29. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 26. August 1975, um 9.05 Uhr



[2320] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 26. August 1975, um 9.05 Uhr.

(29. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft - mit Ausnahme von Staatsanwalt Holland - erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte sind anwesend:

Just. Sekr. Janetzko,

Just. Ass. z. A. Clemens.

Die Angeklagten sind anwesend mit ihren Verteidigern:

Rechtsanwälte Becker, Rogge, Dr. Heldmann, Riedel, v[on] Plottnitz, Eggler, Schnabel, Schwarz, Schlaegel, König, Linke, Grigat.

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort.

Herr RA Künzel hat sich entschuldigt.

Herr RA Schily wird wahrscheinlich später erscheinen.

RA’in Be[cker]:

Er kommt später.

Vors.:

Ich sehe ein neues Gesicht. Um wen handelt sich’s bitte hier in der Verteidigerbank?

RA’in Ro[gge]:

Petra Rogge vom Büro Groenewold.

Vors.:

Jawohl, Frau Rogge ist mandiert. Sie sind seit gestern als Verteidigerin Baaders mandiert, nachdem Sie das Mandat für Herrn Raspe niedergelegt haben.

Der letzte Sitzungstag am 21. August endete mit einem Ablehnungsantrag gegen den Senat und speziell auch gegen mich. Die zur Entscheidung berufenen Richter haben noch am 21. August 1975 folgendes beschlossen.

Der Vorsitzende verliest den Beschluß vom 21. August 1975 aus Anlage 1 zum Protokoll.

[2321] Der Beschluß ist dem Protokoll als Anl. 1 beigefügt.

Vors.:

Es sind nun die Angeklagten darüber zu unterrichten, was nach ihrem Ausschluß am 20. alles geschehen ist:[1]

Zunächst wurden für den Angeklagten Baader und Frau Meinhof Gegenvorstellungen[2] gegen den Ausschluß auch am 21.8.

- also die Gegenvorstellungen richten sich nicht gegen den Ausschluß am 20., sondern nur gegen den Ausschluß am 21. - erhoben; sodann hat, nachdem bekanntgegeben worden ist, daß später darüber entschieden werden würde, RA Schily am Ende des Sitzungstags den Einstellungsantrag, den er gestellt hat im Hinblick auf Art. 6 der Menschenrechtskonvention,[3] teilweise vorgetragen. Am 21.8.75 wurde zunächst der Beschluß verkündet betr. der eben erwähnten Gegenvorstellungen. Es wurde abgelehnt, die Angeklagten Baader und Meinhof an diesem Tage wieder zuzulassen. Daraufhin haben die RAe v[on] Plottnitz und Schily für die Angeklagten Raspe und Ensslin auch Gegenvorstellungen erhoben; auch diese Gegenvorstellungen wurden abgelehnt. Anschließend beantragte Herr RA Schily eine Pause zwecks Besprechung mit der Angeklagten Ensslin. Die Pause wurde abgelehnt, da dazu vor Verhandlungsbeginn und während einer ausdrücklich mit zu diesem Zweck ausgedehnten Beratungspause Gelegenheit gegeben worden war. Daraufhin hat der amtlich bestellte Vertreter[4] von Herrn RA Riedel, Herr Dr. Temming, eine Pause beantragt zur Erörterung eines möglichen Ablehnungsantrags mit Frau Meinhof. Die Pause wurde nicht gewährt. Dann hat Herr[a] RA Schily die Begründung des Antrages fortgesetzt.

Der Nachmittag wurde eingeleitet durch das Ablehnungsgesuch gegen den Senat; die darauf ergangene Entscheidung ist Ihnen soeben mitgeteilt worden.

Herr RA Schily war nicht am Ende seines Vortrags, soweit ich das in Erinnerung habe. Er hätte jetzt normalerweise das Wort. Wenn er das Wort jetzt weiter nicht ergreift - er ist ja nicht anwesend, aber das ist seine Sache -, dann würde die B. Anwaltschaft Gelegenheit bekommen, Stellung zu nehmen zu dem bisher gestellten Antrag.

[2322-2325][5] [2326] RA Dr. He[ldmann]:

Herr Vorsitzender, der Antrag ist ja noch nicht fertig ...

Protokollführer:

Herr Rechtsanwalt, bitte Mikrophon anschalten.

RA Dr. He[ldmann]:

Meines ist eingeschaltet.

Geht’s jetzt? Ja.

Herr Vorsitzender, Herrn Schilys Antrag ist ja noch nicht fertig begründet, und ich schlage Ihnen doch vor, daß wir die Begründung fertig abwarten. Wenn Sie nicht zehn Minuten Pause geben wollen dafür. Sie wollen nicht?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, wollten Sie sich evtl. dem Antrag anschließen, dann könnte man das ja vielleicht vorziehen.

RA Dr. He[ldmann]:

Dann möchte ich für Herrn Baader den gleichen Einstellungsantrag stellen und zunächst der von Herrn Schily für diesen Einstellungsantrag gegebenen rechtlichen Begründung folgende Hinweise nachtragen:

Der Antrag:

Auch für Herrn Baader ist dieses Verfahren einzustellen.

Die prozeßrechtliche Grundlage für diesen Antrag gibt § 260 Abs. 3 d. StPO, wo es heißt:

„Die Einstellung des Verfahrens ist im Urteil auszusprechen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht.“

Die Einstellung durch Urteil - wie hier begehrt - setzt also voraus das Bestehen eines Verfahrenshindernisses oder das Fehlen einer Prozeßvoraussetzung. Prozeßvoraussetzungen im Sinne dieser, auch dieser Bestimmungen sind:

der Anspruch des Angeklagten - Anspruch im technischen Sinne - Anspruch des Angeklagten, daß über eine gegen ihn erhobene strafrechtliche Anklage durch ein zuständiges, unabhängiges, unparteiisches und auf Gesetz beruhendes Gericht in bil- [2327] liger Weise und öffentlich verhandelt wird; der Anspruch des Angeklagten, bis zu dem im gesetzlichen Verfahren erbrachten Nachweis seiner Schuld durch rechtskräftiges Urteil als unschuldig zu gelten und dementsprechend behandelt zu werden; der Anspruch des Angeklagten auf ein faires Verfahren und auf Waffengleichheit - und ich ergänze hierzu: Chancengleichheit in diesem Verfahren, Chancengleichheit nämlich im Verhältnis zum Ankläger oder zur Anklagebehörde. Diese Ansprüche folgen, wie Herr Schily es zitiert hat bereits, aus Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention, hat somit Völkerrechts... Völkervertragsrechtscharakter, geht jeglichem innerstaatlichem Gesetzesrecht vor, sind also bei der Anwendung der StPO zwingend, also vorrangig zu beachten.[6] Sie folgen ferner aber insbesondere - und darauf möchte ich noch stärker abstellen - aus dem Art. 14 des Intern. Paktes über bürgerliche und politische Rechte vom 16.12.1966[7], den am 17.12.1973 die Bundesrepublik ratifiziert hat.

Der Anspruch des Angeklagten auf ein faires Verfahren und auf Waffengleichheit hat insbesondere aber verstärkten Rang, dadurch, daß das Bundesverfassungsgericht in seiner ständigen Rechtsprechung - Bände 9, 16 und zuletzt besonders intensiv in Band 38 auf S. 111 ff. - eine Entscheidung aus dem Oktober des vorigen Jahres, diese Prinzipien der Waffengleichheit, die Prinzipien der prozessualen Chancengleichheit und vor allem das Prinzip der Unschuldsvermutung aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitet und dazu - ich zitiere aus der letztgenannten Entscheidung Bd. 38, S. 111 - sagt:

„Zu den wesentlichen Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens zählt das Recht auf ein faires Verfahren. Der Anspruch auf ein faires Verfahren ist durch das Verlangen nach verfahrensrechtlicher Waffengleichheit von Ankläger und Beschuldigtem gekennzeichnet und dient damit in besonderem Maße dem Schutz des Beschuldigten, für den bis zur Verurteilung

- gemeint ist die rechtskräftige Verurteilung -

die Vermutung seiner Unschuld streitet.“

[2328] Negativ und kurz formuliert bedeutet das:

Die manifest gewordene Vorverurteilung vor Beginn der Hauptverhandlung, wie Herr Schily in seiner bisher vorgetragenen Antragsbegründung sie belegt hat, und vor der Beweisaufnahme in diesem Verfahren ist Verfahrenshindernis i.S. des § 260 Abs. 3 StPO, verbietet somit den Fortgang dieses Verfahrens, gebietet dessen sofortige Einstellung, und dieses Verfahrenshindernis ist irreparabel. Die Prozeßvoraussetzungen, deren Fehlen ich hier rüge - ich fasse also noch einmal zusammen, um deren Bedeutung zu unterstreichen - folgen also aus Verfassungsrecht, sie folgen aus allgemein anerkanntem Völkerrecht, das in der B. Republik über Art. 25 des GrundG[8] Verfassungsrang hat, nämlich aus dem Intern. Pakt, der die weltweite Ratifizierung[b] der Menschenrechte durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen bedeutet und der jeden Paktstaat verpflichtet, diese prozessualen Mindestgarantien für jeden Bewohner dieses Staates - wo nicht geschehen - zum Gesetz, jedenfalls zum geltenden Recht zu machen.

Und dieses Verfahrenshindernis folgt schließlich - wie bereits zitiert - aus Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Zur rechtlichen Begründung dieses Einstellungsantrags möchte ich weiter hervorheben, daß hiermit nicht etwa dem Gericht angetragen wird, richterliche Rechtsfortsetzung, Fortbildung, Fortbildung zu leisten.[9] Das öffentliche Interesse hier, nämlich die verfassungsmäßige Rechtsordnung, gebietet Verfahrensbeendigung, wo das Verfahren in einwandfreier und angemessener Weise nicht mehr fortzusetzen ist; denn es ist ein eines Rechtsstaates unwürdiges Verfahren, trotz eines gravierenden und irreparablen Verstoßes gegen eine gewichtige Verfahrensmaxime weiterzuprozessieren, als sei nichts geschehen. Diese rechtliche Würdigung ist entwickelt worden zu dem gleichrangigen Verfahrenshindernis der überlangen Verfahrensdauer, das gelegentlich in der Rechtsprechung - obgleich bis dahin Neuland - aus Art. 6 der Menschenrechtskonvention anerkannt und als prozessuales Hindernis i.S. von § 260 Abs. 3 der StPO behandelt worden ist.[10]

[2329] Ich beziehe mich hierzu auf die meines Wissens letzte Arbeit zu diesem Fragenkomplex - „Verfahrenshindernis“ aus „Europäische Menschenrechtskonvention“ -. Sie ist die von Hillenkamp in der Juristischen Rundschau 1975, auf den Seiten 133 ff. ... Die Rechtsfolge - Verfahrenseinstellung wegen eines außerhalb der StPO normierten Verfahrenshindernisses - ist am Prozeßhindernis der überlangen Verfahrensdauer aus Art. 6 Menschenrechtskonvention bereits zu prozessualer Reife entwickelt, und somit konnte ich sagen:

Mit diesem Antragsbegehren der Verteidigung ist nicht etwa das Gericht in die Situation versetzt, juristisches Neuland zu betreten. Und die StPO bietet die prozessuale Handhabe für die Durchsetzung dieses materiellen Prozeßanspruchs, nämlich - wie zitiert - in § 260 Abs. 3[ StPO]. Im übrigen aber sei darauf hingewiesen:

Die StPO inumeriert unstreitig erschöpfend weder die Prozeßvoraussetzungen noch die Verfahrenshindernisse selbst, so daß schon wegen des Fehlens einer abschließenden Inumeration nicht allein etwa auf positive Normen der StPO hinsichtlich Verfahrensvoraussetzungen oder Verfahrenshindernissen zurückgegriffen werden darf; im übrigen ergibt sich aber die unmittelbare Anwendung der Menschenrechtskonvention, erst recht des Intern. Paktes, aus dem Vorrang jener völkerrechtlichen Normen als Spezialnormen.

Schließlich gilt, wie hier wiederholt ausgeführt und belegt worden ist, für die Prüfung der positiven Prozeßvoraussetzungen, was identisch ist mit dem Fehlen von Verfahrenshindernissen, das Prinzip im Zweifel für den Angeklagten.[11] Ich habe wiederholt hingewiesen auf die einschlägigen Fundstellen im Großkommentar von Löwe-Rosenberg, nämlich Einl. Kap. 10 Ziff. 7 und Anm. 3 zu § 206 a. Ich weise ferner hin insbesondere auf Bd. 1 des Lehrkommentars zur StPO von Eberhard Schmidt, dort insbesondere auf Rand-Ziff. 198, wo wörtlich gesagt ist:

„So muß ein bestehenbleibender Zweifel zur Anwendung des Satzes in dubio pro reo führen. Ein Prozeß ist unzulässig auch dann, wenn das Gegebensein der Prozeßvoraussetzungen nicht mit Sicherheit feststellbar ist, sondern Zweifeln unterliegt.

[2330] Schon in diesem Fall ist eine streng justizförmige Justizgewährung nicht möglich. Das Gegenteil ...

- d. h. also: Das Gegenteil, weiterzuprozessieren trotz erkennbar gewordener Zweifel am Vorliegen von Prozeßvoraussetzungen -

... das Gegenteil wäre mit dem Gedanken der Rechtsstaatlichkeit nicht vereinbar.“

Ferner unter der Fußnote 350 und am selben Ort Eberhard Schmidt:

„Die Anwendbarkeit des Satzes in dubio pro reo bei den Prozeßvoraussetzungen folgt aus der Verantwortung der Gerichte für die Justizförmigkeit ihrer Justizgewährung.“

So weit wollte ich die rechtliche Begründung für den Antrag des Kollegen Schily um meinen eigenen Antrag ergänzen. Meine eigene sachliche Begründung für den für Herrn Baader gestellten Antrag schließt an jene von Herrn Schily an. Da zu erwarten ist, daß Herr Schily jede Minute hier eintreffen wird, spätestens aber um 9.30 Uhr, wäre ich dankbar, wenn wir vielleicht erst Herrn Schily beenden lassen würden, so daß ich meine anschließende sachliche Begründung dann darauf aufbauen kann.

Vors.:

Hat sonst jemand der Herrn oder Damen von der Verteidigung die Absicht, sich anzuschließen?

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Dazu jetzt keine Erklärung.

Vors.:

Ich habe das Gefühl, daß Herr RA Schily am Dienstag, also am 1. Sitzungstag, bisher grundsätzlich - das mag mit seinem Flug zusammenhängen - zu spät kommt. Wenn er das Antragsrecht noch hat, das Begründungsrecht, ist es natürlich für ihn möglich, dadurch, daß er fernbleibt, sozusagen seine Zeitvorstellungen dem Senat aufzudrängen. Dazu besteht hier nun eigentlich keine Neigung. Deswegen würde ich Sie bitten, Herr RA Dr. Heldmann, daß Sie mit Ihren Argumenten weiter fortfahren.

[2331] RA v[on] Pl[ottnitz]:

Also ich möchte sagen, ich möchte mich dem Antrag hier anschließen, die vier Minuten noch zu warten, bis der Kollege Schily kommt. Ich darf daran erinnern, daß ...

Vors.:

Also das ist schon von vornherein klar gewesen, daß er ganz genau erst um 9.30 Uhr kommen wird, obwohl wir um 9.00 Uhr beginnen?

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Das ist ... Nein. Dazu wollte ich dem Senat etwas zur Kenntnis bringen:

Der Senat geht unzutreffend davon aus, daß der Kollege Schily sozusagen im Regelfall und dies bereits drei Tage früher wissend sich darauf eingestellt hat, hier dienstags erst morgens nach Stuttgart zu kommen.

Ein gutes Beispiel ist gestern: Er hatte gestern vor, abends in Stammheim zu sein. Er ist durch eine dringende andere Angelegenheit davon abgehalten worden, auch für ihn nicht vorhersehbar, so daß also mit der Überlegung, die Sie grade genannt haben, die Nichtgewährung der Pause schlecht begründet werden kann.

Im übrigen darf ich daran erinnern:

Es ist ja schon mal so gewesen - nicht oft, aber immerhin - einmal hat der Senat doch eine kurze Pause eingelegt, bis Herr Kollege Schily erschienen ist. Da gings darum, um dem Kollegen Schily eine Entscheidung des Senats zur Kenntnis zu bringen - auch dem Kollegen Schily -, und ich meine, daß man umgekehrt auch mal so verfahren sollte, daß, wenn der Kollege Schily dem Senat etwas zur Kenntnis bringen will, daß man da eine Pause von zehn Minuten ...

Vors.:

Ist obsolet geworden.

RA Schily erscheint um 9.28 Uhr.

Herr Rechtsanwalt, Sie haben gleich das Wort.

[c]

Ich habe gerade die Meinung geäußert - sie könnte irrig sein, ich weiß es nicht sicher, aber ich meine, es ergebe sich aus dem Protokoll -, daß für Sie gerade der 1. Verhandlungstag [2332] in der Woche immer eine gewisse Klippe ist, und es scheint mir so, als seien Sie ziemlich regelmäßig bisher am 1. Verhandlungstag zu spät gekommen. Es ist natürlich dann, wenn Sie noch mitten in der Begründung eines Antrags sind, für den Senat schwierig, seine Zeitvorstellungen einzuhalten. Deswegen würde ich also bitten, in Zukunft bei solchen Anlässen, wenn sich die Konstellation ergibt, daß Sie das Wort noch haben, möglichst auf pünktliches Erscheinen bedacht zu sein.

Ende von Band 116.

[2333] RA Sch[ily]:

Sie wissen vielleicht, daß [d] für einen auswärtigen Anwalt ohnehin die Wahrnehmung der Termine in Stuttgart mit einer erheblichen Belastung verbunden ist. Meine Maschine 18.20 Uhr würde mich dazu verpflichten, mein Büro eine Stunde vorher zu verlassen. Meine normale Sprechstunde im Büro beginnt um 16.00 Uhr, weil ich bis dahin meist anderweitig zu tun habe, entweder durch Verhandlung oder auch durch Haftbesuche. Und ich glaube, es ist eigentlich durchaus vertretbar, daß nicht noch eine weitere zusätzliche Arbeitsbelastung dadurch verbunden ist, daß ich nun auch noch den Abend in Stuttgart verbringe. Also das mal eben zu dieser ... Ich habe Ihnen das im übrigen mal telefonisch versucht zu erläutern. Ich bin da leider aber bei Ihnen auf Ablehnung gestoßen, da Sie meinten, da ginge also mit den übrigen Prozeßbeteiligten nicht zu vereinbaren, wenn hier morgens eine viertel Stunde oder möglicherweise sogar eine halbe Stunde später begonnen würde.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, alles in Ehren. Nur wenn Sie das Wort haben, das Ihnen erteilt werden muß, um das Verfahren weiter zu bringen, dann allerdings können Sie dadurch, daß Sie nicht erscheinen, die Zeitvorstellungen des Gerichts maßgeblich beeinflussen. Wir laden dann sämtliche Beteiligte um 9.00 Uhr umsonst. Nun wir konnten die Zeit jetzt nützen und wir wollen sie auch jetzt nicht weiter verlieren. Ich wollte Sie also in diesem Falle bitten, daß Sie dann auf Pünktlichkeit Wert legen.

RA Sch[ily]:

Das würde ich vorschlagen.

Vors.:

Ich darf Sie jetzt bitten, fortzufahren.

RA Sch[ily]:

Ja, bevor ich in der Antragsbegründung fortfahre, Herr Vorsitzender, möchte ich doch einen Vorgang zur Sprache bringen, durch den ich, auf den ich aufmerksam geworden bin, durch einen Pressebericht, und ich will den Senat um Aufklärung bitten, wie dieser Vorgang in der Hauptverhandlung eigentlich zustande [2334] kommt. Ich habe mir sagen lassen, es ist ja meine tägliche Beobachtung, daß selbstverständlich hier hinter der Anklagebank, Polizeibeamte oder Saalwachtmeister postiert sind. Nun hat es ja Verhandlungstage gegeben, an denen ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, Entschuldigen Sie bitte, wenn ich Sie unterbreche. Aber Sie wissen, wir haben drei Stunden zur Verfügung. Sind das Dinge, die sich außerhalb der Hauptverhandlung regeln lassen.

RA Sch[ily]:

Nein, das ist ein Vorgang, der die Hauptverhandlung unmittelbar betrifft.

Vors.:

Darf ich fragen, um was es geht.

RA Sch[ily]:

Wie bitte?

Vors.:

Darf ich fragen, um was es geht.

RA Sch[ily]:

Ja, ich bin ja dabei, da gerade zu erläutern. Ich wäre ja dankbar, wenn Sie mich freundlicher Weise das mal zu Ende bringen lassen. Also, es hat ja Verhandlungstage gegeben, an denen die Angeklagten hier nicht anwesend waren und da waren auch natürlich die Polizeibeamten immer noch anwesend. Und dann hat es Verhandlungstage gegeben, an denen die Angeklagten nicht anwesend waren und die Verteidiger ihres Vertrauens[12] nicht anwesend waren,[13] und da, habe ich mir sagen lassen, wurden die Polizeibeamten abgezogen. Nun würde mich ja interessieren, also wenn die Verhandlung so abläuft, daß also nur wir hier im Saal sind und die Angeklagten, aus welchen Gründen immer, nicht im Verhandlungssaal sind, ob dann die Polizeibeamten zur Bewachung der Verteidiger des Vertrauens dienen. Das würde wiederum die Begabung des Gerichts für bestimmte symbolträchtige Handlungen illustrieren. Und ich glaube, wir haben Anspruch darauf, Aufklärung von dem Herrn Vorsitzenden insbesondere, der ja die Sitzungspolizei, Inhaber der Sitzungspolizei ist,[14] zu diesem Vorgang zu verlangen.

Vors.:

Ja, das können Sie haben. Es ist mir entgangen. Selbstver- [2335] ständlich sind die Herrn, die hier den Ordnungsdienst verrichten, nicht notwendig, sobald die Angeklagten aus dem Saale entfernt sind. Es könnte natürlich damit zusammengehangen haben, daß das der Vorfall war, wo ich gesagt habe, die Angeklagten sollen nicht zurückgebracht werden, es könnte sein, daß sie nochmals vorgeführt werden müßten. Das war dann dieser Dienstag, wo es zur Vernehmung zur Person und zur Anklageverlesung gekommen ist. Wenn es sich auf diesen Tag bezieht, dann hat es seine Erklärung darin; bei den anderen Tagen war es ein Versehen. Ich weise ausdrücklich darauf hin, sobald die Angeklagten für die Dauer der Sitzung entfernt sind, bedarf es Ihrer Anwesenheit, es richtet sich jetzt an die Herrn Ordnungskräfte, natürlich nicht, die Meinung, das Gericht wolle die Wahlverteidiger beaufsichtigen, das ist ja wohl nicht ganz ernst zu nehmen. Jetzt darf ich Sie bitten fortzufahren.

RA Sch[ily]:

Nicht ernst zu nehmen, naja, dann bin ich ja beruhigt. Ich darf daran erinnern, daß ich einen Antrag begründe auf Einstellung des Verfahrens nach den Vorschriften der §§ 260 der StPO und Artikel 6 der Menschenrechtskonvention, und ich habe mich insbesondere damit beschäftigt, daß hier das Prinzip der Waffengleichheit nicht mehr besteht und habe in diesem Zusammenhang Ausführungen darüber gemacht, in welcher Form und mit welchen Methoden die Verteidigung zerschlagen worden ist. Und ich halte es für notwendig, doch auf Vorgänge einzugehen, die jetzt wieder in jüngster Zeit genau diese These unterstützen, in welchem Feldzug der psychologischen Kriegführung in Richtung der Verteidigung geführt wird.

Ich lese hier zum Beispiel in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung vom 13. August dieses Jahres eine Balkenüberschrift „Anwaltstaktik im BM-Prozeß kann Befreiungsplan dienen“. Untertitel: Verschleppung ließe Prozeß bei Befreiung der Angeklagten platzen. Und der Artikel beginnt: Die Ermittlungs- und Justizbehörden wollen jetzt die Gründe für die beim Stuttgarter[e] Baader-Meinhof Prozeß von den sogenannten Vertrauensanwälten praktizierte Prozeßverschleppung wissen. Staatsschutzjuristen, Staatsschutzjuristen, so heißt es hier in diesem Artikel, was das ist, weiß ich nicht so genau, aber, also Staatsschutzjuristen vertraten am Dienstag gegenüber der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung die Auffassung, daß die Verschleppung des Prozesses, in dem man in 25 Verhandlungstagen weder [2336] zur Vernehmung zur Person noch zur Verlesung der Anklage und zur Vernehmung zur Sache gekommen sei,[15] [f] wohl einen[g] Schachzug zur Vorbereitung einer gewaltsamen Befreiung der Angeklagten darstellen könne. Also das erklären Staatsschutzjuristen gegenüber einer weit verbreiteten Zeitung. Also, wer da nicht mehr zugeben kann, daß das eine von Staatsschutzbehörden gesteuerte Kampagne der psychologischen Kriegsführung ist, der ist eben taub, oder will taub sein. Das ist der Punkt. Und wie tief, ich meine unter anderem, daß also wieder natürlich solche Meldungen auftauchen in der Woche am Dienstag, 12.8., Frankfurter Allgemeine, auf der ersten Seite: „Bonn befürchtet neuen Anschlag von Terroristen“, und ähnliches, das gehört ja sozusagen zu der gewohnten Begleitmusik. Aber wie tiefgehend die Wirkungen sind, die dieser psychologische Feldzug zur Folge hatte, das beweist mir ein Artikel eines Mannes, der von manchen als Liberaler bezeichnet wird und von manchen auch als intelligent angesehen wird, und der nun etwas über Stammheim, und nach seiner Meinung: kein Ende, schreibt. Ich meine einen Artikel von Sebastian Haffner in der Illustrierten Stern, und er schreibt ein bißchen was von seinen englischen Vorurteilen; nun jedermann soll sich die Vorurteile leisten, die er sich leisten kann. Aber daß ein so intelligenter Mann wie Herr Haffner nun sich von diesem Klima der Vorausverurteilung infizieren läßt, das ist doch ein sehr bedenkliches Zeichen für die Entwicklung gesellschaftlicher[h] Zustände in der Bundesrepublik. Man kann hier in diesem Artikel unter anderem folgendes lesen: Ein Prinzip der Unschuldsvermutung gibt es im Strafprozeß nun wirklich nicht, vielmehr ist Voraussetzung jedes Strafverfahrens eine Schuldvermutung, auch Verdacht genannt. Aber natürlich, damit es zur Verurteilung kommt, muß der Verdacht in der Verhandlung zur vollen Schuldüberzeugung werden. Im Zweifel für den Angeklagten. Aber daraus eine „Unschuldsvermutung“ zu machen ist schon ein starkes Stück. Also das schreibt ein, wie gesagt, als intelligent geltender Kolumnist, der sich so sehr erhaben dünkt über, wie er sich ausdrückt, Amateurjuristen, die über diesen Prozeß schreiben, und der offenbar noch nie auf den Gedanken gekommen ist, einmal Artikel 6 der Menschenrechtskonvention[16] zu lesen, die immerhin mindestens Gesetzesrang hat. Die Zertrümmerung sämtlicher rechtsstaatlicher Garantien im Bereich der Verteidigung im konzertierten Einsatz von Exekutive, Legislative und Judikative dient einem einheitlichen Ziel. Das Verfahren soll juristisch keimfrei gehalten werden. Jegliche politische, den Staatsschutzbehörden nicht genehme Argumentation soll unterdrückt werden, allenfalls sollen politische Motive diskutiert werden, die sich bequem in das Gebiet der Psychiatrie des krankhaften abdrängen lassen. Sämtliche Bestrebungen, sämtliche Machenschaften sind darauf abgelegt, daß politische Element des Prozesses zu eliminieren, das Verfahren soll als normaler Straffall abgewickelt werden. Das wurde als Sprachregelung, der sich auch der Herr Vorsitzende dieses Senats eingefügt hat, ausgegeben, als Sprachregelung. Es handelt sich nicht um einen politischen Prozeß, sondern um einen normalen Straffall. Und Sie können beobachten, wenn Sie einmal die ganze Szenerie der Prozeßvorbereitung und der Prozeßbegleitung verfolgen, daß diese Linie ganz konsequent durchgehalten wird. Der Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, der hier mit die Anklage vertritt, und ich glaube, es ist[i] einmal nützlich, einmal so die einzelnen Äußerungen, was man unter politischem Prozeß versteht und nicht, bitte ohne den Anspruch auf Vollständigkeit, Revue passieren zu lassen, der Herr Bundesanwalt Dr. Wunder hat ja in der Sitzung vom 30.7.1975 sinngemäß folgendes [2337] ausgeführt: Es handele sich nicht um einen politischen Prozeß, weil ja Delikte angeklagt seien aus dem Bereich des allgemeinen Strafrechts, also der allgemeinen Kriminalität und nicht aus dem Gebiet des ersten Abschnitts des Strafgesetzbuches, also aus dem ersten Abschnitt, in dem beispielsweise abgehandelt sind politische Delikte wie Hochverrat.[17] Nun gab es ja ein Gericht in einem Parallelprozeß, das sich mit ähnlichen Vorwürfen auseinander zu setzen hat, das durchaus diesen Hochverratsparagraphen mit in die juristische Diskussion eingebracht hat.[18] Und nach meiner Überzeugung hat die Bundesanwaltschaft auf diesen Paragraphen in der Anklage auch nur deshalb verzichtet, um eben diese Linie durchzuhalten, um diese Prozeßhygiene, politisch muß alles herausbleiben, um diese Prozeßhygiene weiterhin anzuwenden. Oder ein anderes Beispiel. Es gab einen Bericht in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 29.4.1975. Der beschäftigte sich mit[j] der Frage, inwieweit Interpol bei Delikten dieser Art, die hier auch Gegenstand der Anklage ist, sind, eine Tätigkeit entfalten können oder nicht. Und da heißt es in diesem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: Politische Täter sind nach den Statuten der Interpol von der Verfolgung ausgeschlossen. Interpol betrachte die Baader-Meinhof-Bande und ähnliche Vereinigungen als politische Gruppen, gegen die sie nichts zu unternehmen brauche. Und das hat natürlich die Staatsschutzbehörden nicht ruhen lassen, und man hat da sich also nun, ist da vorstellig geworden, und auch mit Erfolg vorstellig geworden, und dann heißt es dann, also ein paar Tage später in der „Welt am Sonntag“ vom 4.5.1975: Interpol jagt Terroristen; das ist die Überschrift. Bislang, heißt es in diesem Bericht, galten Täter, die ihre Verbrechen politisch bemänteln, das ist die Ausdrucksweise der „Welt am Sonntag“, im Ausland als unangreifbar. Und weiter heißt es in dem Bericht: Jetzt sprangen die Polizeichefs über ihren eigenen Schatten, - das ist ein schönes Bild, die ganzen Polizeichefs über ihre Schatten springen - die Interpolsatzung untersagt jede Betätigung in Angelegenheiten politischen Charakters der Organisation strengstens, Artikel 3 der Satzung.[19] Wenn ein Täter selbst politische Motive für seine Verbrechen angab, war Interpol schon aus dem Spiel. BKA-Chef Herold, Interpolgeneralsekretär Nepote oder Nepot, ich weiß nicht, hat die Baader-Meinhof-Leute zu unpolitischen Kriminellen erklärt, so schnell geht das. Vom 29. April bis zum 4. Mai wird per Deklaration dann der unpolitische Kriminelle hervorgezaubert. Man darf vielleicht auch daran erinnern, wie in bestimmten Presseverlautbarungen es durchaus keine Schwierigkeiten gegeben hat, in einem Verfahren, in dem es um einen gewalttätigen Umsturz ging, von politischem Prozeß zu sprechen. Auch das ist ein wichtiger Hinweis, wann bestimmte Massenmedien bereit sind, von politischem Prozeß zu sprechen und wann nicht. Ich meine den Athener Prozeß,[20] wo selbstverständlich etwa in einem Untertitel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 29.7.75, ohne irgendwie auch da nur die geringsten Schwierigkeiten zu haben, vom politischen Prozeß gesprochen wird, oder etwa im Spiegel, der über diesen Prozeß berichtet, wiederum die Verwendung des Wortes „politischer[k] Prozeß“ keine Schwierigkeiten bereitete selbstverständlich in anderen Zeitungen auch diese Schwierigkeiten nicht auftreten.

Ende von Band 117

[2338] Um ein richtiges Bild zu vermitteln, wie anderwärts die Frage behandelt wird, politischer Prozeß oder nicht, darf ich zitieren aus einem Artikel vom 20. Mai 1975 in der Stuttgarter Zeitung. Also ein Artikel, der sozusagen ein Einführungsartikel zu diesem Prozeß ist. Überschrift „Der Baader-Meinhof-Prozeß“. Da schreibt der Verfasser: „Einige der Verteidiger werden alles daran setzen, das Verfahren ins politische Fahrwasser zu steuern, aus ihm[l] einen politischen Prozeß zu machen.“ Das heißt also, der Verfasser ist also der Meinung, das ist kein politischer Prozeß, aber die Verteidiger, die werden daran gehen einen politischen Prozeß aus ihm zu machen. Die Definition, die der Verfasser parat hat für die Frage, ob politischer Prozeß oder nicht, geht auf folgendes ein: Der Verfasser meint, wirkliche Revolutionäre haben zuvor theoretisch ausformuliert, was an die Stelle des Alten treten soll und sinngemäß meint der Verfasser, ein politischer Prozeß ist es deshalb nicht weil dafür kein Konzept vorliege und insofern also es[m] gar nicht um die politischen Vorstellungen der Angeklagten gehe, sondern eben um schiere Kriminalität, die eben von politischen Vorstellungen vollkommen abgelöst sei. Es ist interessant, diese Stellungnahme einmal gegenüberzuhalten einer Erklärung vom Bundesjustizminister Vogel, der zu Beginn der Hauptverhandlung in einem Pressegespräch erklärt hat: „Die Angeklagten sind keine Anarchisten und die Angeklagten wissen ganz genau, was sie auf den Ruin der alten Gesellschaft aufbauen wollen.“ Also das muß man einmal gegenüber halten, einerseits sagt der Stuttgarter Leitartikel, das ist kein politischer Prozeß, weil die Angeklagten nichts davon wissen, was sie eigentlich an Stelle des Alten setzen wollen. Herr Vogel weiß aber ganz genau und hat die Erkenntnis, daß es sich um Angeklagte handelt, die sehr genau wissen, um welchen, welche Ziele verfolgt werden. Und in diesem Zusammenhang darf man auch zitieren und da wird das eigentlich am deutlichsten, weil wir ja gerade in dem Bereich der Zielsetzung sind, einen Artikel aus der Deutschen Zeitung „Christ und Welt“ vom 16. Mai 1975, der ebenfalls sich mit dem Prozeßbeginn hier in Stuttgart-Stammheim beschäftigt. In diesem Artikel heißt es, ich muß also um den Zusammenhang herzustellen, eine längere Passage daraus verlesen. Ich zitiere: „Ohne Zwang nicht unter Druck, ganz wie es sein soll, hat das Parlament all das beschlossen.“ Also er meint jetzt diese gesamten Sondergesetze,[21] die hier für dieses Verfahren geschaffen worden sind, nur den Verhältnissen Rechnung tragen. Die Verhältnisse aber haben die Terroristen geschaffen. Parlament und Regierung reagieren. Ist es keine Naturgewalt, kann es nur Politik sein, die Verfassungsorgane in eine derartige Zwangslage zu bringen vermag und dennoch überbieten sich die legitimen politischen Kräfte dieses Landes darin, den Terroristen die politische Qualität abzusprechen. Wer im Zusammenhang mit ihnen das Adjektiv politisch gebraucht, kann einhelliger Empörung sicher sein. Er verharmlose, heißt es dann, obwohl ganz offensichtlich das Gegenteil richtig ist. Vordergründig gefährden die Baader-Meinhof-Gruppe und ihre Nachfolgebanden, versteht man sie nur als Kriminelle, die innere Sicherheit nicht mehr als andere Verbrecher auch. In der Kriminalstatistik stellen sie nur einen verschwindenden Bruchteil der Straftaten auch beim Morden und anderen terrorspezifischen Delikten. Ihre Gefährlichkeit besteht darin, daß der erschossene Gegner, das beim Bankraub erbeutete Geld, die [2339] durch Paßfälschung erreichte Freizügigkeit nicht das Ziel ihrer verbrecherischen Aktivität sind, sondern nur Mittel zum Zweck. Ziel ist aber, die Gesellschaft in einem vorerst nur unklar erkennbaren sozialistisch anarchistischen Sinn zu verändern, der nicht nur aller Vernunft, sondern auch der durch Verfassung um breite Zustimmung der Bevölkerung gesicherten Ordnung der Bundesrepublik entgegensteht“. Aus diesem, aus dieser Verlautbarung ist ganz klar erkennbar, daß der Verfasser die Gefährlichkeit der Zielsetzung als das entscheidende ansieht. Und man kann da einen merkwürdigen Widerspruch sehen, oder auch nicht Widerspruch, aber eine merkwürdige Beziehung oder auch eine aufschlußreiche Beziehung, die es eben notwendig macht, das politische wegzuschneiden. Eben um der Gefährlichkeit der Zielsetzung willen und daß das politische weggeschnitten werden soll, das eben hat auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung in einem längeren Artikel über diesen Prozeß zugeben müssen, und in diesem Zusammenhang darf man auch an einen weiteren, das war der Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 30. Mai 75 unter der Überschrift „Das Prozeßmonstrum“. Da heißt es, das politische, wörtlich[n] heißt es im Artikel, das politische wird weggeschnitten. Und es wird ja so getan, als ob die Verteidigung sozusagen damit sich selbst in den Bereich der Komplizenschaft begibt, wenn sie das politische Moment in diesem Prozeß mit aller Entschiedenheit verficht. Das geht ja sogar soweit, daß man selbst die Frage der politischen Motivation, selbst die Frage der politischen Motivation in dieser Form behandelt. Ich darf erinnern an eine Äußerung von Bundesinnenminister Maihofer, der sich zu der Äußerung hat hinreißen lassen: „Im Vordergrund steht immer die Tat, das Motiv ist immer zweitrangig. Wer anders argumentiert, macht sich zum Komplicen“. Also die andersartige Argumentation ist bereits der Beweis für Komplizenschaft. Ich darf noch zwei weitere, zwei Stimmen hier. Ich habe ja in meinen früheren Ausführungen bereits einmal Adolf Arndt[22] erwähnt und vielleicht ist auch ein Zitat aus einem Aufsatz aus dem Jahr 1961 von Adolf Arndt Nutzen bringt, um hier die Aufgaben der Verteidigung, die Möglichkeiten, die eigentlich notwendigen Notwendigkeiten beleuchtet, das heißt in diesem Artikel: „Politische Spannungen wirkten zu jeder Zeit auf Strafverfahren ein, wenn eine Tat, die dem Angeklagten vorgeworfen wird, sich aus ihren politischen Beweggründen nicht ablösen läßt“. In unserer Zeit gilt dies in besonderem Maße, daraus erwächst die Frage, ob der Verteidiger befugt ist, für seinen Mandanten nicht nur in rechtlicher, sondern auch in politischer Hinsicht einzutreten und dadurch die Politik anzugreifen gegen die sich die Tat richtete und ohne deren Darstellung und Kritik es nach seiner Überzeugung kein vollständiges und richtiges Bild der Wahrheit, keine Sinnerklärung der Tat gibt und weiter heißt es in diesem Artikel; „Es darf vor Gericht kein Tabu geben, das Wort muß frei bleiben, die Freiheitlichkeit der Verteidigung ist mitentscheidend für die Freiheitlichkeit des Staates“. Und weiter: „Die unlösbar miteinander verschmolzene Rechts- und Wahrheitsfrage läßt sich nicht aus ihrem geschichtlichen Zusammenhang abtrennen. Der abzuurteilende Tatvorwurf umfaßt auch die Frage nach der sittlichen Rechtfertigung des Geschehens insgesamt, innerhalb dessen sich die Tat ereignet haben soll und von dem [2340] her sie zu deuten und zu werten ist. Wer einer Tat angeklagt ist, die sich aus politischer Überzeugung gegen einen politischen Zustand richtet, kann auch für diesen Sinn seines Verhaltens rechtliches Gehör beanspruchen“. Und weiter heißt es in diesem Artikel: „Im Unterschied zu freien, zu unfreien Staaten, wird es die Kraft des Rechtsstaates sein, daß er sich selbst in Frage stellen lassen kann, weil er sich dem Recht und der Wahrheit verpflichtet und sich seiner selbst gewiß weiß. Wenn sie das mit den heutigen Verhältnissen vergleichen, wo allein die Verwendung des Wortes Isolationsfolter einen Anwalt ins Gefängnis bringen kann,[23] dann weiß man, ob hier noch der Anspruch auf Rechtsstaatlichkeit erhoben werden kann oder nicht. Die Prozeßhygiene, um die man so krampfhaft bemüht ist, muß allerdings zwangsläufig mißlingen. In ihrem Wahn, alles politische aus diesem Verfahren zu verbannen durch Sondergesetze, Sondermaßnahmen und Sonderbehandlung, durch Sondergebäude,[24] durch Sonderrechte für die Bundesanwaltschaft durch Sonderauflagen für die Verteidigung, geraten die Staatsschutzorgane mit ihrer These, mit Politik habe dieses Verfahren nicht das Geringste zu tun, unweigerlich in Widerspruch, weil die politische Bedeutung dieses Verfahrens und seiner Auswirkungen täglich aufs neue durch Eingriffe des Gesetzgebers, der Exekutive, durch Kommentierung von Ministern und sonstigen Trägern höchster Exekutivämter. Ich meine, ich darf mal daran erinnern, daß Herr Bundesjustizminister Vogel ja allmählich zum Chefkommentator hier aufsteigt dieses Verfahrens, wenn man seine verschieden publizistischen Aktivitäten ansieht im Vorwärts, in der Quick, in der TZ, nicht wahr, wenn da Bayerns Stimme aus Bonn, in der TZ vom 30.7. „Der Prozeß“, das ist der Ressortminister, der Ressortminister, nicht und der hier die Verteidigung zensiert, allerdings sehr abwegige Rechtsauffassung vertritt, ich würde mich da mehr zurückhalten. Oder hier ein großer Artikel in der TZ: „Herr Minister, macht sich die Deutsche Justiz lächerlich. Wir müssen mit Gelassenheit reagieren“. Das ist auch ein Eingriff ins Verfahren, eine solche kommentierende Tätigkeit. Durch diese sich ständig wiederholenden Eingriffe wird die politische Bedeutung dieses Verfahrens täglich neu bewiesen. Die für dieses Verfahren Verantwortlichen können der Logik der von ihnen verfolgten eigenen politischen Zwecke, die die Unterdrückung der politischen Argumentation der Angeklagten sowie ihrer Vernichtung zum Ziel hat, nicht entrinnen, sie werden von dieser Logik eingeholt. Das Urteil in diesem Verfahren steht fest. Der Bundeskanzler und viele andere haben es bereits verkündet. Die in der Bundesrepublik viel gelesene Neue Züricher Zeitung hatte bereits zu Prozeßbeginn die richtige Analyse in einer Besprechung der am Vorabend der Hauptverhandlung ausgestrahlten Fernsehsendung im, in der ARD „Parat“. Ich zitiere: „Das letzte Wort der Sendung erhielt der Rechtsprofessor, der einen Freispruch für eine Selbstverständlichkeit hält, falls das Gericht sich gegenüber den Verteidigern nicht durchsetzen kann. Die verheerenden politischen Auswirkungen, die verheerenden politischen Auswirkungen eines solchen Prozeßausganges wurden dagegen mit keiner Silbe angetönt“. Was heißt eine solche Kommentierung im Klartext. Auch nur die Möglichkeit eines Freispruchs zu diskutieren ist verwerflich, weil ein ein freisprechendes Urteil einer politischen Katastrophe gleichkämen. Das ist der Klartext dieses Kommentars. Und der hat ja, es ist ja sozusagen ein Echo auf das, was aus dem Mund der Politiker, deren[o] Erklärungen ich hier ja ausführlich zitiert habe, zu hören war. Wenn die Alternative [p] [2341] Ich kann im übrigen diese Zitate natürlich, ich kann die ergänzen und könnte sie stundenlang ergänzen, ich meine es gehört dazu, zum Beispiel, wenn die Berliner Morgenpost schreibt: „Mit Entschlossenheit, Geduld und Gelassenheit wird die Justiz auch den Stuttgarter Prozeß zu Ende führen.“ Dafür spricht die Erfahrung. Es hat bereits über 60 rechtskräftige Verurteilungen von Terroristen gegeben, nicht also entschlossen, gelassen, Geduld, geduldig, aber Verurteilung. Das ist das selbstverständliche Ergebnis. Nach ich will das nicht jetzt mit Zitaten weiter vertiefen, aber die Frage stellt sich, wenn die Alternative Freispruch einerseits, oder politische Katastrophe andererseits ist, soll dann eigentlich noch von einem fairen Verfahren die Rede sein. Wer will da noch die Stirn haben von einem fairen Verfahren zu sprechen. Aber viel bedenklicher und es ist eigentlich die letzte Steigerung dessen, was sich, was mit diesem Verfahren verbunden ist, nicht nur das Urteil, nicht nur das Urteil in diesem Verfahren ist vorprogrammiert, sondern auch seine Vollstreckung. Der Isolationstrakt, in dem die Angeklagten eine lebenslängliche Freiheitsstrafe verbüßen sollen, ist in der Haftanstalt Bruchsal nach den vorliegenden Informationen fertig gestellt. Das ist ein Isolationstrakt, der folgende Beschaffenheit aufweist, im ersten Stock befindlich des ersten Flügels der Vollzugsanstalt Bruchsaal, 16 Hafträume mit 8 Isolierzellen, in die Decken der Zellen werden Schächte eingebaut, die später die totale Überwachung der Gefangenen durch Fernseheinrichtungen oder andere technische Vorrichtungen ermöglichen soll, die Wände bestehen neben dem Rest der alten Backsteinmauer aus einer Hartbetonschicht von 5 bis 8 cm Stärke, um die sich ein Metallgitter schließt, einer Isolierschicht aus Glasfaser, Styropor von gleicher Stärke und einer 10 cm harten, einer 10 cm starken Hartbetonschicht.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt.

RA Sch[ily]:

Es handelt sich ...

Vors.:

Ich bitte um Entschuldigung, die Bundesanwaltschaft ...

BA Dr. W[under]:

Eine ganz kurze Frage Herr Rechtsanwalt, verraten Sie uns doch bitte, wo Sie diese Dinge herhaben? Das interessiert uns alle.

RA Sch[ily]:

Ja, ich bin gern bereit, ich werde hier Zeichnungen von den Zellen zu den Gerichtsakten überreichen und bin dann auch gern bereit Ihnen die Zeugen zu benennen, im übrigen würde ich doch nachher, ich komm noch darauf zurück Herr Wunder, vielleicht gedulden Sie sich einen Moment.

Vors.:

Darf ich aber dazwischenrein sagen, Herr Rechtsanwalt, ich sehe den Sachzusammenhang zum Antrag an sich nicht mehr die Beschreibung, ich möchte aber den Eindruck verhindern, als sollten Sie nicht auch diese Dinge vortragen können, bloß bitte ich das im Rahmen zu halten.

RA Sch[ily]:

Wissen Sie Herr Vorsitzender, ich habe Ihnen schon einmal erklärt, daß der Sachzusammenhang, das überlassen Sie der Verteidigung.

[2342] Vors.:

Nein, nein, das kann ich nicht.

RA Sch[ily]:

Doch, doch, doch das überlassen Sie der Verteidigung, aber das ist sehr, es ist durchaus ...

Beifall im Zuschauerraum.

... es ist durchaus ...

Vors.:

Ich bitte den Herrn festzustellen, der hier so eifrig ist um klatschen zu müssen.

RA Sch[ily]:

Es ist durchaus ein, wiederum ein Hinweis auf die ...

Vors.:

Entschuldigung Herr Rechtsanwalt, darf ich ...

RA Sch[ily]:

... daß sie ausgerechnet an dieser Stelle ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich möchte dem Herrn sagen, ich verwarne ihn, ich weiß jetzt, um wen es sich handelt, wenn Sie sich nochmal so laut benehmen, dann werden Sie die Verhandlung nicht weiter verfolgen können, das wäre ja ihr eigener Nachteil, bitte Herr Rechtsanwalt.

RA Sch[ily]:

Es handelt sich um Spezialzellen in Tresorbauweise, die der Lüftung im übrigen durch ein externen An- und Absaugkanal bewirkt wird. In der Stuttgarter Zeitung vom 30. Juli 1975 wurde eine Erklärung des Stuttgarter Justizministeriums veröffentlicht, die nach Meinung offenbar des Stuttgarter Justizministeriums ein Dementi darstellen sollte, diese Erklärung, Dieses Dementi ist aber nichts anderes als das Eingeständnis, daß dieser Isoliertrakt für die Angeklagten dieses Verfahrens bestimmt ist.

Ende Band 118.

[2343] RA Sch[ily]:

In dieser Erklärung des Justizministeriums wird nämlich eingeräumt, daß es in Bruchsal einen Trakt mit schallgedämpfter Decke für lebenslängliche aufrührerische Gefangene gebe, die politisch agitierten. Diese Zellen seien von anderen abgesondert, aber, so behauptet man, keineswegs isoliert. Es sei nicht ausgeschlossen, daß Baader-Meinhof-Häftlinge nach ihrer Verurteilung nach Bruchsal kommen. Inwiefern schallgedämpfte abgesonderte Zellen nach Meinung des Justizministeriums keineswegs isoliert sind, ist das Geheimnis des Sprechers des Justizministeriums geblieben, und die Glaubwürdigkeit solcher Erklärungen, die ist ja nach früheren Verlautbarungen ohnehin längst dahin. Kein Geheimnis ist aber, daß es außer den Angeklagten, denen stets zugeschrieben wird, daß sie politisch in den Gefängnissen agitieren, keine anderen lebenslänglichen Häftlinge in Baden-Württemberg gibt, die der politischen Agitation in Gefängnissen bezichtigt werden. Der neu erbaute Isolationstrakt der Haftanstalt in Bruchsal kann demnach ausschließlich für die Unterbringung der Angeklagten dieses Verfahrens bestimmt sein, wobei das „Dementi“ des Stuttgarter Justizministeriums folglich auch der Beweis dafür ist, daß das auf lebenslängliche Freiheitsstrafe lautende Urteil gegen die Angeklagten längst gesprochen ist. Und was das bedeutet, dazu darf man vielleicht unter anderem auch zitieren aus einem kürzlich erschienen Bericht in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 14.8.1975, ein Prozeßbericht über den Folterprozeß in Athen. In diesem Folterprozeß wurde der Vizeadmiral Engolfopulos vernommen und der darüber berichtet hat, über seine Unterbringung in der Isolierzelle des Militärgefängnisses.[25] Und dieser Vizeadmiral hat dazu erklärt: „Isolation ist die schlimmste Form der Folter“, das sagt der Vizeadmiral Engolfopulos. Das ist glaube ich wichtig einmal eine solche Stimme zu hören, um alle die Stimmen zum Schweigen zu bringen, die gerne die Behauptung aufstellen, daß wenn hier von der Verteidigung von[q] Isolationsfolter gesprochen wird, daß das genau der korrekte Ausdruck ist. Ich glaube, um den politischen Hintergrund dieses Prozesses zu sehen, ist es nützlich, einmal auch noch zur Kenntnis zu nehmen, und damit möchte ich meine Ausführung schließen, was ein von der Bundesanwaltschaft sicher als kompetent angesehener Mann dazu zu sagen hat und ich zitiere aus einer Mitschrift des Hessenforum, in der der Präsident des Bundeskriminalamtes Herold unter anderem folgendes erklärt hat: „Eine Frage ist, ob der Terrorismus in seinen Erscheinungsformen in Deutschland, wie aber auch in der ganzen Welt, ein Produkt der Hirne der Täter ist, der Baaders und der Meinhofs, so vielleicht auch der kranken Hirne wie mancher ja auch behauptet. Oder ob der Terrorismus eben eine Widerspiegelung ist, gewisser gesellschaftlicher Situationen der westlichen Welt, aber auch in der Östlichen und daß der Terrorismus gewissermaßen im Überbau lediglich die Probleme reflektiert, die objektiv bestehen. Das ist eine gewichtige Frage zu entscheiden, nicht nur für das Verhältnis Polizei und Politik, wer vorrangig denn den Terrorismus zu bekämpfen habe, ob die Polizei oder die Politik. Ich meine, die Politik, wenn es darum geht, die Verhältnisse zu ändern, unter denen Terrorismus entstehen kann oder überhaupt möglich ist. Und die zweite Frage ist, ob hier mit der Entwicklung des Terrorismus in unserem Lande nicht Indizien sichtbar werden, für eine objektive Gesetzmäßigkeit einer historischen Entwicklung. Oder verkürzt, sehr verkürzt gesagt, [2344] ob hier der Terrorismus nicht eine neue Form des Ersatzkrieges, des Volkskrieges, des Kleinkrieges, des Guerillakämpfers darstellt, ob er den großen Krieg, der im Augenblick Gott sei Dank in der ganzen Welt nicht stattfindet, oder wenn er statt findet, nur noch Tage dauert, Zypern, Israel ersetzt. Jedenfalls gibt es gewichtige Indizien dafür, daß ein solcher historischer Prozeß im Gange ist. Beginnend im vorigen Jahrhundert bis zu den Partisanen des zweiten Krieges und eingeschlossen Ben Bella[26] und [r] Kruma[27] und Fidel Castro[28] und Mao-Tse-Tung[29] und die Erscheinungen in Argentinien[30] und Nordirland[31] und bei uns in der Bundesrepublik in Italien[32] usw. Wenn es sich hier nicht um subjektive, sondern um objektive Faktoren handelt, dann müssen wir eine andere Bekämpfungsform vornehmen als bisher. Dann nützt es nichts, dann nützt es nichts auf die Köpfe etwa einzuschlagen oder wie manche fordern sie abzuschlagen, sondern dann gilt es eben, auf die historischen Ursachen auf die Gesetzmäßigkeiten einzuwirken, das ist die eine Seite der Verursachung, die andere Seite ist, was die Leute denn eigentlich wollen. Im Kern kann man sagen eigentlich zwei Haupttendenzen. Die eine Tendenz ist der bewußte Aufbau von Gegenmacht gegenüber diesem Staat oder die Leugnung des staatlichen Gewaltmonopools, Aufbau von Gegenmacht mit dem Ziel eben in einem Prozeß von dem man dann auch in irgendeiner Phase Spontanität erhofft, die Loyalitäten der Bürger allmählich auf sich zu lenken. Deshalb werden wir auch in dem gesamten Kampf nicht nur militärische Kategorien verwendet, sondern zunehmend auch, wenn Sie so wollen, ich spreche das ungern aus, aber die Tendenz dahin zeichnet sich ab, gleichsam völkerrechtliche Kategorien einzuführen. Ich darf Sie auf das Gutachten eines Rechtsprofessors, der doch auch einen gewissen Namen hat hinweisen. Der ja schon behauptet, hier handele es sich nicht eben um eine Form von Kriminalität sondern um eine völkerrechtliche Auseinandersetzung, bei der es nötig sei, dann auch jenen Kämpfenden die Vergünstigungen der Genfer Konvention[33] zuzubilligen. Ich will nicht sagen, daß das so ist oder daß die Tendenz dahingeht, aber daß die Terroristen eine solche Entwicklung der Partnerschaft erstreben als Gegenmacht, haben mir doch die Ereignisse um Lorenz[34] bewiesen. Hier ist als Partner der Staat aufgetreten und zwar über Tage, das muß man doch sagen in einer Regierungsfunktion weitgehend gelähmt, er hat also gegen Machtsymbole erreicht. Und ein letztes Zitat aus dieser Erklärung von Herold: „Natürlich handelt es sich hier nicht um ein isolierten Prozeß in der Bundesrepublik, dem wiedersprechen schon die Erkenntnis der Polizei über diese enorme Reisebewegung der unterstützenden Szene oder jener, die präsumtive potentielle Unterstützer sind in das Ausland. Die Reisebewegungen haben ja einen beängstigenden Umfang angenommen. Dann wird nicht nur hier sondern auch geistig eine zunehmende und rapide Internationalisierung des Gesamtphänomens sichtbar. Und in der Tat zeigen sich ja eben eine Vielzahl von Verknüpfungen im europäischen aber auch im außereuropäischen Bereich. Die Frage, wie man das betrachtet, ob man das sieht eben auch als einen[s] subjektiven Prozeß, ich möchte das fast nach mehreren Jahren Befassung mit diesem Phänomen verneinen. Ich sehe hier ein objektiv in Gang gesetzten Prozeß, der eben weltweit ist und der gewissermaßen am Ende stehen hat eine gewisse Verpolizeilichung des Krieges. Während der große Krieg eben zunehmend an Substanz verliert und zwischen Nationen, weil diese ihre geschichtsbestimmende und geschichtsverwirklichende Kraft weitgehend verloren haben, tritt eben eine neue Form der Aggressionsentladung ein, die nur international begriffen werden kann.“ Soweit das Zitat von Herold. [2345] Und dieses Stichwort von der Verpolizeilichung des Krieges, das führt die Ausführung an den Anfang zurück, in der dargestellt worden ist, daß dieses Verfahren ein Kriegsinstrument ist, ein politisches Kriegsinstrument, und schon aus diesem Grunde die Fairness des Verfahrens nicht gewährleistet ist.

Vors.:

Weitere Wortmeldungen zu diesem Antrag. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich hatte mich für Herrn Baader diesem Antrag angeschlossen und bitte zur weiteren Begründung zunächst Herrn Baader das Wort zu erteilen.

Vors.:

Wollen Sie selbst auch noch später hinzufügen, weil Sie von zunächst sprechen?

RA Dr. H[eldmann]:

Ja, ich möchte selbst auch.

Vors.:

Gut, Herr Baader.

Angekl. B[aader]:

Ich möchte zunächst mal feststellen. Sie haben mich im Verlauf des Verfahrens bisher 152 mal, nach unseren Zählungen im Protokoll, unterbrochen. Und ich habe eigentlich vor, diesen Antrag relativ ausführlich zu begründen. Ich habe aber kein komplettes Manuskript hier. Und ich will Sie jetzt fragen, ob Sie vorhaben, mich wieder zu unterbrechen, sowie die Argumentation inhaltlich wird bzw. politisch wird. Dann hat es nämlich gar keinen Sinn überhaupt erst anzufangen mit der Begründung. Möchten Sie darauf antworten?

Vors.:

Nein. Fahren Sie fort.

Angekl. B[aader]:

Was heißt, fahren sie fort. Ich habe Sie gefragt, ob Sie wieder vorhaben, mich bei dem geringfügigsten Anlaß, bei Zusammenhängen, die Sie nicht verstehen, oder die Sie stören, zu unterbrechen. Dann fange ich nämlich gar nicht erst an, weil es auch für mich eine sinnlose Anstrengung ist.

Vors.:

Herr Baader, Sie kennen ja die Bedingungen. Wenn Sie sich in Ihrer Ausdrucksweise an das halten, was man in einem Gerichtssaal für angemessen noch ansehen kann, werden Sie keine Gefahr laufen, unterbrochen zu werden.

[2346] Angekl. B[aader]:

Damit manipulieren Sie doch schon wieder auf eine ziemlich deutliche Weise. Sie haben mich auch unterbrochen und Sie haben mich wesentlich immer dann unterbrochen, wenn es um inhaltliche Bestimmungen ging, nicht um irgendwelche Ausdrücke, sondern wenn es um inhaltliche Bestimmungen ging, die Sie gestört haben. Es ist ja auch so, um das mal klar zu machen: Wenn der Zusammenhang nicht unmittelbar in jedem Satz hergestellt ist für Sie sichtbar, weil Sie weitergehende Zusammenhänge nicht erkennen das hat sich ja nun wirklich gezeigt in den drei Monaten dann unterbrechen Sie ja hier im allgemeinen. Ja möchten Sie vielleicht wenigstens zuhören. Und ich halte es einfach einmal für wesentlich, das in Beziehung zu setzen, die Art und Weise, wie Sie mich wirklich in jedem zweiten oder dritten Satz bisher unterbrochen haben, wenn ich versucht hab, was zu sagen, zu dem, was Sie der Bundesanwaltschaft in diesem Verfahren gestatten. Also letzte Woche zum Beispiel, wo Zeis mit seinen dummen Witzchen ...

Vors.:

Herr Baader, kommen Sie jetzt bitte zur Sache.

Angekl. B[aader]:

... hier eine dreiviertel Stunde neben der Sache hergequatscht hat und nicht unterbrochen wurde.

Vors.:

Herr Baader, Sie haben jetzt die Möglichkeit, zur Sache zu kommen. Bitte ergreifen Sie die Gelegenheit.

Angekl. B[aader]:

Na schön. Also wir würden sagen, das Problem bei diesem und bei jedem juristischen Versuch der Anwälte, uns, und die zwischen sich, ihre gesetzliche Funktion und darin auch die Verfassungsruine, wie gesagt worden ist, zu verteidigen, ist eine Aussichtslosigkeit. Was sich eigentlich schon daran zeigt, daß Prinzing diesen Einstellungsantrag, der doch ziemlich solide fundiert ist, innerhalb von fünf Stunden ablehnen wollte, wie er hier am vorletzten Verhandlungstag angekündigt hat. Also innerhalb von fünf Stunden wollte er sozusagen einen Antrag, der drei Stunden vorgetragen worden ist und von dem er kein Manuskript hatte, ablehnen. Und das ist ganz sicher. Es ist jetzt schon sicher, daß natürlich in der Ablehnung inhaltlich auf den Antrag nicht eingegangen wird, keine Spur. Das Verfahren hier kann gesetzlich [2347] nicht eingestellt werden, nachdem es seit fünf Jahren ungesetzlich, oder wie Maihofer sagt, übergesetzlich[35] geführt wird und zwar nicht von der Justiz, sondern als Funktion einer militärisch konzipierten, konterrevolutionären Mobilisierung der Exekutive. Ich werd’ dazu jetzt noch einmal Herold verwenden aus dem Hessenforum. Und das wird ja auch zulässig sein, nachdem er[t] uns seit 5 Jahren so exzessiv verwendet, z.B. um seinen Apparat aufzublähen. Schily hat zitiert, Herolds Frage nach den Ursachen des Terrorismus. Wobei allerdings wesentlich ist, daß der Begriff des Terrorismus, und das haben wir hier schon einmal erklärt, wie Herold ihn verwendet, nach den Bedürfnissen der psychologischen Kriegsführung verbogen ist, umgekehrt ist. Stadtguerillas ist weder als politisches Konzept Terrorismus, noch ist ihre Aktion militärtaktisch in der historischen und militärwissenschaftlichen Bedeutung dieses Begriffs zu fassen. Aber Herold fragt das aus dem Hessenforum nochmal, ob der Terrorismus in seinen Erscheinungsformen[u] in Deutschland, wie auch aber[v] in der ganzen Welt, ein Produkt der Hirne der Täter ist, der Baader-Meinhofs. Das ist doch ein ganz interessanter Plural, der Baader-Meinhofs. Es gibt Baaders und Meinhofs, das ist interessant. Oder ob der Terrorismus eben eine Widerspiegelung ist, gewisser gesellschaftlicher Situationen in der westlichen Welt, aber auch der Östlichen, und daß der Terrorismus gewissermaßen im Überbau lediglich Probleme reflektiert, die objektiv bestehen. Dazu muß man mal sagen also weil das alles wirklich sehr schwierig ist, wenn man sich auf so etwas einläßt, man muß es auflösen und ich finde das also auch zu kritisieren, daß es Schily nicht aufgelöst hat, daß diese ganzen[w] Kategorien falsch verwendet werden. Also wie das einfach ist, wie fatal sich das anhört, wenn ein Polizist, ein Bulle, versucht, sich in marxistischen Kategorien auszudrücken. Denn Überbau heißt, und könnte hier nur heißen, der staatliche Überbau über die Produktionsweise der Ökonomie. Auf revolutionäre Organisation ist der Begriff des Überbaus überhaupt nicht anzuwenden. Und so wird es dann schließlich auch wahr, wie wir gesagt haben, der staatliche Terrorismus reflektiert allerdings Probleme des Kapitals an der ökonomischen Basis als Objektive, die dort als Objektive bestehen, Krise zum Beispiel, Auflösung des Wertgesetzes, penjeciller[x] Fall der Profitrate, Befreiungskriege, während[y] die Strategie der Stadtguerillas nur, nur wie[z] er[aa] sagt, aus [2348] dem gesellschaftlichen Reflex der Widersprüche, die er Probleme nennt, entsteht, möglich ist, als eine revolutionäre Transmission. Das wäre also zunächst mal die korrekte Bestimmung. Er sagt dann aber weiter, ob der Terrorismus in Deutschland nicht Indiz ist für eine objektive Gesetzmäßigkeit einer historischen Entwicklung. Oder sehr verkürzt gesagt, ob er nicht eine neue Form des Ersatzkrieges, des Volkskrieges, des Kleinkrieges, des Guerillakampfs darstellt, ob er den großen Krieg ersetzt. Wenn es sich hier nicht um subjektive, sondern um objektive Faktoren handelt, dann müssen wir eine andere Bekämpfungsform vornehmen als bisher. Dann nützt es nichts, ich finde es wichtig, das nochmal zu wiederholen, was sich darin eigentlich abbildet, daß es durchaus zwei Linien gibt, also die Linie, auf die Köpfe einzuschlagen und das ist die Linie Prinzing, durch seine Anordnung der Isolation verfolgt, und das ist die Linie, die die Bundesanwaltschaft durch ihre Anordnung der Isolation, durch den Trakt,[36] durch Folter seit drei Jahren verfolgt. Und es gibt natürlich den Versuch ich werde das noch genauer erklären das Problem, wie es Herold erscheint, in rechtlichen Normen, zu bewältigen. Also wenn es also nichts nützt, dann nützt es nichts auf die Köpfe einzuschlagen, oder wie manche fordern, sie abzuschlagen, sondern dann gilt es eben auf die historischen Ursachen, auf die Gesetzmäßigkeiten einzuwirken. Wir stellen dazu mal kurz fest, tatsächlich kurz, Ursache, historische Ursache ist der Bruch zwischen Basis, also der[bb] Vergesellschaftung der Produktion, internationaler Kapitalkonzentration und dem Überbau, hier[cc] dem[dd] bürgerlichem Staat in seiner Funktion, das kapitalistische Produktionsverhältnis gegen die Tendenz der Produktivkräfte zum Sozialismus aufrecht zu erhalten. Als allgemeine Bestimmung wird in diesem Bruch Guerilla als revolutionäre Strategie möglich, entsteht sie und entwickelt sie sich. Und in diesem Bruch ist so auch die Reaktion determiniert. Die staatliche Strategie des Kapitals kann nur versuchen, und das[ee] bildet sich in allen gesellschaftlichen Bereichen ab, den Widerspruch faschistisch zu lösen. Wobei Sache ist, daß dieser Faschismus vom alten nationalbornierten Faschismus unterschieden ist, dadurch, daß er nicht als reaktionäre Strategie der nationalen Monopole, des nationalen Kapitals, vermittelt über eine nationalistische Bewegung, Mobilisierung, den Staat übernimmt und die Gesellschaft [2349] durchsetzt, sondern daß dieser neue Faschismus entsprechender Tendenz des internationalen Konzentrations- und Monopolisierungsprozesses als Strategie des Führenden, des US-Kapitals sich den Nationalstaat als Funktion seiner Weltinnenpolitik verfügbar macht, und über den Nationalstaat die nationalen Gesellschaften durchdringt, d.h. der Nationalstaat wird Maschine des international organisierten Kapitals gegen die Nation, gegen des Volk tendenziell. Der bürgerliche Verfassungsstaat, als Ausdruck der Klassengegensätze im nationalen Rahmen, muß in der antagonistischen Entwicklung zwischen Vergesellschaftung der Produktion und internationaler Kapitalkonzentration, internationaler, durch den starken Staat, wie die Sache jetzt genannt wird, also faschistisch aufgelöst, transformiert werden, oder die Auflösung des Kapitalverhältnis zersetzt ihn in der Reife dieses Widerspruchs und er wird revolutionär aufgehoben. Das ist genau dieser Widerspruch, indem sich gegen, also auch durch revolutionäre Initiative, durch bewaffnete Politik in den Metropolen der Schein - und dafür ist das Verfahren hier beispielhaft - der Schein, die bürgerliche Ideologie, der bürgerliche Staatsbegriff selbst aufgibt. Und dazu ist zu sagen, daß Entideologisierung eine wesentliche Transmission der Insurrektion ist. An ihrer Strategie bricht die staatliche Apologie des Kapitalverhältnis, bricht das Projekt der totalen Verrechtlichung des Klassenwiderspruchs im Imperialismus. Und der Staat ist gezwungen, als der zur Gesellschaft antagonistischer Apparat des kriegsführenden Kapitals, offen aufzutreten. Das ist der Prozeß, in dem sich schon abbildet, wie der Angriff quantitativ kleiner Gruppen, durch die Vermittlung der offenen Counter-Bewegung eine neue Qualität bekommt, in der er massenhaft werden kann. In diesem Widerspruch, Faschismus oder Revolution, ist unsere Politik allerdings konkreter Reflex dessen, was Herold objektive Probleme nennt. Und er nennt das natürlich so, um seinen Apparat und seine Strategie der Verpolizeilichung der Gesellschaft als den Versuch reaktionärer Bewältigung anzubieten. Ich würde schon sagen, bei Herold ist es besonders deutlich, denn er ist auch der Mann, der diesen Krieg führt, letztlich. Er sagt, die Tendenz der Verpolizeilichung des Krieges und Verlagerung der militärischen Auseinandersetzungen nach innen, und ich bin der Mann, der diesen Krieg zu führen hat, also gibt mir den Apparat, gib mir das Geld und [2350] vor allen Dingen gebt mir die politische Macht. Denn er behauptet ja z.B. für seinen[ff] Militärapparat, ein gesellschaftliches Erkenntnisprivileg, ich weiß nicht, ein ziemlich bekanntes Zitat von ihm, ein gesellschaftliches Erkenntnisprivileg behauptet dieser Polizist. Und das ist tatsächlich eine totalitäre Wortschöpfung. Und er fordert, auf der Basis dieser Behauptung, ja direkt verfassungsmäßig verankerte, legislative Kompetenz. Also er hat verlangt, praktisch Gesetze machen zu können, wo sie noch nicht für ihn gemacht werden. Er fordert damit politische Macht. Und ich würd schon sagen, daß sich darin tatsächlich der strategische Zwang der Reaktion ausdrückt, die Unterscheidung zwischen Polizei und Politik, über deren Verhältnisse er immerhin gesprochen hat, auflöst. So muß man auch verstehen, wenn er die Frage der objektiven Ursachen bestimmt als wesentlich dafür, für das Verhältnis Polizei und Politik, bzw. als wesentlich dafür, wer den Terrorismus, wie er sagt, den zu bekämpfen hat, die Politik oder die Polizei. Und er sagt dann natürlich, ich meine die Politik. Das muß man schon sehen zusammen mit seinem politischen Machtanspruch, den er permanent anmeldet. Die Justiz fällt ihm überhaupt nicht ein, das ist ganz interessant. Die fällt vollkommen raus. Und er kann sie natürlich auch rauslassen, weil er ganz richtig sieht, daß die Justiz in den Verfahren gegen uns, also in den Verfahren gegen die Stadtguerilla, vollständig von der Polizei instrumentalisiert ist. Die historischen Ursachen, auf die Herold einwirken will, vermutlich mit so subtilen Instrumenten, wie dem neuen Polizeigesetz, wird ihm allerdings entzogen bleiben. Auf die Gesetzmäßigkeiten, wie er ja auch sagt, wirkt das System hier, das System, dem Herold dient, nicht ein. Es reagiert in ihm. Und seine Reaktion entwickelt den Widerstand, den sie bewältigen soll. Herold propagiert den Polizeistaat. Das ist ganz klar. Da gibt es auch eine ganz eindeutige historische Analogie. Und ich würde mal sagen, das ist eine der grotesken Konstellationen, die die Deformation des imperialistischen Staates erklärt, in der hier verfahren wird. Es ist Herold, der Polizist, der um rechtliche Normen gegen die[gg] Guerilla ringt, sozusagen, schließlich völkerrechtliche Normen, weil sie für seinen Machtanspruch funktional sind, während der Richter Prinzing aus seiner Unfähigkeit zum Begriff seines Gegenstands zu kommen, die rechtlichen Normen liquidieren muß, in diesem Prozeß, und sie dauernd [2351] liquidiert, in dem Versuch, eine explizit politische Konfrontation im Tümpel eines Kriminalprozesses zu bewältigen, in dem er sich orientieren kann. Herold ist auf der Hohe der Reaktion. Aber ich würde sagen, beide Linien sind Ausdruck des rechtlichen Vakuums und seines Legitimationslochs, in dem das Verfahren hier läuft, also das Verfahren, nicht der Prozeß, seit der ersten Aktion der RAF. Beide Linien charakterisieren das Verfahren als militärische Vollstreckung. Und beides ist Ausdruck des Widerspruchs, in dem der Staat nur noch gegen seine Konstitutionalität reagieren kann, als Beispiel diese Punkte historische Notstandsgesetze, Berufsverbote, Sondergesetze gegen Insurrektion. Der Staat bricht die Verfassung, und in diesem Bruch zerfällt jede ideologische Vermittlung. Das bleibt - und hier ist es besonders deutlich - ist das Ideologiesurrogat des Staatsschutzstaates, psychologische Kriegsführung. Sie ist genau der Inhalt dieser Veranstaltung hier, und so geht es hier auch nicht um Recht, so ringt hier der Staat mit allen Mitteln, über die er verfügt - und das hat ja Schmidt oft genug, daß es um alle Mittel geht - also mit allen Mitteln, über die verfügt, - und das sind eben alle organisierten Mittel der Repression, der Lüge, der Manipulation der Technik -, um die Selbstdarstellung imperialer Omnipotenz gegen die in unserer Politik, in der Insurrektion bewußt artikulierte historische Tendenz, in der er, der Staat, zur Gesellschaft antagonistisch wird, also illegitim. Das ist die gleiche Entwicklung, in der die Guerilla ihre Legitimität, den Sinn ihrer Politik, aus dem Legitimationsverfall, dem Legitimationsdefizit der herrschenden Gewalt bezieht.

Ende von Band 119

[2352] Denn die politischen Ziele der Guerilla, und das, was sich von ihnen in ihren Kampfmethoden vermittelt, erzeugen Erwartungen und Haltungen, die an Gebrauchswert orientiert sind, nicht im Tauschwert, dessen Grundlage in der objektiven Tendenz zur Vergesellschaftung der Produktion hinfällig, zerfressen wird. Er verliert seinen gesellschaftlichen Sinn, die materielle Basis seiner ideologischen Begründung. Und so erklärt sich, daß eine falsche Analyse der Auseinandersetzung als überzogene, panische, unverhältnismäßige, oder wie wir gesagt haben, überdeterminierte Reaktion des Staates gegen die Politik der Guerilla darstellen muß, in der Tendenz tatsächlicher Auseinandersetzung in die Sinngehalte politische Praxis, in den Sinn einer politischen Praxis, denn der Staat ist als Funktion des monopolistischen Kapitals in und aus der Entwicklung seiner Krise in dieser Auseinandersetzung gezwungen, durch administrative Planung seine Kontrolle auf gesellschaftliche Bereiche auszudehnen, die seinem Zugriff historisch bislang entzogen waren. Er ist in der Funktion der Aufrechterhaltung der Herrschaft des Tauschwerts für diese Expansion gezwungen. Und daran entwickeln sich zwangsläufig, in diesem Zwang, Strategien der Ideologisierung, mit denen das überproportionale Legitimationsbedürfnis kompensiert werden soll. Es entsteht als Folge der Expansion in dieser Entwicklung mehr ein Defizit, in dem die materielle Realität und Grundlage, die den Legitimationsideologien der Herrschaft im Prozeß ihre Expansion entrissen wird, durch psychologische Kriegsführung, als Ideologie sogar, künstlich, das heißt, durch die geplante Ausdehnung seiner Repressionen[hh]. Aber Repressionen erzwingt Unterwerfung und bewirkt nicht ihre Legitimität. Allerdings entwickelt staatliche Repressionen[ii] mit dem Widerstand auch dessen Legitimität. Wozu jetzt noch zu sagen ist, daß das Projekt der totalen staatlichen Durchdringung der Gesellschaft die faschistische Tendenz zum totalen Staat [jj] ein vom alten Faschismus qualitativ verschiedener Prozesse ist - und das auch noch mal zur psychologischen Kriegsführung - weil sie wissenschaftlich konzipiert und instrumentiert ist. Ich kann das vielleicht später nochmal erklären. Wenn Schmidt vorige Woche davon spricht, daß die wesentlichen Gefahren für die wesentlichen Industriestaaten ökonomischer und psychologischer Natur sind, [2353] spricht er genau darüber. Schmidt als Apologet des Staates psychologisiert die ganze Gesellschaft. An Stelle der Politik, als eines gesellschaftlichen Prozesses, setzt er die Psychologie und damit programmatisch sozusagen die wissenschaftlich instrumentierte Strategie, psychologische Kriegsführung zum Beispiel. Ich finde das sehr beispielhaft. Er propagiert einen Begriffsapparat, der keine gesellschaftliche Legitimation mehr braucht und hat. In ihm ist die manipulative Durchdringung der Gesellschaft durch den Staat zum Programm erhoben. Allerdings sagt er auch was über seine Bedingungen, die Tendenz zum Antagonismus zwischen Gesellschaft und Staat, zwischen den Produktivkräften und dem Produktionsverhältnis, das der Staat ausdrückt. Es ist dieser Antagonismus, in dem der Staat mit den faschistischen Strategien der inneren Sicherheit reagiert. Sie bestimmen, um das nochmal zu sagen, die Konzeption dieses Verfahrens und des Prozesses hier bis in jedes Detail. Der Staat steht hier als Staat im Klassenkrieg nach innen. Es ist[kk] der Prozeß, den Brückner gefaßt hat, als innerstaatliche Feinderklärung am Prozeß, in dem jede politische Opposition und das beweisen wirklich die letzten drei Jahre außerhalb und innerhalb der ideologischen Staatsapparate - in den Gewerkschaften, zum Beispiel, und die Parteien sind in der Bundesrepublik Teil des Staatsapparats, Sie sind verstaatlicht repressiv bekämpft, ausbürgert und schließlich illegalisiert und vermittels eine dem technologischen Niveau der Produktion entsprechenden Kontroll-[ll] und der Erfassungsmaschinerie[mm] unterdrückt. Ich meine, das Niveau, das ist vorhin auch wirklich so deutlich geworden. Schily, Schily stellt hier an diesem Beispiel des Trakts in Bruchsal dar, daß da eine Hinrichtungsmaschinerie konzipiert und aufgebaut worden ist, nach den Anweisungen der Bundesanwaltschaft. Der Bundesanwaltschaft fällt dazu ein, wo haben Sie das her? Das ist wirklich ganz typisch. Das ist wirklich unheimlich deutlich. Sie wollen das Ding verstecken, und wenn es dann doch auftaucht, dann haben sie wirklich polizeiliche Reflexe. Also weiter, ich rede darüber, weil genau das beispielhaft hier Sache ist, sozusagen als Lehrstück. Es drückt sich im Charakter des Verfahrens als Schauprozeß aus und mehr noch, in seinen Mittel: Den Zwang zur dauernden durchsichtigen Lüge, zur Manipulation, den Zwang uns zu knebeln, wie das bisher üblich war, den wirklich schon automatischen Bruch der Strafprozeßordnung, [2354] den lapidaren Ablehnung bisher aller Anträge der Verteidigung. Es ist tatsächlich noch nicht ein einziger Antrag für die Verteidigung entschieden worden, in dreieinhalb Monaten. Also auch nicht in Kleinigkeiten. Der Tücke, auf die Prinzings Verhandlungsführung angewiesen ist, Herold sagt nochmal - und damit spricht er genau über diese Programm und die Schwierigkeiten - die Tendenz ist der bewußte Aufbau von Gegenmacht und die Zielebenen einem Prozeß, von dem man sich auch in irgendeiner Phase Spontanität erhofft, die Loyalitäten der Bürger auf sich zu lenken. Deshalb werden ja auch in diesem ganzen Kampf zunehmend nicht nur militärische Kategorien vorwendet, sondern zunehmend auch gleichsam völkerrechtliche. Und er zitierte diesen Rechtsexperten, der sagt, nicht eine Form von Kriminalität, sondern völkerrechtliche Auseinandersetzung und Genfer Konvention. Na ja, das sieht hier natürlich nicht aus. Also die Vergünstigungen, die hier ins Auge gefaßt worden sind, sind natürlich nicht die Vergünstigungen der Genfer Konvention, beziehungsweise auch nur der Menschenrechtskonvention, der minimalen Menschenrechte für Gefangene, die Vergünstigungen, die diese ganze Konstruktion hier ins Auge faßt, das ist dieser Trakt in Bruchsal. Herold schielt nach rechtlichen Normen, völkerrechtlichen, nachdem sich die innerstaatlichen, für jeden sichtbar und immer sichtbarer in der Konzeption der innerstaatlichen Reaktion als Krieg auflösen mußten. Und er macht das sicher auch aus der Erfahrung dieser Meinungsumfragen 72 und 73 und 74, die teilweise bis zu 20 % bezogen auf die erwachsene Bevölkerung-Sympathisanten der RAF gezeigt haben. Das zeigen immerhin ... Wir sagen natürlich nicht, daß das nur solide oder auch nur irgendwie faßbare politische Basis darstellt, sondern Meinungsumfrage. Wir halten es überhaupt für völlig unbrauchbar. Aber immerhin zeigen sie, also sie sind ja auch nicht für uns gemacht worden, aber der Staat, die staatliche Reaktion nimmt diese Meinungsumfragen außerordentlich ernst, das läßt sich also ganz genau in der jeweiligen Eskalation der Fahndung zurückverfolgen, wie diese Meinungsumfragen eingeflossen sind, in das Mobilisierungsprogramm. Der Staat, also sie zeigen immerhin, daß der Staat [2355] tendenziell in dem Maß Widerstand entwickelt, die Loyalität auf uns lenkt, indem er versuchen muß, sie in einer immer ungesetzlichen Mobilisierung mit der Fahndung nach uns zu erzwingen. Und sicher auch spricht Herold davon, weil er davon ausgeht und das ist wichtig hier, daß nach dem Informationsniveau seine Meschine, daß hier justiziell nichts zu bewältigen ist, in diesem Prozeß. Es gibt eine Kontinuität der Stadtguerilla in der Bundesrepublik. Sie ist durch unsere Verhaftung nicht die Spur gebrochen, im Gegenteil, man kann sagen, daß der Untergrund in der Bundesrepublik stärker ist als 72. Und wer geschichtlichen Analogien der Insurrektion kennt, der weiß, daß sie durch ungekonnte Schauspiele wie Stammheim entwickelt wird. Insofern könnte man sagen, daß das ganze Konzept des Prozesses hier an der Entwicklung gescheitert ist. Und das ist auch wieder ein Grund, warum hier nicht Recht gesucht wird, gar nicht der Versuch gemacht wird, sondern warum die Justiz hier versucht, zwangsläufig in den Gefängnissen und in den Prozeßfestungen eine militärisch begriffene Auseinandersetzung mit ungeeigneten Mitteln weiterzuführen, als militärische Auseinandersetzung. Allerdings gibt es seit dreieinhalb Jahren isolierte Gefangene. Und das ist also wirklich das ... das ist, glaube ich in ... das ist tatsächlich wahrscheinlich in keinem anderen Staat in dieser Form möglich. Und so würde ich auch die ganze kläglichen, provokandistische Bemühungen dieses Prozesses, die Internationale, die sich auf diesen Staat zurückschlagt, und zunehmend Zurückschlagen wird, so würde ich es verfassen. Aber mal zum Begriff der ganzen Sache: Wenn die Justiz offen und in einer öffentlichen Funktion Krieg führt, liquidiert sie mit den rechtlichen Normen, in dem sie ideologisch als Vermittlung zwischen Staat und Gesellschaft legitimiert wird, den ganzen ideologischen Gründungszusammenhang, Rechtsstaat, und verschärft damit den Widerspruch, statt ihn zu vermitteln. Sie wird Maßnahmejustiz, Instrument der Counterstrategie. Und sichtbar wird in diesem Riß - und hier besonders deutlich -, der imperialistische Staat als Funktion des Kapitals gegen jeden Versuch, gegen jeden Versuch, in der psychologisierten Propaganda und in der psychologischen Kriegsführung auf den Widerspruch nur noch reagierend gegen jeden Versuch der Behauptung seiner gesellschaftlichen Legi- [2356] timation. Es könnte sein, daß Herold diesen Widerspruch, aus dem sich historisch immer Widerstand entwickelt hat, meint, während Prinzing, der nichts begreift, immer noch auf die Köpfe einschlägt, durch seine Anordnung der Isolation, wie ich gesagt hab, und jetzt auch ganz wesentlich durch seinen Versuch, die Gefangenen zu psychiatrisieren. Also sich durch unsere Psychiatrisierung zu retten. Aber auch die Psychiatrie, um es mal kurz zu sagen, ist keine Lösung, sie ist ungeeignet. Legitimation kann sie nicht verschaffen. Was sie allerdings als Konsequenz seiner Linie bringen wird, möglicherweise, nach der Persönlichkeitsstruktur der Gefangenen, ist ihr physische Vernichtung, daß sie die Köpfe abgeschlagen haben, was Prinzing hier in Wittlich schon gelungen ist,[37] wie man weiß. Ich halte das nicht mal für übertrieben. Es kann eigentlich auch niemand, der den Prozeß verfolgt, für übertrieben halten, denn was hier ja jetzt immerhin auf dem Tisch ist, ist, daß dieser ungesetzliche Richter in seiner ungesetzlichen Maßnahme, die den Widerspruch in unseren Köpfen lösen sollte, nicht zum Zug kam, daß er uns aber physisch fertig gemacht hat, das wird sich in den nächsten Tagen vermutlich bestätigen durch die Gutachten. Wozu mir einfallt, daß die Passion dieser 40 Gefangenen in drei Jahren an den Grenzen, wie Schmidt sagt, grenzenloser Rechtsstaatlichkeit auf allen Ebenen schließlich eine Dialektik für uns hat, da die Köpfe unter Einsatz aller Mittel, weder in den Trakten der täglichen Tortur von 6 Monaten Zwangsernährung, den Quälereien in den Beruhigungszellen nicht zu knacken waren. Diese Demonstration eben genau nicht geklappt hat, mußte sich das staatliche Vernichtungsinteresse an den Gefangenen entwickeln, das zu seinem architektonischen Ausdruck in Bruchsal jetzt und in fünfzehn anderen Trakten, mußte der Prozeß bis zur Verhandlungsunfähigkeit der Gefangenen verschleppt werden, mußte sich aber auch Widerstand, wie sich in Berlin[38] und Stockholm[39] gezeigt hat, entwickeln ...

Vors.:

Herr Baader, es tut mir leid, ich muß Sie langsam darauf hinweisen, daß für den Normalbetrachter der Zusammenhang nicht mehr erkennbar wird.

[2357] Angekl. B[aader]:

Wer ist denn der Normalbetrachter?

Vors.:

Hier das Gericht.

Angekl. B[aader]:

Ist das der Aktivbürger?

Vors.:

Sie sprechen ja für das Gericht hier. Sie sollten jetzt ...

Angekl. B[aader]:

Soll ich den Zusammenhang darstellen.

Vors.:

... Sie sollten jetzt den Zusammenhang klar machen.

Angekl. B[aader]:

Ich rede ...

Vors.:

... im übrigen, soweit Sie sich ...

Angekl. B[aader]:

... ich habe darüber geredet ...

Vors.:

Augenblick, soweit Sie sich hier jetzt wieder verbreitern über die Passion der Gefangenen, wie Sie sagten, sind das Wiederholungen, die nun schon so oft hier vorgebracht worden sind, daß das Gericht nicht willens ist, dem weiter das Ohr zu leihen. Sie haben also die Möglichkeit, jetzt[nn] auf den Sachzusammenhang hinzuweisen und zur Sache wieder zu kommen, dann wird Ihnen das Wort unbenommen bleiben. Im anderen Fall muß Ihnen das Wort entzogen werden. Bitteschön, fahren Sie fort.

RA v[on] P[lottnitz]:

Darf ich eine Zwischenfrage stellen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, jetzt im Augenblick ...

RA v[on] P[lottnitz]:

Sitzen die Richter als Normalbetrachter[oo], oder als Richter?

Vors.:

Herr Baader, Sie haben das Wort weiter.

Angekl. B[aader]:

Na ja, ich meine ich kann Ihnen den Zusammenhang natürlich genau erklären, exakt. Was dieser Text versucht, ist mal einen Begriff zu entwickeln der ungesetzlichen Konstruktion dieses [2358] Verfahrens, und dazu gehört wesentlich die ungesetzliche Maßnahme dieser Haftbedingungen seit dreieinhalb Jahren, und dazu gehört ganz sicher auch Ihre Verantwortung[40] dafür. Und das ist doch alles sehr beispielhaft, daß es weder in[pp] der Strafvollzugsordnung noch im neuen Strafvollzugsgesetz noch irgendwo[qq] sind diese Maschinerien vorgesehen. Noch wird irgendwo in der Westlichen Welt, soweit man weiß, Isolation in dieser Dauer und Härte vollstreckt ...

Vors.:

Herr Baader, dazu lassen Sie sich sagen, im Interesse dessen, daß Sie beim Wort bleiben können ...

Angekl. B[aader]:

Das gehört, das gehört ...

Vors.:

Nein, es ist über diese Punkte schon so viel gesprochen worden, es sind auch darüber Entscheidungen ergangen ...

Angekl. B[aader]:

Also Sie meinen ...

Vors.:

Es geht jetzt nicht darum, daß Sie das Verfahren als ungesetzlich anzweifeln wollen, sondern Sie sollten sich jetzt darüber im klaren sein, daß Ihr Herr Rechtsanwalt, beziehungsweise Herr Rechtsanwalt Heldmann hat sich ja weitgehend insoweit den Ausführungen von Herrn Rechtsanwalt Schily angeschlossen, es darauf abhebt, durch die Vorverurteilung in[rr] der Öffentlichkeit sei ein faires Verfahren nicht mehr gewährleistet, und darauf wird das Einstellungsbegehren im wesentlichen gestützt. Die Wiederholungen, die Sie jetzt bringen, im Zusammenhang damit, daß Sie darlegen wollen, daß das Verfahren ungesetzlich ist, gehören nicht in diesen Sachzusammenhang.

Angekl. B[aader]:

Also hören Sie mal, das ist doch wirklich ein Witz, ich bin doch nicht notwendig an die Anträge - das ist doch wirklich eine Groteske hier in diesem Verfahren - ich bin doch nicht notwendig an die Anträge von Verteidigern angebunden. Ich stelle hier einen eigenen Antrag und ich begründe ihn, in einer[ss] explizit politischen Argumentation, die meine ist, nicht die der Verteidiger und die eine ganz andere Ebene hat, wie man ja wohl vielleicht auch sieht. Ich weiß es ja nicht. Also was heißt das. Warum versuchen Sie denn dauernd mich [2359] durch die Verteidiger zu disziplinieren. Ich verteidige mich in diesem Zusammenhang selbst, und ich erkläre, daß - dazu komme ich schon noch -, daß es ein ungesetzliches Verfahren ist und daraus werde ich entwickeln, was für eine Konsequenz seine Einstellung haben würde, seine unmögliche Konsequenz. Aber ich mache jetzt mal weiter. Aber ich finde das ganz schön stark: Sie sagen also, Sie können das nicht mehr aushalten, wenn hier von Folter geredet wird oder über Isolation, aber nun stellen Sie sich doch gefälligst mal vor, wir halten das seit dreieinhalb Jahren aus, jeden Tag. Da werden Sie wohl noch etwas aushalten können, wenn hier nur darüber gesprochen wird. Also weil das nichts genützt hat, auf die Köpfe einzuschlagen, die Gefangenen-Gruppe gegen die psychische Zerstörung jedenfalls resistenter war, als gegen die physische Folgen der psychischen Tortur rennt sich die Verhandlung hier propagandistisch an unserem Widerstand und prozeßökonomisch an unserer körperlichen Schwäche fest. Die Lösung - und das schiebe ich jetzt hier einfach mal dazwischen, zu unserem letzten Ausschluß, mal sehen, wie Sie sie anpeilen -, die dem Gericht also tatsächlich nur noch bleibt, ist - und das ist wahrscheinlich jedem am letzten Verhandlungstag, am vorletzten Verhandlungstag klar geworden -, unser ungesetzlicher Ausschluß. Ein Journalist hat rausgefunden, das Gericht putscht, finde ich ganz gut. Nachdem es die Verhandlung durch die ungesetzliche Liquidierung der Verteidigungsfähigkeit und wesentlich der Verteidigung der Gefangenen so sorgfältig vorbereitet hat, muß es uns jetzt sozusagen ausschließen, um den Widerspruch, den diese Verteidigungs- und Verhandlungsunfähigkeit[41] in der Verhandlung entwickelt, zu tilgen. Aber auch daran wird der Versuch eines Prozesses hier scheitern, das ist ganz sicher. Wenigstens, daß der Versuch dem als Öffentlichkeit organisierten Teil der staatlichen Reaktion propagandistisch die rechtlichen Konturen zu verschaffen und damit die Legitimation, die die militärische Konzeption der staatlichen Mobilisierung und fünf Jahren Ungesetzlichkeit auffressen mußte. Es kann nicht klappen, und das ist wirklich der unlösbare Widerspruch, indem sich die Veranstaltung hier dahinschleppt, weil die revolutionäre Politik nicht justitiabel ist. Politische Justiz bewältigt den Widerspruch, die Konfrontation, die sie verhandeln sollen, nicht, [2360] sie drückt ihn aus. Hier durch die vollständige Verfügbarkeit und Disposition des Gerichts durch Staatsschutz und Regierungen. Hier wird nicht bürgerliches Recht gesucht, oder verhandelt, hier vollstreckt bis ins Detail, bis ins Detail von der Exekutive durchorganisierter, militärischer Pragmatismus. Man muß sich nur umsehen. Prinzing wird darin auch schon kritisiert, weil das Schauspiel hier nicht richtig läuft. Und ich würde sagen, das liegt daran, daß die tradierte Funktion des Richters in seiner brutalen Manipulation des Prozesses zwischen dem Interesse der Klasse, seiner Klasse, den Faschismus als Verrechtlichung aller gesellschaftlichen Beziehungen, also vermittels und[tt] durch den Rechtsstaat durchzusetzen und dem offenen Rechtsbruch ...

Reg. Dir. W[idera].:

Herr Vorsitzender, die Bundesanwaltschaft bittet um’s Wort.

Angekl. B[aader]:

Ich bitte mich nicht zu unterbrechen.

Vors.:

Bitte, wenn Herr Baader den Satz beendet hat. Herr Baader, beenden Sie diesen Satz, dann bekommt die Bundesanwaltschaft zu einem Zwischen ...

Angekl. B[aader]:

... und dem offenen Rechtsbruch, der im Arrangement dieses Verfahrens sichtbar ist. Ich bin übrigens jetzt gleich fertig, also lassen Sie mich das jetzt zu Ende reden.

Vors.:

Wollen wir dann den Versuch unternehmen?

Reg. Dir. W[idera]:

Ich wollte nur bemerken, daß der Angeklagte auch auf, für seinen eigenen Antrag Tatsachenbehauptungen vortragen müßte, die ein Verfahrenshindernis begründen könnten und das tut er nicht, trotz der Belehrung, der nachdrücklichen Belehrung durch den Herrn Vorsitzenden so daß der längst fällige, dafür fällige Wortentzug erfolgen mußte, denn es ist durchsichtig das Schauspiel, das da getrieben wird: Drei Stunden Verhandlungsfähigkeit, die müssen zerredet werden.

Vors.:

Dankeschön ... Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann. Sie haben jetzt nicht das Wort ... Herr Baader Augenblick ...

Angekl. B[aader]:

Der Gegenstand dieses Antrags ist zu sagen, daß es tatsächlich in diesem Verfahren kein Verfahrenshindernis geben kann, kein gesetzl...

[2361] Vors.:

Ja, Herr Baader ...

Angekl. B[aader]:

Es ist doch wirklich sehr deutlich gesagt worden und wenn hier ...

Vors.:

Herr Baader, lassen Sie mich das bitte sagen. Es ... Sie müssen sich jetzt nicht auseinandersetzen mit dem Herrn Bundesanwalt, es geht darum, daß ich Ihnen das Wort, nachdem Sie sagten, Sie seien sowieso bald fertig, belassen möchte. Die Entscheidung ist also, wenn Sie es bemerken sollten, zu Ihren Gunsten ausgefallen.

Angekl. B[aader]:

Na ja, aber diese Dreistigkeit[uu].

Vors.:

Bitte fahren Sie nun fort.

Angekl. B[aader]:

Also mit der immer wieder diese Dummheiten hier auf ...

Vors.:

Sie sollen jetzt fortfahren.

Angekl. B[aader]:

Na ja schön, also ich wiederhole den Satz, damit Sie nicht wieder sagen, der Zusammenhang sei nicht klar. Also, weil die tradierte Funktion des Richters in der brutalen Manipulation in diesem Verfahren zwischen dem Interesse der Klasse, seiner Klasse, der Klasse des Richters, den Faschismus als Verrechtlichung aller gesellschaftlichen Beziehungen, also vom Mittel zum durch den Rechtsstaat durchzusetzen und dem offenen Rechtsbruch, der[vv] im[ww] Arrangement dieses Verfahrens dauernd sichtbar ist, zerrieben wird. Ihr Widerspruch ist, daß sie als Richter etwas zu vermitteln haben, was wenigstens wie Recht aussieht. Das hat Busche getickt, weil ihre Funktion als[xx] in der Form des Rechts, hier des rechtsstaatlichen Verfahrens, seinen Inhalt, also in der Form seinen Inhalt, als das System von Regeln[yy], mit dem das Kapital seinen gesellschaftlichen Reproduktionsprozeß kontrolliert und beherrscht, zu transzendieren als propagandistische Funktion der Verhandlung. Und sie ist ja tatsächlich nur noch zu retten, indem das Verfahren eingestellt [2362] wird. Was ein gesetzlicher Widerstandsakt wäre gegen den Staatsschutz, der die Sache Prinzings sicher nicht ist, sonst säße er nicht hier als ungesetzlicher Richter,[42] wie inzwischen bekannt ist. Es war zwangsläufig, daß der Richter hier, nachdem das bürgerliche Recht nicht mehr sein Bezugssystem ist, nachdem er das nach der Dramaturgie der Bundesanwaltschaft verlassen hat, spätestens nach Holgers Tod, aber wahrscheinlich schon mit den Schiebungen um seinen Stuhl, daß dieser Richter sich immer offener und unvermittelter an die Macht lehnen muß, die Linie Wunder, Buback, Vogel, Schmidt. Die Sache hier wird mit allen Mitteln und um jeden Preis durchgezogen werden. Das ist mal sicher, bis sie schließlich[zz] in dem Trakt in Bruchsal endet. Wir haben daran inzwischen, das möchte ich mal sagen, eine Art Spaß. Denn der Prozeß, die Verhandlung wird ein[aaa] Antagonismus zu seiner Funktion im ganzen Verfahren gegen die RAF. Also der Prozeß wird den Antagonismus zu dem was hier beabsichtigt war. Was hier in Stammheim nicht läuft, ist die Darstellung intakten bürgerlichen Rechts, und der Sinnlosigkeit jedes Widerstands dagegen, was hier läuft, ist nur noch die Demonstration seines Verfalls, und darin[bbb] der[ccc] Verfall der Klasse, für die Prinzing, das Gericht, hier wirtschaftet. Die RAF, die Guerilla ist nicht justitiabel, weil der Staat als reaktionäre Seite des Widerspruchs, gezwungen ist, uns, die Guerilla, in der Entwicklung der sozialen Krise, exemplarisch als die Möglichkeit und die Aktivität einer revolutionären Entwicklung zu verfolgen und das notwendig in den Kategorien des Krieges, weil die Stadtguerilla ihre Politik, ihre Strategie Teil des internationalen, des weltweiten, antiimperialistischen Befreiungskrieges ist, der die Krise in den Metropolen determiniert. Herold sagt dazu - und ich nehme Ihnen jetzt zum letzten Mal - ich sehe hier einen[ddd] objektiv[eee] in[fff] Gang gesetzten Prozeß, der eben weltweit ist, und der gewissermaßen am Ende stehen hat, die Verpolizeilichung des Krieges. Während der große Krieg zu eben, zunehmend an Substanz verliert, zwischen den Nationen, weil diese ihre geschichtsbestimmende und geschichtsbildende Kraft verloren haben, tritt eben eine neue Form der Aggressionsentladung ein[ggg], die nur international be- [2363] griffen werden kann, eben. Das ist ... um das[hhh] mal klar zu machen, das ist natürlich alles nicht ... das sind keine Schöpfungen von Herold, sondern das hat er, das bezieht er bei Hacker und Bofré, bei den wesentlichen Counterideologen. Und ich[iii] würd[jjj] sagen, es ist eine kriminalistische Adaption eines kriminologischen Geschichtsbegriff von Faschisten, natürlich aus der amerikanischen Psychologie, Aggressionsentladung. Wir finden, was da so gebracht wird, gegen uns, also was sich da sozusagen als Ideologie abbildet gegen die Stadtguerilla in seiner Dürftigkeit, ganz komisch, also noch die Dürftigkeit der Rezeptionen eines Mannes wie Herold und seiner Anleihen bei der amerikanischen Counter-Strategien in seinem offenen Plagiate - könnte man schon fast sagen - zeigen, wofür er diesen Krieg führt, für wen er diesen Krieg führt, für den amerikanischen Imperialismus. Aber immerhin ist das ganze als Kolportage immerhin der Versuch, die Bemühung um einen kriminologischen Geschichtsbegriff, während die Leute hier, Prinzing, tatsächlich nur mit der Kriminalistik rumfummeln. Ich stelle gegen jetzt zuletzt unseren Begriff der ganzen Auseinandersetzung. Wenn der Faschismus, den Herold und Schmidt zum Beispiel repräsentieren, als institutionelle Strategie des Kapitals, die reaktionäre Vermittlung des in Weltmaßstab antagonistisch gewordenen Kapitalverhältnis, dann[kkk] ist[lll] der Internationalismus, der Insurrektion, der Aufbau einer politisch militärischen Front in den Metropolen, in den Zentren des Imperialismus, der revolutionäre Ausdruck des Bruchs und seine Strategie, oder er wird es sein. Und genau dieser Prozeß der Insurrektion ist das faire Verfahren, auf das wir aus sind. An einem anderen haben wir kein Interesse, und nur ihm sind wir verantwortlich, und nur in ihm haben wir uns zu verantworten.

Vors.:

Gut, Herr Dr. Heldmann, ich glaube Sie wollten sich anschließen.

RA v[on] P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, wäre es möglich, eine 10-minütige Pause einzulegen.

Vors.:

Das würde allerdings dann voraussetzen ... Ich habe an sich nichts[mmm] dagegen[nnn]. Ich glaube es wäre vielleicht ganz günstig, wir würden jetzt die[ooo] Mittagspause machen und um 14.00 Uhr fortsetzen. Wir haben noch eine Dreiviertelstunde Verhandlungszeit, dann [2364] können sich inzwischen alle Beteiligten ... Wären die übrigen Prozeßbeteiligten damit einverstanden oder liegt ein Interesse vor?

RA Dr. H[eldmann]:

(Unverständlich) Ich bitte also dann jetzt, wenn Sie nicht 10 Minuten Pause machen wollen, dann jetzt fortzufahren.

Vors.:

Nein, ich kann die 10 Minuten Pause natürlich jetzt machen, bloß bedeutet das, daß wir dann nicht um 12.00 Uhr gleich wieder den Ruf haben wollen. Nicht wahr, wir würden dann die 10 Minuten abzuziehen haben. Gut 10 Minuten Pause.

Pause von 11.16 bis 11.30 Uhr.

Ende des Bandes 120.

[2365] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 11.30 Uhr.

Vors.:

Darf ich die Aufmerksamkeit erbitten. Wir wollen fortfahren.

Herr RA Dr. Heldmann, Sie haben das Wort.

RA Dr. He[ldmann]:

Zur sachlichen Begründung dieses Einstellungsantrags knüpfe ich an Herrn Schilys Antragsbegründung.

Dieses Verfahren entbehrt - so ist die summarische Begründung der Verteidigung, ist der Kernsatz unserer Antragsbegründung - dieses Verfahren entbehrt der Minimalanforderung für ein justizielles, ja, ein rechtsstaatliches Verfahren. Herr Schily hat bereits ausführlich dargestellt und belegt, wie schon vor Beginn dieser Hauptverhandlung die Vorverurteilung durch Mitglieder der B. Regierung, von Länderregierungen, des B. Tags, des B. Rats, der Justiz perfekt geworden ist; wie die vierte Gewalt, die Presse, diese Vorverurteilung im öffentlichen Bewußtsein verfestigt hat; wie Sondergesetze für diesen und weitere RAF-Prozesse zusammengeschustert worden sind, um die prozessualen Rechte der Angeklagten zu verkürzen, um „kurzen Prozeß“ zu machen, und wie weitere Gesetzesänderungen zu solchem Ziel, zur kompletten Aushöhlung der Magna Carta der Angeschuldigten, der StPO, im Gange sind, und wie mit der gesetzgeberischen Einschränkung der Verteidigung die faktische Ausschließung dieser Angeklagten von effektiver Verteidigung einhergeht.

Das beweisen[ppp] nicht zuletzt die Protokolle dieser Hauptverhandlung, der Inhalt und das Schicksal der hier gestellten Anträge der Angeklagten, und sie beweisen im übrigen: Anstelle von Verfassung und Gesetz beherrscht dieses Verfahren der Ausnahmezustand. Das macht das äußere Bild bereits deutlich:

Der Ort Stammheim, im weiten Umkreis, diese Justizfestung, ist vom BGS besetzt. Natürlich dient dieser militärische Aufmarsch nicht dem Grenzschutz. Seine Rechtslage ist der Notstandsart. 91 des GrundG:

[2366] „Zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes kann die Bundesregierung Einheiten des Bundesgrenzschutzes einsetzen.“

Ich verweise auf § 1 des BGSG, der in seiner Ziff. 1 zwischen der Grenzschutzaufgabe unterscheidet gegenüber Ziff. 2 - und damit haben wir’s hier zu tun - seiner Notstandsaufgabe. Der innere Notstand also ist in Stammheim stillschweigend, aber unverkennbar, offensichtlich, handgreiflich, ausgebrochen, den[qqq] man in früherer Rechtsepoche den Reichsbelagerungszustand, d. h. die Verhängung von Kriegsrecht, nannte. Dementsprechend beginnt bereits mitten im Ort Stammheim das Ende der Freizügigkeit gemäß dem Art.[rrr] 11 Abs. 2[ GG], ohne daß allerdings die dort vorausgesetzte gesetzliche Grundlage hierfür bereits vorhanden wäre;[43] denn ein BannmeilenG gibt es für die Justiz jedenfalls noch nicht. Dieser Ausnahmezustand, der liegt hinter den Mauern und Gittern dieser Justizfestung weiter wieder vor:

Ankläger tragen Schußwaffen,[44] die Verteidiger werden auf Nagelscheren und Kugelschreiber durchsucht einschließlich ihrer Verteidigungsunterlagen; und diese Suspendierung der StPO und des Gerichtsverfassungsrechts nennt man in diesem Hause schlicht: Hausrecht.

Die Verfahrensvoraussetzung Nr. 1, die Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten, wird nicht untersucht, sie wird dekretiert; als[sss] schließlich der Skandal einer Verhandlung gegen Verteidigungsunfähige dank kritischer Presseäußerungen öffentlich zu werden droht und daraufhin Ärzte den drei Monate lang hier vorgetragenen Verdacht der Verteidigung bestätigen, geht prompt die Verhandlung ohne die Angeklagten weiter. Unvoreingenommenheit des Gerichts, etwa Sachverst. zu suggerieren, Angeklagte brächten sich ihre Gewichtsdefizite selber bei; oder: der Mangel an Verhandlungsfähigkeit heute sei Folge des Hungerstreiks vom letzten Herbst.[45] Den Ausnahmezustand im Haftvollzug hier beim Namen zu nennen, nämlich als die Ursache dieser Verteidigungsunfähigkeit, gehört zu den verbotenen Wörtern. Mit Grund. Denn Verteidigungsunfähigkeit wäre Voraussetzung endgültige, für die Entpolitisierung dieses politischen Strafprozesses.

[2367] Am 13. August jedoch noch einmal ist in öffentlicher Hauptverhandlung gesagt worden, wörtlich:

„Isolation ist die schlimmste Form der Folter.“

Allerdings nicht von Ulrike Meinhof in Stammheim, sondern von Vizeadmiral Egeng Fopolos[46] in Athen, nach einer Pressemeldung der FAZ vom 14.8. ...

Vom Richtertisch her hören die Angeklagten dieses Prozesses sich als Bande angesprochen - mein Mandant als Rädelsführer Baader - denen folgenschwerste Verbrechen zuzurechnen seien, sowie das auf physische und psychische Vernichtung des Richters abgestellte Programm - Beschluß des Senats vom 20.6.75 -

Vors.:

Zitat des Senats. Das möchte ich bloß richtiggestellt haben.

RA Dr. He[ldmann]:

Der Senat hat diese Begriffe so, wie hier wörtlich zitiert, in seinen eigenen Beschluß aufgenommen, was bereits zu einem Befangenheitsantrag geführt hat, der aber wie üblich in diesem Hause der Ablehnung verfallen ist. Da für diesen - und davon spreche ich - Prozeß auch das Richterablehnungsrecht von Angeklagten suspendiert ist, bleibt all das und Weiteres folgenlos.

Die Ablehnungsanträge der Angeklagten und ihr immer gleiches Schicksal beweisen für jeden, der die Vorgänge genau betrachtet hat, nicht Verschleppungstaktik der Angeklagten oder/und ihrer Verteidiger, sondern ihre, der Angeklagten, Hilflosigkeit gegenüber dem Machtapparat und der Machtausnutzung dieser politischen Justiz, erweist zugleich aber auch die Unwirksamkeit der am Prozeßrecht sich orientierenden Verteidigung, belegt, wie ihren Korpsgeist, aber auch schließlich die Anfälligkeit dieser Justiz, die zwar die Parteinahme von Verteidigern für ihre Mandanten kriminalisiert, aber aus den Justizmorden der NS-Zeit keine strafrechtlichen Folgerungen zu ziehen wußte, weil nämlich damals wie heute die Repräsentanten der Justiz - nicht etwa, wie der Herr Bundesanwalt hier einmal gesagt hat, keine Straftaten begingen[47] -, sondern [2368] weil sie nicht nur unabsetzbar sind, sondern weil sie selbst sich ihre majestätische Unberührbarkeit sichern, und zwar über die Rechtsepochen hinweg.

Soviel noch zu der völligen Hilflosigkeit, Verteidigungsanträge hier zu wirklichem Gehör zu bringen.

Am 14.2.1971, 71, hatte der in der Exekutive oberste Hüter der Verfassung, Herr Genscher als B. Innenminister, über die Boulevardpresse, „Bild am Sonntag“ und solches, die Staatsfeinderklärungen wie Kriegserklärungen veröffentlichen lassen. Das war - ich weise ausdrücklich darauf hin - das war vor dem Hauptteil, dem ganz überwiegenden Hauptteil derjenigen Unternehmungen, die nach der Anklage Gegenstand dieses Verfahrens sind. Das Datum: 14. Februar 71.

Und Herr Genscher brachte unters Volk - unter Hinweis auf die Gewalttaten der Baader-Mahler-Bande[48] sagte der Innenminister -:

„Ich warne jeden davor, diese Verbrecher in irgendeiner Weise zu unterstützen.“

Am 14.2.71.

Er, von Amts wegen Hüter der Verfassung, gab damit das Startzeichen für die öffentliche Hetzjagd, den öffentlichen Schuldspruch, für die Einübung auch des Bürgerkriegs. Ich erinnere an die öffentlichen Aufforderungen der Innenminister Merk und Weyer, 1971 und 1972:

Bürgerpolizeigruppen sollten sich bilden, um die regelmäßige Polizei zu unterstützen.

Ich erinnere ferner daran - dieses Beispiel übrigens mag zeigen, wie die Jagdhatz von Innenministern, Verfassungsministern je nach Fällen, isolierter Fall geblieben ist - ich erinnere ferner an auch deren Folge, nämlich der exekutiven Exekutionen, z. B., aber nur wenige Beispiele, der Fälle Mc Leod in Stuttgart,[49] Jentrial in München,[50] auch in Berlin.[51] Das ist das Klima, in dem diesen Angeklagten Recht erwachsen soll. Nach 4 ½ Jahren öffentlicher Feinderklärung kann dieses Verfahren der Rechtsfindung nicht mehr dienen. Wird unserem Antrag, es einzustellen, nicht gefolgt werden, so wird an seinem Ende dieses Verfahren nur eine einzige Funktion gehabt haben - und dafür erlauben Sie mir, den [2369] Juristen und Politologen Prof. Seifert zu zitieren aus seinem 1974 veröffentlichten Buch „Kampf um Verfassungspositionen“, wo er auf S. 225 schreibt -:

„Wenn es jetzt nicht gelingt, die liberale Öffentlichkeit gegen diese Kampagne und gegen diese Prozeßführung zu mobilisieren, werden morgen erneut verzweifelte Sozialisten diesen Prozeß als Beweis dafür ansehen, daß wir in einem faschistischen System leben. Jeder, der sich nicht jetzt gegen diese Prozeßführung, wendet, ist mitverantwortlich dafür, wenn sich[ttt] dieser oder jener zu fragen beginnt, was bleibt in einem solchen System noch anderes als der bewaffnete Kampf.“

Geschrieben im Januar 1972, nicht also zu diesem Prozeß, wohl aber zu der Kampagne, wo hier von Kampagne die Rede ist, des B. Innenministers und ihm folgend eines Großteils der Presse; geschrieben, wo hier vom Prozeß die Rede ist, zum Ruhland-Prozeß[52] in Düsseldorf, ein Prozeß, der im Vergleich zu diesem wirklich eine Harmlosigkeit darstellt, aber in seiner bescheidenen Bedeutung schon signifikant für die Selbstgefährdung der Justiz, sich für politische Machtausübung herzugeben, für solche Selbstgefährdung der Justiz, die sie schon einmal der Zerstörung geöffnet hat. Ich meine - und das ist die Mahnung in diesem Einstellungsantrag - ich meine, Stammheim - dieser Prozeß hier - sei dafür die Wendemarke.

Vors.:

Dann kann die B. Anwaltschaft schon Stellung nehmen.

BA Dr. Wu[nder]:

Herr Vorsitzender ...

Vors.:

Darf ich dazwischenrein fragen - verzeihen Sie, Herr Bundesanwalt -:

Wenn die Herrn Verteidiger sich nun anschließen wollten noch, dann wäre es natürlich zweckmäßig, das zusammenzufassen. Dann darf ich Ihnen zuerst das Wort geben mit Ihrem Einverständnis, obwohl Sie’s schon hatten

Herr RA Riedel.

[2370] RA Rie[del]:

Ich schließe mich für Frau Meinhof dem gestellten Antrag an.

Zur Begründung ist meines Erachtens noch einmal in Erinnerung zu rufen - und das Gericht hat bei seiner Entscheidung zu bedenken seine eigene Rolle in diesem ganzen Prozeß, und als Prozeß meine ich jetzt nicht die Hauptverhandlung hier, sondern in diesem ganzen Prozeß der[uuu] versucht worden ist, in den vorhergehenden Begründungen aufzuzeigen, nämlich in dem[vvv] Prozeß, der produziert hat die Vorverurteilungen, der produziert hat und aufgezeigt hat, daß hier eine psychologische, großangelegte, gezielte und geplante Beeinflussung der öffentlichen Medien stattfindet, die man auch als psychologische Kriegsführung bezeichnen kann, und der Prozeß, der versucht hat - auch wiederum gezielt und geplant - darzutun, daß es sich nicht um ein politisches Verfahren hier handelt, sondern um reine Aburteilung von Kriminalität. Die Rolle des Gerichts nämlich bestand darin - das haben die Gerichtsentscheidungen gezeigt, und das hat auch insbesondere die Verhandlungsführung gezeigt, die immerhin die hier von Andreas Baader genannte Zahl von über 150 Unterbrechungen produziert hat -, daß das Gericht seine Rolle darin sieht, aktiv das zu tun, was auch die Staatsschutzbehörden getan haben, nämlich das Ende dieses Verfahrens, den Ausgang dieses Verfahrens jetzt schon klarzumachen und sicherzustellen. Die aktive Rolle des Gerichts hat schließlich auch darin bestanden, daß schon am ersten Tag die Initiative ergriffen wurde, eine Vernichtung, eine Ausschaltung der Verteidigung noch einmal zu dokumentieren, nämlich durch die gezeigte Rechtsauffassung, der schließlich auch die Generalbundesanwaltschaft widersprechen mußte, daß eine Zulassung für andere Mandanten von Anwälten, die schon einmal ausgeschlossen worden sind, nicht stattfinden kann,[53] also dieser bekannte Slalomlauf durch die neuen Paragraphen.

Das Gericht hat also nichts unterlassen, seine aktive Rolle in den aufgezeichneten Mechanismus ... Mechanismen darzutun und zu unterstreichen und hat dabei natürlich stets die Unterstützung der Generalbundesanwaltschaft gehabt, die hier [2371] - auch wiederum schon in diesen Zusammenhängen des Vortrags - erkennen läßt, wohin es gehen soll, wenn Herr Widera davon spricht, daß hier offensichtlich die Zeit, die knappen drei Stunden, die jetzt nur noch da zur Verfügung stehen pro Tag, verredet wird. Das, wenn das der inhaltliche Beitrag der Generalbundesanwaltschaft ist, der zu diesem Punkt erwartet werden kann, dann wird sich das also wiederum nochmals bestätigen, was ohnehin schon deutlich klar geworden ist, daß nämlich ein vorgefaßtes Ende, ein vorprogrammiertes Ende

- auch seitens der B. Anwaltschaft im Einklang mit dem Gericht - hier schon ins Auge gefaßt ist.

Vors.:

Herr RA v[on] Plottnitz.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Ja. Ich habe für den Herrn Raspe mich dem gestellten Antrag und den Begründungen, die die Kollegen bereits gegeben haben, ebenfalls anzuschließen.

Zur weiteren Begründung vielleicht noch einige wenige Sätze: Das, was der Kollege Riedel gerade ausgeführt hat, berührt ja die Frage der Irreparabilität bzw. Reparabilität dessen, was hier als die Unmöglichkeit eines ... ein faires Verfahren durchzuführen, genannt worden ist, und da würde ich auch in der Tat sagen, kann sich der Senat nach all dem, was er an Verhalten gezeigt hat, vor Beginn der Hauptverhandlung als auch nach Beginn der Hauptverhandlung, nicht auf die Position hier zurückziehen: Für ein faires Verfahren garantieren wir hier durch unsere Existenz als Gericht, durch unsere Existenz, durch unsere Tätigkeit als Senat.

Eine solch ... ein solches Argument hätte vorausgesetzt sehr viel mehr Widerstandsgeist und Resistanzgeist von seiten der Richter angesichts der Kampagne, von den ... von der hier die Rede gewesen ist, als der Senat sie überhaupt aufzubringen in der Lage war. Tatsache ist, daß gegenüber dem ... den mannigfaltigen Bekundungen, die auf eine Vorverurteilung hinauslaufen von seiten exekutiver Staatsorgane, angesichts der mannigfaltigen Pressionen, die es gegeben hat, um hier das Verfahren in eine einzige denkbare Richtung nur noch zu drängen, nämlich in Richtung auf eine Verurteilung, daß diesen [2372] Pressionen gegenüber, diesen Bestrebungen gegenüber der Senat entgegen seiner Fürsorgepflicht nicht dafür Sorge getragen hat, klarzustellen, daß es Aufgabe eines rechtsförmigen Verfahrens hier zu sein hätte, klarzustellen, was an den Anklagevorwürfen, die von der B. Anwaltschaft erhoben werden, dran ist oder nicht und sich zu verwahren. Das wäre die Aufgabe des Senats gewesen, sich zu verwahren gegen diese Versuche der vereinigten Innenminister, hier eine Verurteilung zu erzwingen. Der Senat hat das nicht getan; im Gegenteil: Er hat eigentlich die ihm zugeschriebene Aufgabe, sich instrumentalisieren zu lassen, hat er sehr wohl erfüllt.

Man kann eigentlich nur an zwei Beispiele erinnern:

Einmal die vielfältigen Beschlüsse, die es gegeben hat - der Kollege Riedel hat sie in dem Ablehnungsgesuch, das Frau Meinhof hier eingebracht hat, genannt -, in denen der Senat umstandslos von Bandentätigkeit, die fortgesetzt werde, gesprochen hat, in der er selbst davon mal gesprochen hat, daß von kompetenter Seite hier diesem oder jenem entgegengetreten werde.

Das zweite Beispiel betrifft den Zeitpunkt nach der Hauptverhandlung ... nach Eröffnung der Hauptverhandlung, als der Senat hier nämlich einmal in einer Sitzung gesagt hatte - der Vorsitzende des Senates -:

„Zweck des Verfahrens ist seine Beschleunigung.“

In der Tat: So wurde bislang hier verfahren. Beschleunigung ohne Rücksicht auf essentiale Verteidigungsinteressen der Gefangenen.

Vors.:

Herr B. Anwalt Dr. Wunder.

BA Dr. Wu[nder]:

Herr Vorsitzender, wir haben schon zum Antrag des Herrn RA Schily eine Stellungnahme vorbereitet und wollen uns nur kurz verständigen, ob die heutigen Ausführungen zur Ergänzung Anlaß geben. Unseretwegen braucht keine Pause gemacht werden.

In einem Punkt bin ich allerdings unmittelbar angesprochen worden, und zwar in Zusammenhang mit der Frage, ob das hier ein politischer Prozeß sein muß.

[2373] Vorweg möchte ich ganz kurz mit wenigen Worten dazu etwas sagen:

Herr RA Schily, wenn ich Sie direkt ansprechen darf, Sie haben eine Erklärung von mir aus der Sitzung vom 30. Juli zitiert, aber leider nicht vollständig.

Wir wollen nichts wegschneiden oder abschneiden. Ergänzt habe ich meine unvollständig zitierte Erklärung nämlich damit, daß ich gesagt hatte:

„Über die politische Motivation kann und wird in diesem Verfahren gesprochen werden. Wir scheuen diese Ausführungen nicht.“ Nur und nur damit, wird der Prozeß aber kein politischer; und der Mord, der hier nachgewiesen werden soll, der wird kein politischer. Die Tatbestandsmerkmale des Hochverrats oder der Vorbereitungshandlungen, der Tatbestand ist geprüft worden und nicht mit leichter Hand abgetan worden. Die Tatbestandsmerkmale, die lassen sich aber nicht einfach hinzuwünschen.

Und noch etwas, das sich nicht lohnt, mit in unsere offizielle Stellungnahme aufzunehmen:

Derjenige, der über den in Bruchsal angeblich für die Angeklagten vorbereiteten Isolationstrakt geschrieben hat, der betrieb - entschuldigen Sie meine Worte - nichts anderes als blanke Spinnerei.

Mehr kann ich dazu nicht sagen.

OStA Ze[is]:

Die B. Anwaltschaft beantragt:

den Antrag auf Einstellung des Verfahrens zurückzuweisen.

Das von den Antragstellern erstrebte Ziel der Verfahrenseinstellung kann weder aufgrund der im Antrag aufgeführten, noch nach anderen gesetzlichen Bestimmungen erreicht werden. Insbesondere würden Verstöße gegen das in Art. 6 Menschenrechtskonvention ausgesprochene Gebot des fair trial, selbst wenn sie vorlägen, selbst wenn sie vorlägen, kein Verfahrenshindernis im Sinne von § 260 Abs. 3 StPO darstellen. Hierzu wird auf die Ausführungen des B. Gerichtshofs im 24. Band der amtlichen Sammlung, S. 239 ff.,[54] und auf dessen Urteil vom 25. Juni 1974 - 1 StR 607/73[55] - verwiesen.

[2374] Es kann davon ausgegangen werden, daß den Antragstellern zumindest die veröffentlichte Entscheidung bekannt ist; dennoch haben sie den vorliegenden unschlüssigen Antrag gestellt. Der Antrag kann demnach nur zum Zwecke der Prozeßverschleppung gestellt worden sein. Dies ergibt sich um so mehr, als er erst nach vierteljährlicher Verhandlungsdauer vorgetragen und in ihm aktuelle Vorgänge aus der Hauptverhandlung kaum angesprochen worden sind.

Im übrigen ergibt sich dies auch aus der Bezugnahme auf Ereignisse, über die in anderem Zusammenhang bereits mehrfach, mehrfach, entschieden worden ist.

Ungeachtet hiervon haben die Angeklagten auch ein faires Verfahren. Von einem Verstoß gegen das Gebot des fair trial kann keine Rede sein.

Es ist abwegig, aus den für den Prozeß bestehenden Sicherheitsmaßnahmen den Schluß zu ziehen, die Justiz sei in die militärische Abwehr des Staates einbezogen. An dieser Stelle sei beispielhaft nur an die Vorgänge in Stockholm,[56] die Ermordung des Kammergerichtspräsidenten,[57] die Entführung des Berliner Abgeordneten Lorenz[58] sowie an verschiedene Befreiungsversuche[59] erinnert.

Ebenso ist es haltlos, aus Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung nach einer anonymen Bombendrohung auf eine Art Volksverhetzung zu schließen.

Vors.:

Verzeihen Sie, Herr B. Anwalt.

RA’in Ro[gge]:

... die B. Anwaltschaft bis kurz nach 12 mit der Stellungnahme fertig ist, weil dann die Mittagspause beginnt.

Vors.:

Ich habe ausdrücklich darauf hingewiesen - verzeihen Sie, Frau Rechtsanwältin.

RA’in Ro[gge]:

Lassen Sie mich erst mal zu Ende äußern.

Und wenn Sie nicht fertig sind, dann würde ich vorschlagen, daß wir zunächst die Mittagspause machen, zu unterbrechen für die Gefangenen.

[2375] Vors.:

Gut. Wir wollen also damit keine Zeit verlieren. Wir wollen sehen - ich habe mir die Zeit genau gemerkt, die wir verhandeln können - es ist bis viertel nach zwölf die Verhandlung möglich.

Bitte, Herr B. Anwalt.

OStA Ze[is]:

Eine Vorverurteilung der Angeklagten hat nicht stattgefunden. Dies kann man aus den in der Anwaltsbegründung herangezogenen Erklärungen von Politikern nur dann schließen, wenn man, wie es seitens der Verteidigung geschieht, bewußt außer acht läßt, daß diese Äußerungen jeweils in direktem Zusammenhang mit schwersten Gewalttaten gemacht worden sind. Solche Äußerungen in die Nähe nationalsozialistischer Göbbels-Propaganda bringen zu wollen, wie es Herr RA Schily getan hat, fällt auf den zurück, der solche Ungeheuerlichkeiten ausspricht. Es stellt im übrigen eine Verunglimpfung der Opfer des NS-Regimes dar, wenn diese mit Angehörigen der RAF oder anderer terroristischer Vereinigungen verglichen werden. Es ist grotesk, von mangelnder Waffengleichheit im Prozeß zu sprechen, wenn der Staat zur Aufklärung und Verhinderung schwerster Verbrechen alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel zum Schutze der Bevölkerung einsetzt.

RA Schily spricht mit der Angeklagten Ensslin.

Vors.:

Entschuldigung.

Herr RA Schily, Herr RA Schily, darf ich drauf hinweisen, das stört. Man hört es akustisch. Wenn Sie leise sich besprechen wollen, ist nichts dagegen einzuwenden.

Bitte schön.

OStA Ze[is]:

Habe ich das Wort, Herr Vorsitzender, oder muß ich mich weiterhin unterbrechen lassen?

Vors.:

Sie haben das Wort.

[2376] RA Sch[ily]:

Ich muß bitten, daß jetzt die Mittagspause eintritt, weil die Angeklagten sind nicht nicht mehr in der Lage, der Verhandlung weiterzufolgen.

Vors.:

Nein. Es wird verhandelt. Die Zeit vorhin von zehn Minuten ist abgezogen bis zwölf, bis viertel nach zwölf.

Bis viertel nach zwölf wird verhandelt.

RA Sch[ily]:

Aber Herr Vorsitzender, wollen Sie um die Minute feilschen? Können wir denn nicht diese Viertelstunde anschließend an die Mittagspause anhängen? Das haben Sie ja selber diesen Vorschlag gemacht.

OStA Ze[is]:

Herr Vorsitzender, ich bitte, meine Stellungnahme hier nicht in zwei Teile aufzuteilen.

Vors.:

Ja.

RA Schily und OStA Zeis reden unverständlich ineinander.

Vors.:

Es soll heute nachmittag nicht verhandelt werden. Wir könnten bis viertel nach zwölf verhandeln und wären dann für den heutigen Tag fertig. Ich halte das im Interesse für alle Beteiligten für die bessere Regelung.

Es hat weiterhin jetzt das Wort ...

RA Schily bleibt unverständlich.

Moment. Nein. Ich habe abgelehnt. Augenblick. Ich habe es abgelehnt, Herr Rechtsanwalt, jetzt die Pause einzulegen.

RA Sch[ily]:

Darf ich darauf hinweisen, daß ...

Vors.:

Ich lasse aber jetzt nicht weitere Zeit vergehen damit, daß dann die Stellungnahme nicht zu Ende gebracht werden kann.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, es geht hier um die Frage der Verhandlungsfähigkeit, und es wäre doch sinnvoll, wenn Sie da, nachdem das in früheren Verhandlungsabschnitten doch nicht mit der not- [2377] wendigen Sorgfalt berücksichtigt worden ist, da Ihr Augenmerk darauf hinlenken.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich weiß, ich kenne die Gesichtspunkte.

RA Sch[ily]:

... die Angeklagten nicht mehr in der Lage sind, der Verhandlung zu folgen und bitte jetzt, die Mittagspause wie üblich um 12.00 Uhr eintreten zu lassen.

Vors.:

Nein. Es ist abgelehnt, Herr Rechtsanwalt. Damit ist’s jetzt zu Ende. Es hat weiterhin Herr B. Anwalt Zeis das Wort.

RA Sch[ily]:

Dann, bitte ich um einen Senatsbeschluß.[60]

Vors.: (nach geheimer Umfrage)[www]

Der Senat hat beschlossen:

Die Verhandlung ist fortzusetzen.

OStA Z[eis][xxx]:

... wenn ich laufend unterbrochen werde.

Es ist grotesk, von mangelnder Waffengleichheit im Prozeß zu sprechen, wenn der Staat zur Aufklärung und Verhinderung schwerster Verbrechen alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel zum Schutze der Bevölkerung einsetzt. Die von der Gegenseite als Sondergesetze apostrophierten Änderungen der StPO waren erforderlich, um in einer wehrhaften Demokratie - ich wiederhole: wehrhaften Demokratie - dem Terrorismus auch auf Seiten der Justiz wirksam begegnen zu können. Sie stehen, wie vom B. Verfassungsgericht bestätigt, in Einklang mit der Verfassung und behindern die Verteidigung in einem rechtsstaatlichen Verfahren nicht. Das weiß auch die Verteidigung. Wenn sie dennoch immer wieder den rechtsstaatlichen Charakter dieser Gesetze in Zweifel zieht, so dient dies neben der Prozeßverschleppung nur Zwecken außerhalb der Hauptverhandlung. Auf angebliche Behinderungen der Verteidigung im Vorverfahren braucht an dieser Stelle nicht mehr eingegangen zu werden. Das Erforderliche hierzu ist bereits in früheren Stellungnahmen der B. Anwaltschaft und in hierauf ergangenen Beschlüssen des Senats und des B. Gerichtshofs gesagt worden.

Hierbei sind auch die diesbezüglichen unrichtigen Behauptungen der Gegenseite richtiggestellt worden.

[2378] Von unmenschlichen Haftbedingungen kann keine Rede sein. Erst vor kurzem hat die Europäische Menschenrechtskommission das Erforderliche hierzu wiederum gesagt.[61] Wer dennoch hiervon spricht - das sei hier nochmals gesagt - verfolgt in Wahrheit auch hiermit das Ziel, den Prozeß zu verschleppen und in der Öffentlichkeit falsche Vorstellungen darüber zu wecken.

Wie es im übrigen mit dem Wahrheitsgehalt einzelner Behauptungen bestellt ist, zeigen beispielhaft die gegen Staatsanwalt Holland im Zusammenhang mit der Aktion "Winterreise[62]" erhobenen Vorwürfe. Es ist unwahr - ich wiederhole: es ist unwahr - daß er sich vor der Durchsuchung der Praxisräume der RAe Eschen und Ströbele drei Tage lang in Berlin aufgehalten haben soll.

Ebenso unrichtig ist die immer wieder aufgestellte Behauptung, sämtliche Angeklagte befänden sich über drei Jahre in Untersuchungshaft. Das weiß insbesondere RA Schily ganz genau - hat er doch die Angeklagte Ensslin im sog. Frankfurter Kaufhausbrandstifterprozeß[63] verteidigt. Die gegen sie damals ausgesprochene Freiheitsstrafe von drei Jahren verbüßte sie bis zum 1. September 1974.

Genauso weiß er, daß auch der Angeklagte Baader aus dem gleichen Grund sich erst seit 1. November 1974 in Untersuchungshaft befindet.

Zum Schluß noch folgendes:

Kein geringerer als der B. Präsident, der ja auch hoffentlich für die Gegenseite über jeden Zweifel, eine Vorverurteilung zu betreiben, erhaben sein dürfte, hat am 28. Mai 1975 erklärt:

„Der Angriff der Terroristen gegen unseren Staat richtet sich naturgemäß mit besonderer Intensität gegen unser Rechtssystem. Ihr, nämlich der Terroristen, Bestreben ist es, die Richter, die Gerichte, unsere Gerichtsordnung und unser Gerichtsverfahren lächerlich

- lächerlich -

und verächtlich zu machen. Alle Verfassungsorgane haben die Pflicht, diesen Angriff auf unsere Rechtsordnung entschlossen abzuwehren. [2379] Die Würde und innere Kraft unseres Rechts und unserer Gerichte sind einer der Grundpfeiler, auf dem unser Staatswesen ruht.“

Deutlicher, deutlicher können die Dinge nicht mehr beim Namen genannt werden.

Vors.:

Ich habe nun ... Das geschieht, Herr Rechtsanwalt, das geschieht. Die Erwiderungen, mit denen ja sicher zu rechnen ist, können wir jetzt im Augenblick nicht mehr entgegennehmen. Wir werden sie dann morgen früh hören.

Bevor die Sitzung abgebrochen wird, noch zwei Hinweise: Zunächst sind bei der Verlesung der Anklage die Paragraphen nicht der heutigen Paragraphenbenennung voll entsprechend[64] genannt worden.

Soweit verlesen worden ist im[yyy] zusammenfassendem Satz über die Strafbestimmungen § 49a, muß es heißen: § 30; soweit § 43 bekanntgegeben worden ist, § 22; anstelle von § 47 § 25 Abs. 2; anstelle von § 73 § 52; und anstelle von § 74 § 53 StGB.

Das sind die Numerierungen der Neufassung des Strafgesetzbuches.

RA Sch[ily]:

Ich habe noch einen kurzen Antrag zu stellen.

Vors.:

Darf ich zunächst noch nen weiteren Hinweis geben?

Herr RA v[on] Plottnitz war es wohl, der im Anschluß an meine Mitteilung, daß die Pflichtverteidiger nicht entpflichtet werden würden,[65] den Hinweis, den ich dem hinzugefügt habe, daß nämlich eine Wiederholung derartiger Pflichtverstöße nicht mehr hingenommen werden könne,[66] beanstandet hat: Bestellung und eventuelle Aufhebung der Bestellung von Pflichtverteidigern sind ausschließlich Aufgaben des Vorsitzenden, so daß darüber auch nur der Vorsitzende befinden kann. Ich habe keinen Anlaß, an dem Hinweis, der gegeben worden ist, etwas zu ändern.

Herr RA Schily, Sie wollten einen Antrag stellen.

[2380] RA Sch[ily]:

Ich wollte einen Antrag stellen, weil, wenn jetzt also die Mittagspause eintritt, entfällt ja der übliche Umschluß.

Vors.:

Das können wir außerhalb der Hauptverhandlung machen.

RA Sch[ily]:

Nein. Das kann ja doch jetzt hier auch ...

Vors.:

Nein. Wenn’s nur um den Umschluß geht, außerhalb der Hauptverhandlung.[67]

RA Sch[ily]:

Ich beantrage

anderthalb Stunden Umschluß für heute.

Vors.:

Ich habe es gehört. Ich bitte, den Antrag dann bei der Geschäftsstelle einzubringen.

Die Sitzung wird unterbrochen bis morgen früh um 9.00 Uhr.

Angekl. Baa[der]:

Moment. Ich habe noch einen Antrag, der wichtig ist.

Ende der Sitzung um 12.05 Uhr.

Nach Schluß der Sitzung übergibt RA Schily eine Fotokopie seines Antrags auf Einstellung des Verfahrens als Anl. 2 zum Protokoll.

Ende von Band 121.

[2381-2394][68]


[1] Die Angeklagten wurden am 27. Verhandlungstag wegen fortgesetzter Störung der Hauptverhandlung nach § 177 GVG i.V.m. § 231b StPO für den Rest des 27. und für den 28. Verhandlungstag von der Hauptverhandlung ausgeschlossen (S. 2293 des Protokolls der Hauptverhandlung, 27. Verhandlungstag). Dies war der erste Ausschluss über den jeweiligen Sitzungstag hinaus. Nach §§ 231b Abs. 2, 231a Abs. 2 StPO sind die Angeklagten bei ihrer Rückkehr von dem wesentlichen Inhalt dessen, was in ihrer Abwesenheit verhandelt wurde, zu unterrichten.

[2] Eine Gegenvorstellung ist ein Rechtsbehelf, der zwar nicht in der Strafprozessordnung vorgesehen, allerdings in Rechtsprechung und Literatur überwiegend anerkannt ist. Sie beinhaltet die formlose Aufforderung, über eine getroffene Entscheidung erneut zu befinden und die Entscheidung aufzuheben oder abzuändern (Hoch, in Satzger/Schluckebier/Widmaier [Hrsg.], Strafprozessordnung, 4. Aufl. 2020, Vor §§ 296 ff. Rn. 39 ff.).

[3] Art. 6 EMRK enthält das Recht auf ein faires Verfahren. Dazu gehören u.a. der Anspruch auf den gesetzlichen Richter, die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Gerichts, die Öffentlichkeit und Mündlichkeit des Gerichtsverfahrens und der Verkündung des Urteils (Abs. 1), die Unschuldsvermutung (Abs. 2) sowie einige grundlegende Verteidigungsrechte (Abs. 3). Rechtsanwalt Schily trug vor, dass das Verfahren eingestellt werden müsse, da die Durchführung eines fairen Verfahrens aufgrund der massiven Vorverurteilung der Angeklagten im Gesamten Gebiet der Bundesrepublik nicht mehr möglich sei (S. 2244 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung (27. Verhandlungstag, fortgeführt ab S. 2275 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 28. Verhandlungstag).

[4] Die amtliche Bestellung allgemeiner Vertreter/innen erfolgt nach § 53 BRAO in Fällen längerer Abwesenheit oder im Voraus für alle Verhinderungsfälle in einem bestimmten Zeitraum. Dem/der amtlich bestellten Vertreter/in stehen nach § 53 Abs. 7 BRAO die gleichen anwaltlichen Befugnisse wie der vertretenen Person zu. Nach § 53 Abs. 3 Satz 2 BRAO a.F. konnte die Landesjustizverwaltung auch Referendar/innen, die seit mindestens 12 Monaten im Vorbereitungsdienst beschäftigt waren, zu allgemeinen Vertreter/innen bestellen (heute § 53 Abs. 4 Satz 2, wobei die Bestellung inzwischen nicht mehr durch die Landesjustizverwaltung erfolgt, sondern durch die Rechtsanwaltskammer).

[5] Anlage 1 zum Protokoll vom 26.8.1975: Zurückweisung der Ablehnung des Vorsitzenden Dr. Prinzing, sowie der Richter Dr. Foth, Maier, Dr. Berroth und Dr. Breucker wegen Besorgnis der Befangenheit als unbegründet.

[6] Die Europäische Menschenrechtskonvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen den Mitgliedstaaten des Europarates. Der Bundestag stimmte der Konvention mit Gesetz vom 7. August 1952 (BGBl. II, S. 685; s. auch die Neufassung vom 17. Mai 2002, BGBl. II, S. 1054) zu, sodass sie den Rang eines einfachen Bundesgesetzes hat (Art. 59 Abs. 2 GG); die Ratifizierung erfolgte am 5.12.1952. Das Bundesverfassungsgericht zieht den Konventionstext sowie die Rechtsprechung des EGMR allerdings auch auf der Ebene des Verfassungsrechts zur Auslegung von Grundrechten und rechtsstaatlichen Verfassungsgrundsätzen heran. Dies sei Ausdruck der „Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes“, welches „nach Möglichkeit so auszulegen [sei], dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland nicht ent[stehe]“ (BVerfG, Beschl. v. 14.10.2004 - Az. 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, S. 307, 317 f.).

[7] Der „Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte“ (auch „Zivilpakt“) wurde am 16.12.1966 gemeinsam mit dem „Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“ („Sozialpakt“) von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet (Resolution 2200A [XXI]). Der Zivilpakt enthält grundlegende bürgerliche und politische Rechte, die auch als Menschenrechte der 1. Generation bezeichnet werden: das Recht auf Leben, das Verbot der Sklaverei und Zwangsarbeit, das Recht auf persönliche Freiheit und Sicherheit, Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, das Recht auf die Teilnahme an allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen sowie die Gleichberechtigung von Mann und Frau (Hofmann/Boldt, in Hofmann [Hrsg.], Internationaler Bürgerrechtepakt, 1. Aufl. 2005, Einleitung Rn. 1 ff.).

[8] Art. 25 GG lautet: „Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes.“ Allgemeine Regeln des Völkerrechts sind solche, die in der Völkergemeinschaft allgemeine Geltung haben, wie das Völkergewohnheitsrecht und die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Völkerrechts. Völkerrechtliche Verträge gehören nicht dazu, wie bereits Art. 59 Abs. 2 GG verdeutlicht; allerdings können entsprechende Verträge auch inhaltsgleiches Völkergewohnheitsrecht widerspiegeln oder sogar bei umfassender Ratifikation zur Herausbildung neuen Gewohnheitsrechts führen (Herdegen, in Maunz/Dürig [Hrsg.], Grundgesetz Kommentar, 92. Ergänzungslieferung, Stand: August 2020, Art. 25 Rn. 35 ff.).

[9] Richterliche Rechtsfortbildung beginnt dort, wo die Grenzen der Auslegung einer Norm - ausgerichtet an dem Willen des Gesetzgebers, dem Wortlaut und Telos der Norm sowie der Gesetzessystematik - überschritten werden, etwa, indem eine Norm analog angewendet wird. Sie ist Kernaufgabe der obersten Bundesgerichte (Art. 95, 96 GG). Für die obersten Gerichte ergibt sich die Befugnis aus einfachgesetzlichen Regelungen, so etwa aus § 132 Abs. 4 GVG für den Großen Senat: „Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.“ Das Bundesverfassungsgericht leitet die Zulässigkeit richterlicher Rechtsfortbildung zudem für alle Gerichte aus Art. 20 Abs. 3 GG - die Bindung der Rechtsprechung an „Gesetz und Recht“ - ab (Voßkuhle, in v. Mangoldt/Klein/Starck [Hrsg.], Grundgesetz, Band 3, 7. Aufl. 2018, Art. 95 Rn. 20). Die Vorstellung, dass alles positive Recht lückenlos zur Regelung sämtlicher Lebensbereiche ausreiche, sei praktisch unerreichbar: „Das Recht ist nicht mit der Gesamtheit der geschriebenen Gesetze identisch. Gegenüber der positiven Satzungen der Staatsgewalt kann unter Umständen ein Mehr an Recht bestehen, das seine Quelle in der verfassungsmäßigen Rechtsordnung als einem Sinnganzen besitzt und dem geschriebenen Gesetz gegenüber als Korrektiv zu wirken vermag; es zu finden und in Entscheidungen zu verwirklichen, ist Aufgabe der Rechtsprechung“ (BVerfG, Beschl. v. 14.2.1973 - Az.: 1 BvR 112/65, BVerfGE 34, S. 269, 287). Die Grenze zulässiger Rechtsfortbildung ist bei einer Auslegung contra legem erreicht, „durch die einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz ein geradezu entgegengesetzter, das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlender oder verfälschter Sinn ergeben würde“ (BVerfG, Beschl. v. 19.6.1973 - Az.: 1 BvL 39/69; 14/72, BVerfGE 35, S. 263, 280).

[10] Das LG Frankfurt am Main zog in seinem Urteil vom 5.11.1970 (Az.: 2 KLs 6/70, JZ 1971, S. 234) einen Verstoß gegen das ebenfalls in Art. 6 EMRK enthaltene Beschleunigungsgebot zur Begründung eines Verfahrenshindernisses heran. Der BGH entschied jedoch 1971, dass sich aus der Verletzung des Beschleunigungsgebotes ein Verfahrenshindernis nicht herleiten lasse; eine unangemessene Verfahrensdauer sei stattdessen im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen. Dies begründete der BGH unter anderem damit, dass „das Mittel des Verfahrenshindernisses seiner Natur nach gänzlich ungeeignet [sei], als gerechter Ausgleich gegenüber Nachteilen dieser Art zu dienen. Es kann immer nur dort eingreifen, wo in sinnvoller Weise an eine bestimmte, für das Verfahren im ganzen uneingeschränkt rechtserhebliche Tatsache angeknüpft werden kann, wie dies etwa beim Ablauf einer Frist, beim Vorliegen einer förmlichen konstitutiven Erklärung und bei der Zugehörigkeit zu einer Körperschaft der Fall ist“ (BGH, Urt. v. 10.11.1971 - Az.: 2 StR 492/71, BGHSt 24, S. 239, 240). Inzwischen ist der BGH auch von dieser sog. Strafzumessungslösung abgerückt. Stattdessen ist im Falle eines rechtsstaatswidrig verzögerten Verfahrens ein Teil der verhängten Strafe zu beziffern, der bereits als vollstreckt gilt (sog. Vollstreckungslösung, BGH, Beschl. v. 7.1.2008 - Az.: GSSt 1/07, NJW 2008, S. 860).

[11] Bis 1963 ging die Rechtsprechung davon aus, der Grundsatz „in dubio pro reo“ gelte nicht bei der Prüfung von Verfahrensvoraussetzungen, sondern nur bei der Beantwortung der Schuld- und Tatfrage. In einem Beschluss vom 19.2.1963 (Az.: 1 StR 318/62, BGHSt 18, S. 274, 277) stellte der BGH allerdings klar, dass dies nicht für alle Verfahrensvoraussetzungen oder -hindernisse „schablonenhaft“ beantwortet werden könne. Stattdessen sei eine Entscheidung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls zu treffen. Seit 2009 nimmt der BGH für Verfahrensvoraussetzungen grundsätzlich an, dass sie nicht erfüllt seien, wenn Zweifel an ihrem Vorliegen bestünden (und entsprechend ein Verfahrenshindernis immer dann schon anzunehmen sei, wenn es möglicherweise vorliege). Dabei bleibt offen, ob dies durch Anwendung des Zweifelssatzes oder durch die Einordnung der Verfahrensvoraussetzungen als Bedingung für die Zulässigkeit eines Sachurteils erfolgt (BGH, Urt. vom 30.7.2009 - Az.: 3 StR 273/09, NStZ 2010, S. 160 ff.; s. auch Kühne, Strafprozessrecht, 9. Aufl. 2015, Rn. 964 ff.).

[12] Als „Vertrauensanwälte“ bzw. „Vertrauensverteidiger“ wurden diejenigen Verteidiger/innen bezeichnet, welche von den Angeklagten zunächst frei gewählt waren (§§ 137, 138 StPO); einige von ihnen wurden den Angeklagten als Pflichtverteidiger/innen (§ 141 StPO) beigeordnet. Mit der Bezeichnung der Vertrauensverteidiger/innen wurden sie von denjenigen Verteidigern abgegrenzt, die den Angeklagten zusätzlich (gegen ihren Willen) durch das Gericht beigeordnet wurden.

[13] Eine solche Situation trat am 26. Verhandlungstag auf. Nachdem die Angeklagten zunächst am Nachmittag vortrugen, sie seien verhandlungsunfähig und würden nicht weiter an der Verhandlung teilnehmen, forderte der Vorsitzende Dr. Prinzing sie auf, zu bleiben. Es entspann sich das übliche Vorgehen, bei dem die Angeklagten auf ihrem Ausschluss beharrten und diesen schließlich mit Beleidigungen des Vorsitzenden Dr. Prinzing wegen ordnungswidrigen Verhaltens (§ 177 GVG i.V.m. § 231b StPO) auch erreichten (S. 2135 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Zur Verhandlungsfähigkeit lag zu dieser Zeit nur ein Zwischenbescheid der Internisten Prof. Dr. Müller und Prof. Dr. Schröder vor, nach deren Eindruck die Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten „für die nächsten zwei bis drei Wochen“ zu bejahen sei (Anlage 3 zum Protokoll vom 30.7.1975, 21. Verhandlungstag, S. 1710 des Protokolls der Hauptverhandlung). Nach der Berechnung der Verteidigung waren die drei Wochen genau am 26. Verhandlungstag vorüber (S. 2095 f. des Protokolls der Hauptverhandlung). Da der Senat der Auffassung war, der Verhandlungstag falle noch in die dreiwöchige Frist und aus diesem Grund die Hauptverhandlung fortsetzte, verließ die „Vertrauensverteidigung“, bestehend aus der Rechtsanwältin Becker, sowie den Rechtsanwälten Dr. Heldmann, von Plottnitz, Riedel und Schily, den Sitzungssaal mit der Erklärung, man möge Bescheid sagen, sobald das endgültige Gutachten über die Verhandlungsfähigkeit vorliege (S. 2132 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[14] Als Sitzungspolizei wird die Ordnungsgewalt des Gerichts bezeichnet (Kühne, Strafprozessrecht, 9. Aufl. 2015, Rn. 706). Die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung obliegt dem/der Vorsitzenden (§ 176 GVG).

[15] Die Hauptverhandlung beginnt nach dem Aufruf der Sache und Feststellung der Anwesenheit mit der Vernehmung der Angeklagten zur Person, an die sich die Verlesung der Anklage (heute außerdem: Mitteilung über ggf. stattgefundene Erörterungen) sowie die Vernehmung der Angeklagten zur Sache anschließen. Hierauf folgt die Beweisaufnahme (§§ 243, 244 StPO). Aufgrund vorrangiger Anträge fand die Vernehmung zur Person sowie die Verlesung der Anklage erst am 26. Verhandlungstag statt.

[16] Die Unschuldsvermutung ist in Art. 6 Abs. 2 EMRK verankert: „Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig.“ Sie wird auch aus dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG hergeleitet, wodurch ihr auch Verfassungsrang zukommt (BVerfG, Beschl. v. 26.3.1987 - Az.: 2 BvR 589/79, BVerfGE 74, S. 358, 370).

[17] Das Strafgesetzbuch ist in einen Allgemeinen Teil und einen Besonderen Teil aufgeteilt. Der Allgemeine Teil enthält Vorschriften, die für alle Straftaten gleichermaßen gelten, etwa allgemeine Begriffsbestimmungen, Regelungen über verschiedene Beteiligungsformen und Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe. Im Besonderen Teil befinden sich die einzelnen Straftatbestände des StGB. Der erste Abschnitt dieses Besonderen Teils ist überschrieben mit „Friedensverrat, Hochverrat und Gefährdung des demokratischen Rechtsstaats (§§ 80-92b)“ und enthält Straftaten, die in besonderem Maße politisch motiviert sind.

[18] Überlegungen dazu, dass die Taten der RAF auch unter dem Gesichtspunkt eines hochverräterischen Unternehmens relevant werden könnten, wurden vom LG Kaiserslautern angestellt. Zu jener Zeit fand dort die Verhandlung gegen die RAF-Mitglieder Manfred Grashof, Wolfgang Grundmann und Klaus Jünschke statt. In einem unveröffentlichten Vorlagebeschluss führt das Gericht aus: „Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß bei Durchführung des Hauptverfahrens die den Angeschuldigten vorgeworfenen Taten unter dem Gesichtspunkt des Hochverrats (§§ 81, 83 StGB) Bedeutung gewinnen. Das Ermittlungsergebnis über die Bestrebungen und Ziele der ‚Roten Armee Fraktion‘ (RAF) sowie Vorgänge in jüngster Vergangenheit geben hierzu Anlaß“ (zit. nach Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 47).

[19] Art. 3 der Constitution of the international criminal police organization - Interpol lautet: „It is strictly forbidden for the Organization to undertake any intervention or activities of a political, military, religious or racial character.“

[20] Vom 28. Juli bis zum 28. August 1975 wurde in Athen ein Strafverfahren gegen zwanzig ehemalige Führungspersonen der griechischen Militärdiktatur (sog. Junta) geführt. Angeklagt waren sie unter anderem wegen Hochverrats und Revolte. Das Verfahren stieß national wie international auf großes öffentliches Interesse (Skordos, in Ganzenmüller [Hrsg.], Recht und Gerechtigkeit, 2017, S. 253, 256 ff.).

[21] Am 1. Januar 1975 traten das Erste Strafverfahrensreformgesetz vom 9. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3393) sowie das Ergänzungsgesetz hierzu vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3686) in Kraft. Hierdurch wurden u.a. die Möglichkeit des Verteidiger/innenausschlusses (§ 138a StPO), die Beschränkung auf drei Wahlverteidiger/innen pro Beschuldigte/n (§ 137 Abs. 1 S. 2 StPO), das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO), sowie die Möglichkeit, den Prozess im Falle vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführter Verhandlungsunfähigkeit bis zum Abschluss der Vernehmung der Angeklagten zur Sache auch in ihrer Abwesenheit durchzuführen (§ 231a StPO), eingeführt. Durch diese und weitere Reformen während der Hauptverhandlung wurden die Rechte der Angeklagten sowie der Verteidigung erheblich eingeschränkt (Tenfelde, Die Rote Armee Fraktion und die Strafjustiz, 2009, S. 72 ff.). Da viele der Vorschriften im Hinblick auf das anstehende Stammheimer Verfahren beschlossen wurden, wurden sie u.a. als „lex RAF“ kritisiert (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 132 ff.). Sie sind überwiegend noch heute in Kraft.

[22] Der Jurist Adolf Arndt legte im Jahre 1933 sein Amt als Strafrichter am Landgericht III in Berlin aus Ablehnung der nationalsozialistischen Ideologie nieder und kam damit wohl einer drohenden Amtsenthebung zuvor; von den Nationalsozialisten wurde er als „Halbjude“ eingestuft. Anschließend arbeitete er als Anwalt in der Kanzlei des sozialdemokratischen jüdischen Anwaltes Kurt Schumacher. Als dieser nach Kriegsende Parteivorsitzender der SPD wurde, trat Arndt ebenfalls in die SPD ein. Ab dem Herbst des Jahres 1945 beteiligte sich Arndt am Wiederaufbau des hessischen Rechtsstaates und setzte sich dafür ein, den politischen Parteien eine verfassungsrechtliche Stellung zuzuerkennen. Arndt - selbst Opfer des nationalsozialistischen Unrechtsstaates - vertrat anwaltlich viele Opfer des NS-Regimes in Wiedergutmachungsprozessen. Die Verbrechen der Nationalsozialisten bezeichnete er als gemeine Verbrechen und sprach diesbezüglich von einer nicht justiziablen Schuld (Goosewinkel, in Gallus/Schildt [Hrsg.], Rückblickend in die Zukunft, 2011, S. 413, 415 ff.).

[23] Rechtsanwalt Dr. Croissant wurde am 22.4.1975 wegen des Verdachts der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung als Verteidiger von Andreas Baader von der weiteren Mitwirkung im Strafverfahren ausgeschlossen (§ 138a StPO). Auch ein Ermittlungsverfahren wurde gegen ihn eingeleitet. Am 23.6.1975 wurden seine Kanzleiräume durchsucht, er selbst wurde vorläufig festgenommen (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 161, 223). Der Vorwurf der Unterstützung der kriminellen Vereinigung, die die RAF aus der Haft heraus fortführen würde, stützte sich u.a. auf die Verwendung bestimmter Wörter, so etwa die Wortwahl des Rechtsanwalts Dr. Croissant im Rahmen eines Aufrufs, die Forderungen der RAF hinsichtlich ihrer Haftbedingungen durch einen dreitägigen Hungerstreik zu unterstützen. In der Ausschließungsentscheidung heißt es dazu: „Bezeichnend für diese Einstellung des Verteidigers ist es, daß er bei dieser Gelegenheit von ‚Vernichtungsinteresse‘, ‚Isolationsfolter‘, ‚Vernichtungshaft‘ und ‚Vernichtungsinteresse der Bundesanwaltschaft und der Staatsschutzbehörden‘ sprach. Er hat sich in Form und Inhalt seiner Äußerungen [...] der Ausdrucksweise der Mitglieder der kriminellen Vereinigung angeglichen [...], die er mit ‚Du‘ und dem Vornamen anzuschreiben pflegt“ (abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 17 f.).

[24] Die Hauptverhandlung fand in dem sog. Mehrzweckgebäude (auch „Mehrzweckhalle“) statt, einem Gerichtsgebäude aus Stahl und Beton, das in Vorbereitung auf den Prozess unmittelbar neben dem Gefängnis für etwa 12 Millionen DM errichtet wurde (Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 69; krit. hierzu auch Tenfelde, Die Rote Armee Fraktion und die Strafjustiz, 2009, S. 100 f.).

[25] Konstantinos Engolfopoulus war der Oberkommandierende der griechischen Marine. Er wurde im Zuge des Putsches der kleinen Junta vom 21. April 1967 verhaftet, weil er eine Kooperation mit den Putschisten ablehnte; der Putsch markiert den Beginn der Griechischen Militärdiktatur, die bis Juli 1974 dauerte (Richter, Griechenland 1950-1974, 2013, S. 312, 318 ff).

[26] Ahmed Ben Bella (1916/18-2012) war der erste Präsident des 1962 unabhängig gewordenen Algeriens. Zuvor hatte er bis zu seiner Verhaftung im Jahr 1954 als führendes Mitglied der algerischen Nationalen Befreiungsfront (FLN) gegen die französische Kolonialherrschaft gekämpft (Katzer, L’Algerie, c’est la France, 2016, S. 214 ff.; Klose, Menschenrechte im Schatten kolonialer Gewalt, 2009, S. 104 f.).

[27] Kwame Nkrumah (1909-1972) setzte sich mit der von ihm gegründeten Convention People’s Party (CPP) für die Unabhängigkeit der (damaligen) britischen Kronkolonie Goldküste von Großbritannien ein. 1960 wurde er zum ersten Präsidenten Ghanas gewählt. Er vertrat einen zentralistisch-autoritären Ansatz und machte die CPP unter Unterdrückung der Opposition zur beherrschenden Partei. Seine Herrschaft endete mit seiner Entmachtung durch Militärs im Februar 1966 (Jansen/Osterhammel, Dekolonisation, 2013, S. 74 f.; Marx, Geschichte Afrikas, 2004, S. 276 f.; Schicho, in Schicho/Grau/Mährdel [Hrsg.], Afrika, 2. Aufl. 2003, S. 211, 215 f.).

[28] Fidel Castro (1927-2016) führte gemeinsam mit seinem Bruder Raúl und Ernesto „Che“ Guevara Guerillaeinheiten in der kubanischen Revolution an. Nach dem Sturz des kubanischen Diktators Fulgencio Batista Anfang des Jahres 1959 wurde Castro Regierungschef Kubas. Ihren institutionellen Niederschlag fand die Revolution, die sich von einer national-egalitären zu einer sozialistischen gewandelt hatte, aber erst 1976 mit der Verabschiedung der Verfassung. Castro selbst herrschte bis 2008 in dem auf seine charismatische Person ausgerichteten System des „Castroismus“ (Werz, in Wende [Hrsg.], Große Revolutionen der Geschichte, 2000, S. 276, 278 ff.; Zeuske, Insel der Extreme, 3. Aufl. 2017, S. 166, 174 ff., 186 ff., 214 ff).

[29] Mao Tse-tung (1893-1976) war offiziell von 1945 bis 1976 Vorsitzender der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh). Von 1927 bis 1937 sowie von 1945 bis 1949 führte er im chinesischen Bürgerkrieg gegen die nationalistische Kuomintang-Partei einen Partisanenkrieg, den er auch theoretisch ausarbeitete (Haffner, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 157, 160 ff.). Als Staatsoberhaupt der 1949 gegründeten Volksrepublik China verfolgte er die kommunistische Umgestaltung der chinesischen Gesellschaft. Eine landesweit umgesetzte Bodenreform und der ungeordnete Versuch, die agrarisch geprägte Wirtschaft innerhalb kürzester Zeit zu industrialisieren, führten zu einer Hungerkatastrophe und dem Tod von - groben Schätzungen zufolge - 20 bis 40 Millionen Menschen. Als Mao den Rückhalt in der KPCh zu verlieren drohte, rief er 1966 mit Hilfe einer fanatisch entfesselten Jugend die sog. Kulturrevolution aus, die die Ausschaltung „reaktionärer“ Kräfte innerhalb der Partei und dem Staat zum Ziel hatte und in deren Folge erneut Millionen Menschen ihr Leben verloren. Von verschiedenen Guerillabewegungen weltweit wurde Mao dagegen als Theoretiker und Stratege bewundert (Dabringhaus, Mao Zedong, 2008, S. 31 ff., 53 ff., 61 ff., 83 ff., 89 ff.; Nerb, in Straßner [Hrsg.], Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 87 f., 93 f.).

[30] In Argentinien gingen Anfang der 1970er Jahren mit unterschiedlichen Zielen sowohl die trotzkistisch geprägte, anti-imperialistische Revolutionäre Volksarmee (ERP), als auch die katholisch orientierte, links-nationalistische Peronistische Bewegung Montonero gegen die Militärregierung und ab 1974 gegen die regierende Peronistische Partei vor (Waldmann/Cramer, in Tobler/Bernecker [Hrsg.], Lateinamerika im 20. Jahrhundert, Band 3, 1996, S. 889, 940 ff., 952 f.; Kurz, in Straßner [Hrsg.], Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 387, 396 ff.).

[31] In Nordirland kämpfte die Irish Republican Army (IRA) bereits seit dem Irischen Unabhängigkeitskrieg (1919-1921) immer wieder mit terroristischen und Guerillamethoden für die Unabhängigkeit von Großbritannien. Mit den Unruhen von 1969 infolge der Straßenschlachten von Londonderry sowie der Abspaltung der Provisional Irish Republican Army (PIRA) von der nun Official IRA (OIRA) genannten Organisation Ende des Jahres 1969 begann eine neue Phase des Konflikts, der Anfang der 1970er Jahre zu einer Eskalation der Gewalt und ab Mitte der 70er in einen von der PIRA ausgerufenen „Langen Krieg“ gegen britische und irische Sicherheitskräfte sowie loyalistische Extremisten mündete (Riegler, Terrorismus, 2009, S. 60 f., 66 ff.; Korstian, in Bonacker/Greshoff/Schimank [Hrsg.], Sozialtheorien im Vergleich, 2008, S. 13, 21 ff.).

[32] Hervorgegangen aus der Studentenbewegung von 1968 und aus den Streiks der italienischen Arbeiter im „heißen Herbst“ Italiens 1969 bildeten die Roten Brigaden die bekannteste und schlagkräftigste linke Gruppierung innerhalb des Landes. Zwischen 1970 und 1974 waren die von ihnen verübten kleineren Angriffe und Entführungen auf die Verbreitung einer antikapitalistischen Propaganda zur Mobilisierung der Arbeiterklasse in Vorbereitung einer proletarischen Revolution ausgerichtet. Ab 1974 gingen die Roten Brigaden zu wesentlich extremeren terroristischen Taten über. Ziel dieser Aktionen war v.a. der Kampf gegen einen ihrer Meinung nach von internationalen Konzernen gesteuerten Staat, den sog. Stato Imperialista delle Multinazionali(SIM) (Wunderle, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 2, 2006, S. 782, 787 ff.; Holzmeier/Mayer, in Straßner [Hrsg.], Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 275, 278 f., 284 ff.).

[33] Für die Behandlung von Kriegsgefangenen gelten nach dem humanitären Völkerrecht (welches im internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt anwendbar ist) besondere Bestimmungen. Diese sind im Genfer Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen (III. Genfer Konvention) von 1949, sowie in den beiden Zusatzprotokollen von 1977 niedergelegt. Danach sind Kriegsgefangene jederzeit mit Menschlichkeit zu behandeln (Art. 13 der III. Genfer Konvention), sie haben unter allen Umständen Anspruch auf Achtung ihrer Person und ihrer Würde (Art. 14 der III. Genfer Konvention). In Art. 13 heißt es außerdem: „Jede unerlaubte Handlung oder Unterlassung seitens des Gewahrsamsstaates, die den Tod oder eine schwere Gefährdung der Gesundheit eines in ihrem Gewahrsam befindlichen Kriegsgefangenen zur Folge hat, ist verboten und als schwere Verletzung des vorliegenden Abkommens zu betrachten.“ Am 65. Verhandlungstag reklamierte Prof. Dr. Azzola, Verteidiger von Ulrike Meinhof, für die Angeklagten den Status von Kriegsgefangenen und beantragte, die Angeklagten in Kriegsgefangenschaft zu überführen (S. 5673 ff. des Protokolls).

[34] Der CDU-Politiker und Spitzenkandidat bei der Wahl um das Berliner Abgeordnetenhaus Peter Lorenz wurde am 27. Februar 1975 von der Bewegung 2. Juni entführt und in einem „Volksgefängnis“ in Berlin-Kreuzberg festgehalten. Im Austausch gegen Lorenz wurde die Freilassung von sechs Gefangenen gefordert: Verena Becker, Rolf Heißler, Gabriele Kröcher-Tiedemann, Horst Mahler, Rolf Pohle und Ingrid Siepmann. Die Bundesregierung unter Kanzler Schmidt ging auf die Forderungen ein: Bis auf Horst Mahler, der das Angebot ablehnte, bestiegen am 3. März 1975 die anderen fünf Inhaftierten mit dem ehemaligen West-Berliner Bürgermeister Heinrich Albertz als Vermittler eine Maschine der Lufthansa nach Aden im Jemen. Nach der erfolgreichen Ankunft wurde Lorenz am 4. März freigelassen (Dahlke, in Hürter/Rusconi [Hrsg.], Die bleiernen Jahre, 2010, S. 31, 36 ff.; Korndörfer, in Straßner [Hrsg.], Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 37, 250 ff.). Die Bewegung 2. Juni benannte sich nach dem Todestag des Studenten Benno Ohnesorg, der am 2.6.1967 bei einer Demonstration der Studentenbewegung gegen den Staatsbesuch des Schahs von Persien durch einen Polizisten erschossen wurde (Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 21 f.).

[35] Werner Maihofer (FDP) war von 1974 bis 1978 Bundesminister des Innern. Das Bundesinnenministerium veröffentlichte im Dezember 1974 unter seiner Leitung eine 165-Seiten-lange Dokumentation, die u.a. amtliche und für das Stammheim-Verfahren relevante Dokumente enthielt, die überwiegend bei verschiedenen Zellendurchsuchungen aufgefunden worden waren (s. zur sog. „Maihofer-Dokumentation“ Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 124 ff.). Die Veröffentlichung solcher Bestandteile eines Strafverfahrens ist strafbar nach § 353d Nr. 3 StGB, solange diese noch nicht Bestandteil einer öffentlichen Verhandlung waren oder das Verfahren abgeschlossen ist. Ein entsprechendes Ermittlungsverfahren stellte die Staatsanwaltschaft - so Rechtsanwalt Schily am 28. Verhandlungstag - unter Heranziehung des damals noch sog. übergesetzlichen Notstands (seit dem 1.1.1975 gesetzlich geregelt in § 34 StGB) ein (S. 2287 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[36] Mit „Trakt“, auch „Toter Trakt“, bezeichneten die Angeklagten einen isolierten Trakt innerhalb einer JVA. In der JVA Köln-Ossendorf befand sich ein solcher Trakt in der psychiatrischen Frauenabteilung, in der zunächst Astrid Proll untergebracht war, später auch Ulrike Meinhof, bevor sie im April 1974 nach Stuttgart-Stammheim verlegt wurde. Im Februar 1974 wurde auch Gudrun Ensslin für zwei Monate nach Köln-Ossendorf verlegt (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 97 ff.). Meinhof beschrieb den Zustand im Trakt mit den Worten: „Das Gefühl, es explodiert einem der Kopf (das Gefühl, die Schädeldecke müsste eigentlich zerreißen, abplatzen) - das Gefühl, es würde einem das Rückenmark ins Gehirn gepresst [...]. das Gefühl, die Zelle fährt [...] rasende Aggressivität, für die es kein Ventil gibt. Das ist das Schlimmste. Klares Bewußtsein, daß man keine Überlebenschance hat [...]“ (Erklärung von Ulrike Meinhof, abgedruckt in: Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 103 ff.; s. auch die Ausführungen im Antrag der Angeklagten am 5. Verhandlungstag, Anlage 1 zum Protokoll vom 12.6.1975, insbes. die S. 425 ff. des Protokolls bzw. 20 ff. der Anlage; s. zu den Haftbedingungen in Köln-Ossendorf aber auch Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 95 ff.).

[37] Andreas Baader bezieht sich auf den Tod von Holger Meins, der ursprünglich Mitangeschuldigter in diesem Verfahren war, aber noch vor Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) am 9. November 1974 in Untersuchungshaft in Wittlich an den Folgen des dritten Hungerstreiks verstarb. Da zu diesem Zeitpunkt der Senat als Gericht der Hauptsache zuständig für den Vollzug der Untersuchungshaft und damit auch für Entscheidungen über die Haftbedingungen war (§ 126 Abs. 2 StPO), machten die Angeklagten den Senat, insbesondere den Vorsitzenden Dr. Prinzing, unmittelbar verantwortlich für seinen Tod (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 117 ff.).

[38] Der Präsident des Berliner Kammergerichts Günter von Drenkmann wurde von der Bewegung 2. Juni in einem Racheakt für den verstorbenen Holger Meins getötet. Nachdem Meins am 9. November 1974 an den Folgen eines Hungerstreiks gestorben war, versuchte die Bewegung am folgenden Tag, von Drenkmann zu entführen. Als dies aufgrund von Drenkmanns Gegenwehr misslang, wurde er erschossen (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 470 f.; Wunschik, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 531, 550).

[39] Am 24. April 1975 überfiel das RAF-Kommando „Holger Meins“ die deutsche Botschaft in Stockholm und forderte die Freilassung von 26 inhaftierten RAF-Mitgliedern, darunter von Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof. Dem Kommando gehörten Karl-Heinz Dellwo, Siegfried Hausner, Hanna Krabbe, Bernhard Rössner, Lutz Taufer und Ulrich Wessel an. Zur Durchsetzung ihrer Forderungen nahmen sie zwölf Geiseln, von denen sie zwei erschossen. Anders als zwei Monate zuvor bei der Lorenz-Entführung durch die Bewegung 2. Juni lehnte die Bundesregierung nun Verhandlungen mit den Geiselnehmer/innen ab. Ihr Ende fand die Geiselnahme durch eine nicht geklärte Sprengstoffexplosion im Inneren des Botschaftsgebäudes, die sich noch vor dem Zugriff schwedischer Sicherheitskräfte ereignete. Bei der Explosion wurde Ulrich Wessel tödlich verletzt. Siegfried Hausner erlag seinen Verletzungen Anfang Mai 1975 in der JVA-Stammheim. Die übrigen vier Geiselnehmer/innen wurden verhaftet und am 20. Juli 1977 zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt (Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 361 ff.; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 69).

[40] Ab dem Zeitpunkt der Erhebung der öffentlichen Klage ist das Gericht der Hauptsache zuständig für den Vollzug der Untersuchungshaft und damit auch für Entscheidungen über die Haftbedingungen (§ 126 Abs. 2 StPO).

[41] Verhandlungsfähigkeit ist die Fähigkeit „in und außerhalb der Verhandlung seine Interessen vernünftig wahrzunehmen, die Verteidigung in verständiger und verständlicher Weise zu führen sowie Prozesserklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen“ (BGH, Beschl. v. 8.2.1995 - Az.: 5 StR 434/94, BGHSt 41, S. 16, 18). Die Verhandlungsunfähigkeit bildet ein vorübergehendes oder dauerndes Verfahrenshindernis (§§ 205, 206a StPO). Eingeschränkter Verhandlungsfähigkeit kann durch die Anordnung besonderer Maßnahmen (ärztliche Unterstützung, Einlegung von Erholungspausen o.ä.) begegnet werden (s. dazu auch Rechtsanwalt Dr. Heldmann auf S. 1255 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 15. Verhandlungstag). Bei vorsätzlicher und schuldhafter Herbeiführung der Verhandlungsunfähigkeit kann die Hauptverhandlung in Abwesenheit des/der Angeklagten durchgeführt werden (§ 231a StPO).

[42] Die Verteidigung rügte die Besetzung des Gerichts, insbesondere die Besetzung der Position des Vorsitzenden mit Dr. Prinzing und äußerte die Vermutung, dieser sei durch die Staatsschutzbehörden ausgewählt worden, um das Verfahren in Stammheim zu führen; die eigentlich besetzte - allerdings wohl nicht mit dem geeigneten Kandidaten - Stelle sei dafür eigens freigeschaffen worden. Siehe hierzu den Antrag des Rechtsanwalts Schily auf Einstellung des Verfahrens (Anlage 2 zum Protokoll vom 5.6.1975, S. 123 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 2. Verhandlungstag), sowie die Ablehnung des Vorsitzenden als Befangen am 7. Verhandlungstag (Teil II der Anlage 1 zum Protokoll vom 19.6.1975, S. 44 ff. der Anlage). Zur dienstlichen Stellungnahme des Vorsitzenden Dr. Prinzing s. S. 681 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, ebenfalls 7. Verhandlungstag.

[43] Art. 11 Abs. 1 GG enthält das Grundrecht auf Freizügigkeit: „Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet.“ In Abs. 2 sind die Voraussetzungen für Einschränkungen dieses Grundrechts benannt. Danach erfordern Einschränkungen stets eine gesetzliche Grundlage: „Dieses Recht darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes und nur für die Fälle eingeschränkt werden, in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allgemeinheit daraus besondere Lasten entstehen würden oder in denen es zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes, zur Bekämpfung von Seuchengefahr, Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen, zum Schutze der Jugend vor Verwahrlosung oder um strafbaren Handlungen vorzubeugen, erforderlich ist.“

[44] Am 24. Verhandlungstag wurde im Rahmen der Diskussion über die unterschiedliche Behandlung der Verteidigung im Vergleich zur Bundesanwaltschaft, welche bei Betreten des Gerichtsgebäudes (anders als die Verteidigung) nicht durchsucht wurde, durch Rechtsanwalt von Plottnitz eingebracht, dass er OStA Zeis mit einer Faustfeuerwaffe im Gebäude gesehen habe (S. 2050, 2053 f. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[45] Der Vorsitzende Dr. Prinzing ließ den Sachverständigen Prof. Dr. Müller und Prof. Dr. Schröder, welche die Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten aus internistischer Perspektive begutachten sollten, schriftlich ergänzende Fragen zukommen, darunter: „3. Ist es aus ärztlicher Sicht denkbar, daß die Angeklagten mit irgend welchen Mitteln die Gewichtsabnahme selbst herbeiführen?“ und „4. Können der starke Kaffee- oder Zigarettenkonsum und verordnete Abführmittel wesentliche Ursachen sein?“ (S. 2170 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 27. Verhandlungstag).

[46] Gemeint sein dürfte Konstantinos Engolfopoulus (s. bereits Fn. 25).

[47] Zum Thema der unterschiedlichen Behandlung von Bundesanwaltschaft und Verteidigung beim Betreten des Gerichtsgebäudes im Hinblick auf eine vorangehende Durchsuchung äußerte Bundesanwalt Dr. Wunder am 24. Verhandlungstag: „Die Frage, warum Bundes- oder Staatsanwälte nicht durchsucht werden, beantwortet sich ganz leicht. Neben anderen Erwägungen deswegen, weil es paradox wäre. Sie verfolgen als Anwälte des Bundes bzw. als Anwälte des Staates strafbare Handlungen und begehen in der Regel keine“ (S. 2056 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[48] Horst Mahler war ein führendes Mitglied der ersten RAF-Generation. Seine zentrale Rolle bei der Entstehung der RAF ist jedoch gegenüber den hier Angeklagten Baader, Ensslin und Meinhof in den Hintergrund gerückt. Als Rechtsanwalt und SDS-Mitglied verteidigte Mahler gegen Ende der 1960er Jahre einige Protagonist/innen der linken Szene. Der Tod Benno Ohnesorgs am 2. Juni 1967 führte auch bei ihm zu einer Radikalisierung. Er war maßgeblich an der Vorbereitung der als „Geburtsstunde der RAF“ bezeichneten Befreiung Baaders aus der Haft im Mai 1970 beteiligt. Im September 1970 überfiel er u.a. zusammen mit Andreas Baader und Irene Goergens eine Bank in West-Berlin; bereits eine Woche später wurde er verhaftet. Im Jahr 1972 begann der Prozess gegen ihn vor dem Kammergericht Berlin wegen gemeinschaftlich begangenen Raubes in Tateinheit mit der Gründung einer kriminellen Vereinigung. Im Februar 1973 wurde er zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von 12 Jahren verurteilt. Unter Einbeziehung dieser Strafe wurde er im November 1974 aufgrund seiner Beteiligung an der Baader-Befreiung zu einer (Gesamt-)Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Zwischen Mahler und dem Führungsduo Baader/Ensslin ergaben sich immer wieder Differenzen. Spätestens mit der Ablehnung seiner Freilassung im Austausch gegen den im Februar 1975 entführten Politiker Peter Lorenz sagte er sich endgültig von der RAF los. Nach seiner Haftentlassung im Jahr 1980 durchlief Mahler eine radikale politische Kehrtwende. Ende der 90er Jahre bekannte er sich erstmals öffentlich zum Rechtsradikalismus, im Jahr 2000 trat er in die NPD ein. Wegen antisemitischer Hetze wurde er mehrfach wegen Volksverhetzung und Holocaustleugnung zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt (Jander, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 372 ff.; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 40 ff., 53, 67 f.).

[49] Bei seinem Auszug aus der Wohnung in der Seidenstraße (Stuttgart) vergaß Ian MacLeod wohl die Entfernung des Türschildes; auch eine Ummeldung erfolgte nicht. Nachdem Ermittlungsergebnisse auf die Nutzung der Wohnung durch Mitglieder der RAF hinwiesen, entstand dadurch auch ein Verdacht gegen MacLeod. Am 25. Juni 1972 wurde er in seiner (neuen) Stuttgarter Wohnung von einer Polizeieinheit erschossen. Ein Polizeibeamter gab zwei Schüsse durch die geschlossene Schlafzimmertür ab, einer traf den unbewaffneten MacLeod tödlich. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart erhob gegen den Schützen Anklage wegen fahrlässiger Tötung, die zuständige Strafkammer lehnte jedoch die Eröffnung des Hauptverfahrens ab (Birkenmeier, DIE ZEIT, Ausgabe 26/1972 vom 30.6.1972; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 34; Rech, Südwest Presse, 24.6.2017).

[50] Hierbei handelt es sich wohl um einen Transkriptionsfehler. Gemeint sein dürfte Günther Jendrian, ein 24jährigen Münchener Taxifahrer, der im Mai 1974 von einem Sonderkommando der Polizei in seiner Wohnung erschossen wurde. Die Umstände seines Todes gaben in der linken Presse Anlass zur Vermutung, er sei, obgleich unbewaffnet, gezielt erschossen worden (Taxifahrer kaltblütig von Polizei erschossen!, in: Roter Morgen [Zeitung der KPD/ML], 01.06.1974, abrufbar unter https://socialhistoryportal.org/raf/5395, zuletzt abgerufen am 24.09.2021).

[51] Am 4. Dezember 1971 kam es in Westberlin zu einer Großfahndung gegen die Rote Armee Fraktion. Dabei setzten die städtischen Sicherheitsbehörden auch kurzfristig Mitglieder der „Tupamaros Westberlin“, einer Vorläufergruppe der „Bewegung 2. Juni“, auf die Fahndungsliste, unter ihnen Georg von Rauch (1947-1971). Georg von Rauch und drei weitere „Tupamaros“ (Michael „Bommi“ Baumann, Peter Knoll, Heinz Brockmann) versuchten an diesem Tag einen gestohlenen Ford „Transit“ umzuparken. Dieser wurde jedoch unabhängig voneinander von der Polizei und dem Landesamt für Verfassungsschutz observiert. Bei einem Zugriff durch zwei Polizeibeamte in der Eisenacher Straße kam es zu einer Schießerei, bei der Georg von Rauch durch einen Schuss in eines seiner Augen getötet wurde. Der genaue Ablauf des Vorfalls ist bis heute nicht komplett zweifelsfrei zu rekonstruieren, wenn auch vieles darauf hindeutet, dass Georg von Rauch als erster das Feuer eröffnete. Von Rauchs Tod und die vielen Pannen in seiner Untersuchung zogen sowohl eine wochenlange Solidaritätskampagne der „Roten Hilfe Westberlin“ nach sich als auch eine politische Untersuchung durch den Ausschuss für Sicherheit und Ordnung des Abgeordnetenhauses. (s. etwa König, Zwei Ikonen des bewaffneten Kampfes, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 460; „Großfahndung in Berlin“, Berliner Zeitung vom 04.12.1971, S. 1; Zu diesem Vorfall und den Folgen s. auch die Dissertation Kevin Lenk, HU Berlin 2021.

[52] Der Schlosser Karl-Heinz Ruhland wurde im Dezember 1970 verhaftet. Erst wenige Monate zuvor hatte Ruhland wohl aus Geldsorgen begonnen, die RAF mit dem Frisieren gestohlener Autos zu unterstützen. Am 29. September 1970 beteiligte sich Ruhland an den Berliner Banküberfällen. Bis zu seiner Verhaftung kundschaftete er u.a. gemeinsam mit Meinhof und Jansen mögliche Einbruchsziele aus und beging Diebstähle. In mehreren Verfahren gegen RAF-Mitglieder fungierte Ruhland, der sich von der RAF losgesagt hatte, als umstrittener Belastungszeuge. Mit Urteil vom 15.3.1972 wurde er vom OLG Düsseldorf wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt; nach nur zweieinhalb Jahren wurde er vom damaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann begnadigt. Im Laufe seiner verschiedenen Aussagen verstrickte er sich in zahlreiche Widersprüche (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 243 ff., 253 ff., 260, 271 ff.; Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 243 ff.). Heinrich Hannover bezeichnete ihn als „berühmtesten oder richtiger ruhmlosesten aller bisherigen Kronzeugen“ (Hannover, Terroristenprozesse, 1991, S. 140).

[53] Noch vor Beginn der Hauptverhandlung wurden die damaligen Verteidiger Baaders, die Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele, auf Grundlage des neu geschaffenen § 138a StPO wegen des Verdachtes der Tatbeteiligung - Unterstützung der kriminellen Vereinigung RAF - ausgeschlossen; zudem wurden strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 156 ff., 537 ff.). Da sich die Ausschlüsse auf die Verteidigung von Andreas Baader bezogen, legitimierten sie sich am ersten Verhandlungstag für jeweils andere Angeklagte und stellten den Antrag, zur Hauptverhandlung zugelassen zu werden. Der 2. Strafsenat war allerdings der Auffassung, die Wirkung der bereits ergangenen Ausschlussentscheidungen umfasse auch das Verbot der Mitwirkung der ausgeschlossenen Verteidiger im Hinblick auf die übrigen Angeklagten. Die Bundesanwaltschaft äußerte gegen diese Rechtsauffassung erhebliche Bedenken (so Bundesanwalt Dr. Wunder auf S. 50 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag) und beantragte daher, die Verteidiger auch im Hinblick auf die anderen Angeklagten auszuschließen (Anlage 5 zum Protokoll vom 21.5.1975, S. 65 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Diesen Antrag legte der 2. Strafsenat dem zuständigen 1. Strafsenat zur Entscheidung vor. Dieser bestätigte nun die Auffassung des 2. Senates und wies den (nach dieser Ansicht überflüssigen) Antrag auf erneuten Ausschluss zurück. Inzwischen sieht § 138a Abs. 5 StPO ausdrücklich vor, dass der Ausschluss sich auch auf andere Beschuldigte in demselben Verfahren erstreckt.

[54] S. bereits Fn. 10.

[55] Die Frage, ob ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot überhaupt ein Verfahrenshindernis begründen könne, ließ der BGH in dieser Entscheidung offen; eine solche, im Gesetz nicht vorgesehene Rechtsfolge, sei ohnehin „allenfalls bei einem schlechthin unerträglichen Mißverhältnis zwischen der Verfahrensdauer und der Schwere des strafrechtlichen Vorwurfs in Erwägung zu ziehen“, das im konkreten Fall jedenfalls nicht dargelegt worden sei (BGH, Urt. 25.6.1974 - Az.: 1 StR 607/73, BeckRS 1974, 00112).

[56] S. Fn. 39.

[57] S. Fn. 38.

[58] S. Fn. 48.

[59] Nachdem Andreas Baader Anfang April 1970 bei einer Verkehrskontrolle in Berlin verhaftet worden war, gelang es einer Gruppe um Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof, Irene Goergens und Ingrid Schubert, ihn am 14. Mai 1970 zu befreien. Als Ort der Aktion diente die Bibliothek Zentralinstituts für Soziale Fragen in Berlin-Dahlem, wo Baader unter Bewachung von zwei Vollzugsbeamten ein Gespräch mit Ulrike Meinhof für ein Buchgespräch zugestanden worden war. Während der Aktion wurde ein Schuss auf einen unbeteiligten Bibliotheksmitarbeiter abgegeben, der schwer verletzt wurde. Die gewaltsame Befreiung Baaders aus der Haft wird auch als „Geburtsstunde der RAF“ bezeichnet. Auch Ulrike Meinhof lebte von nun an in der Illegalität (Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 177 ff.; Wieland, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, 2006, S. 332, 343).

[60] Sachleitungsbezogene Anordnungen des/der Vorsitzenden können als unzulässig beanstandet werden (§ 238 Abs. 2 StPO). Über die Beanstandung entscheidet sodann das Gericht, in diesem Fall der Senat in voller Besetzung.

[61] Mit Entscheidung vom 30. Mai 1975 wies die Europäische Menschenrechtskommission eine Beschwerde der Inhaftierten Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Holger Meins und Wolfgang Grundmann, die sich auf die ihrer Ansicht nach menschenrechtswidrigen Haftbedingungen stützte, als offensichtlich unbegründet zurück. Die inhaftierten Mitglieder der RAF seien schon keine politischen Gefangenen, da sie sich nicht aufgrund ihrer politischen Überzeugungen, sondern aufgrund des Verdachts schwerer, gemeingefährlicher Straftaten, in Haft befänden. Angesichts der Gefährlichkeit der Beschwerdeführer/innen, die sich u.a. in der gewaltsamen Befreiung Andreas Baaders’ gezeigt habe, seien die angeordneten Maßnahmen als zulässig zu erachten (EKMR, Baader et al. v. Germany, Nr. 6166/73, Entsch. v. 30. Mai 1975, EuGRZ 1975, S. 455, 458 ff.).

[62] Ende November 1974 führten Polizeibehörden bundesweit die Fahndungsaktion „Winterreise“ durch. Dabei durchsuchten sie zahlreiche Wohnungen, Büros und Verlagshäuser nach Unterstützer/innen krimineller Vereinigungen. Die Aktion führte zwar nicht zu großen Festnahmen, ließ jedoch einige Sympathisant/innen aufschrecken. Die Fahndung war von der Innenministerkonferenz beschlossen worden, nachdem der Hungertod von Holger Meins und die Ermordung des Kammergerichtspräsidenten Günter von Drenkmanns im Herbst 1974 zu einer Verschärfung des Konflikts zwischen linksterroristischen Gruppen und den Sicherheitsbehörden geführt hatten (Weinhauer, in Weinhauer/Requate/Haupt [Hrsg.], Terrorismus in der Bundesrepublik, 2006, S. 244, 255 f.).

[63] Am 2. April 1968 verübten Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Thorwald Proll und Horst Söhnlein Brandanschläge auf Kaufhäuser in Frankfurt am Main, bei denen zwar erhebliche Sachschäden entstanden, aber keine Menschen verletzt wurden. Die Kaufhausbrandstiftungen zählen zu den ersten politischen Gewalttaten von Baader und Ensslin vor Gründung der RAF. Motiviert wurden sie durch eine Kampagne der Kommune I, die eine Brandtragödie mit mehr als 200 Toten in einem Brüsseler Kaufhaus im Jahr 1967 für Kritik am Vietnamkrieg nutzte. Im Oktober 1968 begann der Prozess am Landgericht Frankfurt gegen Baader, Ensslin, Proll und Söhnlein. Mit Urteil vom 31.10.1968 wurden sie zu Haftstrafen in Höhe von je drei Jahren verurteilt (Hakemi/Hecken, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 316 f, 322 ff.; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 27 ff.). Ulrike Meinhof, die den Prozess für die Zeitschrift konkret verfolgte, kritisierte die Brandstiftung in ihrer Kolumne: „Gegen Brandstiftung im allgemeinen spricht, daß dabei Menschen gefährdet werden sollen. Gegen Warenhausbrandstiftung im besonderen spricht, daß dieser Angriff auf die kapitalistische Konsumwelt [...] eben diese Konsumwelt nicht aus den Angeln hebt, sie nicht einmal verletzt [...]. Dem Prinzip [...] des Profits und der Akkumulation von Kapital, wird durch einfache Warenvernichtung eher entsprochen, als daß es durchbrochen würde“ (Meinhof, Die Würde des Menschen ist antastbar, 1980, S. 153).

[64] Mit Wirkung zum 1.1.1975 wurde der Allgemeine Teil des StGB durch das Zweite Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 4. Juli 1969 (BGBl. I, S. 717) vollständig neu strukturiert.

[65] Nachdem sich die Rechtsanwältin Becker sowie die Rechtsanwälte Dr. Heldmann, Riedel, Schily und von Plottniz am 26. Verhandlung aus der Hauptverhandlung entfernten (s. dazu bereits Fn. 13), beantragte die Bundesanwaltschaft, ihre Bestellungen als Pflichtverteidiger/innen wegen pflichtwidrigen Verhaltens zurückzunehmen (S. 2138 des Protokolls der Hauptverhandlung, 26. Verhandlungstag). Die Zurücknahme der Bestellung als Pflichtverteidiger/in (Entpflichtung) war zwar ausdrücklich nur für den Fall vorgesehen, dass demnächst ein/e andere/r Verteidiger/in gewählt wird und diese/r die Wahl annimmt (§ 143 StPO a.F.; heute: § 143a Abs. 1 Satz 1 StPO). Überwiegend wurde aber angenommen, dass die Zurücknahme der Bestellung auch über diesen Fall hinaus aus einem wichtigen Grund zulässig ist (BVerfG, Beschl. v. 8.4.1975 - Az.: 2 BvR 207/75, BVerfGE 39, S. 238, 244). Als wichtiger Grund wurde auch die grobe Pflichtverletzung nach voriger Abmahnung gesehen; bloßes prozessordnungswidriges oder unzweckmäßiges Verhalten reicht hingegen nicht aus, da es nicht Aufgabe des Gerichts ist, die ordnungsgemäße Erfüllung der Verteidigungspflichten zu überwachen (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 143a Rn. 25 ff.; s. auch Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 32. Aufl. 1975, § 143 Anm. 3). Seit dem 13.12.2019 enthält § 143a Abs. 2 Nr. 3 StPO (eingeführt durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019, BGBl. I, S. 2128) ausdrücklich die Möglichkeit der Entpflichtung, wenn „aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Beschuldigten gewährleistet ist“. Darunter fällt nun auch der Fall der groben Pflichtverletzung (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 143a Rn. 26).

[66] S. dazu die Ausführungen des Vorsitzenden Dr. Prinzing am 27. Verhandlungstag, S. 2168 f. des Protokolls der Hauptverhandlung.

[67] Notwendigerweise Gegenstand der Hauptverhandlung ist alles, was der Beantwortung der Schuld- und Straffrage dient, d.h. der Tathergang, die Schuld der/des Angeklagten sowie die Höhe der Strafe, da nur solche Tatsachen zur Begründung des Urteils herangezogen werden dürfen, die (prozessordnungsgemäß) in die Hauptverhandlung eingeführt wurden (§ 261 StPO). Für den Vollzug der Untersuchungshaft und damit auch für die Haftmodalitäten liegt die gerichtliche Zuständigkeit zwar auch beim Gericht der Hauptsache (§ 126 Abs. 2 StPO); allerdings erfolgt eine Erörterung der Fragen üblicherweise außerhalb der Hauptverhandlung, weil sie zur Beantwortung der Schuld- und Straffrage nicht von Belang sind.

[68] Anlage 2 zum Protokoll vom 26. August 1975: Antrag des Rechtsanwalts Schily auf Einstellung des Verfahrens gem. § 260 Abs. 3 StPO i.V.m. Art. 6 EMRK.


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[ii] Handschriftlich ergänzt: Repressionen

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[nnn] Handschriftlich eingefügt: dagegen

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[ppp] Maschinell ergänzt: beweisen

[qqq] Handschriftlich ersetzt: die durch den

[rrr] Handschriftlich durchgestrichen: Notstandsart.

[sss] Handschriftlich ersetzt: aber durch als

[ttt] Maschinell eingefügt: sich

[uuu] Handschriftlich ersetzt: dass durch der

[vvv] Handschriftlich ersetzt: den durch dem

[www] Maschinell eingefügt: RA Sch.: Dann, bitte ich um einen Senatsbeschluß.

V.: (nach geheimer Umfrage)

[xxx] Maschinell eingefügt: Z.:

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