158. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Freitag, 5. Nov, 1976, 9.03 Uhr.



[12246] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Freitag, 5. Nov, 1976, 9.03 Uhr.

(158. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft - mit Ausnahme von OStA Zeis - erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamten sind anwesend:

Just. O. Sekr. Janetzko,

Just. Ass. Scholze.

Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]

Als deren Verteidiger sind anwesend:

RAe. Pfaff (als Vertr. f. RA Dr. Heldmann), Geulen (als Vertr. f. RA. Schily), Weidenhammer, Eggler, Künzel, Herzberg (als ministeriell best. Vertr. f. RA. Schlaegel), Schnabel, Schwarz und Grigat.

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort. Zunächst kurze Hinweise für Herrn Baader, das gilt ... Bitte.

RA Geu[len]:

Ich möchte zunächst einen Antrag stellen, der unaufschiebbar ist und würde bitten, das vorher machen zu können. Ein unaufschiebbarer Antrag ist das.

Vors.:

Bitte schön.

RA Geu[len]:

In dem Strafverfahren gegen Andreas Baader,

hier: gegen Gudrun Ensslin, Az. 2 StE 1/74, lehnt die Angeklagte Ensslin den Vors. Richter am OLG Dr. Prinzing wegen Besorgnis der Befangenheit[2] ab.

Namens der Angeklagten Ensslin wird zur Begründung des Ablehnungsgesuches folgendes vorgetragen:

Der Unterzeichnete hat in der Sitzung vom 2. Nov. 1976 den Beweisantrag betr. die Vernehmung des Vors. Richters am Kammergericht Berlin Jericke gestellt.

Glaubhaftmachung:[3] Sitzungsniederschrift und dienstliche Er- [12247] klärung des abgelehnten Richters.

Nachdem der Beweisantrag zu Protokoll gegeben worden war hat der abgelehnte Richter u. a. gerügt, daß der Beweisantrag erst jetzt vorgelegt werde, obwohl RA Schily die Akten des Strafverfahrens gegen Mahler,[4] in dem der Zeuge Müller[5] seine Aussage gemacht hatte, bekannt seien. Der abgelehnte Richter äußerte anschließend ferner, daß er und die übrigen Mitglieder des Senates diese Akte nicht kennen.

Zur Glaubhaftmachung: wie vor.

Die Äußerung des abgelehnten Richters, daß er und die übrigen Mitglieder des Senats die Akten des Strafverfahrens gegen Mahler, insbesondere das Protokoll über die Vernehmung des Zeugen Gerhard Müller in dem dortigen Verfahren, nicht kennen, muß im Zusammenhang mit der Tatsache bewertet werden, daß das Protokoll über die Hauptverhandlung gegen Horst Mahler Bestandteil der Akten in dem hiesigen Verfahren gegen Baader und andere ist - Sonderordner Vernehmungen Bd. 5, AktenO. lfd. Nr. 117.

- Just. O. Sekr. Janetzko verlässt um 9.05 Uhr den Sitzungssaal. - [a]

Glaubhaftmachung: dienstliche Erklärung des abgelehnten Richters sowie die vorliegenden Ermittlungsakten.

Die Äußerung des abgelehnten Richters kann von der Angeklagten Ensslin zunächst nur so aufgefaßt werden, daß sich der abgelehnte Richter nicht in ausreichendem Maße zur Vorbereitung der Hauptverhandlung mit dem Inhalt der Ermittlungsakten vertraut gemacht hat. Im übrigen muß jedoch auch die Tatsache, daß der abgelehnte Richter nicht von Amts wegen die frühere Aussage des Zeugen Müller, die diametral den Bekundungen des Zeugen Müller in der Hauptverhandlung vor dem hiesigen Gericht widerspricht, durch die zulässigen prozessualen Mittel, insbesondere die Aussage der damaligen Vernehmungsbeamten, in die Hauptverhandlung eingeführt hat.

So hat der Zeuge Müller in dem bezeichneten Verfahren, dessen Akten sich bei den Akten des hiesigen Verfahrens befinden, [12248] wörtlich gesagt:

„Das Problem war, ob ich eine Aussage mache oder nicht. Ich kam zum Ermittlungsrichter. Mir wurde gesagt, wenn ich denen entgegenkomme, kommt man mir auch entgegen. Weiter wurde mir erklärt, daß ich bei einer Aussage ‚halbe-halbe‘ bekomme.“

Demgegenüber hat der Zeuge Müller im hiesigen Verfahren (Bl. 10.466 d.A.) die Frage von RA Schily:

„Also da ist nie ein Angebot gemacht worden in der Richtung, daß man gesagt hat: Naja, also wenn Sie hier Angaben machen, dann könnte sich Ihre Situation hinsichtlich der Strafzumessung oder einer Bestrafung irgendwie verbessern?“

beantwortet mit: „Nein“,

und die weitere Frage:

„Von keinem Beamten?“

wieder mit: „Nein“.

[b]

[c] JustOSekr. Janetzko erscheint wieder um 9.06 Uhr im Sitzungssaal.

Ferner hat der Zeuge Müller in dem bezeichneten Verfahren ausweislich der Akten gesagt:

„Für Sprengstoffattentate wurde mir lebenslänglich angedroht. Man erklärte mir auch, daß ich für alle zukünftigen Taten der Welt verantwortlich gemacht werde.“

Im hiesigen Verfahren beantwortete der Zeuge Müller demgegenüber die Frage, ob ihm mit lebenslänglich gedroht oder vielleicht ein Strafrabatt in Aussicht gestellt worden sei, mit:

„Nein“ (Bl. 10.467 der hiesigen Akten).

Ferner erklärte der Zeuge Müller in dem bezeichneten Verfahren, der Beamte des BKAs, der Zeuge Wolf, habe ihm erklärt, daß er

„Viel Geld verdienen ...“

kann und habe angedeutet, daß er, der Zeuge Müller, seine Geschichte verkaufen könne, und ein weiterer Beamter des BKAs habe gesagt, daß er Geschichte machen könne.

Demgegenüber beantwortete der Zeuge Müller im hiesigen Verfahren die Frage, ob ihm - wörtlich -

„Angebote gemacht worden sind, daß Ihre finanzielle Situation sich vielleicht verbessern könne durch ein bestimmtes Entgegenkommen Ihrerseits“

mit: „Nein.“

[12249] Glaubhaftmachung für diese Angaben: wie oben.

Die Angeklagte Ensslin hat von dem vorgetragenen Sachverhalt erst durch eine Rücksprache am heutigen Tage durch den Unterzeichneten erfahren. Das versichert der Unterzeichnete dienstlich. Das Ablehnungsgesuch ist demzufolge rechtzeitig.

Vors.:

Darf ich nur zur Ergänzung, Herr RA Geulen, die Vernehmung des Zeugen Müller liegt ja nun lange zurück und die Umstände, die Sie hier geltend machen, beziehen sich ja auf diese Vernehmung - nur im Zusammenhang mit der Frage der Unverzüglichkeit.[6] Ich meine, wenn Sie den Vorwurf erheben, daß das übersehen worden sei oder nicht gekannt worden sei, dann müßte ja das die Verteidigung auch übersehen haben, obwohl Herr RA Schily an dem Prozeß teilgenommen hat, und dann müßte das doch damals gerügt worden sein.

RA Geu[len]:

Herr Vorsitzender, es wird zweierlei gerügt:

Zunächst wird natürlich gerügt die Tatsache - ich habe das auch als erstes vorgetragen - die Tatsache, daß Sie im letzten Verhandlungstermin gegen Ende dieser Verhandlung, die Angeklagte Ensslin war nicht anwesend und hat das nicht gehört, sondern erst vor etwa zehn Minuten gehört, so daß also die Unverzüglichkeit insoweit selbstverständlich gegeben ist, daß Sie, als der Beweisantrag von unserer Seite gestellt worden ist, im Hinblick auf diese ...

Vors.:

Das brauche ich nicht neu, sondern soweit Sie sich auf die Umstände eben bei der Vernehmung des Zeugen Müller beziehen, daß die Vorhalte nicht gemacht worden sind, das liegt doch nun Monate zurück. Wie soll das sich mit dem Unverzüglichkeitsgrundsatz, also abgesehen davon, ich weise Sie ja erneut darauf hin, daß das damals, wenn’s die Verteidigung gewußt hätte, ja schon hätte vorgetragen werden müssen. Also hat’s die Verteidigung offenbar auch nicht gewußt.

RA Geu[len]:

Aber Herr Vorsitzender, es ist doch selbstverständlich, daß die Aufklärungspflichten des Gerichts unabhängig davon bestehen, welche Beweisanträge die Verteidigung besteht.[7]

Vors.:

Verzeihen Sie, damit wir dazu kommen: Es geht nur um die Frage der Unverzüglichkeit.

Wenn Sie sich darauf berufen, daß damals keine [12250] Vorhalte gemacht worden seien, dann müssen Sie auch begründen, warum das nicht rechtzeitig gerügt worden ist; denn das kann sich ja nur auf die Vernehmung des Herrn Müller selbst beziehen.

RA Geu[len]:

Es wird gerügt, daß aus Ihrer Erklärung in der letzten Verhandlung, von der die Angeklagte, die diesen Antrag stellt, erst vor etwa zehn Minuten erfahren hat, daß Sie dort gesagt haben, daß Sie die Unterlagen nicht kennen und daß Sie dadurch zu erkennen gegeben haben, daß Sie Ihre Aufklärungspflichten auch im Hinblick auf zurückliegende Zeugenvernehmungen nicht nachgekommen sind.

Das ist selbstverständlich unverzüglich. Der Antrag konnte damals noch nicht gestellt werden, weil damals noch nicht offensichtlich war, daß Sie Ihre Aufklärungspflichten verletzen. Nach dieser Äußerung in der letzten Hauptverhandlung ist dies aber offensichtlich, so daß der Antrag insofern selbstverständlich unverzüglich gestellt ist.

Vors.:

Herr RA[d] Pfaff, bitte schön ... Herr RA Weidenhammer.

RA Wei[denhammer]:

Ich möchte mich für den Angeklagten Raspe diesem Ablehnungsantrag anschließen, und zwar mit folgender Begründung: In der Hauptverhandlung vom 19.10.1976 hatte ich zunächst beantragt, für den Gefangenen Raspe eine durchgehende Besuchszeit von 7.30 - 20.00 Uhr zu verfügen. Diesen Antrag ließ der Vorsitzende des Senats mit dem Hinweis auf den Vollzugscharakter dieses Begehrens nicht zu.[8] Am Ende der Hauptverhandlung habe ich mitgeteilt, daß besagter Antrag auf schriftlichem Wege von hier aus, aus Frankfurt, erfolgen werde. Am 25.10. habe ich den Antrag auf Verlängerung der Besuchszeiten unter Hinweis auf Schwierigkeiten bei der Vorbereitung des Plädoyers begründet und Entscheidung begehrt. Aus dem Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 27.10.1976 ergibt sich, daß er mein Schreiben vom 25.10.1976 der Vollzugsanstalt Stgt.-Stammheim zugeleitet hat mit der rechtlichen Begründung: Dem Richter stehe es nicht zu, Besuchszeiten in Haftanstalten zu regeln. Auch gäbe es dafür nach § 119 Abs. 3 StPO[9] keine Grundlage.

[12251] Dieser Rechtsansicht kann ich nicht folgen, denn nach § 119 Abs. 6 StPO[10] i.V.m. Ziff. 2 der Untersuchungshaftvollzugsordnung[11] ordnet der Richter die für den Vollzug der Untersuchungshaft erforderlichen Maßnahmen an. Das Untätigbleiben des Senatsvorsitzenden bedeutet für den Angeklagten Raspe eine Gefährdung der notwendigen Verteidigung im Hinblick auf das vorzubereitende Plädoyer.

Vors.:

Weitere Meldungen?

Herr RA Pfaff.

RA Pfaff:

Herr Vorsitzender, das Verhalten, das hier beanstandet wird in Bezug auf Ihre Person, stammt in der Tat aus der letzten Verhandlung, und die Unverzüglichkeit ist gegeben, damit auch insoweit, als gerügt wird die Unterlassung der Aufklärung, weil Sie am letzten Hauptverhandlungstag durch Ihr Verhalten hier zu erkennen gegeben haben, daß Sie nicht nur - ich weiß ja nicht, ob Sie die Akten kannten oder nicht kannten, das muß ja auch weiterhin zunächst dahinstehen - aber daß Sie auf jeden Fall insoweit auch jetzt Ihrer Aufklärungspflicht nicht genügen wollen oder können. Ich meine, daß die Unverzüglichkeit deshalb gegeben ist. Sie können nicht mit dem Argument, die Verteidigung habe vor Monaten irgendwelche Fragen hier nicht gestellt, daß ... Ihr Verhalten hier nicht auf die Seite schieben. Ich meine, die Unverzüglichkeit ist gegeben,

und ich schließe mich diesem Antrag für Herrn Baader an.

Vors.:

Weitere Wortmeldungen? Seh ich nicht.

Will sich die B. Anwaltschaft sogleich dazu[e] äußern?

Herr B. Anwalt Widera.

Reg. Dir. Wi[dera]:

Herr Vorsitzender, wir möchten uns im Moment noch nicht äußern, denn soweit wir uns an den Vorgang aus der letzten Hauptverhandlung erinnern - aber das möchten wir zunächst überprüfen - hätten Sie genau das Gegenteil dessen gesagt, was ausgeführt wird; und auch zu dem Vortrag für den Angeklagten Raspe können wir uns nicht äußern, weil wir zunächst mal die tatsächlichen Grundlagen nachprüfen müssen.

Vors.:

Ich bitte die Prozeßbeteiligten, in einer halben Stunde wieder [12252] anwesend zu sein. Dann wird bekanntgegeben, wie es weitergeht.

Publikum ist vorsorglich zugelassen.

Pause von 9.14 Uhr bis 10.57 Uhr.

Ende des Bandes 726.

[12253][12] [12254-12255][13] [12256][14] [12257] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 10.57 Uhr.

Vors.:

Wir können die Sitzung fortsetzen.

Der Senat hat folgenden Beschluß gefaßt:

Der Vorsitzende verliest den Beschluß vom 5. November 1976, der dem Protokoll als Anl. 1 beigefügt wird.

Bevor wir den Zeugen hereinrufen, einige Hinweise:

Es hat sich Frau RAin Tilgner aus Stuttgart als Verteidigerin von Herrn Baader gemeldet - Vollmacht liegt vor -, aber ich muß die Frau Rechtsanwältin darauf hinweisen - ich gebe das nur deswegen bekannt, daß möglicherweise Herr RA Pfaff beim Gespräch mit Herrn Baader das erörtert -, daß § 137 StPO[15] hier entgegensteht: Herr Baader hat bereits drei Wahlverteidiger, so daß eine vierte Wahlverteidigung nicht möglich ist. Sodann ist vom Herrn Innenminister Schwarz aus Mainz auf unsere Anfrage vom 20.10.1976, die einen Antrag, gestellt von Herrn RA Dr. Heldmann, auf seine Vernehmung betraf, die Antwort eingegangen. Das Fernschreiben ist authentisch, wie ich durch ein telefonisches Gespräch mit dem persönlichen Referenten des Ministers, Herrn Ministerialrat Dr. Gardner, weiß. Das Schreiben kann auf der Geschäftsstelle eingesehen werden; der Senat wird über eine Verlesung gem. § 256 StPO[16] befinden müssen.

Schließlich - es hat sich schon aus den Ausführungen dieses Beschlusses gezeigt: Herr RA Geulen, Sie haben den Beweisantrag gestellt, Herrn Vorsitzenden Richter Jericke zu einem bestimmten Beweisthema zu hören.

Nachdem Ihnen jetzt bekanntgegeben wird, daß damals Herr Jericke bereits aus dem Verfahren ausgeschieden und Herr Richter am OLG Zelle an seine Stelle getreten ist, darf man wohl den Beweisantrag dahin verstehen, daß Herr Zelle gemeint ist?

RA Geu[len]:

Mir ist das jetzt im Augenblick natürlich in tatsächlicher Hinsicht nicht geläufig; ich könnte das aber im Laufe [12258] des Vormittags noch nachprüfen, und sonst würde ich Ihrer Auffassung zustimmen. Ich habe also im Augenblick die Akten nicht vorliegen.

Vors.:

Also wenn Sie einen Antrag stellen, und bisher habe ich immer gehört, welche Sorgfalt Sie anwenden müssen und wie lange das dauert, bis man das zuwege bringt, dann müßte ich ...

RA Geu[len]:

Das ist ganz richtig, Herr Vorsitzender, ja.

Vors.:

... Ihnen nach dem, was Sie heute früh in Bezug auf den Vorsitzenden gesagt haben, zumuten, die Akten auch rechtzeitig anzusehen. Also dann überprüfen Sie’s bitte. Wir müssen jedenfalls wissen, ob der Antrag aufrechterhalten bleibt, den damals nicht mehr amtierenden Vorsitzenden als Zeugen zu hören, oder ob Sie, wenn wir Ihnen hier sagen, daß Herr Zelle damals schon an seine Stelle eingetreten ist, ob Sie den Antrag auf ihn umbenennen. Ja, das wird man doch wohl vernünftigerweise annehmen können.

RA Geu[len]:

Ja ich würde bitten - ich weiß jetzt nicht genau, wie der weitere Ablauf ist -, daß ich gleich nochmals auch telefonisch mit dem Büro rücksprechen kann. Sonst würde ich das so umstellen. Aber vielleicht können wir bis zum Ende der Sitzung heute das aufschieben.

Vors.:

Ja, ich gebe Ihnen Gelegenheit, wir haben ja noch einige Zeit. Das Beweisprogramm für die nächste Woche - darauf kann ich gleich hinweisen - sieht so aus, daß

Herr Bundesanwalt Dr. Krüger am Dienstag

gehört werden wird - auf 9.00 Uhr geladen; und es ist vorgesehen, daß

Herr Ruhland am Mittwoch, dem 10.11. hier als Zeuge

erscheint.

Es ist also noch Gelegenheit gegeben, daß Sie diese Frage überprüfen, Herr Rechtsanwalt.

Dann hat die B. Anwaltschaft inzwischen die Akten 3 ARP, um die ja viel gekämpft worden ist, so weit sortiert, wie sie wohl ausgehändigt werden kann.

Bitte, Herr B. Anw. Dr. Wunder.

[12259-12261][17] [12262] BA Dr. Wu[nder]:

Ja, dazu ’ne kurze Erklärung:

Mit Rücksicht auf die in diesem Zusammenhang schon mehrfach betonte Eilbedürftigkeit überreiche ich bereits heute dem Senat, und zwar im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz, Ablichtungen von der Akte 3 ARP 74/75 II[f].

Diese Ablichtungen haben die in der letzten Sitzung von[g] dem Herrn Vorsitzenden für verfahrenserheblich gehaltenen Aktenteile zum Gegenstand. Ich darf bemerken, daß nur für einen ganz geringen Rest eine Entscheidung noch aussteht. Ein Exemplar war bereits heute vormittag zur Vervielfältigung gegeben worden, und soweit ich informiert bin, sind die Ablichtungen auch ... liegen die Ablichtungen auch[h] bereits vor.

Vors.:

Danke schön. Die Ablichtungen sind im Gange. Wir werden dann, sobald alles abgeschlossen ist, die Ablichtungen den Herrn Verteidigern, die hier anwesend sind, verteilen. Ich möchte bloß klarstellen - Herr B. Anw. Dr. Wunder, Sie hatten grade darauf hingewiesen- die von mir für verfahrenserheblich genannten Teile. Es war die Auffassung des Gerichts, was zweckmäßigerweise wohl die Herren Verteidiger für verfahrenserheblich ansehen könnten. Wenn es um die Frage der Aufklärung ginge, würde das Gericht sicherlich die gesamten Akten einfach in Bausch und Bogen anfordern, soweit natürlich nicht der Sperrvermerk[18] gilt.

BA Dr. Wu[nder]:

Ja, gerne. So ist es zu verstehen.

Vors.:

Danke schön.

RA Geu[len]:

Darf ich kurz Stellung nehmen dazu - wir hatten ja in der letzten Sitzung schon eine kurze Kontroverse oder einen Meinungsaustausch darüber. Ums nochmals klarzustellen:

Unser Antrag, wie er förmlich gestellt worden ist, ging darauf hin, die Akte 3 ARP 74/75 ...

Herr Dr. Foth, es ist sehr bezeichnend, daß Sie da abwinken. Es ist doch selbstverständlich, daß dieser Antrag so zu verstehen ist, daß die ganze Akte vorgelegt wird.

Richter Dr. Foth:

Ja so verstehen wir’s doch.

RA Geu[len]:

Aber vielleicht, Herr Vorsitzender, um zu beschleunigen, vielleicht darf ich’s kurz im Zusammenhang vortragen.

[12263] Vors.:

Herr Rechtsanwalt, es ist eben so: Wir wollen nicht endlos wiederkauen. Ich hab es grade eben betont, daß wir damals Ihre vermutliche Meinung wiedergegeben haben; daß das Gericht im Rahmen der Aufklärungspflicht, wenn es um die Akten geht, die ganzen Akten anfordern würde, soweit nicht der Sperrvermerk vorhanden ist. Warum bedarf’s jetzt dazu ...

RA Geu[len]:

Ich hab Ihnen gar nichts vorgehalten, Herr Vorsitzender. Es gibt doch nichts zu kritisieren, sondern nur etwas klarzustellen.

Vors.:

Aber uns liegt jetzt im Augenblick ...

RA Geu[len]:

... und zwar zur Vermeidung einer weiteren ...

Vors.:

Augenblick, Herr RA Geulen. Ich gebe Ihnen Gelegenheit, dazu nachher, wenn die Akten verteilt werden, sich zu äußern. Jetzt hat Vorrang die Vernehmung der anwesenden Zeugen. Das ist zunächst mal Herr Schattenberg.

RA Geu[len]:

Also soll über die Akte jetzt geredet werden oder nicht?

Vors.:

Nein. Ich bitte Sie jetzt, das zurückzustellen - das dürfen Sie im Laufe der Verhandlung -, aber wir wollen jetzt zunächst mal doch die Zeugen, die anwesend sind, vernehmen. Das hat doch wirklich Vorrang, als daß wir jetzt wiederholen, was eigentlich ...

RA Geu[len]:

Sie haben ja mit diesem Thema angefangen. Aber ich bin damit einverstanden.

Vors.:

Bitte den Herrn Zeugen Schattenberg.

Der Zeuge Volker Schattenberg - vorgeführt aus der Untersuchungshaft - erscheint um 11.09 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge Schattenberg wird gem. §§ 57 und 55 StPO[19] belehrt.

Der Zeuge Schattenberg erklärt sich mit der Aufnahme seiner Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.[20]

Der Zeuge Schattenberg macht folgende Angaben zur Person:

Zeuge Scha[ttenberg]:

Volker Jürgen Schattenberg, 25, selbständiger Innenausstatter, z.Zt.: JVA Karlsruhe;

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert;

wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

[12264] Vors.:

Herr Schattenberg, die Verteidigung hat beantragt, Sie zu folgendem Thema zu hören:

Sie könnten Auskunft geben, daß der Zeuge Dierk Hoff[21] freiwillig für die RAF tätig gewesen sei, auch ohne, daß auf ihn Druck ausgeübt worden wäre und ohne, daß er bedroht worden wäre.

Sie können jetzt im Zusammenhang mitteilen, was Sie dazu berichten können, sollten aber damit beginnen, uns kurz zu schildern, seit wann, durch was Sie Herrn Hoff kennengelernt haben, wie gut die Bekanntschaft gewesen ist.

Zeuge Scha[ttenberg]:

Ich will nicht aussagen. Ich begründe das:

Gegen mich läuft ein Ermittlungsverfahren, in dem mir die Unterstützung einer kriminellen Vereinigung zum Vorwurf gemacht wird. Wegen dieses Verfahrens befinde ich mich seit Juni dieses Jahres in Untersuchungshaft.

Mir ist zwar bekannt, daß mich der Zeuge Gerhard Ernst Müller belastet; ich habe aber bisher keine Anklageschrift erhalten, noch wurde mir oder meinem Verteidiger umfassende Akteneinsicht gewährt. Aus diesen Gründen habe ich bislang in meinem Verfahren keine Aussagen zur Sache gemacht und möchte dabei auch heute bleiben.

Vors.:

Ist es also so, daß wir davon ausgehen können:

Wenn Sie aussagen würden, vermuten oder befürchten Sie, daß das für Sie strafrechtlich nachteilige Folgen haben könnte in Ihrem eigenen Verfahren?

Zeuge Scha[ttenberg]:

Ich hatte sehr wenig Gelegenheit, nach meiner Ladung mit meinem Anwalt zu reden. Aber das, was ich hier eben verlesen hab, ist in Zusammenarbeit mit meinem Anwalt entstanden, und ich berufe mich in jedem Falle darauf.

Vors.:

Ich habe Ihnen die Frage, die an Sie gerichtet werden mußte aufgrund des Beweisantrages, gerichtet. Sie sagen, Sie berufen sich auf § 55 StPO - das war die Vorschrift, über die ich Sie belehrt habe. Ich habe keine weiteren Fragen an den Herrn Zeugen.

Beim Gericht, die Herren Kollegen? Seh ich nicht.

Die Herren der Bundesanwaltschaft? Nein.

Herr RA Geulen, bitte.

[12265] RA Geu[len]:

Ich habe eine Frage:

Herr Schattenberg, wann sind Sie geladen worden zu der heutigen Vernehmung?

Zeuge Scha[ttenberg]:

Das habe ich bekommen am Mittwoch dieser Woche.

RA Geu[len]:

Also vorgestern?

Zeuge Scha[ttenberg]:

Jawohl.

RA Geu[len]:

Hatten Sie seither Gelegenheit, mit Ihrem Anwalt zu sprechen?

Zeuge Scha[ttenberg]:

Er kam durch Zufall ...

RA Geu[len]:

... durch Zufall am Donnerstag vermutlich dann.

Zeuge Scha[ttenberg]:

Am Donnerstag.

RA Geu[len]:

Sodann keine Fragen mehr.

Vors.:

Bitte, Herr RA Pfaff.

RA Pfaff:

Herr Schattenberg, ich hatte die Absicht, Sie außer zu der Frage der Mitarbeit von Herrn Hoff auch zu der Frage der Mitarbeit von Frau Sorenson zu befragen. Ich kann aber jetzt gleich Sie bitten, Auskunft zu geben: Wollen Sie Ihr Auskunftsverweigerungsrecht auch darauf erstrecken?

Zeuge Scha[ttenberg]:

Ich stütze mich da auch auf die Ausführungen von meinem Anwalt, daß jede Aussage, jede Einlassung zu diesem Komplex wohl darunter fällt, auf den Paragraphen, auf den ich mich ja stütze.

RA Pfaff:

Ich gebe mich damit zufrieden. Es ist zwar nicht so, daß jede Frage und schon nicht die Frage, die der Herr Vorsitzende an Sie gestellt hat, berechtigt, die Auskunft zu verweigern, da die Antwort auf diese Frage Sie wohl kaum belasten könnte. Aber mir ist klar, daß die entscheidenden Fragen, die in diesem Zusammenhang zu stellen wären, unter Umständen zu einer Selbstbelastung führen könnten. Insofern nehme ich auch davon Abstand, also Randfragen zu stellen.

Vors.:

Also das Gericht sieht so, wie sich der Herr Zeuge äußert, in der Tat eine Möglichkeit, daß für ihn strafrechtliche Schwierigkeiten entstehen könnten, auch aus der Frageformulierung, wie ich sie aufgrund des Beweisantrages gestellt habe. Ich jedenfalls halte die Berufung auf § 55 StPO für berechtigt.

[12266] Herr RA Geulen.

RA Geu[len]:

Ich wüßte nur gern, von welchem Anwalt Sie vertreten werden.

Zeuge Scha[ttenberg]:

Herr RA Höche, Frankfurt.

RA Geu[len]:

Danke.

Vors.:

Sind irgendwelche Anträge hinsichtlich der Vereidigung zu stellen?

Ich beabsichtige, den Zeugen gem. § 60 Ziff. 2 StPO[22] unbeeidigt zu lassen wegen des Verdachtes der Beteiligung an der Straftat, die auch Gegenstand dieses Verfahrens ist. Keine Einwendungen.

[i]

Der Zeuge Schattenberg [j] bleibt gem. § 60 Ziff. 2 StPO wegen Verdachts der Tatbeteiligung unbeeidigt und wird im allseitigen Einvernehmen um 11.17 Uhr entlassen.

Vors.:

Nun ist mit dem Zeugen Kahl eine Schwierigkeit eingetreten. Sie hatten also den Zeugen Kohl benannt. Es hat sich herausgestellt, daß der Zeuge Kahl heißt, [k] wir haben ihn erreicht - es war ein direkter Kontakt der[l] der Geschäftsstelle mit dem Zeugen möglich - er hat sein Erscheinen zugesagt für heute vormittag, ist aber offensichtlich bis jetzt noch nicht eingetroffen.

Dann würde ich folgenden Vorschlag machen:

Wir machen jetzt eine Pause; benützen diese Pause, um die Akten zu verteilen an die Herren Rechtsanwälte und treffen uns nochmals um 11.45 Uhr. Bis dahin hoffe ich, abgeklärt zu haben, ob Herr Kahl abgeflogen ist, abgereist ist oder wie die Dinge stehen. Aber diese Zeit müssen wir uns nehmen. Es wäre ja natürlich jetzt, Herr RA Geulen, Sie wollten ja zu den Akten Ausführungen machen, noch Gelegenheit gegeben.

RA Geu[len]:

Ja, gerne.

Es sollte nochmals klargestellt werden, auch an die Adresse der B. Anwaltschaft, daß unser Antrag seinem Wortlaut nach [12267] und seinem Sinn nach gerichtet war auf die Vorlage der Akten 3 ARP. Es ist wohl im Interesse aller Prozeßbeteiligten, daß diese Akten nun vollständig vorgelegt werden und auch unverzüglich vorgelegt werden. Es sind Vernehmungsakten, Akten der Vernehmung des Zeugen Müller, die sehr weit zurückliegen. Ich weiß nicht, Herr Vorsitzender, wie Sie im umgekehrten Falle, wenn wir etwa Beweisanträge so spät[m] gestellt hätten, Ihrerseits dazu Stellung genommen hätten. Ich möchte ankündigen, daß, falls die Akten nicht in vollem Umfang vorgelegt werden, also etwa unter Berufung auf einen Sperrvermerk auch nur Teile dieser Akten nicht vorgelegt werden - ich habe das auch das letztemal schon und auch früher schon angekündigt ebenso wie im Falle der Aussagegenehmigung[23] für Herrn Generalbundesanwalt Buback[24] - erwägen oder sogar beabsichtigen, die Aufhebung dieses Sperrvermerkes durch Erlaß einer einstweiligen Anordnung[25] vor dem Verwaltungsgericht Köln zu erwirken. Ich meine, daß es im Interesse aller Prozeßbeteiligten ist, wenn die Akten nunmehr in vollem Umfang vorgelegt werden.

Vors.:

Aber ich darf drauf hinweisen, Herr Rechtsanwalt, weil Sie jetzt den Vergleich ziehen: Für ein Gericht sind Akten, die mit dem Sperrvermerk belegt sind, außerhalb der Erörterungen. Das Gericht kann da überhaupt nichts tun. Es kommt nicht ran.

RA Geu[len]:

Es ging auch nicht an Ihre Adresse, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Ich weiß es, ich wollte es bloß sagen. Das Gericht kann nichts tun. Daher ist es auch vollkommen unmöglich etwa, daß das Gericht nun zu irgendwelcher Beschleunigung und dergleichen auffordert. Das Gericht muß es hinnehmen, so wie es ist, und ich meine, es ist schon ein erheblicher Schritt in Ihrem Interesse getan worden dadurch, daß wir jetzt wenigstens einen Teil, und zwar wohl den erheblichsten Teil der Akten haben. Herr RA Schily hat bei einem Telefongespräch, das ich gestern mit ihm wegen seines Vertagungsantrages geführt habe, angedeutet, daß noch ein Beweisantrag gestellt werden sollte, nachdem die Adresse der Frau Mordhorst zur Kenntnis gelangt ist. Kann dieser Antrag schon jetzt gestellt werden?

[12268] RA Geu[len]:

Ja, Herr Vorsitzender, das Problem dieses Antrages ist ausschließlich die Frage, wo Frau Mordhorst vernommen werden kann. Der Inhalt dieses Antrags ist ja wohl identisch - das könnte ich aber auch noch bis in einer halben Stunde klären mit den andern Anwälten.

Ich habe nur heute in der Zeitung gelesen - ich kann Ihnen das auch so offen sagen - heute in der Zeitung gelesen bzw. es ist mir sogar nur berichtet worden, daß Frau Mordhorst Italienerin ist,[26] also vermutlich ...

Vors.:

... durch Heirat.

RA Geu[len]:

... ja, das kann ich jetzt also auch aus dieser Kenntnis nur sagen. Aber ich werde mich bemühen, bis 11.45 Uhr dann den Antrag in entsprechender Form zu präzisieren.

Vors.:

Ich wäre Ihnen überhaupt dankbar, wenn also weitere Anträge jetzt im Augenblick sichtbar sind, die zu stellen.

RA Geu[len]:

Soll ich jetzt noch Stellung nehmen zu weiteren Anträgen oder lieber um 11.45 Uhr?

Vors.:

Mir wäre es an sich lieber, wenn wir jetzt dann doch die Pause machen würden. Sonst reicht mir’s möglicherweise mit Herrn Kahl nicht mehr.

Wollten Sie einen Antrag stellen, Herr RA Künzel?

Darf ich bitten, auch um 11.45 Uhr treffen wir uns nochmals - dann die Anträge, die sich alle angesammelt haben, zu stellen, sonst kann ich nicht mehr gewähren, daß wir den Herrn Kahl erreichen. Danke.

Pause von 11.20 Uhr bis 11.47 Uhr.

Ende von Band 727.

Den Prozessbeteiligten wird in der Pause eine Ablichtung der[n] von der Bundesanwaltschaft übergebenen Akte 3 ARP 74/75 I, die im Sonderordner 128 abgelegt wird, ausgehändigt.

[12269] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 11.47 Uhr

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort.

Der Zeuge Kahl befindet sich derzeit in Berlin. Was da schiefgegangen ist, lässt sich deswegen schwer klären, weil die Geschäftsstellenbeamtin, die beauftragt war die Ladung telefonisch durchzuführen, heute nicht da ist. Wir können deswegen auch nicht über irgendwelche Ordnungsmaßnahmen[27] hier uns Gedanken machen. Herr Kahl ist, ohne daß wir ihn direkt erreicht haben, telefonisch voraus auf Dienstagnachmittag, 14.00 Uhr umgeladen. Er bekommt das auch noch schriftlich. Wir hoffen also dann den Herrn Zeugen am Dienstag um 14.00 Uhr zu sehen.

Jetzt sind[o] Anträge angekündigt. In welcher Reihenfolge die Herren ... Herr Rechtsanwalt Künzel, bitte.

RA Kün[zel]:

Rechtsanwalt Künzel verliest den Beweisantrag, der anschließend übergeben und dem Protokoll als Anl. 2 beigefügt ist.

Vors.:

Ich darf davon ausgehen, daß wir den Antrag schriftlich bekommen, so daß er also dann auf diese Weise in das Protokoll gelangt. Es wäre natürlich weiter die Frage anzuknüpfen, ob unter diesen Voraussetzungen, denen Sie sich hier[p] anschließen, überhaupt die Ladung von Herrn Müller als Zeugen noch beantragt werden könnte, wenn das materiell wirkt, wie es hier zum Teil ist. Aber wir wollen die Rechtsfrage hier nicht vertiefen.

Sonstige Anträge?

Herr Rechtsanwalt Geulen.

RA Geu[len]:

Ja, ein Antrag und auch etwas mitzuteilen. Ich würde bitten, das im Zusammenhang vortragen zu können. Zunächst hinsichtlich der Frage, ob Herr Jericke oder Herr Vorsitzender Richter am Kammergericht Berlin[q] Zelle die Vernehmung des Zeugen Müller, auf die wir uns beziehen, geführt hat; das konnte ich in den 25 Minuten nicht feststellen. Ich gehe aber davon aus, nachdem Sie das mitgeteilt haben, daß das so ist, und stelle dann den Antrag entsprechend um. Der Antrag bleibt also bestehen, nur daß statt der Zeugenperson des Herrn Jericke, [12270] Herr Zelle jetzt vorgesehen ist.

Hinsichtlich Frau Mordhorst kann ich Ihnen[r] folgendes mitteilen: Nach den Vorgängen der letzten Tage, Frau Mordhorst ist ja bekanntlich vor einigen Tagen, wie wir ja aus Presseberichten wissen, festgenommen worden in Italien, daß beabsichtigt ist, einen oder mehrere Beweisanträge zu stellen. Wir werden die unverzüglich stellen. Und ich kann Ihnen zusichern, daß wir uns bemühen werden, Ihnen das schon vor dem nächsten Verhandlungstermin schriftlich mitzuteilen, damit Sie sich darauf einrichten können. Ich bin im Augenblick nicht in der Lage, das zu machen; aber ich kann Ihnen zusichern, daß wir uns bemühen werden, das unverzüglich zu machen.

Dann liegt ja offensichtlich inzwischen die geheime Akte 3 ARP 74/75 vor, jedenfalls auszugsweise.

Vors.:

Nicht mehr geheim jetzt.

RA Geu[len]:

Sie ist nicht mehr geheim jetzt. Es ist allerdings festzustellen, und ich knüpfe daran einen Antrag, daß diese Akte aus einer Zeit stammt - zumindest teilweise, wie ich nach einem ersten Überblick feststellen konnte -, der vor Beginn dieser Hauptverhandlung liegt. Ein, wie ich meine, ungeheurer Umstand, daß diese Akte jetzt erst uns vorgelegt wird. Es wird zu prüfen sein, vom Gericht und den anderen Prozeßbeteiligten, ob die Aufrechterhaltung der Geheimhaltung oder überhaupt das Bestehen dieses Geheimhaltungsvermerkes für so lange Zeit gerechtfertigt war, insbesondere im Hinblick darauf, ob nicht der Bundesanwaltschaft durch diese späte Vorlegung, nach ihren eigenen Plädoyers, der Vorwurf der Prozeßverschleppung zu machen ist.

Ich stelle im Hinblick auf diese Akte den Antrag - es ist eine Akte, die nach einem ersten Überblick einen Umfang von mehreren Zentimetern hat und von mehreren 100 Seiten wohl - ich stelle im Hinblick auf diese Akte den Antrag,

die Hauptverhandlung zu unterbrechen, für einen Zeitraum, der notwendig ist, damit sich die Prozeßbeteiligten, die im Gegensatz zur Bundesanwaltschaft noch nicht Gelegenheit gehabt[s] hatten diese Akte seit Jahren zu kennen, einarbeiten können. Das heißt für einen Zeitraum von mindestens 10 Tagen.

Das ist ein förmlicher Antrag.

[12271-12276][28] [12277] Und ich möchte weiter an die Bundesanwaltschaft die Frage richten, inwieweit diese Akte nun vorliegt? Ich habe eben verstanden und bitte Sie, das zu bestätigen oder zu, dazu Stellung zu nehmen, daß es nicht vollständig ist und daß hinsichtlich des Restes noch nicht entschieden ist, ob er vorgelegt wird[t] aber in dieser Woche entschieden werden soll. Vielleicht können wir das gleich klären.

Vors.:

Bitte, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. Wu[nder]:

Ich kann das[u] dazwischenrein erklären, Herr Rechtsanwalt Geulen. In der Tat ist es so, daß für einen ganz geringen Rest, wie ich wörtlich sagte, und zwar das sind etwa 10 % des Umfanges, der Ihnen vorliegt, eine Entscheidung noch aussteht. Ob die Entscheidung im Laufe der nächsten Woche getroffen werden kann, das kann ich noch nicht zusagen. Die Möglichkeit besteht.

RA Geu[len]:

Ja, gut, ich würde nur anregen und bitten, daß das möglichst bald geschieht, damit wir, wie ich angekündigt hatte, im Falle, daß dieser Aktenteil, auch wenn es ein geringer Aktenteil ist, nicht vorgelegt wird, entsprechende verwaltungsprozessuale Mittel begehen können. Das ist im Augenblick alles, was ich dazu mitzuteilen hätte.

Ich frage noch, ob die Vernehmung von Herrn Ruhland am nächsten Mittwoch auch um 9.00 Uhr vorgesehen ist? Das hatten Sie noch nicht ...

Vors.:

Ja.

RA Geu[len]:

Ja, dankeschön.

Vors.:

Ich gebe ja dann das Sitzungsprogramm für die nächste Woche, abschließend wie immer noch bekannt.

Sonstige Anträge?

Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. Wu[nder]:

Eine Frage, Herr Vorsitzender. Sollen wir zu dem Antrag, eine angemessene Zeitspanne für die Aktenvorbereitung, noch Stellung nehmen? Ich würde das kurz tun.

Vors.:

Bitte.

BA Dr. Wu[nder]:

Die Entscheidung, welche Zeitspanne zum Aktenstudium für angemessen und für erforderlich gehalten wird, die stelle ich in das Ermessen des Herrn Vorsitzenden. Ich möchte dabei aber doch die Bitte aussprechen zu bedenken, daß die Beweisanträge in den letzten Wochen fast nur von Sitzung zu Sitzung gestellt worden sind. Meines Erachtens sollte es möglich werden, [12278] daß die sich aus diesem Aktenstück 3 ARP allenfalls ergebenden Beweisanträge zusammengefasst gestellt werden, damit wieder ein Termin und Vernehmungsplan, wie wir ihn früher hatten, aufgestellt werden kann, und wir nicht zu viele Sitzungstage mit nur wenigen Stunden haben werden, danke.

Vors.:

Danke.

RA Geu[len]:

Ein letztes hätte ich noch, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Bitte.

RA Geu[len]:

Es besteht die Vermutung - unsererseits -, daß in diesem Jahr und unter Umständen sogar in letzter Zeit, weitere Vernehmungen des Zeugen Müller stattgefunden haben. Ich kann es im Augenblick nur so vage mitteilen; auch aus Äußerungen etwa des Zeugen Wolf. Falls das so ist, ist es selbstverständlich, daß diese Vernehmungen, soweit sie sich auf die Vorgänge, die hier angeklagt sind, beziehen, Gegenstand des Akteneinsichtsrechts der Verteidigung sind. Wir sind im Augenblick nicht in der Lage, das weiter zu präzisieren. Ich möchte nur vorsorglich mitteilen, daß, wenn sich das bestätigen sollte, wir selbstverständlich beantragen werden, daß diese weiteren Vernehmungsprotokolle vorgelegt werden und möchte an die Bundesanwaltschaft zur Vermeidung einer weiteren Prozeßverzögerung die Bitte oder den Wunsch richten - der Bundesanwaltschaft sind ja diese Vorgänge natürlich genauestens bekannt, - wenn Vernehmungen vorgenommen worden sind, bzw. im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung noch vorgenommen werden in den nächsten Wochen, - wie lange immer das dauern mag -, diese Dinge unverzüglich bekanntzumachen und vorzulegen oder vorlegen zu lassen, danke.

Vors.:

Also dieser Antrag, der ist gestellt, ohne jetzt konkretisiert zu sein. Mit dem Akteneinsichtsrecht hat das nun schlechthin nichts zu tun; aber darüber haben wir schon oft gesprochen. Wir haben uns bisher immer bemüht, Ihnen möglichst alle Unterlagen, die Sie begehrt haben, zugänglich zu machen. Ich behaupte nicht, daß Sie gerade das Gegenteil hätten sagen sollen, aber mit Akteneinsichtsrecht, da bitte ich also wirklich nicht mehr zu operieren, denn damit hat es [v] nichts zu tun. Akten sind einzusehen, die hier in diesem Verfahren - in diesem Verfahren - anfallen und sonst nirgends.[29]

RA Geu[len]:

Es ist der Antrag, Herr Vorsitzender, zur Klarstellung, [12279] daß das Gericht die Akten beizieht und der Verteidigung das Akteneinsichtsrecht gewährt.

Vors.:

Gut. Nun habe ich noch zunächst den Beschluß zu verkünden:

Der von Rechtsanwalt Geulen gestellte Antrag, Herrn Richter Zelle als Zeugen zu hören,

wird abgelehnt.

Gründe:

Mit dem Beweisantrag wird behauptet, Gerhard Müller habe als Zeuge in dem Verfahren gegen Mahler vor dem Kammergericht in Berlin im Dezember 1972 bestimmte Angaben gemacht; im einzelnen wird hierzu auf den Beweisantrag verwiesen. Der Senat behandelt diese Behauptung so, als wäre die behauptete Tatsache wahr,[30] das heißt als habe Gerhard Müller damals diese Angaben gemacht.

Der Senat sieht keinen Anhalt für die Möglichkeit, die weitere Beweisaufnahme könne zur Widerlegung der als wahr unterstellten Behauptung führen (vgl. Gollwitzer bei Löwe-Rosenberg, 23. Aufl., 208 zu § 244[31]); dies umso weniger, als die Behauptung mit der Sitzungsniederschrift aus der Hauptverhandlung gegen Mahler weitgehend übereinstimmt. Bei seiner Zeugenvernehmung im hiesigen Verfahren hat Gerhard Müller über seine damalige Aussage geäußert: „Ich habe im Mahler-Verfahren, ging es, glaube ich, auch darum und der Fakt ist einfach der, daß ich eine Andeutung subjektiv, also meinerseits, übertrieben habe, und möglicherweise auch falsch interpretiert habe.“

- - -

Es ist beabsichtigt, das[w] Schreiben des Herrn Innenministers Schwarz gemäß § 256[ StPO][32] durch Verlesen bekanntzumachen.

Das Schreiben lautet:

Gemäß § 256 StPO wird das Fernschreiben des Innenministers Schwarz vom 3.11.1976 verlesen.

Eine Ablichtung des Fernschreibens wird als Anl. 3 dem Protokoll beigefügt.

- Die Verfahrensbeteiligten geben dazu keine Erklärung ab -.

[12280] (nach geheimer Umfrage)

Es ist dann nochmals ein Beschluß zu verkünden, der vorberaten war und jetzt erneut bestätigt worden ist von den Mitgliedern des Senats.

Der von Rechtsanwalt Dr. Heldmann gestellte Antrag, Herrn Innenminister Schwarz aus Mainz als Zeugen zu hören,

wird abgelehnt.

Gründe:

Mit dem Beweisantrag wird in das Wissen von Herrn Innenminister Schwarz gestellt, daß

Ingeborg Barz[33] im Nov. 1973, also ca. 1 ½ Jahre nach der Festnahme von Andreas Baader, bei der Firma Walter KG in Kiel 250 kg Hexametylentetramin und 300 kg rauchende Salpetersäure bestellt und den Rechnungsbetrag von 3.779,-- DM mit handschriftlich ausgefüllter Zahlkarte überwiesen hat.

Es handelt sich um den typischen Fall, daß eine öffentliche Behörde im Sinne von § 256 StPO Zeugnis ablegen soll. Herr Innenminister Schwarz hätte - wenn er zum Beweisthema etwas sagen könnte - sein Wissen nur in seiner Eigenschaft als Innenminister erlangt. Durch das Fernschreiben von Herrn Innenminister Schwarz vom 3.11.76 wird das vollends bestätigt. Übrigens hat auch der Antragsteller nicht behauptet, Herr Schwarz habe zu dem Beweisthema irgendwelche persönlichen Wahrnehmungen gemacht.

Der Senat hat das genannte Fernschreiben in der Hauptverhandlung gem. § 256 StPO verlesen; damit erübrigt sich die Vernehmung von Herrn Innenminister Schwarz als Zeugen (vgl. Gollwitzer bei Löwe-Rosenberg, 23. Aufl., 53 zu § 256 StPO[34]). Der Senat sieht keinen Anlass dafür, daß die zusätzliche Vernehmung von Herrn Schwarz in der Hauptverhandlung zusätzliche[x] Aufklärung bringen könnte. Hierbei berücksichtigt der Senat auch, daß der Polizeibeamte, der bei der Firma Walter KG in Kiel die fraglichen Belege erhoben hat, in der hiesigen Hauptverhandlung schon vernommen wurde, daß diese Belege in die Hauptverhandlung eingeführt und in ihr von einem Schriftsachverständigen begutachtet wurden.

- - -

[12281][35] [12282] Dann ist zum Schluß noch bekanntzugeben: Ich habe das gehört, daß Sie wieder 10 Tage wünschen aufgrund der überreichten Akten. Das Sitzungsprogramm wie angekündigt, nämlich am Dienstag mit der Vernehmung des Zeugen Dr. Krüger und des Zeugen Kahl - der Zeuge Dr. Krüger 9.00 Uhr, der Zeuge Kahl 14.00 Uhr, am Mittwoch 9.00 Uhr mit dem Zeugen Ruhland - bleibt aufrechterhalten. Ich beabsichtige nicht zu unterbrechen, wobei ich ausdrücklich auf folgendes hinweise: Herr Bundesanwalt Dr. Krüger war zu einem erheblichen Teil für den Inhalt dieser Akten benannt; insofern scheint ja seine Vernehmung nicht mehr notwendig zu sein; scheint jedenfalls von hier aus gesehen nicht notwendig zu sein, weil die Akten inzwischen vorliegen. Er braucht also dazu nicht befragt werden. Was für ihn übrigbleibt, hat mit diesen Akten 3 ARP dann nichts mehr zu tun; es besteht umsoweniger Grund. Und es ist auch so, daß das Gericht sich gleichfalls zumutet, diese Akten über das Wochenende durchzusehen und Kenntnisse davon zu erlangen. Soweit ein erster Einblick ergeben hat, handelt es sich nur um etwa 100 Seiten Text, der Rest ist Info-Material - ich weiß es nicht, also es ist ein erster Einblick, ich bitte mich darauf nicht festzunageln - das war der erste Eindruck, der Rest ist Info-Material. Es sind also Unterlagen, die möglicherweise schon lange in den Händen der Prozeßbeteiligten sind, sei es durch unsere Akten oder durch andere Möglichkeiten, dieses Info-Material im Rahmen der Beweisaufnahme kennengelernt zu haben.

Damit wären wir am Schluß des heutigen Sitzungs...

RA Geu[len]:

Herr Vorsitzender, ich beanstande diese Entscheidung,[36] die ja eine Entscheidung des Vorsitzenden[37] ist. Nach Ihren eigenen Ausführungen, die ich gar nicht überprüfen kann und will im Augenblick, ist der Inhalt dieser Akte für die Vernehmung des Zeugen Krüger erheblich. Der Inhalt dieser Akten, die einen[y] Umfang von mehreren 100 Seiten, ich kann das auch nur vermuten, hat. Ich meine, es ist eigentlich selbstverständlich, daß hier eine Unterbrechung angebracht wäre. Auf der anderen Seite ist es auch schon klar, daß der Senat in geheimer Umfrage das wieder ablehnen wird. Aber ich möchte trotzdem, auch aus formellen Gründen, darauf bestehen.

Vors.:

Dazu darf ich bemerken, eine solche Vorentscheidung, wie Sie [12283] sie hier treffen, gehört eigentlich nicht zum Vokabular, das hier üblich ist. Wir werden uns über diesen Antrag, den Sie gestellt haben, bzw. die Beanstandung beraten. Herr Rechtsanwalt Pfaff, wollen Sie sich anschließen?

RA Pf[aff]:

Ich will mich anschließen, und zwar mit dem Hinweis darauf, daß Herr Bundesanwalt Wunder vorhin eine sachdienliche Anregung gegeben hat, nämlich die evtl. Beweisanträge gebündelt zu stellen. Im Hinblick darauf ist es natürlich sinnvoll, diesem Antrag stattzugeben, da andernfalls tatsächlich zu befürchten ist, daß evtle. Anträge wieder scheibchenweise kommen. Also da muß man sich nun entschließen, was man will.

Vors.:

Ich bitte von vornherein klar zu erkennen, daß das nicht darauf beruhen kann, wenn wir eine Beweisaufnahme jetzt durchführen. Sie werden wohl zum Schluß, wenn die Beweisaufnahme in der nächsten Woche ausläuft, Ihre Anträge stellen können und müssen, ich glaube bis zum Abschluß des Mittwochs, zumal sich ja Ihre Tätigkeit aufteilt, es[z] sind gegenwärtig ja nicht die originären Pflichtverteidiger[38] anwesend, in der Lage sein, diese Akten auf die Frage der Beweisanträge zu untersuchen. Aber wir werden jetzt über die Beanstandung entscheiden. Ich bitte im Saale zu bleiben; die Beratung wird voraussichtlich nicht allzulang dauern.

Pause von 12.11 Uhr bis 12.19 Uhr

Vors.:

Der Senat hat beschlossen:

Es bleibt beim vorgesehenen Sitzungsprogramm, da er die Auffassung gewonnen hat, daß die heute und am Montag zur Verfügung stehende Zeit ausreicht, um sich anhand der Akten auf die Vernehmung des Zeugen Dr. Krüger vorzubereiten.

Damit sind wir am Ende des heutigen Sitzungsprogramms. Fortsetzung Dienstag, 9.00 Uhr; Zeuge Dr. Krüger und Kahl.

Ende der Hauptverhandlung um 12.20 Uhr

Ende Band 728


[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 – Az.: 1 StE 1/74 – StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[2] Gemäß § 24 Abs. 1 StPO können Richter/innen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Die Ablehnung findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters/einer Richterin zu rechtfertigen (§ 24 Abs. 2 StPO).

[3] Der Grund, aus welchem Richter/innen abgelehnt werden, muss nach § 26 Abs. 2 Satz 1 StPO glaubhaft gemacht werden. Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht sie für überwiegend wahrscheinlich hält (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 26 Rn. 7). Die Glaubhaftmachung erfordert damit eine geringere Form der Überzeugung als der sog. Vollbeweis. Die Glaubhaftmachung genügt nur dort, wo das Gesetz sie ausdrücklich zulässt. Mittel der Glaubhaftmachung kann auch das Zeugnis des/der abgelehnten Richter/in sein (§ 26 Abs. 2 Satz 3 StPO).

[4] Bereits im Februar 1973 wurde Rechtsanwalt und RAF-Mitglied Horst Mahler vom Kammergericht Berlin wegen gemeinschaftlich begangenen Raubes in Tateinheit mit der Gründung einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zwölf Jahren verurteilt. In einem weiteren Verfahren wurde er für seine Beteiligung an der Baader-Befreiung am 14. Mai 1970 im November 1974 vom LG Berlin unter Einbeziehung der früheren Haftstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von 14 Jahren verurteilt. Nach seiner Haftentlassung im Jahr 1980 durchlief Mahler eine radikale politische Kehrtwende. Ende der 90er Jahre bekannte er sich erstmals öffentlich zum Rechtsradikalismus, im Jahr 2000 trat er in die NPD ein. Wegen antisemitischer Hetze wurde er mehrfach wegen Volksverhetzung und Holocaustleugnung zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt (Jander, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 372 ff., 384; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 40 ff., 53, 67 f.).

[5] Gerhard Müller war ein ehemaliges Mitglied der RAF und einer der Hauptbelastungszeugen in diesem sowie in weiteren Verfahren gegen Mitglieder der RAF. Er wurde ab dem 124. Verhandlungstag als Zeuge vernommen. Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass die umfassende Aussage Müllers, mit der er die Angeklagten schwer belastete, u.a. durch das Versprechen diverser ungesetzlicher Vorteile unzulässig beeinflusst worden war (s. hierzu etwa die Beweisanträge in den Anlagen 4 bis 19 zum Protokoll zum 20.7.1976, S. 10643 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 128. Verhandlungstag; s. zu den Vorwürfen der Verteidigung auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 305 ff.). Außerdem sollte durch den Nachweis von Widersprüchen in den verschiedenen Aussagen die Glaubwürdigkeit des Zeugen erschüttert werden.

[6] Die Ablehnung von Richter/innen wegen Besorgnis der Befangenheit muss in diesem Stadium der Hauptverhandlung unverzüglich, also „ohne eine nicht durch die Sachlage begründete Verzögerung“ (BGH, Urt. v. 10.11.1967 – Az.: 4 StR 512/66, BGHSt 21, S. 334, 339) erfolgen; andernfalls wäre sie nach § 26a Abs. 1 Nr. 1 StPO wegen Verspätung als unzulässig zu verwerfen. Zulässig ist allerdings, zunächst noch abzuwarten, ob sich der Eindruck der Befangenheit verfestigt (OLG München, Beschl. v. 22. 11. 2006 – Az.: 4 St RR 182/06, NJW 2007, S. 449, 451).

[7] Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind (§ 244 Abs. 2 StPO). Damit trifft die Aufklärungspflicht das Gericht unabhängig von Anträgen der Verfahrensbeteiligten.

[8] Notwendigerweise Gegenstand der Hauptverhandlung ist alles, was der Beantwortung der Schuld- und Straffrage dient, d.h. der Tathergang, die Schuld der/des Angeklagten sowie die Höhe der Strafe, da nur solche Tatsachen zur Begründung des Urteils herangezogen werden dürfen, die (prozessordnungsgemäß) in die Hauptverhandlung eingeführt wurden (§ 261 StPO). Für den Vollzug der Untersuchungshaft und damit auch für die Haftmodalitäten liegt die gerichtliche Zuständigkeit zwar auch beim Gericht der Hauptsache (§ 126 Abs. 2 StPO); allerdings erfolgt eine Erörterung der Fragen üblicherweise außerhalb der Hauptverhandlung, weil sie zur Beantwortung der Schuld- und Straffrage nicht von Belang sind.

[9] § 119 Abs. 3 StPO a.F. lautete: „Dem Verhafteten dürfen nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die der Zweck der Untersuchungshaft oder die Ordnung in der Vollzugsanstalt erfordert.“ Zweck der Untersuchungshaft ist die Sicherung des Verfahrens, sodass alle Maßnahmen der Untersuchungshaft hieran auszurichten sind (BVerfG, Beschl. v. 15.12.1965 – Az.: 1 BvR 513/65, BVerfGE 19, S. 342, 347; Kühne, Strafprozessrecht, 9. Aufl. 2015, Rn. 448). § 119 Abs. 3 StPO stellte in Verbindung mit der Untersuchungshaftvollzugsordnung (UVollzO) die Rechtsgrundlage für Anordnungen im Rahmen der Untersuchungshaft dar.

[10] § 119 Abs. 6 StPO a.F. wies die Zuständigkeit für die im Untersuchungshaftvollzug erforderlichen Maßnahmen und Beschränkungen dem/der Richter/in zu.

[11] Nr. 2 Abs. 1 der Untersuchungshaftvollzugsordnung (UVollzO) lautete: „Die für den Vollzug der Untersuchungshaft erforderlichen Maßnahmen und notwendige Beschränkungen ordnet der Richter an (§ 119 Abs. 6 StPO). Der Richter entscheidet insbesondere über die Art der Unterbringung, den Verkehr mit der Außenwelt, besondere Sicherungsmaßnahmen und Disziplinarmaßnahmen.“ Bei der UVollzO handelt es sich nicht um ein förmliches Gesetz, sondern um eine Verwaltungsvorschrift des Bundes zur Ausgestaltung der Untersuchungshaft, die sich an die Leitungen der Haftanstalten richtet. Für Gerichte ist sie nicht bindend (BVerfG, Beschl. v. 19.2.1963 – Az.: 1 BvR 610/62, BVerfGE 15, S. 288, 294). Trotz der spätestens nach der Grundsatzentscheidung des BVerfG zur Strafhaft (BVerfG, Beschl. v. 14.3.1972 – Az.: 2 BvR 41/71, BVerfGE 33, S. 1) aufkommenden Zweifel an einer zureichenden rechtsstaatlichen (nämlich gesetzlichen) Grundlage scheiterten alle Bemühungen um ein Bundesuntersuchungshaftvollzugsgesetz. Erst nachdem mit der Föderalismusreform 2006 die Gesetzgebungskompetenz auf die Länder überging, machten diese sämtlich von ihrer Ersetzungskompetenz (Art. 125a Abs. 1 GG) Gebrauch und erließen entsprechende Landesgesetze (Höflich/Schriever/Bartmeier, Grundriss Vollzugsrecht, 4. Auf. 2014, S. 229 f.; Laubenthal, Strafvollzug, 6. Aufl. 2011, Rn. 929, 933). Der UVollzO kommt daher mittlerweile keine Bedeutung mehr zu.

[12] Dienstliche Erklärung des Vorsitzenden Dr. Prinzing und Verfügung des Richters Dr. Foth (Stellungnahmefrist und voraussichtliche Fortsetzung der Hauptverhandlung).

[13] Stellungnahme des Rechtsanwalts Schily, vertreten durch Rechtsanwalt Geulen, zu der dienstlichen Erklärung des Vorsitzenden Dr. Prinzing.

[14] Antrag der Bundesanwaltschaft auf Verwerfung der Ablehnungen als unbegründet.

[15] Mit dem Ergänzungsgesetz zum Ersten Strafverfahrensreformgesetz vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3686) wurde mit Wirkung zum 1.1.1975 u.a. eine Beschränkung der Zahl der Wahlverteidiger/innen auf drei eingeführt (§ 137 Abs. 1 Satz 2 StPO).

[16] § 250 StPO enthält den Grundsatz der persönlichen Vernehmung. Nach § 250 Satz 2 StPO darf die Vernehmung einer Person über Tatsachen, die sie wahrgenommen hat, nicht durch die Verlesung einer früheren Vernehmung oder einer schriftlichen Erklärung ersetzt werden. Die §§ 251 ff. StPO enthalten enge Ausnahmen von diesem Grundsatz. § 256 StPO benennt bestimmte Arten verlesbarer Erklärungen, darunter die „ein Zeugnis oder Gutachten enthaltenden Erklärungen öffentlicher Behörden“ (§ 256 Abs. 1 Satz 1, 1. Var. StPO a.F.; heute: § 256 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StPO).

[17] Anlage 1 zum Protokoll vom 5.11.1976: Senatsbeschluss vom 5.11.1976 (Zurückweisung der Ablehnung des Vorsitzenden Dr. Prinzing als unbegründet).

[18] Für die Akte 3 ARP 74/75 I, die Vernehmungsprotokolle mit Angaben des Zeugen Müller enthielt, hatte der damalige Bundesjustizminister Vogel zunächst eine umfassende Sperrerklärung nach § 96 StPO („Die Vorlegung oder Auslieferung von Akten oder anderen in amtlicher Verwahrung befindlichen Schriftstücken durch Behörden und öffentliche Beamte darf nicht gefordert werden, wenn deren oberste Dienstbehörde erklärt, daß das Bekanntwerden des Inhalts dieser Akten oder Schriftstücke dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde“) abgegeben. Die Verteidigung bemühte sich lange darum, Einblick in die Akte zu erhalten. Die Prüfung und Entscheidung darüber, die Sperrerklärung wieder aufzuheben, wurde zuletzt der Bundesanwaltschaft anvertraut (s. die Mitteilung des Vorsitzenden Dr. Prinzing am 157. Verhandlungstag, S. 12215 des Protokolls der Hauptverhandlung; s. zu den Vorgängen und Vermutungen rund um diese Akte auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 368 ff.). Am 159. Verhandlungstag wurde ein Schreiben des Bundesjustizministers bekanntgegeben, in welchem die letzten noch geheimhaltungsbedürftigen Passagen konkretisiert wurden (s. Anlage 2 zum Protokoll vom 9.11.1976, S. 12306 des Protokolls der Hauptverhandlung, 159. Verhandlungstag).

[19] § 57 StPO a.F. schrieb für die Belehrung von Zeug/innen vor: „Vor der Vernehmung sind Zeugen zur Wahrheit zu Ermahnen und darauf hinzuweisen, daß sie ihre Aussage zu beeidigen haben, wenn keine im Gesetz bestimmte oder zugelassene Ausnahme vorliegt. Hierbei sind sie über die Bedeutung des Eides, die Möglichkeit der Wahl zwischen dem Eid mit religiöser oder ohne religiöse Beteuerung sowie über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren.“ Nach § 55 Abs. 1 StPO steht Zeug/innen ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, wenn sie sich selbst oder ihre Angehörigen (§ 52 Abs. 1 StPO) durch die Beantwortung einer Frage der Gefahr aussetzen würden, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt werden.

[20] Zu den Besonderheiten dieses Verfahrens gehörte es, dass sich die Prozessbeteiligten darauf einigten, ein gerichtliches Wortprotokoll als Arbeitsgrundlage anzufertigen (s. dazu S. 4 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Nach der damaligen Rechtsprechung bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung stets der Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 – Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 – Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 339). Heute wird die gerichtliche Tonbandaufnahme z.T. auch ohne Zustimmung der Beteiligten für zulässig erachtet (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 35; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 13).

[21] Der Zeuge Dierk Hoff, der in seiner Werkstatt einige der von der RAF verwendeten Sprengkörperhüllen hergestellt hatte, wurde als einer der Hauptbelastungszeugen ab dem 68., sowie am 98. Verhandlungstag vernommen. Hoff selbst gab an, er habe zunächst in dem Glauben gehandelt, er stelle Filmrequisiten her; später habe er sich aufgrund von Drohungen nicht getraut, die angeforderten Arbeiten zu verweigern (s. etwa seine Angaben am 68. Verhandlungstag, S. 5920 ff., 5933 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Diese Angaben wurden durch die Verteidigung in Zweifel gezogen.

[22] Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung war die Vereidigung von Zeug/innen nach § 59 f. StPO a.F. grundsätzlich vorgeschrieben. Ausnahmen galten nur für wenige Vereidigungsverbote, darunter bei Personen, die selbst wegen der Beteiligung der gegenständlichen Tat verdächtig oder bereits verurteilt worden waren (§ 60 Nr. 2 StPO). Darüber hinaus hatte das Gericht die Möglichkeit, in bestimmten Fällen von der Vereidigung abzusehen (§ 61 StPO a.F.). Im Unterschied dazu bestimmt der heutige § 59 Abs. 1 Satz 1 StPO, dass eine Vereidigung nur dann erfolgt, wenn es das Gericht wegen der ausschlaggebenden Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung einer wahren Aussage nach seinem Ermessen für notwendig hält.

[23] Landes- und Bundesbeamt/innen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet bezüglich aller Angelegenheiten, die ihnen im Rahmen ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgeworden sind. Aussagen vor Gericht hierüber sind nur nach und im Umfang der Genehmigung durch den jeweiligen Dienstherrn gestattet (heute geregelt in § 37 Abs. 1 und 3 BeamtStG für Landesbeamt/innen und in § 67 Abs. 1 und 3 BBG für Bundesbeamt/innen; für den Stand 1975 galten für Landesbeamt/innen noch Landesgesetze, die sich allerdings an § 39 des Beamtenrechtsrahmengesetzes vom 1.7.1957 orientieren mussten; für Bundesbeamt/innen galt § 61 BBG a.F.). § 54 Abs. 1 StPO stellt sicher, dass die Verschwiegenheitspflicht auch im Falle einer Vernehmung als Zeug/in in einem Strafprozess fortbesteht.

[24] Die Aussagegenehmigung für den GBA Buback wurde zunächst in vollem Umfang abgelehnt. Daraufhin erhob Rechtsanwalt Schily für die Angeklagte Ensslin Klage auf Erteilung einer Aussagegenehmigung vor dem VG Köln sowie einen Antrag auf einstweilige Anordnung. Das VG Köln erachtete die pauschale Versagung der Aussagegenehmigung für rechtswidrig und verpflichtete den Bundesminister der Justiz, die Klägerin Gudrun Ensslin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden (s. das Urteil und den Beschluss des VG Köln vom 15.9.1976 in Anlage 1 a des Protokolls vom 28. September 1976, zu Blatt 11698 des Protokolls der Hauptverhandlung, 148. Verhandlungstag).

[25] Im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes (§ 123 VwGO) kann grundsätzlich nur eine vorläufige Entscheidung erreicht werden; eine endgültige Entscheidung erfolgt erst in dem Verfahren der Hauptsache. Daher ist es im einstweiligen Rechtsschutzverfahren in der Regel nicht möglich, eine Entscheidung zu erreichen, die die Hauptsache unwiderruflich vorwegnehmen würde. Eine solche endgültige Vorwegnahme ist allerdings in Ausnahmefällen zulässig, wenn die Hauptsache nach einem strengen Maßstab erkennbar Erfolg haben wird, eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr rechtzeitig erwirkt werden kann und dem/der Antragssteller/in hieraus unzumutbare Nachteile entstehen würden (BVerwG, Beschl. v. 13.8.1999 – Az.: 2 VR 1/99, BVerwGE 109, S. 258, 261 f.).

[26] Susanne Mordhorst arbeitete bei der italienischen Zeitschrift „Controinformazione“, die dem Umfeld der italienischen Terrorgruppe Rote Brigaden zugerechnet wird. Mordhorst spielte als Kontaktperson eine wichtige Rolle bei der Kommunikation und Organisation zwischen den deutschen und italienischen Sektionen des Internationalen Komitees zur Verteidigung politischer Gefangener in Westeuropa (IVK). Als Mordhorst 1976 als mutmaßliches RAF-Mitglied eine Verhaftung in Italien und die Auslieferung in die Bundesrepublik drohten, heiratete sie kurz vorher den italienischen Staatsbürger Michele Stasi und entging damit einer Auslieferung (Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa, 2014, S. 189, 393 ff.).

[27] § 51 StPO enthält die Folgen des Ausbleibens von Zeug/innen (Auferlegen der entstandenen Kosten sowie Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft). Voraussetzung hierfür ist allerdings eine ordnungsgemäße Ladung.

[28] Anlage 2 zum Protokoll vom 5. November 1976: Beweisantrag des Rechtsanwalts Künzel auf Vernehmung von Gerhard Müller als Zeugen.

[29] Das Akteneinsichtsrecht der Verteidigung bezieht sich gem. § 147 StPO auf „alle Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der Anklage vorzulegen wären“. Dazu gehören zum einen alle Unterlagen, die die Polizei der Staatsanwaltschaft übersendet (§ 163 Abs. 2 Satz 1 StPO), zum anderen alle anschließend bei der Staatsanwaltschaft entstandenen Vorgänge, und zwar sowohl die belastenden, als auch die entlastenden. Ausgenommen sind die Handakten der Staatsanwaltschaft, sowie für die jeweiligen Beschuldigten bedeutungslose Vorgänge (Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 199 Rn. 2).

[30] § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO a.F. (heute: § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 6 StPO) ermöglicht die Wahrunterstellung für erhebliche Tatsachen, die zur Entlastung der Angeklagten bewiesen werden sollen.

[31] Dort heißt es: „ Das Gericht darf von der Wahrunterstellung nur Gebrauch machen, wenn dies ohne Verletzung seiner Pflicht, die Wahrheit zu erforschen, möglich ist. Es muß daher feststehen, daß die Beweisaufnahme nicht mehr zu einem Ergebnis führen kann, welches die wahr unterstellte Behauptung zu widerlegen geeignet ist“ (Gollwitzer, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 2, 23. Aufl., 6. Lieferung November 1976, § 244 Rn. 208).

[32] S. bereits Fn. 16.

[33] Ingeborg Barz war ein frühes Mitglied der RAF. Zuvor war sie Teil der Hilfsorganisation Schwarze Hilfe und bildete u.a. gemeinsam mit Angela Luther, Inge Viett, Verena Becker und Waltraud Siepert eine feministische Gruppe namens Die schwarze Braut. Über Barz’ Position in der RAF ist nicht viel bekannt. 1971 soll sie beim Überfall auf eine Bank in Kaiserslautern mitgewirkt haben. Von der Verhaftungswelle 1972 war Barz nicht betroffen, gilt aber wie Angela Luther seitdem als verschwunden. Über ihren Verbleib existieren nur Spekulationen. Unter anderem stand der Verdacht im Raum, dass sie als Spitzel des Verfassungsschutzes enttarnt und von Baader erschossen worden sei (Kraushaar, Verena Becker und der Verfassungsschutz, 2010, S. 31 ff., 37 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S 299, 820). Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass die Behauptung, Baader habe Barz erschossen, von Gerhard Müller aufgestellt worden sei, um Baader wahrheitswidrig zu belasten (s. den Beweisantrag des Rechtsanwalts Dr. Heldmann am 142. Verhandlungstag, S. 11467 des Protokolls der Hauptverhandlung). Durch den Beweis der Unwahrheit dieser Tatsache sollte die Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen Müller insgesamt erschüttert werden (s. dazu etwa die Diskussion um den am 147.Verhandlungstag gestellten Beweisantrag, S. 11684 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Zu den Angaben, die Müller über in diesem Zusammenhang gemacht haben soll, s. auch die Ausführungen des Vernehmungsbeamten KHK Opitz am 152. Verhandlungstag (S. 11855 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[34] Dort heißt es: „Ist die Verlesung einer Erklärung oder eines Attestes nach § 256 zulässig, dann darf Gericht den Beweisantrag auf persönliche Vernehmung des Ausstellers der Erklärung oder des Attestes ablehnen, sofern nicht besondere Umstände dies nach § 242 Abs. 2 [Anm. d. Verf.: gemeint sein dürfte § 244 Abs. 2 StPO, die gerichtliche Aufklärungspflicht] geboten erscheinen lassen“ (Gollwitzer in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 2, 23. Aufl., 6. Lieferung November 1976, § 256 Rn. 53).

[35] Anlage 3 zum Protokoll vom 5. November 1976: Fernschreiben des Ministers des Innern des Landes Rheinland-Pfalz Schwarz vom 3.11.1976.

[36] Sachleitungsbezogene Anordnungen des/der Vorsitzenden können als unzulässig beanstandet werden (§ 238 Abs. 2 StPO). Über die Beanstandung entscheidet sodann das Gericht, in diesem Fall der Senat in voller Besetzung.

[37] Die Strafprozessordnung unterscheidet zwischen (kürzeren) Unterbrechungen und der Aussetzung des Verfahrens. Während die Unterbrechung der Hauptverhandlung für einen kürzeren Zeitraum (§ 229 Abs. 1 StPO a.F.: bis zu zehn Tage; heute: drei Wochen) durch den/die Vorsitzende/n angeordnet werden kann (§ 228 Abs. 1 Satz 2 StPO), ist für die Entscheidung über die Aussetzung sowie über für bestimmte Situationen vorgesehene längere Unterbrechungen (z.B. nach § 229 Abs. 2 StPO) das Gericht – hier wäre das der Senat in voller Besetzung – zuständig (§ 228 Abs. 1 Satz 1 StPO). Eine Aussetzung hat stets die Folge, dass mit der Hauptverhandlung von neuem zu beginnen ist; gleiches gilt für eine die Frist des § 229 Abs. 1 StPO überschreitende Unterbrechung (§ 229 Abs. 3 Satz 1 StPO a.F.; heute Abs. 4 Satz 1 StPO; s. zu den grundlegenden Unterschieden zwischen Aussetzung und Unterbrechung auch Arnoldi, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl. 2016, § 228 Rn. 3 ff.).

[38] In den Fällen der notwendigen Verteidigung ist die Mitwirkung eines Verteidigers oder einer Verteidigerin gesetzlich vorgeschrieben (§ 141 StPO a.F.; seit dem 13.12.2019 [Gesetz zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019, BGBl. I, S. 2128] ist die Bestellung in manchen Fällen von einem Antrag des/der Beschuldigten abhängig, § 141 Abs. 1 StPO). Die notwendige Verteidigung ergab sich in diesem Verfahren daraus, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht stattfand (§ 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO) und dem Vorwurf eines Verbrechens (§ 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO; ein Verbrechen liegt vor bei einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr, § 1 Abs. 1 StGB a.F.; heute: § 12 Abs. 1 StGB), sowie der Inhaftierung der Beschuldigten für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten (§ 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO a.F.; heute ist die zeitliche Vorgabe entfallen). Die Bestellung von Pflichtverteidiger/innen erfolgt nur für die jeweils bestellte Person. Diese kann sich daher grundsätzlich weder durch unterbevollmächtigte, noch durch Rechtsanwält/innen derselben Sozietät vertreten lassen. Ausnahmsweise wird aber im Falle vorübergehender Verhinderung die Vertretung mit Zustimmung des/der Vorsitzenden für zulässig erachtet (KG, Beschl. v. 29.6.2005 – Az.: 5 Ws 164/05, NStZ-RR 2005, S. 327, 328). Anders ist die Situation im Falle einer amtlich bestellten Vertretung: Diese ist gemäß § 53 Abs. 7 BRAO („Dem Vertreter stehen die amtlichen Befugnisse des Rechtsanwalts zu, den er vertritt.“) befugt, überall dort aufzutreten, wo auch die vertretene Person als Prozessbevollmächtigte/r auftreten könnte. Die Vertretungsbefugnis besteht in diesem Fall auch unabhängig von der Zustimmung des/der Vorsitzenden (Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 9. Aufl. 2019, Rn. 3554 ff.; Schwärzer, in Weyland [Hrsg.], Bundesrechtsanwaltsordnung, 10. Aufl. 2020, § 53 Rn. 42a).


[a] Handschriftlicher Vermerk: Janetzko JustOSekr.

[b] Handschriftlicher Vermerk: Scholze Just. Ass.

[c] Handschriftlich durchgestrichen: (Text unleserlich)

[d] Maschinell eingefügt: RA

[e] Maschinell ergänzt: dazu

[f] Handschriftlich ersetzt: II durch I

[g] Maschinell eingefügt: von

[h] Maschinell eingefügt: auch

[i] Maschinell durchgestrichen: Kann der Herr Zeuge entlassen werden?

[j] Maschinell durchgestrichen: wird im

[k] Maschinell durchgestrichen: und

[l] Maschinell ersetzt: mit durch der

[m] Maschinell eingefügt: spät

[n] Maschinell eingefügt: der

[o] Maschinell eingefügt: sind

[p] Maschinell ersetzt: sich durch hier

[q] Maschinell ersetzt: in durch Berlin

[r] Maschinell eingefügt: Ihnen

[s] Maschinell eingefügt: gehabt

[t] Maschinell eingefügt: wird

[u] Maschinell eingefügt: das

[v] Handschriftlich durchgestrichen: wirklich

[w] Maschinell eingefügt: das

[x] Handschriftlich ergänzt: zusätzliche

[y] Maschinell ersetzt: an durch einen

[z] Maschinell eingefügt: es