindung werden darf, was zuvor innerhalb der Hauptverhandlung mündlich vorgetragen wurde, ist nicht explizit in der StPO geregelt. Es findet Ausdruck in den §§ 250, 261 und 264 StPO sowie im Öffentlichkeitsgrundsatz nach § 169 GVG (Fischer, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, Einl. Rn. 15). Eine Ausnahme hiervon stellt z.B. das inzwischen eingeführte Selbstleseverfahren im Rahmen des Urkundenbeweises (§ 249 Abs. 2 StPO) dar.

[11] Mit „Trakt“, auch „Toter Trakt“, bezeichneten die Angeklagten einen isolierten Trakt innerhalb einer JVA. In der JVA Köln-Ossendorf befand sich ein solcher Trakt in der psychiatrischen Frauenabteilung, in der zunächst Astrid Proll untergebracht war, später auch Ulrike Meinhof, bevor sie im April 1974 nach Stuttgart-Stammheim verlegt wurde. Im Februar 1974 wurde auch Gudrun Ensslin für zwei Monate nach Köln-Ossendorf verlegt (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 97 ff.). Meinhof beschrieb den Zustand im Trakt mit den Worten: „Das Gefühl, es explodiert einem der Kopf (das Gefühl, die Schädeldecke müsste eigentlich zerreißen, abplatzen) - das Gefühl, es würde einem das Rückenmark ins Gehirn gepresst [...]. das Gefühl, die Zelle fährt [...] rasende Aggressivität, für die es kein Ventil gibt. Das ist das Schlimmste. Klares Bewußtsein, daß man keine Überlebenschance hat [...]“ (Erklärung von Ulrike Meinhof, abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 103 ff.; s. auch die Ausführungen im Antrag der Angeklagten am 5. Verhandlungstag, Anlage 1 zum Protokoll vom 12.6.1975, insbes. die S. 425 ff. des Protokolls bzw. 20 ff. der Anlage; s. zu den Haftbedingungen in Köln-Ossendorf aber auch Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 95 ff.).

[12] Carmen Roll war Teil des Sozialistischen Patientenkollektivs (SPK). Nach einem Schusswechsel mit der Polizei infolge einer Verkehrskontrolle bei Heidelberg und den anschließenden verstärkten Ermittlungen der Polizei gegen das SPK ging sie in die Illegalität zur RAF. Am 2. März 1972 wurde sie in Augsburg wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung verhaftet. Nach ihrer Festnahme sollten ihre Fingerabdrücke JVA Aichach abgenommen werden. Als Roll sich dagegen zur Wehr setzte, wurde sie festgebunden und narkotisiert. Aufgrund dieses Vorgehens stellten die Rechtsanwälte Dr. Croissant und Lang Strafanzeige gegen den Anstaltsarzt und weitere Beteiligte (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 80 f.;Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 139 f.).

[13] Während des zweiten Hungerstreiks, in den inhaftierte RAF-Mitglieder von Anfang Mai bis Ende Juni 1973 traten, wurde Andreas Baader, zu dieser Zeit in der JVA Schwalmstadt untergebracht, zeitweise das Trinkwasser entzogen. Auf Nachfrage der Presse bestätigte das hessische Justizministerium dies, wies allerdings darauf hin, dass ihm stattdessen Milch zur Verfügung gestellt werde (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 121; Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 171 f.).

[14] Inwieweit der (lege artis ausgeführte) ärztliche Heileingriff eine Körperverletzung gem. § 223 StGB darstellt ist umstritten. Während Vertreter/innen der sog. Tatbestandslösung zumindest bei erfolgreicher Heilung schon auf Tatbestandsebene eine Körperverletzung verneinen, kommen Vertreter/innen der sog. Rechtfertigungslösung, zu der auch die Rechtsprechung zu zähen ist, zum selben Ergebnis - Straflosigkeit - erst auf der Ebene der Rechtswidrigkeit durch Anwendung der Regelungen einer rechtfertigenden Einwilligung (einführend zum Streitstand s. Sternberg-Lieben, in Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 30. Aufl. 2019, § 223 Rn. 27 ff.).

[15] Art. 1 Abs. 1 GG lautet: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

[16] Art. 2 Abs. 2 GG lautet: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.“

[17] Als „Camera silens“ werden vollständig reizlose Räume bezeichnet. Während der 1960er Jahre intensivierte sich die Forschung zu den Wirkungen von Reizentzügen (sensorische Deprivation). U.a. forschte der tschechische Psychiater Jan Gross auf diesem Gebiet, der in der psychiatrischen Klinik Hamburg-Eppendorf seine Forschungen mit der dort vorhandenen „Camera silens“ verknüpfte. Im Zuge der Debatte um die gegen RAF-Mitglieder angewandte „Isolationsfolter“ wurden diese Forschungen von Unterstützern sowie der RAF als Mittel staatlicher Vernichtungspläne propagandistisch umgedeutet (Koenen, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 2, 2006, S. 994 ff.; Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 99, 112).

[18] Diether Posser (SPD) war von 1972 bis 1978 Justizminister in Nordrhein-Westfalen. Als solcher war er auch zuständig für die JVA Köln-Ossendorf, in der Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin und Astrid Proll zwischen 1971 und 1973 für unterschiedlich lange Zeiträume in Einzelhaft untergebracht waren. Die dortigen besonders harten Haftbedingungen wurden von Rechtsanwalt Ulrich Preuß als einem der ersten als „Folter“ bezeichnet. Anfang 1973 erstattete Preuß Strafanzeige gegen Posser (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 103 f.; Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 96 f., 103 ff.).

[19] Astrid Proll war während ihrer Haftzeit zwischen 1971 und 1974 mehrfach in dem isolierten Teil der JVA Köln-Ossendorf (Fn. 11) in verschärfter Einzelhaft untergebracht. Prolls Gesundheitszustand verschlechterte sich infolge der Haftbedingungen derart, dass sie schließlich für haftunfähig erklärt und am 4. Februar 1974 aus der Haft entlassen wurde (Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 125 f.).

[20] Horst Herold war von 1971 bis 1981 Präsident des Bundeskriminalamtes (s. die vorangestellte Vita in Bundeskriminalamt [Hrsg.], Festschrift für Horst Herold zum 75. Geburtstag, 1998, S. 15, 17).

[21] Die Befugnis des/der Vorsitzenden, unzulässige oder weitschweifige Ausführungen einzuschränken, leitet sich aus der Zuweisung der Verhandlungsleitung (§ 238 Abs. 1 StPO) ab (Becker, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 6, 27. Aufl. 2019, § 238 Rn. 3).

[22] Sachleitungsbezogene Anordnungen des/der Vorsitzenden können als unzulässig beanstandet werden (§ 238 Abs. 2 StPO). Über die Beanstandung entscheidet sodann das Gericht, in diesem Fall der Senat in voller Besetzung.

[23] Prof. Dr. Rauschke war Leiter des Instituts für Rechtsmedizin am Gesundheitsamt der Stadt Stuttgart und beauftragt worden, zur Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten Stellung zu nehmen. Zur Vernehmung des Prof. Dr. Rauschke s. S. 1102 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung (14. Verhandlungstag). Eine Untersuchung durch ihn, ebenso wie eine durch den Anstaltsarzt Dr. Henck, lehnten die Angeklagten ab.

[24] Siegfried Hausner war Mitglied der RAF und Teil des „Kommando Holger Meins“, das am 24. April 1975 bei dem Überfall auf die deutsche Botschaft in Stockholm zwölf Geiseln nahm, zwei Menschen tötete und die Freilassung von 26 Gefangenen, darunter der Angeklagten Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof, forderte. Aus weiterhin unbekannten Gründen explodierte kurz vor der Stürmung des Gebäudes durch schwedische Spezialkräfte im Inneren der Botschaft ein Sprengsatz, infolgedessen Hausner schwer verletzt wurde. Trotz dieser Verletzungen wurde Hausner wenige Tage später in die Bundesrepublik ausgeliefert und auf die Intensivstation der JVA Stammheim verlegt. Hausner starb dort Anfang Mai 1975 (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 512. 515 f., Forsbach, Die 68er und die Medizin, 2011, S. 95 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 766 Anm. 80).

[25] Noch im Stockholmer Krankenhaus soll eine Schädelfraktur bei Siegfried Hausner festgestellt worden sein, angeblich entstanden durch Polizeigewalt während der Verhaftung Hausners (s. die Ausführungen von Andreas Baader auf S. 1233 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 15. Verhandlungstag). Auch der Anstaltsarzt Dr. Henck soll diese Verletzung in Stuttgart-Stammheim attestiert haben. Bei der späteren Obduktion durch Prof. Rauschke soll sie hingegen nicht entdeckt worden sein, was durch die Angeklagten als „Unterschlagung“ gewertet wurde; den Tod Hausners bezeichneten sie als Mord (Ulrike Meinhof am 19. Verhandlungstag, S. 1544 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[26] Im Erzbergwerk der niedersächsischen Gemeinde Lengede fluteten am 24. Oktober 1963 nach einem Klärteicheinbruch Schlamm und Wasser eine Grube, in der sich 129 Arbeiter befanden. Einige von ihnen konnten sich selbst befreien oder wurden in den folgenden Tagen gerettet. 29 Bergleute starben. Das Grubenunglück wurde jedoch insbesondere durch das „Wunder von Lengede“ bekannt, bei dem wider Erwarten 14 Tage nach dem Einbruch die Rettung von elf Arbeitern gelang. Sie hatten ohne Licht und Nahrung in einem stillgelegten Bereich der Grube überlebt (Willeke, DIE ZEIT, Heft 43/2003, S. 84).

[27] Die Rechtsanwält/innen Becker, Dr. Heldmann, Riedel, Schily und von Plottnitz waren zwar von den Angeklagten ursprünglich frei gewählt (§§ 137, 138 StPO), ihnen aber später durch das Gericht als Pflichtverteidiger/innen beigeordnet worden. Das ist möglich in den Fällen der notwendigen Verteidigung (§ 141 StPO). Die notwendige Verteidigung ergab sich in diesem Verfahren daraus, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht stattfand (§ 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO) und dem Vorwurf eines Verbrechens (§ 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO; ein Verbrechen liegt vor bei einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr, § 1 Abs. 1 StGB a.F.; heute: § 12 Abs. 1 StGB), sowie der Inhaftierung der Beschuldigten für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten (§ 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO a.F.; heute ist die zeitliche Vorgabe entfallen). Da die Beiordnung dem öffentlichen Interesse dient, dafür zu sorgen, dass Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhalten und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird (BVerfG, Beschl. v. 8.4.1975 - Az.: 2 BvR 207/75, BVerfGE 39, S. 238, 242), gehen mit ihr besondere Pflichten einher. Darunter fällt auch die Anwesenheitspflicht während der Hauptverhandlung, und zwar unabhängig davon, ob weitere (Pflicht-)Verteidiger/innen anwesend sind (OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.12.2015 - Az: 2 Ws 203/15, NStZ 2017, S. 436, 437 f.). Über die Gewichtung der Interessen, denen der Beschuldigten und dem Interesse an der Sicherung eines ordnungsgemäßen Verfahrens, gab es im Prozess häufige Auseinandersetzung, so etwa am 26. Verhandlungstag (S. 2132 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung), sowie am 41. Verhandlungstag (S. 3176 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[28] Den Angeklagten waren neben ihren Vertrauensverteidiger/innen je zwei weitere Pflichtverteidiger (gegen ihren Willen) zur Sicherung des Verfahrens beigeordnet worden. Auch bei zwischenzeitlicher Abwesenheit der Vertrauensverteidigung konnte die Hauptverhandlung daher trotz grundsätzlich notwendiger Verteidigung (§ 140 Abs. 1 Nr. 1, 2, 5 StPO) stets weitergeführt werden. Zwischen der Vertrauensverteidigung und dem Senat bestand allerdings Uneinigkeit darüber, ob die Verteidigung durch diese von den Angeklagten sog. Zwangsverteidiger auch ordnungsgemäß sei (s. dazu bereits die Diskussionen am 1. Verhandlungstag, S. 90 ff., sowie den Entpflichtungsantrag der Rechtsanwältin Becker in Anlage 1 zum Protokoll vom 10.06.1975, S. 184 ff., 3. Verhandlungstag). Heute gibt es für diese Form der Sicherungsverteidigung in § 144 StPO eine gesetzliche Grundlage (eingeführt durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 [BGBl. I, S. 2128]).

[29] § 177 GVG eröffnet die Möglichkeit, Angeklagte wegen ordnungswidrigen Benehmens aus dem Sitzungszimmer zu entfernen. Nach § 231b Abs. 1 StPO kann die Hauptverhandlung sodann in Abwesenheit der Angeklagten fortgeführt werden, wenn das Gericht ihre Anwesenheit nicht für unerlässlich hält und solange weitere schwerwiegende Störungen zu befürchten sind.

[30] Eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit hatte nach damaliger Rechtslage zur Folge, dass der/die abgelehnte Richter/in vorläufig amtsunfähig wurde und damit ab dem Zeitpunkt der Ablehnung nicht mehr an Entscheidungen mitwirken durfte; eine Ausnahme galt nur für unaufschiebbare Handlungen (§ 29 StPO a.F.). Unaufschiebbar ist eine Handlung dann, wenn sie wegen ihrer Dringlichkeit nicht aufgeschoben werden kann, bis ein/e Ersatzrichter/in eintritt (BGH, Beschl. v. 3.4.2003 - Az.: 4 StR 506/02, BGHSt 48, S. 264, 265; BGH, Urt. v. 14.2.2002 - Az.: 4 StR 272/01, NStZ 2002, S. 429, 430). Nachdem zwischenzeitliche Gesetzesänderungen weitere Mitwirkungsmöglichkeiten u.a. bei in der Hauptverhandlung gestellten Ablehnungen ermöglichten, wurde das Verfahren nach einer Ablehnung durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10.12.2019 (BGBl. I, S. 2121) grundlegend neu geregelt. Nach § 29 Abs. 1 StPO sind zwar weiterhin nur unaufschiebbare Handlungen gestattet; die Hauptverhandlung wird aber nach § 29 Abs. 2 Satz 1 StPO gesetzlich als unaufschiebbar eingeordnet. Bis zur Entscheidung über die Ablehnung (Frist: zwei Wochen, Abs. 3) findet diese nun unter Mitwirkung des/der abgelehnten Richter/in statt. Wird die Ablehnung für begründet erklärt, ist der seit Anbringung des Ablehnungsgesuchs durchgeführte Teil der Hauptverhandlung zu wiederholen, es sei denn, dies ist nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand möglich (Abs. 4).

[31] Der Grund, aus welchem Richter/innen abgelehnt werden, muss nach § 26 Abs. 2 Satz 1 StPO glaubhaft gemacht werden. Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht sie für überwiegend wahrscheinlich hält (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 26 Rn. 7). Die Glaubhaftmachung erfordert damit eine geringere Form der Überzeugung, als der sog. Vollbeweis. Die Glaubhaftmachung genügt nur dort, wo das Gesetz sie ausdrücklich zulässt. Mittel der Glaubhaftmachung kann auch das Zeugnis des/der abgelehnten Richter/in sein (§ 26 Abs. 2 Satz 3 StPO).

[32] § 80a StPO lautet: „Ist damit zu rechnen, daß die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus, einer Entziehungsanstalt oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet werden wird, so soll schon im Vorverfahren einem Sachverständigen Gelegenheit zur Vorbereitung des in der Hauptverhandlung zu erstattenden Gutachtens gegeben werden“ (s. dazu S. 2726 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 33. Verhandlungstag).

[33] Verfügung: Frist zur Stellungnahme und voraussichtliche Fortsetzung der Hauptverhandlung.

[34] Dienstliche Äußerung des Vorsitzenden Dr. Prinzing.

[35] Stellungnahme der Rechtsanwälte Dr. Heldmann, Schily, Riedel und von Plottnitz zur dienstlichen Äußerung des Vorsitzenden Dr. Prinzing.

[36] Antrag der Bundesanwaltschaft auf Zurückweisung der Ablehnung gegen den Vorsitzenden Dr. Prinzing (zum Teil als unbegründet, im übrigen als unzulässig).

[37] Stellungnahme der Rechtsanwälte Dr. Heldmann, Schily, Riedel und von Plottnitz zum Antrag der Bundesanwaltschaft auf Zurückweisung der Ablehnung.

[38] Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit musste nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO a.F. ab dem Zeitpunkt der Vernehmung der Angeklagten zur Sache unverzüglich, also „ohne eine nicht durch die Sachlage begründete Verzögerung“ (BGH, Urt. v. 10.11.1967 - Az.: 4 StR 512/66, BGHSt 21, S. 334, 339) erfolgen (heute gilt dies bereits ab der Vernehmung der/des Angeklagten über die persönlichen Verhältnisse); andernfalls wäre sie nach § 26a Abs. 1 Nr. 1 StPO wegen Verspätung als unzulässig zu verwerfen. Zulässig ist allerdings, zunächst noch abzuwarten, ob sich der Eindruck der Befangenheit verfestigt (OLG München, Beschl. v. 22. 11. 2006 - Az.: 4 St RR 182/06, NJW 2007, S. 449, 451).

[39] Verhandlungsfähigkeit ist die Fähigkeit „in und außerhalb der Verhandlung seine Interessen vernünftig wahrzunehmen, die Verteidigung in verständiger und verständlicher Weise zu führen sowie Prozesserklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen“ (BGH, Beschl. v. 8.2.1995 - Az.: 5 StR434/94, BGHSt 41, S. 16, 18). Ihr Fehlen bedeutet ein vorübergehendes oder dauerndes Verfahrenshindernis (§§ 205, 206a StPO). Die vollständige Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten wurde durch die Verteidigung seit Beginn der Hauptverhandlung immer wieder bestritten. Mit Beschluss vom 18.7.1975 beauftragte das Gericht schließlich eine Kommission aus Sachverständigen verschiedener Fachrichtungen mit der Begutachtung der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten (der Beschluss selbst ist nicht im Protokoll enthalten, vgl. aber den ergänzenden Beschluss in Anlage 2 zum Protokoll vom 29.7.1975, S. 1570 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 20. Verhandlungstag; zur Chronologie der Beauftragungen der verschiedenen Gutachter s. die Ausführungen des Rechtsanwalts von Plottnitz am 26. Verhandlungstag, S. 2093 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[40] Anlage 2 zum Protokoll vom 4. September 1975: Senatsbeschluss (Zurückweisung der Ablehnungen durch die Angeklagten Baader, Ensslin, Meinhof und Raspe).

[41] Die Internisten Prof. Dr. Müller und Prof. Dr. Schröder gaben in einem am 21. Verhandlungstag eingereichten (ersten) Zwischenbescheid an, ihrem Eindruck nach sei die Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten für die nächsten zwei bis drei Wochen zu bejahen. Eine abschließende Beurteilung stehe noch aus, sei aber vor dem anstehenden Urlaub beider Gutachter nicht mehr zu realisieren (Anlage 3 zum Protokoll vom 30.7.1975, 21. Verhandlungstag, S. 1710 des Protokolls der Hauptverhandlung). Am 26. Verhandlungstag entstanden Uneinigkeiten zwischen der Verteidigung und dem Gericht: Nach der Berechnung der Verteidigung waren die drei Wochen bereits abgelaufen, nach Auffassung des Senats fiel der Tag noch gerade in die Frist. Letzteres bestätigte Prof. Dr. Müller wohl auf Nachfrage (s. hierzu S. 2114 des Protokolls der Hauptverhandlung). Kurz darauf nahmen die Sachverständigen Prof. Dr. Müller und Prof. Dr. Schröder in einem vorläufigen Gutachten eine eingeschränkte Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten, nämlich für täglich nicht mehr als drei Stunden, an (S. 2169 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 27. Verhandlungstag). Auch hier herrschte über die konkrete Auslegung des Zeitfensters (ab- oder zuzüglich kurzer Verhandlungsunterbrechungen, die nicht der Erholung dienen) Uneinigkeit zwischen Senat und Verteidigung. Erneut fragte der Vorsitzende Dr. Prinzing bei Prof. Dr. Müller nach, wie die Zeitangabe zu verstehen sei. Als Reaktion auf eine dieser Nachfragen ist wohl ein Schreiben des Prof. Dr. Müller an den Vorsitzenden Dr. Prinzing zu sehen, in welchem die Formulierung auftaucht: „Wir würden es sehr begrüßen wenn diese, unsere gutachtlich vorläufige Stellungnahme in vernünftiger und einsichtiger und nicht kleinlicher Weise verwertet und gehandhabt werden könnte“ (vgl. dazu die Ausführungen des Angeklagten Baader am 30. Verhandlungstag, S. 2464 f. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[42] Anlage 3 zum Protokoll vom 4. September 1975: Ablehnung des Vorsitzenden Dr. Prinzing sowie der Richter Dr. Breucker, Maier, Dr. Berroth und Dr. Foth wegen Besorgnis der Befangenheit durch die Angeklagte Ensslin.

[43] Gemeint sind hier wohl die sog. Vertrauensverteidiger/innen, die zwar ursprünglich gewählte Verteidiger/innen, zu einem großen Teil jedoch inzwischen den Angeklagten als Pflichtverteidiger/innen beigeordnet waren, nämlich: Rechtsanwalt Schily und Rechtsanwältin Becker der Angeklagten Ensslin, Rechtsanwalt Riedel der Angeklagten Meinhof, Rechtsanwalt von Plottnitz dem Angeklagten Raspe und Rechtsanwalt Dr. Heldmann dem Angeklagten Baader. Wahlverteidiger/innen waren am 20. August 1975 (27. Verhandlungstag), auf den sich Prof. Mende bezieht, nicht anwesend.

[44] Ab dem Zeitpunkt der Erhebung der öffentlichen Klage ist das Gericht der Hauptsache zuständig für den Vollzug der Untersuchungshaft und damit auch für Entscheidungen über die Haftbedingungen (§ 126 Abs. 2 StPO).

[45] Karl Marx (1818-1883) war ein deutscher Philosoph und Ökonom. Er gehört bis heute zu den einflussreichsten Theoretiker/innen der politökonomischen Ideengeschichte. Unter seiner Leitung wurde 1847 der „Bund der Kommunisten“ in Brüssel gegründet. In enger Zusammenarbeit mit Engels verfasste er zahlreiche Schriften. Sein Hauptwerk „Das Kapital“ umfasst drei Bände, von denen er allerdings nur den ersten 1867 selbst herausbringen konnte; Band zwei und drei veröffentlichte Engels posthum 1884 und 1885 auf Grundlage seiner Aufzeichnungen. Marx und Engels gelten als Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus (Wächter, in Ders. [Hrsg.], Ökonomen auf einen Blick, 2017, S. 170 ff.).

[46] Das Freibeweisverfahren findet Anwendung zum Beweis von Tatsachen, die nicht die Straf- oder Schuldfrage, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe, betreffen. Im Unterschied zum dort anzuwendenden Strengbeweisverfahren ist das Gericht im Freibeweisverfahren nicht auf die Wahl bestimmter Beweismittel beschränkt, sondern kann grundsätzlich alle verfügbaren Erkenntnisquellen nutzen; auch an die im Strengbeweisverfahren vorgeschriebene Form ist es nicht gebunden (BGH, Urt. v. 28.6.1961 - Az.: 2 StR 154/61, BGHSt 16, S. 164, 166). Einschränkungen ergeben sich im Freibeweis weder aus dem Unmittelbarkeitsgrundsatz, noch aus dem Prinzip der Mündlichkeit (Krehl, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 244 Rn. 16).

[47] Zum Erfordernis, Ablehnungen unverzüglich nach Bekanntwerden der Umstände, auf die sie gestützt werden, vorzubringen, s. bereits Fn. 30.

[48] Die Ablehnung ist nach § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO als unzulässig zu verwerfen, wenn „durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen“.

[49] Eine Gegenvorstellung ist ein Rechtsbehelf, der zwar nicht in der Strafprozessordnung vorgesehen, allerdings in Rechtsprechung und Literatur überwiegend anerkannt ist. Sie beinhaltet die formlose Aufforderung, über eine getroffene Entscheidung erneut zu befinden und die Entscheidung aufzuheben oder abzuändern (Hoch, in Satzger/Schluckebier/Widmaier [Hrsg.], Strafprozessordnung, 4. Aufl. 2020, Vor §§ 296 ff. Rn. 39 ff.). Gegenvorstellungen sind grundsätzlich nur zulässig, wenn das Gericht auch befugt wäre, die eigene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben, so z.B. in den Fällen, in denen eine ordentliche Beschwerde zulässig wäre (die Abänderungsbefugnis ergibt sich für diesen Fall aus § 306 Abs. 2 StPO). Da die Beschwerde gegen Beschlüsse des OLG in erster Instanz in der Regel ausgeschlossen ist (§ 304 Abs. 4 Satz 2 StPO), kommt auch eine Gegenvorstellung in diesen Fällen grundsätzlich nicht in Betracht. Ausnahmen sollen aber für Fälle gelten, in denen eine Grundrechtsverletzung (auch in Form der Verletzung rechtlichen Gehörs, Art. 103 Abs. 1 GG) geltend gemacht wird (Meyer-Goßner, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, Vor § 296 Rn. 25) oder die Beseitigung groben prozessualen Unrechts anders nicht behoben werden kann (Allgayer, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl. 2016, § 296 Rn. 14). Diese Ausnahmen sind durchaus umstritten (ablehnend etwa Allgayer, a.a.O. Rn. 15).

[50] Zu diesem Zeitpunkt lag ein vorläufiges Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. Müller und Prof. Dr. Schröder vor, die eine eingeschränkte Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten für täglich nicht mehr als drei Stunden annahmen (S. 2169 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 27. Verhandlungstag).

[51] Geschäftsfähigkeit bezeichnet die Fähigkeit von Personen, allgemein zulässige Rechtsgeschäfte selbstständig und vollwirksam vornehmen zu können; sie wird grundsätzlich vermutet. Die Fälle der Geschäftsunfähigkeit sind abschließend in § 104 BGB geregelt, nämlich bei Personen, die noch nicht das 7. Lebensjahr vollendet haben sowie wegen einer die freie Willensbildung ausschließende „krankhafter Störung der Geistestätigkeit“ (näher Spickhoff, in Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg [Hrsg.], Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 1, 8. Aufl. 2018, § 104 Rn. 2 f.).

[52] Zum 1.1.1975 trat mit dem Gesetz zur Ergänzung des Ersten Strafverfahrensreformgesetzes vom 20.12.1974 (BGBl. I, S. 3686) das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) in Kraft, wodurch die bis dahin zulässige kollektive Verteidigung mehrerer Angeklagter bei gleicher Interessenslage - auch „Blockverteidigung“ genannt - abgeschafft wurde. Der Vorsitzende Dr. Prinzing achtete in der Regel sehr genau darauf, dass jede/r Verteidiger/in nur zu Vorgängen sprach, die den/die eigene/n Mandant/in betrafen und unterband Abweichungen hiervon unter Hinweis auf das Verbot der Mehrfachverteidigung (s. dazu etwa die Diskussion am 4. Verhandlungstag, S. 279 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, sowie am 12. Verhandlungstag, S. 928 f. des Protokolls). Hier entstand nun die umgekehrte Situation, in der die Verteidigung darauf hinwies, dass ein Antrag nicht für alle Angeklagten gestellt werden könne und der durch einen Angeklagten gestellte Antrag (sowie der Beschluss hierüber) keine Wirkung für diejenigen Angeklagten entfalte, die sich noch nicht angeschlossen hatten, diese mithin den Antrag für sich selbst erneut stellen könnten.

[53] S. bereits Fn. 17.


[a] Handschriftlich ersetzt: ist durch ich

[b] Maschinell eingefügt: - Siehe Anlage 1 zum Protokoll -

[c] Handschriftlich eingefügt: Da

[d] Maschinell ergänzt: unter

[e] Handschriftlich ersetzt: finde durch bitte

[f] Handschriftlich ergänzt: einen

[g] Handschriftlich ergänzt: ihrer übrigen

[h] Handschriftlich eingefügt: der

[i] Maschinell eingefügt: ich

[j] Maschinell ergänzt: Besprechungen

[k] Maschinell eingefügt: ist,

[l] Handschriftlich durchgestrichen: es

[m] Handschriftlich ergänzt: seien

[n] Maschinell eingefügt: ein

[o] Handschriftlich durchgestrichen: das

[p] Handschriftlich ergänzt: Voraussetzungen

[q] Handschriftlich eingefügt: über

[r] Maschinell durchgestrichen: also

[s] Handschriftlich ersetzt: neurisch-chirurgischen durch neuro-chirurgischen

[t] Handschriftlich eingefügt: zu

[u] Handschriftlich eingefügt: ist

[v] Maschinell eingefügt: man

[w] Maschinell ersetzt: uns durch doch

[x] Handschriftlich ergänzt: also

[y] Handschriftlich durchgestrichen: Sie

[z] Handschriftlich ersetzt: aus durch als

[aa] Maschinell eingefügt: jetzt

[bb] Maschinell ersetzt: Um...schluß durch Umkehrschluß

[cc] Maschinell ersetzt: Wenn die Sie zu durch wenden wir uns...

[dd] Handschriftlich durchgestrichen: dieser

[ee] Maschinell eingefügt: ist

[ff] Handschriftlich durchgestrichen: also

[gg] Handschriftlich durchgestrichen: zu

[hh] Handschriftlich ersetzt: ...entzug durch Wasserentzug

[ii] Handschriftlich eingefügt: er

[jj] Maschinell ersetzt: den Tod durch im Blut

[kk] Maschinell ersetzt: ... durch kommt eine

[ll] Handschriftlich durchgestrichen: eine

[mm] Handschriftlich eingefügt: einer

[nn] Handschriftlich eingefügt: mit

[oo] Maschinell eingefügt: der

[pp] Handschriftlich durchgestrichen: zeitbedingter

[qq] Handschriftlich eingefügt: B.:

[rr] Maschinell eingefügt: die

[ss] Handschriftlich ersetzt: Majerität durch Majestät

[tt] Handschriftlich ersetzt: während durch wegen

[uu] Handschriftlich eingefügt: müssen

[vv] Handschriftlich eingefügt: ist

[ww] Handschriftlich eingefügt: so

[xx] Maschinell eingefügt: ist

[yy] Maschinell ergänzt: gestellt

[zz] Handschriftlich ergänzt: eine

[aaa] Maschinell eingefügt: mit

[bbb] Maschinell eingefügt: in

[ccc] Handschriftlich durchgestrichen: zu

[ddd] Handschriftlich ergänzt: allgemeinen

[eee] Handschriftlich ergänzt: 80a

[fff] Handschriftlich ergänzt: ihn

[ggg] Handschriftlich ersetzt: man durch mal

[hhh] Handschriftlich ersetzt: ich durch ist

[iii] Handschriftlich ersetzt: Fidibus hier durch Filibustern

[jjj] Maschinell eingefügt: nunmehr

[kkk] Maschinell eingefügt: mehr

[lll] Handschriftlich von oben eingefügt: RA Sch.:

[mmm] Maschinell eingefügt: Herr Vorsitzender, ich bitte ums Wort.

[nnn] Handschriftlich eingefügt: V.:

[ooo] Maschinell eingefügt: wieder

[ppp] Maschinell eingefügt: um

[qqq] Handschriftlich ersetzt: einem durch an dem

[rrr] Handschriftlich durchgestrichen: in

[sss] Handschriftlich durchgestrichen: dies

[ttt] Handschriftlich ersetzt: kompledentes durch konkludentes

[uuu] Handschriftlich ergänzt: menschenrechtswidrigen

[vvv] Maschinell eingefügt: in

[www] Handschriftlich ersetzt: ja durch die er

[xxx] Handschriftlich ergänzt: ein

[yyy] Maschinell durchgestrichen: Ende 15.11 Uhr

[zzz] Maschinell durchgestrichen: des

[aaaa] Maschinell eingefügt: (nach geheimer Umfrage)

[bbbb] Maschinell eingefügt: Angekl. Ra.: Ich möchte was richtigstellen.

[cccc] Maschinell durchgestrichen: schildern

[dddd] Maschinell ersetzt: wird durch ist