142. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Mittwoch, den 8. September 1976, um 9.31 Uhr



[11461] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Mittwoch, den 8. September 1976, um 9.31 Uhr.

(142. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte sind anwesend:

Just. Ass. Clemens, Just. Ass. z. A. Scholze

Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]

Als deren Verteidiger sind anwesend Rechtsanwälte Schily, Künzel, Schnabel, Schwarz, Maixner (als Vertreter für RA. Grigat), Schlaegel.

Vors.:

Ich bitte Platz zu nehmen. Wir setzen die Sitzung fort. Herr Rechtsanwalt Grigat wird heute vertreten von Herrn Rechtsanwalt Maixner. Die Vertretung wird genehmigt, heute Vormittag. Dann: Herr Rechtsanwalt Eggler kommt verspätet; er hat sich insoweit entschuldigt.

Zunächst sind zwei ... Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann. Es[a] ist nicht bekannt, warum er bisher noch ausgeblieben ist. Sie haben auch keine Kenntnis davon? (zu Herrn RA Schily) Zwei Dinge sind zunächst bekanntzugeben, um hier das rechtliche Gehör den Beteiligten einzuräumen. Wie schon in der Verhandlung angekündigt, ist dem Herrn Generalbundesanwalt,[2] nachdem Herr Bundesanwalt Dr. Wunder eine mögliche Ergänzung seiner Stellungnahme aufgrund des Beweisantrages von Herrn Rechtsanwalt Schily angekündigt hatte, vom Senat geschrieben worden. Der Wortlaut dieses Schreibens ist folgender:

Der Vorsitzende verliest das Schreiben vom 2.9.1976 an den Herrn Generalbundesanwalt Siegfried Buback.

Eine Ablichtung dieses Schreibens ist dem Protokoll als Anlage 1 beigefügt.

Inzwischen ist die Antwort, die Ergänzung des Generalbundesanwaltes hier eingegangen.

[11462] Den Prozeßbeteiligten werden Ablichtungen[b] des Antwortschreibens des Generalbundesanwalts vom 6.9.1976 ausgehändigt. (siehe Anlage 8 zum Protokoll)

Vors.:

Ich möchte dann bitten, zur Frage der Verlesung gem. § 256[ StPO][3] Stellung zu nehmen. Und dabei wäre Gelegenheit gegeben, sich zugleich[c] nochmals zum Schicksal des Beweisantrags von Ihnen (=RA Schily)[d] zu äußern, obwohl dazu ja bereits von Ihnen ausführlich zu hören war, daß Sie auf diesem[e] Beweisantrag in der gestellten Form beharren.

Bitte, Herr Rechtsanwalt Schily? Ich weiß nicht, ob Sie das Schreiben nicht zuerst zur Kenntnis nehmen wollen, ich glaube, Sie haben es noch gar nicht gelesen.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, meine Herrn des Senats, ich bin nach wie vor der Auffassung, daß eine[f] Verlesung des Schreibens des Generalbundesanwalts, auch dieses ergänzenden Schreibens, nicht in Betracht kommt. Ich glaube, es ist nicht sehr sinnvoll, daß ich nun praktisch die ganze Argumentation, die ja in anderem Zusammenhang bereits hier vorgetragen worden ist, wiederhole. An meiner Rechtsauffassung zu dieser Frage hat sich nichts geändert. Und ich bin auch heute der Auffassung, daß das ergänzende Schreiben des Generalbundesanwaltes vom 6. September 1976 hier nicht durch Verlesung eingeführt werden kann. Ich wiederhole nur den einen Satz, daß meiner Ansicht nach dieses schriftliche Befragungsverfahren nicht zulässig ist und daß es notwendig ist, das in der Hauptverhandlung stattfinden zu lassen. Das folgt aus dem Unmittelbarkeits- und Mündlichkeitsprinzip, das den Strafprozeß beherrscht.[4] Gestatten Sie mir aber noch, ich habe Ihnen das gestern bereits vorab telefonisch mitgeteilt, Herr Vorsitzender, aber ich würde es gerne auch hier zu Protokoll geben, daß in dem Verwaltungsstreitverfahren Ensslin gegen den[g] Bundesminister der Justiz bzw. die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesjustizminister, Termin zur mündlichen Verhandlung über den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung, sowie über die Klage[5] - also beides ist zusammengefaßt - anberaumt worden ist auf Mittwoch nächster Woche, 15. September, 14 Uhr, vor dem Verwaltungsgericht Köln. Diese Erklärung gebe [11463][6] [11464] ich deshalb zu Protokoll, weil ja hier noch über[h] meinen[i] Antrag zu befinden sein wird, über die Frage der Schließung der Beweisaufnahme.

Vors.:

Ja. Der Termin ist mit dem Senat abgesprochen zwischen dem[j] Verwaltungsgericht Köln; und es kann jetzt schon daran angefügt werden, daß also am kommenden Mittwoch keine Sitzung sein kann, damit die Prozeßbeteiligten, soweit sie dort an der mündlichen Verhandlung teilnehmen wollen, dazu Gelegenheit haben. Damit kehren wir zurück zur Stellungnahme zur eventuellen Verlesung gem. § 256[ StPO]. Herr Rechtsanwalt Schwarz, bitte sehr.

RA Schw[arz]:

Ich trete für den Angeklagten Baader einer Verlesung des Schreibens des Herrn Generalbundesanwalts vom 6.9.1976 entgegen. Zur Begründung kann ich mich auf das beziehen, was Herr Rechtsanwalt Schily sowohl in der letzten Sitzung als auch heute vorgetragen hat. Im übrigen bin ich der Meinung: Gerade die Ausführungen[k] im Schreiben vom 6. September 1976 zeigen, daß es sich hier eben in Wirklichkeit nicht um eine Behördenäußerung handelt, sondern daß es sich um die Äußerung der Person des Herrn Generalbundesanwalt handelt; und gerade der ist ja als Zeuge benannt und soll als Person vernommen werden.

Vors.:

Danke. Weitere Stellungnahmen dazu? Herr Rechtsanwalt Schlaegel.

RA Schla[egel]:

Wir schließen uns für den Angeklagten Raspe diesem Antrag an, dieser Stellungnahme von Herrn Schwarz und beziehen uns auf die Begründung.

Vors.:

Sonstige Äußerungen seitens der Herrn Verteidiger sehe ich nicht. Die Bundesanwaltschaft? Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. W[under]:

Ich beantrage die Verlesung des Schreibens des Generalbundesanwalts vom 6. September 1976. Es handelt sich meiner Auffassung nach um eine echte Behördenerklärung nach § 256[ StPO]. Und ich wiederhole, daß es sich ausschließlich um Wissen handelt, das der Generalbundesanwalt in seiner Eigenschaft als Behördenleiter erfahren hat. Ich beziehe mich im übrigen auf meine Ausführungen in der letzten Sitzung.

Vors.:

Danke. Der Senat wird sich dann über diese Frage[l] schlüssig werden in einer Pause, die nachher ohnehin eingelegt werden muß. Dann ein weiterer Punkt, zu dem die Herrn Prozeßbeteiligten [11465] Gelegenheit erhalten sollen, sich zu äußern. Es liegt nunmehr das Vernehmungsprotokoll der Zeugin Roll, d.h. der konsularischen Vernehmung[7] der Zeugin Roll hier vor. Es ist die Frage zu prüfen, ob dieses Protokoll gem. § 251 Abs. 1 Nr. 3 der StPO[8] verlesen werden soll. Auch hierzu gebe ich Gelegenheit, Stellung zu nehmen.

Rechtsanwalt Dr. Heldmann erscheint um 9.39 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Zweckmäßigerweise ist natürlich, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, ich bin gern bereit, nochmals zu unterrichten, denn der Antrag stammt von Ihnen. Wir haben inzwischen das Vernehmungsprotokoll aus Triest bekommen. Es erhebt sich jetzt die Frage der Verlesung nach § 251 Abs. 1 Nr. 3[ StPO] und dazu soll jetzt Gelegenheit gegeben werden, bevor der Senat einen entsprechenden Beschluß faßt. Wollen Sie sich dazu äußern?

RA Dr. H[eldmann]:

Einverstanden mit der Verlesung.

Vors.:

Ja, sonstige Stellungnahmen dazu? Die Herrn Verteidiger? Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Schi[ly]:

Ich gebe ausdrücklich dazu keine Erklärung ab.

Vors.:

Keine Erklärung. Sonstige Äußerungen sehe ich nicht. Die Bundesanwaltschaft? Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. W[under]:

Wir beantragen die Verlesung dieser Vernehmung. Die in dieser Form aufgenommene ist einer richterlichen Vernehmung gleichzusetzen.

Vors.:

Danke. Das sind zwei Punkte, die der Senat, wie gesagt, in einer nachher eintretenden Pause überlegen will. Wir haben nun vorgesehen, daß, wenn weitere Beweisanträge gestellt werden, jetzt Gelegenheit ist.

Herr Rechtsanwalt Schily, Sie haben ja gestern schon telefonisch mitgeteilt, Sie wollten heute Anträge stellen. Ich darf bitten.

Rechtsanwalt Schily verliest nunmehr den aus Anlage 2 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrag, der anschließend übergeben wurde und dem Protokoll beigefügt ist.

[11466][9] [11467] Vors.:

Ist das der einzige Antrag?

RA Schi[ly]:

Das ist der einzige Antrag.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, Sie haben kürzlich erkennen lassen, daß auch Sie noch Anträge haben. Bitteschön.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich beantrage,

den Leiter der Abteilung K 4 im Kriminalamt der Stadt Hamburg, Herrn Opitz, als Zeugen zu hören zum Beweis dafür:

a) daß der Zeuge Gerhard Müller Andreas Baader beschuldigt hat, Ingeborg Barz[10] getötet zu haben,

b) daß die diesbezüglichen Angaben Müllers als unwahr erkannt worden sind.

Ich beantrage ferner,

Herrn[m] Manfred Nollack, zur Zeit Untersuchungshaft-Vollzugsanstalt Hamburg, als Zeugen zu hören zum Beweis dafür:

Daß ihm der Zeuge Gerhard Müller erklärt hat - und nun zitiere ich in der indirekten Rede seine bisherigen und seine noch zu erwartenden Aussagen seien zu einem Teil unwahr, zu einem anderen Teil halbwahr. Jedoch sei ihm, Müller also, für diese Aussagen in Aussicht gestellt worden, die Gefahr einer Verurteilung wegen Mordes[11] abwenden zu können. Dies sei ihm auch gelungen. Jetzt jedoch müsse er wohl oder übel diese einmal angenommene Strategie fortsetzen, um im Zuge der Revision oder durch spätere Begnadigung auch von seiner 10jährigen Freiheitsstrafe loszukommen. Nur dies zähle. Wie er das in seiner Autobiografie, die er zu schreiben und zu verkaufen gedenke, vertreten solle, wisse er selbst noch nicht.

Vors.:

Ich hab nicht richtig mitgehört. Geht aus dem Antrag hervor, wann diese Äußerungen Müllers gegenüber Nollack gefallen sein soll?

RA Dr. H[eldmann]:

Es geht aus diesem Antrag nicht hervor.

Vors.:

Nicht hervor. Ist das bekannt?

RA Dr. H[eldmann]:

Es ist bekannt. Jedenfalls nach Beendigung - ich möchte mich vorsichtig ausdrücken - jedenfalls nach Abschluß seiner hier vorgelegten Aussagen vor dem Bundeskriminalamt.

Vors.:

Heißt das, nach Abschluß seiner Aussagen hier vor dem Senat?

RA Dr. H[eldmann]:

Nein. Nach Abschluß seiner hier uns vorgelegten Aussagen vor dem Bundeskriminalamt.

Vors.:

Schriftlich vorgelegten. Das wäre ...

[11468] RA Dr. He[ldmann]:

Also zwischen Ende Mai und dem 8. Juli.

RA Schi[ly]:

Das Protokoll endet ja wohl Ende Mai.

Vors.:

Ende Mai, ja. Also nach dem Ende Mai.

Wir gehen davon aus, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, daß wir diese Beweisanträge schriftlich bekommen. Ist das richtig?

RA Dr. He[ldmann]:

Wenn Sie mit handschriftlich einverstanden sind?

Vors.:

Gerne. Die lassen wir ablichten. Sie bekommen Ihre Originale zurück.

Weitere Anträge?

RA Dr. He[ldmann]:

Antrag,

als Zeugen zu hören

Karl-Heinz Dellwo,

Hanna Krabbe,

Bernhard Roesner,

Lutz Taufer,

z.Zt. Justizvollzugsanstalt Düsseldorf,

zum Beweis dafür,

daß die Aussage des Zeugen Gerhard Müller, Siegfried Hausner sei über Rechtsanwalt Croissant zur RAF gekommen, unwahr ist.

Antrag,

als sachverständigen Zeugen[12]

Herrn Dr. Kahnamui,

JVA Düsseldorf - als beamteter Anstaltsarzt -

zu hören zum Beweis der Tatsachen,

a) daß die von ihm behandelte Schußwunde des Herrn Baader durch ein Dum-Dum-Geschoß verursacht worden ist und

b) an einer Körperstelle, an der eine Hauptschlagader verläuft.

Weiterer Antrag,

als sachverständigen Zeugen

Herrn Dr. Degenhardt,

Anstaltsarzt, JVA Kassel,

[11469] dafür zu hören, zum Beweis für die Tatsache,

a) daß auf seine Weisung - ich sagte sachverständigen Zeugen - auf seine Weisung, jedenfalls mit seinem Wissen, Andreas Baader für die Dauer von 8 Tagen das Trinkwasser entzogen worden ist,[13] um ihn zu bewegen, von seinem Hungerstreik abzulassen.

b) daß der hier benannte sachverständige Zeuge insoweit im Einvernehmen, jedenfalls mit Wissen seiner vorgesetzten Dienstbehörde gehandelt hat,

c) daß der sachverständige Zeuge als - soweit als Sachverständiger - aussagen wird, daß ein Trinkwasserentzug über die Dauer von 8 Tagen unmittelbar lebensgefährlich ist, jedenfalls aber zu schwerwiegenden Körperschäden führen kann, mit Sicherheit zu solchen, die ohne weitere körperliche Ursachen die Verhandlungsfähigkeit auf längere Dauer erheblich beeinträchtigen können, d.h. also monokausal die Verhandlungsfähigkeit reduzieren können.

Vors.:

Zur Bedeutung dieses Antrages auch eine Frage. Wollen Sie damit beweisen, daß Herrn Baader Flüssigkeit entzogen worden ist auf 8 Tage oder nur Wasser?

RA Dr. H[eldmann]:

Wasser.

Vors.:

Das würde also nicht ausschließen, daß möglicherweise Flüssigkeit in sonstiger Form in ausreichender Menge zur Verfügung gestanden hat, Obstsäfte, Früchte, Milch und dergleichen.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich vermute, das wird uns auf eine solche Frage der von mir benannte Dr. Degenhardt als sachverständiger Zeuge sagen können.

Vors.:

Gut. Also Sie behaupten nur den Wasserentzug.

RA Dr. H[eldmann]:

So habe ich es formuliert, ja.

Vors.:

Sonstige Anträge, Herr Rechtsanwalt?

RA Schi[ly]:

Ich schließe mich den Beweisanträgen des Kollegen Dr. Heldmann an.

Vors.:

Ist der letzte Antrag auch schriftlich formuliert?

RA Dr. H[eldmann]:

Nein.

Vors.:

Der kam mündlich. Dann würde ich jetzt bitten, daß wir die gesamten ...

RA Dr. H[eldmann]:

Aber ich ...

Vors.:

Kommen von Ihnen weitere Anträge?

[11470] RA Dr. H[eldmann]:

Nein, also jedenfalls im Moment nicht.

Vors.:

Meine Herrn, ich möchte also jetzt dringlichst darum bitten, daß Beweisanträge, die gestellt werden können, auch tatsächlich gestellt werden. Es ist an sich nicht ersichtlich, wenn Sie noch Weiteres im Auge haben, warum Beweisanträge dann jetzt nicht gestellt werden könnten. Solche langen Überlegungen, wenn nicht Erkundigungen notwendig sind, sind wohl für Beweisanträge im Einzelnen nicht erforderlich. Und der Senat muß darauf hinweisen, daß diese Beweisanträge, wie ja jeder sieht, zu einer ständigen Ausdehnung des Verfahrens führen müssen. Und deswegen möchte ich also im Interesse der gebotenen, durch die Menschenrechtskonvention vorgeschriebenen Beschleunigung eines Verfahrens[14] die Herrn Verteidiger bitten, alle Beweisanträge jetzt hier vorzutragen. Ich betone ausdrücklich, daß der Senat darauf größten Wert legt. Es sind ausschließlich die Beweisanträge, die gegenwärtig die Ausdehnung des Verfahrens bewirken müssen. Das ist kein Vorwurf, Sie haben das Recht, Beweisanträge zu stellen. Aber Sie haben die Pflicht, sie so schnell und zügig wie möglich dem Gericht bekanntzugeben. Ich darf nun bitten, daß wir das, was handschriftlich vorliegt, bekommen und wir lassen es fotokopieren und geben dann die Originale zurück.

Herr Rechtsanwalt Künzel, Sie haben eine Andeutung gemacht bei einem Telefongespräch, das ich mit Ihnen hatte wegen des gestellten Beweisantrages, daß Sie möglicherweise auch noch einen Beweisantrag im Auge haben.

RA Kün[zel]:

Das kann ich heute noch nicht abschließend, aber in wenigen Tagen, zwei, drei Tagen sagen.

Vors.:

Dann würde ich folgenden Vorschlag machen. Wir wissen ja, Sie haben hier die Person[n] benannt, die ins Auge gefaßt ist. Sollten Sie einen positiven Bescheid von dieser Seite bekommen, daß Sie vielleicht dann die betreffende Beweisperson in die Sitzung mitbringen, damit wir hier keine weitere Zeit mehr verlieren und nicht noch durch Ladungen und dergleichen wieder Sitzungstage verlieren. Da wäre ich Ihnen sehr dankbar dafür.

Ich gehe davon aus, daß die Bundesanwaltschaft zu den Beweisanträgen auch erst Stellung nehmen will, wenn die schriftlichen [11471] Anträge vorliegen?

BA Dr. W[under]:

Nein, Herr Vorsitzender, wir würden zu den ersten drei Anträgen, Mutter Müllers, Herr Opitz und Manfred Nollack schon sagen, daß wir dem nicht entgegentreten würden. Hinsichtlich der anderen Beweisanträge würden wir uns gerne eine Stellungnahme noch vorbehalten.

Vors.:

Ja. Damit sind alle Anträge, die heute gestellt werden sollen, gestellt. Das Gericht tritt nunmehr in eine Pause ein, a) um sich über die vorhin angesprochenen Fragen schlüssig zu werden - Verlesung Protokoll Roll, Ergänzungsschreiben des Generalbundesanwalts. Und vielleicht kann bis dahin auch schon vorgeklärt werden in der Pause, wie es mit dem weiteren Beweisprogramm aussieht: Ob wir imstande sind, die genannten Beweispersonen rasch hierher zu bekommen, so daß vielleicht schon die Mitteilung erfolgen kann, wie es am nächsten Dienstag oder gar morgen weiter gehen könnte. Deswegen bitte ich um 1 Stunde Pause. Wir treffen uns um 11 Uhr im Saale wieder.

Pause von 9.53 Uhr bis 11.03 Uhr

Ende von Band 670

[11472] In der Pause übergibt Rechtsanwalt Dr. Heldmann seine zuvor gestellten Beweisanträge um diese fotokopieren zu lassen.

Die Kopien sind dem Protokoll als Anlagen 3 - 7 beigefügt.

Fortsetzung der Hauptverhandlung um 11.03 Uhr

Rechtsanwalt Eggler ist nunmehr auch[o] anwesend.

Vors.:

Zunächst ist aufgrund der gestellten Beweisanträge bekanntzugeben, insoweit wird stattgegeben - bis jetzt - als auf Dienstag geladen sind die Zeugin Müller, der Zeuge Opitz und der Zeuge Nollack, Dienstag, 14.9., 9.00 Uhr; vorbehaltlich natürlich der Erreichbarkeit der Zeugen. Wir haben noch keine Rückbestätigung bekommen, aber jedenfalls das Beweisprogramm ist vorgesehen.

Am Mittwoch, wie gesagt, keine Sitzung, dagegen am Donnerstag, 16.9. müssen wir uns Sitzung vorbehalten, ohne jetzt schon ein Programm angeben zu können. Hinsichtlich der übrigen Beweisanträge wird dann zu gegebener Zeit, möglicherweise am Dienstag, eine Entscheidung bekanntgegeben.

Soll dazu noch was geäußert werden?

Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. Wu[nder]:

Die Bundesanwaltschaft wird zu den Punkten 4 und 6 der vorhin gestellten Beweisanträge keine Erklärung abgeben. Bei Punkt 5 allerdings erwägen wir zu der Behauptung, die Polizei habe bei der Festnahme in Frankfurt mit Dum-Dum-Munition geschossen, einen eigenen Beweisantrag noch zu stellen.

Vors.:

Danke. Sonst keine Äußerungen.

[11473] Vors.:

Dann ist folgender Senatsbeschluss bekanntzugeben:

Das Schreiben des Generalbundesanwalts vom 6.9.1976, eingegangen beim Senat am 8.9.76, ist aus den Gründen des zu der Äußerung des Generalbundesanwalts vom 27.8.1976 ergangenen Beschlusses vom 31.8.1976[15] zu verlesen.

Gemäß §§ 256 und 136a StPO wird das Schreiben des Generalbundesanwalts vom 6.9.1976 verlesen.

Eine Ablichtung des Schreibens wird als Anlage 8 zum Protokoll genommen.

Soll dazu irgendetwas geäußert werden? Ich sehe nicht.

Dann wird ein weiterer Beschluß des Senats verkündet:

Der von Rechtsanwalt Schily (Verteidiger der Angeklagten Ensslin) und Rechtsanwalt Dr. Heldmann (Verteidiger des Angeklagten Baader) gestellte Antrag, Herrn Generalbundesanwalt Buback als Zeugen zu vernehmen,[16] wird abgelehnt.

Gründe:

Soweit Herr GBA Buback über die Akten 3 ARP 74/75 I,[17] über Aussagen des Zeugen Gerhard Müller in Bezug auf den Zeugen Dierk Hoff[18] und die Mitwirkung der Ermittlungsbehörden hieran, schließlich über die Bekundungen des Zeugen Müller im Hinblick auf Ingeborg Barz aussagen soll (Absätze 1 - 3 des schriftlich überreichten Beweisantrags vom 19./20. 7. 76), hat er vom Bundesminister der Justiz keine Aussagegenehmigung[19] erhalten, darf also nicht vernommen werden (§ 54 StPO).

Zu den sonstigen in sein Wissen gestellten Tatsachen (Abs. 4 und 5 des Antrags: Angebote an den Zeugen Müller als Gegenleistung für eine Aussage, Andeutung einer lebenslangen Freiheitsstrafe; Absprache der Ermittlungsbehörden mit dem Zeugen Müller über den Zeitpunkt seiner Aussage im Hinblick auf den Ablauf der Revisionsfrist, publizistische Verwertung seiner Aussagen) hat GBA Buback mit Schreiben vom [11474][20] [11475-11476][21] [11477][22] [11478][23] [11479][24] [11480-11481][25] [11482] 27.8.1976 sich schriftlich erklärt und diese Erklärung - nach Stellungnahme der Antragsteller - auf Veranlassung des Gerichts mit Schreiben vom 6.9.1976 ergänzt.

Die in den Absätzen 4 und 5 des Beweisantrags aufgestellten Behauptungen zielen darauf ab, zu ermitteln, ob gegenüber dem Zeugen Müller verbotene Vernehmungsmittel im Sinne von § 136a StPO[26] angewandt wurden. Diese Zielrichtung der Vernehmung des Generalbundesanwalts ergibt sich zweifelsfrei aus dem bisherigem Vortrag und den früheren Anträgen der Antragsteller und wird erst neuerdings wieder in dem an das Verwaltungsgericht Köln gerichteten Antrag vom 25.8.76 wegen Erteilung einer Aussagegenehmigung hervorgehoben (S. 8 jenes von Rechtsanwalt Schily in der Hauptverhandlung am 31.8.1976 verlesenen Antrags).

Insoweit gilt Freibeweis.[27] Im Hinblick auf die schriftlichen Erklärungen des GBA hält der Senat nicht geboten, den GBA in der Hauptverhandlung zu hören. Die Antragsteller haben bisher - über die Wiederholung blosser Behauptungen hinaus - nichts dargetan (und die Beweisaufnahme hat nichts ergeben), was es erforderlich erscheinen lassen könnte, über die schriftlichen Bekundungen des GBA hinaus sein mündliches Zeugnis einzuholen.

Darüber hinaus hat der Senat die schriftlichen Erklärungen des GBA gem. § 256 StPO in der Hauptverhandlung verlesen. Bei den in das Wissen des GBA gestellten Tatsachen handelt es sich durchweg um solche, die ihm - falls er davon erfahren hätte - allein in seiner Eigenschaft als GBA zur Kenntnis gekommen wären, das heißt als „öffentliche Behörde“ im Sinne von § 256 Abs. 1 StPO. Hierbei ist, wie der Senat schon in den Beschlüssen vom 6.5.76 (betr. GBA Buback) und vom 17.8.76 (betr. BMJ Dr. Vogel) ausgeführt hat, unerheblich, ob die Beweisperson mit ihrem Namen oder ihrer Behördenbezeichnung benannt wird; stets ist der sachliche Gehalt der erstrebten Auskunft maßgebend.

[11483] Die Verlesung scheiterte auch nicht daran, daß GBA Buback im Rahmen eines Beweisantrages benannt worden war (vgl. Gollwitzer bei Löwe-Rosenberg, 22. Aufl., 6 zu § 256 StPO;[28] BayObLG NJW 53, 194[29]).

Der Senat hat geprüft, ob die Ladung des GBA aus Gründen der besseren Aufklärung - im Vergleich zur schriftlichen Erklärung - geboten sein könnte, und hat diese Frage verneint. Es fehlt jeglicher Anhalt dafür, eine Vernehmung des GBA werde zur Wahrheitsfindung mehr beitragen können als seine schriftliche Erklärungen.

- - -

Ferner ist der Beschluß zu verkünden:

Die Niederschrift über die konsularische Vernehmung der Zeugin Carmen Roll in Triest am 2.9.1976 soll verlesen werden.

Gründe:

Der Senat hat durch Beschluss vom 24.8.1976 die kommissarische Vernehmung der Zeugin Carmen Roll durch das Deutsche Generalkonsulat in Mailand mit folgender Begründung angeordnet:

„Frau Roll hält sich in Triest auf, wo sie in der Psychiatrischen Provinzklinik ein Praktikum absolviert. Unter Hinweis hierauf und auf die dadurch bedingte Unabkömmlichkeit hat sie dem Senat mitgeteilt, sie sei nicht in der Lage, der Ladung des Senats zur Hauptverhandlung in Stuttgart Folge zu leisten; für eine konsularische Vernehmung in Triest stehe sie zur Verfügung.

Im Hinblick auf diese Sachlage kann Frau Roll das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung nicht zugemutet werden (§ 223 Abs. 2 StPO). Die in Italien zulässige Vernehmung durch den zuständigen deutschen Konsularbeamten[p] bietet sich an.

Rechtsanwalt Dr. Heldmann, der die Ladung der Zeugin beantragt [11484] hat, hat erklärt, er trete der konsularischen Vernehmung nicht entgegen.

Die hier geschilderten Umstände bestehen fort.

Die Vernehmung ist am 2.9.1976 erfolgt: die Niederschrift liegt in beglaubigter Abschrift vor. Sie zeigt, daß sich die Aussage der Zeugin von den Angaben von 11 weiteren Zeugen, die auf Antrag von Rechtsanwalt Dr. Heldmann in der Hauptverhandlung zu denselben Beweisthemen gehört wurden, nur unwesentlich unterscheidet. Deshalb steht auch die Bedeutung der Aussage ihrer Verlesung in der Hauptverhandlung nicht entgegen (§ 251 Abs. 1 Nr. 3 StPO).

- - -

Gemäß § 251 Abs. 1 Nr. 3 StPO wird die beglaubigte Abschrift über die kommissarische Vernehmung der Zeugin Carmen Roll verlesen.

Die Abschrift der Vernehmung wird als Anlage 9 zum Protokoll genommen.

Die Zeugin Carmen Roll bleibt gem. § 60 Ziff. 2 StPO[30] wegen Verdachts der Tatbeteiligung nach der Verlesung des Protokolls unbeeidigt.

Das Original, das uns zugehen wird, wird bei dem Ordner Beweisanträge abgelegt werden. Keine Äußerung hierzu.

Dann ist der Beschluss zu verkünden:

Die gegen die Zeuginnen Eckes und Stachowiak am 28.7.76 zur Erzwingung des Zeugnisses verfügte [11485] Haft[31] von jeweils höchstens 6 Monaten wird

aufgehoben,

nachdem beide Zeuginnen am 31.8.76 Aussagen gemacht haben.

Die Verhängung von Ordnungsgeld in Höhe von jeweils 500,-- DM, ersatzweise 21 Tagen Ordnungshaft, und die Auferlegung der Kosten bleiben bestehen.

- - -[q]

Ferner ist der Beschluss zu verkünden:

Der von Rechtsanwalt Schily (Verteidiger der Angeklagten Ensslin) gestellte - wiederholte - Antrag, die Akten der Bundesanwaltschaft 1 BJs 7/76[32] beizuziehen, wird

abgelehnt.

Gründe:

Wie schon im Beschluss vom 8.7.1976 ausgeführt, hat der Senat keinen Zweifel daran, dass die Bundesanwaltschaft - wie sie wiederholt erklärt hat - aus den genannten Akten alle für das hiesige Verfahren irgendwie relevanten Teile hierher vorgelegt hat. Die Beteiligten haben Ablichtungen erhalten.

- - -[r]

Ferner ist der Beschluss zu verkünden:

Der Antrag von Rechtsanwalt Künzel, Verteidiger der Angeklagten Ensslin, Frau Christel Beilmann aus Bochum als Zeugin zu vernehmen, wird abgelehnt.

Gründe:

In das Wissen der Zeugin werden folgende Tatsachen gestellt: Gemeinsam mit Bernward Vesper habe Frau Ensslin in einem eigenen Verlag, dem Studio Neue Literatur Gudrun Ensslin, 1964 ein Buch herausgegeben unter dem Titel „Gegen den Tod“. Darin erhöben [11486-11489][33] [11490] namhafte Schriftsteller ihre Stimme gegen die atomare Bewaffnung als einer Geisel der Menschheit. Das Hans Henny Jahnn gewidmete Buch sei in Abschnitte gegliedert, u.a.: Heimsuchung, Das vorgesehene Verrecken, Abbau des Hasses, Der Christ im Atomzeitalter, An die Völker und Wettlauf mit dem Tode.

Frau Ensslin habe sich mit den Stimmen, die sie in dem Buch zu Wort kommen ließ, damals identifiziert und die vorgetragenen Anliegen damals zu ihrem eigenen gemacht.

Einige Auszüge aus dem Buch werden in dem schriftlich überreichten Beweisantrag wiedergegeben. Hierauf wird Bezug genommen.

Die Behauptung des Antragstellers wird so behandelt, als wären die behaupteten Tatsachen wahr (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO).[34]

- - -

Schließlich ist noch ein Beschluß zu verkünden:

Der Vorsitzende verliest nun den Beschluß, der dem Protokoll als Anlage 10 beigefügt ist.

Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Schi[ly]:

Ich hätte gerne eine Kopie von dem Beschluß vorab, wäre das möglich?

Der Vorsitzende erklärt, daß der Beschluss nochmals abgeschrieben wird, da er handschriftliche Korrekturen enthält, und daß die Abschrift in einer halben Stunde von den Prozessbeteiligten auf der Geschäftsstelle abgeholt werden könne.

Vors.:

Damit sind wir am Ende der Beweisaufnahme. Nochmals der Hinweis: Am kommenden Dienstag ... Wir haben doch noch ein kleines Verlesungsprogramm und können gerade diese Zeit ausnützen, um diesen Beschluss ...

Rechtsanwalt Künzel verlässt um 11.38 Uhr den Sitzungssaal.

[11491] RA Schi[ly]:

Am Ende der Beweisaufnahme sind wir wohl noch nicht, Herr Vorsitzender?

Vors.:

Nein.

RA Schi[ly]:

Sie sagten eben, wir sind am Ende der Beweisaufnahme.

Vors.:

Verzeihung, das war natürlich ein Versprecher. Am Ende des heutigen Beweisprogrammes, so war es gemeint. Ich weiß nicht, ob ich nicht von Beweisprogramm gesprochen habe.

Wir schließen das heutige Beweisprogramm doch noch nicht, sondern wir stellen jetzt aus den vorhandenen Straflisten zunächst die hier vorhandenen Einträge der Angeklagten fest. Bitte, Herr Dr. Breucker.

Das Vorstrafenverzeichnis des Angeklagten Baader aus den Personensachakten Baader Band VI S. 7/77 mit Ausnahme der Einträge in der Erziehungskartei wird verlesen.

Anträge auf Verlesung der Einträge aus der Erziehungskartei des Angeklagten Baader werden nicht gestellt.

Das Vorstrafenverzeichnis der Angeklagten Ensslin aus den Personensachakten Ensslin Band VII S. 7/75 - 77 wird verlesen.

Es wird festgestellt, daß das Vorstrafenverzeichnis des Angeklagten Raspe, Personensachakten Raspe Band VI S. 7/75, keine Eintragung enthält.

Vors.:

Dann wollen wir noch aus den hier vorhandenen amtlichen Unterlagen die Zeiten der Untersuchungshaft der Angeklagten feststellen durch die entsprechende Verlesung dieser Urkunden.

Es wird festgestellt, daß der Angeklagte Baader am 1. Juni 1972 festgenommen wurde und sich in dieser Sache seit 2. November 1974 in Untersuchungshaft befindet. Zwischen der Festnahme und dem Beginn dieser Untersuchungshaft verbüsste er Strafhaft.[35] Diese war unterbrochen in der Zeit vom [11492-11495][36] [11496] 19. - 21. November 1973 zur Vollstreckung einer Ordnungsstrafe und vom 22. November 1973 bis 22. Februar 1974 zur Vollstreckung einer Beugehaft, beides aufgrund Beschlusses des Landgerichts Berlin vom 10. Juli 1973 - Az.: (502) 1 PKLs 5/72 (25/72).

Der Ordnungsstrafen- und Beugehaftbeschluss des Landgerichts Berlin vom 10. Juli 1973 Az.: (502) 1 PKLs 5/72 (25/72) aus Personensachakten Baader Band I S. 334 wird verlesen.

Rechtsanwalt Künzel erscheint um 11.41 Uhr wieder im Sitzungssaal.

Die Mitteilungen über die Strafzeitberechnung für den Angeklagten Baader aus Personensachakten Baader Band I S. 398 und 441 werden verlesen.

Es wird festgestellt, daß die Angeklagte Ensslin am 7. Juni 1972 festgenommen wurde und sich in dieser Sache seit 1. September 1974 in Untersuchungshaft befindet. Zuvor war sie in anderer Sache in Strafhaft[37] und zwar bis 31. August 1974, diese Strafhaft war unterbrochen vom 7. bis 9. November 1973 zur Vollstreckung einer Ordnungsstrafe und vom 10. November 1973 bis 2. April 1974 zur Vollstreckung einer Beugehaft, beides aufgrund Beschlusses des Landgerichts Berlin vom 17. Juli 1973 - (502) 1 PKLs 5/72 (25/72) -

Der Ordnungsstrafen - und Beugehaftbeschluss des Landgerichts Berlin vom 17. Juli 1973 Az.: (502) 1 PKLs 5/72 (25/72) aus Personensachakten Ensslin Band I S. 277 wird verlesen.

Die Aufnahmemitteilung für die Angeklagte Ensslin aus Personensachakten Ensslin Band I S. 429 wird verlesen.

[11497] Es wird festgestellt, daß der Angeklagte Raspe am 1. Juni 1972 festgenommen wurde und sich seit dieser Zeit in Untersuchungshaft befindet. Diese war unterbrochen in der Zeit vom 15. bis 17. Oktober 1973 zur Vollstreckung einer Ordnungsstrafe und vom 18. Oktober 1973 bis 15. Januar 1974 zur Vollstreckung einer Beugehaft, beides aufgrund Beschlusses des Landgerichts Berlin vom 10. Juli 1973 Az.: (502) 1 PKLs 5/72 (25/72).

Der Ordnungsstrafen - und Beugehaftbeschluss des Landgerichts Berlin vom 10. Juli 1973 Az.: (502) 1 PKLs 5/72 (25/72). aus Personensachakten Raspe Band III S. 3 wird verlesen.

Die Aufnahmemitteilung für den Angeklagten Raspe aus Personensachakten Raspe Band III S. 155 f wird verlesen.

Die Entlassungsmitteilung für den Angeklagten Raspe aus Personensachakten Raspe Band III S. 155e wird verlesen.

Vors.:

Damit endgültig am Ende des heutigen Sitzungsprogramms. Fortsetzung Dienstag 9.00 Uhr mit der Vernehmung der genannten Zeugen. Vorbehalten in der nächsten Woche die Fortsetzung der Sitzung dann am Donnerstag, den 16.9.

Ende der Hauptverhandlung um 11.52 Uhr

Ende von Band 671


[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - Az.: 1 StE 1/74 - StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[2] Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof übt als Strafverfolgungsbehörde das Amt der Staatsanwaltschaft beim BGH (§ 142 Nr. 1 GVG), sowie in den zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug gehörenden Strafsachen (§ 142a Abs. 1 GVG) aus. Diese Zuständigkeit des OLG für Strafsachen in erster Instanz ist nur für besondere Straftaten gegeben, etwa für Hoch- und Landesverrat (§ 120 Abs. 1 Nr. 2 und 3 GVG). Der Generalbundesanwalt kann zudem die Strafverfolgung für Strafsachen, die eigentlich zur Zuständigkeit der Landgerichte gehören würden, wegen der besonderen Bedeutung des Falles übernehmen, was in der Folge ebenfalls zur Zuständigkeit des OLG in erster Instanz führt (§§ 120 Abs. 2, 74a Abs. 2 GVG).

§ 250 StPO enthält den Grundsatz der persönlichen Vernehmung. Nach § 250 Satz 2 StPO darf die Vernehmung einer Person über Tatsachen, die sie wahrgenommen hat, nicht durch die Verlesung einer früheren Vernehmung oder einer schriftlichen Erklärung ersetzt werden. Die §§ 251 ff. StPO enthalten enge Ausnahmen von diesem Grundsatz. § 256 StPO benennt bestimmte Arten verlesbarer Erklärungen, darunter die „ein Zeugnis oder Gutachten enthaltenden Erklärungen öffentlicher Behörden“ (§ 256 Abs. 1 Satz 1, 1. Var. StPO a.F.; heute: § 256 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StPO). Am vorigen Verhandlungstag kam es bereits zu einer Auseinandersetzung darüber, ob die Erklärung des Generalbundesanwalts nach § 256 StPO verlesen werden dürfe, obwohl seine Vernehmung als Zeuge in der Hauptverhandlung beantragt war (S. 11444 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 141. Verhandlungstag). Der Senat beschloss schließlich die Verlesung (S. 11448 f. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[4] Aus dem Unmittelbarkeitsgrundsatz, der seine Grundlage in der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO sowie der Vorschrift des § 261 StPO („Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung“) findet, ergibt sich, dass das Gericht nur auf der Grundlage der von ihm selbst (unmittelbar) in der Hauptverhandlung wahrgenommenen Umstände entscheiden darf (sog. formeller Unmittelbarkeitsgrundsatz, Kühne, Strafprozessrecht, 9. Aufl. 2015, Rn 914). Der materielle Unmittelbarkeitsgrundsatz - der unbedingte Vorrang des weniger mittelbaren Beweismittels - ist in der StPO hingegen nicht uneingeschränkt vorgesehen. Für Zeug/innen und Sachverständige normiert § 250 StPO den Vorrang des Personalbeweises: „Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Die Vernehmung darf nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer Erklärung ersetzt werden.“ § 256 StPO stellt hiervon jedoch eine gesetzliche Ausnahme dar. Das Prinzip der Mündlichkeit, nach dem nur das Grundlage der Urteilsfindung werden darf, was zuvor innerhalb der Hauptverhandlung im Rahmen der Mündlichkeit vorgetragen wurde, ist nicht explizit in der StPO geregelt, findet aber Ausdruck in den §§ 261, 264 StPO. Die Vorschriften über die förmliche Beweiserhebung (§§ 244-256 StPO) bleiben hiervon jedoch unberührt (Meyer-Goßner, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 261 Rn. 7).

[5] Wird die Erteilung einer Aussagegenehmigung abgelehnt, so steht den Prozessbeteiligten hiergegen der Verwaltungsrechtsweg offen (BVerwG, Urt. v. 24.6.1982 - Az.: 2 C 91/81, BVerwGE 66, S. 39, 41). Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit kommt neben einer Verpflichtungsklage auf Erteilung der Aussagegenehmigung zudem ein Antrag auf einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO in Betracht. Rechtsanwalt Schily hatte für die Angeklagte Ensslin vor dem VG Köln Klage auf Erteilung einer zuvor versagten Aussagegenehmigungen für den Generalbundesanwalt Buback erhoben; zudem hatte er einen entsprechenden Antrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (§ 123 VwGO) gestellt. Zum Antrag auf einstweilige Anordnung s. Anlage 2 zum Protokoll vom 31. August 1976 (S. 11426 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 141. Verhandlungstag).

[6] Anlage 1 zum Protokoll vom 8. September 1976: Schreiben des Vorsitzenden Dr. Prinzing an den Generalbundesanwalt Buback (unleserlich).

[7] § 223 StPO ermöglicht die Vernehmung durch eine/n ersuchte/n oder beauftragte/n Richter/in, wenn dem Erscheinen von Zeug/innen in der Hauptverhandlung nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen, oder ihnen das Erscheinen wegen großer Entfernungen nicht zugemutet werden kann. Die Vernehmung kann auch im Ausland stattfinden. In diesem Fall kann die Vernehmung durch Konsularbeamt/innen durchgeführt werden. Die konsularische Vernehmung ist in § 15 Konsulargesetz (KonsG) geregelt. Die Vernehmungen und Vereidigungen und die über sie aufgenommenen Niederschriften stehen dabei gem. § 15 Abs. 4 KonsG Vernehmungen und Vereidigungen sowie den darüber aufgenommenen Niederschriften inländischer Gerichte und Behörden gleich.

[8] § 251 StPO enthält Ausnahmen von dem Verlesungsverbot aus § 250 Satz 2 StPO (s. bereits Fn. 4). § 251 Abs. 1 Nr. 3 StPO a.F. (heute: § 251 Abs. 2 Nr. 2 StPO) gestattet die Verlesung der Niederschrift über eine frühere richterliche Vernehmung, wenn Zeug/innen oder Sachverständigen das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung (und unter Berücksichtigung der Bedeutung der Aussage) nicht zugemutet werden kann. Aufgrund der Gleichstellung der konsularischen Vernehmung und ihrer Niederschrift in § 15 Abs. 4 KonsG ist auf diesem Weg auch die Verlesung der konsularischen Vernehmungsniederschrift zulässig (Arnoldi, in Knauer/Schneider/Kudlich [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, 1. Aufl. 2016, § 223 Rn. 19).

[9] Anlage 2 zum Protokoll vom 8. September 1976: Antrag des Rechtsanwalts Schily auf Vernehmung von Frau Müller als Zeugin.

[10] Ingeborg Barz war ein frühes Mitglied der RAF. Zuvor war sie Teil der Hilfsorganisation Schwarze Hilfe und bildete u.a. gemeinsam mit Angela Luther, Inge Viett, Verena Becker und Waltraud Siepert eine feministische Gruppe namens Die schwarze Braut. Über Barz’ Position in der RAF ist nicht viel bekannt. 1971 soll sie beim Überfall auf eine Bank in Kaiserslautern mitgewirkt haben. Von der Verhaftungswelle 1972 war Barz nicht betroffen, gilt aber wie Angela Luther seitdem als verschwunden. Über ihren Verbleib existieren nur Spekulationen. Unter anderem stand der Verdacht im Raum, dass sie als Spitzel des Verfassungsschutzes enttarnt und von Baader erschossen worden sei (Kraushaar, Verena Becker und der Verfassungsschutz, 2010, S. 31 ff., 37 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S 299, 820). Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass die Behauptung, Baader habe Barz erschossen, von Gerhard Müller aufgestellt worden sei, um Baader wahrheitswidrig zu belasten (s. den Beweisantrag des Rechtsanwalts Dr. Heldmann am 142. Verhandlungstag, S. 11467 des Protokolls der Hauptverhandlung). Durch den Beweis der Unwahrheit dieser Tatsache sollte die Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen Müller insgesamt erschüttert werden (s. dazu etwa die Diskussion um den am 147.Verhandlungstag gestellten Beweisantrag, S. 11684 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Zu den Angaben, die Müller über in diesem Zusammenhang gemacht haben soll, s. auch die Ausführungen des Vernehmungsbeamten KHK Opitz am 152. Verhandlungstag (S. 11855 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[11] Bei einem Festnahmeversuch des RAF-Mitglieds Margrit Schiller wurde der Polizeibeamte Norbert Schmid erschossen. Er war das erste Todesopfer der RAF. Der genaue Tatvorgang, insbesondere die Täterschaft, konnte bis heute nicht aufgeklärt werden. Schiller selbst belastete Gerhard Müller schwer, der mit Urteil vom 16.3.1976 vom LG Hamburg zwar für andere Taten, darunter Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und Beihilfe zum Mord, nicht aber für den Mord an Schmid verurteilt wurde (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 113 ff.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 29). Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass der Freispruch Müllers in Bezug auf den Mord an Norbert Schmid Teil einer unzulässigen Absprache mit den Strafverfolgungsbehörden gewesen sei (s. dazu etwa die Beweisanträge in den Anlagen 8 und 12 zum Protokoll vom 20.7.1976, S. 10649 f., 10659 des Protokolls der Hauptverhandlung, 128. Verhandlungstag).

[12] Die Aufgabe von Zeug/innen ist es, eine persönliche Wahrnehmung über einen in der Vergangenheit liegenden Vorgang zu bekunden (BGH, Urt. v. 12.3.1969 - Az.: 2 StR 33/69, BGHSt 22, S. 347, 348), wobei es nur auf Tatsachen ankommt. Dazu gehören auch sog. innere Tatsachen, wie die eigene Überzeugung, bestimmte Motive etc. (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, Vor § 48 Rn. 2). Im Unterschied dazu vermitteln Sachverständige Sachkunde oder wenden diese bei der Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts an. Bei der Bekundung von Tatsachen ist zu unterscheiden: Wurde die bekundete Tatsache im Rahmen eines behördlichen Auftrages aufgrund der besonderen Sachkunde wahrgenommen, fällt auch die Tatsachenbekundung in den Aufgabenbereich der Sachverständigen. Wurde die Tatsache hingegen ohne Auftrag, aber dennoch aufgrund einer gewissen Sachkunde wahrgenommen, sind die Regeln für den Zeugenbeweis anwendbar (sog. sachverständiger Zeuge, § 85 StPO; s. zur Abgrenzung Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 85 Rn. 2 f.).

[13] Während des zweiten Hungerstreiks, in den inhaftierte RAF-Mitglieder von Anfang Mai bis Ende Juni 1973 traten, wurde Andreas Baader, zu dieser Zeit in der JVA Schwalmstadt untergebracht, zeitweise das Trinkwasser entzogen. Auf Nachfrage der Presse bestätigte das hessische Justizministerium dies, wies allerdings darauf hin, dass ihm stattdessen Milch zur Verfügung gestellt werde (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 121; Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 171 f.).

[14] Art. 6 EMRK enthält das Recht auf ein faires Verfahren. Dazu gehört u.a. der Anspruch, dass eine Strafanklage innerhalb angemessener Frist verhandelt wird (Abs. 1 Satz 1). Hierdurch soll erreicht werden, dass das Strafverfahren ohne vermeidbare Verzögerungen durchgeführt wird, damit Angeklagte den belastenden Auswirkungen eines gegen sie gerichteten Strafverfahrens nicht unnötig lang ausgesetzt werden. Befindet sich eine Person in Untersuchungshaft, erlangt der Beschleunigungsgrundsatz eine noch größere Bedeutung (Gaede, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, Art. 6 EMRK Rn. 361 f.).

[15] Der Beschluss befindet sich auf S. 11448 f. des Protokolls der Hauptverhandlung (141. Verhandlungstag).

[16] Der Beweisantrag des Rechtsanwalts Schily ist abgedruckt in Anlage 8 zum Protokoll vom 20.7.1976, S. 10649 f. des Protokolls der Hauptverhandlung (128. Verhandlungstag).

[17] In der Akte 3 ARP 74/75 I befanden sich Vernehmungsprotokolle mit Angaben des Zeugen Müller. Für diese Akte hatte der damalige Bundesjustizminister Vogel zunächst eine umfassende Sperrerklärung nach § 96 StPO („Die Vorlegung oder Auslieferung von Akten oder anderen in amtlicher Verwahrung befindlichen Schriftstücken durch Behörden und öffentliche Beamte darf nicht gefordert werden, wenn deren oberste Dienstbehörde erklärt, daß das Bekanntwerden des Inhalts dieser Akten oder Schriftstücke dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde“) abgegeben. Die Verteidigung bemühte sich lange darum, Einblick in die Akte zu erhalten. Erst am 158. Verhandlungstag gab die Bundesanwaltschaft schließlich nach erneuter Prüfung einen Großteil der Akte heraus (S. 12262 des Protokolls der Hauptverhandlung; s. zu den Vorgängen und Vermutungen rund um diese Akte auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 368 ff.). Am 159. Verhandlungstag wurde schließlich ein Schreiben des Bundesjustizministers bekanntgegeben, in welchem die letzten noch geheimhaltungsbedürftigen Passagen konkretisiert wurden (s. Anlage 2 zum Protokoll vom 9.11.1976, S. 12306 des Protokolls der Hauptverhandlung, 159. Verhandlungstag).

[18] Der Zeuge Dierk Hoff hatte in seiner Werkstatt einige der später von der RAF verwendeten Sprengkörperhüllen hergestellt. Er wurde als einer der Hauptbelastungszeugen ab dem 68., sowie am 98. Verhandlungstag vernommen. Gerhard Müller hatte während seiner Aussage in diesem Verfahren seine Angabe, er würde den Zeugen Hoff nicht kennen, korrigiert (S. 10407 des Protokolls der Hauptverhandlung, 126. Verhandlungstag). Die Verteidigung versuchte nachzuweisen, dass dies bereits den Ermittlungsbehörden bekannt gewesen sei und eine anderslautende Protokollierung in der Absicht erfolgt sei, die Widersprüche zwischen den Aussagen beider Zeugen zu verschleiern (so die Beweisbehauptung im Antrag auf Vernehmung des Generalbundesanwalts, S. 10649 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 128. Verhandlungstag).

[19] Landes- und Bundesbeamt/innen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet bezüglich aller Angelegenheiten, die ihnen im Rahmen ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgeworden sind. Aussagen vor Gericht hierüber sind nur nach und im Umfang der Genehmigung durch den jeweiligen Dienstherrn gestattet (heute geregelt in § 37 Abs. 1 und 3 BeamtStG für Landesbeamt/innen und in § 67 Abs. 1 und 3 BBG für Bundesbeamt/innen; für den Stand 1975 galten für Landesbeamt/innen noch Landesgesetze, die sich allerdings an § 39 des Beamtenrechtsrahmengesetzes vom 1.7.1957 orientieren mussten; für Bundesbeamt/innen galt § 61 BBG a.F.). § 54 Abs. 1 StPO stellt sicher, dass die Verschwiegenheitspflicht auch im Falle einer Vernehmung als Zeug/in in einem Strafprozess fortbesteht.

[20] Anlage 3 zum Protokoll vom 8. September 1976: Antrag des Rechtsanwalts Dr. Heldmann auf Vernehmung von Herrn Opitz als Zeugen.

[21] Anlage 4 zum Protokoll vom 8. September 1976: Antrag des Rechtsanwalts Dr. Heldmann auf Vernehmung von Herrn Nollack als Zeugen.

[22] Anlage 5 zum Protokoll vom 8. September 1976: Antrag des Rechtsanwalts Dr. Heldmann auf Vernehmung von Hanna Krabbe, Bernhard Roesner und Lutz Taufer als Zeug/innen.

[23] Anlage 6 zum Protokoll vom 8. September 1976: Antrag des Rechtsanwalts Dr. Heldmann auf Vernehmung von Herrn Dr. Kahnamui als sachverständigen Zeugen.

[24] Anlage 7 zum Protokoll vom 8. September 1976: Antrag des Rechtsanwalts Dr. Heldmann auf Vernehmung von Herrn Dr. Degenhard als sachverständigen Zeugen.

[25] Anlage 8 zum Protokoll vom 8. September 1976: Antwortschreiben des Generalbundesanwalts Buback vom 6.9.1976.

[26] § 136a StPO enthält eine Auflistung von verbotenen Methoden bei der Vernehmung von Beschuldigten. Diese sind: die Beeinträchtigung der Willensentschließung und -betätigung durch Misshandlung, Ermüdung, körperlichen Eingriff, Verabreichung von Mitteln, Täuschung, Quälerei oder Hypnose, sowie die Drohung mit einer unzulässigen Maßnahme oder das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils (Abs. 1). Ferner untersagt sind Maßnahmen, die das Erinnerungsvermögen oder die Einsichtsfähigkeit der Beschuldigten beeinträchtigen (Abs. 2). Für den Fall eines Verstoßes gegen diese Verbote enthält § 136a Abs. 3 Satz 3 StPO ein Verwertungsverbot für die so zustande gekommenen Aussagen. Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass die umfassende Aussage Müllers, mit der er die Angeklagten schwer belastete, u.a. durch das Versprechen diverser ungesetzlicher Vorteile unzulässig beeinflusst worden war (s. hierzu bereits die Beweisanträge in den Anlagen 4 bis 19 zum Protokoll zum 20.7.1976, S. 10643 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 128. Verhandlungstag; s. zu den Vorwürfen der Verteidigung auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 305 ff.).

[27] Das Freibeweisverfahren findet Anwendung zum Beweis von Tatsachen, die nicht die Straf- oder Schuldfrage, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe, betreffen. Im Unterschied zum dort anzuwendenden Strengbeweisverfahren ist das Gericht im Freibeweisverfahren nicht auf die Wahl bestimmter Beweismittel beschränkt, sondern kann grundsätzlich alle verfügbaren Erkenntnisquellen nutzen; auch an die im Strengbeweisverfahren vorgeschriebene Form ist es nicht gebunden (BGH, Urt. v. 28.6.1961 - Az.: 2 StR 154/61, BGHSt 16, S. 164, 166). Für die Prüfung der Voraussetzungen des § 136a StPO wurde zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung wohl überwiegend das Freibeweisverfahren (auch für die Tatsacheninstanz) für ausreichend angesehen (BGH, Urt. v. 28.6.1961 - Az.: 2 StR 154/61, BGHSt 16, S. 164, 166; s. etwa Sarstedt, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 1, 22. Aufl. 1971, § 136a Anm. 8). Die Rechtsprechung vertritt diesen Standpunkt weiterhin (BGH, Urt. v. 21.7.1994 - Az.: 1 StR 83/94, NJW 1994, S. 2904, 2905; BGH, Urt. v. 21.7.1998 - Az.: 5 StR 302/97, BGHSt 44, S. 129, 132; siehe auch Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 136a Rn. 32). Im Schrifttum mehren sich aber die Stimmen, die die teilweise oder sogar vollständige Anwendung des Strengbeweises fordern (für eine vollständige Anwendung des Strengbeweises s. Gleß, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 4/1, 27. Aufl. 2019, § 136a Rn. 77; für eine Anwendung des Strengbeweises in den Fällen, in denen die Aussage letztlich für die Straf- oder Schuldfrage verwertet werden soll s. Schuhr, in Knauer/Kudlich/Schneier [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, § 136a Rn. 99).

[28] Dort heißt es: „Ist die Verlesung einer Erklärung oder eines Attests nach § 256 [StPO] zulässig, dann darf Gericht den Beweisantrag auf persönliche Vernehmung des Ausstellers (Hervorh. Im Original) der Erklärung oder des Attestes ablehnen, sofern nicht besondere Umstände dies nach § 242 Abs. 2 [StPO] (Anm. d. Verf.: gemeint sein dürfte § 244 Abs. 2 StPO, die gerichtliche Aufklärungspflicht) geboten erscheinen lassen“ (Gollwitzer, in Löwe-Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 2, 22. Aufl. 1973, § 256 Anm. 6).

[29] Das Bayerische Oberste Landesgericht führte in dieser Entscheidung aus, dass die Vernehmung eines Arztes abgelehnt werden könne, wenn die Voraussetzungen der Verlesung des Gutachtens nach § 256 StPO erfüllt seien und die Wahrheitserforschungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) eine Vernehmung nicht gebiete (BayObLG, Urt. v. 4.11.1952 - Az.: 2 St 457/52, NJW 1954, S. 194).

[30] Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung war die Vereidigung von Zeug/innen nach § 59 f. StPO a.F. grundsätzlich vorgeschrieben. Ausnahmen galten nur für wenige Vereidigungsverbote, darunter bei Personen, die selbst wegen der Beteiligung der gegenständlichen Tat verdächtig oder bereits verurteilt worden waren (§ 60 Nr. 2 StPO). Darüber hinaus hatte das Gericht die Möglichkeit, in bestimmten Fällen von der Vereidigung abzusehen (§ 61 StPO a.F.). Im Unterschied dazu bestimmt der heutige § 59 Abs. 1 Satz 1 StPO, dass eine Vereidigung nur dann erfolgt, wenn es das Gericht wegen der ausschlaggebenden Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung einer wahren Aussage nach seinem Ermessen für notwendig hält.

[31] Beugehaft dient nach § 70 Abs. 2 StPO „der Erzwingung des Zeugnisses“ und kann für einen Zeitraum von bis zu 6 Monaten angeordnet werden, wenn Zeug/innen Angaben verweigern, obwohl sie hierfür keinen gesetzlichen Grund anführen können (etwa ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO, oder Zeugnisverweigerungsrechte aus §§ 52, 53 StPO). Die Zeugin Stachowiak wurde am 130. und 131. Verhandlungstag vorgeführt, weigerte sich jedoch, Angaben zu machen, da sie aufgrund des langen Transports und der „Vernichtungshaft“ dazu gesundheitlich nicht in der Lage sei (S. 10913 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 130. Verhandlungstag, sowie S. 10919 ff. des Protokolls, 131. Verhandlungstag). Auf Antrag der Bundesanwaltschaft und gegen den Widerspruch der Verteidigung ordnete der Senat Beugehaft an (S. 10927 des Protokolls der Hauptverhandlung, 131. Verhandlungstag). Auch die Zeugin Eckes gab an, aufgrund ihres Gesundheitszustands und der Transport- und Haftbedingungen („Isolationshaft“) keine Angaben machen zu können (S. 10927 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 131. Verhandlungstag). Daraufhin ordnete der Senat auch im Hinblick auf die Zeugin Eckes Beugehaft an (S. 10934 des Protokolls der Hauptverhandlung, 131. Verhandlungstag).

[32] Die Akte 1 BJs 7/76 enthielt Protokolle über Vernehmungen des Zeugen Müller in einem Ermittlungsverfahren, das offiziell gegen „Unbekannt“ geführt wurde. Einen entsprechenden Antrag der Verteidigung lehnte der Senat bereits am 124. Verhandlungstag ab (S. 10211 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 124. Verhandlungstag). Da die Vernehmungen aber weiter fortgeführt wurden, entstanden fortlaufend weitere Aktenbestandteile, die zu Gegenständen von Beweis(-ermittlungs-)anträgen gemacht wurden (so etwa am 159. Verhandlungstag, S. 12307 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, sowie am 168. Verhandlungstag, S. 13065 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[33] Anlage 9 zum Protokoll vom 8. September 1976: Vernehmung der Zeugin Carmen Roll durch das Generalkonsulat Mailand.

[34] § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO a.F. (heute: § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 6 StPO) ermöglicht die Wahrunterstellung für erhebliche Tatsachen, die zur Entlastung der Angeklagten bewiesen werden sollen.

[35] Andreas Baader saß noch bis zum 1. November 1974, Gudrun Ensslin bis zum 1. August 1974 in Strafhaft. Sie verbüßten jeweils den Rest einer dreijährigen Haftstrafe, zu der sie im sog. Frankfurter Kaufhausbrandstiftungsprozess verurteilt wurden (s. S. 2378 des Protokolls der Hauptverhandlung, 29. Verhandlungstag). Am 2. April 1968 verübten sie zusammen mit Thorwald Proll und Horst Söhnlein Brandanschläge auf Kaufhäuser in Frankfurt am Main, bei denen zwar erhebliche Sachschäden entstanden, aber keine Menschen verletzt wurden. Die Kaufhausbrandstiftungen zählen zu den ersten politischen Gewalttaten von Baader und Ensslin vor Gründung der RAF. Motiviert wurden sie durch eine Kampagne der Kommune I, die eine Brandtragödie mit mehr als 200 Toten in einem Brüsseler Kaufhaus im Jahr 1967 für Kritik am Vietnamkrieg nutzte. Im Oktober 1968 begann der Prozess am Landgericht Frankfurt gegen Baader, Ensslin, Proll und Söhnlein. Mit Urteil vom 31.10.1968 wurden sie jeweils zu Haftstrafen in Höhe von drei Jahren verurteilt. Da der BGH auch im Juni 1969 noch nicht über die Revision entschieden hatte, das Urteil also noch nicht rechtskräftig war, und die in der Zwischenzeit in Untersuchungshaft verbrachte Zeit einer ausgeurteilten Haftstrafe angerechnet werden würde, hob das LG Frankfurt den Haftbefehl am 13. Juni 1969 vorläufig auf. Nachdem der BGH die Revision schließlich im November 1969 zurückgewiesen hatte, tauchten Baader, Ensslin und Proll unter (s. die Beiträge von Bressan/Jander und Hakemi/Hecken, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 398, 407 ff. und S. 316 f., 322 ff.; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 27 ff.).

[36] Anlage 10 zum Protokoll vom 8.9.1976: Senatsbeschluss (der Fortgang und die Beendigung der Beweisaufnahme werden von dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Köln derzeit nicht abhängig gemacht).

[37] Auch Gudrun Ensslin verbüßte ebenfalls zunächst noch den Rest der dreijährigen Haftstrafe, zu der sie im Kaufhausbrandstiftungsprozess verurteilt worden war (Fn. 35).


[a] Handschriftlich eingefügt: Es

[b] Maschinell eingefügt: Ablichtungen

[c] Maschinell ergänzt: zugleich

[d] Handschriftlich eingefügt: (=RA Schily)

[e] Handschriftlich ersetzt: diesen durch diesem

[f] Handschriftlich durchgestrichen: einer

[g] Handschriftlich eingefügt: den

[h] Handschriftlich eingefügt: über

[i] Handschriftlich ergänzt: meinen

[j] Handschriftlich eingefügt: dem

[k] Handschriftlich ergänzt: Ausführungen

[l] Handschriftlich durchgestrichen: Fragen

[m] Handschriftlich ergänzt: Herrn

[n] Maschinell durchgestrichen: Personen

[o] Maschinell eingefügt: nunmehr auch

[p] Maschinell ergänzt: Konsularbeamten

[q] Handschriftlich eingefügt: - - -

[r] Handschriftlich eingefügt: - - -