136. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 12. August 1976, um 9.05 Uhr



[11205] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 12. August 1976, um 9.05 Uhr

(136. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft - mit Ausnahme von Reg. Dir. Widera - erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte sind anwesend:

Just. Ass. Clemens, Just. Ass. z. A. Scholze.

Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]

Als deren Verteidiger sind erschienen, RAe.

Dr. Augst (als Vertreter von RA Eggler), Künzel, Schnabel, Schwarz, Herzberg (als ministeriell bestellter Vertreter von RA Schlaegel) und Grigat.

Als Zeugen sind erschienen:

Franz Ruch und

Luise Elisabeth Christiane Hose.

Vors.:

Ich bitte, Platz zu nehmen.

Wir setzen die Sitzung fort:

Herr RA Eggler ist entschuldigt wegen Krankheit; er wird vertreten durch Herrn RA Dr. Augst. Die Vertretung wird genehmigt. Herr RA Dr. Heldmann hat um eine Verschiebung des Beginns um eine halbe Stunde gebeten zwecks Mandantengesprächen. Das ist abgelehnt worden.

Herr Raspe hat gestern mitgeteilt, daß er Herrn RA Keller, der ihn seit kurzem ja vertreten hat, das Mandat wieder entzogen habe.

Wir haben heute früh Frau Hose und Herrn Ruch als Zeugen. Ich danke Ihnen - Sie sind relativ kurzfristig geladen worden -, daß Sie der Ladung sofort Folge leisten konnten.

[11206] Die Zeugen Hose und Ruch werden gemäß § 57 StPO[2] belehrt.

Die Zeugen Hose und Ruch erklären sich mit der Aufnahme ihrer Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.[3]

Der Zeuge Ruch wird um 9.07 Uhr in Abstand verwiesen.

Die Zeugin Hose macht folgende Angaben zur Person:

Zeugin Hose:

Luise Elisabeth Christiane Hose, geb. [Tag].[Monat].1912 in Frankfurt, wohnhaft daselbst, [Anschrift],

Abteilungsleiterin bei Hotelplan Internationale Reiseorganisation in Frankfurt;

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert;

wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Frau Hose, erinnern Sie sich noch daran, daß es 1972 - im Mai ist es gewesen - zu einem Sprengstoffanschlag auf das US-Hauptquartier, IG-Hochhaus in Frankfurt[4] gekommen ist?

Zeugin Hose:

Ja, ich erinnere mich noch sehr gut, da wir zum gleichen Zeitpunkt zwei Busse vom IG-Hochhaus[5] abgehen hatten, und die Leute standen vor der Tür, waren zum Teil im Bus. Einige: eine Reiseleiterin, ein Reiseleiter und eine Kollegin von mir, die die Busse abfertigen sollte, waren im Raum, als das Attentat geschah; und waren alle leicht verletzt.

Als sie im Hospital waren, riefen sie mich zuhause an, und ich bin daraufhin zum IG-Hochhaus gefahren und kam auch in das Gelände rein, weil ich versuchen wollte, noch Unterlagen zusammenzubekommen, was aber nicht möglich war, da man das Gebäude nicht mehr betreten durfte. Die Busse sind dann mit zwei - bis dreistündiger Verspätung abgefahren ohne Unterlagen - wir hatten keine Listen - und die Reiseleiter sind ohne ...?[a] usw. weg.

Vors.:

Sie haben also berufsmäßig mit der Besorgung dieser Reisegesellschaften zu tun gehabt?

Zeugin Hose:

Ich veranstalte Touren für die Amerikaner: Bustouren, zum Teil Flugtouren für die Amerikaner.

[11207] Vors.:

Und sind die Bustouren dort regelmäßig abgefahren?

Zeugin Hose:

Die sind immer dort abgefahren.

Vors.:

Sind Sie die einzige Unternehmerin gewesen oder ...?

Zeugin Hose:

Nein, Hotel-Plan. Ich bin nur die Sachbearbeiterin dieser Abteilung.

Vors.:

Ist diese Firma Hotel-Plan die einzige, die solche Reisen besorgte?

Zeugin Hose:

Nein. Unsere größte Konkurrenz ist die

Amerikan Expreß Company,

und die fuhr auch dort ab, aber zu anderen Zeitpunkten.

Vors.:

Nun sollen Sie nach einem Antrag der Verteidigung uns darüber Auskunft geben können, ob an diesem Tage, an dem das von Ihnen schon geschilderte Sprengstoffgeschehen sich ereignet hat, ob da vormittags und sagen wir nachmittags bis gegen 15.00, 16.00 Uhr es ausgeschlossen ist, daß Gepäckstücke für die Abfahrt einer Reisegesellschaft dort gestanden haben, wo später sich die Detonation ereignete?

Zeugin Hose:

Das kann ich nicht beurteilen, weil ich nach dem Attentat erst das Gelände betreten habe. Die Amerikan Expreß fährt normalerweise ... fuhr normalerweise morgens ab und abends, aber abends nach uns. Ob allerdings eine Tour an diesem Tag von der Amerikan Expreß stattfand, kann ich nicht beurteilen. Ich habe auch versucht - wir heben ja meistens die Programme auch der Konkurrenz von den letzten Jahren noch auf -, aber von 1972 haben wir nichts mehr.

Vors.:

Wäre es denn gesetzten Fall tatsächlich, wäre an diesem Tage erst gegen 18.00 Uhr eine Abreise geplant gewesen, undenkbar, daß irgendwelche Reiseteilnehmer, die vielleicht von auswärts kamen, ihre Gepäckstücke schon viele Stunden früher in der Gegend abstellten, um sich dann noch Frankfurt anzusehen? Wissen Sie darüber was?

Zeugin Hose:

Also es könnte sein, denn zum Teil kommen die Leute ja von auswärts, z. B. aus der Friedberger Gegend oder so. Ob das jetzt da der Fall war, kann ich nicht beurteilen. Die Möglichkeit besteht; aber dann ließen sie dieses Gepäckstück nicht im Vorraum, wo ja die Bombe explodiert ist, sondern hatten’s meistens im Haus abgestellt.

Vors.:

Danke.

[11208] Weitere Fragen an die Frau Zeugin?

Bitte sehr, Herr Dr. Foth.

Richter Dr. Foth:

Frau Hose, Sie sagten, die Amerikan Expreß Gesellschaft sei normalerweise morgens und abends abgefahren.

Zeugin Hose:

Morgens und abends, ja.

Richter Dr. Foth:

Ich würde Sie nur bitten, „morgens“ noch etwas näher zu präzisieren. Es geht uns hauptsächlich um den Zeitraum von 10.00 bis 15.00 Uhr. Bis morgens vor[b] 10.00 Uhr oder wie würden Sie’s ...?

Zeugin Hose:

Wenn an diesem Tag ein Bus abgefahren sein sollte, dann war das nicht später als 8.00 Uhr.

Richter Dr. Foth:

Danke sehr.

Vors.:

Die Herrn der Bundesanwaltschaft? Keine Fragen?

Herr RA Künzel, bitte.

RA Kü[nzel]:

Frau Zeugin, wann fuhren Ihre Busse diese Abfahrtsstelle an?

Zeugin Hose:

Der eine Bus kam von Wiesbaden und war so gegen 6.45 Uhr dürfte er ... - das ist so die Zeit, wo die Busse meistens kamen: 6.45 Uhr.

RA Kü[nzel]:

Kam der Bus schon besetzt oder war er leer?

[c]

- Rechtsanwalt Geulen, als Vertreter von RA Schily, erscheint um 9.13 Uhr im Sitzungssaal. -[d]

Zeugin Hose:

Der kam von Wiesbaden mit einigen Leuten, vielleicht zehn, zwölf.

RA Kü[nzel]:

Und der Reiseleiter? Der kam dann in Frankfurt dazu?

Zeugin Hose:

Der Reiseleiter kam von Frankfurt und stand mit meiner Kollegin, die ihm die Unterlagen übergab, im Innenraum. Da war im Innenraum so ein Podest, und da war eine Wache gewesen im IG-Hochhaus, und da standen die Leute.

RA Kü[nzel]:

Frau Zeugin, wenn die Amerikan Expreß Company Ihre Konkurrentin ist, dann wissen Sie sicher auch deren Anschrift.

Zeugin Hose:

Das ist Frankfurt/Main, IG-Hochhaus, -Building[e].

RA Kü[nzel]:

Und wissen Sie, wer damals Sachbearbeiter jetzt für so entsprechende Reisen[f] war?

Zeugin Hose:

Das ist ein Herr Grune; der hat ungefähr dasselbe inne[g], wie ich bei Hotel-Plan.

RA Kü[nzel]:

Dann hab ich keine Frage mehr. Danke schön.

Vors.:

Sonstige Fragen an die Frau Zeugin? Sehe ich nicht.

Dann können wir die Frau Zeugin gleich vereidigen und entlassen.

[11209] Die Zeugin Hose wird vorschriftsmäßig vereidigt und im allseitigen Einvernehmen um 9.15 Uhr entlassen.

Der Zeuge Ruch erscheint um 9.15 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge Ruch macht folgende Angaben zur Person:

Zeuge Ruch:

Franz Ruch, 38 Jahre alt,[h] Journalist,

wohnhaft in Heidelberg;

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert;

wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Herr Ruch, Sie sind geladen auf Antrag der Verteidigung. Nach diesem Antrag sollen Sie mit Gerhard Müller[6] - dem Zeugen Gerhard Müller, der ja nun doch bekanntgeworden ist - mit dessen Eltern und Beamten, die ihn ihrerseits vernommen haben, eine Reihe von Gesprächen geführt haben.

Wollen und können Sie sich dazu äußern?

Zeuge Ruch:

Ich hab mit den Eltern von Herrn Müller gesprochen, vor allen Dingen mit dem Vater und mit Herrn Müller.

Vors.:

Also mit Herrn Müller, ja, mit dem Vater, ja, Mutter auch? ...

Zeuge Ruch:

Nein, mit der Mutter, glaube ich, [i] einmal nur so ne Minute; die war einmal im Zimmer.

Vors.:

Und Ermittlungsbeamten? ...

Zeuge Ruch:

... anläßlich des Besuches, den ich bei Herrn Müller gemacht habe ...

Vors.:

... mit den dort wohl als Aufsicht anwesenden Ermittlungsbeamten oder sind das Fremde gewesen, die an sich mit dem Besuch nichts zu tun haben?

Zeuge Ruch:

Ich mußte mich vorher da anmelden bei meinem Besuch bei Herrn Müller, und da kamen zwei Beamte mit.

Vors.:

Ja. Das waren also offensichtlich Aufsichtsbeamte. Ist das richtig, ja?

Zeuge Ruch:

Ja.

Vors.:

Keine, die irgendwie zufällig Ihnen begegnet sind und mit dem Besuch nichts zu tun haben?

Zeuge Ruch:

Nee.

[11210] Vors.:

Können Sie uns noch sagen, wie oft mit Herrn Gerhard Müller?

Zeuge Ruch:

Einmal.

Vors.:

Das war der Besuch?

Zeuge Ruch:

Ja.

Vors.:

Darf man daraus schließen, daß das Gespräch mit den Ermittlungsbeamten dann auch einmal nur gewesen ist?

Zeuge Ruch:

Ja.

Vors.:

Und mit dem Vater?

Zeuge Ruch:

Das kann ich nicht mehr genau sagen - fünfmal vielleicht.

Vors.:

Sie sollen bei diesen Gesprächen erfahren haben, daß Müller - Gerhard Müller - der Bundesanwaltschaft ein „glattes Geschäft“ - so wird es wörtlich zitiert - vorgeschlagen habe zu folgenden Bedingungen:

Freies Geleit, neuen Namen mit dazu passenden Personalpapieren, genügend Geld, um im Ausland ein zweites Leben aufbauen zu können, Straffreiheit oder zumindest nur eine geringe Strafe.

Zeuge Ruch:

Das ist nicht richtig.

Vors.:

Der Herr Zeuge sagte: Das ist nicht richtig.

Ich darf Sie also drauf hinweisen:

Sie kennen Ihre Rechte als Journalist[7] ohnedies, nicht wahr? Aber Sie haben jetzt die Antwort gegeben: Das sei nicht richtig. Können Sie zu dieser Beweisbehauptung irgend etwas von sich aus sagen? Haben Sie Vorstellungen, wie es zu solchen Behauptungen gekommen sein könnte, z. B. durch Veröffentlichungen?

Zeuge Ruch:

Ja, das bezieht sich wahrscheinlich auf eine Veröffentlichung.

Vors.:

Um was hat sich’s dabei gehandelt?

Zeuge Ruch:

Das war aber nicht ein Gespräch mit Herrn Müller; das war meines Wissens ein Jahr oder noch später.

Vors.:

Und mit wem hat dieses Gespräch stattgefunden?

Zeuge Ruch:

Dazu möchte ich mich nicht äußern.

Vors.:

Da wollen Sie sich auf Ihr Zeugnisverweigerungsrecht als Journalist berufen. Das ist zulässig gem. § 53 Nr. 5 StPO.

Vors.:

Haben Sie über dieses Gespräch eines unbekannten Informanten einen Bericht dann in der Tat gemacht, in dem solche Angaben gemacht worden sind?

Zeuge Ruch:

Ja.

Vors.:

Wissen Sie, ob das, was der Informant Ihnen gesagt hat, auch verläßlich in der Richtung war, daß es tatsächlich von Herrn Müller gestammt hat? Ließ das verläßliche Rückschlüsse dar- [11211] auf zu, daß Herr Müller tatsächlich ein solches „glattes Geschäft“ vorgeschlagen hat?

Zeuge Ruch:

Nein. Ich glaube, ich habe auch nicht geschrieben „hat“ sondern „soll“.

Vors.:

Ich hab dann keine Frage mehr. Es könnte höchstens sein, daß Sie uns mitteilen können, wann und wo dieser Artikel erschienen ist?

Zeuge Ruch:

In „Bild am Sonntag“.

Vors.:

Wüßten Sie heute noch, wann etwa?

Zeuge Ruch:

Nein.

Vors.:

... und Sie als Verfasser angegeben?

Zeuge Ruch:

Ja.

Vors.:

Weitere Fragen an den Herrn Zeugen?

Beim Gericht seh ich, nicht.

Die Herrn der Bundesanwaltschaft? Keine Fragen?

Die Herrn Verteidiger?

Herr RA Geulen, bitte.

RA Geu[len]:

Herr Zeuge, ist es richtig, daß Sie dem Vater von Herrn Müller offeriert haben, und zwar [j] an die Adresse an Herrn Müller selbst offeriert haben, daß Herr Müller in dem Fall, daß er Aussagen macht, an die Presse Informationen gibt, Artikel schreibt oder etwas ähnliches, kostenlos verteidigt wird?

Zeuge Ruch:

Nein, das ist nicht richtig.

RA Geu[len]:

Das haben Sie nicht gemacht?

Zeuge Ruch:

Nein.

RA Geu[len]:

Dann müßte ich weiterfragen:

Was war die Vorgeschichte der Besuchserlaubnis, die Sie beantragt haben? Was war der Grund, weswegen Sie Herrn Müller besuchten und diese Besuchserlaubnis beantragt haben?

Zeuge Ruch:

Herr Müller war eine bekannte Persönlichkeit geworden.

RA Geu[len]:

Soll ich daraus schließen, daß Sie von sich aus darauf gekommen sind, oder sind Sie irgendwie angesprochen worden oder ...?

Zeuge Ruch:

Nein.

RA Geu[len]:

Sie sind von sich aus darauf gekommen?

Zeuge Ruch:

Ja.

RA Geu[len]:

Sie haben nicht vorher von Herrn Müller oder über Herrn Müller oder über einen anderen eine Information von Herrn Mül- [11212] ler erhalten, daß Sie ihn besuchen sollen?

Zeuge Ruch:

Nein.

RA Geu[len]:

Ist Ihnen vor dem Besuch bei Herrn Müller bekannt gewesen oder mitgeteilt worden, daß Herr Müller unter Umständen eine Biographie schreiben will und die unter Umständen über Sie veröffentlichen will?

Zeuge Ruch:

Das kann ich nicht mehr mit Bestimmtheit sagen. Ich habe Herrn Müller den Vorschlag gemacht.

RA Geu[len]:

Herr Zeuge, meine Frage war, ob vor Beantragung dieser Besuchserlaubnis - Sie hatten ja zuerst gesagt, das sei eine Initiative von Ihnen gewesen, Sie seien von selbst darauf gekommen, das habe ich wohl richtig verstanden -, und meine Frage ist jetzt:

Kann es sein, oder können Sie es mit Sicherheit ausschließen, daß seitens Herrn Müller über irgendeine dritte Person Ihnen mitgeteilt worden ist, daß Herr Müller seinerseits an die Presse treten will oder eine Biographie schreiben will und das über Sie vermitteln will, und daß das der Grund Ihres Besuches bei Herrn Müller war?

Zeuge Ruch:

Nein, das war nicht der Grund meines Besuches.

RA Geu[len]:

Dann den ersten Teil der Frage noch:

Können Sie ausschließen, daß vor diesem Besuch Ihnen mitgeteilt worden ist, daß Herr Müller eine Biographie schreiben wollte?

Zeuge Ruch:

Das kann ich ausschließen.

RA Geu[len]:

Das können Sie mit Sicherheit ausschließen?

Zeuge Ruch:

Ja, das kann ich ausschließen.

RA Geu[len]:

In dem Artikel in der „Bild am Sonntag“, den Sie eben zitiert haben, der mit Ihrem Namen gezeichnet ist - die „Bild am Sonntag vom 4.5.1975“ -, ist es richtig, daß Sie in diesem Artikel Herrn Müller als Mörder bezeichnet haben?

Zeuge Ruch:

Kann ich mir nicht vorstellen.

RA Geu[len]:

Ist es richtig, daß in diesem Artikel steht, daß zwischen Herrn Müller und der Bundesanwaltschaft ein „glattes Geschäft“ - wörtliches Zitat - vorgeschlagen worden sei und daß der Inhalt dieses Geschäftes sei: Freies Geleit, einen neuen Namen mit dazu passenden Personalpapieren - ich zitiere das wörtlich: [11213] „Freies Geleit, einen neuen Namen mit dazu passenden Personalpapieren, genug Geld, um im Ausland ein zweites Leben aufbauen zu können, Straffreiheit oder zumindest nur eine geringe Strafe für sich“.

Ist das richtig, daß das in Ihrem Artikel steht?

Zeuge Ruch:

Das weiß ich nicht; ich habe ihn nicht im Kopf.

RA Geu[len]:

Und sinngemäß?

Zeuge Ruch:

Kann ich nicht ausschließen.

RA Geu[len]:

Dann möchte ich Ihnen vorhalten aus diesem Artikel das, was ich eben vorgelesen hab. Ich wiederhole es nochmals wörtlich:

„Ein Mitglied der Baader-Meinhof-Bande will auspacken, wenn er als Kronzeuge anerkannt wird. Der Terrorist Gerhard Müller, ehemaliger Geliebter der Ulrike Meinhof, hat der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe ein glattes Geschäft vorgeschlagen: Freies Geleit, einen neuen Namen mit dazu passenden Personalpapieren, genug Geld, um im Ausland ein zweites Leben aufbauen zu können, Straffreiheit oder zumindest nur eine geringe Strafe für sich“

Das ist ein wörtliches Zitat aus diesem Artikel, der mit Ihrem Namen unterschrieben ist, vom 4.5.1975 in der „Bild am Sonntag“.

Können Sie sich jetzt genauer daran erinnern?

Zeuge Ruch:

Nein.

RA Geu[len]:

Dieser Artikel, der mit Ihrem Namen unterschrieben ist, stammt doch[k] von Ihnen? Das hab ich doch richtig verstanden?

Zeuge Ruch:

Ja - ja.

RA Geu[len]:

Also der Inhalt dieses Artikels stammt wörtlich von Ihnen? Um’s noch konkreter zu fragen.

Zeuge Ruch:

Wörtlich? Das weiß ich nicht mehr. Das kann leicht sein, daß es irgendwie redigiert worden ist, zeilenmäßig oder so. Ich habe ihn nicht mehr im Kopf.

RA Geu[len]:

Haben Sie diesen Artikel nach der Veröffentlichung nochmals gelesen?

Zeuge Ruch:

Ja.

RA Geu[len]:

Widerspricht der Artikel wörtlich oder sinngemäß dem, was Sie geschrieben haben oder entspricht er dem? Herr Ruch, Sie sind doch - ich möchte Ihnen das jetzt doch vorhalten - Sie sind doch auch presserechtlich verantwortlich [11214] für solche Artikel. Wenn ein Artikel unter Ihrem Namen erscheint, ist doch wohl davon auszugehen, daß der Artikel von Ihnen stammt.

Meine Frage ist also jetzt:

Stammt dieser Artikel wörtlich von Ihnen oder nicht?

Zeuge Ruch:

Davon ist nicht auszugehen, daß er wörtlich von mir stammt. Es kann also leicht sein, daß jemand anders noch mitrecherchiert hat, ’ne Kleinigkeit da beigetragen hat.

RA Geu[len]:

Als Sie ihn nachher nochmals gelesen haben, haben Sie da Abweichungen von Ihrem Artikel oder dem von Ihnen geschriebenen Artikel gefunden?

Zeuge Ruch:

Mit Sicherheit, ja.

RA Geu[len]:

Und sinngemäße auch?

Zeuge Ruch:

Nein, glaube ich nicht.

RA Geu[len]:

Haben Sie sinngemäß [l] diesen Satz, den ich eben vorgelesen hab, wie gesagt nicht wörtlich sondern sinngemäß geschrieben?

Zeuge Ruch:

Ja.

RA Geu[len]:

Haben Sie mal irgendwo veröffentlicht, daß Frau Barz[8] von Mitgliedern der Baader-Meinhof-Gruppe getötet worden sein soll?

Zeuge Ruch:

Das könnte sein. Das weiß ich nicht mehr.

RA Geu[len]:

Können Sie das ausschließen?

Zeuge Ruch:

Nein.

RA Geu[len]:

Dann habe ich keine Fragen mehr.

Vors.:

Sonstige Fragen an den Herrn Zeugen? Sehe ich nicht. Wir können den Herrn Zeugen vereidigen.

Der Zeuge Ruch wird vorschriftsmäßig vereidigt und im allseitigen Einvernehmen um 9.27 Uhr entlassen.

Die jetzt verbleibende Zeit möchte ich zunächst dazu nützen, auf einige Dinge hinzuweisen, die im Zusammenhang mit der Erledigung der von der Verteidigung gestellten Beweisanträge stehen.

Zunächst ist ein Schreiben des Bundesministers der Justiz gestern eingegangen. Das wird durch Verlesen bekanntgegeben.

[11215] Der Vorsitzende verliest das Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 10.8.1976.

Eine Ablichtung dieses Schreibens wird als Anlage 1 zu Protokoll genommen.

Soweit diese Bekanntgaben, stattfinden, bitte ich, wenn jemand sich dazu äußern will, das zu tun.

Das Original kommt in einen eigens für die Beweisanträge angelegten Ordner, wird dort abgelegt unter der Bezeichnung des Zeugen und eine Ablichtung als Anlage zum heutigen Protokoll.

Sodann haben wir - das betrifft Sie, Herr RA Künzel - Herrn RA Huth angeschrieben am 4.8.1976.

Der Vorsitzende verliest das Schreiben vom 4.8.1976 an RA Dr. Huth.

Die Ablichtung des Schreibens ist dem Protokoll als Anl. 2 beigefügt.

Antwort von Herrn Rechtsanwalt Huth ist eingegangen am 9.8.1976.

Der Vorsitzende verliest das Antwortschreiben des RA Dr. Huth vom 5.8.1976 als Anl. 3 zum Protokoll.

Das Schreiben ist dem Protokoll als Anl. 3 beigefügt.

Herr RA Künzel.

RA Kü[nzel]:

Die Frage bleibt nun offen, ob der Zeuge sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen kann in Bezug auf die Behauptung, daß ein Kontakt stattfand.

Vors.:

Dann ist drauf hinzuweisen - der Senat hat ja schon bekanntgegeben -, daß die Vernehmung des Zeugen Jansen zunächst mal kommissarisch durchgeführt werden soll. Es ist der Beschluß[9] hier bekanntgegeben worden; es hatten alle Beteiligten Gelegenheit, sich dazu zu äußern. Sämtliche Beteiligten werden vor eventueller Verlesung dieser Protokolle dann, die dabei erwachsen, ja auch noch Gelegenheit haben, denn es muß ein Beschluß nach § 251 StPO[10] ergehen - dazu können sich selbstverständlich die Beteiligten äußern.

Die Vernehmung von Herrn Jansen ist durchgeführt worden. Das Protokoll wurde überschickt vom AG Tiergarten - Az. 351 AR 905/76.

[11216] „6.8.76

Gegenwärtig: Fischer - Richter,

Gennrich - Just. Ang. als Urkundsbeamtin,

RA Schily als Verteidiger,

RA Wiedmer für RA Hoffmann als Verteidiger ...“

Damit kein falscher Eindruck entsteht: Es ist keine Verlesung, es ist nur die Bekanntgabe dessen, daß das Protokoll hier vorliegt.

Anwesende - die andern Herrn waren nicht beteiligt - werden also speziell drauf hingewiesen, daß dieses Protokoll einzusehen ist bei der Geschäftsstelle. Wir werden allerdings davon auch eine Ablichtung machen lassen, die sämtlichen Herrn Verteidigern noch zugeht. Die Vernehmung selbst hat, dem äußeren Anschein nach, nicht viel ergeben.

Bitte sehr, Herr RA Geulen.

RA Geu[len]:

Ich möchte nur schon jetzt ankündigen, daß wir der Verlesung dieser Protokolle der kommissarischen Vernehmung widersprechen werden im Hinblick auf die gesetzlichen Bestimmungen, weil nach unserer Auffassung die Voraussetzungen einer kommissarischen Vernehmung[11] nicht vorliegen. Das ist dann aber wohl jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, sondern der Zeitpunkt, wann Sie die Verlesung durchführen werden.

RA Dr. Heldmann erscheint um 9.33 Uhr im Sitzungssaal.

Ich möchte zu Herrn Huth noch einen Satz sagen, wenn Sie erlauben:

Nach meiner Auffassung wäre es Aufgabe von Herrn Kollegen Huth gewesen, bei seinem Mandanten nachzufragen, ob er ihn entbinden will oder nicht. Ich habe bei der schnellen Verlesung des Schreibens von Herrn Huth eben nur entnehmen können oder nicht entnehmen können, daß er das gemacht hat; bin also von daher der Auffassung, daß diese Überprüfung seitens des als Zeugen beantragten Kollegen, Herrn RA Huth, noch erfolgen müßte und möchte anregen, daß das Gericht darauf hinwirkt, daß Herr Huth das nachholt und dann eine weitere Mitteilung an das Gericht macht, ob er nun entbunden worden ist oder nicht; [11217][12] [11218-11219][13] [11220][14] [11221] denn der Mandant, der Zeuge Müller, kann selbstverständlich nicht ohne weiteres davon ausgehen, daß er seinen Anwalt entbinden wird. Er müßte also von dem Anwalt nachgefragt werden, wenn dieser in diesem Verfahren als Zeuge benannt worden ist.

Vors.:

Ich darf darauf hinweisen, daß natürlich der richtige Zeitpunkt, sich zu der Frage der eventuellen Verlesung dieser Protokolle zu äußern, jetzt jederzeit gegeben ist. Das ist Ihr Recht, in der Hauptverhandlung sich dazu zu äußern; denn der Senat muß sich ja schlüssig werden, ob verlesen wird oder nicht. Natürlich werden Sie dazu sicher noch Gelegenheit bekommen; vielleicht am nächsten Sitzungstag.

RA Geu[len]:

Soll ich jetzt dazu Stellung nehmen oder wie ...?

Vors.:

Sie können, wenn Sie wollen, jetzt Ihre Stellungnahme abgeben, wenn das dann die endgültige Stellungnahme schon sein soll; bloß nicht, daß nachher eine Wiederholung kommt, wenn sich andere Herrn dann äußern.

RA Geu[len]:

Dann würde ich vorschlagen, daß wir’s am nächsten Verhandlungstag machen.

Vors.:

Einverstanden. Dann sind einige Beschlüsse zu verkünden, zunächst der Beschluß:

Der Antrag der Angeklagten Ensslin (RA Schily) die Zeugen Gerhard Müller und Dierk Hoff[15] gegenüberzustellen, wird abgelehnt.

Gründe:

Beide Zeugen sind schon in der Hauptverhandlung gehört und dann entlassen worden.

1. Der Zeuge Hoff hat an verschiedenen Tagen Aussagen darüber gemacht, ob Gerhard Müller ihm als „Harry“ bekannt sei; er ist zu dieser Beweistatsache ausführlich vernommen worden. Kurz vor seiner letzten Vernehmung zu diesem Punkt (am 7.4.1976) war Herr Hoff in dem Strafverfahren gegen Gerhard Müller vor dem Landgericht Hamburg als Zeuge vernommen worden, hatte hierbei Herrn Müller gegenüber gestanden und war dabei[m] ebenfalls dazu gehört worden, ob Gerhard Müller „Harry“[16] sei.

[11222] In anhängigen Verfahren hat der Zeuge Müller angegeben, er sei dem Zeugen Hoff als „Harry“ bekannt gewesen.

Unter diesen Umständen hält der Senat weder für geboten, den Zeugen Hoff nochmals zu hören, noch, ihn hierbei dem Zeugen Müller gegenüber zu stellen.

2. Bei seinen Vernehmungen ist der Zeuge Hoff auch dazu befragt und gehört worden, ob er (evtl. unter Beteiligung von Algeriern) Waffen ins Ausland verschoben habe. Rechtsanwalt Schily hielt ihm hierbei unter anderem die jetzt im Beweisantrag enthaltene - von dem Zeugen Hoff als von ihm stammend anerkannte - Formulierung vor, daß es einem Mitbeschuldigten oder Zeugen darum gegangen sein könnte, anderen zu schaden, sich oder andere zu decken oder sonst ein Verwirrspiel[n] zu treiben.

Der Zeuge Müller hat in der Hauptverhandlung auf die Frage, ob Herr Hoff Waffen für die RAF nach Südfrankreich verschoben habe, die die RAF nicht mehr haben wollte, angegeben, er habe vom Angeklagten Raspe oder vom Zeugen Hoff gehört, daß dies der Fall gewesen sein solle[o].

Nach alledem ist nicht geboten, den Zeugen Hoff nochmals zu vernehmen. Weder ist dargetan noch ersichtlich, wodurch eine Gegenüberstellung Müller/Hoff über das bisherige Beweisergebnis hinaus die Aufklärung fördern könnte.

3. Auch die Frage, ob der Zeuge Hoff über den tatsächlichen Verwendungszweck der von ihm angefertigten Gegenstände, d.h. auch der Bombenkörper, informiert war, war Gegenstand der Vernehmung dieses Zeugen. Er äußerte sich ausführlich dazu, was er über den Verwendungszweck der von ihm hergestellten Gegenstände gewusst oder gedacht habe.

Der Zeuge Müller ist ebenfalls hierzu befragt worden. Er hat auf Frage von RA Schily erklärt, hierzu könne er nichts sagen, und auf weitere Frage, auch, ob er sich früher einmal in diesem Sinne geäußert habe, er ver- [11223] weigere die Auskunft. Anlass für diese Frage war der dem Zeugen Hoff bei dessen polizeilicher Vernehmung gemachte Vorhalt: „Nach Angaben der vertraulichen ‚Quelle‘ sollen Sie über den tatsächlichen Verwendungszweck der von Ihnen angefertigten Gegenstände, d.h. auch der Bombenkörper informiert gewesen sein.“ Die Akten, aus denen sich dieser Vorhalt ergibt, lagen allen Prozeßbeteiligten bei den verschiedenen Vernehmungen des Zeugen Hoff vor. Nach dem Vortrag von Rechtsanwalt Schily soll „Quelle“ hier für „Gerhard Müller“ stehen. Darüber und über den „vorsorglich“ hierfür gestellten[p] Beweisantrag ist hier nicht zu entscheiden; in diesem Zusammenhang genügt, daß der Zeuge Hoff über sein Wissen über den Verwendungszweck der von ihm hergestellten Gegenstände vernommen worden ist und ihm die Angaben jener „Quelle“ vorgehalten werden konnten.

Eine nochmalige Vernehmung des Zeugen Hoff zu dieser Frage verspricht keine weitere Aufklärung und erscheint deshalb nicht geboten, auch dann nicht, wenn sie in Verbindung mit einer Gegenüberstellung Hoff/Müller vorgenommen würde.

4. Der Zeuge Müller ist in der Hauptverhandlung ausdrücklich nach der Freundin des Zeugen Hoff befragt worden; er hat hierzu unter Berufung auf § 55 StPO[17] jede Auskunft verweigert. Daß eine Gegenüberstellung von Herrn Müller mit Herrn Hoff in dieser Hinsicht weitere Aufklärung brächte, ist umso weniger wahrscheinlich, als auch der Zeuge Hoff Fragen nach der Tätigkeit seiner damaligen Freundin (jetzigen Verlobten) unter Hinweis auf § 55 StPO nicht beantwortet hat.

- - -[q]

Dann weiterer Beschluß:

Der Antrag des Angeklagten Raspe (RA. Dr. Hoffmann), dem Zeugen Lemke den Zeugen Gerhard Müller gegenüber zustellen, wird abgelehnt.

Gründe:

Der Zeuge Polizeiobermeister Lemke ist auf Antrag des [11224] Angeklagten Raspe (RA Dr. Hoffmann) in die Hauptverhandlung geladen und zu der Frage vernommen worden, ob Gerhard Müller mit seiner Pistole am Morgen des 22.10.1971 in Hamburg-Poppenbüttel den Polizeimeister Schmid, der mit POM Lemke zusammen Streife ging, erschossen hat.[18] Die Vernehmung beschäftigte sich ausführlich mit diesem Fragenkreis, auch damit, ob Herr Lemke den Zeugen Müller bei früheren Gegenüberstellungen (während des Ermittlungsverfahrens gegen Müller am 8.8.1972; in der gegen Müller gerichteten Hauptverhandlung in Hamburg Anfang 1976) erkannt hat. Der Zeuge Lemke hat sich ausführlich darüber geäußert, daß, mit welcher Sicherheit und aufgrund welcher Umstände er den Zeugen Müller als eine der damals am Tatort anwesenden tatverdächtigen Personen wiedererkannt hat. Es ist nicht ersichtlich, nicht vorgetragen und im Verlaufe der Vernehmung und Befragung des Zeugen Lemke auch nicht zutage getreten, inwiefern eine Gegenüberstellung Lemke/Müller zusätzliche Aufklärung bewirken könnte. Deshalb sieht der Senat von einer Gegenüberstellung ab.

- - -[r]

Dann ein weiterer Beschluß:

Der Antrag des Angeklagten Baader (Rechtsanwalt Dr. Heldmann), Frau Brigitte Mohnhaupt (nochmals) als Zeugin zu vernehmen, wird abgelehnt.

Gründe:

Rechtsanwalt Dr. Heldmann beantragt, Frau Mohnhaupt darüber zu vernehmen, daß ihre in der Hauptverhandlung vor dem Senat gemachte Aussage keine vorfabrizierte Angeklagtenerklärung gewesen sei, daß auch die Wahlverteidiger[19] nicht versucht hätten, auf die Aussage Einfluß zu nehmen, daß sie ferner mit dem Angeklagten Baader über den Inhalt ihrer bevorstehenden Befragung nicht gesprochen habe, daß es sich vielmehr um ihre eigene Aussage gehandelt habe.

Frau Mohnhaupt hat in der Hauptverhandlung am 22.7.76 als Zeugin umfassende Angaben gemacht. Sie ist hierbei zu der Frage, wie ihre Aussage zustande gekommen sei, [11225] befragt worden und hat sich darüber ausführlich geäußert. Es handelt sich also um kein neues Beweisthema. Inwiefern eine wiederholte Vernehmung die Aufklärung fördern könnte, ist nicht ersichtlich. Die nochmalige Vernehmung der Zeugin ist daher nicht geboten.

- - -[s]

Ein weiterer Beschluß:

Der von Herrn Rechtsanwalt Künzel gestellte Antrag, den sogenannten „Ensslin-Kassiber“,[20] soweit er sich mit der Festnahme von Frau Ensslin befasst, unter psychoanalytischen Gesichtspunkten begutachten zu lassen, wird abgelehnt.

Gründe:

Die Auslegung mündlicher wie schriftlicher Erklärungen ist Sache des Tatrichters (vgl. etwa BGHSt 21, 372). Zur Auslegung einen Sachverständigen zuzuziehen, ist nur erforderlich, wenn der Text Besonderheiten aufweist, die sein Verständnis so erschweren, daß der Richter es nur mit Hilfe eines Sachverständigen gewinnen kann. Davon kann hier nicht gesprochen werden. Mit Ausnahme einiger in der täglichen Korrespondenz unüblicher Ausdrücke und Wendungen - deren Verständnis dessen ungeachtet dem Senat zugänglich ist - („hätte ich ticken müssen“; „Tasche mit der Knarre“; „Bullenpfoten“ u.a.) unterscheidet sich der Text nicht von sonstigen, die Gerichte beschäftigenden Schriftstücken. Weder hat der Antragsteller dargetan noch ist sonst ersichtlich, warum der Text psychoanalytischer Untersuchung bedürfte. Der Senat verfügt über genügend eigene Erfahrung und Sachkunde, um den in Frage stehenden Text erschöpfend und zutreffend würdigen zu können.

- - -[t]

Ein weiterer Beschluß:

Der von Herrn Rechtsanwalt Schnabel gestellte Antrag, den Sachverständigen Dr. Werner sein in der Hauptverhandlung vom 10.6.76 erstattetes Gutachten unter Beiziehung des Original-Asservats C 6.4.2 Pos. 116 und eines Originals der Zeitschrift „Stern“, Nr. 27/1972 (S. 16/17) ergänzen zu lassen, wird abgelehnt.

[11226] Gründe:

Dem Sachverständigen lag in der Hauptverhandlung am 10.6.76 das Asservat C 6.4.2 Pos. 116 im Original vor. Die betreffende Nummer des „Stern“ hatte der Sachverständige am 10.6.76 nicht im Original zur Hand; ihm standen Lichtbildvergrößerungen zur Verfügung, die er bei einer früheren Untersuchung und kriminaltechnischen Begutachtung im Juni 1972 angefertigt hatte. Bei jener Untersuchung hatte er den „Stern“ im Original zur Hand gehabt.

Dr. Werner legte am 10.6.76 in der Hauptverhandlung mit eingehender Begründung seine Auffassung dar, daß das Asservat C 6.4.2 Pos. 116 über eine Zwischenkopie als Vorlage für den im „Stern“ abgedruckten Brief gedient habe.

Rechtsanwalt Schnabel bemängelt, daß der „Stern“ am 10.6.76 nicht im Original vorlag und der Sachverständige deshalb seine Ausführungen nicht am Original habe demonstrieren, sondern nur theoretisch habe darbieten können.

Der Senat vermag dem nicht zu folgen. Das Arbeitsmaterial, das sich der Sachverständige bei seiner Untersuchung im Jahre 1972 geschaffen hatte, genügte vollauf, sowohl ihm selbst eine nochmalige Überprüfung der seinerzeit bei Vorliegen der Originalzweitschrift gewonnenen Erkenntnisse zu ermöglichen als auch, diese Erkenntnisse sämtlichen Prozeßbeteiligten hinreichend zu verdeutlichen und ihnen Gelegenheit zu sinnvoller Fragestellung zu geben.

- - -[u]

Ein weiterer Beschluß:

Der Antrag des RA Künzel, den Zeugen Hoff nochmals zu vernehmen, wird abgelehnt.

Gründe:

RA Künzel stellt für die Angeklagte Ensslin in das Wissen des Zeugen Hoff die Tatsache, der Zeuge Hoff habe bei der Begegnung mit Herrn Gerhard Müller in der Hauptverhandlung des gegen Müller anhängigen Strafverfahrens vor dem Landgericht Hamburg diesen wiederzuerkennen geglaubt; lediglich dessen andere [11227] Haartracht habe ihn daran gehindert, dahingehend eine sichere Aussage zu machen.

Der Zeuge Hoff ist nach jener Begegnung mit Müller in Hamburg im hier anhängigen Verfahren nochmals als Zeuge gehört worden. Er hat sich hierbei eingehend darüber geäußert, ob und in welchem Umfang er Herrn Müller nach Lichtbildern und bei jener Begegnung in der Hamburger Hauptverhandlung wiedererkannt habe.

Alle Beteiligten hatten Gelegenheit, die Aussage von Herrn Hoff durch Fragen zu vertiefen.

Der Senat hält es nicht für geboten, weil keine weitere Aufklärung versprechend, den Zeugen Hoff zu diesem Thema nochmals zu hören, zumal da der Zeuge Hoff ausgesagt hat, der ihm vorgestellte Mann habe (bezogen auf die persönliche Erinnerung und die vorgelegten Lichtbilder) „nun wieder völlig anders“ ausgesehen.

- - -[v]

Ein letzter Beschluß:

Der Anregung von RA Künzel, Verteidiger der Angeklagten Ensslin,

a) weitere Akten beizuziehen

b) die Zeugen Stellmacher, Freimuth, Feuerhahn und Habekost zu vernehmen

wird nicht stattgegeben.

Gründe:

RA Künzel hat angeregt, die Akten beizuziehen, deren Beiziehung schon vor der Vernehmung des Zeugen Müller beantragt worden war. Der Senat sieht hierzu, auch unter Berücksichtigung des neuen Vorbringens, keinen Anlaß; er verweist auf seine damalige Entscheidung. Der Zeuge Müller hat inzwischen in der Hauptverhandlung bekannt, „Harry“ gewesen zu sein; auf diese Aussage kommt es an.

Die Akten über die Tötung des Polizeimeisters Schmid finden sich im hier vorliegenden Sonderordner 33.

Auch die von RA Künzel angeregte Vernehmung der Kriminalbeamten Stellmacher, Freimuth, Feuerhahn und Habekost ist nicht geboten. Das Vorbringen von RA Künzel, die Beamten [11228] hätten ausgeklammert, daß Müller „Harry“ sei, weil Müller sonst im hiesigen Verfahren nicht als Zeuge, sondern allenfalls als Mittäter in Betracht gekommen wäre, ist nicht geeignet, die Ladung dieser Zeugen zu begründen: Ob Herr Müller im hiesigen Verfahren Zeuge oder Angeklagter ist, hat mit der Frage, ob er „Harry“ ist, nichts zu tun.

- - -[w]

Ende des Bandes 651

[11229] Vors.:

Sämtliche Beschlüsse werden im Text im Protokoll aufgenommen werden.

Will sich jemand dazu jetzt äußern?

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Wäre es dem Senat möglich, uns Kopien dieser Beschlüsse schon heute oder spätestens am Dienstag in die Hand zu geben?

Vors.:

Wir wollen sehen - also das hier sind Lesenotizen, die sind nicht geeignet zum Kopieren - aber wir wollen sehen, ob wir das Protokoll, soweit es bis jetzt angefallen ist, die Tonbandniederschrift, vorweg schreiben lassen können. Dann hätten Sie es am Dienstag möglicherweise in der Hand.

Dann wollen wir heute noch die Zeit ausnützen, wir sind ja im Augenblick bei der Verhandlung etwas in einer Phase großzügiger zeitlicher Handhabung, weil die von der Verteidigung angebotenen Beweismittel zum Teil nicht greifbar sind; Frau Becker ist zur Zeit nicht greifbar, Frau Roll ist nicht greifbar.

Wir wollen den heutigen Tag noch zu einigen Verlesungen ausnützen.

Bitte, Herr Dr. Breucker.

Gemäß § 249 StPO[21] wird im Urkundenbeweis das Urteil der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 17. Dezember 1973 - Az.: 4Kls 1/73 -

gegen Marianne Herzog[22]

wie folgt verlesen:

Seite 1 a des Urteils: Von „Die Angeklagte ...“ bis „... zwei Jahren und drei Monaten verurteilt.“

Ab Seite 5 des Urteils „II. Entstehung ...“ bis Seite 23 des Urteils „... der Polizei zu entgehen.“

Das Urteil ist abgelegt im Ergänzungsband Urteile Teil II Bl. 384 bis 384/50.

Während der Verlesung:

OStA Holland verläßt um 9.52 Uhr den Sitzungssaal.

OStA Zeis verläßt in der Zeit von 9.52 Uhr bis 10.24 Uhr den Sitzungssaal.

RA Künzel verläßt in der Zeit von 10.06 Uhr bis 10.18 Uhr den Sitzungssaal.

[11230] Vors.:

Ich gehe davon aus, daß die Prozeßbeteiligten nicht erwarten und wünschen, daß weitere Auszüge aus dem Urteil verlesen werden. Es würde jetzt die Beweiswürdigung folgen.

Die Verfahrensbeteiligten stellen keine Anträge auf eine weitere Verlesung des Urteils.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Künzel.

RA Kü[nzel]:

Ich möchte irgendwann im Laufe des Vormittags mal einen ganz kurzen Beweisantrag stellen.

Vors.:

Es ist so, daß wir heute ja schon - wie früher angekündigt war - nur bei einem Unterbrechungstag sind; wir haben ihn ausgenützt zu der Erhebung dieser Beweise, die beantragt waren. Wir haben heute kein Programm mehr weiter vor. Sie können die Gelegenheit gerne benützen.

RA Kü[nzel]:

Dann gebe ich die beweiserhebliche Tatsache wie folgt an: Am Tag der Bombenexplosion in Frankfurt, also 11.5.72, ist von der Firma „Amerikan-Express-Company“ den ganzen Tag über keine Reisegruppe abgefertigt worden. Beweismittel: Zeugnis des Helmut Schweinhard, 6096 Raunheim, [Anschrift], - Schweinhard -.

Vors.:

Schweinhard? Ist der Name richtig verstanden?

RA Kü[nzel]:

Ja. Telefon Frankfurt 15281 während der Geschäftszeit.

Vors.:

Danke. Sollen weitere Anträge gestellt werden? Ich möchte die Gelegenheit benützen, wir haben ja für die nächste Woche vorgesehen, die Vernehmung der Zeugin Rechtsanwältin Becker am 17.8.; terminiert ist auf den 18. und 19. noch nicht ausdrücklich; aber mit Sicherheit kommt allenfalls noch ein Sitzungstag in Betracht, wahrscheinlich der 19. Wir werden darüber den Herren Verteidigern möglichst noch außerhalb der Hauptverhandlung rechtzeitig Bescheid geben. Dann am 24.8. können wir erst die Zeugin Roll erreichen, wir hoffen, daß sie diesmal erscheint. Ich darf darauf hinweisen, daß, so wie die Prozeßlage jetzt ist, ich um beschleunigte Antragstellung ausdrücklich bitten muß, sofern noch weitere Beweiserhebungen und dergleichen gewünscht werden, seitens der Herren Verteidiger. Denn es ist ja bereits mitgeteilt, sofern keine weiteren Beweiserhebungen mehr beantragt werden, und sich alle bisher gestellten Anträge bis zum 24.8. erledigen lassen sollten, würde im Anschluß daran mit den Plädoyers, mit dem Beginn[x] der Plädoyers der Bundesanwaltschaft zu rechnen sein. Ich[y] bitte also um Rücksichtnahme auf diese Planung und möglichst frühzeitige [11231] Benennung weiterer Beweismittel, wenn solche[z] gewünscht werden. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Eine Frage zur ... eine Information bitte. Hat der Senat vorgesehen, nach der Beendigung der Plädoyers der Bundesanwaltschaft eine Pause einzulegen, eine 10-Tagespause?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily hat mich in dem Punkte schon einmal angesprochen, und ich habe ihn beschieden, - ich weiß nicht, ob Sie das kennen - diese Stellungnahme bleibt ...

RA Dr. He[ldmann]:

... definitiv, ist es schon definitiv, ja? Ich habe gehört von einer 10-Tagespause; ich wollte mich vergewissern, ob es dabei bleibt.

Vors.:

Wenn die Verteidiger das wünschen. Die Verteidiger können das beanspruchen nach Schluß der Plädoyers der Bundesanwaltschaft, 10 Tage zur Vorbereitung ihrer eigenen Ausführungen zu machen, das wird anerkannt. Damit sind wir am Ende des heutigen Sitzungstages. Fortsetzung am Dienstag, den 17.8. mit der Vernehmung der Zeugin Becker.

Ende der Sitzung: 10.31 Uhr.

Ende von Band 651.


[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - Az.: 1 StE 1/74 - StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[2] § 57 StPO a.F. schrieb für die Belehrung von Zeug/innen vor: „Vor der Vernehmung sind Zeugen zur Wahrheit zu Ermahnen und darauf hinzuweisen, daß sie ihre Aussage zu beeidigen haben, wenn keine im Gesetz bestimmte oder zugelassene Ausnahme vorliegt. Hierbei sind sie über die Bedeutung des Eides, die Möglichkeit der Wahl zwischen dem Eid mit religiöser oder ohne religiöse Beteuerung sowie über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren.“ Im Unterschied dazu ist die Vereidigung von Zeug/innen heute nur noch die Ausnahme (§ 59 StPO).

[3] Zu den Besonderheiten dieses Verfahrens gehörte es, dass sich die Prozessbeteiligten darauf einigten, ein gerichtliches Wortprotokoll als Arbeitsgrundlage anzufertigen (s. dazu S. 4 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Nach der damaligen Rechtsprechung bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung stets der Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 - Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 - Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 339). Heute wird die gerichtliche Tonbandaufnahme z.T. auch ohne Zustimmung der Beteiligten für zulässig erachtet (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 35; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 13).

[4] Am 11. Mai 1972 detonierten im sog. I.G.-Farben-Hochhaus, dem Hauptquartier des 5. US-Corps, in Frankfurt a.M. 3 Sprengkörper. Dabei wurde eine Person getötet und eine andere in nahe Lebensgefahr gebracht; weitere Personen wurden verletzt (Feststellungen des OLG Stuttgart, Urt. v. 28.4.1977, 2 StE 1/74, S. 1 ff.). Dieser Vorgang war ab dem 65. Verhandlungstag Gegenstand der Beweisaufnahme.

[5] Das I.G.-Farben-Haus in Frankfurt am Main entstand zwischen 1928 und 1931 im Auftrag der Interessen-Gemeinschaft Farbenindustrie Aktiengesellschaft (I.G. Farben), die sowohl an der nationalsozialistischen Wirtschafts- und Rüstungspolitik als auch an der Zwangsarbeit und der Vernichtung von KZ-Häftlingen beteiligt war. Nach Kriegsende beherbergte das Haus den Hauptsitz der amerikanischen Militärverwaltung. 1951 zog das 5. amerikanische Armeekorps ein (Jeßberger, JZ 2009, S. 924, 925; Stokes, in Lillteicher [Hrsg.], Profiteure des NS-Systems?, 2006, S. 45, 48 ff.).

[6] Gerhard Müller war ein ehemaliges Mitglied der RAF und einer der Hauptbelastungszeugen in diesem sowie in weiteren Verfahren gegen Mitglieder der RAF. Er wurde ab dem 124. Verhandlungstag als Zeuge vernommen. Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass die umfassende Aussage Müllers, mit der er die Angeklagten schwer belastete, u.a. durch das Versprechen diverser ungesetzlicher Vorteile unzulässig beeinflusst worden war (s. hierzu etwa die Beweisanträge in den Anlagen 4 bis 19 zum Protokoll zum 20.7.1976, S. 10643 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 128. Verhandlungstag; s. zu den Vorwürfen der Verteidigung auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 305 ff.).

[7] Personen aus dem Presse- und Rundfunkbereich steht gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StPO für bestimmte Informationen ein Zeugnisverweigerungsrecht zu.

[8] Ingeborg Barz war ein frühes Mitglied der RAF. Zuvor war sie Teil der Hilfsorganisation Schwarze Hilfe und bildete u.a. gemeinsam mit Angela Luther, Inge Viett, Verena Becker und Waltraud Siepert eine feministische Gruppe namens Die schwarze Braut. Über Barz’ Position in der RAF ist nicht viel bekannt. 1971 soll sie beim Überfall auf eine Bank in Kaiserslautern mitgewirkt haben. Von der Verhaftungswelle 1972 war Barz nicht betroffen, gilt aber wie Angela Luther seitdem als verschwunden. Über ihren Verbleib existieren nur Spekulationen. Unter anderem stand der Verdacht im Raum, dass sie als Spitzel des Verfassungsschutzes enttarnt und von Baader erschossen worden sei (Kraushaar, Verena Becker und der Verfassungsschutz, 2010, S. 31 ff., 37 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S 299, 820). Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass die Behauptung, Baader habe Barz erschossen, von Gerhard Müller aufgestellt worden sei, um Baader wahrheitswidrig zu belasten (s. den Beweisantrag des Rechtsanwalts Dr. Heldmann am 142. Verhandlungstag, S. 11467 des Protokolls der Hauptverhandlung). Durch den Beweis der Unwahrheit dieser Tatsache sollte die Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen Müller insgesamt erschüttert werden (s. dazu etwa die Diskussion um den am 147.Verhandlungstag gestellten Beweisantrag, S. 11684 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Zu den Angaben, die Müller über in diesem Zusammenhang gemacht haben soll, s. auch die Ausführungen des Vernehmungsbeamten KHK Opitz am 152. Verhandlungstag, S. 11855 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[9] S. Anlage 2 zum Protokoll vom 4. August 1976: Senatsbeschluss vom 3. August 1976: kommissarische Vernehmung der Zeug/innen Stachowiak, Eckes, Jünschke, Grashof (S. 11193 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 134. Verhandlungstag).

[10] § 250 StPO enthält den Grundsatz der persönlichen Vernehmung. Nach § 250 Satz 2 StPO darf die Vernehmung einer Person über Tatsachen, die sie wahrgenommen hat, nicht durch die Verlesung einer früheren Vernehmung oder einer schriftlichen Erklärung ersetzt werden Die §§ 251 ff. StPO enthalten enge Ausnahmen von diesem Grundsatz. Der Senat erwog in seinem Beschluss vom 3.8.1976 eine Verlesung nach § 251 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StPO a.F. (heute: § 251 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StPO), worunter u.a. die Fälle fallen, dass dem Erscheinen des/der Zeug/in für eine längere Zeit nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen, sowie dass ihm/ihr das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung der Aussage nicht zugemutet werden kann.

[11] § 223 StPO ermöglicht die Vernehmung durch eine/n ersuchte/n oder beauftragte/n Richter/in, wenn dem Erscheinen von Zeug/innen in der Hauptverhandlung nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen, oder ihnen das Erscheinen wegen großer Entfernungen nicht zugemutet werden kann. Die Vernehmung kann auch im Ausland stattfinden. Das Ergebnis der Vernehmung kann gem. § 251 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StPO a.F. (heute: § 251 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StPO) durch Verlesen des richterlichen Vernehmungsprotokolls in die Hauptverhandlung eingeführt werden.

[12] Anlage 1 zum Protokoll vom 12. August 1976: Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 10.8.1976.

[13] Anlage 2 zum Protokoll vom 12. August 1976: Schreiben des Vorsitzenden Dr. Prinzing an Rechtsanwalt Dr. Huth vom 4.8.1976.

[14] Anlage 3 zum Protokoll vom 12. August 1976: Antwortschreiben des Rechtsanwalts Dr. Huth vom 5.8.1976.

[15] Der Zeuge Dierk Hoff, der in seiner Werkstatt einige der später von der RAF verwendeten Sprengkörperhüllen hergestellt hatte, wurde als einer der Hauptbelastungszeugen ab dem 68., sowie am 98. Verhandlungstag vernommen.

[16] Gerhard Müller hatte in seiner Zeugenaussage zunächst abgestritten, den Decknamen „Harry“ benutzt zu haben. Damit einher ging die Behauptung, er habe den Zeugen Dierk Hoff nie getroffen (S. 10399 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 125. Verhandlungstag); dieser hatte im Rahmen seiner Zeugenaussage allerdings ein Treffen mit einem „Harry“ geschildert, den er inzwischen als Müller identifizierte, s. S. 5948 des Protokolls der Hauptverhandlung, 68. Verhandlungstag). Müller korrigierte seine Aussage schließlich am 126. Verhandlungstag (S. 10407 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[17] Nach § 55 Abs. 1 StPO steht Zeug/innen ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, wenn sie sich selbst oder ihre Angehörigen (§ 52 Abs. 1 StPO) durch die Beantwortung einer Frage der Gefahr aussetzen würden, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt werden. Zu den Angehörigen gehören auch Verlobte (§ 52 Abs. 1 Nr. 1 StPO).

[18] Der Polizeibeamte Norbert Schmid wurde bei einem Festnahmeversuch des RAF-Mitglieds Margrit Schiller erschossen. Er war das erste Opfer der RAF. Der genaue Tatvorgang, insbesondere die Täterschaft, konnte bis heute nicht aufgeklärt werden. Schiller selbst belastete Gerhard Müller schwer, der mit Urteil vom 16.3.1976 vom LG Hamburg zwar für andere Taten, darunter Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und Beihilfe zum Mord, nicht aber für den Mord an Schmid verurteilt wurde (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 113 ff.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 29). Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass der Freispruch Müllers in Bezug auf den Mord an Norbert Schmid Teil einer unzulässigen Absprache mit den Strafverfolgungsbehörden gewesen sei (s. dazu etwa die Beweisanträge in den Anlagen 8 und 12 zum Protokoll vom 20.7.1976, S. 10649 f., 10659 des Protokolls der Hauptverhandlung, 128. Verhandlungstag).

[19] § 137 StPO lautet: „Der Beschuldigte kann sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers bedienen. Die Zahl der gewählten Verteidiger darf drei nicht übersteigen“.

[20] Gemeint ist hier das bei der Festnahme von Ulrike Meinhof gefundene und offenbar von Gudrun Ensslin stammende Schreiben, in welchem sich Schilderungen konkreter Geschehnisse im Zusammenhang mit ihrer Verhaftung befanden (das Schreiben wird am 59. Verhandlungstag thematisiert, S. 5396 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung; Auszüge finden sich im Urteil auf S. 152). Da es nur wenige Tage nach der Verhaftung Ensslins außerhalb der Haftanstalt aufgefunden wurde, wurde schnell der Verdacht geäußert, Rechtsanwalt Schily habe diesen Kassiber im Rahmen eines Anwaltsbesuches illegal aus der Haftanstalt herausgeschmuggelt. Sichere Beweise hierfür gab es allerdings nicht (s. hierzu Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 65 ff.).

[21] Urkunden werden durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt (§ 249 StPO; heute in einigen Fällen ebenfalls möglich: Einführung im Selbstleseverfahren, § 249 Abs. 2 StPO). Zwar ist die sog. materielle Rechtskraft, die den Inhalt eines Urteils betrifft, in zweifacher Hinsicht beschränkt: Zum einen bezieht sie sich nur auf die Personen, gegen die das Verfahren gerichtet war (Kudlich, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Auflage 2014, Einleitung Rn. 510), zum anderen entsteht sie auch nur im Hinblick auf den Tenor, also die Entscheidungsformel, die im Falle einer Verurteilung den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch (sowie bestimmte Nebenentscheidungen) umfasst (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, Einl. Rn. 170). Gleichwohl ist es anderen (Straf-)Gerichten nicht verwehrt, die auch in den Entscheidungsgründen dokumentierten Ergebnisse der Beweiserhebung im Wege des Urkundenbeweises in die Hauptverhandlung einzuführen und sie zur Grundlage der eigenen Überzeugungsbildung (§ 261 StPO) zu machen; dies gilt sogar für nichtrechtskräftige (z.B. aufgehobene) Entscheidungen (BGH, Urt. v. 18.5.1954 - Az.: 5 StR 653/53, BGHSt 6, S. 141; Diemer, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur StPO, 8. Aufl. 2019 § 249 Rn. 17).

[22] Die Buchhändlerin Marianne Herzog lernte Ulrike Meinhof in den Jahren 1968 bis 1970 kennen, während sie sich als Journalistin mit der Thematik der Fürsorgeerziehung auseinandersetzte. Sie war politisch aktiv, gehörte dem „Aktionsrat zur Befreiung der Frauen“ in Berlin an und trat zwischenzeitlich u.a. der Organisation „Marxisten-Leninisten (ML)“ bei. In der RAF war sie nur für wenige Wochen zwischen Dezember 1970 und Januar 1971 aktiv. Das Landgericht Frankfurt verurteilte sie mit Urteil vom 17.12.1973 u.a. wegen der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung sowie der Verabredung eines schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zwei Jahren und drei Monaten (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 82 f.).


[a] Handschriftlich eingefügt: ?

[b] Maschinell eingefügt: vor

[c] Maschinell durchgestrichen: Z.Hose: Wir kamen

[d] Maschinell eingefügt: - Rechtsanwalt Geulen, als Vertreter von RA Schily, erscheint um 9.13 Uhr im Sitzungssaal. -

[e] Maschinell eingefügt: -Building

[f] Maschinell eingefügt: jetzt für so entsprechende Reisen

[g] Maschinell eingefügt: inne

[h] Maschinell eingefügt: Jahre alt,

[i] Maschinell durchgestrichen: nicht

[j] Maschinell durchgestrichen: in der Presse an Herrn

[k] Maschinell eingefügt: doch

[l] Handschriftlich durchgestrichen: eben

[m] Maschinell eingefügt: dabei

[n] Handschriftlich durchgestrichen: Verwirrungsspiel

[o] Handschriftlich durchgestrichen: sollte

[p] Maschinell eingefügt: gestellten

[q] Handschriftlich eingefügt: - - -

[r] Handschriftlich eingefügt: - - -

[s] Handschriftlich eingefügt: - - -

[t] Handschriftlich eingefügt: - - -

[u] Handschriftlich eingefügt: - - -

[v] Handschriftlich eingefügt: - - -

[w] Handschriftlich eingefügt: - - -

[x] Maschinell eingefügt: dem Beginn

[y] Maschinell eingefügt: Ich

[z] Maschinell ersetzt: sie durch solche