24. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 7. August 1975, 9.05 Uhr



[1944] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 7. August 1975, 9.05 Uhr.

(24. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft - mit Ausnahme von Reg. Dir. Widera - erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte waren anwesend:

Just. Sekr. Janetzko und

Just. Ass. z. A. Scholze.

Die Angeklagten waren anwesend mit ihren Verteidigern:

Rechtsanwälte Schily, Becker, Dr. Heldmann, Riedel, v[on] Plottnitz, Eggler, Künzel, Schnabel, Schwarz, Schlaegel, König, Linke und Grigat.

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort - wie ich sehe, in voller Besetzung.

Die Angeklagten haben am letzten Verhandlungstag abschließend zwei Ablehnungsanträge gestellt:

einmal gegen die fünf erkennenden Richter;

zum andern die drei Richter, die sie zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch gegen die erkennenden Richter für berufen halten mit der Begründung, diese drei Richter hätten bei ihrem Beschluß vom 1.8.1975, der ebenfalls einen Ablehnungsgesuch betraf, Voreingenommenheit erkennen lassen. Dazu sind zwei Beschlüsse ergangen, die ich hiermit bekanntgebe.

Der erste Beschluß befindet über die Ablehnung der drei Richter

Vors. Richter am OLG Aspacher

und die Richter am OLG König und Jans.

Vors. verliest den Beschluß vom 6. August 1975 aus Anl. 1 zum Protokoll.

Dieser Beschluß ist dem Protokoll als Anl. 1 beigefügt.

[1945-1949][1] [1950] [a]

Folgt die Unterschrift der Richter.

Sodann ist der Beschluß bekanntzugeben, der die Ablehnung der fünf erkennenden Richter betrifft.

Vors. verliest den Beschluß vom 6. August 1975 aus Anl. 2 zum Protokoll.

Der Beschluß ist als Anl. 2 dem Protokoll beigefügt.

Vors.:

Das waren die Beschlüsse.

Wir können damit jetzt zur Vernehmung zur Person[2] kommen.

Sie wollen das Wort haben? Bitte, Herr RA Schily.

RA Sch[ily]:

Ich habe folgenden Antrag zu stellen, von dem ich eingangs gleich sagen darf, daß er hinsichtlich des Antrags selbst inhaltlich dem entspricht, den der Kollege Riedel für Frau Meinhof gestellt hat, jedoch mit teilweiser anderer und neuer Begründung, wobei es sich anbietet - natürlich anbietet - auch auf die Gründe einzugehen des Beschlusses dieses Senats vom 31. Juli 1975[3].

Der Antrag lautet:

1. den Verteidigern Akteneinsicht in die vom Generalbundesanwalt erst am 5. Mai 1975 vorgelegten 69 Stehordner, eine Beiakte der Staatsanwaltschaft München, eine Bildermappe - Wohnung: Budapester Straße, Berlin - zu gewähren;

2. die noch im Besitz des Bundeskriminalamts befindlichen weiteren 1602 Stehordner mit Beweis- und Ermittlungsmaterial zu diesem Verfahren heranzuziehen;

3. die Hauptverhandlung auszusetzen bis

a) die vorenthaltenen 1602 Stehordner dem Gericht vorliegen und

b) die Verteidiger die vollständige Akteneinsicht hatten bzw. vollständige Kopien der Ermittlungsunterlagen.

[1951-1956][4] [1957] Ich sagte bereits:

Es bietet sich an, in der Antragsbegründung anzuknüpfen an die Gründe des Beschlusses des Senats vom 31. Juli dieses Jahres,[5] in denen unter Punkt 1 der Antrag auf Akteneinsicht als überflüssig bezeichnet wurde, und der entsprechende Antrag als unzulässig. Die Überflüssigkeit der Akteneinsicht wird in den Gründen dieses Beschlusses daraus hergeleitet, daß ja der Senat im Beschluß vom 22. Januar 1975 auf Akteneinsicht über die Bundesanwaltschaft hingewiesen habe, und diesen Hinweis im Schreiben vom 9. Mai 1975 wiederholt habe, und daß, wie der Senat meinte, keiner der von den Angeklagten benannten Verteidiger bisher von diesem Angebot Gebrauch gemacht habe; sondern lediglich einer der von den Angeklagten nichtbenannten Verteidiger habe sich diese ... haben sich dieser Mühe unterzogen.

So heißt es in dem Beschluß.

Zunächst einmal ist darauf hinzuweisen - wie es bereits im Antrag des Kollegen Riedel geschehen ist -, daß ja der Antrag auf vollständige Aktenvorlage und vollständige Akteneinsicht bereits im Juli 1974 von einem der Verteidiger - und Sie wissen, daß zu dem damaligen Zeitpunkt ja noch die sog. Blockverteidigung zugelassen war[6] -, daß zu diesem Zeitpunkt der Kollege Ströbele einen entsprechenden Antrag eingereicht hatte.

Dann sind mehrfach Äußerungen - wechselnde Äußerungen, die ich jetzt hier nicht im einzelnen noch einmal diskutieren will, die dem Senat bekannt sind aus dem Antrag des Kollegen Riedel - aber die in ihren Inhalten - diese Äußerungen der Bundesanwaltschaft - in ihren Inhalten zum Teil diametral unterschiedlich sind. Es wird zunächst einmal gesagt: Es sind überhaupt keine da; dann ist wieder eine Kleinigkeit da.

Also das wechselt von einem Tag auf den anderen.

Nun wurde ja auch in der Erwiderung der Bundesanwaltschaft erklärt, nur ich als Verteidiger von Gudrun Ensslin habe anläßlich des Anhörungstermins mich um diese Akten bemüht. Es trifft zu, daß ich seinerzeit anläßlich dieses Anhörungstermines mit Herrn B. Anwalt Dr. Wunder mich über diese [1958] Frage unterhalten habe, Herrn B. Anwalt Dr. Wunder darauf angesprochen habe und erörtert habe, welche technischen Möglichkeiten evtl. bestehen, diese Akten einzusehen - wenn ich mich recht erinnere, war es seinerzeit noch unklar, wo die Akten eigentlich sind; ich glaube, sie waren damals in Godesberg - insofern bestanden also auch noch technische Schwierigkeiten.

Was aber in dem Senatsbeschluß überhaupt nicht vorkommt - und das scheint mir eine sehr wichtige Tatsache in diesem Zusammenhang zu sein - ist, daß der Kollege Köncke, der ja Verteidiger von Ulrike Meinhof ist, als Wahlverteidiger[7] hier in diesem Verfahren tätig ist, wenn auch außerhalb der Hauptverhandlung, daß der RA Köncke im Mai d. J. - ich glaube, es war mit Schreiben vom 14. Mai 1975 - um Akteneinsicht gebeten hatte und erhielt daraufhin vom Senat unter dem 20. Mai 1975 folgendes Schreiben mit folgendem Inhalt:

„An Herrn

Rechtsanwalt

Köncke

Ich habe der Bundesanwaltschaft geschrieben, wie aus der Anlage ersichtlich.“

Das ist das Schreiben des Senats vom 15. Mai 1975, was ja schon hier einmal erwähnt worden ist, und da heißt es:

„Der Senat hat für die Über...“

- also -

Betr.: Übersendung von Spurenakten

Der Senat hat für die übersandten, nicht zu den Gerichtsakten gehörenden Stehordner samt Beilagen keine Verwendung.

Ich bitte um Mitteilung, wohin sie zurückgesandt werden sollen: nach Karlsruhe oder in die hiesigen Diensträume der Bundesanwaltschaft.“

[1959] Und dann kommt also dieses Schreiben an Herrn Köncke:

„Ich habe der Bundesanwaltschaft geschrieben, wie aus der Anlage ersichtlich

- wie ich eben verlesen habe -

Ihr Schreiben ist der Bundesanwaltschaft zur weiteren Veranlassung übersandt worden. Sie verfügt ausschließlich über Akten, die nicht zu den Gerichtsakten zählen.“

Also der Inhalt dieses Schreibens ist ganz eindeutig:

Der Antrag auf Akteneinsicht wird abgelehnt, weil gesagt wird:

Das ist die Domäne der B. Anwaltschaft. Das Gericht - wenn ich’s mal ein bißchen verkürzt ausdrücken darf - hält sich da vollkommen heraus.

Und man hat also die Akten, die auch in dieser Weise dem Senat in einer etwas merkwürdigen Form zugänglich gemacht worden sind - denn seinerzeit wurden die Akten übersandt mit dem Bemerken der B. Anwaltschaft - so was habe ich eigentlich noch nie gesehen -: Es werden also Akten übersandt mit dem ausdrücklichen Hinweis, es seien keine Akten i. S. der Bestimmung des § 199 der StPO.[8]

Also: Entweder werden Akten ja übersandt, dann werden sie Bestandteil der Akten bzw. Beiakten. Aber hier also sozusagen sich da eine eine ... ein Reservoir zu schaffen, zu sagen:

Naja, es sind so halbe Akten, nicht. Wir legen sie eben mal dahin, aber sie gehören dann eben nach § 199 StPO nicht dazu.

Das ist eine Verfahrensweise, die ich vollkommen unzulässig halte.[9]

Im übrigen ist es so überflüssig, die Überflüssigkeit einer Akteneinsicht kann sich überhaupt nie aus dem Zeitablauf ergeben, solange das Verfahren noch läuft. Die Überflüssigkeit könnte sich vielleicht zu einem andern Zeitpunkt, der sehr weit dann in der Zukunft läge, ergeben. Aber solange das Verfahren läuft, ist natürlich aus dem Zeitablauf auf Überflüssigkeit nicht zu schließen. Selbst wenn sie - ich [1960] unterstelle einmal - selbst wenn von den Anwälten da noch ein unzureichender Gebrauch davon gemacht worden wäre, wobei man ja darauf hinweisen darf, daß ja die Akten kurz vor Beginn der Hauptverhandlung vorgelegt worden sind - das ist ja doch einigermaßen bei einem Verfahren, das nach Presseberichten auf eine Zeitdauer von anderthalb Jahren etwa in Aussicht genommen wird, eine Zeitdauer von anderthalb Jahren -, daß eine Woche vorher 69 Stehordner, das sind 70, also mal rund 70 Leitz-Ordner dieser Art und Güte, wie sie da hinter dem Senat aufgebaut sind, und das ist ja immerhin ein erheblicher.. auch ein erheblicher, sagen wir mal Relation zu dem, was bisher an Aktenmaterial vorliegt. Daß das dann auch innerhalb einer Zeitspanne von 14 Tagen nicht durchzuarbeiten ist, das liegt doch auf der Hand; und daß dann nicht sofort auch innerhalb der Hauptverhandlung, bei der ja auch bestimmte Vorberatungen notwendig sind, bei der eine erhebliche Tätigkeit der Verteidiger ... daß das nicht sozusagen parallel so neben der ... neben der Hauptverhandlung möglich ist, das müßte eigentlich jedem, der einmal in einem Strafverfahren tätig war, und der so ein gewisses ... einen gewissen Überblick für Möglichkeiten und Notwendigkeiten innerhalb einer Strafverteidigung hat, klar sein. Nun muß man sagen, ist das eigentlich - diese Mitteilung des Senats an den Kollegen Köncke - nichts anderes als bereits Ablehnung der Akteneinsicht, und zwar eben auf dem Umwege der Rücksendung der Akten, die ja flugs zurückgesandt wurden an die B. Anwaltschaft und dann gesagt:

Also wir haben mit der Sache nichts mehr zu tun.

Nun könnte man denken - und solche Anwürfe sind ja auch zum Teil so formuliert worden seitens der B. Anwaltschaft - ja, was hat denn ... das ist alles nur Obstruktion, die diesem Verfahren also widerspricht; man will hier das Verfahren nicht in Gang kommen lassen. Es hat eigentlich überhaupt keine sachliche Grundlage, daß man sich seitens der Verteidiger um diese Akten kümmert.

[1961] Nun sollte aber der Senat doch nicht übersehen, daß in diesen ... allein in diesen 69 Stehordnern, die der Herr B. Anwalt Dr. Wunder am 5. Mai - ich glaub, Sie waren’s, Herr Dr. Wunder oder Herr Holland; ich kann’s jetzt nicht mehr genau sagen - am 5. Mai 1975 dem Senat zur Verfügung gestellt hat, immerhin allein 24 Leitz-Ordner sind, die Ermittlungsmaterial zum Bombenanschlag Heidelberg[10] enthalten sollen. Bisher liegen dem Senat zu diesem Komplex fünf Leitz-Ordner vor, und wenn man mal die Relation sieht, ist es das Fünffache an Ermittlungsmaterial.

Und ich kann mich insoweit, weil ich ja nun auch noch keine Gelegenheit hatte, diese Akten einzusehen, insoweit auch nur auf Presseberichte beziehen, in der also zumindest die Vermutung geäußert worden ist, daß auch zahlreiche andere Personen als diese hier Angeklagten als Täter, in dem Zusammenhang, den ich grade genannt habe, in Verdacht geraten sein sollen; und daß dann grade auch im Hinblick auf solches Ermittlungsmaterial möglicherweise zahlreiche andere Personen als Beschuldigte und Zeugen vernommen worden sind, die ... deren Aussageprotokolle nicht in dem ... nicht in den bisher von der B. Anwaltschaft ausgewählten Beweisermittlungsunterlagen zu finden sind. Davon darf man ausgehen.

Es ist ja so, daß in einem Indizienprozeß die Spurenakten eine ganz erhebliche Rolle spielen, um das mal etwas volkstümlich auszudrücken:

Wenn Sie eben zu einem bestimmten Punkt ermitteln, dann können eben verschiedene Spuren in verschiedene Richtungen führen. Mehr sagt das ja nicht. Und wenn Sie natürlich dann nur die eine Spur auf den Tisch legen, und die Spuren, die in andere Richtungen gehen - man kennt das ja mitunter so aus Detektivromanen „Die Spuren im Schnee“ oder so was, gibt’s ja wohl, nicht wahr? - wenn Sie dann nur die eine Spur sozusagen, die im Schnee da festzustellen ist, hier zum Gegenstand der Erörterungen machen, die andere Spur, die vielleicht in eine ganz andere Richtung läuft, nicht, dann [1962] ist die Sache eben unvollständig.

Und um das mal vielleicht ganz plastisch zu illustrieren, was die Verteidigung damit meint, und daß sie da nicht, also keine Obstruktion betreibt, sondern ihre Verteidigeraufgaben ernst nimmt und wahrnimmt, dazu darf ich vielleicht mal folgenden Artikel, kurzen Bericht aus der „Frankfurter Rundschau“ vom 24. April 1975 verlesen, um das zu verdeutlichen.

Da hieß es unter der Überschrift:

„Pannen beim Indizienprozeß -

Wegen Mordes Verurteilter wurde wieder freigelassen.

Bremen, 23. April.

Im Januar dieses Jahres wurde der 37 jährige Bauarbeiter Otto Wilhelm Becker vom Bremer Schwurgericht wegen Mordes an der 17 jährigen Verkäuferin Carmen Kampa zu Freiheitsentzug verurteilt.

Am Dienstag öffneten sich für ihn die Gefängnistore. Der Verteidiger Beckers, Rechtsanwalt Heinrich Hannover, ist damit seinem Ziel, seinen Mandanten, an dessen Unschuld er fest glaubt, freizukämpfen, ein gutes Stück nähergekommen.

Im Zusammenhang mit dem [b] aufsehenerregenden Indizienprozeß hatte es eine Kette von Pannen gegeben. Das Schwurgericht, unter dem Vorsitzenden Richter[c] Bernd Krome, war im Januar der Anklage gefolgt und hatte für den Bauarbeiter wegen Vergewaltigung und Mordes usw. verurteilt. Die Tat trug sich am 1. Mai 1971 an einem Bahndamm zu.

Becker wurde erst 2 ½ Jahre danach verhaftet. Er hat nie aufgehört, seine Unschuld zu beteuern. Nach der Verurteilung Beckers ging Rechtsanwalt Hannover an die Öffentlichkeit, er forderte die Bevölkerung auf“

- usw. -

[1963] „Hannovers Aktivität wurde belohnt. Er kam einer Akte auf die Spur, die weder dem Schwurgericht noch dem Vertreter der Anklage bekannt waren. Diese Spurenakte Nr. 59 wies auf einen zweiten Tatverdächtigen hin, einen 41-jährigen Mann, der gegenwärtig in Sicherheitsverwahrung sitzt. Im Zusammenhang mit dem Mordfall Kampa ist offensichtlich gegen diesen Mann ermittelt worden. Danach aber war diese Spurenakte verschollen oder vergessen, bis der Rechtsanwalt sie entdeckte. Eine Blutgruppenuntersuchung ergab inzwischen, daß der 41jährige dieselbe Blutgruppe besitzt wie Becker. Unter dem Eindruck, daß gegen eine zweite Person ein ähnlich starker Tatverdacht besteht wie gegen Becker, entschied der Strafsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts jetzt die Entlassung des Bauarbeiters aus der U-Haft.“

Also eine neue Spurenakte, die durch eine Panne, durch eine Panne nicht Gegenstand des Verfahrens wurde, die hat dann zur Wiederaufnahme des Verfahrens geführt und zur vorläufigen Entlassung.

Hier aber geht es ja nicht um Pannen, sondern hier geht es darum, daß bewußt - so muß man es ja doch bezeichnen, nachdem die Verteidiger hier mehrfach vorstellig geworden sind -, daß bewußt man nur sich auf eine Auswahl von bestimmten Spuren beschränken will, um innerhalb dieser Beweisaufnahme ein in Aussicht genommenes Ergebnis zu erzielen.

Das ist die eine Seite.

Die andere Seite ist die folgende:

daß ja Gegenstand der Anklage gegen die vier Angeklagten hier u. a. ein Organisationsdelikt[11] ist. Und wenn Sie dies Organisationsdelikt hier diskutieren wollen, dann spielt natürlich ein erheblich weiterer Tatsachenkomplex eine Rolle, als es möglicherweise in anderen Verfahren der Fall ist. Dann spielt in der Tat aber auch natürlich eine Rolle, auf welche Weise ermittelt worden ist, wie diese ganze Verhandlung, wie die ganze Ermittlungsarbeit aufgebaut worden ist. Ob das bestimmte Grenzen eigentlich überschritten hat, die die Normalität dieses Gegenstandes vollkommen sprengen und [1964] die auf ganz andere Beurteilungen herausläuft, als es bisher Ihnen seitens der B. Anwaltschaft nahegebracht werden soll. Es versteht sich von selbst, daß auch insoweit die B. Anwaltschaft nicht das Recht für sich in Anspruch nehmen kann, eine Auswahl des Ermittlungsmaterials vorzunehmen, und ich darf daran erinnern, daß der Kollege Riedel in seinem Antrag ja mit Recht auf die Aussage eines Ermittlungsbeamten - des Herrn Ruckmich - eine unter Eid abgegebene, in einem Strafverfahren unter Eid abgegebene Aussage Bezug genommen hat, in der gesagt worden ist:

Es gibt 1803 Akten dieses Verfahrens.

Und der Kollege Riedel hat weiter mit Recht darauf hingewiesen, daß dieses Ermittlungsverfahren unter einem einheitlichen Aktenzeichen geführt worden ist, und daß eben alles in dieses Ermittlungsverfahren hineingehört, was dafür geschaffen worden ist, wie auch unter Bezugnahme auf die Kommentierung bei Löwe-Rosenberg[12] bereits mit Recht ausgeführt worden ist. Das Gericht kann da sich nicht darauf beziehen zu sagen, wir sind guten Glaubens, daß die B. Anwaltschaft alles vorlegen wird, was zum Verfahren gehört. Dieser gute Glaube sollte eigentlich schon deshalb nicht mehr gelten können, nachdem die B. Anwaltschaft sich in diesen widersprüchlichen Erklärungen - und die liegen Ihnen doch vor, die jeweils einmal sagen: Nein, es ist gar nichts da; dann ist wieder etwas da; dann hat’s wieder nichts damit zu tun; schließlich sind’s nur noch Personalunterlagen - also dieses Hin und Her in den Erklärungen, das muß doch schon aus diesem Grunde normalerweise das Mißtrauen wecken, daß da noch etwas hinter dem Berg gehalten wird.

Und wenn nach diesen Auseinandersetzungen um die Akten kurz vor Prozeßbeginn, das muß man sich mal vorstellen, zu einem, wie die B. Anwaltschaft ja immer sagt, im Zentrum der Erörterungen stehenden Vorfall in Heidelberg, das Fünffache an[d] Ermittlungsmaterial von dem, was Sie bisher hier hinter sich haben, vorgelegt wird, in Abweichungen von früheren Erklärungen, und dann aber wieder schnell weggezogen wird vom Senat oder vom Senat abgewehrt, ja dann weiß man ja eigentlich nicht mehr, [1965] was man von einer solchen Verfahrensweise zu halten hat, oder man kann auch sagen, man weiß es sehr genau.

Die B. Anwaltschaft hat sich ferner darauf zurückgezogen zu sagen:

Ja, also nicht nur das Gericht kennt die Akten nicht. Wir kennen sie auch nicht. Wir kennen sie auch nicht. Die Akten hat das B. Kriminalamt oder - wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr B. Anwalt Dr. Wunder - eine dem B. Ministerium des Inneren nachgeordnete Behörde.

Nun bedarf es wohl keinerlei großen Phantasie, sich auszumalen, sich auszudenken, was nun mit dieser nachgeordneten Behörde wohl gemeint ist. Also ich weiß nicht, warum da diese dunkle Ausdrucksweise gewählt wird. Ich gehe davon aus, Herr B. Anwalt Dr. Wunder, daß Sie damit das B. Amt für Verfassungsschutz gemeint haben. Aber wenn ich mich da irren sollte - ich sehe Gelächter bei Ihnen - bin ich gern bereit, die Korrektur ... Dann können wir uns dann weiter unterhalten, daß Sie dann mir sagen, wen Sie damit meinen.

Aber selbstverständlich kann es nicht so gehen, daß da Ermittlungsakten sozusagen von irgendeiner Behörde mit Beschlag belegt werden und dann gesagt wird:

Also da ... das darf weder die B. Anwaltschaft, das darf auch das Gericht nicht sehen, das darf die Verteidigung nicht sehen. Zu welchen ... zu welchen schlimmen Auswirkungen so was führt, das ist ja eigentlich in aller Öffentlichkeit mal dargestellt worden in dem Frankfurter Prollprozeß[13], in dem sich dann während der Hauptverhandlung herausgestellt hat, daß bei einem bestimmten Anklagepunkt, der im Mittelpunkt der Erörterungen stand, es Tatzeugen gab, daß praktisch auch nur durch einen Zufall herausgekommen ist, und[e] daß unmittelbare Tatzeugen die Aussagen dieser Tatzeugen nicht vorlagen. Und was waren das für Tatzeugen? Das waren Beamte des Verfassungsschutzes. Und zu welchen erheblichen Schwierigkeiten - wir sprechen also heute über Prozeßökonomie und das Verfahren soll zügig vorankommen - zu welchen erheblichen Verfahrensschwierigkeiten das dann geführt hat, das kann man nachlesen. Das kann man nachlesen.

[1966] Und man hat ja - ich darf darauf nochmal in diesem Punkt zurückkommen, kleinen Exkurs vielleicht.

Ende von Band 85.

[1967] RA Sch[ily]:

Es wird also immer gern gesagt, die Verteidigung verzögert, verschleppt und weiß der Teufel was alles, wenn wir uns im Juli 1974 um die Akten bemüht haben, das war ja immerhin nahezu 1 Jahr vor Prozeßbeginn. Wer will denn dann uns den Vorwurf machen, wir verschleppen den Prozeß. Und dann wird eine Woche vor dem Beginn der Hauptverhandlung, wird dann hier so mal mit der linken Hand ein bißchen von den Akten wieder ausgestreut, und dann werden die Akten wieder zurückgeschickt, postwendend. Das ist, genau der gegenteilige Vorwurf ist berechtigt: Wenn hier das Verfahren, wenn Verfahrensobstruktion betrieben wird, dann kann ich nur das als Verfahrensobstruktion bezeichnen, es sei denn, daß man hier nur einen bestimmten Fahrplan mit bestimmten Stationen hat, mit einem bestimmten Fahrziel. Dann allerdings ist die Verfahrensweise vielleicht klar. Es ist so, um das noch einmal zu beleuchten, damit darf ich dann vielleicht schließen. Ich habe mich ja auch telefonisch seinerzeit hier mit dem Senat in Verbindung gesetzt, noch vor der Hauptverhandlung, und habe mich nach diesen Akten erkundigt. Ich glaube es war ein Telefongespräch, das ich mit Herrn Dr. Foth geführt habe, ich kann es nicht mehr genau sagen. Es war ein Mitglied des Senats, ich meine, meiner Erinnerung nach war es Dr. Foth. Und da haben wir uns über diese Akten unterhalten, und da wurde mir dann die Frage gestellt, ja wer will denn diese Akten eigentlich durcharbeiten. Wollen Sie die durcharbeiten? Und da habe ich gesagt, wenn es notwendig ist, will ich die durcharbeiten. Wenn also allein, das kommt doch in dieser Frage zum Ausdruck, die Fülle des Materials vielleicht den Senat dazu veranlaßt, zu sagen, naja also lieber weg damit, schnell wieder zurück zur Bundesanwaltschaft, wer will denn das durcharbeiten. Ja wie soll man denn eigentlich eine solche Frage verstehen. Wie soll eine solche Frage verstanden werden. Und wie soll man eigentlich eine Formulierung in einem Beschluß vom 22. Januar und vom 31. Januar 1975 verstehen, in der es heißt, Zweifel daran, daß der Generalbundesanwalt seiner Verpflichtung, womit gemeint ist, alles be- und entlastende Material, das vernünftigerweise von Bedeutung sein kann, dem Gericht zuzuleiten; daß der Generalbundesanwalt dieser Verpflichtung nicht nachge- [1968] kommen wäre, hat der Senat nach seiner Aktenkenntnis nicht. Nun frage ich mich, wenn Sie Akten auf den Tisch bekommen, 69 Stehordner, darunter 24 Leitzordner bezüglich Heidelberg und nehmen die Akten gar nicht zur Kenntnis, wie Sie dann eigentlich von Aktenkenntnis sprechen wollen. Das ist doch eigentlich das Verblüffende, daß Sie sich einerseits auf Ihre Aktenkenntnis beziehen, aber die Akten gar nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Wie soll man denn ein solches widersprüchliches Verhalten eigentlich verstehen. Denn auch der Senat kann doch eigentlich nur beurteilen, was zum Verfahren von Bedeutung sein kann und da, bitte, darüber kann man ja dann stundenlang sprechen, was dann vielleicht auch innerhalb der Hauptverhandlung eine Rolle spielt oder nicht. Aber er hat doch die Verpflichtung, das Aktenmaterial durchzuarbeiten. Und sei es so umfangreich wie es wolle. Man kann doch nicht sagen, nur weil es umfangreich ist, deshalb können wir es nicht durcharbeiten. Ich meine da hier, wenn diese Sache ernst genommen wird, und wenn das Recht auf vollständige Akteneinsicht noch besteht, und wenn der Senat die ihm obliegenden Verpflichtungen[f], die in der Strafprozeßordnung normiert sind, zur sachgerechten Vorbereitung der Hauptverhandlung ernst nimmt, dann muß er diesen Anträgen folgen. Und vielleicht wäre ein erster Schritt, um hier sozusagen voranzukommen, daß einmal die Bundesanwaltschaft ein Verzeichnis vorlegt, dieser 1803 Akten. Sie[g] müssen sich vielleicht in der Tat der Amtshilfe oder wie man das nennen will, der Rechtshilfe, ich weiß nicht, Amtshilfe wohl, mit dem Bundesministerium des Innern bedienen. Daß Sie einmal erst mal ein Verzeichnis vorlegt, dieser 1803 Akten, die der Zeuge Ruckmich, von dem die Bundesanwaltschaft nun kaum behaupten kann, daß das irgendwie, daß der unter Eid vielleicht was Falsches gesagt hat. Ich weiß nicht, ob Sie das behaupten wollen. Das ist ja Ihr Ermittlungsbeamter. Daß dieses Verzeichnis als erstes einmal auf den Tisch kommt und dann, wie gesagt, man weiter fortschreitet entsprechend den von der Verteidigung gestellten Anträgen.

Vors.:

Will die Bundesanwaltschaft sich sofort äußern.

BA Dr. W[under]:

Herr Vorsitzender, ich nehme zunächst Bezug auf meine aus- [1969] führlichen Stellungnahmen, die ich zu den früher gestellten Anträgen der Herr Rechtsanwälte von Plottnitz und Riedel bereits abgegeben habe. Hier nun zusammengefaßt hatte ich damals ausgeführt, daß die Spurenakten hierher übersandt wurden, um sie angesichts des von Herrn Rechtsanwalt Schily im Februar gezeigten besonderen Interesses an Gerichtsstelle zur Einsicht zur Verfügung zu haben. Gegenstand des Gespräches mit Herrn Rechtsanwalt Schily im Februar dieses Jahres waren sowohl die Spurenakten, die damals längst nicht mehr in Bad Godesberg waren, als auch der Gesamtaktenbestand des Bundeskriminalamts von 1803 Bänden, der damals in der Presse erwähnt worden war. Das sind zwei Paar Stiefel. Ich glaubte damals, daß wir, Herr Rechtsanwalt Schily, wenn ich Sie direkt ansprechen darf, über diese 1803 Bände des Bundeskriminalamts im Ergebnis jedenfalls mehr oder weniger einer Meinung geworden waren. Anders gingen wir hinsichtlich der Spurenakten auseinander. Verblieben waren wir damals so, daß Sie mir angekündigt hatten, mich in den Tagen nach dem Anhörungstermin entweder einmal anzurufen oder zu schreiben, an das kann ich mich nicht mehr genau erinnern, um Technisches noch abzusprechen. Ich hatte darauf gewartet, dazu kam es nicht. Deshalb haben wir diese Akten dann für die Verwahrung im Aktenraum und zur eventuellen Einsichtnahme hierher übersandt. Ich muß noch einmal sagen. Bei den Spurenakten handelt es sich um rein polizeiliche Vorgänge, die in anderen Verfahren von der Polizei der Staatsanwaltschaft überhaupt nicht zugeleitet werden. Spurenakten zählen ganz allgemein nicht zu den Vorgängen, die einem Gericht bei Einreichung der Anklageschrift vorzulegen wären. Es sind ausschließlich Unterlagen über Ermittlungshandlungen, die eindeutig ergebnislos verlaufen sind. Und nochmals muß ich sagen, daß es eine in der Tat sinnlose Aufblähung des ohnedies umfangreichen Aktenberges bedeuten würde, wenn wir diese Akten zum Gegenstand der Gerichtsakten gemacht hätten. Mit Sicherheit enthalten die Spurenakten überhaupt nichts, was irgendwie von der von der Bundesanwaltschaft behaupteten Täterschaft der Angeklagten ablenken könnte. Und nochmals wiederhole ich das Angebot der Bundesanwaltschaft, daß diese Akten eingesehen werden können. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte mit Aktenbestand, Aktenordnung oder Aussortierung niemals [1970] in keiner einzigen Phase des Ermittlungsverfahrens auch nur irgend etwas zu tun. Was die 1803 Bände des Bundeskriminalamts betrifft, so darf ich noch einmal kurz wiederholen, daß es sich einmal darum handelt, daß in diesem Aktenbestand abgeheftet sind, die rein polizeilichen Vorgänge, Berichte, Personalbewegungen, technische- und Leitungsfragen, und daß es sich zum anderen um Arbeitsmaterial des Bundeskriminalamts handelt, nämlich um Doppel-Mehrfertigungen verschiedener Ermittlungsvorgänge auch aus den Parallelverfahren. Und ein Letztes: Nach den 1803 Bänden, das ist richtig, Herr Rechtsanwalt Schily, da wurde, ich glaube sogar mehrfach von Ihren Kollegen gefragt, nach den Spurenakten selbst, die mit diesen 1803 Bänden schon deswegen nichts mehr zu tun hatten, weil sie längst nicht mehr in Godesberg waren, nach den Spurenakten selbst haben einzig und allein Sie gefragt. Ich beantrage, den Antrag auf Aussetzung zurückzuweisen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ich habe mich diesesmal dem Antrag, den der Kollege Schily gestellt hat, für den Herrn Raspe anzuschließen. Ich möchte eigentlich zur Begründung ergänzend nur auf zwei Punkte eingehen. Einmal hat hier der Bundesanwalt Dr. Wunder in Bezug auf die Spurenakten erklärt, diese Spurenakten würden im Rahmen der Strafverfolgung so wie sie in der BRD betrieben werde, von der Polizei in aller Regel ohnedies nicht einmal den Staatsanwaltschaften, also den Organen, als deren Hilfsorgane, Polizeibehörden tätig sind, überlassen werden. Wenn das ernsthaft die Auffassung der Bundesanwaltschaft ist und wenn diese Auffassung gestützt wird auf die Praxis, oder gestützt würde, auf die Praxis, wie sie gang und gäbe ist bei der Bundesanwaltschaft, dann müßte man wohl sagen, die Bundesanwaltschaft wäre die einzige Staatsanwaltschaft in der Bundesrepublik, die nicht Wert auf Spurenakten legt. Es gilt[h] da also etwas richtig zu stellen. Es kann keine Rede davon sein, daß Spurenakten nicht als Bestandteil der Akten geführt werden in Strafsachen, wie sie auch nur annähernd gleich kämen hier einem Verfahren wie diesem. Es kann auch keine Rede davon sein, daß [1971] ein Verteidiger, wenn er feststellt, daß die Spurenakten ihm nicht mit zur Einsichtnahme überlassen werden, nicht beantragen würde, ihm diese Spurenakten zur Einsichtnahme zur Verfügung zu stellen bzw. sie erst mal dem Gericht zur Verfügung zu stellen. Das ist das eine. Das zweite zur Frage dessen, was in den Spurenakten für die Verteidigung an Material enthalten sein könnte oder nicht sein könnte; dazu ein Beispiel: Ich erinnere mich z. B. - ich kann jetzt die genaue Fundstelle nicht angeben -, daß aber in einem der Sonderordner, die geführt werden unter dem Stichwort Sprengstoffanschlag Augsburg[14], Zeugenaussagen enthalten sind, bei denen die Identität der Zeugen, die sie gemacht haben, sorgfältig verschwiegen[i] wird, da steht dann etwa drin, Zeuge A und Zeuge B, und am Ende der Zeugenaussage findet man dann den Vermerk: „Unterschrift und realer Name des Zeugen auf einem gesonderten Beiblatt.“ Das gesonderte Beiblatt ist also in diesem Sonderordner nicht zu finden gewesen. Wie will man eigentlich von einer Verteidigung verlangen, daß Sie sich über Qualität und Glaubwürdigkeit derartiger Zeugen, bzw. Glaubhaftigkeit derartiger Aussagen, in irgendeiner Weise Gewißheit verschafft, wenn ihr noch nicht mal bekanntgegeben wird, um wen es sich dabei eigentlich handelt. Ich meine, das ist ein weiteres Beispiel dafür, daß, wenn hier weiter diese Spurenakten und die Bestandteile, die weiterhin beantragt worden sind, nicht zum Bestandteil der Akten gemacht werden und die Einsichtnahme verweigert wird den Verteidigern, den Eindruck nähren und bestätigen, daß hier die Akten in bestimmter Weise manipuliert werden, um einen bestimmten erwünschten Verfahrensausgang zu garantieren.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Riedel bitte.

RA R[iedel]:

Ich schließe mich dem gestellten Antrag ebenfalls an und wiederhole damit den von mir früher gestellten Antrag. Zur Begründung verweise ich noch einmal auf das schon zitierte Beispiel des Proll-Verfahrens, aus dem ich als Verteidiger aus eigener Erfahrung noch einmal in Erinnerung rufen möchte, das mir so erscheint, daß daraus die Bundesanwaltschaft tatsächlich [1972] Folgen gezogen hat und Lehren gezogen hat dahingehend, daß auf jeden Fall vermieden werden muß, das gesamte entstandene Aktenmaterial - im Laufe der Ermittlung entstandene Aktenmaterial - vorzulegen. Im Prollverfahren war es so, daß aus dem vorliegenden Aktenmaterial ganz eindeutig hervorging, daß bei der dort eine Rolle spielenden versuchten Festnahme, es[j] Tatzeugen gab, die in den Akten namentlich nicht erwähnt wurden[k], wo es im Gegenteil ausdrücklich hieß, diese Personen dürfen nicht erwähnt werden. Und zwar haben das Zeugen angegeben, die als Ermittlungsbeamte tätig waren. Es ging also aus dem Aktenmaterial hervor, daß es Tatzeugen gab, die nicht in Erscheinung traten. Der Vorsitzende hat das[l] nach langen Hinweisen der Verteidigung zum Anlaß genommen, er hat sich insofern von der Verteidigung belehren lassen, er hat es zum Anlaß genommen, an den Präsidenten des Amtes für Bundesamt des Verfassungsschutz, Herrn Nollau, zu schreiben und ihn zu bitten, die Namen der Zeugen preiszugeben, die Zahl war bekannt, die als Tatzeugen in Frage kamen. Auf die Antwort wartet er heute noch. Das Beispiel zeigt, daß mit allen Mitteln versucht worden ist, und versucht werden sollte, den tatsächlichen Hergang insoweit zu verschleiern, als Zeugen vorenthalten wurden. Der hier vorliegende Fall beweist, daß die Bundesanwaltschaft einen Schritt weiter geht, nämlich die Akten, aus denen sich unter Umständen weitere Zeugen ergeben könnten auch Zeugen, die in ganz andere Richtungen in Bezug auf mögliche Täterschaften Hinweisen, von Anfang an erst gar nicht in das Verfahren einbezogen werden, dem Verfahren vorenthalten werden und somit die Gefahr von Anfang an gebannt werden soll, hier eine klare Möglichkeit, den wahren Sachverhalt aufzudecken, zu verhindern. Ich rege deswegen an, das Verfahren, die Akten des Verfahrens des[m] Schwurgerichts Frankfurt a. M. aus dem Jahre 73 in der Sache Proll beizuziehen. Der Senat kann daraus wesentliche Erkenntnisse gewinnen, wie hier zu verfahren ist, um wirklich eine Sachaufklärung, wie sie sich gehört, zu betreiben.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily und Herr Dr. Heldmann. Da gerade die Bundesanwaltschaft direkt angesprochen wurde, sie habe bestimmte Absichten, zunächst die Frage, wollen Sie sich zu diesem Punkte sofort äußern oder erscheint es Ihnen auch als zweckmäßig, [1973] wenn wir zunächst die Anwälte durchgehen.

Herr Rechtsanwalt Schily, darf zunächst Herr Dr. Heldmann sich anschließen. Sie wollen wahrscheinlich abschließend, da Sie ja den Antrag begründet haben, nochmals was dazu bemerken. Mir ist es gleichgültig, in welcher Reihenfolge Sie sprechen wollen.

Herr Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich schließe mich für Herrn Baader dem für Frau Ensslin gestellten Antrag des Kollegen Schily an. Zum Sachlichen: Die Bundesanwaltschaft hat in Ihrer Erwiderung eingeräumt, daß Sie die Spurenakten dem Gericht zur Einsichtnahme übersandt habe. Und darauf kommt es hier an. Es ist der Kern der Rechtsfrage für diesen Antrag. Damit nämlich sind sie zu Gerichtsakten geworden und hat die Verteidigung folglich nach [§ ]147[ StPO][15] das Akteneinsichtsrecht, das nicht beseitigt werden kann, indem man die Akten wieder aus dem Hause expediert. Zweitens hat der Herr Bundesanwalt gesagt, mit Sicherheit enthalten diese Spurenakten überhaupt nichts, sinngemäß weiter, was die Anklage-Vorwürfe in diesem Fall in Frage stellen könnten. Diese Aussage ist etwa von der Qualität, wie, wenn die Bundesanwaltschaft hier Prozeßerklärungen abgebe etwa, die Anklage sei begründet, folglich brauche die Verteidigung das nicht mehr nachzuprüfen. Drittens hat Herr Bundesanwalt Dr. Wunder gesagt, nur Herr Schily habe ja Anspruch erhoben, diese Akten einzusehen. Erstens ist das völlig irrelevant. Es ist eine Frage der juristischen Qualität nicht eine Frage der Quantität der Akteneinsichtsanträge. Und zweitens ist diese Behauptung auch falsch, denn aus den Akten ergibt sich, daß Herr Köncke als Verteidiger von Frau Meinhof am 14.5.1975, also bevor der Senat die Akten an die Bundesanwaltschaft zurückgesendet hat, genau Einsicht in diese Akten beantragt hat. Kurz zwei rechtliche Hinweise noch: Wo die Staatsanwaltschaft, hier die Bundesanwaltschaft, dem Gericht oder auch dem Vorsitzenden Akten vorlegt[n] für dieses Verfahren, werden diese Akten Bestandteile der gerichtlichen Akten und sind damit dem Verteidiger zugänglich zu machen. Das ist hier unterblieben. Darin liegt ein schwerwiegender Rechtsfehler. Dieser Rechtsfehler wirkt sich als schwerwiegende Behinderung der Verteidigung aus. Wo die Bundesanwaltschaft abstellen will, dies sei ja doch, seien [1974] Polizeiakten oder seien polizeiliche Ermittlungsakten, die normalerweise in einem Strafverfahren nichts zu suchen hätten, so halte ich auch da entgegen, wo die Behörde, hier die Anklagebehörde, polizeiliche Ermittlungsakten vorlegt, dann werden sie, dem Gericht vorlegt, dann werden sie für dieses Verfahren zu Gerichtsakten und müssen den Verteidigern zur Einsicht zur Verfügung gestellt werden, d. h. es gilt das absolute Verbot, auch hinsichtlich dieser polizeilichen Ermittlungsakten, Akteneinsicht für die Verteidigung entweder zu versagen oder zu umgehen. Folglich ist dieser Antrag begründet.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Sch[ily]:

Ich verstehe eigentlich immer noch nicht, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, warum Sie nicht mindestens auf das eingehen, was ich als Anregung bezeichnet habe, einmal ein Verzeichnis vorzulegen dieser 1803 Akten. Im übrigen ist es falsch, wenn Sie unser Gespräch im Anschluß an den Anhörungstermin so darstellen, als ob wir in einem Punkt Einigung erzielt haben. In einem Punkt, wenn Sie wollen, mit der einen Ausnahme, daß wir in dem Punkt einer Meinung waren, daß, wenn Mehrfertigungen vorliegen, daß da natürlich eine neue Akteneinsicht nun nicht notwendig ist. Nur wir waren nicht einer Meinung, ob diese Akten Mehrfertigungen sind. Das ist der Unterschied. Und da meine ich, glaube ich auch nicht, daß der Herr Ruckmich so auf den Mund gefallen ist oder so sagt man wohl, sich nicht ausdrücken kann, sich auszudrücken versteht, daß er, wenn er nach 1803 Akten gefragt wird, dann auch die Doppel mitzählt. Das wäre so ungefähr, wie wenn der Senat gefragt würde, wie viel Akten sind denn hier vorhanden und zählt dann die Doppel; die vielleicht noch für die Bundesanwaltschaft oder die Verteidigung ausgegeben worden sind, noch mit und sagt dann, wir haben also, ich weiß nicht, 1000 Akten oder noch mehr. Und das ist aber gar nicht so viel. Das sind nur 200 oder 180, weil das übrige sind ja nur Mehrfertigungen. Also ich glaube, so schätze ich doch die Qualität Ihrer Ermittlungsbeamten insoweit wenigstens ein, daß die in der Lage sind, zu sagen, 1803 Akten, das sind also nicht nur, die Zahl ist falsch oder praktisch irreführend, weil das ja zum großen Teil Mehrfertigungen sind. Wenn Sie nun mal vergleichen die Zahlen 1803, die Akten die hier sind, [1975] die also noch unter 200 liegen und die 69 Ordner, die Sie vorgelegt haben, dann ist es doch eigentlich erstaunlich, was noch an Aktenmaterial vorhanden ist. Aber das ist insofern wiederum nicht erstaunlich, wenn man sich einmal vor Augen führt, welchen breiten Fächer Sie da ausgestreckt haben, seinerzeit mit Ermittlungen. Und Sie haben das jetzt so ein bißchen in Ihrer letzten Stellungnahme vor dem Beschluß des Senats am 31.7.1975[16] so ausgedrückt, daß Sie gesagt haben, ja das sind Vorgänge aus dem gesamten Anarchokomplex. Wissen Sie, früher haben Sie das korrekter ausgedrückt, oder Sie vielleicht nicht, sondern Herr Generalbundesanwalt Buback oder einer der sonstigen Bundesanwälte, daß Sie gesagt haben, aus dem gesamten Baader-Meinhof-Komplex, nicht, und das ist der Punkt. Wir wollen den gesamten Baader-Meinhof-Komplex, wenn wir hier einen Baader-Meinhof-Raspe-Ensslin-Prozeß führen, dann wollen wir auch den gesamten Tatsachenkomplex Baader-Meinhof-Raspe-Ensslin hier auf dem Richtertisch liegen haben. Das ist der Punkt. Und da können Sie nicht sagen, ja wir meinen, das ist von Bedeutung, das andere ist nicht von Bedeutung. Im übrigen, ich weiß ja nicht, die Bundesanwaltschaft ist da vielleicht gegenüber der Verteidigung in dem Punkt, wenigstens in dem Punkt, im Nachteil, da Sie vielleicht so normale Strafverfahren gar nicht kennt.[17] Also in einem normalen Schwurgerichtsprozeß[18] ist es in der Tat so, daß der Verteidigung selbstverständlich auch das Material zur Verfügung gestellt wird und Spurenmaterial, an Ermittlungen, was nachher in der These oder Hypothese der Staatsanwaltschaft als Fehlspur oder als Sackgasse der Ermittlungen erscheint. Und ich kann Ihnen sagen, aus meiner Erfahrung als Verteidiger, daß das immer sehr nützlich war für die Urteilsbildung aller Prozeßbeteiligten, über dieses vollständige Material zu verfügen, weil daraus ganz erstaunliche Ergebnisse mitunter zu erzielen sind, bis hin zur Änderung der Anklage oder sozusagen ein Umschwenken der Anklage auf eine ganz andere Zielrichtung, abgesehen eben von freisprechenden Urteilen oder wie ich es Ihnen ja hier dargestellt habe, ein Wiederaufnahmeverfahren.

Vors.:

Bitte.

RA Sch[ily]:

Im übrigen darf ich eins noch ergänzen ...

[1976] Vors.:

Ja, ich dachte Sie wären zu Ende.

RA Sch[ily]:

... Sie haben darauf hingewiesen und das ist in der Tat richtig, daß ich nach diesem Gespräch mich dann zunächst nicht wieder gemeldet habe. Sie wissen aber, wie der zeitliche Ablauf war. Wir haben auch nach dem ersten Januar ... Selbstverständlich gab es eine Zusammenarbeit unter den Verteidigern, das versteht sich ja von selbst, und just nach diesem Anhörungstermin mit einem gewissen zeitlichen Abstand, damit das auch, die Terminierung richtig eingeordnet war, zum Beginn der Hauptverhandlung, da begann ja der Generalangriff der Bundesanwaltschaft gegen die Verteidigung.[19] Nach langer Artillerievorbereitung sozusagen hat man dann zum Generalangriff angesetzt. Und daß wir dann in dieser Situation zunächst einmal etwas mit anderen Problemen zu tun hatten, als jetzt zunächst dieser Frage jetzt sofort nachzugehen, daß versteht sich eigentlich auch nahezu von selbst. Und wissen Sie: Eigentlich ist es auch nicht so, daß sozusagen ein Verteidiger ständig da antichambrieren muß, um sich um Akten zu bemühen. Eigentlich sollte es reichen, wenn einmal ein schriftlicher Aktenantrag bei dem jeweiligen Gericht eingereicht wird. Insofern also auch diese Erwiderung sei, man habe sich nicht weiter darum gekümmert, nicht richtig, sowie, das habe ich hier erwähnt. Es kommt hinzu, daß der Kollege Köncke ja dann im Mai, als Sie die Akten hier eine ganz kleine Portion, eine ganz kleine Portion von den 1803 Akten hier dem Senat übergeben haben, daß dann der Kollege Köncke sich darum bemüht hat, und daß es ihm dann vom Senat verweigert wurde.

Vors.:

Ja, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich bitte um das Wort für Herrn Baader, damit er selbst diesen Antrag, es ist ja sein Recht, das hier geltend gemacht wird, aus [§ ]147[ StPO], begründen kann.

Vors.:

Herr Baader, mit den üblichen Hinweisen, Sie wissen schon. Nicht, daß wir wieder Streit kriegen.

Angekl. B[aader]:

Streit nennen Sie das.

[1977] RA Dr. H[eldmann]:

Hinweise, bevor der Mandant anfängt, zu sprechen, die Sie regelmäßig geben, zu unterlassen sind. Das dient doch nur dazu, die Mandanten zu verunsichern.

Vors.:

Sie sind nicht dazu da, sondern nur um das Recht des Mandanten seinen Antrag, bzw. seine Begründung zu diesem Antrag vollständig vorzutragen, zu wahren. Das habe ich Ihnen schon mehrfach erklärt. Aber darüber wollen wir nicht sprechen.

Herr Baader bitte.

Ende von Band 86

[1978] Angekl. B[aader]:

Also, ich würde mal sagen, es verunsichert mich nicht, aber wir wissen ja alle hier, jeder weiß ja hier, daß dieser Antrag natürlich abgelehnt wird. Ich will nur nochmal kurz sagen, warum er aus unserer Sicht und aus unserer Kenntnis begründet ist, also absolut essentiell für dieses Verfahren. Das ist 1. allgemein würde ich sagen, daß in diesen Akten natürlich die Struktur der Verhandlung als Kriegsführung, wie Herold[20] es inzwischen genannt hat, Verpolizeilichung des Krieges, so hat er das Phänomen charakterisiert, deutlich wird, das heißt transparent wird. Und das ist an sich, also zumindest soweit wir wissen, soweit wir beraten sind, eine Sache, die für die rechtliche Würdigung des ganzen Delikts, das ja schließlich ein Organisationsdelikt ist, von Bedeutung wäre in diesem Verfahren. Also die Struktur der Fahndung aus diesen Akten herausarbeiten zu können, vor allen Dingen die Verfilzung bis in die höchsten Ebenen der Politik. Das könnte im Zusammenhang dieses Vorwurfs eines Organisationsdelikts und wesentlich auch der Rädelsführerschaft in einer Organisation, die hier angeklagt ist, auf jeden Fall rechtlich unmittelbar von Bedeutung sein. Es würde 2. in diesen Akten belegt, das ist ganz sicher, daß der Zusammenhang 1971 - 1972, das heißt der politische Zusammenhang der Gruppe, wesentlich größer war, als bisher von der Bundesanwaltschaft behauptet und propagiert worden ist. Auch das ist von unmittelbarer Bedeutung für den Versuch sozusagen einzelne Tatkomplexe, wie das genannt wird, einzelnen Gefangenen zuzuordnen. Es ist aber auch so, daß 10 Minuten schon wieder offenbar gelogen worden ist von der Bundesanwaltschaft. Das ist nicht so, daß sich diese Akten etwa beziehen würden auf Spuren oder das daran ausschließlich Spuren, daß das ausschließlich sozusagen Spurenakten wären, die ins Nichts geführt haben, das heißt, ergebnislose Ermittlungen. Der Generalbundesanwalt selbst hat gesagt, daß diese Akten etwa 200 Einzelverfahren - das ist also jetzt wörtliches Zitat - sich [1979] auf etwa 200 Einzelverfahren gegen namentlich bekannte und derzeit noch unbekannte Täter beziehen. Er sagt dann weiter, „diese Unterlagen berühren die gegen Ihre Mandanten erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe nicht“ und das ist natürlich explizit falsch, denn der gegen uns erhobene strafrechtliche Vorwurf, ist die Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung und der Versuch überhaupt, Tatbeteiligungen nachzuweisen ist nach der Konstruktion[o] der Anklageschrift und[p] versucht das über das Organisationsdelikt zu schaffen. Das heißt, es wird keinem von uns konkret Tatbeteiligung an einem einzigen der Delikte vorgeworfen, sondern es wird uns vorgeworfen, wir hätten aus unserer politischen Funktion, also einer sogenannten Führungsfunktion, einer Rädelsführerfunktion in der „Roten Armee Fraktion“, sozusagen alle Delikte begangen. Das ist eben sehr wesentlich.

Weiter ist ganz sicher, daß das nicht alle Akten sind, die in diesem Verfahren gesammelt worden sind, diese 1803, also 600 000 Blatt Akten sind mit Sicherheit nicht alle. Jan war mal in Bad-Godesberg in diesem Aktenzimmer und hat die Akten selbst gesehen und hat also da auch angefangen sozusagen zu zählen und konnte feststellen, daß es mindestens, mindestens nochmal doppelt so viel sind. Das heißt, naja man kann das, kann das überhaupt nicht vorstellen, das wären dann vermutlich 1 200 000 Blatt. Das ist auch nur logisch, wenn man sich überlegt, daß auf dem Höhepunkt der Fahndung 1972 es, glaube ich, 14 Sonderkommissionen gab und daß diese Sonderkommissionen, als Stab der gesamten polizeilichen Fahndung besetzt war mit 1 000 Mann. Das heißt, sozusagen das Gehirn der staatlichen Mobilisierung gegen uns war allein ein Stab von 1 000 Mann, die in diesen Sonderkommissionen, die wiederum Weisungsbefugnis hatten, wie gesagt bis zum letzten Dorfpolizisten. Was da an Akten gesammelt worden ist und ermittelt worden ist, naja, man kann sich das gar nicht vorstellen. Dann kommt noch dazu, daß dieser Satz von, dieser unglaubliche Satz von Buback[21], der Vorwurf Akten ... „der Gedanke der Aktenmanipulation sei undenkbar“, also ein Gedanke [1980] sei undenkbar, daß dieser Satz natürlich auch falsch ist. Wenn man die Akten durchgelesen hat oder auch nur ein Teil der Akten durchgelesen hat, dann kann man feststellen, daß mit einer[q] unglaublichen Akribie versucht worden ist, bevor diese Anträge überhaupt gestellt worden sind, den Eindruck zu erwecken, als sei in diesen Akten alles Material erfaßt. Das heißt, es ist also sorgfältig gemischt zwischen tatsächlich, sozusagen Ermittlungen die sich auf dieses Verfahren beziehen, unmittelbar sind völlig beziehungslose Ermittlungen dazwischen gestopft, die irgendwie im Sand verlaufen sind.

Das ist sehr wesentlich und die Funktion ist natürlich, die Funktion konnte auch nur sein, den Eindruck zu erwecken, daß tatsächlich jede einzelne Ermittlungsverhandlung im Verlauf der ganzen Fahndung in den Akten erfaßt ist. Das ist dann nur später nur aufgeflogen dadurch, daß bekannt wurde, daß zumindest 1803 weitere Akten vorhanden sind. Man kann das auch feststellen natürlich, an der Tatsache, daß in diesen Akten die Seitenzahlen umnummeriert worden sind, also Umblattierung wird das genannt und daß später der Versuch gemacht worden ist sozusagen, nachdem das - also, naja erklären kann man sich das alles nicht - nachdem also schon offensichtlich war, daß also 80 % dieser Akten zwei Seitenzahlen tragen und daraus also wieder hervorgeht, daß da noch ungeheures Material irgendwo im Hintergrund sein muß. Danach wurde dann später in diesen Akten, wurden überhaupt, also wurden, wurde das irgendwie abgedeckt auf den Blättern diese Seitenzahlen bzw. sie wurden überhaupt nicht mehr nummeriert. Das ist wesentlich. Also erst, als sozusagen der Apparat darauf stieß, daß da irgend jemand vielleicht daran Anstoß nehmen könnte, das Problematisieren könnte öffentlich, ist überhaupt diese ganzen Nummerierung geändert worden, das ist wesentlich.

Aber das ist natürlich ganz sicher, also das ist auch deutlich, daß das Gericht zu dem gesagten ablehnen muß, auch ablehnen wird und das ist natürlich auch im Grund völlig gegenstandslos. Man hat hier beobachtet, daß Heldmann die Möglichkeit sich auch nur 10 Tage lang sozusagen mit mir, oder überhaupt über [1981] die Kondition zu verständigen, wie er sich in das Aktenmaterial von 160, oder ich weiß nicht wie viele Akten das sind, einarbeiten kann, daß das abgelehnt worden ist.[22] Das heißt also, er hatte selbstverständlich objektiv, als der Verteidiger, der hier jetzt für mich, für mich übriggeblieben ist, hatte er objektiv keine Möglichkeit sich in das Aktenmaterial das überhaupt vorliegt, einzuarbeiten. Und das ist natürlich auch ganz unvorstellbar, daß irgend jemand im Verlauf dieses Verfahrens 600 000 Blatt Akten durchlesen könnte, oder durcharbeiten könnte. Deswegen ist es eine Zwangsläufigkeit, daß das abgelehnt werden muß, weil es das Verfahren sprengen würde.

Vors.:

Dann bitte ich jetzt die Bundesanwaltschaft zu erwidern.

BA Dr. W[under]:

Den Vorwurf, die Bundesanwaltschaft sei die einzige Strafverfolgungsbehörde, die sich für Spurenakten nicht interessierte, muß ich begegnen. Wenn es bei der Durcharbeitung der Spurenakten bei der Bundesanwaltschaft auch nun den geringsten Zweifel an der Frage der Geeignetheit, als Beweismittel gegeben hat, wurde die Aufnahme dieser Schriftstücke in die Sonderordner, die Ihnen alle vorliegen, veranlaßt. Ich hatte vorhin im übrigen erklärt, daß bis zum Anhörungstermin im Februar dieses Jahres Herr Rechtsanwalt Schily der einzige war, der sich um diese Akten gekümmert hat. Und an einen Satz, Herr Rechtsanwalt, ich glaube ich muß ihn doch zitieren, erinnere ich mich nahezu wörtlich, zumindest dem Sinne nach, den ich Ihnen gegenüber gesagt hab und aus dem sich unzweideutig ergibt, wie ernst auch die Bundesanwaltschaft die Spurenakten genommen hat. Ich hatte gesagt, Sie werden sich sicher erinnern, „auch ich würde, wenn ich Verteidiger wäre, zumindest einige der Spurenakten einsehen. Ich gäbe Ihnen aber die Garantie, sagte ich, daß Sie nach Studium auch nur eines Bandes die Akten wieder weglegen würden.“ Ich kann das Bundeskriminalamt nicht zwingen, weil es nicht eine dem Bundesjustiz- [1982] minister, sondern eine dem Bundesminister des Innern nachgeordnete Behörde ist, mir diese Akten, oder die Akten dem Gericht, oder auch eine Aufstellung zur Verfügung zu stellen. Ich muß mich deshalb auf das beschränken, was ich vorhin als Übersicht über diesen Aktenbestand dargelegt habe. Ganz kurz nur noch etwas, was Herr Baader erklärt hat. Ich könnte mir ... Ich kann mir gut vorstellen, Herr Baader, daß Sie in die Arbeit und in die damaligen Planungen der Polizei gerne Einsicht nehmen möchten. Einen Staat, der Ihnen solches gewährt, finden Sie aber auf der ganzen Welt nicht, denn das wäre dann auch kein Staat mehr.

Vors.:

Ich bitte die Prozeßbeteiligten sich ...

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, muß es sein noch. Wir wollten ja jetzt die Debatte nicht endlos fortsetzen.

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Vorsitzender, selbstverständlich muß so etwas sein. Das letzte, was der[r] Herr Bundesanwalt gesagt hat, bedeutet auch sinngemäß nichts anderes, als eine Wiederholung dessen, was Herr Buback zu anderer Zeit, an anderer Stelle, schon einmal gesagt hat: „ein Mann wie Baader habe prozessuale Grundrechte verwirkt.“ Das Akteneinsichtsrecht ist gesetzliches nicht uneingeschränktes Recht des Angeklagten, wird ausgeübt durch seinen Verteidiger, oder ist das was zuletzt gesagt worden ist, wieder ... legten wir einmal spaßeshalber rechtstaatliche Maßstäbe an, unverständlich.

Vors.:

Ich bitte jetzt die Debatte abzuschließen. Wir wollen über diesen Antrag beraten. Es sind alle Argumente vorgetragen worden.

Herr Rechtsanwalt Schily, bitte noch ...

RA Sch[ily]:

(Anfang unverständlich) ... gesagt worden. Also den Satz haben Sie so gesagt, da haben Sie sich korrekt zitiert. Ich finde er unterstützt eigentlich nur die Darstellung, die von uns gegeben wird, aber wenn Sie darauf hinweisen, daß ja das also dieses Aktenmaterial beim Bundesministerium des Inneren vorhanden sei - Ermittlungs- [1983] material - das verstehe ich eigentlich nicht. Normalerweise ist doch so, daß Ermittlungen - nicht - durch Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaften oder der Bundesanwaltschaft durchgeführt werden. Es ist mir neu, daß also jetzt das Bundesministerium des Inneren sozusagen eine eigene Ermittlungstätigkeit entfaltet und dann das Ermittlungsmaterial für sich in Anspruch nimmt. Das Entscheidende ist doch, daß Herr Ruckmich gesagt hat, in dem Baader-Meinhof-Komplex sind 1803 Aktenbände vorhanden unter dem gleichen Aktenzeichen - 1 BJs 6/71 - was ja doch bekanntlich ein Aktenzeichen der Bundesanwaltschaft und wohl auch nicht des Bundesjustizministeriums ist und diese Akten, die wollen wir sehen und darauf haben wir ein Recht. Und wenn Sie nun weiter sagen, ja also das ist ja schon früher in anderer Form mal geäußert worden, so mit Ausspähung usw., das liegt ja auf der gleichen Ebene. Wir können Ihnen das nicht, weil der Staat daran zugrunde geht, oder na das wäre kein Staat mehr, wenn ein Staat ein solche, solch eine Möglichkeit gewähren würde. Es ist doch also selbstverständlich, daß Sie, wenn Sie Ermittlungsakten auf den Tisch bekommen, die Sie erörtern müssen mit Ihren Mandaten, daß selbstverständlich da auch die Arbeitsweise der Ermittlungsbehörden ihren Niederschlag in den Akten findet. Das ist doch eine Selbstverständlichkeit. Und daraus ist ja mitunter so die, die, die Möglichkeit dann gezogen worden, also wenigstens die Identität eines bestimmten Zeugen zu verschweigen, also die sogenannte V-Mann-Problematik, daß man also einen Zeugen nicht mit seinen Personalien. Sie kennen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der gesagt hat: nein, das geht nicht, das geht nicht.[23] Und wenn es hier, wie es also mehrfach zum Ausdruck gebracht worden ist, um ein Organisationsdelikt handelt, dann geht es in der Tat darum, was war denn, was war denn die sogenannte Ermittlungstätigkeit, die hier entfaltet wurde. Wenn in der Tat sich aus diesen Akten eine andere Beurteilung dessen, was da stattgefunden hat, ergeben würde, dann würde das eben auch [s] [1984] eine andere rechtliche Beurteilung ermöglichen, oder zwingend vorschreiben. Und das ist der Punkt, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, um den Sie nun immer eigentlich herumreden und ich wundere mich eigentlich auch, daß Sie überhaupt nicht auf die Frage eingehen, ich glaube die, die kommt irgendwie bei Ihnen gar nicht an. Warum eigentlich nicht mal dieses Verzeichnis, dann könnte man, dann hätte man zunächst einmal vielleicht eine Übersicht, was ist denn da und dann wäre vielleicht auch die Debatte ein bißchen einfacher.

Vors.:

Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. W[under]:

Herr Vorsitzender, ich glaube die Sache ist doch so bedeutsam, daß Sie mir ausnahmsweise noch einmal kurz das Wort geben müßten.

Vors.:

Bitte.

BA Dr. W[under]:

Soweit es um Spurenakten geht, ich wiederhole es noch einmal, also um Vorgänge die im weitesten Sinne vielleicht zu den Ermittlungsvorgängen gehören können, haben wir wiederholt erklärt, daß das den Verteidigern zur Verfügung steht und zur Verfügung stehen muß. Soweit es sich[t] um interne polizeiliche Vorgänge geht, um Berichte an die vorgesetzten Behörden, um Personalbewegungen, um technische und Leitungsfragen[u] - und das ist der große Teil dieses Aktenbestandes in Bad-Godesberg, - soweit es darum geht, sind diese Dinge auch der Bundesanwaltschaft verschlossen. Wir können nicht in diese Vorgänge einsehen.

Vors.:

Gut. Ich bitte nun die Beteiligten sich auf eine Pause von ...

(RA von Plottnitz spricht[v] ins abgeschaltene Mikrofon)

RA Dr. H[eldmann]:

Ich bitte für Herrn Baader ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, wollen wir nicht zuerst ... Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, er hat bisher noch keine [1985] Erwiderungsmöglichkeit gehabt, zuerst das Wort geben?

Bei Ihnen wär’s ja nun die ...

(RA v[on] Plottnitz ist nicht verständlich)

RA Dr. H[eldmann]:

Auch Herr Baader hat eine unmittelbare Information auf diesen Vortrag zu erwidern.

Vors.:

Bitte, Herr Baader.

Angekl. B[aader]:

Es ist dazu auch nochmal einfach festzustellen: Wir wissen definitiv, daß in diesen Akten Ermittlungsvorgänge nicht enthalten sind. Das heißt, das ist ja sehn einfach ... Nein man kann sich das vielleicht vorstellen. Ich will das nicht weiter ausführen, aber wir wissen, daß ermittelt worden ist, und in einer ganzen Reihe von Fällen außerordentlich intensiv ermittelt worden ist, observiert worden ist, Telefone abgehört worden sind, offene Observation, verdeckte Observation, Observation durch Ausland, alles Vorgänge, die in diesen Akten nicht auftauchen. Das ist wesentlich, das ist also eine Sache, also in den Akten, die vorliegen, die die Gefangenen kennen. Und dann würde ich also auch nochmal sagen zu der Überlegung von Wunder, daß dieser Staat kein Staat mehr wäre, wenn ich Akteneinsicht bekomme, daß wir also irgendwie nicht glauben können, daß der bürgerliche Staat durch Akteneinsicht aufgehoben wird, das ist das irgendwie unter (Angekl. Baader lacht), wahrscheinlich nicht vorkommt. Das ist ein völlig neuer Revolutionsbegriff. Aber ich habe natürlich ein Interesse daran, das Verfahren gegen mich, das heißt, die Struktur des Verfahrens gegen mich, das ja hier tatsächlich irgendwie zu einer Verurteilung führen soll, dieses Verfahren auszuspähen. Daran habe ich tatsächlich ein wesentliches Interesse und jeder der Gefangenen hier. Das ist wichtig. Und die Verteidigung in diesem Verfahren, mal sozusagen unberücksichtigt zu lassen, was alles geplant wurde in diesem Verfahren, um Verteidigung zu verhindern, also die Verteidigung zu zerschlagen[w]. Eine korrekte Vorstellung von [1986] Verteidigung in diesem Verfahren wäre auf diese Akten auf jeden Fall angewiesen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, bitte.

RA v[on] P[lottnitz]:

Ja, ich wollte nochmal erwidern auf das, was der Bundesanwalt Dr. Wunder gerade gesagt hat. Ich meine, das Aufschlußreichste was er gesagt hat, hat er gerichtet an die Adresse von Herrn Baader, als er nämlich sagte, er könne sich sehr gut vorstellen, daß Herr Baader etwa großes Interesse habe, an polizeilichen Bereichen, wie sie möglicherweise auch offenbar werden könnten, durch diese Akten. Das heißt doch im Klartext, das heißt im Klartext, daß hier einmal mehr nach der[x] Maxime verfahren werden soll: „Sicherheitsinteressen rechtfertigen die Manipulation von Voraussetzungen, die eben für die vielbeschworene Wahrheitsfindung in Strafprozessen hier unabdingbar wären.“ Voraussetzung für die Wahrheitsfindung in einem Prozeß ist natürlich Kenntnisnahme und Vorlage des gesamten, zu diesem bestimmten Verfahren gesammelten Aktenmaterials. Da können auch nicht Sicherheitsinteressen, da können auch nicht Sicherheitsinteressen entgegengehalten werden, wenn es darum geht, festzustellen, was nun an bestimmten Anklagevorwürfen dran ist oder was nicht dran ist, das ad 1.

Ad 2. Zu dem, was Dr. Wunder gesagt hat, nur ein Zitat und zwar ein Zitat aus dem Kommentar Löwe-Rosenberg und zwar Anm. 3 zu § 147[ StPO], ich bitte gut zuzuhören, „Berichte der Polizei oder der Ermittlungshilfe dürfen nicht vertraulich vorgelegt werden, dürfen nicht vertraulich vorgelegt werden. Tut die Behörde das gleichwohl, so ist der Vermerk ohne Bedeutung, denn, was für das Verfahren geschaffen worden ist, kann ihm nicht gleichzeitig vorenthalten werden.“ Das noch als Erwiderung zu den Ausführung des Bundesanwalt.

RA Sch[ily]:

(Anfang unverständlich) ... aus dem Löwe-Rosenberg zitieren, daß Sie das also besonders erheitert.

[1987] Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, haben Sie sich das Wort im Augenblick ...

RA Sch[ily]:

Nein, ich wollte nur ...

Ich bitte ums Wort und darf nur darauf hinweisen, daß es besonders offenbar die Bundesanwaltschaft erheitert, wenn wir aus einem Kommentar zur Strafprozeßordnung zitieren, daß ...

Vors.:

Das ist kein weiterer sachlicher Beitrag mehr ...

RA Sch[ily]:

... das ist ein sehr sachlicher Beitrag.

Vors.:

Das Gericht zieht sich jetzt zur Beratung zurück. Ich bitte die Beteiligten sich auf eine Pause von mindestens ... Unterbrechung von mindestens ½ Stunde einzurichten. Die Angeklagten sind zurückzubringen.

Das Gericht zog sich um 10.41 Uhr zur Beratung zurück

Ende Band 87

[1988] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 11.48 Uhr.

Vors.:

So, wir können mit der Sitzung fortfahren, der Senat hat folgenden Beschluß gefaßt:

1. Der Antrag auf Akteneinsicht in die vom Generalbundesanwalt am 5. Mai 1975 übersandten Stehordner ist gegenstandslos.

2. Der Antrag, 1602 Stehordner des Bundeskriminalamts zu den Gerichtsakten beizuziehen, wird erneut als unbegründet abgelehnt.

3. Der Antrag, die Hauptverhandlung auszusetzen, wird zurückgewiesen.

Begründung: Der Antrag auf Akteneinsicht in die vom Generalbundesanwalt übersandten 69 Stehordner nebst Anlagen rennt offene Türen ein. Im Beschluß vom 31.7.1975 hat der Senat dazu bereits folgendes ausgeführt: „Akteneinsicht in die Spurenakten, somit auch in die am 5.5.1975 übersandten Stehordner, haben die Verteidiger seit langem. Nachdem die Bundesanwaltschaft schon am 10. Oktober 1974 die Gelegenheit dazu angeboten hatte, hat der Senat im Beschluß vom 22.1.75 erneut auf die Möglichkeit der Akteneinsicht hingewiesen und diesen Hinweis mit Schreiben vom 9.5.1975 nochmals wiederholt. Keiner der von den Angeklagten benannten Verteidiger hat bisher von diesem Angebot Gebrauch gemacht. Lediglich einige der von den Angeklagten nicht benannten Verteidiger haben sich dieser Mühe unterzogen.“ An diesen Gründen hat sich nichts geändert. Auch durch die Anfrage des Gerichts bei der Bundesanwaltschaft, wo diese die Stehordner verwahrt wissen wolle, wurde die Möglichkeit der Akteneinsicht nicht beschränkt. Bei den weiteren über 1600 Ordnern handelt es sich nach dem übereinstimmenden Vortrag der Bundesanwaltschaft und Verteidigung um Akten des Bundeskriminalamts. Der Umstand allein, daß das Bundeskriminalamt über eigene Akten verfügt, die das Verfahren im weiteren Sinne berühren mögen, zum Beispiel Vorgänge betreffend Personalbewegungen, technische Organisations- und Leitungsfragen, Doppelstücke und sonstige polizeiinterne Vorgänge ist, allein noch kein Grund, solche Akten beizuziehen. [1989] Dazu hat sich der Senat schon mehrfach, zuletzt im Beschluß vom 31.7.1975 geäußert. Darauf wird verwiesen. Somit erweist sich der Antrag, das Verfahren auszusetzen, wiederum als unbegründet.

Ich möchte nun versuchen, mit der Vernehmung zur Person zu beginnen. Zwei Herren, ich sehe zwei Wortmeldungen, wer von Ihnen will zuerst, Herr RA v[on ]P[lottnitz] war der erste.

RA Sch[ily]:

Darf ich mal fragen, wo die 69 eigentlich im Moment sind?

Vors.:

Sie stehen im Aktenraum hier in Stammheim.

RA Sch[ily]:

In Stammheim.

Vors.:

Damit die Herren Verteidiger, das war der Wille der Bundesanwaltschaft, jederzeit die Möglichkeit haben, sich diese Akten anzusehen. Herr RA v[on ]P[lottnitz].

RA Sch[ily]:

Im übrigen, auf folgendes hinweisen in Anknüpfung an diesen Beschluß. Weil da von übereinstimmendem Vortrag der Bundesanwaltschaft und der Verteidigung gesprochen wird. Ich habe ausdrücklich das Aktenzeichen erwähnt der Bundesanwaltschaft und gesagt, das sind offensichtlich Akten, die unter diesem Aktenzeichen und nach der Aussage des Zeugen Ruckmich, der unter diesem Aktenzeichen geführt worden ist. Ich möchte nur wissen, ob das auch bei ...

Vors.:

Es ist nicht überhört worden, aber es ist auch gehört worden, daß Sie sagten, die noch im Besitz des BKA befindlichen Akten.

RA Sch[ily]:

Ja, Besitz und Akten, also Zugehörigkeit ist ja etwas anderes nicht.

Vors.:

Gewiß.

RA Sch[ily]:

Ja, na gut.

Vors.:

Herr RA v[on ]P[lottnitz].

RA v[on ]P[lottnitz]:

Sie sagten, Sie wollten versuchen, die Mandanten zur Person [1990] zu vernehmen. Bevor die Vernehmung zur Person nun erfolgt, hätte ich noch einen Antrag zu stellen für Herrn Raspe. Einen Antrag, dessen Vortrag eine knappe Stunde etwa, schätze ich, in Anspruch nehmen würde. Mit Rücksicht darauf und insbesondere auch mit Rücksicht auf die Tatsache, daß der Herr Raspe persönlich mir heute gesagt hat, daß er sich nicht in besonderer Form befindet, daß er sich gesundheitlich besonders geschwächt fühlt heute, möchte ich beantragen, demnächst in die Mittagspause einzutreten und anschließend fortzufahren.

Vors.:

Herr RA v[on ]P[lottnitz], wir wollen mal mit der Antragstellung beginnen und sehen, wie das dann weiter geht. Ich bitte Sie also, zunächst zu beginnen.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, das würde ich nicht für sehr ökonomisch halten. Sie haben ja bemerkt, wenn die Begründung von Anträgen hier durch Unterbrechung auseinandergerissen wird, dann ist es notwendig, daß man den Teil, mit dem man vor der Unterbrechung geendet hatte, nochmal zusammenfassend resümieren muß, daß dadurch viel Zeit verlorengeht wieder. Ich würde deshalb doch auf dem Antrag bestehen und um eine Entscheidung des Senats[24] bitten.

Vors. (Nach geheimer Beratung):

Auch der Senat ist der Auffassung, daß wir mit dem Antrag zunächst mal jetzt beginnen sollten. Die Mittagspause wird dann rechtzeitig eingelegt.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Wann wird die Mittagspause eingelegt, Herr Vorsitzender?

Vors.:

Das wird jetzt nicht festgelegt. Das wollen wir mal sehen ...

RA v[on ]P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, das ist ja in dieser Verhandlung schon mal festgelegt worden, ich empfehle Ihnen die Lektüre der Sitzungsniederschrift vom 1. Tage ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, bitte ...

RA v[on ]P[lottnitz]:

Da wurde vom ...

[1991] Vors.:

Wir wollen ja jetzt die Zeit, die noch verbleibt, zu[y] Ihrem Antrag ausnützen. Und nicht dazu, daß wir uns jetzt länger darüber unterhalten ...

RA v[on ]P[lottnitz]:

Das ist Ihre Auffassung ...

Vors.:

Herr RA Dr. H[eldmann], ich gebe Ihnen jetzt nicht das Wort, das Wort hat zunächst zur Antragstellung Herr RA v[on ]P[lottnitz] für den Angeklagten Raspe.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich stelle einen Antrag.

Vors.:

Es ist ein Antrag gestellt, ein zweiter kann jetzt nicht gestellt werden im Augenblick. Es sei denn ...

RA Dr. H[eldmann]:

Dann stelle ich Ihnen eine Frage Herr Vorsitzender. Wissen Sie ...

Vors.:

Auch Fragen werden nicht beantwortet. Ich bitte jetzt, Herr RA v[on ]P[lottnitz] ...

RA Dr. H[eldmann]:

Ich stelle sie trotzdem, wissen Sie ...

Vors.:

... mit dem Antrag zu beginnen.

RA Dr. H[eldmann]:

... daß die Angeklagten heute morgen um 7.00 Uhr ihr Frühstück bekommen haben, jetzt haben wir 12.00 Uhr.

Vors.:

Ja, ich habe auch um 7.00 Uhr gefrühstückt, wenn Sie es interessiert.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Sie befinden sich nicht in Isolationshaft, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Ich darf Sie bitten, jetzt mit Ihrem Antrag zu beginnen.

RA Dr. H[eldmann]:

Dagegen protestiere ich.

Vors.:

Herr RA v[on ]P[lottnitz], jetzt bitte.

[1992] RA v[on ]P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, Sie werden natürlich nicht von mir erwarten, daß ich das Wort ergreife, wenn hier noch weitere Wortmeldungen von Kollegen ...

Vors.:

Es sind keine weiteren Wortmeldungen. Vor allem ich habe ...

RA v[on ]P[lottnitz]:

Kollege Schily hat sich die ganze Zeit schon gemeldet zu Wort.

RA Sch[ily]:

... nämlich dem Antrag ...

Vors.:

Herr RA v[on] Sch[ily], Herr RA. Entschuldigung Herr RA Sch[ily], ich bitte Sie jetzt auch, wenn Sie sich etwa nur dem Antrag, jetzt die Mittagspause zu machen, anschließen wollen, dann nicht weiter fortzufahren. Ich möchte auf alle Fälle, daß Herr RA v[on ]P[lottnitz], der den Antrag stellen will, wie er angekündigt hat, zu dem auch kommen kann. Und zwar noch vor Beginn der Mittagspause.

RA Sch[ily]:

Sie gehen doch davon aus, daß es keine Blockverteidigung ist.[25] Ich wollte zur Vereinfachung mich anschließen. Sie haben das leider ...

Vors.:

Ich bitte um Entschuldigung, ich mußte mich jetzt gerade um die Angeklagten kümmern Herr RA.

RA R[iedel]:

Ja, aber so darf ...

Vors.:

Darf ich bitte auf folgendes ... Jetzt sind sie bitte im Augenblick mal still, wenn ich mit den Angeklagten zu tun habe, weil sie sich wieder hier in der Verhandlung störend benehmen.

Sämtliche Angeklagten stehen auf, packen Ihre Sachen und wollen den Sitzungssaal verlassen. Dabei entsteht Unruhe auf der Anklagebank.

[1993] Angekl. B[aader] (zum Vorsitzenden):

Machen Sie doch mal schnell und quatschen Sie nicht so lange.

RA R[iedel]:

Sie stören nicht, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Wenn Sie ...

Angekl. E[nsslin]:

... kriegste auch den Galopp drauf.

Vors.:

Wenn Sie heute ...

RA R[iedel]:

Sie stören doch nicht, Herr Vorsitzender. Sie wollen ...

Vors. (zu den Angekl.):

Wenn Sie jetzt im Augenblick nicht sich wieder ruhig benehmen, auf die Plätze zurücksetzen, dann ist es eine Störung. Dann wären wir gezwungen, Sie für heute auszuschließen.[26]

Angekl. B[aader]:

Ja, stellen Sie das fest, daß wir stören.

Vors.:

Wir wären gezwungen, Sie von der Verhandlung heute auszuschließen.

Angekl. B[aader]:

Na ja, dann mach doch endlich.

Angekl. E[nsslin]:

Machen wir Pause.

Vors.:

Ich möchte jetzt die Angeklagten auffordern, sich zurückzusetzen.

RA R[iedel]:

Wenn Sie ...

Vors.:

Wollen Sie das nicht tun? Gut

RA R[iedel]:

Herr Vorsitzender ...

RAe und Angekl. sprechen laut und unverständlich durcheinander.

[1994] RA v[on ]P[lottnitz]:

Das ist für die Mittagspause.

Vors.:

Was ist für die Mittagspause.

Angekl E[nsslin]:

Wir gehen raus, weil wir in der Mittagspause ...

Angekl. B[aader]:

Wir gehen ...

Vors.:

Also, Sie werden, das kündige ich Ihnen an, möglicherweise für den Tag dann heute ausgeschlossen, Sie können sich dazu äußern.

Angekl E[nsslin]:

Wir stehen auf, um in die Mittagspause jetzt zu ...

Vors. (zu den Angekl.):

Sie haben jetzt die Möglichkeit ...

Die Angeklagten reden unverständlich durcheinander.

... wollen Sie jetzt Platz nehmen, oder wollen Sie weiterhin hier stören, indem Sie sich nicht zurücksetzen und an der Verhandlung geordnet teilnehmen.

Angekl. B[aader]:

Ich stelle ausdrücklich fest, daß wir heute nachmittag ...

Vors.:

Ich habe ihnen jetzt gesagt, sie werden ausgeschlossen, möglicherweise für den ganzen Tag. Sie können sich dazu äußern.

Angekl. B[aader]:

Na ja, Sie wollen uns erpressen, was heißt das denn. Sie wissen doch ...

RA Dr. H[eldmann]:

Die Gefangenen wollen Mittag ...

RA R[iedel]:

Sie können doch nicht mehr konzentriert zuhören, Herr Vorsitzender, das ist doch die Frage.

Angekl. E[nsslin] spricht unverständlich.

Vors. (Nach geheimer Beratung):

Es ist vom Senat beschlossen worden:

Die Angeklagten werden wegen ungebührlichen [1995] Verhaltens von dem ...

RA v[on ]P[lottnitz]:

Dann erhebe ich zunächst ... Vorstellungen und bitte den Mandanten der Reihe nach gehört zu werden.

Vors.:

... heutigen Verhandlungstag ausgeschlossen.

Bitte zunächst die Angeklagten herauszubringen.

RA R[iedel]:

Herr Vorsitzender ...

Vors.:

Die Begründung ... - RA R[iedel] redet dazwischen unverständlich - ... Augenblick, im Augenblick spreche noch ich, Herr RA. Die Angeklagten haben sich trotz Aufforderung nicht wieder gesetzt. Sie haben dazwischengerufen. Sie sind nicht bereit, an der Verhandlung weiter teilzunehmen. Die Angeklagten können zurückgebracht werden. Nicht hier in den Zellen bleiben, sondern können zurückgebracht werden, Mittagessen kann drüben ausgegeben werden. Herr RA v[on ]P[lottnitz], Sie haben das Wort.

Die Angeklagten werden um 11.58 Uhr aus dem Verhandlungssaal abgeführt.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Die Worterteilung werde ich benutzen, um einen an dieser Stelle jetzt nicht vorgesehenen Antrag zu stellen, nämlich ich habe zu beantragen uns mit Rücksicht, daß darauf die Mandanten in dieser Situation hier und angesichts der ausdrücklichen Erklärung, daß sie die Mittagspause wünschen, um sich zu regenerieren, für die Nachmittagssitzung ausgeschlossen wurden, um uns eine Pause zu gewähren, damit wir uns über die Schritte schlüssig werden können, die sich daraus ergeben.

Vors.:

Ja, die Pause gewähre ich nicht.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Dann habe ich um einen Senatsbeschluß nachzukommen.

Vors. (Nach geheimer Umfrage):

Auch der Senat billigt die Entscheidung, Sie haben einen vorbereiteten Antrag, dazu bedarf es keiner Pause. Bitte, Sie haben jetzt das Wort, den Antrag vorzutragen.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, ich scheine[z] mich nicht verständlich genug gemacht zu haben, die Pause diente nicht der Beratung des An- [1996] trags, den ich angekündigt habe. Sie diente der Beratung der Situation, die eingetreten ist, nachdem die Gefangenen entfernt worden sind aus dem Sitzungssaal.

Vors.:

Besteht kein Grund dafür, eine Pause zu gewähren. Bitte Sie können jetzt Ihren Antrag vorbringen. Ich habe jetzt Herrn RA v[on ]P[lottnitz] das Wort gegeben, ich bitte um die Antragstellung.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ich stelle fest, daß der Kollege Dr. H[eldmann] noch etwas zu sagen hat, ich werde ihn nicht daran hindern.

Vors.:

Herr RA v[on ]P[lottnitz], wenn ich Ihnen jetzt das Wort gebe und ich gebe es Herrn RA Dr. H[eldmann] nicht, weil ich das als eine Störung der weiteren Abwicklung des Verfahrens betrachte, wenn Sie glauben Ihr Wort weitergeben zu können ...

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ich gebe ...

Vors.:

... dann weise ich Sie darauf hin, daß Sie sich in Ihren Anwaltspflichten hier nicht genau bewegen.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Dann beantrage ich, dem Kollegen Heldmann das Wort zu erteilen.

Vors.:

Sie haben keinen Antrag für Herrn RA Dr. H[eldmann] zu stellen und ich habe gesehen, daß er das Wort haben will, aber Sie haben es im Augenblick. Sie können jetzt Ihren Antrag vorbringen. Ich darf Sie um folgendes bitten. Ich habe den Eindruck und den spreche ich deutlich aus, daß Sie es unter allen Umständen verhindern wollen, daß jetzt noch Ihr Antrag gestellt wird. Aus welchen Gründen lasse ich dahingestellt.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Von Verhinderung ist doch keine Rede, wir wollen uns beraten.

Vors.:

Sie wollen jetzt den Antrag, den Sie stellen wollten nicht vortragen ...

[1997] RA v[on ]P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, es kann doch nicht so schwierig sein, daß dieser Antrag natürlich, daß ich Wert darauf lege, diesen Antrag wie ursprünglich auch mit dem Mandanten besprochen in Gegenwart des Mandanten zu stellen. Weil der Mandant ...

Vors.:

Sie sind ausgeschlossen für heute, Ihre Mandanten.

RA v[on ]P[lottnitz]:

... dazu noch etwas zu sagen hatte. Die Situation ist jetzt eine neue Situation. Ich habe mich zu beraten mit den Kollegen, was jetzt geschehen soll, weil die Mandanten ja nicht mehr im Sitzungssaal sind. Es kann doch nicht so schwierig sein, uns dazu eine 10-minütige Pause einzuräumen.

Vors.:

Gut, 10 Minuten Pause bekommen Sie.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Na bitte.

Vors.:

10 Minuten Pause.

12.02 Pause bis 12.10 Uhr.

Ende des Bandes 88.

[1998] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 12.10 Uhr.

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort.

Herr RA v[on] Plottnitz.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Herr Vorsitzender, es dürfte nicht schwer sein, zu erraten, welche Gesuche Gegenstand der Beratung waren, die wir gerade draußen geführt haben.

Aber ich will zuvor einen Beitrag zur Versachlichung, einen Beitrag zur Versachlichung wohlbemerkt, versuchen und dem Senat nochmals folgende Faktoren zu bedenken geben, die uns dazu veranlassen hier, zu beantragen, jetzt in die Mittagspause einzutreten oder die uns dazu veranlaßt haben, diesen Antrag zu stellen.

Der Senat weiß, daß alle, die hier sich zur Frage der Verhandlungsfähigkeit[27] geäußert haben - auch die Sachverständigen Dr. Henck[28] und Dr. Rauschke[29] - von der Tatsache ausgingen, daß an den Sitzungstagen eine reguläre Pause, eine reguläre Pause vorgesehen ist in der Zeit von 12.00 Uhr bis etwa 14.00 Uhr. Insoweit verweise ich auf den ... die Sitzungsniederschrift vom ersten Tag dieser Hauptverhandlung, in der der Vors. des Senates selbst diese Absicht zu erkennen gegeben hat.

Der Senat weiß aus der Anhörung des Sachverst. Dr. Henck, daß der gesundheitliche Zustand - habe ich Ihre Aufmerksamkeit, Herr Vorsitzender -, daß der gesundheitliche Zustand ...

Vors.:

Gewiß.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

... der Gefangenen so ist, daß es durchaus denkbar ist, daß es durchaus denkbar ist, - das hat der Sachverst. Dr. Henck hier gesagt - daß selbst außerhalb der regulär vorgesehenen Mittagspause Pausen hin und wieder möglich und notwendig sein können, um zu gewährleisten, daß die Gefangenen hier der Hauptverhandlung folgen können.

[1999] Ich habe dem Senat vorgetragen, daß ich den Antrag, in die Mittagspause einzutreten, gestellt habe, nachdem mir Herr Raspe gesagt hat, daß er sich heute nicht wohl fühlt, daß also sein Zustand heute in besonderem Maße schlecht ist.

Das habe ich dem Senat vorgetragen.

Der Senat weiß außerdem aus dem, was die Kollegen vorgetragen haben, daß die Mandanten sich seit 7.00 Uhr früh ohne ... daß die Mandanten um 7.00 Uhr früh gefrühstückt haben, und die Antwort von Ihnen darauf: „Ich habe auch um 7.00 Uhr früh gefrühstückt“", die ist nun in jeder Beziehung unsachlich, unangemessen und fast zynisch, denn Sie wissen sehr genau, daß Sie nicht unter denselben Bedingungen leben und existieren müssen, wie es die Gefangenen tun müssen. Das alles sind die Faktoren, die uns dazu bewegt haben, den Antrag zu stellen.

Es kommt folgendes hinzu:

Wir stellen doch hier nicht Anträge im eigenen Namen; wir stellen Anträge für die Mandanten. Die Mandanten wollen sich zu den Anträgen äußern. Die Mandanten haben außerdem ausdrücklich zu erkennen gegeben, daß sie auch am Nachmittag heute der Verhandlung folgen wollen; daß sie sich auch - das gilt für Herrn Raspe hier - sie sich äußern wollen zu dem Antrag, den ich für ihn zu stellen habe.

All das trage ich hier vor mit dem eindringlichen Appell an den Senat, damit hier wieder verzögernde andere Gesuche verhindert werden können, mit dem eindringlichen Appell an den Senat, jetzt nicht dazu übergehen, sogar die regulären Mittagspausen, die vorgesehen sind, wie ich’s vorgetragen habe, die regulären Mittagspausen jetzt auch noch abzukürzen und abzuschneiden, um dadurch hier den Mandanten ihre Verteidigungsrechte zu beschneiden.

Also ich bitte, nochmals ernsthaft zu überlegen, ob jetzt nicht in die Mittagspause einzutreten ist, damit hier eine Verzögerung verhindert wird.

[2000] Vors.:

Herr Rechtsanwalt, die Frage der regulären Pausen, die Sie anschneiden, ist oft genug besprochen worden. Ich habe dazu nichts mehr zu sagen.

Ich habe Ihnen gesagt, es sind gewisse Zielvorstellungen, die wir haben im Interesse aller Beteiligten. Wenn sich der Vormittag so hinzieht wie heute, daß dazwischenrein zwangsläufig ne größere Pause entsteht, dann wird es sich nicht vermeiden lassen - das habe ich damals auch schon angekündigt, wenn sich Prozeßvorgänge so verändernd auf den Zeitplan auswirken -, daß man auch mal länger verhandelt oder in Pausen hinein, die an sich angestrebt sind.

Das war der Grund, warum es abgelehnt wurde.

Das, was Sie im übrigen vorgetragen haben, darauf möchte ich jetzt nicht mehr erwidern. Wir werden jetzt noch keine Mittagspause machen.

Ich bitte Sie, jetzt zu Ihrem Antrag zu kommen.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Nachdem also der Appell fruchtlos war, komme ich um das Gesuch nicht herum, das ich für Herrn Raspe zu stellen habe.

Ich habe für Herrn Raspe folgenden Antrag zu stellen:

Herr Raspe lehnt den Vorsitzenden Richter Dr. Prinzing,

den Beisitzenden Richter Dr. Foth,

den Beisitzenden Richter Dr. Breucker,

den Beisitzenden Richter Dr. Berroth und

den Beisitzenden Richter Maier

wegen der Besorgnis der Befangenheit ab.

Zur Begründung muß ich das wiederholen, was ich vorgetragen habe bereits:

Unmittelbar vor Eintritt ... vor Beginn der regulär vorgesehenen Mittagspause wurde mir vom Vorsitzenden Richter das Wort erteilt. Ich habe dem Vorsitzenden Richter mitgeteilt, daß ich beabsichtige, für Herrn Raspe einen Antrag zu stellen, dessen Vortrag eine knappe Stunde Zeit in Anspruch nehmen würde.

Ich habe dem Vors. Richter weiterhin zur Kenntnis gebracht, daß sich Herr Raspe gesundheitlich nicht wohl fühlt heute, [2001] daß er beabsichtigt, zu dem Antrag selbst Ausführungen zu machen und daß mit Rücksicht auf diese Tatsachen beantragt wird - den Antrag habe ich gestellt - in die Mittagspause einzutreten und mit der Fortsetzung der Handlung nach Ende der regulären Mittagspause fortzusetzen.

Der Vors. Richter hat diesen Antrag abschlägig beschieden. Ich habe daraufhin um eine Senatsentscheidung gebeten. Die abgelehnten Richter, die abgelehnten Beisitzenden Richter, der Senat insgesamt hat die Entscheidung des Vorsitzenden bestätigt. Zur Glaubhaftmachung[30] verweise ich auf die Sitzungsniederschrift vom heutigen Tage und auf ergänzende dienstliche Äußerungen der abgelehnten Richter.

Die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt sich aus folgenden Überlegungen:

Voraussetzung für die Wahrnehmung der Verteidigungsrechte eines Gefangenen ist ein ungeschwächter körperlicher Zustand. Den abgelehnten Richtern war zur Kenntnis gebracht worden, daß diese Voraussetzung im Falle der Fortsetzung der Hauptverhandlung ohne Eintritt in die reguläre Mittagspause nicht gewährleistet war, im Falle des Mandanten Raspe nicht gewährleistet war. Die abgelehnten Richter haben sich nicht davon abbringen lassen, dennoch hier darauf zu insistieren, daß der Antrag nunmehr gestellt werde. Sie haben damit dem Mandanten zugemutet, daß ein Antrag, der für ihn zu stellen ist, ohne seine Anwesenheit und ohne, daß ihm die Möglichkeit gegeben wird, sich ergänzend zu diesem Antrag zu äußern, gestellt wird.

Der Mandant muß angesichts dieser Sachlage davon ausgehen, daß die Richter einmal mehr seine Verteidigungsrechte abkürzen und beschneiden wollen, ohne Rücksicht seines gesundheitlichen Zustandes verhandeln wollen und kein Interesse daran haben, ihm hier die Möglichkeit zur Selbstverteidigung zu geben.

Vors.:

Herr RA Riedel.

RA Rie[del]:

Ich schließe mich für Frau Meinhof dem gestellten Antrag an [2002] und weise darauf hin, daß die Uhr 8 Minuten vor 12 zeigte, als der Kollege dem Gericht mitgeteilt hat, daß er beabsichtigt, einen Antrag zu stellen, dessen Begründung etwa eine Stunde in Anspruch nehmen wird. Bei derartigen zeitlichen Konstellationen ist es klar, daß die Mandanten - und hier insbesondere meine Mandantin - nicht in der Lage ist, bis zur ... zum Ende[aa] der gesamten Begründung diesem Antrag folgen zu können[bb]. Es ist auch klar, daß eine unterbrochene Begründung ja nicht die Möglichkeit gibt, insgesamt alle Einzelheiten so aufzunehmen, daß sie in der Lage ist, zu entscheiden, ob sie sich dem Antrag anschließt oder nicht, und insbesondere für den Fall, daß sie sich anschließt, mit welcher zusätzlichen Begründung sie das tut. Es kommt also darauf an, daß der Mandantin die Gelegenheit gegeben wird, konzentriert dem Antrag und der Begründung zu folgen, und daß sie dann, wenn sie die Gelegenheit gehabt hatte, ihre Entscheidungen treffen kann.

Das Gericht hat, obwohl üblicherweise - und das hat bis jetzt bisher ja die bisher im Verhandlungssaal haben das ja gezeigt, daß von dieser Übung doch meistens ein reger Gebrauch gemacht worden ist -, daß üblicherweise um 12.00 Uhr die Mittagspause eintritt und hat das, obwohl hier mitgeteilt worden ist, daß einstündig eine Begründung zu erwarten ist, verhindert, daß der Mandantin die Gelegenheit gegeben wurde, obwohl es sich nur - wie gesagt - um diese kurze Zeit von 8 Minuten handelte.

Daraus kann aus der Sicht der Mandantin nur der Schluß gezogen werden, daß Bedenken über ihre Verhandlungsfähigkeit und über ihren Gesundheitszustand zurückgedrängt werden, um an einem Zeitplan festzuhalten, und sei es auch nur um 8 Minuten, nicht als Abweichung hier von ... an den Zeitplan eintreten zu lassen, um den Zeitplan über 8 Minuten hinaus zu retten. Das jedoch begründet aus ihrer Sicht berechtigterweise den Verdacht der Parteilichkeit, und deswegen ist auch sie der Meinung, daß der gesamte Senat, der diesen Antrag ja beschieden hat, abzulehnen ist.

[2003] Vors.:

Herr RA Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Für den Herrn Baader schließe ich mich diesem Ablehnungsantrag an.

Die Notwendigkeit, um 12.00 Uhr - ungefähr um 12.00 Uhr, nicht um Minuten geht es - die Mittagspause zu machen, die ist nie hier ernsthaft in Frage gestellt worden, und sie ergibt sich einfach aus dem Umstand, den ich vorhin schon einmal versucht habe, zu Gehör zu bringen, daß nämlich die Angeklagten heute morgen um 7.00 Uhr gefrühstückt haben.

Es ist nicht unbillig zumindest - um es ganz zurückhaltend zu sagen - anzunehmen, daß nach fünf Stunden eine Nahrungsmittelzufuhr, zumal bei Angeklagten, die unbestritten körperlich erheblich in ihrer Leistungsfähigkeit reduziert haben - ich erinnere Sie an die Aussage des Sachverst. Rauschke, daß der Angeklagte Baader ein Untergewicht von 44 Pfund hat[31] - nicht unbillig, nach fünf Stunden nunmehr die Möglichkeit der Nahrungsaufnahme zu gewähren. Sie haben also die Angeklagten vorhin nicht wegen Ungebühr ausgeschlossen, sondern Sie haben sie ausgeschlossen, weil die Angeklagten ihr Recht auf eine Ruhepause geltend gemacht haben, und eine solche Maßnahme sieht weder die Sitzungspolizei[32] aus § 238[ StPO][33], noch sehen eine solche Maßnahme die §§ 176 ff GVG[34] vor. Die Tatbestandsvoraussetzung für den Ausschluß lag eindeutig nicht vor.

Was hier aber geschehen ist mit diesem Verfahren, nämlich die Mittagspause um eine Stunde zu verschieben, das ist ... das ist in den Augen ... muß in den Augen der Angeklagten nichts anderes sein als eine außergesetzliche Prozeßstrafe für den heute morgen gestellten Verteidigerantrag, und das wäre - ich sage es ausdrücklich - das wäre Mißbrauch der Verhandlungsleitung, und weil der Senat ihn insgesamt gebilligt hat diesen Mißbrauch, richtet sich dieses Ablehnungsgesuch gegen alle Richter dieses Senats, die Kollege v[on] Plottnitz namentlich genannt hat.

[2004] Ich erinnere Sie ferner daran, daß die Verhandlungsfähigkeit noch immer zweifelhaft ist, jedenfalls in demjenigen Umfang, den Sie bisher angenommen haben; und um so schwerer, grade im Hinblick auf die zweifelhafte Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten überhaupt, um so schwerer wiegt die Entziehung der um 12.00 Uhr gebotenen Mittagspause für die Gefangenen, und das bedeutet wiederum rechtlich eine schwerwiegende Verletzung der Fürsorgepflicht des Gerichts für die Angeklagten.

Und schließlich ist in dieser Maßnahme, Ausschließung vom ganzen Verhandlungstag, eine Verhinderung der Angeklagten in ihrer Verteidigungsfähigkeit zu sehen. Die Verteidigungsfähigkeit haben Sie bereits versucht, zu beeinträchtigen, indem Sie die Sitzung hier - wie Herr Kollege v[on] Plottnitz angekündigt hat - eine Stunde haben verlängern wollen, die Mittagspause um eine Stunde verschieben. Das würde bedeuten:

Eine Differenz zur letzten Nahrungsaufnahme, dem Frühstück, von insgesamt 6 Stunden. Das ist nicht (verbessert sich)[cc] nur bei guternährten Bürgern üblich.

Und ferner haben Sie die Verteidigungsmöglichkeit durch Ihren Ausschlußbeschluß der Gefangenen zu wesentlichen Fragen, die Gegenstand der Verhandlung in diesem ... an diesem Nachmittag sein sollten, gehindert, indem Sie sie für den ganzen Tag ausgeschlossen haben. Das begründet, und zwar begründet stark die Besorgnis der Befangenheit gegenüber den abgelehnten Richtern.

Zur Glaubhaftmachung beziehe ich mich auf das Protokoll der Verhandlung und auf Ihre dienstlichen Äußerungen.

RA’in Be[cker]:

Ich schließe mich für Frau Ensslin dem Ablehnungsantrag an. Auch Frau Ensslin ist es in ihrem gegenwärtigen Gesundheitszustand nicht möglich, länger als von 9 - 12 zu verhandeln; und es ging hier nicht darum, wie Sie eben geäußert haben, in die Pause hineinzuverhandeln, sondern es ging darum, mindestens eine Stunde, wie Herr ... der Kollege Plottnitz angekündigt hat, [2005] weiterzuverhandeln; denn der Antrag hätte so lange gedauert oder würde so lange dauern, und mit den zusätzlichen Begründungen der Mandanten ist davon auszugehen, daß wesentlich länger noch hätte verhandelt werden müssen, oder daß der Vortrag hätte unterbrochen werden müssen.

Die Frau Ensslin ist nicht in der Lage, so lange der Verhandlung weiterzufolgen, nachdem sie - wie hier schon ausgeführt wurde - heute früh um 7 00 Uhr gefrühstückt hat, und sie hat hier auch, wie sie aufgestanden ist, gesagt: „Wir brauchen diese Pause.“

Sie sieht in dieser Maßnahme der Verweigerung der Pause eine Verletzung der Fürsorgepflicht des Richters und begründet daraus die Ablehnung.

Ferner ist noch darauf einzugehen, daß der Ausschluß nicht nur für die gegenwärtige Phase, also bis nach der Mittagspause, erfolgt ist, sondern für den ganzen Tag und daß darin eine Behinderung ihrer Verteidigungsmöglichkeit zu sehen ist, weil sie nicht in der Lage ist, jetzt zu diesem - es sei denn, dieser Beschluß wird aufgehoben - zu diesem Vortrag hier Stellung zu nehmen.

Auch damit ist die Parteilichkeit des Richters zu begründen ... der abgelehnten Richter zu begründen.

Zur Glaubhaftmachung beziehe ich mich auf das Protokoll der Verhandlung.

Vors.:

Die abgelehnten Richter beabsichtigen, keine dienstlichen Erklärungen abzugeben mit Ausnahme der einen Feststellung, die ich hier erkläre:

Es war nicht beabsichtigt und auch nicht gesagt, daß eine Stunde weiterverhandelt werden würde, sondern Herr RA v[on] Plottnitz wurde gebeten, zunächst mit dem Antrag zu beginnen. Man werde dann sehen, wie weit man kommen könne. Die B. Anwaltschaft kann sich zur Frage der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit selbstverständlich jetzt äußern.

BA Dr. Wu[nder]:

Ich beantrage,

diesen Antrag als unzulässig ...

[2006] Vors. (auf Zwischenfrage des RA v[on] Plottnitz):

Nein. Dazu besteht kein Anlaß. Das wäre keine unaufschiebbare Handlung.[35]

BA Dr. Wu[nder]:

Ich beantrage,

diesen Antrag als unzulässig nach § 26a Abs. 1 Ziff. 3 der StPO[36] zurückzuweisen.

Die B. Anwaltschaft beharrt auf ihrer Ansicht, daß jedenfalls seit dem 9. Ablehnungsantrag nur nebenher oder scheinbar Ablehnungsgründe vorgetragen werden und primär damit unmöglich gemacht werden soll, dieses Verfahren ordnungsgemäß fortzuführen.

Man darf nicht übersehen, daß das hier entstandene Bild genau dem entspricht, das wir von ähnlichen Verfahren vor anderen Gerichten her kennen und das auch dem vorgefaßten Plan der Angeklagten entspricht, die Justiz mit formaljuristischen Mitteln mürbe zu machen und lahmzulegen.

Das Anliegen des Senats war lediglich das, daß mit dem Antrag des RAs v[on] Plottnitz begonnen wird. Das ist nicht mehr als recht und billig. Das Gericht hat der Öffentlichkeit gegenüber die Verantwortung, daß dieses Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt und zügig durchgeführt wird. Eine Richterablehnung soll zwar nicht die ultima ratio sein; doch in einem Rechtsstaat soll eine Richterablehnung immerhin eine gewisse Seltenheit darstellen. Hier aber wird sie als leicht und leichtfertig handbares Mittel der Prozeßverweigerung eingesetzt.

Das Begehren der Verteidiger muß das Gericht so beantworten mit der StPO, wie es diese Prozeßordnung, die gar nicht so schlecht ist, vorsieht, mit der Ablehnung als unzulässig.

Vors.:

Ich bitte die Prozeßbeteiligten, um 13.15 Uhr wieder hier anwesend zu sein. Der Senat wird jetzt beraten. Er wird dann das Weitere um 13.15 Uhr verkünden.

Die Hauptverhandlung wurde um 12.29 Uhr unterbrochen.

Ende von Band 89.

[2007] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 14.35 Uhr

Herr Rechtsanwalt Schlaegel ist nicht mehr anwesend.

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort.

Es fehlt Herr Rechtsanwalt Schlaegel, er hat sich entschuldigt. Der Senat hat folgenden Beschluß gefaßt:

Die Ablehnungen der Richter Dr. Prinzing, Dr. Foth, Maier, Dr. Berroth und Dr. Breucker werden einstimmig als unzulässig verworfen.

Gründe:

Die Ablehnungen sind unzulässig, weil durch sie das Verfahren offensichtlich nur verschleppt werden soll (§ 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO).

Die Hauptverhandlung begann am heutigen Tag (7.8.1975) um 9.05 Uhr. Sie wurde um 10.41 Uhr zum Zwecke gerichtlicher Beratung unterbrochen und um 11.48 Uhr mit der wenige Minuten dauernden Verkündung der beschlossenen Entscheidung fortgesetzt. Während der mehr als 1-stündigen Pause hielten sich die Angeklagten in ihren Zellen auf, wo sie mit ausdrücklicher Billigung des Gerichts Erfrischungen zu sich nehmen können.

Unter diesen Umständen bestanden keinerlei Bedenken, die Sitzung über 12 Uhr hinaus fortzusetzen, zumal da keine Rede davon war, die Sitzung werde um eine Stunde fortgesetzt. Der Vorsitzende forderte Rechtsanwalt von Plottnitz lediglich auf, mit dem Vortrag seines angekündigten Antrages - den Herr von Plottnitz insgesamt auf eine knappe Stunde veranschlagt hatte - zu beginnen.

Wenn dessen ungeachtet die Verteidiger vorbringen, der Senat habe durch den Nichteintritt in die Mittagspause gezeigt, daß er den körperlichen Zustand der Angeklagten und ihre [2008] Verteidigungsunfähigkeit dem ungestörten Terminsplan unterordne, und dadurch aus der Sicht der Angeklagten seine Voreingenommenheit offenbart, so entbehrt dieses Vorbringen aus der Sicht jedes vernünftigen Prozeßbeteiligten derart jeden Anhalts und jeder Berechtigung, daß der Sinn der dennoch darauf gestützten Ablehnungen ausschließlich darin gesehen werden kann, auf diese Weise den Senat (durch die notwendige Erledigung des Ablehnungsgesuchs) doch zu zwingen, die Hauptverhandlung zu unterbrechen, und so den Gang der Verhandlung zu verschleppen.

Die Behauptung von Rechtsanwalt von Plottnitz, der Angeklagte Raspe fühle sich heute nicht wohl, war ersichtlich ebenfalls dem Zweck untergeordnet, zu verhindern, daß Herr von Plottnitz mit dem von ihm selbst angekündigten Antrag noch vor der Mittagspause beginnen müsse.

Der Ausschluß der Angeklagten erfolgte allein wegen deren Ungebühr. Weder daß er angeordnet noch daß er für den restlichen Verhandlungstag festgelegt wurde, kann aus der Sicht eines vernünftigen Angeklagten angesichts der Häufigkeit der bisherigen Störungen der Angeklagten auch nur im entferntesten die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen. Auch insoweit ist die Verschleppungsabsicht offenkundig.

Die Ablehnungen erweisen sich daher nach der einstimmigen Auffassung des Senats allesamt als unzulässig.

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, Sie haben nun das Wort zu Ihrem Antrag.

RA v[on] P[lottnitz]:

Bevor ich den Antrag stelle, habe ich zu beantragen,

dem Herrn Raspe den Zutritt zum Sitzungssaal zu gestatten, die heutige Ausschließung für den ganzen Tag rückgängig zu machen und ihm die Anwesenheit für den Antrag, für die Dauer des Antrags, den ich zu stellen habe, zu gestatten.

Vors. (nach geheimer Beratung) verkündet den B e s c h l u ß :

Dem Antrag wird nicht stattgegeben.

[2009] RA v[on] P[lottnitz]:

Dann habe ich den Antrag zu stellen, der heute vor der Mittagspause angekündigt worden ist und zwar beantrage ich für den Herrn Raspe:

Rechtsanwalt von Plottnitz verliest seinen Antrag aus Anlage 3 zum Protokoll.

Abweichend ergänzte RA von Plottnitz seinen Antrag wie folgt:

1. Seite, nach dem Antrag:

Der Begründung dieses Antrags ist zunächst eine Vorbemerkung anzufügen. Mutmaßlich wird von Seiten der Bundesanwaltschaft wieder gesagt werden, der Antrag sei hier von uns aus gar nicht ernst gemeint, weil wir bereits über 2 Monate hier verhandeln in diesem Gebäude, ohne das gerügt zu haben. Dazu ist, wie bei anderer Gelegenheit bereits einmal festzustellen: Wenn die Verteidigung hier gezwungen ist, was die Rahmenbedingungen dieses Verfahrens angeht, über eine Zeitdauer von 2 Monaten hinweg dafür zu kämpfen, daß diese Rahmenbedingungen, die äußeren Bedingungen, die Voraussetzungen unter denen dieses[dd] Verfahren ablaufen soll, das Gesicht von Rechtsstaatlichkeit erhalten, - ein Kampf, der bisher nicht als erfolgreich bezeichnet werden kann -, dann liegt das nicht an der Verteidigung, dann ist das nicht von der Verteidigung zu vertreten, dann liegt das daran, daß dieses Verfahren eben auch deshalb als monströs zu bezeichnen ist, weil es in keinem Punkte bisher rechtsstaatlichen Ansprüchen Genüge tun kann. Das vor der Begründung des Antrags. Der Antrag begründe ich im übrigen wie folgt:

1. Seite (Begründung) 2. Satz:

Der Richter Wösner, der hier wahrscheinlich allen Verfahrensbeteiligten bekannt ist ...

2. Seite, nach 4. Absatz:

Soweit also das Zitat des Richter, des Bundesrichter Wösner.

Vors.:

Verzeihen Sie Herr Rechtsanwalt, bekommen wir den Antrag nachher schriftlich?

[2010] RA v[on] P[lottnitz]:

Teilweise ist er schriftlich ausgearbeitet, teilweise gibt es Exkurse dazu, so daß ich wiederum bitten muß, das Band mitlaufen zu lassen.

Vors.:

Aber es geht uns auch nur darum, daß wir nachher möglichst rasch zum Text kommen können. Sie würden uns also jedenfalls das Vorgeschriebene mitteilen.

RA v[on] P[lottnitz]:

Ja natürlich.

Vors.:

Danke.

(Rechtsanwalt von Plottnitz fährt mit der Antragsbegründung fort)

4. Seite, 2. Absatz, 2. Satz:

... zum Teil sogar von den Dächern herab individuell fotografiert - ist anzufügen -

5. Seite, 2. Absatz, 3. Satz:

... - davon war hier bereits genügend die Rede -

6. Seite, 1. Absatz, nach dem 1. Satz:

Die Bundesanwaltschaft hat ja in anderem Zusammenhang darauf hingewiesen und so getan, als ob es gar keine andere Möglichkeit gegeben hätte, als vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart anzuklagen, das ist natürlich nicht richtig. Beim Anklagestoff bestand genau so gut die Möglichkeit, etwa eine Anklage vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt zu erheben.[37]

7. Seite, 1. Satz:

... und zwar im Wege des Freibeweisverfahrens[38] ...

7. Seite, nach Punkt 5:

All diese Personen können Auskunft darüber geben, in welcher Richtung die Diskussion stattgefunden haben, die die Errichtung dieses Gebäudes hier betreffen.[39]

10. Seite, nach Ende des Zitats:

Soweit also eine Einschätzung, die sich mit der Frage beschäftigt, wie man die Justiz funktionalisieren kann für bestimmte politische Herrschaftsinteressen.

[2011] Seite 11, nach dem 1. Absatz:

Das gilt natürlich für alle Rechtspflegeorgane, auch für Rechtsanwälte.

Seite 13, 3. Satz (Zitat):

... das Zitat bezieht sich ausdrücklich auf das Ermittlungsverfahren in dieser Sache ...

Seite 14. nach 2. Absatz:

In dem Zitat wird ja eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß man die Ermittlungen wegen §, nach § 129[ StGB][40] betrieben hat ohne daß auch nur der geringste Anhaltspunkt im Bezug auf bestimmte Sachverhalte bestand, daß die Gefangenen dieses Verfahrens in irgendeiner Weise z. B. dafür ursächlich sein konnten.

Seite 15, 2. Absatz, nach 2. Satz:

Ist ein so offenes Geheimnis, daß z. B. die Frankfurter Allgemeine Zeitung heute ein Leitartikel veröffentlicht unter dem Titel „Ende des Kapitalismus“, allerdings mit einem Fragezeichen versehen.

Seite 16, 1. Absatz, 2. Satz:

Dazu gehört übrigens auch, ist nach den Erfahrungen dieser Hauptverhandlung zu sagen, daß peinlichst vermieden wird, sei es von der Bundesanwaltschaft oder sei es vom Gericht, inhaltlich auf das einzugehen, was die Gefangenen hier zu bestimmten Fragen gesagt haben, in der Vergangenheit.

Seite 17, nach 2. Absatz:

Auch dazu eine Anmerkung: Ich glaube Legitimation ist ein Schlüsselbegriff auch für dieses Verfahren, denn all das, was Gegenstand auch dieses Antrags ist und seiner Begründung, zeigt das, was man als Unmöglichkeit und Unfähigkeit bezeichnen könnte, im Rahmen eines solchen Verfahrens durch entsprech... durch die Garantierung entsprechender rechtsstaatlicher Voraussetzung den Status Quo, der hier gesichert werden soll, den gesellschaftlichen und politischen Status Quo als Legitimität zu vermitteln.

Seite 17, Zitatende:

Soweit dieses Zitat, es spricht, glaube ich, für sich selbst.

[2012] Seite 17, 4. Absatz, 2. Satz:

... er bezeichnet sich selbst als Faschist, deswegen kann man sagen ...

Seite 18, 2. Absatz, 1. Satz:

... und diese Entwicklung wird manifest auch in diesem Verfahren, etwa am Gebäude, das Gegenstand dieses Antrags[ee] ist ...

Seite 18, 2. Absatz, 2. Satz:

... und dieser Satz rechtfertigt sich um so mehr nach der Verhaftung der beiden Kollegen Ströbele und Croissant,[41] nach der Begründung der Haftbefehle die wir dazu lesen mußten ...

Das ist die Begründung dieses Antrags gewesen.

Rechtsanwalt von Plottnitz übergab den Antrag, um diesen fotokopieren zu lassen.

Die Fotokopie ist dem Protokoll als Anlage 3 beigefügt.

Vors.:

Will die Bundesanwaltschaft gleich Stellung nehmen.

Herr Rechtsanwalt Schily, hatten Sie sich vorher gemeldet.

Ich habe es nicht gesehen.

Bitte, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, bzw. Herr Holland.

OStA Holland:

Es fällt ausgesprochen schwer, zu dem eben gestellten Antrag und zu der dazu gegebenen Begründung Stellung zu nehmen, denn bedauerlicherweise erschöpft sich auch dieser Antrag des Rechtsanwalts von Plottnitz in einer unwürdigen Polemik gegen die rechtsstaatliche Ordnung unseres Landes. Ich kann es mir deshalb ersparen, auf diese unqualifizierten Äußerungen im Einzelnen einzugehen, nur folgendes sei erwähnt:

1. Auf den Bau des Prozeßgebäudes hier, hatte die Bundesanwaltschaft keinen Einfluß.

2. Die Sicherheitsüberprüfungen, denen sich das Prozeßpublikum zu unterziehen hat, sind nicht schwerwiegender und auch nicht weitreichender, als auf jedem Passagierflughafen in weiten Teilen der Welt.

[2013-2030][42] [2031] 3. Die Terrorakte, die Gewalttaten, insbesondere aber die vielfältigen terroristischen Anschläge auf das Leben Unschuldiger in der jüngsten Vergangenheit, machen deutlich und zeigen mit äußerster Eindringlichkeit, daß ohne die hier getroffenen Sicherheitsvorkehrungen nicht ausgekommen werden kann. Diese Sicherheitsvorkehrungen sind nicht nur zulässig, sie sind sogar dringend geboten und zwar dringendst geboten, nicht nur zum Schutz der Prozeßbeteiligten, sondern nicht zuletzt auch zum Schutz der Öffentlichkeit. Wenn es manchem hier auch nicht passen mag, der gesetzestreue Bürger, der diesen Staat trägt, muß die Möglichkeit haben die Hauptverhandlung ohne Gefährdung seiner eigenen Sicherheit in Ruhe beiwohnen zu können. Zur rechtlichen Abrundung meiner Ausführungen sei auf die §§ 213 StPO[43] und 91[44] und 166 GVG[45] verwiesen. Es ist klar, daß jedem Gericht die Befugnis zusteht, nicht nur Teile einer Hauptverhandlung, sondern die Hauptverhandlung insgesamt außerhalb des Gerichts durchzuführen. Es sei hier noch ganz ergänzend auf BGH amtliche Sammlung Band 22 Seite 250[46] Bezug genommen.

Vors.:

Sonstige Stellungnahmen? Ich sehe ...

Herr Rechtsanwalt Schily, bitte.

RA Sch[ily]:

Ich schließe mich für Gudrun Ensslin diesem Antrag des Kollegen von Plottnitz an. Ich glaube, Herr Holland, Ihre Behauptung, daß die Bundesanwaltschaft nun gar nichts mit der Errichtung dieses Prozeßgebäudes zu tun hat, wenn Sie wirklich orientiert sind und davon gehe ich aus, die werden Sie nicht aufrechterhalten. Es ist Ihnen doch bekannt, daß wird Ihnen doch jedenfalls bekannt sein, daß doch intensive Gespräche der Wahl des Prozeßortes Stuttgart vorausgegangen sind. Und Sie können das ja sogar in der Zeitung nachlesen. Sie können das nachlesen in der Stuttgarter Zeitung vom 13. Dezember 1973 beispielsweise, in der Herr Rebmann, unter anderem Herr Ministerialdirektor Kurt Rebmann zitiert wird, in dem Bezug genommen wird auf einen[ff] stellvertretenen Pressesprecher der Bundesanwaltschaft und in diesem Artikel ist interessant unter anderem wenn man lesen darf, [2032] daß für einen Gerichtsstand Stuttgart mehrere Gründe sprechen und darunter befindet sich ein Satz, der doch auch gar nicht so wenig aufschlußreich ist. In den Überlegungen könnte auch eine Rolle spielen, daß das hiesige Oberlandesgericht, also Stuttgart, der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe am nächsten liegt. Wenn Sie nun denken, daß überhaupt hier von Ihnen keine Einflußnahme erfolgt sei, ich weiß es nicht, ob Sie bei einem Bericht diese Erklärung aufrechterhalten wollen. Im übrigen, selbst wenn dem so wäre, Herr Holland, um so schlimmer, wenn nun in der Tat die Exekutive jenseits der Bundesanwaltschaft und des Gerichts darüber zu bestimmen hat, wie und wo Gerichtsverhandlungen durchgeführt werden. In der Stuttgarter Zeitung vom 13. Dezember 1973 liest man ferner, „die Überlegungen des Justizministeriums beschränken sich nicht nur auf bestehende Gebäude, Dr. Kurt Rebmann hält es durchaus für möglich auf freiem Gelände eine geeignete Baracke für Prozeßzwecke kurzfristig zu errichten. Der Bundesgrenzschutz - so seine Aussage - müsse dann die Sicherungsaufgaben übernehmen“. Und in einer früheren, nein in einer späteren Veröffentlichung, diesmal sind es wohl - ja auch Stuttgarter Zeitung vom 14. Januar 74 - wird darüber berichtet, daß Stuttgarts Polizeipräsident Rau den Bau eines eigenen Prozeßgebäudes befürwortet hat. Also die Tatsache, an diesen Tatsachen kommen Sie doch nicht vorbei, Herr Bundesanwalt Holland, und einmal mehr beweist die Bundesanwaltschaft die These, die der Kollege von Plottnitz hier aufgestellt hat, daß man den großen Schirm aufspannt und sagt, „unwürdige Polemik, unqualifizierte Angriffe“ um sich einer inhaltlichen Auseinandersetzung über diese Problematik zu entziehen. Das ist die Methode, die Sie von Anfang dieses Prozesses eingeschlagen haben und man kann Ihnen eigentlich nahezu dankbar sein, daß Sie, daß Sie sozusagen den Beweis täglich dafür liefern, was wir hier behaupten. Es ist nun ferner noch hinzuzufügen, weil das ja in anderer Form eine Rolle gespielt hat, Anträge dazu gestellt worden sind und Gegenerklärungen dazu abgegeben worden sind und der Kollege von Plottnitz hat ja mit Recht diesen Zusammenhang auch noch einmal angesprochen, wenn auch nur sehr kurz, nämlich die Wahl des[gg] [2033] Gerichtsortes im Zusammenhang mit dem Prozeßgebäude und aus welchen Erwägungen unter anderem diese Wahl des Gerichtsortes zustande gekommen ist. Und Sie wissen, daß erhebliche Auseinandersetzungen hier zwischen der Bundesanwaltschaft, der Verteidigung und nicht zuletzt dem Senat, darüber stattgefunden haben, ob das vielleicht doch etwas mit der Vakanz einer bestimmten Richterstelle[47] zutun hatte und das hat auch der Kollege von Plottnitz - ich darf es wiederholen - angesprochen. Und das ist mir doch sehr interessant, noch einmal nachzulesen aus der Zeitung „Das Parlament“ vom 23. Februar 1974 in der Verfassungsdebatte, in der Herr Ministerpräsident Filbinger, der ja sicherlich über sehr detaillierte Kenntnisse über das, was ich sich hier abgespielt hat in Stuttgart, verfügt, daß der unter anderem hier erklärt hat laut der Veröffentlichung im „Parlament“: Selbst den Verzicht, - das ist also vom 23. Februar 1974, also der Zeitpunkt ist klar, also das Erinnerungsbild von Herrn Filbinger,- selbst den Verzicht auf ein Beförderungsamt hat es schon gegeben, als absehbar war, daß mit diesem Amt die Führung eines spannungsgeladenen politischen Prozesses verbunden sein würde. Das sagt Herr Filbinger am 23. Februar 1974 und was Herr Filbinger damit gemeint haben könnte und meiner Meinung nach auch gemeint hat, das kann man sich, glaube ich, nach dem was bisher hier erörtert worden ist, durchaus vorstellen. Nun, wie gesagt, die Bundesanwaltschaft sollte lieber einmal selbst von der Polemik Abstand nehmen, sei sie so kurz wie sie wolle und lieber einmal zu den Tatsachen sich äußern. Ich glaube, dann würden Sie zu Urteilsbildung in diesem Verfahren sehr viel besser beitragen, als es bisher der Fall war.

Vors.:

Sie wollen erwidern? Bitte.

OStA H[olland]:

Herr Rechtsanwalt Schily, ich darf Sie unmittelbar ansprechen. Hur eine Bemerkung am Rande. Selbstverständlich, die Bundesanwaltschaft hat Einfluß genommen und das ist legitim, ist [2034] legal, auf den Prozeßort, sie hat das Anklagemonopol und sie hat auch bereits im Einzelnen dargelegt, warum Stuttgart ihr als Prozeßort ausersehen ist. Was Sie nicht, Herr Rechtsanwalt Schily, sehen, das ist nun die Frage, um die es allein geht und die Frage, um die hier allein gestritten worden ist, es ist die Frage des Prozeß... der Prozeßstelle, der Gerichtsstelle, des Prozeßgebäudes; hierauf hatte die Bundesanwaltschaft keinen Einfluß. Im übrigen, Herr Rechtsanwalt Schily, dürfen Sie versichert sein, daß ich keine Dinge vortrage, von denen ich weiß oder von dem ich annehmen kann, daß ich hierüber nicht voll orientiert bin, das nur am Rande.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

Für den Angeklagten Baader schließe ich mich diesem Antrag des Herrn von Plottnitz an. Lediglich zwei kurze Hinweise:

Die gesetzlichen Bestimmungen, Herr Holland[hh], die Sie uns zitiert haben, die offensichtlich nach Ihrer Meinung, die Errichtung dieses Gebäudes für einen Prozeß rechtfertigen sollen, die kann ich jedenfalls unter den von Ihnen zitierten Gesetzesstellen nicht finden.

Vors.:

Gut, ich glaube damit ...

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz.

RA R[iedel]:

Herr Vorsitzender, zunächst möchte ich mich ebenfalls dem gestellten Antrag für Frau Meinhof anschließen und mich auf die gegebene Begründung beziehen.

Vors.:

Herr von Plottnitz, bitte.

RA v[on] P[lottnitz]:

Ja, als unmittelbar Betroffener, möchte ich auch nochmal erwidern auf das, was Herr Bundesanwalt Holland hier gesagt hat. Er hat mir ja eine unwürdige Beschimpfung, glaube ich, oder Verächtlichmachung, eine unwürdige Polemik vorgeworfen gegen [2035] die Rechtsordnung unseres Landes. Mir scheint der Herr Bundesanwalt Holland hat gar nicht verstanden, was eigentlich die Argumentationslinie der Begründung meines Antrags war. Es ging präzise um den Aspekt, daß ein Gericht, das sich wie der Senat bislang dazu hergibt, in so einem Gebäude mit diesen Rahmenbedingungen hier zu verhandeln, daß sich das Gericht, ein solches Gericht, mißbrauchen läßt, daß es sich funktionalisieren läßt, daß es keinen Widerstand gegen den Versuch leistet, instrumentalisiert zu werden und in seiner Unabhängigkeit angetastet zu werden. Das ist der Vorwurf. Auf diesen Vorwurf zu begegnen mit dem Satz „unwürdige Polemik gegen die Rechtsordnung unseres Landes“, heißt, eine Rechtsordnung formal zu verteidigen ohne inhaltlich einzugehen auf das, was insoweit von mir gesagt worden ist. Es bestätigt also das, was ich auch versucht habe in der Begründung noch exklusiv anzufügen, daß Sie offensichtlich gar nicht in der Lage sind, von Ihrem ... ganz zu schweigen, hier mal Legitimation darzustellen und zu erklären, warum unter derartigen und derartig monströsen Bedingungen verhandelt werden muß, warum dieses Verfahren sogar offenkundig nicht mehr dem, was man einen normalen Strafprozeß nennen könnte, bezeichnen kann. Sie verteidigen eine Rechtsordnung, ohne inhaltlich einzugehen auf sehr gefährliche Tendenzen, die sich in der Entwicklung dieser Rechtsordnung zeigen und Sie verteidigen eine Rechtsordnung, die, wenn diese Tendenzen nicht bekämpft werden, unter anderem bekämpft werden von dem Senat, an den sich dieser Antrag jetzt richtet. In der Tat zwar mit Würde - das würde ich auch sagen - in der Tat aber angegriffen werden muß, kritisiert werden muß und der gegenüber natürlich der Versuch gemacht werden muß, diese Entwicklungstendenzen aufzuhalten.

OStA H[olland]:

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, nur eines, wir verteidigen selbstverständlich diese Rechtsordnung, wir verteidigen das Recht und wir verteidigen die Sicherheit des Staatsbürgers. Das nur dazu.

[2036] Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Sch[ily]:

Ich meine, ich wollte das unterstützen, was der Kollege von Plottnitz sagt mit der Würde. An sich würde ich denken, widerspricht es der Würde des Gerichts und aller Prozeßbeteiligten, eine Hauptverhandlung in einem Gefängnis durchzuführen, nur dazu soviel. Aber im übrigen habe ich doch gesehen, daß der Kollege, daß, nachdem der Kollege Dr. Heldmann auf die Gesetzesbestimmungen hingewiesen hat, Herr Holland, da in, ich glaube in der ... Ausgabe der Strafprozeßordnung ein bißchen geblättert hat. Und es wäre ja doch, glaube ich, zur Urteilsbildung des Senats ganz erfreulich, wenn Herr Holland doch die Gelegenheit noch einmal benutzen würde uns unmittelbar aus den Gesetzesbestimmungen das, was er meint eigentlich abzuleiten, damit auch die Verteidigung[ii] dann darauf eingehen kann. Bisher haben Sie da nur global auf diese Bestimmungen hingewiesen und das wäre, glaube ich, nützlich für alle Prozeßbeteiligten, wenn Sie uns das einmal genauer auseinandersetzen würden, vielleicht zur Bereicherung unserer Rechtskenntnisse, damit also hier dann auch die Rechtsgrundlage genau gekennzeichnet ist und jedermann weiß, wo nun die unterschiedlichen rechtlichen Positionen liegen.

Vors.:

Gut ... Sie wollen nochmals das Wort.

OStA Z[eis]:

(Anfang unverständlich) ... die Bundesanwaltschaft bleibt das Wort nicht schuldig. Es freut uns natürlich, Herr Rechtsanwalt Schily, daß wir Ihnen rechtlich etwas behilflich sein dürfen. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann wird’s wieder nicht gern haben, daß wir es ...

RA v[on] P[lottnitz]:

Sehr geistreich ...

OStA Z[eis]:

Was soll der Zuruf „geistreich“, Herr von Plottnitz, ausgerechnet Sie, unterbrechen Sie mich bitte nicht. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann wird es wahrscheinlich wieder kritisieren, daß wir es nur aus einem Kurzkommentar entnehmen, aber auch da stehen die richtigen Dinge drin. Ich darf es Ihnen [2037] anführen (§ 213[ StPO] Anm. 2) und damit Sie es ganz genau finden, noch auf Seite 539 das heißt’s „Verhandlungsstelle ist gewöhnlich das Gerichtsgebäude“. Und jetzt hören Sie genau zu, „doch sind Hauptverhandlungen aus Zweckmäßigkeitsgründen nach Ermessen des Gerichts auch außerhalb des Gerichtssitzes möglich, sogar außerhalb des Gerichtsbezirks“ (BGH 22, 250) und wer noch mehr lesen will (Anm. 3 zu § 91[ GVG][48] u. Anm. 1 zu § 166 GVG[49]).

(RA von Plottnitz und RA Dr. Heldmann reden durcheinander)

Vors.:

Meine Herren ...

RA v[on] P[lottnitz]:

... die Tatsache ...

Vors.:

... der Reihe nach Ihre Sätze. Herr von Plottnitz zunächst.

RA v[on] P[lottnitz]:

Herr Oberstaatsanwalt Zeis, eine derartige Zitatstelle kann es rechtlich nie und nimmer rechtfertigen, wenn sich ein Gericht für ein derart lange Zeitdauer, wie dieses Verfahren hier vermutlich in Anspruch nimmt, aus seinen ureigensten Tätigkeitsbereich, nämlich einem Gerichtsgebäude vertreiben läßt von der Exekutive.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

(Anfang unverständlich) ... steht, Herr Oberstaatsanwalt Zeis, in Ihrem Kurzkommentar auch drin, daß für einen speziellen Prozeß, spezielle Gerichtsgebäude zu errichten sein? Darum ging es hier. Und 2. würden Sie uns vielleicht dann doch noch erklären, was Ihr Herr Kollege Holland gemeint hat, mit dem Hinweis auf den § 96 des Gerichtsverfassungsgesetzes?

OStA Z[eis]:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, da haben Sie offenbar eine ...

Vors.:

Herr Oberstaatsanwalt, Herr Bundesanwalt, bitte wir wollen [2038] die Wortmeldungen nun allseits gleichmäßig verteilen. Sie wollen also offensichtlich nochmals erwidern?

OStA Z[eis]:

Ja, ich bitte um Entschuldigung, ich bin nur etwas ...

Vors.:

Bitte.

OStA Z[eis]:

... ins Fahrwasser der Gegenseite geraten, die also auch sehr oft das Wort nimmt, ohne es dazu bekommen zu haben ...

Vors.:

Wird aber auch beanstandet in aller Regel.

OStA Z[eis]:

Ja. Von § 96 GVG war soweit ich hingehört habe nicht die Rede.

Vors.:

Gut ...

RA Dr. H[eldmann]:

(Anfang unverständlich) ... vielleicht Herr Holland selber sagen.

Vors.:

Vielleicht tragen die Herren diese Diskussion nachher noch für sich aus. Zunächst die Frage, wir werden über diesen Antrag entscheiden. Sind weitere Anträge beabsichtigt, die gestellt werden und gleich entschieden werden könnten dann evtl.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich habe einen Eventualantrag für den kaum zu erwartenden Fall, daß diesem Antrag nicht stattgegeben werden sollte, müßte ich einen Antrag stellen.

Vors.:

Wollen wir den vielleicht gleich auch dazu entgegennehmen, oder halten Sie ...

RA Dr. H[eldmann]:

Ja, wenn Sie ...

Vors.:

... unsere Entscheidung für sehr wichtig ...

RA Dr. H[eldmann]:

Wenn Sie die Rechtsentwicklung schon voraussehen ...

Vors.:

Gar nicht, aber evtl., nicht? Sie sagen ja ein Eventualantrag ...

[2039] RA Dr. H[eldmann]:

Ein Eventualantrag ...

Vors.:

... und den könnten wir ja auch evtl. hören.

RA v[on] P[lottnitz] (spricht ins abgeschaltene Mikrophon):

... Kenntnisnahme der Entscheidung voraus, die Heldmann ...

Vors.:

Im Allgemeinen gehört Antrag ... Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, im Allgemeinen gehört Antrag und Eventualantrag zusammen.

Bitte, Herr Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

Mein Antrag ist gedacht, für den Fall, daß, wie ich es eben gesagt habe, das Gericht den Antrag des Herrn von Plottnitz ablehnen wird. Aber ich komme gern Ihrem sehr aktuellen Interesse nach ihn jetzt sofort zu hören.

Ende Band 90

[2040] RA Dr. He[ldmann]:

Ich beantrage nämlich für die Verteidigung insgesamt:

mit sofortiger Wirkung die Anordnung aufzuheben,

1. die Verteidiger bei Betreten dieses, der Gerichtsverhandlung dienenden Gebäudes körperlich durchsuchen zu lassen,

2. ihre Aktentaschen durchsuchen zu lassen.

Diese Maßnahmen sind nämlich von keiner Norm unseres Rechts gedeckt. § 238 StPO i. V. m. § 176 ff. GVG zählen zur Prozeßleitungsbefugnis des Vorsitzenden auch die Sitzungspolizei. Die Sitzungspolizei jedoch dient der Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung. Grundsätzlich zwar untersteht, wie übrigens auch der Staatsanwalt, der Verteidiger dieser Sitzungspolizei des Vorsitzenden; jedoch Staatsanwalt und Verteidiger gegenüber sind die sitzungspolizeilichen Befugnisse des verhandlungsleitenden Vorsitzenden beschränkt etwa auf Ermahnungen und Rügen, und auch das nur in eng begrenztem Rahmen.

Weitere sitzungspolizeiliche Maßnahmen, wie sie die §§ 177 und 178 GVG vorsehen, nämlich die Ungehorsamsfolgen, also die Ordnungshaft, das Ordnungsbußgeld etwa dürfen jedenfalls gegen Verteidiger nicht verhängt werden.

Aber selbst diese Bestimmungen des[jj] GVG, die im einzelnen die sitzungspolizeilichen Maßnahmen regeln, und zwar abschließend regeln, selbst die geben nicht den Ansatz für eine gesetzliche Grundlage für diejenigen Maßnahmen, die sich die Verteidiger hier zweimal ... denen sich die Verteidiger hier zweimal täglich unterwerfen müssen, nämlich:

körperliche Durchsuchung und Durchsuchung ihrer Aktentaschen mit - wie Sie sich vorstellen können - Blättern in den Verteidigerakten und anderes mehr.

Die StPO gibt auch keine andere ... keine weitere Möglichkeit, eine solche Maßnahme gegenüber Verteidigern zu rechtfertigen. Gesetzesgrundlage, und zwar die einzige für die Durchsuchung von Personen und Sachen, gibt inner- [2041] halb des Strafprozesses für den Strafprozeß ausschließlich die StPO mit ihren §§ 102 und 103 StPO, wo es heißt:

„Bei dem, welcher als Täter oder Teilnehmer einer Straftat unter der Begünstigung, Strafvereitlung oder Hehlerei verdächtigt ist, kann die Durchsuchung auch der Person und auch der ihr gehörenden Sachen vorgenommen werden, soweit zum Zweck seiner Ergreifung das notwendig ist, als auch dann, wenn zu vermuten ist, daß die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde.“

- und § 103 StPO handelt von der Durchsuchung bei anderen Personen als Verdächtigten, und da heißt es, daß sie dann zulässig ist, wenn notwendig zur Verfolgung von Spuren einer Straftat oder zur Beschlagnahme bestimmter Gegenstände und nur dann, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, daß derartige Durchsuchungsergebnisse zu erzielen seien.

Ich fordere den Senat auf, der Verteidigung doch zu erklären, ob entweder die Verteidiger hier verdächtigt werden i.S.d. § 102 StPO, oder ob ihm etwa Tatsachen vorliegen i.S.v. § 103 StPO. Jedenfalls das tägliche Durchblättern von Verteidigerakten ist absolut unzulässig, auch schon entsprechend dem Beschlagnahmeverbot des § 97 StPO,[50] denn wo die Beschlagnahme der dort aufgezählten Privilegierungen wegen unzulässig ist, ist entsprechend unzulässig auch die vorbereitende Maßnahme, nämlich die Durchsuchung.

Was aber hier den Verteidigern - und ich wiederhole es - zweimal täglich mindestens beim Betreten dieses zu einer Gerichtsverhandlung bestimmten Gebäudes widerfährt, das ist ja nicht nur Durchsuchung, sondern das ist i.S. von § 81a StPO körperliche Untersuchung; denn das Abtasten der Körperoberfläche geht über den Begriff der Durchsuchung hinaus und ist damit körperliche Untersuchung i. S. d. §§ 81a oder 81c StPO. Und die körperliche Untersuchung, d. h. das Abtasten der Körperoberfläche, wie wir das hier täglich erleben, setzt nicht nur - wie die Durchsuchung in § 102 [StPO] - den Tatverdächtigen voraus, sondern setzt den Beschuldigten[51] voraus und darf richterlich nur angeordnet werden zur Feststellung von Tatsachen, [2042] die für das Verfahren, wegen deren nämlich der Beschuldigte strafrechtlich verfolgt wird, von Bedeutung sind. § 81c StPO läßt die Untersuchung anderer Personen dann zu, wenn erforderlich, um festzustellen, ob sich an ihrem Körper eine bestimmte Spur oder Folge einer Straftat befindet. Und auch dazu wären die Verteidiger interessiert, zu erfahren, welcher Straftat sie etwa - wenn Sie § 81a[ StPO] im Auge gehabt haben - welcher Straftat die Verteidiger beschuldigt werden oder - wenn Sie etwa § 81c StPO im Auge gehabt haben sollten -, ob hier die Verteidiger ungewollt in richterliche Fürsorge eingeschlossen worden sind, die täglich zweimal forschen läßt, ob nicht an unseren Körpern Spuren oder Folgen von Straftaten sich finden ließen.

Schließlich die Frage, die sich angesichts dieser gesetzeslosen Aktionen, die offenbar auf Anordnung des Senats oder des Herrn Vorsitzenden zurückzuführen sind, stellt, nachdem sich Gesetzesgrundlagen sich nicht auffinden lassen hierfür, ist die Frage:

Sind hier etwa die Verteidiger dadurch, daß sie in Stammheim verteidigen, in dieses juristische Monstrum hineingeraten, das seit ungefähr friderizianischer Zeit als besonderes Gewaltverhältnis umschrieben wird und das - jedenfalls seit eh und insbesondere in nachkonstitutioneller Zeit - ausschließlich dafür herhalten muß, einen rechtsfreien Raum zu vernebeln. Dieser anormale Dings - und welcher andere bliebe uns hier wohl noch - setzte voraus, daß wir uns hier nicht in einem Gerichtsgebäude, sondern in einer Vollzugsanstalt befinden.

Beiläufig noch:

Man kommt sich hier und heute oder einfach nur heute schon komisch vor, wenn man sich auf das Grundgesetz beruft. Aber ich erinnere doch noch einmal daran:

Körperliche Durchsuchung und körperliche Untersuchung sind Eingriffe in das unverletzliche Freiheitsrecht des Art. 2 GG, sind Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.

[2043] Daß es dafür in unserem Fall, von dem ich spreche, eine Gesetzesgrundlage, die jedenfalls erforderlich wäre, nicht gibt, habe ich dargelegt.

In Wahrheit - so argumentiere ich - befinden wir uns insoweit in einem rechtsfreien Raum; wir befinden uns genau nämlich in dem Ausnahmezustand, der an vielen Partien dieses Verfahrens dasselbe kennzeichnet. Reden wir also nicht mehr vom GrundG, reden wir nur noch - wie hier üblich - von der StPO.

Vorgestern hatte ich Anlaß, einmal zu registrieren, daß ich den Eindruck gewonnen habe, die §§ 24 ff. d. StPO, die von der Ablehnung von Richtern handeln, seien für dieses Verfahren suspendiert. Heute habe ich hier zu dieser Erscheinung nachzutragen:

Es scheinen aber auch die Bestimmungen der Prozeßordnung über Sitzungspolizei - Durchsuchung, körperliche Untersuchung - in diesem Verfahren, und zwar stillschweigend außer Kraft gesetzt worden zu sein.

Der Rechtsanwalt ist unabhängiges und selbständiges Organ der Rechtspflege,[52] und als Verteidiger steht er in voller Gleichberechtigung Gericht und Staatsanwaltschaft gegenüber. Ich glaube, es ist überflüssig, hier zu erwähnen, daß die Vertreter der B. Anwaltschaft oder die der dritten Gewalt, den entwürdigenden Prozeduren der Durchsuchung und Untersuchung nicht unterworfen werden. Nicht allerdings wäre überflüssig, unerwähnt zu lassen und - ja, besonders hervorzuheben -:

Was ich hier als Verletzung des Verteidigerprivilegs gerügt habe, ist in der Substanz Verletzung der Verteidigungsrechte der Angeklagten. Die Angeklagten sind in ihrer Verteidigung behindert, wenn täglich vor Eintritt in die Verhandlung vor diesem Gericht ihre Verteidiger durch Kriminalbeamte wie entweder Tatverdächtige oder gar Beschuldigte behandelt werden.

Und mit diesem Antrag rüge ich ausdrücklich diesen Rechtsbruch hier als schwerwiegenden Prozeßverstoß.

[2044] Vors.:

Herr Dr. Heldmann, Zusatzfrage:

Es ist angeordnet, beim Durchblättern der Akten der Verteidiger dafür Sorge zu tragen, daß es unmöglich ist, die Schrift zu lesen z. B. dadurch, daß man beim Durchblättern die Schrift auf den Kopf stellt.

Wird dagegen verstoßen?

RA Dr. He[ldmann]:

Die Verteidigerakten werden durchgeblättert.

Vors.:

Ist es so, daß Sie die Befürchtung haben müssen, daß dabei gelesen werden könnte?

RA Dr. He[ldmann]:

Nein. Diese Befürchtung habe ich dank des besonderen Umstandes nicht, daß erkennbar den Beamten, die[kk] diese Befehle ausführen müssen, diese Prozeduren höchst peinlich sind.

Vors.:

Sie täuschen sich vielleicht ...

Entschuldigung.

RA Dr. He[ldmann]:

Nun, dann habe ich jedenfalls das zugunsten ihrer Befehlsempfänger so ausgelegt. Sie haben sich also schon des öfteren bei mir dafür entschuldigt, daß sie das machen müßten, und ich bin sicher, daß sie es so taktvoll wie möglich machen. Es gibt allerdings auch andere Erfahrungen:

Als ich mich dieser Tage einmal darüber beschwert habe, warum ich nun eigentlich sämtliche Hosentaschen hier ausleeren müßte, bevor ich als Verteidiger in dieses Gericht einrücke. Da gab’s nun einen Beamten, der wohl zufällig mal da reingeraten war, der mir sagte:

Eigentlich könnte ich doch ganz fröhlich sein, daß ich hier keinen Striptease zu machen hätte.

Aber das rechne ich als Taktlosigkeit nicht diesem Beamten zu, sondern das rechne ich als Rechtsbruch denjenigen zu, die die Befehle für die Durchsuchung der Verteidiger vor Eintritt in dieses sog. Gericht gegeben haben.

[2045] Vors.:

Wenn ich vorhin begonnen habe, Sie täuschen sich, so wollte ich damit zum Ausdruck bringen:

Diese, wie wir meinen, schonende Behandlung, die Sie jetzt dem Prinzip nach bestätigen, ist der ausdrückliche Wunsch des Gerichtes. Wir haben gesagt: Es muß sein (darüber werden wir uns dann noch zu äußern haben bzw. ich mich zu äußern haben), aber in einer Form, die niemand verletzen kann.

Haben Sie im Zusammenhang mit dem Begriff körperliche Durchsuchungen Beanstandungen etwa in der Richtung, daß hier über das Abtasten über die Kleidung hinaus etwas geschieht, was Sie in Ihrem Schamgefühl oder sonst irgendwo kränken könnte?

RA Dr. He[ldmann]:

Ich möchte hier differenziert darauf antworten:

Mein anwaltliches Schamgefühl wird hier täglich mindestens zweimal schwerstens verletzt.

Was Ihre spezielle Frage angeht nach der Prozedur.

Es wird auch unterhalb etwa der Jacke der Körper abgetastet, und es wird der Körper weiter abgetastet, bis zu den Füßen herunter. Das ist nicht mehr Durchsuchung; das ist i.S.d. § 81[ StPO] körperliche Untersuchung.

Aber auch dann, Herr Vorsitzender, wenn Sie sagen:

Das tut ja nur ein bißchen weh.

Das ist nicht die Frage. Die Relevanz meines Antrags und meiner prozessualen Rüge ist, das Ding an sich selbst ist unzulässig.

Vors.:

Ja, das habe ich verstanden. Ich wollte nur nähere Aufklärung von Ihnen haben.

Herr RA v[on] Plottnitz, Sie wollten sich zu Wort melden.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Ja, ich möchte mich dem Antrag anschließen, den der Kollege Heldmann gestellt hat.

Zunächst zu der Frage, die Sie gerade gestellt haben, noch eine Anmerkung:

[2046] RA v[on] Plottnitz

Die Beamten, die die Durchsuchung der Anwälte - die vom Senat angeordnete Durchsuchung der Anwälte - durchführen, die sind ja nun vermutlich im Gegensatz zu den Mitgliedern des Senats Sicherheitsfachleute, und Sicherheitsfachleute gehen z. B. - daraus kann ihnen niemand ein Vorwurf machen; also diesen Beamten würde ich auch keinen Vorwurf daraus machen; wenn sie’s nicht vorher waren, so ist es ihnen für diesen Zweck hier beigebracht worden - die gehen z. B. davon aus, daß solche großen Sicherheitsrisiken, wie sie Anwälte darstellen, die in dieses Gebäude hier zur Hauptverhandlung vordringen wollen, daß die z. B. also gefährliche Gegenstände, besonders im Bereich der Genitalien mit sich führen. Warum soll man darüber nicht sprechen.

Von daher ist natürlich auch die Durchsuchung, die Abtastung etwa grade, was diesen Bereich angeht, besonders empfindlich. Das nur zu Ihrer Information, weil Sie wahrscheinlich da wenig konkrete Erfahrungen haben.

Vors.:

Gewiß, gewiß. Ich bin für diese Information dankbar.

Ich hätte allerdings gewünscht, daß, wenn Sie das so stört, Sie vielleicht schon zu früherer Zeit zu mir gekommen wären. Das hätten wir ja nicht in der Hauptverhandlung zu machen brauchen.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Doch. Das machen wir in der Hauptverhandlung, Herr Vorsitzender, natürlich.

Vors.:

Jawohl. Nach drei Monaten? Schön, wenn Sie das meinen, es ist notwendig, daß Ihr Schamgefühl geschont wird, wäre es doch wohl zweckmäßig gewesen, früher sich zu äußern.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Es geht ja hier nicht ums Schamgefühl, es geht ums Prinzip. Das muß man doch mal sagen.

Vors.:

Ja, nach drei Monaten, stelle ich nur fest, ist das Prinzip erst für Sie wichtig. Sie hätten mir das längst sagen können, wenn Sie glauben, daß hier irgendwas zu beanstanden ist.

[2047] RA v[on] Pl[ottnitz]:

Also, Herr Vorsitzender, darf ich trotzdem mal ...

RA Sch[ily]:

... was Sie hier machen, ja? Das find ich unglaublich.

Sie wissen ganz genau, daß ...

Vors.:

Ja. Herr RA v[on] Plottnitz hat noch das Wort.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Er hat nichts dagegen, wenn der Kollege Schily sich da kurz einschaltet.

RA Sch[ly]:

Herr Vorsitzender, Sie wissen genau, daß schon seitens der Verteidigung vor Beginn dieses Prozesses ganz klar diese Maßnahmen kritisiert worden sind. Sie wissen das. Sie wissen, daß sie an einer Ausschlußverhandlung nicht teilgenommen haben aus dem Grunde, daß eine Unter... Durchsuchung stattfindet. Und wissen Sie, wenn Sie hier herablassend sagen:

eine schonende Behandlung, eine schonende Behandlung, Herr Vorsitzender.

Ich will keine schonende Behandlung von Ihnen. Darauf kann ich verzichten auf eine schonende Behandlung. Aber auch eine Behandlung, die eines Rechtsanwalts wirklich unwürdig ist.

Und ich bitte, ich habe dieses Ritual hier vollzogen, jedesmal, wenn ich in die Kabine gehe, und ich muß sagen, die Beamten verhalten sich im großen und ganzen - da[ll] kann ich nur die Kollegen unterstützen - hervorragend, durchaus.

Aber wissen Sie, am ersten Tag sollte ich mich an die Wand stellen, an die Wand mit erhobenen Händen!

Vors.:

Sie hätten ja zu mir kommen können.

RA Sch[ily]:

Ja, wie?! Ich komm nicht zu Ihnen! Sie haben das angeordnet!

Vors.:

Daß Sie an die Wand gestellt werden?

[2048] RA Sch[ily]:

Und das wird hier in der Hauptverhandlung erörtert! Das ist der Punkt!

OStA Ze[is]:

Herr Vorsitzender, ...

RA Sch[ily]:

Moment. Ich bin nicht zu Ende.

Vors.:

Lassen Sie bitte das Wort im Augenblick dem Herrn Verteidiger.

RA Sch[ily]:

Ach, wissen Sie, Sie sind doch sonst so beflissen um die Rechtspflege und um die Ermittlungen und immer die Forderungen: zügiges Verfahren, und was Sie alles da anführen. Aber wenn ich mir vorstelle, daß hier zwei Beamte dafür eingesetzt sind, die vielleicht vor Ort, wenn ich mal so sagen darf, in[mm] ihrer polizeilichen Tätigkeiten sehr viel nützlichere Aufgaben wahrnehmen könnten, und wenn Sie sich mal orientieren, dann gibt es da auch Stimmen, die Leute, die sagen: „Mensch, was sollen wir hier eigentlich. Das ist doch ein ...“ Naja: „Zu Hause liegen die Berge, die Aktenberge, die dann nicht bearbeitet werden.“ Aber - wie bitte? -

Richter Dr. Foth:

Wegen der Durchsuchung?

RA Sch[ily]:

Ja, ja, Herr Dr. Foth, ja! Polizeibeamte sagen, daß sie nicht zu ihrer Arbeit kommen, die wichtiger ist, weil sie hier diese lächerlichen Geschichten machen müssen. Das ist doch der Punkt!

Und wenn Sie sagen: drei Monate. Ja, das haben wir drei Monate. Ich bin drei Monate hin, jedesmal habe ich gesagt, unter Protest! Und inzwischen, da ich ein bißchen schwäbisch gelernt habe: unter „Protescht“!

Wissen Sie, wir[nn] haben in der Tat wichtigere Dinge gehabt. Wir[oo] haben gesagt: „Wir stellen das zurück.“

Wir wissen auch, daß Sie die Macht haben - die haben Sie, in der Tat! - aber wir führen gegenüber der Macht das Argument des Rechts ins Feld! Das ist der Punkt!

[2049] Vors.:

Sonst noch einer der Herrn Anwälte? Herr v[on] Plottnitz.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Ich möchte das ergänzen, was ich vorhin gesagt habe:

Sie sind ja von dem Kollegen Schily grad schon darauf hingewiesen worden, daß wir natürlich beizeiten beim Senat versucht haben, und zwar vor Beginn der Hauptverhandlung, die Frage unserer eigenen Durchsuchung hier i. S. des Antrages, den jetzt der Kollege Heldmann gestellt hat, zu lösen und zu klären. Dabei ist ja unserem Vorsitzenden was Interessantes mitgeteilt worden, weils ja auch um die Frage ging:

Wie stehts denn nun mit der Durchsuchung der übrigen Verfahrensbeteiligten?

Und soweit es um die Herrn von der B. Anwaltschaft ging, wurde uns gesagt - das ist übrigens ein ergänzender Aspekt, was die Begründetheit des Antrags zum Prozeßgebäude hier angeht -, eine Durchsuchung dieser Herrn sei schon deshalb gar nicht möglich und geboten, weil diese Herrn in diesem Gebäude über eigene Diensträume verfügen, was natürlich mit der Finanzierungsfrage zu tun hat. Dieses Gebäude wurde ja finanziert aus Mitteln des Landes Baden-Württemberg und aus Mitteln des Bundes, und es gehe doch nicht an, daß man gleichsam die Hausrechtsinhaber - also die Herren Sitzungsvertreter von der B. Anwaltschaft - hier durchsuche.

Dieses Argument würde natürlich, wenn man’s richtig analysiert, auf folgendes hinauslaufen:

Wir dürften dann eigentlich nur bei einer Gelegenheit nicht durchsucht werden, nämlich, wenn wir unsere eigenen Kanzleiräume betreten würden, in denen wir ja dann schließlich auch Hausrecht haben.

Also ich meine, daß der Senat dieses Argument ganz gewiß nicht wiederholen sollte, wenn es um die Bescheidung dieses Antrags geht.

Ein weiterer Aspekt, auf den ich eigentlich jetzt spontan gekommen bin, sollte dann auch angeschnitten werden:

[2050] Ich muß dazu, bevor ich einen ergänzenden Antrag stelle, eine Erläuterung geben:

Ich habe vor 14 Tagen einmal das Vergnügen gehabt - nennen wir es so - vor dem Eingang für Verfahrensbeteiligte dem Herrn Oberstaatsanwalt Dr. Zeis zu begegnen bzw. ihn zu sehen aus einer Entfernung von etwa 10 Metern. Da es heiß war, trug er keine Jacke, und diesem Umstand war es zu verdanken, daß man also sehen konnte, daß der Oberstaatsanwalt Dr. Zeis eine Faustfeuerwaffe bei sich trug, von der also hier gar nicht festzustellen ist, ob sie ihm nun gut oder schlecht zur Hüfte stand.

Die Frage, die mich interessiert, - Augenblick mal, Augenblick mal - die Frage, die mich nun interessiert, ist folgende:

Trägt der Herr Oberstaatsanwalt Dr. Zeis eigentlich seine Faustfeuerwaffe auch im Sitzungssaal? Ist ihm also nicht nur das Privileg eingeräumt, nicht untersucht bzw. durchsucht zu werden, sondern auch im Sitzungssaal Waffen zu tragen?

Vors.:

Bitte, die Frage können Sie an Herrn B. Anwalt Dr. Zeis selbst richten.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Nein. Ich habe von Interesse gesprochen.

Ich ergänze also nun den Antrag, den der Kollege Heldmann gestellt hat.

Vors.:

Hat mit Ihrer Antragsbegründung nichts zu tun, Herr v[on] Plottnitz.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Herr Vorsitzender, unterbrechen Sie mich[pp] doch bitte nicht[qq]

Vors.:

Das hat mit der Antragsbegründung nichts zu tun, daß Sie Fragen stellen. Wenn Sie begründen wollen, jederzeit.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Nein. Ich habe von Interesse gesprochen erst mal, und ich stelle jetzt folgenden Antrag:

[2051] Ich beantrage,

den Herrn Oberstaatsanwalt Zeis darüber zu befragen, ob er seine Faustfeuerwaffe auch im Sitzungssaal trägt,

und bejahendenfalls ihn anzuweisen, diese Faustfeuerwaffe im Sitzungssaal nicht mit sich zu führen.

Hier ist so viel von Sicherheit und Sicherheitsrisiken die Rede gewesen in diesem Verfahren. Ich empfinde es als Sicherheitsrisiko, wenn hier ein Staatsanwalt sitzt, der in der Sitzung eine Faustfeuerwaffe mit sich führt.

Publikum klatscht.

Vors.:

Ich muß den Saal ausdrücklich um Ruhe bitten. Sie wissen, was die Konsequenzen sind; Sie wollen ja wahrscheinlich der Verhandlung folgen.

Herr v[on] Plottnitz, ich habe schon früher mal bekanntgegeben, daß sich hier im Raume vom ersten Tag an kein bewaffneter Polizist befunden hat. Niemand von den Aufsichtsbeamten hat irgendeine Waffe, und ich habe nicht den leisesten Anlaß, daß ich die B. Anwaltschaft befrage oder sonst einen Prozeßbeteiligten, ob er eine Faustfeuerwaffe bei sich trägt.

Für mich darf ich’s Ihnen beantworten: Nein.

Will die B. Anwaltschaft zu dem Antrag Stellung nehmen?

OStA Ze[is]:

Selbstverständlich, Herr Vorsitzender.

[rr] RA Rie[del]:

Herr Vorsitzender, ...

Stimmengewirr: OStA Zeis, RA v[on] Plottnitz und Vorsitzender.

OStA Ze[is]:

Ich habe jetzt das Wort, und ich bitte, mir das Wort zu belassen.

Vors.:

Zunächst hat jetzt ...

OStA Ze[is]:

... durch Herrn RA Riedel unterbrechen zu lassen.

Sie winken ab, Herr RA Riedel?

[2052] RA Rie[del]:

Ja, ich winke deswegen ab, weil ...

Vors.:

Sie haben jetzt das Wort im Augenblick. Bitte schön.

OStA Ze[is]:

Ich kann Ihre Frage, Ihre polemische Frage, Herr RA v[on] Plottnitz ...

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Ist doch keine polemische Frage.

OStA Ze[is]:

... kann ich gern beantworten:

Selbstverständlich trage ich hier im Gerichtsgebäude keine Waffe. Aber nun hören Sie mal gut zu. Vielleicht möchten Sie die Dinge etwas verdrängen.

Es soll einmal in Berlin einen Richter gegeben haben, der, wenn er vielleicht eine Faustfeuerwaffe getragen hätte, heute noch am Leben wäre.[53]

Und ich lasse es mir von niemandem, auch nicht von Ihnen, verbieten, ob ich außerhalb des Gerichtsgebäudes bewaffnet bin oder nicht. Dies zu Ihrer Unterrichtung.

Zu dem Eventualbeweisantrag nimmt die B. Anwaltschaft wie folgt Stellung:

Der 3. Strafsenat des B. Gerichtshofs hat schon in einem entsprechenden Beschluß aus dem Jahre 1973[54] zu dieser Frage ausdrücklich Stellung genommen und hat in diesem Beschluß expressis verbis ausgeführt, daß derjenige, der mit den hier Angeklagten, in hohem Maße ausbruchverdächtigen Angeklagten, in persönlichen Kontakt kommt, auf Waffen und Ausbruchswerkzeuge untersucht werden darf. Selbstverständlich sind die dort drüben sitzende Dame und die Herrn Verteidiger über jeden, aber auch über jeden Verdacht erhaben.

Es soll aber auch schon Fälle gegeben haben, wo die Gutwilligsten durch Böswillige mißbraucht worden sind, und deswegen meinen wir, daß die entsprechende Anordnung, die aus sicherheitspolizeilichen Gründen getroffen worden ist, bestehen bleiben muß. Auf die Modalitäten dieser Durchsuchung hat und nimmt die B. Anwaltschaft keinen Einfluß.

[2053] Zum Schluß, Herr RA Schily, noch ein persönliches Wort zu Ihnen:

Normalerweise ist es ein Grund, wenn irgendein Vorfall sich zum hundertsten Male ereignet, dem andern Glück zu wünschen. Wenn meine Strichliste stimmt, dann haben Sie sich vorhin grade zum hundertsten Male das Wort genommen, auch in der - wie jede Woche zu beobachtenden - schreienden und brüllenden Weise. Vielleicht sollten Sie sich mal an das Wort des großen Vorsitzenden Mao Tse Tung[55] halten, der 1924 schon gesagt hat:

Tschi pen, tschi fei - Wer schreit, hat Unrecht.

Vors.:

Ich darf jetzt zunächst Herrn RA Riedel das Wort ...

Herr RA Riedel hat sich zuvor gemeldet gehabt. Er hat jetzt das Wort. Bitte schön.

RA Rie[del]:

Es wäre an dieser Stelle schon nach dieser humoristischen Einlage angebracht, auch da noch direkt was dazu zu sagen. Aber zunächst möchte ich mich dem gestellten Hilfsantrag anschließen.

Ich meine, daß gerade zur Begründung dafür, was hier vorgetragen wird und was hier beantragt worden ist, das gezeigte Beispiel über den waffentragenden OStA Zeis gar nicht besser verdeutlichen kann, mit welch rücksichtsloser Art und Weise hier das Prinzip der Waffengleichheit - augenfälliger kann es ja gar nicht sein - verletzt wird. Ich kann nur aus eigener Erfahrung sagen:

Wenn dem hier verteidigenden Rechtsanwalt an der Pforte bei der geschilderten körperlichen Durchsuchung auch ein bescheidenes Taschenmesser abgenommen wird, daß er dann - wie bei mir geschehen - am ersten Tag dann in ein vorgesehenes Schließfach einschließen muß, der hier sitzende Vertreter der B. Anwaltschaft jedoch sich hier als Waffenträger, demonstriert in gradezu auffälliger Weise, sei es nun vor dem Gebäude oder im Gebäude, wobei ich also davon ausgehe, daß das, was Herr OStA Zeis gesagt hat, zu bezweifeln ist; [2054] denn ich glaube nicht, daß er sich erst, wenn er aus dem Gebäude herauskommt, die Waffe von einem Bediensteten umschnallen läßt, nicht wahr. Ich meine auch, bemerkt zu haben, daß er die Treppe runterkam mit schon umgeschnallter Pistole; daß das auf das Allerdeutlichste und Augenfälligste zeigt, welche Verschiebungen hier stattgefunden haben.

Vors.:

Darf ich fragen:

Sie sagten Taschenmesser am ersten Tag - ist das ein einmaliger Vorfall?

RA Rie[del]:

Es ist deswegen ein einmaliger Vorfall geblieben, weil ich nicht mehr gewagt habe, dieses gefährliche Werkzeug nochmals mit mir zu führen, wenn ich hier hereinkomme.

Vors.:

Gut. Herr RA Schily, bitte schön.

RA Sch[ily]:

Ich freue mich, Herr Zeis, daß Sie so lernfähig sind und also chinesisch lernen und sogar Mao Tse Tung lernen. Das gefällt mir eigentlich recht gut, und es ist allerdings die Frage, ob das nicht Ihre Verfassungstreue dann in Frage stellt, und ich fürchte, Sie werden also demnächst eine Überprüfung durch das Landesamt für Verfassungsschutz gefallen lassen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, bitte zur Sache.

RA Sch[ily]:

War das zur Sache, was Herr Zeis gesagt hatte?

Vors.:

Es war aber wenigstens etwas kürzer; die humoristische Einlage war kürzer.

RA Sch[ily]:

Ach darum geht es, ja?

Vors.:

Ja, darum geht’s. Sie sollten jetzt zur Sache kommen.

RA Sch[ily]:

Jaja. Ich komm ja zur Sache.

Vors.:

Bitte sehr.

[2055] RA Sch[ily]:

Und es freut mich natürlich, daß Sie auch meine Ausführungen so aufmerksam verfolgen trotz der gelegentlichen Lautstärke; daß Sie immerhin sogar ne Strichliste haben und jetzt bei der Zahl 100 angelangt sind. Es wäre allerdings erfreulich, wenn Sie meine Ausführungen nicht nur der Quantität nach wahrnehmen würden, sondern auch der Qualität und sich mit der inhaltlichen Frage einmal beschäftigen würden, was gesagt wird, was nicht.

Und das Letzte, was ich dazu zu sagen habe, ist:

Es hat in Berlin vor einem gleichrangigen Gericht - einem Kammergericht - eine Verhandlung stattgefunden mit einem Angeklagten, der ebenfalls der gleichen oder ähnlicher Delikte angeklagt wurde wie hier, dem in einem anderen Verfahren die Teilnahme an einem Ausbruchsversuch zur Last gelegt wurde, ein Ausbruchsversuch, wobei der Name eines der hier Angeklagten eine Rolle gespielt hat,[56] und ich darf dieses Gericht darüber unterrichten, daß die Verteidiger - obwohl es da zunächst auch eine Auseinandersetzung darüber gab - an dieser Verhandlung teilnehmen konnten, ohne durchsucht zu werden, und der vorhergehende Vorschlag, der gemacht worden war, der war, daß eben sich alle durchsuchen lassen:

das Gericht, die B. Anwaltschaft und die Verteidigung, wobei dann der groteske Zustand sich entwickelt hätte, daß also 3/8 von Prozeßbeteiligten, die über das Recht zu befinden haben, von Justizvollzugsbeamten oder Kriminalbeamten dann durchsucht werden; und wissen Sie, was mir dabei überhaupt nicht einleuchtet, ist eigentlich, inwiefern sich das Gericht, die B. Anwaltschaft und dann die Verteidiger als weniger vertrauenswürdig ansehen als irgendein Justizbeamter, der nun diese Kontrolle vollziehen soll. Das ist eine merkwürdige Perspektive, die aber erkennen läßt, daß man ... daß eigentlich die rechtsprechende Gewalt - diese Tendenz ist ja da - sich immer stärker als Teil der Exekutive begreift. Das ist ein Phänomen, was Ihnen offenbar nur noch Heiterkeit abnötigt. Aber daß Sie an sich offenbar nicht in der Lage sind, überhaupt auch nur noch zu sehen, daß solche Ten- [2056] denzen sogar schon von Richtern wahrgenommen worden sind. Das kann man in Löwe-Rosenberg nachlesen von einem bekannten hohen Richter, der in der Kommentierung dazu etwas gesagt hat. Das können Sie nachlesen, welche Tendenzen sich da ... gefährliche Tendenzen entwickeln können, wie die Justiz Bereiche aufgibt, die ihr eigenes Recht darstellen, zugunsten der Exekutive.

Und ich kann nur nochmals, weil hier heute von der Würde die Rede war - also wenn Sie das ernst nehmen, dann würde ich schleunigst mit diesen Maßnahmen aufhören und dem Antrag des Kollegen Dr. Heldmann entsprechen.

Vors.:

Wir werden dann die Sitzung morgen ...

Wollten Sie noch Stellung nehmen?

Herr B. Anwalt, bitte sehr.

BA Dr. Wu[nder]:

Ich hätte gern noch ein kurzes Wort dazu gesagt:

Die Frage, warum Bundes- oder Staatsanwälte nicht durchsucht werden, beantwortet sich ganz leicht.

Neben anderen Erwägungen deswegen, weil es paradox wäre. Sie verfolgen als Anwälte des Bundes bzw. als Anwälte des Staates strafbare Handlungen und begehen in der Regel keine. Und noch etwas:

Unten im Foyer befindet sich neben dem Ein- und Ausgang, den Sie und wir gleichermaßen benützen, ein Schrank mit Schließfächern. Dort sperren wir die Dinge, die wir nicht in das weitere Gebäude mit hineinnehmen wollen, ein, und ich bin der festen Überzeugung, daß die Gelegenheit auch für Sie besteht.

Die Vermutung, wenn Sie jemand von uns mit einer Waffe - gleich, welcher Art - sehen, daß die dann auch im Sitzungssaal oder in anderen Räumen des Gebäudes getragen würde, ist falsch.

Vors.:

Ja, also ...

RA Sch[ily]:

Gestatten Sie, Herr Vorsitzender, hierauf zu erwidern:

Wir haben ja nicht beantragt, Sie durchsuchen zu lassen; dieser Antrag ist nicht gestellt worden. Er ist nicht gestellt worden. Sie brauchen sich dagegen[ss] gar nicht zu verwahren. [2057] Wir haben überhaupt kein Interesse und würden es auch als lächerlich empfinden, wenn Sie durchsucht werden. Aber wir wenden uns dagegen, daß uns nicht das gleiche Recht widerfährt. Das ist der Punkt.

Vors.:

Herr RA Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Hat sich erledigt. Danke.

Vors.:

Herr RA v[on] Plottnitz.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Ja, ich wollte auch mit einem Satz nur antworten:

Also es ist jetzt zweimal gesagt worden, der Dr. Wunder meinte hier, Durchsuchung - die ja von niemandem beantragt worden ist - der B. Anwälte erübrige sich deshalb, weil sie verfolgen und nicht strafbare Handlungen begehen. Herr Dr. Wunder, nehmen Sie bitte zur Kenntnis:

Wir begehen keine strafbaren Handlungen, auch nicht dadurch, daß wir hier verteidigen. Wir verteidigen hier, das ist gesetzlich so vorgesehen, daß hier auch verteidigt werden muß.[57] Und das zweite betrifft die Äußerung des OStA Dr. Zeis über die Möglichkeit des Mißbrauchs. Auch insoweit ein Wort dazu: Nehmen Sie zur Kenntnis, hier gibt es keine Angeklagten, die Anwälte mißbrauchen wollen; es gibt keine Anwälte, die sich mißbrauchen lassen würden.

Vors.:

Wir setzen die Sitzung mit Rücksicht darauf, daß die Entscheidungen bis morgen noch fertiggestellt werden müssen, um 10.00 Uhr fort. Morgen erst um 10.00 Uhr.

Bitte, Herr RA, das können wir außerhalb vielleicht erledigen. Um Was geht’s, um den Termin?

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Morgen soll nur bis[tt] um 10.00 Uhr verhandelt werden, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Das läßt sich anhand der gestellten Anträge nicht ändern. Es ist nicht gesagt worden - Sie können’s dann im Protokoll [2058] nachlesen -, daß nur bis zehn Uhr verhandelt werden würde; es ist drüber geredet worden, daß vorgesehen sei, eine formale Verhandlung durchzuführen, eine Stunde. Ich habe Ihnen aber gestern schon im Gespräch angedeutet, daß - natürlich immer unter der Voraussetzung, daß diese Ablehnungsanträge entsprechend entschieden werden - ins Auge gefaßt werden müsse, daß es auch morgen den ganzen Vormittag dauern könnte; denn wir hatten den gestrigen Tag verloren, und wir haben heute auch Einiges vom Tag verloren.

RA Sch[ily]:

Das sehen Sie als verloren an. Das ist eben die Frage, ob Sie nun sagen: Einiges vom Tag verloren. Aber wir müssen doch disponieren. Das ist doch wohl das ... nicht wahr? Man kann doch nicht so eine Art ...

Vors.:

Morgen ist voller Verhandlungstag vorgesehen. Daß ich eingeschränkt habe und sagte, wir beabsichtigen nur im Hinblick auf die Fristwahrung für diese Unterbrechung,[58] die anschließend eintritt, eine Stunde zu verhandeln, das hing damals mit der Vorstellung zusammen, daß wir Dienstag, Mittwoch, Donnerstag korrekt und komplett durchverhandeln können. Es fiel der geschlagene Mittwoch aus. Es kommen jetzt zum Schluß diese zwei Anträge, die beschieden werden müssen, die selbstverständlich auch noch geschrieben werden müssen. Das heißt mit anderen Worten: Für uns besteht jetzt Anlaß - und aufgrund dessen verfüge ich das auch -, daß wir morgen erst um 10.00 Uhr verhandeln.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, dann wäre es nahegelegen, daß Sie sagen:

„Es sei denn, daß Sie einen Ablehnungsantrag stellen oder daß Anträge gestellt werden oder daß ein Tag ausfällt. Dann werden wir ja natürlich länger verhandeln.“

Das wäre ja dann die korrekte Auskunft gewesen.

Vors.:

Also zuletzt, Herr Rechtsanwalt - ich kann jetzt nicht mehr drüber debattieren; wir können uns draußen, wenn Sie wollen, weiterunterhalten - es war nie gesagt worden, wir verhandeln [2059] ausschließlich von 9.00 - 10.00 Uhr, zumindest ins Auge gefaßt, daß wir dort eine Formalverhandlung durchführen.

RA Sch[ily]:

Laut Protokoll ...

Vors.:

Es tut mir leid. Es hat sich die Prozeßsituation so ergeben, und ich habe den Terminsplan im Rahmen der vorgesehenen Verhandlungen dem anzupassen. Wir können morgen um 10.00 Uhr fortsetzen und nicht früher und auch nicht später.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Herr Vorsitzender, dann darf ich einen Antrag stellen, und zwar in der Hauptverhandlung ...

Vors.:

Außerhalb der Hauptverhandlung.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Ich beantrage,

die Sitzung pünktlich zu schließen,

Herr Vorsitzender ...

Vors.:

Ist schon geschlossen, Herr Rechtsanwalt.

Ende der Hauptverhandlung um 16.05 Uhr.

Ende von Band 91.


[1] Anlage 1 zum Protokoll vom 7. August 1975: Senatsbeschluss (Verwerfung der Ablehnung des Vorsitzenden Richters Aspacher, sowie der Richter König und Jans als unzulässig).

[2] Die Hauptverhandlung beginnt nach dem Aufruf der Sache und Feststellung der Anwesenheit mit der Vernehmung der Angeklagten zur Person, an die sich die Verlesung der Anklage (heute außerdem: Mitteilung über ggf. stattgefundene Erörterungen) sowie die Vernehmung der Angeklagten zur Sache anschließen. Hierauf folgt die Beweisaufnahme (§§ 243, 244 StPO). Aufgrund vorrangiger Anträge fand die Vernehmung zur Person sowie die Verlesung der Anklage erst am 26. Verhandlungstag statt.

[3] S. 1754 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 22. Verhandlungstag.

[4] Anlage 2 zum Protokoll vom 7. August 1975: Senatsbeschluss (Zurückweisung der Ablehnungen des Vorsitzenden Dr. Prinzing, sowie der Richter Dr. Foth, Maier, Dr. Berroth und Dr. Breucker als unbegründet).

[5] Der Beschluss wurde zu Beginn des 22. Verhandlungstages verkündet (S. 1754 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[6] Während bis zum 31.12.1974 die sog. Blockverteidigung - die kollektive Verteidigung mehrerer Angeklagter bei gleicher Interessenlage - zulässig war, wurde durch das Ergänzungsgesetz zum Ersten Strafverfahrensreformgesetz vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3686) mit Wirkung zum 1.1.1975 das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) eingeführt. Jede/r Verteidiger/in durfte fortan nur noch eine/n Angeklagte/n vertreten, mithin auch nur für eine/n Angeklagte/n anwaltlich tätig werden.

[7] § 137 Abs. 1 StPO lautet: „Der Beschuldigte kann sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers bedienen. Die Zahl der gewählten Verteidiger darf drei nicht übersteigen.“.

[8] § 199 Abs. 2 StPO lautet: „Die Anklageschrift enthält den Antrag, das Hauptverfahren zu eröffnen. Mit ihr werden die Akten dem Gericht vorgelegt.“ Zu diesen Akten gehören zum einen alle Unterlagen, die die Polizei der Staatsanwaltschaft übersendet (§ 163 Abs. 2 Satz 1 StPO), zum anderen alle anschließend bei der Staatsanwaltschaft entstandenen Vorgänge, und zwar sowohl die belastenden, als auch die entlastenden. Ausgenommen sind die Handakten der Staatsanwaltschaft, sowie für die jeweiligen Beschuldigten bedeutungslose Vorgänge (Meyer-Goßner, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 199 Rn. 2).

[9] Die Gerichtsakte umfasst die mit der „Anklageschrift vorgelegten Akten, die in Fortführung der Ermittlungsakten nach Anklageerhebung entstandenen Aktenteile und die vom Gericht herangezogenen oder von der StA nachgereichten Beiakten“ (BGH, Urt. v. 26.5.1981 - Az.: 1 StR 48/81, NStZ 1981, S. 361). Nach dem sogenannten formellen Aktenbegriff umfasst dies die Unterlagen, durch die „Identität der Tat und der des Täters konkretisiert werden“ (BGH, Urt. v. 26.5.1981 - Az.: 1 StR 48/81, NStZ 1981, S. 361; BGH, Urt. v. 18.6.2009 - Az.: 3 StR 89/09, StV 2010, S. 228). Darunter fällt insbesondere das gesammelte Beweismaterial. Ausnahmen gelten für interne Hilfs- und Arbeitsmittel der Polizeibehörde, Notizen des Gerichts während der Hauptverhandlung, sowie bei Vertraulichkeitszusagen oder gesperrten Aktenteilen. Die Entscheidung, welche Dokumente zu den Akten genommen werden, steht nicht im Belieben des Gerichts oder der Ermittlungsbehörde (vgl. Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 147 Rn. 14 f.). Die Aktenführung ist nach den Grundsätzen der Aktenvollständigkeit und -wahrheit die Grundlage für das staatliche Tätigwerden und dessen Überprüfung, sodass auch ohne ausdrücklichen Ausspruch im Gesetz eine ordnungsgemäße Aktenführung erforderlich ist (vgl. hierzu auch in Bezug auf Verwaltungsbehörden: BVerwG, Beschl. v. 16.3.1988 - Az.: 1 B 153/87, NVwZ 1988, S. 621, 622; sowie BVerfG, Beschl. v. 06.06.1983 - Az.: 2 BvR 244, NJW 1983, S. 2135).

[10] Am 24. Mai 1972 explodierten in Heidelberg auf dem Gelände des Hauptquartiers der 7. US-Armee und der US-Landstreitkräfte in Europa (USAREUR) zwei zuvor dorthin verbrachte Kraftfahrzeuge. Hierbei kamen drei amerikanische Soldaten ums Leben, weitere Personen gerieten in Lebensgefahr oder wurden verletzt (Feststellungen des OLG Stuttgart, Urt. v. 28.4.1977 - Az.: 2 StE 1/74, S. 28 ff.). Dieser Vorgang war ab dem 74. Verhandlungstag Gegenstand der Beweisaufnahme.

[11] Als Organisationsdelikt werden diejenigen Straftaten bezeichnet, die in der Bildung, Fortführung oder Unterstützung einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB; heute auch: terroristischen Vereinigung, § 129a StGB) bestehen (vgl. v. Heintschel-Heinegg, in Joecks/Miebach [Hrsg.], Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 2, 4. Aufl. 2020, § 52 Rn. 95).

[12] S. Kohlhaas, in Löwe/Rosenberg, Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, 1. Band, 22. Aufl. 1971, § 170 Anm. 7: „Grundsätzlich dürfen daher nur bedeutungslose Schriftstücke den Akten ferngehalten werden. Auch Schriftstücke über ergebnislose Untersuchungshandlungen sind nicht schlechthin bedeutungslos, da sie Aufschluß darüber geben können, ob eine Wiederholung dieses Aktes erfolgsversprechend ist oder nicht.“

[13] Vor dem Landgericht Frankfurt fand der Prozess gegen Astrid Proll statt. Sie hatte bereits im Oktober 1967 im Zuge der Vietnam-Demonstration versucht, mit Baader einen Sprengstoff-Anschlag auf das Berliner Amerikahaus durchzuführen, der jedoch scheiterte. Zusammen mit Baader und Ensslin ging sie 1969 in den Untergrund. Anfang Mai 1971 wurde sie in Hamburg verhaftet. Während ihrer Einzelhaft in der JVA Köln-Ossendorf verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand, sodass das Verfahren gegen sie vor dem LG Frankfurt im Herbst 1973 unterbrochen und sie im Februar 1974 schließlich wegen Haftunfähigkeit entlassen werden musste. Anschließend tauchte sie unter. Im September 1978 wurde sie schließlich in London verhaftet und im Sommer 1979 in die Bundesrepublik ausgeliefert, wo sie zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von fünfeinhalb Jahren verurteilt wurde. Da Proll bereits längere Zeit in Untersuchungshaft gesessen hatte, wurde ihr diese Zeit angerechnet und sie wurde auf Bewährung entlassen (Edschmid, Frau mit Waffe, 3. Aufl. 2014, S. 171 f.; Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 41; Kraushaar, Die blinden Flecken der RAF, 2017, S. 47, 150; Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 125 f.).

[14] Am 12. Mai 1972 detonierten drei Sprengkörper in der Polizeidirektion Augsburg. Mehrere Personen wurden hierbei verletzt (Feststellungen des OLG Stuttgart, Urt. v. 28.4.1977 - Az.: 2 StE 1/74, S. 6 ff.). Die Tat war Bestandteil des Anklagevorwurfs in diesem Verfahren und war ab dem 85. Verhandlungstag Gegenstand der Beweisaufnahme.

[15] § 147 Abs. 1 StPO lautet: „Der Verteidiger ist befugt, die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der Anklage vorzulegen wären, einzusehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen.“

[16] Zur Stellungnahme der Bundesanwaltschaft s. S. 1751 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 21. Verhandlungstag.

[17] Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof übt als Strafverfolgungsbehörde das Amt der Staatsanwaltschaft beim BGH (§ 142 Nr. 1 GVG), sowie in den zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug gehörenden Strafsachen (§ 142a Abs. 1 GVG) aus. Diese Zuständigkeit des OLG für Strafsachen in erster Instanz ist nur für besondere Straftaten gegeben, etwa für Hoch- und Landesverrat (§ 120 Abs. 1 Nr. 2 und 3 GVG). Der Generalbundesanwalt kann zudem die Strafverfolgung für Strafsachen, die eigentlich zur Zuständigkeit der Landgerichte gehören würden, wegen der besonderen Bedeutung des Falles übernehmen, was in der Folge ebenfalls zur Zuständigkeit des OLG in erster Instanz führt (§§ 120 Abs. 2, 74a Abs. 2 GVG).

[18] Als Schwurgericht wird eine Strafkammer eines Landgerichts dann tätig, wenn bestimmte (besonders schwerwiegende) Verbrechen verhandelt werden, darunter vorsätzliche Tötungsdelikte sowie andere Straftaten mit Todesfolge (§ 74 Abs. 2 Satz 1 GVG). Die Tätigkeit als Schwurgericht hat zur Folge, dass die Strafkammer in der Hauptverhandlung stets mit drei Berufsrichter/innen und zwei Schöff/innen besetzt ist (§ 76 Abs. 2 GVG a.F.; heute: § 76 Abs. 2 Nr. 1 GVG).

[19] Der erste Antrag auf Ausschließung eines Verteidigers wegen des Verdachts der Tatbeteiligung (§ 138a StPO) wurde am 3.3.1975 gestellt und richtete sich gegen Rechtsanwalt Dr. Croissant; am 11.3.1975 wurde der Ausschluss des Rechtsanwalts Groenewold und am 16.4.1975 schließlich der Ausschluss des Rechtsanwalts Ströbele beantragt. Die Ausschließungsentscheidungen des 1. Strafsenats des OLG Stuttgart ergingen am 22.4., 2.5. und 13.5.1975 (s. die Ausführungen des Rechtsanwalts Heldmann, S. 839 des Protokolls der Hauptverhandlung, 11. Verhandlungstag; s. auch die angehängte Chronik in Dreßen [Hrsg.], Politische Prozesse ohne Verteidigung?, 1976, S. 104 f.).

[20] Horst Herold war von 1971 bis 1981 Präsident des Bundeskriminalamtes (s. die vorangestellte Vita in Bundeskriminalamt [Hrsg.], Festschrift für Horst Herold zum 75. Geburtstag, 1998, S. 15, 17).

[21] Siegfried Buback war zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung Generalbundesanwalt und damit Leiter der Strafverfolgungsbehörde „Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof“, welche das Amt der Staatsanwaltschaft beim BGH (§ 142 Nr. 1 GVG), sowie in den zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug gehörenden Strafsachen (§ 120 Abs. 1 und 2 GVG) ausübt (§ 142a Abs. 1 GVG).

[22] Nachdem Andreas Baader zu Beginn der Hauptverhandlung ohne Verteidiger/in seines Vertrauens dastand (s. hierzu S. 838 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 11. Verhandlungstag), übernahm ab dem 4. Verhandlungstag Rechtsanwalt Dr. Heldmann die Verteidigung Baaders. Hierzu beantragte er eine zehntägige Verhandlungsunterbrechung, um sich in die umfangreichen Akten des Verfahrens einzuarbeiten (S. 274 des Protokolls der Hauptverhandlung, 4. Verhandlungstag). Der Antrag wurde abgelehnt (S. 292 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung; s. auch die hiergegen gerichtete Gegenvorstellung des Rechtsanwalts Dr. Heldmann auf S. 837 ff., 11. Verhandlungstag).

[23] Das Gericht ist im Rahmen seiner Aufklärungspflicht (§ 261 StPO) grundsätzlich verpflichtet, alle zulässigen Schritte zu unternehmen, um von den Ermittlungsbehörden geheim gehaltene unmittelbare Zeug/innen zu ermitteln und in der Hauptverhandlung zu hören (BGH, Urt. v. 1.8.1962 - Az.: 3 StR 28/62, BGHSt 17, S. 382, 384; s. zur Entwicklung der Rechtsprechung Gribbohm, NJW 1981, S. 305 ff.). Erst durch die „Gemeinsame Richtlinie über die Inanspruchnahme von Informanten sowie über den Einsatz von V-Personen“ vom 21.12.1976 wurde der Begriff der V-Person näher bestimmt. Nach Nr. 2.2 der Richtlinie ist dies „eine Person, die, ohne einer Strafverfolgungsbehörde anzugehören, bereit ist, diese bei der Aufklärung von Straftaten auf längere Zeit vertraulich zu unterstützen, und deren Identität grundsätzlich geheimgehalten wird.“ Die Gemeinsame Richtlinie betont die Notwendigkeit der Hinzuziehung von V-Personen im Hinblick auf die Aufklärung bestimmter Erscheinungsformen der Kriminalität. Damit einhergehend hebt sie die für eine Gewinnung solcher Informanten regelmäßig erforderliche Zusicherung der Vertraulichkeit, d.h. insbesondere die Geheimhaltung der Identität von V-Personen, hervor. Gleichzeitig unterstreicht sie die Bedeutung von Zeug/innen als Beweismittel im Strafprozess und stellt im daher Grundsätze auf, nach denen der (potentiellen) V-Person Vertraulichkeit und Geheimhaltung zugesichert werden kann. Der Einsatz von V-Personen erfolgt über §§ 161, 163 StPO (statt vieler: Bader, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, Vor § 48 Rn. 55). Die Vertraulichkeitszusage als solche bindet jedoch lediglich die Staatsanwaltschaft und die Polizei. Akten über die Identität einer V-Person können dem Gericht allenfalls dann vorenthalten werden, wenn die oberste Dienstbehörde eine Sperrerklärung in entsprechender Anwendung des § 96 StPO abgibt, nach der das Bekanntwerden des Akteninhalts dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereitet würden (heute ständige Rechtsprechung, s. nur BGH, Beschl. v. 29.10.1980 - Az.: 3 StR 335/80, BGHSt 29, S. 390, 393; BGH, Beschl. v. 17.02.1981 - Az.: 5 StR 21/81, BGHSt 30, S. 34, 35; s. auch Hauschild, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, § 96 Rn. 8; Greve, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 96 Rn. 21). Die auf diesem Weg gesperrte V-Person gilt als „unerreichbares Beweismittel“ i.S.d. § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO a.F. (heute: Abs. 3 Satz 3 Nr. 5 StPO) (BGH, Beschl. v. 3.11.1987 - Az.: 5 StR 579/87, BGHSt 35, S. 82, 85).

[24] Sachleitungsbezogene Anordnungen des/der Vorsitzenden können als unzulässig beanstandet werden (§ 238 Abs. 2 StPO). Über die Beanstandung entscheidet sodann das Gericht, in diesem Fall der Senat in voller Besetzung.

[25] Das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) und die damit verbundene Abschaffung der sog. Blockverteidig (s. dazu bereits Fn. 6) führte dazu, dass Prozesshandlungen (Erklärungen, Anträge, etc.) nicht, wie noch zuvor möglich, für mehrere Angeklagte gemeinschaftlich, sondern nur noch im Namen der/des eigenen Mandant/in vorgenommen werden konnten. Auf die Einhaltung dieser Vorgaben achtete der Vorsitzende Dr. Prinzing in der Regel sehr genau (s. dazu etwa die Diskussion am 4. Verhandlungstag, S. 279 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, sowie am 12. Verhandlungstag, S. 928 f. des Protokolls; s. auch das Schreiben des Vorsitzenden Dr. Prinzing an die Verteidigung in Anlage 1 zum Protokoll vom 10.2.1976, S. 6668 des Protokolls der Hauptverhandlung, 74. Verhandlungstag).

[26] § 177 GVG eröffnet die Möglichkeit, Angeklagte wegen ordnungswidrigen Benehmens aus dem Sitzungszimmer zu entfernen. Nach § 231b Abs. 1 StPO kann die Hauptverhandlung sodann in Abwesenheit der Angeklagten fortgeführt werden, wenn das Gericht ihre Anwesenheit nicht für unerlässlich hält und solange weitere schwerwiegende Störungen zu befürchten sind.

[27] Verhandlungsfähigkeit ist die Fähigkeit „in und außerhalb der Verhandlung seine Interessen vernünftig wahrzunehmen, die Verteidigung in verständiger und verständlicher Weise zu führen sowie Prozesserklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen“ (BGH, Beschl. v. 8.2.1995 - Az.: 5 StR 434/94, BGHSt 41, S. 16, 18). Ihr Fehlen bedeutet ein vorübergehendes oder dauerndes Verfahrenshindernis (§§ 205, 206a StPO). Die vollständige Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten wurde durch die Vertrauensverteidigung seit Beginn der Hauptverhandlung immer wieder bestritten. Nach umfangreichen und teils heftigen Auseinandersetzungen beauftragte das Gericht mit Beschluss vom 18.7.1975 schließlich eine Kommission aus Sachverständigen verschiedener Fachrichtungen mit der Begutachtung der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten (der Beschluss selbst ist nicht im Protokoll enthalten, vgl. aber den ergänzenden Beschluss in Anlage 2 zum Protokoll vom 29.7.1975, S. 1570 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 20. Verhandlungstag; zur Chronologie der Beauftragungen der verschiedenen Gutachter s. die Ausführungen des Rechtsanwalts von Plottnitz am 26. Verhandlungstag, S. 2093 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[28] Dr. Henck war während des Prozesses als Anstaltsarzt in Stuttgart-Stammheim tätig. Er wurde als erster Sachverständiger zur Frage der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten angehört. Zur Vernehmung des Herrn Dr. Henck s. S. 357 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung (5. Verhandlungstag), S. 937 ff. (12. Verhandlungstag) und S. 1725 ff. (21. Verhandlungstag).

[29] Prof. Dr. Rauschke war Leiter des Instituts für Rechtsmedizin am Gesundheitsamt der Stadt Stuttgart und zuvor ebenfalls beauftragt worden, zur Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten Stellung zu nehmen. Zur Vernehmung des Prof. Dr. Rauschke s. S. 1102 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung (14. Verhandlungstag). Eine Untersuchung durch ihn, ebenso wie eine durch den Anstaltsarzt Dr. Henck, lehnten die Angeklagten ab.

[30] Der Grund, aus welchem der/die Richter/in abgelehnt wird, muss nach § 26 Abs. 2 Satz 1 StPO glaubhaft gemacht werden. Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht sie für überwiegend wahrscheinlich hält (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 26 Rn. 7). Die Glaubhaftmachung erfordert damit eine geringere Form der Überzeugung, als der sog. Vollbeweis. Die Glaubhaftmachung genügt nur dort, wo das Gesetz sie ausdrücklich zulässt. Mittel der Glaubhaftmachung kann auch das Zeugnis des/der abgelehnten Richter/in sein (§ 26 Abs. 2 Satz 3 StPO).

[31] S. 1110 des Protokolls der Hauptverhandlung (14. Verhandlungstag).

[32] Als Sitzungspolizei wird die Ordnungsgewalt des Gerichts bezeichnet (Kühne, Strafprozessrecht, 9. Aufl. 2015, Rn. 706).

[33] Der/Die Vorsitzende leitet die Hauptverhandlung (§ 238 Abs. 1 StPO). Wird eine sachleitungsbezogene Anordnung durch eine/n Prozessbeteiligte/n beanstandet, so entscheidet das Gericht (§ 238 Abs. 2 StPO).

[34] Nach § 176 GVG obliegt die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung dem/der Vorsitzenden. Leisten Personen einer entsprechenden Anordnung nicht Folge, ermöglicht § 177 GVG die Entfernung aus dem Sitzungszimmer. Nach § 178 GVG kann bei ungebührlichem Verhalten ein Ordnungsgeld oder Ordnungshaft festgesetzt werden.

[35] Eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit hatte nach damaliger Rechtslage zur Folge, dass der/die abgelehnte Richter/in vorläufig amtsunfähig wurde und damit ab dem Zeitpunkt der Ablehnung nicht mehr an Entscheidungen mitwirken durfte; eine Ausnahme galt nur für unaufschiebbare Handlungen (§ 29 StPO a.F.). Unaufschiebbar ist eine Handlung dann, wenn sie wegen ihrer Dringlichkeit nicht aufgeschoben werden kann, bis ein/e Ersatzrichter/in eintritt (BGH, Beschl. v. 3.4.2003 - Az.: 4 StR 506/02, BGHSt 48, S. 264, 265; BGH, Urt. v. 14.2.2002 - Az.: 4 StR 272/01, NStZ 2002, S. 429, 430). Nachdem zwischenzeitliche Gesetzesänderungen weitere Mitwirkungsmöglichkeiten u.a. bei in der Hauptverhandlung gestellten Ablehnungen ermöglichten, wurde das Verfahren nach einer Ablehnung durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10.12.2019 (BGBl. I, S. 2121) grundlegend neu geregelt. Nach § 29 Abs. 1 StPO sind zwar weiterhin nur unaufschiebbare Handlungen gestattet; die Hauptverhandlung wird aber nach § 29 Abs. 2 Satz 1 StPO gesetzlich als unaufschiebbar eingeordnet. Bis zur Entscheidung über die Ablehnung (Frist: zwei Wochen, Abs. 3) findet diese nun unter Mitwirkung des/der abgelehnten Richter/in statt. Wird die Ablehnung für begründet erklärt, ist der seit Anbringung des Ablehnungsgesuchs durchgeführte Teil der Hauptverhandlung zu wiederholen, es sei denn, dies ist nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand möglich (Abs. 4).

[36] Nach § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO ist eine Ablehnung als unzulässig zu verwerfen, wenn „durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen.“

[37] Für die örtliche Zuständigkeit sieht die Strafprozessordnung verschiedene Anknüpfungspunkte vor, insbesondere den Tatort (§ 7 StPO), den Wohnsitz oder Aufenthaltsort der beschuldigten Person (§ 8 StPO), oder den Ergreifungsort (§ 9 StPO) (näher Scheuten, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, Vorbemerkung zu §§ 7ff. Rn. 1 f.). Bei einem erstinstanzlich tätigen Oberlandesgericht bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit danach, in welchem Bezirk die Landesregierung des jeweiligen Gebiets ihren Sitz hat (§ 120 Abs. 1, 5 GVG). Zwar wurden die angeklagten Taten nicht nur in Baden-Württemberg (Heidelberg und Karlsruhe) begangen. Kommen aber für mehrere zusammenhängende Straftaten verschiedene Gerichtsstandorte in Betracht, steht der Staatsanwaltschaft ein Wahlrecht zu (§ 13 Abs. 1 StPO), das seine Grenze in dem Verbot willkürlicher Entscheidung findet (Ellbogen, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band. 1, 1. Aufl. 2014, § 7 Rn. 1; s. auch OLG Hamm, Beschl. v. 10.9.1998 - Az.: 2 Ws 376/98, StV 1999, S. 240). Denkbar wäre z.B. auch ein Verfahren in Hessen vor dem OLG Frankfurt a.M. gewesen (erster Sprengstoffanschlag in Frankfurt a.M. am 11.5.1972, regelmäßiger Aufenthaltsort verschiedener RAF-Mitglieder, Herstellungsort der Sprengstoffe, Verhaftungsort der Angeklagten Andreas Baader und Jan-Carl Raspe, sowie des früheren Mitangeschuldigten Holger Meins).

[38] Das Freibeweisverfahren findet Anwendung zum Beweis von Tatsachen, die nicht die Straf- oder Schuldfrage, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe, betreffen. Im Unterschied zum dort anzuwendenden Strengbeweisverfahren ist das Gericht im Freibeweisverfahren nicht auf die Wahl bestimmter Beweismittel beschränkt, sondern kann grundsätzlich alle verfügbaren Erkenntnisquellen nutzen; auch an die im Strengbeweisverfahren vorgeschriebene Form ist es nicht gebunden (BGH, Urt. v. 28.6.1961 - Az.: 2 StR 154/61, BGHSt 16, S. 164, 166).

[39] Die Hauptverhandlung fand in dem sog. Mehrzweckgebäude (auch „Mehrzweckhalle“) statt, einem Gerichtsgebäude aus Stahl und Beton, das in Vorbereitung auf den Prozess unmittelbar neben dem Gefängnis für etwa 12 Millionen DM errichtet wurde (Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 69; krit. hierzu auch Tenfelde, Die Rote Armee Fraktion und die Strafjustiz, 2009, S. 100 f.).

[40] § 129 StGB enthält den Straftatbestand der Bildung krimineller Vereinigungen, der allen Angeklagten in unterschiedlicher Ausgestaltung vorgeworfen wurde (den Angeklagten Baader, Ensslin und Meinhof die Gründung und Beteiligung als Rädelsführer, dem Angeklagten Raspe die Beteiligung an der kriminellen Vereinigung als Mitglied).

[41] Am 23. Juni 1975 wurden die Kanzleiräume der Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele sowie der Rechtsanwältin Becker durchsucht. Rechtsanwältin Becker wurde einen halben Tag festgehalten und schließlich wieder entlassen, Dr. Croissant und Ströbele wurden verhaftet (s. hierzu die Ausführungen des Rechtsanwalts Dr. Heldmann am 9. Verhandlungstag, S. 748 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, und der Rechtsanwältin Becker, S. 754 f. des Protokolls).

[42] Anlage 3 zum Protokoll vom 7. August 1975: Antrag des Rechtsanwalts von Plottnitz auf sofortige Verlegung der Hauptverhandlung in einen der Sitzungssäle im Gerichtsgebäude des OLG oder des LG Stuttgart.

[43] § 213 StPO a.F. (heute: § 213 Abs. 1 StPO) lautet „Der Termin zur Hauptverhandlung wird von dem Vorsitzenden des Gerichts anberaumt.“ Die Kommentarliteratur weist an dieser Stelle darauf hin, dass als Verhandlungsort aus Zweckmäßigkeitsgründen auch Räumlichkeiten außerhalb des Gerichtssitzes möglich seien (Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 32. Aufl. 1975, § 213 Anm. 2).

[44] § 91 GVG wurde bereits mit Wirkung zum 1. Januar 1975 durch das Erste Strafverfahrensreformgesetz vom 9. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3393) abgeschafft. In seiner bis dahin gültigen Fassung lautete er: „Die Strafkammer des Landgerichts kann bestimmen, daß einzelne Sitzungen des Schwurgerichts nicht am Sitz des Landgerichts, sondern an einem anderen Ort innerhalb des Schwurgerichtsbezirks abzuhalten seien.“

[45] § 166 Abs. 1 GVG a.F. lautete: „Ein Gericht darf Amtshandlungen außerhalb seines Bezirks ohne Zustimmung des Amtsgerichts des Ortes nur vornehmen, wenn Gefahr in Verzug ist. In diesem Fall ist dem Amtsgericht des Ortes Anzeige zu machen.“ In der heutigen Fassung sind Gefahr im Verzug sowie die Zustimmung nicht mehr erforderlich: „Ein Gericht darf Amtshandlungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes auch außerhalb seines Bezirks vornehmen.“

[46] Der in Bezug genommene Beschluss des BGH vom 15. Oktober 1968 befasste sich u.a. mit der Zulässigkeit der Durchführung der gesamten Hauptverhandlung außerhalb des Bezirks des zuständigen Gerichts. Der in diesem Verfahren Angeklagte war in Westberlin wohnhaft und wurde vor dem Landgericht Bochum angeklagt. Aus gesundheitlichen Gründen war er jedoch nicht in der Lage, nach Bochum zu fliegen, und als politischer Flüchtling zudem außerstande, das Staatsgebiet der DDR auf dem Landweg zu durchfahren. Nach Auffassung des BGH war es dem LG Bochum rechtlich möglich, das Verfahren in Berlin durchzuführen (BGH, Beschl. v. 15.10.1968 - Az.: 2 ARs 291/68, BGHSt 22, S. 250, 253 ff.).

[47] Die Verteidigung rügte die Besetzung des Gerichts, insbesondere die Besetzung der Position des Vorsitzenden mit Dr. Prinzing und äußerte die Vermutung, dieser sei durch die Staatsschutzbehörden ausgewählt worden, um das Verfahren in Stammheim zu führen; die eigentlich besetzte - allerdings wohl nicht mit dem geeigneten Kandidaten - Stelle sei dafür eigens freigeschaffen worden. Siehe hierzu den Antrag des Rechtsanwalts Schily auf Einstellung des Verfahrens (Anlage 2 zum Protokoll vom 5.6.1975, S. 123 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 2. Verhandlungstag), sowie die Ablehnung des Vorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit am 7. Verhandlungstag (Teil II der Anlage 1 zum Protokoll vom 19.6.1975, S. 44 ff. der Anlage). Zur dienstlichen Stellungnahme des Vorsitzenden Dr. Prinzing s. S. 681 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, ebenfalls 7. Verhandlungstag.

[48] OStA Zeis zitiert hier die Auflage des Vorjahres, nämlich Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 31. Aufl. 1974, § 213, Anm. 2. Die Vorschrift des § 91 GVG, auf den sich die Kommentarstelle u.a. bezieht, existierte zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr (s. bereits Fn. 44). Anm. 3 der Kommentierung lautete: „Sogar außerhalb seines Bezirks kann das erkennende Gericht jeder Art aus Zweckmäßigkeitsgründen eine vollständige Hauptverhandlung durchführen [...]. Lehnt dies das Gericht ab und ist die Durchführung im Bezirk nicht möglich, so gilt § 15 StPO.“ § 15 StPO regelt den Fall der (tatsächlichen oder rechtlichen) Verhinderung des an sich zuständigen Gerichts. In diesem Fall hat das zunächst obere Gericht die Untersuchung und Entscheidung dem gleichstehenden Gericht eines anderen Bezirks zu übertragen.

[49] Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 31. Aufl. 1974, § 166 GVG Anm. 1 lautete: „Gemeint sind solche Amtshandlungen, die an sich auch im Wege der Rechtshilfe vorgenommen werden könnten […]. Nach BGH 22, 250 darf das Gericht auch die ganze Hauptverhandlung außerhalb seines Bezirks durchführen. Das ist aber kein Anwendungsfall des § 166.“.

[50] Schriftliche Mitteilungen zwischen Beschuldigten und ihren Verteidiger/innen unterliegen gemäß § 97 Abs. 1 Nr. 1 StPO nicht der Beschlagnahme. Gleiches gilt für Aufzeichnungen der Verteidiger/innen über solche Mitteilungen, oder über sonstige Umstände, auf die sich ihr Zeugnisverweigerungsrecht aus § 53 Abs. 1 Nr. 2 StPO erstreckt (§ 97 Abs. 1 Nr. 2 StPO).

[51] Die Eigenschaft einer Person als Beschuldigte/r wird ab der Eröffnung des Ermittlungsverfahrens angenommen (BGH, Urt. v. 18.10.1956 - Az.: 4 StR 278/56, BGHSt 10, S. 8, 11; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, Einl. Rn. 76 f.).

[52] § 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) lautet: „Der Rechtsanwalt ist ein unabhängiges Organ der Rechtspflege.“ Diese Formel wurde allerdings für verschiedene Zwecke dienstbar gemacht: Neben einer Stärkung der Stellung der Anwaltschaft, die den anderen Verfahrensbeteiligten auf Augenhöhe begegnen sollte, wurde sie, insbesondere durch die Rechtsprechung, eher zu disziplinierenden Zwecken herangezogen, weshalb sie zuweilen aus Sicht der Anwaltschaft eher kritisch beurteilt wird (Salditt, in Widmaier/Müller/Schlothauer [Hrsg.], Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung, 2. Aufl. 2014, § 1 Rn. 4 ff.).

[53] Der Präsident des Berliner Kammergerichts Günter von Drenkmann wurde von der Bewegung 2. Juni in einem Racheakt für den verstorbenen Holger Meins getötet. Nachdem Meins am 9. November 1974 an den Folgen eines Hungerstreiks gestorben war, versuchte die Bewegung am folgenden Tag, von Drenkmann zu entführen. Als dies aufgrund von Drenkmanns Gegenwehr misslang, wurde er erschossen (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 470 f.; Wunschik, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 531, 550).

[54] Mit Beschluss vom 18.7.1973 entschied der BGH, dass aus § 148 StPO („Dem Beschuldigten ist, auch wenn er sich nicht auf freiem Fuß befindet, schriftlicher und mündlicher Verkehr mit dem Verteidiger gestattet.“) der über den Wortlaut hinausgehende Grundsatz des freien Verkehrs von Beschuldigten mit ihren Verteidiger/innen folge, der Durchsuchungen von Verteidiger/innen vor Besuchen in der Haftanstalt grundsätzlich entgegenstehe. Allerdings führte der BGH weiter aus: „Eine Durchsuchung, die sich darauf beschränkt, zu prüfen, ob der Besucher Waffen oder Werkzeuge mit sich führt, die zu einem Ausbruch aus der Vollzugsanstalt verwendet werden können, beeinträchtigt die Verteidigung aber nicht. Sie kann ohne einen Einblick in die für die Verteidigung in Betracht kommenden Unterlagen vorgenommen werden. Ihre Rechtfertigung kann sie finden sowohl unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung der Anstaltsordnung wie namentlich unter dem einer Verhinderung von Fluchtvorbereitungen. Danach muß sich ein Verteidiger insoweit wie jeder andere Besucher behandeln lassen und sich den für diesen geltenden Ordnungsmaßnahmen unterwerfen“ (BGH, Beschl. v. 18.7.1973 - Az: 1 BJs 6/71/StB 29/73, NJW 1973, S. 1656, 1657).

[55] Mao Tse-tung (1893-1976) war offiziell von 1945 bis 1976 Vorsitzender der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh). Von 1927 bis 1937 sowie von 1945 bis 1949 führte er im chinesischen Bürgerkrieg gegen die nationalistische Kuomintang-Partei einen Partisanenkrieg, den er auch theoretisch ausarbeitete (Haffner, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 157, 160 ff.). Als Staatsoberhaupt der 1949 gegründeten Volksrepublik China verfolgte er die kommunistische Umgestaltung der chinesischen Gesellschaft. Eine landesweit umgesetzte Bodenreform und der ungeordnete Versuch, die agrarisch geprägte Wirtschaft innerhalb kürzester Zeit zu industrialisieren, führten zu einer Hungerkatastrophe und dem Tod von - groben Schätzungen zufolge - 20 bis 40 Millionen Menschen. Als Mao den Rückhalt in der KPCh zu verlieren drohte, rief er 1966 mit Hilfe einer fanatisch entfesselten Jugend die sog. Kulturrevolution aus, die die Ausschaltung „reaktionärer“ Kräfte innerhalb der Partei und dem Staat zum Ziel hatte und in deren Folge erneut Millionen Menschen ihr Leben verloren. Von verschiedenen Guerillabewegungen weltweit wurde Mao dagegen als Theoretiker und Stratege bewundert (Dabringhaus, Mao Zedong, 2008, S. 31 ff., 53 ff., 61 ff., 83 ff., 89 ff.; Nerb, in Straßner [Hrsg.], Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 87 f., 93 f.).

[56] Im Jahr 1972 begann der Prozess gegen den Rechtsanwalt und RAF-Mitglied Horst Mahler vor dem Kammergericht Berlin wegen gemeinschaftlich begangenen Raubes in Tateinheit mit der Gründung einer kriminellen Vereinigung. Im Februar 1973 wurde er zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von 12 Jahren verurteilt. Das in Bezug genommene „andere Verfahren“ betrifft das Verfahren gegen ihn, Ulrike Meinhof sowie Hans-Jürgen Bäcker vor dem LG Berlin wegen der am 14. Mai 1970 durchgeführten gewaltsamen Befreiung Andreas Baaders’ aus der Haft. Unter Einbeziehung der früheren Strafe wurde er im November 1974 aufgrund seiner Beteiligung hieran zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt (Jander, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 372 ff.; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 40 ff., 53, 67 f.).

[57] In den Fällen der notwendigen Verteidigung ist die Mitwirkung eines Verteidigers oder einer Verteidigerin gesetzlich vorgeschrieben (§ 141 StPO a.F.; seit dem 13.12.2019 [Gesetz zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019, BGBl. I, S. 2128] ist die Bestellung in manchen Fällen von einem Antrag des/der Beschuldigten abhängig, § 141 Abs. 1 StPO). Die notwendige Verteidigung ergab sich in diesem Verfahren daraus, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht stattfand (§ 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO) und dem Vorwurf eines Verbrechens (§ 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO; ein Verbrechen liegt vor bei einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr, § 1 Abs. 1 StGB a.F.; heute: § 12 Abs. 1 StGB), sowie der Inhaftierung der Beschuldigten für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten (§ 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO a.F.; heute ist die zeitliche Vorgabe entfallen). Auch zuvor gewählte Verteidiger/innen können als Pflichtverteidiger/innen bestellt werden. Für einige der sog. Vertrauensverteidiger/innen war dies geschehen, und zwar: Rechtsanwalt Schily und Rechtsanwältin Becker für die Angeklagte Ensslin, Rechtsanwalt Riedel für die Angeklagte Meinhof und Rechtsanwalt von Plottnitz für den Angeklagten Raspe. Zusätzlich wurden den Angeklagten je zwei Verteidiger (gegen ihren Willen) durch das Gericht zur Sicherung des Verfahrens beigeordnet.

[58] Nach § 229 Abs. 1 StPO a.F. durfte die Verhandlung grundsätzlich nur für maximal zehn Tage unterbrochen werden (heute: drei Wochen), im Falle von zehn vorher stattgefundenen Verhandlungstagen aber immerhin einmal auch für 30 Tage (§ 229 Abs. 2 Satz 1 StPO a.F.). Bei Überschreitung der Frist hätte mit der Hauptverhandlung von neuem begonnen werden müssen (§ 229 Abs. 3 StPO a.F.).


[a] Handschriftlich durchgestrichen: Die Entscheidung erging, wie schon in der Formel des Beschlusses zum Ausdruck gebracht, einstimmig.

[b] Handschriftlich durchgestrichen: aufregenden

[c] Maschinell eingefügt: Richter

[d] Maschinell eingefügt: an

[e] Maschinell eingefügt: und

[f] Handschriftlich ergänzt: obliegenden Verpflichtungen

[g] Handschriftlich eingefügt: Sie

[h] Handschriftlich ersetzt: geht durch gilt

[i] Handschriftlich ersetzt: kamuvliert durch verschwiegen

[j] Handschriftlich eingefügt: es

[k] Handschriftlich ersetzt: werden durch wurden

[l] Maschinell eingefügt: hat das

[m] Maschinell eingefügt: des

[n] Handschriftlich durchgestrichen: vorliegt

[o] Handschriftlich durchgestrichen: Konstruktions...

[p] Maschinell eingefügt: und

[q] Handschriftlich ergänzt: einer

[r] Maschinell eingefügt: der

[s] Handschriftlich durchgestrichen: die

[t] Maschinell eingefügt: sich

[u] Handschriftlich ersetzt: Leitungssprachen durch Leitungsfragen

[v] Handschriftlich ersetzt: springt durch spricht

[w] Handschriftlich ersetzt: verschlagen durch zerschlagen

[x] Handschriftlich ersetzt: dem durch der

[y] Handschriftlich durchgestrichen: zur

[z] Handschriftlich durchgestrichen: erscheine

[aa] Handschriftlich ersetzt: kömmende durch zum Ende

[bb] Handschriftlich eingefügt: können

[cc] Handschriftlich eingefügt: (verbessert sich)

[dd] Handschriftlich ergänzt: dieses

[ee] Handschriftlich ersetzt: dieser Antrag durch dieses Antrags

[ff] Handschriftlich eingefügt: auf einen

[gg] Handschriftlich eingefügt: des

[hh] Maschinell eingefügt: Herr Holland

[ii] Handschriftlich ersetzt: Verteidiger durch Verteidigung

[jj] Handschriftlich ersetzt: der durch des

[kk] Maschinell eingefügt: die

[ll] Handschriftlich durchgestrichen: das

[mm] Maschinell eingefügt: in

[nn] Handschriftlich ersetzt: die durch wir

[oo] Handschriftlich ersetzt: Die durch Wir

[pp] Handschriftlich ersetzt: nicht durch mich

[qq] Handschriftlich ersetzt: ... durch nicht

[rr] Maschinell durchgestrichen: RA v. Pl:

[ss] Maschinell ersetzt: deswegen durch dagegen

[tt] Maschinell eingefügt: bis