134. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Mittwoch, den 4.August 1976 um 9.05 Uhr



[11109] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Mittwoch, den 4.[a] August 1976 um 9.05 Uhr

(134. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft - mit Ausnahme von Reg. Dir. Widera - erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte sind anwesend:

Just. Ass. Clemens

Just. Ass. z. A. Scholze

Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]

Als deren Verteidiger sind erschienen, Rechtsanwälte Künzel, Schnabel, Dr. Holoch (als amtlich bestellter Vertreter von RA Schwarz) und Grigat.

Als Zeuge ist erschienen:

Rechtsanwalt Rupert von Plottnitz

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort.

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann hat mitteilen lassen, daß er sich um 1 Stunde verspätet, sein PKW hat einen Defekt.

Herr Rechtsanwalt Schwarz wird durch seinen amtlich bestellten Vertreter, Herr Rechtsanwalt Dr. Holoch vertreten.

Herr Rechtsanwalt Eggler ist erkrankt, wird im Laufe des Vormittags durch Herrn Rechtsanwalt Augst vertreten werden.

Herr Rechtsanwalt Schily sei schon im Gebäude, man kann also wohl davon ausgehen, daß er zur Zeugenvernehmung kommt, erscheinen wird.

Rechtsanwalt Schily erscheint um 9.06 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Wir haben heute früh Herrn Rechtsanwalt von Plottnitz als Zeugen geladen.

Der Zeuge von Plottnitz wird gemäß § 57 und § 55 StPO[2] belehrt.

Der Zeuge erklärt sich mit der Aufnahme seiner Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.[3]

[11110] Der Zeuge von Plottnitz macht folgende Angaben zur Person:

Rupert von Plottnitz-Stockhammer,

36 Jahre alt, Rechtsanwalt in Frankfurt,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert.

Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Herr Zeuge, es ist so, der Zeuge Müller[4] hat hier sinngemäß bekundet, außer Rechtsanwalt Ströbele seien Sie sein Anwalt gewesen, sein zweiter Anwalt. Er habe sich zu dem Zeitpunkt, als Sie ihn beraten hätten, in einem miesen Zustand, wie er sich ausdrückte, befunden und es sei wohl Ihre Sache gewesen, ihn wieder aufzurüsten, moralisch, wenn man das so ausdrücken darf, ihn wieder auf die Linie der RAF zurückzuführen. Und daran anknüpfend hat die Verteidigung beantragt, Sie zu hören, daß Sie entgegen den Behauptungen des Zeugen Gerhard Müller nicht als engagierter RAF-Psychologe aufgetreten[b] seien, der auf Anweisung Baader angeknackste RAF-Mitglieder wieder aufzurichten gehabt habe. Können Sie sich zu diesem Thema äußern?

Zeuge v[on] Plo[ttnitz]:

Da muß ich zunächstmal nach der Frage der Schweigepflicht,[5] auf die Frage Schweigepflicht eingehen. Also ich weiß nicht, ob Herr Müller ...

Vors.:

Darf ich Sie darauf hinweisen, Müller hat nicht entbunden.

Zeuge v[on] Plo[ttnitz]:

Ist Herr Müller ausdrücklich dazu gefragt worden?

Vors.:

Er ist ausdrücklich gefragt worden. Er hat ausdrücklich erklärt, daß er keinen der Anwälte, die ihn beraten und vertreten haben, von der Schweigepflicht befreie.

Zeuge v[on] Plo[ttnitz]:

Ich habe mir das gedacht und habe darüber nachgedacht, ob ich hier als Zeuge befugt bin, unter Außerachtlassung der Verschwiegenheitspflicht Angaben zu machen. Und ich habe bei den Recherchen, die ich dazu auch angestellt habe, festgestellt, es ist eine sehr schwierige Frage. Und ich habe mich dann schweren Herzens, muß ich sagen, ich werde auch sagen warum schweren Herzens, dazu entschieden, hier Angaben unter Außerachtlassung der Verschwiegenheitspflicht Herrn Müller gegenüber nicht zu machen. Und zwar aus folgendem Grund, ich bin hier nur Zeuge, ich bin nicht Beschuldigter und ich bin der Auffassung, daß ich unter Außerachtlassung meiner Verschwiegenheitspflicht Herrn Müller gegenüber nur Angaben zu machen befugt bin, wenn ich selbst Beschuldigter bin,[6] sei es Beschuldigter eines Straf- [11111] verfahrens oder ein Beschuldigter eines Ehrengerichtsverfahrens.[7] Ich habe mich deshalb zu folgendem Weg entschieden, ich muß dazu sagen, ich war 1 Monat in Ferien, ich habe das alles erst jetzt am Wochenende en Detail zur Kenntnis nehmen können, also en Detail heißt durch[c] Presseberichte. Ich habe gegen den Herrn Müller eine Strafanzeige erstattet, bei der Staatsanwaltschaft in Hamburg und habe auch Strafantrag gestellt gegen ihn und zwar wegen folgender Delikte, wegen des Verdachtes einer Falschverdächtigung, wegen des Verdachtes einer Verleumdung und wegen des Verdachtes der Falschaussage; ich wußte nicht, ob er hier vereidigt worden ist oder nicht.

Vors.:

Nein.

Zeuge v[on] Plo[ttnitz]:

Ich habe eine Durchschrift dieser Strafanzeige geschickt an die zuständige Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht in Frankfurt und darum gebeten, falls nicht bereits geschehen, gegen mich ein Ehrengerichtsverfahren wegen der Behauptung, die Gegenstand meiner Strafanzeige sind, der Behauptung von Herrn Müller, in Gang zu bringen[8] und mir umgehend Gelegenheit zu geben, mich im Rahmen dieses Ehrengerichtsverfahrens substantiiert, ...

Rechtsanwalt Herzberg, als ministeriell bestellter Vertreter von RA Schlaegel, erscheint um 9.10 Uhr im Sitzungssaal.

Zeuge v[on] Plo[ttnitz]:

... also ohne Gebundenheit an die Schweigepflicht, davon gehe ich dann aus, daß ich daran nicht gebunden bin, Stellung nehmen zu können.

In dieser Strafanzeige, d. h. ich bin also in der Situation, daß ich hier nur in allgemeiner Form etwas sagen kann zu dem, was der Herr Müller gesagt hat, so wie ich es auch in der Strafanzeige gesagt habe. Ich möchte allerdings, ich[d] lege Wert hier auf die Feststellung, daß ich das Verfahren, das Herr Müller hier eingeschlagen hat, schon für sehr heimtückisch halte; also herzugehen und frühere Anwälte von ihm zu verleumden, um[e] mal so[f] zu sagen, ohne ihnen die Gelegenheit zu geben, dazu auch in der Öffentlichkeit, in der gezielten hier, Stellung nehmen zu können, das halte ich für ein heimtückisches Verfahren. Und ich würde das ...

Vors.:

Aber das Verfahren ... Verzeihung, Herr Zeuge, ich kann natürlich nicht jetzt es ...

Zeuge v[on] Plo[ttnitz]:

Das ist eine Qualifikation von mir, eine Bewertung.

Vors.:

Ja, nun Sie dürfen selbstverständlich Ihre Meinung und Ihre Gefühle [11112] in der Beziehung äußern, nur ich muß insofern auch den Zeugen in Schutz nehmen, das ist meine Pflicht. Ich meine, für das Verfahren, wie er hier vernommen worden ist, kann der Zeuge letztlich nichts und er kann auch nicht bestimmen, daß Sie sich dazu äußern.

Zeuge v[on] Plo[ttnitz]:

Nein, ich meine nicht das Verfahren hier, ich meine das Verfahren, daß der Zeuge für richtig hält, einerseits zu verleumden, andererseits zu erklären, ich gebe allerdings keine Gelegenheit, denen hier als Zeugen sich zu äußern, ...

Vors.:

Dann habe ich das mißverstanden.

Zeuge v[on] Plo[ttnitz]:

... das meinte ich mit heimtückisch. Und wenn es nicht ein früherer Mandant von mir wäre, dann würde ich auch sagen, das scheint ein Mann zu sein, der die Wahrheit zu scheuen hat.

Zu dem, was mir hier von Ihnen gerade vorgehalten worden ist, wie gesagt, unsubstantiiert folgende Stellungnahme dazu: Ich bin seit 1969 Rechtsanwalt und ich habe seit dieser Zeit noch nie jemand verteidigt, der mir gegenüber Anweisungen gegeben hat. Ich habe Mandanten verteidigt, die mir gegenüber Bitten ausgesprochen haben, ich habe Mandanten verteidigt, mit denen Verteidigungsfragen erörtert wurden, aber Mandanten, die mir gegenüber Anweisungen gegeben haben, habe ich noch nicht verteidigt; und Mandanten, die glauben würden, daß die Grundlage einer Verteidigung Anweisungen sein könnten, die würde ich auch nicht verteidigen.

Zum Stichwort RAF-Psychologe kann ich nur folgendes sagen: Ich bin kein Psychologe, auch kein engagierter, ich bin allerdings engagierter Verteidiger. Und ich war, ich war zu keiner Zeit für die RAF weder als Psychologe noch als sonstwas tätig; ich war als Verteidiger tätig von Mandanten, die sich dem Vorwurf der Zugehörigkeit zur Roten-Armee-Fraktion ausgesetzt sahen[g] und das ist alles, was von mir aus in dieser Sache geschehen ist. Ja, das ist das, was ich zunächstmal zu sagen habe, in dieser allgemeinen Form.

Zu Ihrem Vorhalt vielleicht noch zu einem dritten Punkt hier. Wie hat das geheißen, ich habe das also nicht mehr richtig in Erinnerung, ich hätte auf Linie gebracht oder so was.

Vors.:

Ja, Sie hätten ihn[h] wieder, jetzt weiß ich nicht genau, ich habe es Ihnen ja nur sinngemäß vorgehalten, auf die Höhe der RAF oder auf die Linie der RAF gebracht. Also entweder auf die Höhe der RAF wieder aufgerichtet oder auf die Linie der RAF wieder zurückgebracht.

Zeuge v[on] Plo[ttnitz]:

Ihn, den Zeugen?

Vors.:

Den Zeugen.

[11113] Zeuge v[on] Plo[ttnitz]:

Dann kann ich bedauerlicher Weise dazu nichts sagen, weil ich dann ja wieder Wahrnehmungen preisgeben müßte, die mir nur in meiner Eigenschaft als Verteidiger möglich geworden sind. Dann kann ich nicht als Zeuge hier sagen, wie gesagt, ich kann ... und werde sehr genau dazu etwas sagen in dem zu erwartenden Ehrengerichtsverfahren. Und ich stelle im übrigen auch anheim, ich hoffe, daß das so schnell geht, daß der Senat, falls er Wert darauf legt, die entsprechenden Niederschriften über meine Stellungnahme dann noch beiziehen kann.

Vors.:

Sie haben eben erwähnt, daß Sie niemals verteidigt hätten gegenüber einem Mandanten, der Anweisungen erteilt habe. Wir hatten schon im Zusammenhang mit der Vernehmung des Herrn Rechtsanwalts Ströbele ein Schreiben, das nach der Überschrift ein INFO[9] für alle gewesen ist, also über das INFO für alle gelaufen ist, gerichtet war an „Golzem und Plottnitz“, hier eingeführt. Herr Rechtsanwalt Ströbele hat bestätigt, das Schreiben zu kennen. Es war Anlage seines Verfahrens, Ausschlußverfahrens[10] vor einem anderen Strafsenat.[11] Und ich möchte Ihnen das nur in dem Zusammenhang vorhalten, weil das eben die Frage, die Sie eben angeschnitten haben, berührt und möglicherweise dazu dienen kann, daß hier keine Widersprüche auftauchen, die nachher bei Ihrer Aussage als Unrichtigkeit dargestellt werden könnten.

Es heißt in diesem Schreiben: „na schön, ...“ also gerichtet an Sie und Herrn Rechtsanwalt Golzem „... na schön, kommt nochmal her, dann legen wir die bedingungen politischer verteidigung fest - verbindlich für die prozesse und die verteidigung durch mobilisierung revolutionärer und demokratischer öffentlichkeit, oder wir verständigen uns nicht und ihr verliert die mandate.“ Und dann heißt es: „mit ein paar punkten wirst du dich jedenfalls präzise ohne ...“ und dann wird von der lästigen Intriganz eines Herrn gesprochen „... auseinandersetzen müssen:“ Das kann eigentlich nur die Anrede an Sie gewesen sein.

„1. die gefangenen bestimmen die prozesstrategie und zwar kollektiv ...“ auch wenn das bedeute, daß Anwälte dann das Mandat niederlegen.

„3. alle anwälte die besuche machen und verteidigen, arbeiten an dem info mit - das heisst, füttern und verteilen es.“

Das wird nachher nochmals zusammengefasst, kurzum, ich kann ja nur Ihnen das jetzt vorhalten; Sie werden aus diesen wenigen Zitatstellen erkennen, daß jedenfalls für den Außenstehenden das als Anweisung, wenn nicht gar[i] als Befehl verstanden werden müßte. Ich darf nochmal sagen, es wird zusammengefasst, da heißt es hier, um das zu verdeut- [11114] lichen: „Die Kriterien politischer Verteidigung sind: 1. die gefangenen bestimmen und zwar kollektiv die Prozeßstrategie“, das wird also hier nochmals wiederholt, „auch wenn das bedeutet, daß die Anwälte zu bestimmten Entwicklungen im Prozeß die Verteidigung für unmöglich erklären und rausgehen.“

„2. Sie arbeiten an dem INFO mit, füttern und verteilen es.“ Nicht gebracht soll es werden, da werden ausdrücklich Sie erwähnt, die Gründe werden angegeben, und so noch ein paar Punkte. Und dann heißt es klar ...

Zeuge von Plo[ttnitz]:

Nochmal, also mir ist es ... Ist das ein Schreiben von dem Kollegen Ströbele an uns in Frankfurt?

Vors.:

Nein, das ist ein Schreiben, das mit „a am 5.2.“ unterzeichnet ist. Nach dem, was wir bisher ...

Zeuge v[on] Plo[ttnitz]:

Am 5.2. welchen Jahres?

Vors.:

1974. Sie dürfen es sich ruhig ansehen dazu mal, ob Sie das Schreiben kennen.

Dem Zeugen wird das aus Anlage 1 zum Protokoll ersichtliche Schreiben vorgelegt.

Vors.:

Jedenfalls, es ist der Inhalt so, Anweisungen und wer sich als Rechtsanwalt nicht daran halte, fliege. Das ist also hier ... ob das nun in der Praxis so durchgeführt worden ist, ist eine andere Frage.

Zeuge v[on] Plo[ttnitz]:

Ich glaube, ich kann darauf antworten, und zwar ... An und für sich müßte ja Herr Baader hier eine Erklärung ... oder von wem soll es stammen, hat das Herr Ströbele gesagt?

Vors.:

„a“ ist ...

Zeuge v[on] Plo[ttnitz]:

Gut, also wenn ...

Vors.:

... das Kürzel davon können, wir zwar nicht mit Sicherheit ausgehen, aber ...

Zeuge v[on] Plo[ttnitz]:

... wenn das so wäre ...

Vors.:

... es spricht einiges für Herrn Baader.

Zeuge vo[n] Plo[ttnitz]:

... das müßte Herr Baader, dann müßte Herr Baader dazu eine Erklärung abgeben. Aber ich will trotzdem darauf antworten, ich kann es auch. Ich kenne das Schreiben nicht. Möglicherweise kenn ich es deshalb nicht, weil ich in der Zeit vom 27. Dezember 1973 bis Herbst 74, mit einer Unterbrechung im April, glaube ich, von 10 Tagen, bettlägerig war, infolge eines Skiunfalles und in dieser Zeit ohnedies zu keinerlei Verteidigertätigkeiten in der Lage war.

[11115-11119][12] [11120] Vors.:

Nein, Herr Zeuge, ich glaube, es gibt eine andere Erklärung dafür, die sich aus den Schreiben ergibt, ich habe sie schon angedeutet. Sie wurden ja, d. h. Ihr Büro wurde in das INFO nicht einbezogen, nach dieser damaligen Anweisung, und das war ein INFO an alle, das hat Herr Rechtsanwalt Ströbele bestätigt, daß das über das INFO gelaufen sei. Und insofern ist es durchaus denkbar, daß es Ihrem Büro nicht zugegangen ist das Schreiben.

Zeuge v[on] Plo[ttnitz]:

Also ich kann nur sagen, ich kenne das Schreiben nicht.

Vors.:

Sie kennen es nicht.

Zeuge v[on] Plo[ttnitz]:

Ich kenne es nicht.

Vors.:

Kurzum, aber aus dem Schreiben ergibt sich dieser Inhalt, Sie sehen ja schon die gelb hier angemerkten Sätze, die klingen anders, als ob eben doch Anweisungen gegeben worden sind.

Zeuge v[on] Plo[ttnitz]:

Ich kann nur in der Allgemeinheit, wie ich es hier eingangs getan habe, wiederholen, ich habe in der Zeit, seit der Zeit, da ich Verteidiger bin, mit niemanden zu tun gehabt, der mir gesagt hat: Ich gebe Dir die Anweisung, das so und so zu machen.

Vors.:

Sie wissen also nichts davon, daß dieses hier angedeutete Programm, daß die Beschuldigten, die Angeklagten, die Strategie bestimmen, daß sich die Anwälte danach zu richten haben, daß das auch tatsächlich in die Praxis umgesetzt worden sei?

Zeuge v[on] Plo[ttnitz]:

Von diesem Schreiben weiß ich nichts, nein.

Vors.:

Nein, nicht vom Schreiben. Ob das, was aus diesem Schreiben inhaltlich hervorgeht, ob das in der Praxis dann tatsächlich verwirklicht worden ist, daß nämlich die Prozeßstrategie von den Angeklagten bestimmt worden ist und daß sich die Verteidiger danach zu richten gehabt haben?

Zeuge v[on] Plo[ttnitz]:

Eigentlich kann ich nicht darauf antworten, ohne von der Schweigepflicht entbunden zu sein, von den Mandanten, die ich in der Vergangenheit vertreten habe; dazu gehörte auch z. B. Herr Meins, der kann mich nicht von der Schweigepflicht entbinden.[13] Ich kann nur hoffen, daß zu dieser Frage auch im Ehrengerichtsverfahren, auf diese Frage eingegangen wird, ich werde mich dann auch zu diesem Komplex natürlich äußern.

Vors.:

Gut, ich habe keine Frage mehr an den Herrn Zeugen.

Beim Gericht keine Fragen mehr.

Die Herren der Bundesanwaltschaft?

Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, bitte.

BA Dr. Wu[nder]:

Eine einzige Frage, Herr Zeuge. Fühlen Sie sich mit den hier Angeklagten solidarisch?

[11121] RA Schi[ly]:

Die Frage beanstande ich.

Herr Vorsitzender, was soll denn diese Frage eigentlich ...

BA Dr. Wu[nder]:

Die Frage ...

RA Schi[ly]:

... rein polemisch agitatorische Fragen ...

BA Dr. Wu[nder]:

Die Frage soll mit dienen ...

Vors.:

Ich darf vielleicht bitten, daß Herr Rechtsanwalt Schily die Gründe vorträgt, Sie dann Ihre Gründe dagegenstellen.

Bitte, Herr Rechtsanwalt.

RA Schi[ly]:

Das ist eine, also wirklich eine rein, entschuldigen Sie das Wort, Herr Dr. Wunder, aber eine rein agitatorisch polemische Frage, bei dem ich nun wirklich nicht erkennen kann, was solche Bewertungen - das ist doch ein Werturteil - oder was soll denn da eigentlich aus dieser ... was erwarten Sie da für Antwort, das würde ich doch sehr gerne mal von Ihnen wissen, was eine solche Frage eigentlich soll?

BA Dr. Wu[nder]:

Darf ich erklären ...

RA Schi[ly]:

Ich meine, sicherlich kann Herr von Plottnitz dazu Stellung nehmen, also insofern, aber was soll eine solche Frage? Ich glaube, das hätte sich auch mal das Gericht zu überlegen.

Vors.:

Bitte, Herr Bundesanwalt.

BA Dr. Wu[nder]:

Wenn sich der Herr Zeuge den Angeklagten innerlich verbunden fühlen würde, dann hätte das Einfluß auf die Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit. Deswegen bitte ich die Frage zuzulassen.

Vors.:

Ließe sich ...

RA Schi[ly]:

Ich ziehe die Beanstandung zurück.

Vors.:

Grundsätzlich ist, sagen wir mal, der Tendenz nach gegen eine solche Frage nichts einzuwenden, nur scheint der Begriff „solidarisch“ ein so umfassender und nicht präziser Begriff zu sein, daß damit für das Gericht nicht klar erkennbar wird, ob es sinnvoll ist, die Frage zu stellen. Kann man diesen Begriff irgendwie einengen, präziser stellen?

BA Dr. Wu[nder]:

Ich habe eben einen etwas anderen Begriff gewählt, in dem ich gesagt habe, innerlich verbunden. Ich komme aber doch wieder auf den Begriff „solidarisch“ deswegen zurück, weil er auf Pressekonferenzen der hier gewählten Verteidiger wiederholt benützt worden ist.

(nach einer kurzen Pause)

Herr Vorsitzender, wenn der Zeuge, wie zu beobachten, zögert, diese Frage zu beantworten, ...

Zeuge v[on] Plo[ttnitz]:

Er zögert gar nicht, er wartet auf die Entscheidung des [11122] Vorsitzenden, ob die Frage zulässig ist.[14]

BA Dr. Wu[nder]:

... dann kann ich für die Bundesanwaltschaft ...

RA Schi[ly]:

Ich habe die Beanstandung zurückgezogen, also bitte.

BA Dr. Wu[nder]:

... meine Schlüsse daraus ziehen und ich nehme die Frage zurück.

Vors.:

Bitte?

RA Schi[ly]:

Ich hatte die Beanstandung zurückgezogen.

Vors.:

Sie haben sie zurückgezogen?

RA Schi[ly]:

Ja, ja.

Vors.:

Gut, dann kann die Frage ja beantwortet werden.

Zeuge von Plo[ttnitz]:

Ja, dann kann man sie beantworten. Also zur Frage der Solidarität würde ich wie folgt antworten: Zum einen, das betrifft, das kann ich, glaube ich, auch sagen hier, fühle ich mich nicht, durch keine Verschwiegenheitspflicht gehindert, das zu sagen, das hat also Einfluss gehabt auf meine Entscheidung, Mandate in diesen Sachen überhaupt anzunehmen - solange sich kein Nürnberger Tribunal[15] findet, daß diejenigen Mitglieder, frühere amerikanische Regierungen oder Administrationen und ihre Verbündeten, für das, was ich als Kriegsverbrechen betrachten würde in Südost-Asien,[16] zur Rechenschaft zieht; solange ist meiner Ansicht nach ein Gericht nicht befugt und berechtigt, wegen des Vorwurfs von Angriffen, auf - militärischen Angriffen, bewaffneten Angriffen - auf militärische Einrichtungen der US-Armee in der Bundesrepublik eine Verurteilung auszusprechen. Solange ein Nürnberger Tribunal sich nicht findet, das, wie gesagt, so wie es 1943 geschehen ist oder 1947, die Kriegsverbrechen, um die es geht da und ging, ermittelt und die Verantwortlichen dafür zur Rechenschaft zieht. Das ist das eine, im übrigen solidarisch fühlte ich mich und fühle ich mich mit Mandanten, die unter Haftbedingungen zu leiden haben, von denen ich, meiner Überzeugung nach, meine, daß sie mit dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit nicht zu vereinbaren sind. Wenn ich sehe, daß ein Mensch, der sich immerhin im Gewahrsam von Staatsorganen befindet, für meine Begriffe, ohne daß es durch Sicherungszwecke in Bezug auf das Strafverfahren gerechtfertigt ist, gequält wird, dann erweckt das meine Solidarität. Dann bemühe ich mich als Verteidiger, alles zu unternehmen, um eine Änderung dieser Haftbedingungen zu erreichen.

Vors.:

Bitte weitere Fragen.

BA Dr. Wu[nder]:

Eine Solidarität wegen gemeinsamer Vergangenheit mit einigen der Angeklagten empfinden Sie nicht?

Zeuge v[on] Plo[ttnitz]:

Nein.

BA Dr. Wu[nder]:

Danke.

[11123] Zeuge v[on] Plo[ttnitz]:

Ich verstehe nicht, was Sie mit gemeinsamer Vergangenheit meinen, eine Heirat hat da nie stattgefunden.

BA Dr. Wu[nder]:

Im weitesten Sinne, Herr Zeuge, im weitesten Sinne.

Zeuge v[on] Plo[ttnitz]:

Nein.

BA Dr. Wu[nder]:

Danke.

Vors.:

Herr Bundesanwalt Zeis.

OStA Z[eis]:

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz-Stockhammer, haben Sie mal auf Pressekonferenzen von Vernichtungsstrategie, von Vernichtungsmaschinerie der Staatsschutzorgane, der Bundesanwaltschaft gesprochen? Haben Sie auf Pressekonferenzen den Tod von Holger Meins als Mord, als Hinrichtung auf Raten bezeichnet?

Zeuge v[on] Plo[ttnitz]:

Von Vernichtungsstrategie der Bundesanwaltschaft habe ich nicht gesprochen. Ich habe gesprochen allerdings ...

OStA Z[eis]:

Sinngemäß.

Zeuge v[on] Plo[ttnitz]:

Sinngemäß kann ich mir vorstellen, daß ich ohne das Wort Vernichtung verwendet zu haben, von dem Faktum gesprochen habe, daß die Gefangenen durch die Praktizierung von Isolationshaftbedingungen in ihrer Gesundheit zerstört werden.

OStA Z[eis]:

Sie sind also sicher, daß Sie ...

Zeuge v[on] Plo[ttnitz]:

„Mord auf Raten“, das ist eine Formulierung, die ist von mir, glaube ich, nicht verwendet worden.

OStA Z[eis]:

Was Sinngemäßes?

Zeuge v[on] Plo[ttnitz]:

Nein, ich habe wegen des Todes von, des früheren Mandanten Holger Meins eine Strafanzeige[17] erstattet; und diese Strafanzeige habe ich erstattet wegen versuchten Mordes, und diese Strafanzeige habe ich erläutert auf einer Pressekonferenz mal in Mainz. Wegen dieser Strafanzeige ist übrigens auch gegen mich ein Ehrengerichtsverfahren anhängig.

OStA Z[eis]:

Haben Sie auch nicht sinngemäß so etwas gesagt, wie „Hinrichtung“ „Mord auf Raten“?

Der Angeklagte Raspe erscheint um 9.25 Uhr im Sitzungssaal.

Zeuge v[on] Plo[ttnitz]:

Also ich kann mich nicht erinnern solche Formulierungen verwendet zu haben. Ich würde sagen, nein.

OStA Z[eis]:

Eine andere Frage, kennen Sie einen Herrn Dierk Hoff?[18]

Zeuge v[on] Plo[ttnitz]:

Einen Herrn Dierk Hoff kenne ich, ja.

OStA Z[eis]:

Darf ich fragen seit wann?

Zeuge v[on] Plo[ttnitz]:

Augenblick, da muß ich etwas nachdenken. Also ich glaube, ich kenne ihn schon seit 1963, etwa der Zeit in Frankfurt.

[11124] OStA Z[eis]:

Seit 1963. Mich interessiert insbesondere der Zeitraum 72 bis 76 oder 75, wollen wir mal genauer sagen. Sind Sie innerhalb des Zeitraumes 72, und zwar, ich würde sagen, grenzen wir es vielleicht ein bißchen nach vorne ein, Ende 71 bis Mitte 75 mit Herrn Hoff zusammengetroffen?

Zeuge v[on] Plo[ttnitz]:

Ich bin ... Ja, also zusammengetroffen in einem Lokal in Frankfurt, das heißt „Jazz-Keller“, dort bin ich zusammengetroffen und dann haben wir uns Guten Tag gesagt ...

OStA Z[eis]:

Darauf kommen ich gleich noch.

Zeuge v[on] Plo[ttnitz]:

Ich bin im übrigen einmal, ich weiß aber nicht mehr wann das war, ich glaube, das hat er hier selbst gesagt, ich glaube so zu Beginn des Jahre 1974, da bin ich mal bei ihm zuhause gewesen. Wir waren zuvor in einer Gaststätte und dann sind wir noch in seine Wohnung gegangen und haben was getrunken.

OStA Z[eis]:

Können Sie noch etwa ... Zunächst einmal eines, darf ich es so verstehen, daß Sie in diesem von mir eingrenzten Zeitraum, also Ende 71 bis Mitte 75 mit Herrn Hoff lediglich einmal zusammengetroffen sind oder könnte es auch mehr sein?

Zeuge v[on] Plo[ttnitz]:

Nein, Sie können das so verstehen, daß ich, allerdings das sage ich sozusagen nur, weil ich es für möglich halte, daß ich in diesem Zeitraum Herrn Hoff in diesem Lokal, von dem ich Ihnen erzählt habe, hin und wieder gesehen habe und ihn begrüßt habe und darüber hinaus einmal ein intensiveres Treffen, wenn Sie so wollen, also ein Treffen, wo wir uns über eine kurze Zeitdauer von 5 Minuten hinaus gesehen haben, stattgefunden hat, bei der Gelegenheit, wo ich mit bei ihm in der Wohnung war.

OStA Z[eis]:

Wußte Herr Hoff, daß Sie ...

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, ich bitte um eine Pause von ½ Stunde. Ich bekomme gerade durch den Herrn Wachtmeister hier einige Schriftstücke von meiner Mandantin, die eine sofortige Erörterung notwendig machen zur Prüfung, ob ein Antrag gestellt werden soll oder nicht. Und ich wäre dankbar, wenn das also ½ Stunde, weil das eine etwas schwierige Frage ist.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, ich würde die ½ Stunde schon einräumen zur Erörterung dessen, aber ich möchte vorher die Vernehmung des Herrn Zeugen abschließen.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, es ist aber deshalb, sonst hätte ich hier auch nicht gestört, aber es ist ein Antrag, der womöglich keinen Aufschub duldet[19] und ich will also hier ... Und ich will mich auch [11125] nicht in die Zwangslage bringen lassen, nun ohne genaue Durchsicht der Unterlagen hier dann einen Antrag zu stellen, der möglicherweise, ich weiß es nicht, ich kann so schnell jetzt nicht hier prüfen.

Vors.:

Ja. Dann möchte ich wenigstens das Fragerecht der Bundesanwaltschaft zu Ende gewähren, damit hier eine klare Zäsur ist und würde vorschlagen, ...

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, ...

Vors.:

... daß wir dann die Pause machen, ...

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, ich ...

Vors.:

... wobei ich Ihnen dankbar wäre, wenn eine ¼ Stunde ausreichen würde. Ich darf Ihnen auch die Gründe nennen. Die Zeugen, die für heute nachmittag geladen sind, werden um 10.30 Uhr alle anrücken, wir hätten also die Möglichkeit, heute früh diese Zeugen, wenn wir mit der Vernehmung des Herrn Zeugen von Plottnitz zu Ende kämen, rechtzeitig fertig zu werden.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, ich glaube ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, das würde bedeuten, daß wir unter Umständen heute nachmittag die Zeugin Schubert hören könnten und das würde uns möglicherweise in die Lage versetzen, die ganze nächste Woche sitzungsfrei zu machen. Das sind also mal Überlegungen, die noch nicht festliegen, aber die angestellt werden könnten. Es ergäbe sich dann zwanglos auch unter Umständen die Möglichkeit, die Behandlung Ihrer Mandantin in dieser Zeit anzuregen. Sie haben mich ja deswegen angeschrieben. Kurzum, alle diese Dinge sind jetzt im Fluß und deswegen dränge ich etwas, daß wir hier versuchen, die Zeit möglichst auszunützen und deswegen würde ich Sie auch bitten die Pause, die Sie bekommen sollen, abzukürzen.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, es ist wohl ziemlich deutlich, daß es sich um einen unaufschiebbaren Antrag handelt und ich hoffe, Sie zwingen mich nicht, daß ich also nun ohne Prüfung ...

Vors.:

Nein, das will ich nicht.

RA Schi[ly]:

... der Unterlagen hier nun nur nach einer vorläufigen Durchsicht einen Antrag stelle, sondern ...

Vors.:

Nein, das will ich nicht, sondern ...

RA Schi[ly]:

Ich würde auch mit ¼ Stunde versuchen, das doch, vielleicht mit 10 Minuten, also ich versuche es ...

Vors.:

Gut. Ist die Bundesanwaltschaft damit einverstanden, daß Ihr Fragerecht jetzt unterbrochen wird? Wir wollen die ¼ Stunde Pause geben.

[11126] OStA Z[eis]:

Selbstverständlich, zumal wir noch gewisse Kenntnisse in der Pause bekommen, die können wir dann vielleicht gleich verwerten, schönen Dank.

Vors.:

Gut, ¼ Stunde Pause.

Pause von 9.32 Uhr bis 9.50 Uhr

Ende Band 645

[11127] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 9.50 Uhr.

Der Angeklagte Raspe ist nicht mehr[j] anwesend.

Vors.:

Herr RA Schily.

RA Schi[ly]:

Ich habe folgenden Antrag zu Protokoll zu geben:

In der Strafsache gegen Baader und andere,

hier: Gudrun Ensslin,

lehnt die Angeklagte Ensslin den Vorsitzenden Richter am OLG Stuttgart, Herrn Dr. Prinzing, wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

Der Zeuge v[on] Plottnitz wird um 9.51 Uhr in Abstand verwiesen.

Namens der Angeklagten Ensslin habe ich den Ablehnungsantrag wie folgt zu begründen:

Der Vors. Richter am OLG Stuttgart hat in einer Verfügung vom 3. August 1976, die den Angeklagten nach Schluß der gestrigen Hauptverhandlung bekanntgegeben worden ist, folgendes angeordnet:

„1. Die Angeklagten sind bis auf weiteres im Mehrzweckgebäude einzeln in den Vorführzellen zu verwahren, soweit sie nicht an der Sitzung teilnehmen.

2. Der Umschluß zu fünft wird bis auf weiteres ausgesetzt. Der Zweier- bzw. Dreier-Umschluß kann täglich bis zu 3 Stunden gewährt werden. In dieser Zeit ist auch der Hofgang (zu zweit bzw. zu dritt) durchzuführen.“

Diese Verfügung wird wie folgt, begründet:

„Die Angeklagten Baader und Raspe haben heute gemeinschaftlich die Vollzugsbeamten Münzing und Wagner angegriffen und verletzt. Sie haben weitere massive Tätlichkeiten angedroht. Dies macht die getroffenen Anordnungen bis auf weiteres aus Sicherheitsgründen notwendig.“

Soweit das Zitat aus der Verfügung vom 3. August 1976.

[11128] Durch diese Anordnungen verschlechtert der abgelehnte Richter zu Lasten von Frau Ensslin in sehr erheblichem Maße die bisherigen Haftkonditionen und verstößt damit gegen die ärztlichen Vorschläge, die der vom Gericht beauftragte Sachverständige Rasch in seinem damaligen Gutachten als Minimalbedingungen formuliert hat, damit eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes unterbleibt.

Zur Glaubhaftmachung wird für den bisher[k] vorgetragenen Sachverhalt auf eine dienstliche Erklärung des abgelehnten Richters sowie auf den Inhalt der Akten, insbesondere auf das Gutachten von Herrn Prof. Rasch vom 10. September 1975 Bezug genommen.

OStA Holland verläßt um 9.53 Uhr den Sitzungssaal.

Zugleich ist durch diese Verfügung, die - ich wiederhole es - erhebliche zusätzliche gesundheitliche Gefährdungen der Angeklagten Ensslin und der übrigen Angeklagten heraufbeschwört - zudem ist durch diese Verfügung auch das Prinzip des rechtlichen Gehörs verletzt. Es ist zu den Vorkommnissen, die hier als Anlaß für diese Verfügung dienen, rechtliches Gehör den Angeklagten nicht gewährt worden. Die Verfügung ist getroffen worden, ohne daß hierzu die Stellungnahme der Angeklagten abgewartet worden wäre oder auch nur in mündlicher oder sonstiger Form eingeholt worden wäre.

Soweit diese Verfügung sich darauf stützt zu sagen, es seien diese Anordnungen aus Sicherheitsgründen notwendig, ist darauf hinzuweisen, daß wohl kaum Sicherheitsgründe dafür ins Feld geführt werden können, wenn man daran denkt, in welcher massiven Weise hier dieses Gebäude abgesichert ist, so daß also Sicherheitsgründe insoweit schon außer Betracht zu bleiben haben. Soweit die Maßnahmen die Unterbringung im 7. Stockwerk des Vollzugsgebäudes angehen, ist darauf hinzuweisen, daß dort der Umschluß ja in der Weise stattfindet, daß ein Gitter zwischen den Vollzugsbeamten und den Gefangenen vorhanden ist, so daß also auch da irgendwie eine - wenn man also hier von der [11129] Begründung ausgeht - eine Gefahr irgendwelcher tätlicher Angriffe von vornherein ausgeschlossen ist.

Nimmt man also die Anordnung so, wie sie getroffen worden ist, dann ist sie einerseits geeignet, die Unvoreingenommenheit des abgelehnten Richters insoweit in Zweifel zu ziehen, als er solche einschneidenden Maßnahmen trifft, ohne die Angeklagten anzuhören und andererseits ohne berechtigte und zulängliche Gründe Anordnungen trifft, die die gesundheitliche Situation der Gefangenen zwangsläufig verschlechtern müssen und insoweit auch keine Abwägung stattfindet zwischen möglichen Sicherheitsgründen und den gesundheitlichen Einbußen, die solche Maßnahmen zur Folge haben.

Die Verteidigung hat im Verlauf der Hauptverhandlung mehrfach darauf hingewiesen, daß an sich ohnehin die Minimalbedingungen, die damals der Herr Prof. Rasch aus seiner Sachkenntnis als erforderlich angesehen hat, um gesundheitliche Gefahren, eine weitere gesundheitliche Verschlechterung abzuwehren, nicht einmal bis heute erreicht worden sind. Es ist davon nur ein ... na, ein Teil allenfalls verwirklicht worden, und jetzt diese Zurücknahme der bisherigen Umschlußmöglichkeiten, wie gesagt, verschlimmert die Situation; und daraus gewinnt die Angeklagte Ensslin den Eindruck, daß es dem abgelehnten Richter und hat sie den Eindruck gewonnen, daß es dem abgelehnten Richter hier nicht darum zu tun ist, solche ärztlichen Maßnahmen, wie sie ein Gutachter festgestellt hat, daß sie notwendig sind, nachzukommen und insoweit auch seine Fürsorgepflicht als Richter den der staatlichen Gewalt Unterworfenen nicht nachkommt.

Auch soweit jetzt der weitere Vortrag Tatsachen-Vorbringen enthält, wird zur Glaubhaftmachung[20] auf eine dienstliche Erklärung des abgelehnten Richters Bezug genommen.

Hinsichtlich der Unverzüglichkeit darf ich darauf hinweisen, daß mir meine Mandantin die Unterlagen, die zur Begründung dieses Ablehnungsgesuches dienen, heute vor Beginn der Sitzung zukommen lassen wollte, ich aber mich dann um ein paar Minuten verspätet hatte und die Herrn Wachtmeister mir dann erst in der Hauptverhandlung die Unterlagen hier hereingereicht haben. Das versichere ich dienstlich.

[11130] Ich habe dann unverzüglich nach vorläufigem Studium dieser Unterlagen um eine Pause gebeten.

Vors.:

Will sich die Bundesanwaltschaft dazu äußern?

Herr B. Anwalt Zeis, bitteschön.

OStA Zeis:

Der Angeklagte Baader fürchtet offensichtlich um seine Stellung als Boß der Baader-Meinhof-Bande. Wie anders, meine Herren Richter, wäre zu erklären, daß ein Untersuchungsgefangener, der sich bisher - jedenfalls, was Tätlichkeiten gegen Vollzugsbeamte angeht - immer zurückgehalten hat, nun plötzlich ein paar Tage, nachdem dieser fanatisierte Klaus Jünschke hier einen tätlichen Angriff auf Sie, Herr Vorsitzender, unternommen hat,[21] plötzlich jetzt dort unten gegen Vollzugsbeamte - und Herr RA Schily, das ist ein bißchen untergegangen in Ihrem Vortrag - tätlich geworden ist.

Die medizinischen Wünsche finden dort Ihre Grenzen, wo Sicherheitsinteressen massiv tangiert werden - das ist hier der Fall.

OStA Holland erscheint um 10.00 Uhr wieder im Sitzungssaal.

Offensichtlich meint die Angeklagte Ensslin, daß die Vollzugsbeamten dort unten Freiwild sind und sich tätliche Angriffe der Angeklagten Baader und Raspe gefallen lassen müssen. Zur gesundheitlichen Situation der Gefangenen, Herr RA Schily, kann ich nur sagen: si tacuisses ... Wir haben’s ja erlebt, wie ein angeblicher Isolationsgefolterter hier gewirkt hat und zu welchen Leistungen er noch in der Lage gewesen war. Im übrigen ist es doch so, daß nur der Umschluß zu fünft ausgesetzt worden ist. Dazu darf ich folgendes sagen:

Nennen Sie mir ein anderes Verfahren, wo es Mittätern, jedenfalls mutmaßlichen Mittätern gestattet wird, täglich großzügigst miteinander Kontakt zu halten. Dafür aber hat der Herr Vorsitzende den Dreier- bzw. Zweierumschluß bis zu täglich 8 Stunden gewährt, d. h. nichts anderes, als daß die Herren Angeklagten und die Damen mit anderen anarchistischen Gefangenen untereinander, d. h. die Männer und die Frauen getrennt, weiterhin bis zu 8 Stunden täglich Umschluß haben dürfen. Wo da eine gesundheitliche Beeinträchtigung sein soll, das kann uns wohl nur die Angeklagte Ensslin sagen.

[11131] Im übrigen darf ich in diesem Zusammenhang eines anführen: Wie großzügig hier die Haftverhältnisse gehandhabt werden und wie weit der Vorsitzende den Angeklagten entgegenkommt, mag nur als kleines Beispiel - auch eine Verfügung vom gestrigen Tage - dienen, wo der Angeklagten Ensslin gestattet wurde, in ihrer Zelle Geige zu spielen.

Alles in allem meine ich, daß auch diese Verfügung des Herrn Vorsitzenden nur zum Vorwand genommen wurde, um den 61. Ablehnungsantrag hier vorzubringen. Ich kann nur sagen, was ich schon öfters gesagt habe: Hier sind wir der Überzeugung, daß es nur aus prozeßfremden Gründen und[l] zum Zwecke der Prozeßverschleppung vorgetragen worden ist.

Wir beantragen deshalb,

das Gesuch gemäß § 26a Abs. 1 Ziff. 3 StPO[22] als unzulässig zurückzuweisen.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, das war ein neuer Sachvortrag.

Vors.:

Soweit es sich um die Geige handelt - ja, ist das ein neuer Sachvortrag. Insoweit gebe ich Ihnen die Gelegenheit, dazu zu erwidern.

Im übrigen bitte ich aber, keine Erwiderung abzugeben.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, ich glaube, da sind eine ganze Reihe von neuen Tatsachenbehauptungen. Dazu muß ich mich ja nun also auch äußern.

Vors.:

Nein ...

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender ...

Vors.:

Herr RA Schily, es sind Ausführungen, die die Meinung der B. Anwaltschaft wiedergibt zu den von Ihnen gemachten Anträgen und zu der Begründung. Ich bitte Sie also, wenn Sie erwidern wollen, sich zu beschränken auf den Vorgang mit der Geige - das ist in der Tat etwas Neues gewesen.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, ich glaube, das ist notwendig und darauf bestehe ich, daß, wenn eine solche zynische Polemik hier zu Protokoll gegeben wird, daß ich dann das Recht der Erwiderung habe. Wenn Herr Zeis meint, hier ein sachlich vorgetragenes Ablehnungsgesuch mit derartigen Bemerkungen kommentieren zu können, dann glaube ich, ist es notwendig, einfach einmal darauf einzugehen. Ich hab ja mal gesagt: Bei manchen Argumentationen von Herrn Zeis lohnt es kaum, aber ...

[11132] Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich betrachte es als eine Beanstandung[23] meines Hinweises, daß Sie kein Erwiderungsrecht haben zu den Ausführungen mit Ausnahme zu dem neuen Sachverhalt mit der Geige.

Ich werde mit dem Senat darüber beraten.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, dann möchte ich ... Moment, dann darf ich doch vielleicht begründen, warum ich das beanstande.

Vors.:

Ich dachte, das war schon die Begründung.

RA Schi[ly]:

War das die Begründung? - Nee, das war nicht die Begründung. Ich wollte das mal näher ausführen.

Ich glaube, es ist notwendig, wenn Sie hier noch wenigstens den Anschein wahren wollen, daß vielleicht doch so mitunter wenigstens mal der Verteidigung ein minimales rechtliches Gehör gewährt wird, daß Sie der Verteidigung gestatten, grade in solchen Situationen, wo die B. Anwaltschaft bewußt nicht sachlich, sondern demagogisch argumentiert, wenigstens einmal die Möglichkeit gewähren, den Finger darauf zu legen, was da passiert, wie man die Argumentation verschiebt auf ein ganz anderes Feld, z. B. die Frage, ob irgendeiner den Wunsch habe, ein Boß zu sein. Wissen Sie, psychologische Raster ...

Vors.:

Jetzt sind Sie ja beim Inhalt, über das erst entschieden werden soll.

RA Schi[ly:]

(spricht unverständlich weiter).

Vors.:

Herr RA Schily, ich beabsichtige jetzt, darüber zu beraten mit dem Senat, ob Sie das Erwiderungsrecht haben. Was Sie jetzt tun, ist schon der sachliche Vortrag.

RA Schi[ly]:

Ja ich muß doch das erläutern.

Vors.:

Nein, das ist keine Erläuterung und keine Begründung mehr. Sie haben gesagt, Sie hielten es für notwendig, Polemik zu erwidern, den Finger draufzulegen - das ist die Begründung, aber nicht der sachliche Inhalt ...

RA Schi[ly]:

Wieso? Ich muß doch das en détail darstellen können, worum es dabei geht, bei den einzelnen ... Hab ich jetzt noch das Wort oder hab ich das Wort nicht, Herr Vorsitzender?

[11133] Ich glaube, daß es auch notwendig ist, einfach darauf einzugehen. Wenn Herr Dr. Zeis meint, er hätte so hervorragende medizinische Kenntnisse, daß die sogar die medizinische Beurteilungsvermögen von Herrn Prof. Rasch weitaus besser ... also mit besseren medizinischen Kenntnissen ausgestattet sei als Herr Prof. Rasch, dann muß man nämlich auch einfach mal sehen, wie diese Argumentation angebracht wird. Herr Zeis sagt, Frau Ensslin würde ihre medizinische Kenntnisse ...

Vors.:

Herr RA Schily, Sie bekommen jetzt weiter nicht das Wort. Sie haben hier im Augenblick sich bemüht, die Begründung dazu zu benützen, das vorzutragen, was bereits als Erwiderung angesehen werden müßte.

RA Schi[ly]:

Ja, das muß ich doch.

Vors.:

Wir wollen zuerst darüber bestimmen, ob Sie erwidern können oder nicht, mit Ausnahme des Punktes „Geige“.

(Nach geheimer Umfrage):

Der Senat hat beschlossen:

Das Erwiderungsrecht steht Ihnen ausschließlich zu dem neuen Sachverhalt, der vorgetragen wurde hinsichtlich der Geige, zu.

Ich bitte, wenn Sie erwidern wollen, sich dazu zu äußern, im übrigen jetzt aber keine weiteren Ausführungen zu machen.

RA Schi[ly]:

Ja nun - die Geige.

Die Geige gehört ja zu den großzügigen Haftverhältnissen, von denen Herr Zeis spricht. Ich selber muß sagen: Hausmusik ist eine sehr gute Sache, und ich hab das in meinem Leben auch öfters gemacht und versuche, wenn ich nochmal ein bißchen Freizeit habe, das auch heute noch zu tun. Aber in einer Situation, in der sich Frau Ensslin befindet, Herr Zeis, das bißchen, das ganz kleine bißchen, was mit ein wenig Geigenspiel verbunden ist, als großzügige Haftverhältnisse zu beschreiben, also den Zynismus hätte ich selbst Ihnen nicht zugetraut; einer Frau, die doch nun seit Jahren in Haft sich befindet, hier in einer Situation ist, in der Sie überhaupt[m], nie mehr irgendwo mit einem Stück Natur, sondern immer nur mit Beton zu tun hat, in der sie sich in einer Art Gruppenisolation [11134] befindet, die die Amnesty International im Bericht zur Folter ausdrücklich als Folter in dem Katalog der Foltermaßnahmen aufführt. Das können Sie mal nachlesen. Es gibt da ein sehr interessantes und lesenswertes Taschenbuch über moderne Folter. Und wenn Sie sich einmal die Mühe machen wollen, Herr Zeis, und auch mal unten die Zellen sich anzuschauen, in denen man, wenn man da nicht also Kontakt mit ... vielleicht ein Gesprächsmöglichkeit hat, wenn man da also einen Tag lang zubringen soll ohne Fenster, nur mit einer Klimaanlage, dieses ständige Summen einer Klimaanlage - Neonlicht -, dann können Sie mal ... Aber vielleicht verfügen Sie über die Sensibilität nicht, um da auch Feststellungen zu treffen; aber ich halte mich an das, was ein vom Gericht bestellter unabhängiger Gutachter hier aus seinem Sachverstand zu Protokoll gegeben hat bzw. schriftlich zu den Akten gegeben hat, und das ist das Entscheidende, Herr Zeis, und daran kommen Sie nicht vorbei. Das wollen Sie verschleiern und das ist natürlich dann auch der Grund dafür, daß Sie diese Art von Polemik hier anbringen wollen.

Vors.:

Bitte?

OStA Zeis:

Ich möchte ganz kurz ...

Vors.:

Herr Bundesanwalt, ich bitte um Verständnis: Ich habe das Erwiderungsrecht grundsätzlich abgelehnt; ich möchte es auch in diesem Falle tun. Wir kommen sonst nicht zu Ende. Ich weiß, auf Polemik würde man gerne erwidern - so betrachten Sie’s. Das hat auch Herr RA Schily für sich in Anspruch genommen. Wir haben’s ihm verwehrt - er hat es angeknüpft an den neuen Sachverhalt der Geige.

Ich bitte um Verständnis, wenn ich jetzt die Sitzung unterbreche.

Der Angeklagte Raspe erscheint um 10.10 Uhr im Sitzungssaal.

[11135] Alle Beteiligten bitte ich, um halb elf wieder anwesend zu sein, dann wird bekanntgegeben, wenn’s weitergeht. Publikum wird vorsorglich zugelassen.

Der Senat zieht sich um 10.11 Uhr zur Beratung zurück.

Fortsetzung der Hauptverhandlung um 10.35 Uhr.

RA Dr. Augst (als Vertr. von RA Eggler) ist nunmehr auch anwesend.

RA Künzel ist nicht mehr anwesend.

Der Angeklagte Raspe ist nicht mehr anwesend.

Als Zeuge ist RA von Plottnitz wieder anwesend.

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort.

Der Senat hat folgenden Beschluß gefaßt:

Die Ablehnung des Vorsitzenden Richters Dr. Prinzing wird einstimmig als unzulässig verworfen.

Gründe:

Die Angeklagten Baader und Raspe haben gestern zwei Vollzugsbedienstete gemeinschaftlich angegriffen, geschlagen und getreten und beide Beamte körperlich verletzt. Ein zu Hilfe eilender dritter Beamter wurde ebenfalls verletzt.

Außerdem haben die Angeklagten Baader und Raspe Drohungen für die Zukunft ausgestoßen.

Diese Umstände veranlaßten den Vorsitzenden zu sofortigen Maßnahmen, die verhindern sollen, daß die Angeklagten weiterhin mit vereinten Kräften gegen einzelne Vollzugsbeamte tätlich vorgehen und dadurch die Sicherheit in der Vollzugsanstalt schwerwiegend beeinträchtigen können.

Die notwendige Sofortmaßnahme ließ eine vorausgehende Anhörung nicht zu.

[11136] Den Angeklagten ist es unbenommen, gegen die Verfügung Vorstellungen zu erheben.

Den medizinischen Anforderungen ist immer noch dadurch hinreichend Rechnung getragen, als den Angeklagten weiterhin bis zu 8 Stunden täglich Zweier- bzw. Dreierumschluß gestattet ist. Im übrigen sind die Maßnahmen nur bis auf weiteres angeordnet, wie schon in der Verfügung zum Ausdruck kommt. All das hat mit Befangenheit offensichtlich nichts zu tun. Das weiß auch die Angeklagte und ihr Verteidiger. Der Antrag dient offensichtlich allein der Verschleppung (§ 26a Abs. 1 Ziff. 3 StPO).

Es ist bei der Anhörung des Herrn Zeugen insofern ein Versehen passiert, als von mir nun tatsächlich nicht richtig wahrgenommen wurde, daß der Angeklagte Raspe zeitweilig an der Sitzung teilgenommen hat. Er wäre zu belehren gewesen über das, was in seiner Abwesenheit geschehen ist, nachdem er gestern ausgeschlossen wurde.[24]

Es wird nunmehr die Belehrung des Angeklagten Raspe gem. §§ 231b II, 231a II StPO über den wesentlichen Inhalt dessen, was in seiner gestrigen Abwesenheit verhandelt worden ist, vom Vorsitzenden erteilt.

(Belehrung bei Anwesenheit des Angekl. Raspe wiederholt am 14.10.1976 - Bl. 11965 d. Protokolls -.)

Ich möchte die B. Anwaltschaft bitten, die Fragen, die in Anwesenheit von Herrn Raspe gestellt worden sind oder jedenfalls den Fragenkomplex, den Herr Raspe also miterlebt hat, ohne belehrt zu sein, nochmals zu wiederholen. Wir können notfalls anhand des Protokolls feststellen, wann Raspe in die Verhandlung gekommen ist; vielleicht aber - ich glaube Sie, Herr B. Anwalt Zeis, haben gefragt - sind Sie selbst imstande, sich dran zu erinnern, ab welchen Fragen Raspe anwesend gewesen ist. Wenn das der Fall ist, dann würde ich Sie bitten, diese Fragen nochmals zu stellen und anzuschneiden.

OStA Zeis:

Ich glaube, meine erste Frage an Sie, Herr RA v[on] Plottnitz-Stockhammer war, ob Sie einen Mann namens Dierk Hoff kennen?

Zeuge v[on ]Pl[ottnitz]:

Ich habe bereits geantwortet: Ich kenne einen Mann namens Dierk Hoff.

OStA Zeis:

Meine zweite Frage war, wenn ich mich richtig erinnere: Seit wann?

Zeuge v[on ]Pl[ottnitz]:

Auch darauf habe ich geantwortet: Ich meine - aber da bin ich nicht sicher, weil’s einfach zu lange her ist - seit etwa 1963.

[11137] OStA Zeis:

Ich meine, die dritte Frage sei gewesen: daß mich insbesondere der Zeitraum Ende 1971 bis Mitte 1975 interessiert, wie oft Sie da mit Herrn Hoff zusammengekommen sind?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Auch darauf habe ich geantwortet:

In diesem Zeitraum habe, ich Herrn Hoff gelegentlich - die Zahl kann ich einfach nicht angeben - gelegentlich in einem Lokal namens „Jazzkeller“ in Frankfurt a. M. getroffen; einmal, ich meine, Anfang 1975 - genau kann ich’s nicht konkretisieren - war ich in seiner Wohnung im Anschluß an einen Lokalbesuch.

OStA Zeis:

Ich glaube, das war dann der Zeitpunkt, wo wir durch das Ablehnungsgesuch unterbrochen worden sind.

Weitere Frage, Herr RA v[on] Plottnitz-Stockhammer:

Wußte Herr Baader, daß Sie Herrn Hoff kennen?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Das weiß ich nicht.

OStA Zeis:

Haben Sie’s ihm mitgeteilt, daß Sie ihn kennen?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Nein, ich hab’s ihm nicht mitgeteilt.

Ich muß vor jeder Frage überlegen, inwieweit ich was sagen kann im Hinblick auf die Schweigepflicht.

OStA Zeis:

Wußte Herr Hoff damals Anfang 75, daß Sie Herrn Baader verteidigen?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Also zunächst mal zur Klarstellung: Anfang 1975 habe ich Herrn Baader nicht mehr verteidigt.[25]

OStA Zeis:

Dann will ich die Frage umformulieren: Wußte Herr Hoff, daß Sie Personen, die hier angeklagt sind, verteidigen?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Ob es Herr Hoff wußte, weiß ich nicht.

OStA Zeis:

Haben Sie’s ihm mitgeteilt?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Ich hab’s ihm nicht mitgeteilt, aber ich nehme an, daß er’s wußte, weil mich mal seine Freundin in seiner Anwesenheit in diesem Lokal „Jazzkeller“ auf Pressemeldungen über eine Pressekonferenz, an der ich teilgenommen hatte, angesprochen hat.

OStA Zeis:

Haben Sie zu irgendeinem Zeitpunkt Herrn Meins mitgeteilt, daß Sie Herrn Hoff kennen?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Nein, habe ich Herrn Meins nicht mitgeteilt.

OStA Zeis:

Meine Vermutung, daß also Herr Meins über Sie zu Herrn Hoff gekommen sein könnte, wäre demnach falsch?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Diese Vermutung ist falsch, ja.

[11138] OStA Zeis:

Kennen Sie, Herr RA v[on] Plottnitz-Stockhammer, einen Herrn Wilfried Böse?[26]

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Wenn Sie den Herrn Wilfried Böse meinen, der Presseberichten zufolge [n] bei dieser Aktion in Entebbe[27] umgekommen sein soll, den kannte ich.

OStA Zeis:

Darf ich nochmals auf Herrn Hoff zurückkommen - zu Herrn Böse hab ich nachher gleich noch ein paar Fragen: Was war denn der Inhalt des Gespräches, als Sie bei Herrn Hoff zuhause waren?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Ich meine, mich zu erinnern, daß Herr Hoff dieses Gespräch hier selbst als im wesentlichen alkoholisches Erlebnis bezeichnet hat. Der Einschätzung würde ich mich anschließen ...

OStA Zeis:

... für Herrn Hoff oder auch für Sie?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

... auch für mich, ja.

OStA Zeis:

Das heißt also, aufgrund Ihrer alkoholischen Beeinflussung haben Sie keine Erinnerung mehr dran?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Ich habe keine sehr genaue Erinnerung mehr dran. Ich erinnere mich an folgendes:

An dem Abend, da hatte Herr Hoff Besuch von einem Nordafrikaner[o] - wer das war, weiß ich nicht - dem war sehr schlecht, offensichtlich, weil er zu viel getrunken hatte und der wurde wiederholte Male von der Freundin von Herrn Hoff zu einer Toilette gebracht, wo er sieh übergeben mußte - also das ist das, was ich in Erinnerung hab an den Abend.

OStA Zeis:

... an irgendwelche Gesprächsinhalte?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Doch, ich erinnere mich an einen Gesprächsinhalt: Herr Hoff hatte in seiner Wohnung hinter Glas Haschischproben. Danach erkundigte ich mich und fragte, was das sei, und er erklärte mir, daß das also ein Archiv von Haschischproben sei.

OStA Zeis:

Kannten Sie den Decknamen von Herrn Hoff?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Meinen Sie den Decknamen, der hier als „Pfirsich“ in die Verhandlung ...?

OStA Zeis:

Jaja.

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Nein, kannte ich nicht.

OStA Zeis:

Nun zu Herrn Böse:

Darf ich fragen, seit wann Sie Herrn Böse kennen?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Herrn Böse kenne ich oder kannte ich seit Ende der sechziger Jahre - nehme ich an.

[11139] OStA Zeis:

War das privat oder war’s ...?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Die Bekanntschaft war ursprünglich auch eine private, ja, also über damalige Demonstrationen oder ähnliches[p]. Er hat sich zweimal in Mandatssachen an mich gewandt: einmal in einer öffentlich-rechtlichen Sache und einmal in einer zivilrechtlichen.

OStA Zeis:

Sind Sie in den letzten fünf Jahren einmal mit ihm zusammengetroffen?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Diese Kontakte, in denen er sich an mich als Anwalt gewandt hat, müßten meiner Erinnerung nach gewesen sein etwa 1972 oder 1973.

OStA Zeis:

Später nicht mehr?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Später nicht.

OStA Zeis:

Und sonstige Kontakte später?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Auch keine Kontakte später, wobei ich also auch nicht ausschließen kann, ob ich ihn mal getroffen hab auch in irgendeiner Gaststätte oder ähnliches; aber ich hab keine Kontakte ... -

OStA Zeis:

Sie sind sich also vollkommen sicher, daß Sie in den letzten zwei Jahren Herrn Wilfried Böse nicht mehr gesprochen haben?

Zeuge v[on ]Pl[ottnitz]:

... also mit der Einschränkung - ich weiß nicht, als ich das jetzt in den Zeitungen gelesen hab, da habe ich ja auch drüber nachgedacht und da hab ich nen Moment gedacht: Hab ich ihn nicht mal gesehen also auch Ende 1974, Anfang 1975 auf der Straße.

OStA Zeis:

Und wo war das?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Das war meiner Erinnerung nach, wenn es der Fall war, vor einem Lokal namens „Club Voltaire“ in Frankfurt.

OStA Zeis:

Sonst, meinen Sie, ihn nie getroffen und gesprochen[q] zu haben? Da sind Sie sich absolut sicher?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Ja.

Vors.:

Nun, das wollte ich grade klären - die Frage war ja doppelt. Sie lautete: Sie meinen oder Sie sind sich sicher. Sind Sie sich sicher?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Nein, also mit der Einschränkung, die ich vorher schon gegeben hab, daß ich ihn mal ... also solche Treffen wie das eine, von dem ich nicht ganz sicher weiß, ob es stattgefunden hat.

[11140] OStA Zeis:

Kennen Sie einen Mann namens Hans-Joachim Klein?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Einen Mann namens Hans-Joachim Klein kenne ich, und zwar deshalb, weil er mal als Zeuge in einem Verfahren, in dem ich nicht ihn verteidigte, aber jemand anders verteidigte, eine Rolle spielte.

OStA Zeis:

Damit ich sicher sein kann, Herr RA v[on] Plottnitz- Stockhammer, daß wir denselben meinen:

Ich meine also den, der bei diesem OPEC-Überfall in Wien[28] beteiligt gewesen sein soll.

Meinen Sie auch den?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Den meine ich auch.

OStA Zeis:

Darf ich fragen, ob Sie den in den letzten zwei Jahren gesehen haben, gesprochen haben?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Gesehen hab ich ihn mal, auch in einem Lokal namens „Eppsteineck“ in Frankfurt in den letzten zwei Jahren, das wäre dann also Ende 1974. Es kann sein, daß ich ihn da gesehen hab, ja.

OStA Zeis:

Haben Sie auch mit ihm gesprochen?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Wenn, dann habe ich „guten Tag“ gesagt.

OStA Zeis:

Sonst nichts?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Sonst nichts.

OStA Zeis:

Sind Sie sich sicher, daß Sie nicht nochmals nachher etwa, um einen gewissen Anhaltspunkt zu geben, Frühjahr 1975 den Hans-Joachim Klein hier in Stuttgart gesehen haben, gesprochen haben? Mit ihm im Pkw gefahren sind?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Übrigens, ich muß mich grade berichtigen: Mir fällt grade ein, dieses Treffen im Lokal oder dieses Sehen im Lokal kann auch gewesen sein Ende 1975.

Und wie war Ihre letzte Frage?

OStA Zeis:

Ob Sie sicher sind, daß Sie nicht im Frühjahr 1975 hier in Stuttgart mit ihm nochmals zusammengetroffen sind mit Herrn RA Croissant zusammen im Pkw?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Bin ich nicht sicher, hab ich keine Erinnerung mehr dran.

OStA Zeis:

Sind Sie sich nicht sicher?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Da bin ich nicht sicher, nein.

OStA Zeis:

Kennen Sie einen Herrn Johannes Weinreich oder Weinrich?

[11141] Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Einen Herrn Johannes Weinrich kenne ich; er war mal Mandant bei uns.

OStA Zeis:

Auch da, daß wir wieder wissen, ob’s dieselbe Person ist: Der Herr Johannes Weinrich soll ja diesen Anschlag auf dem Flugplatz Orly[29] gemacht haben?

Zeuge v[on ]Pl[ottnitz]:

In dieser Sache ist er mal - ich weiß jetzt nicht, ob das nach dem Inkrafttreten des Ergänzungsgesetzes[30] war oder vorher - Mandant gewesen auch von mir, ja.

OStA Zeis:

Darf ich fragen, ob Sie ihn, bevor er in Haft kam, mal gesprochen haben, gesehen? Gegebenenfalls, wann?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Wann weiß ich nicht mehr; gesprochen sicher - den kenn ich auch schon sehr lang.

OStA Zeis:

Welcher Zeitpunkt? Können Sie das noch eingrenzen?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Das kann ich nicht mehr eingrenzen.

OStA Zeis:

Könnte es sein, daß es etwa April, Mai 1975 gewesen ist?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Halte ich eigentlich für unwahrscheinlich, weil April, Mai 1975 war ich schon überwiegend in Stuttgart und ...

OStA Zeis:

Verzeihung - ich hab ja nicht gesagt, in welcher Stadt. Ich hab nur ganz allgemein [r] gefragt.

Zeuge v[on ]Pl[ottnitz]:

Wie gesagt, ob ich ihn da nochmals gesehen hab, weiß ich nicht. Ich hab keine Erinnerung mehr dran.

OStA Zeis:

Kennen Sie denn den Herrn namens K. D. Wolf?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Ja, natürlich.

OStA Zeis:

Darf ich fragen, wann Sie mit ihm das letzte Mal gesprochen haben oder zusammengetroffen sind?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Der ist mal vor kurzem bei uns in der Kanzlei gewesen und dabei haben wir gesprochen über ein Verlagsprojekt - der ist in einem Verlag in Frankfurt.

OStA Zeis:

Ja, eben. Wir meinen also wohl denselben?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Ja, richtig. Kennen tu ich den schon lange, und zwar schon seit Ende der sechziger Jahre - der war mal Bundesvorsitzender des sozialistischen deutschen Studentenbundes,[31] einer Organisation, der ich früher auch angehörte -, und gesehen hab ich ihn also ... - Wann das jetzt war, das ist eigentlich nicht so lange her, da hatte er mir ein Hölderlin-Jahrheft gegeben oder so was ähnliches, und wir sprachen über einen Aufsatz in der „FAZ“, der erschienen war über die Hölder- [11142] linausgabe, die in seinem Verlag herauskam.

OStA Zeis:

Wußte eigentlich Herr Raspe, daß Sie Kontakt mit diesen vier Leuten haben?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Ich antworte auch nach Abwägung - Herr Raspe hat mich ja insoweit nicht von der Schweigepflicht entbunden - ich antworte trotzdem:

Was Herrn Wolf angeht wahrscheinlich, ja, weil ich hab mal mit Herrn Raspe gesprochen über die Tatsache, daß ein Buch oder eine Diplomarbeit, die Herr Raspe früher mal geschrieben hat, in diesem Verlag veröffentlicht wurde.

OStA Zeis:

Mich interessiert der Herr Wolf an und für sich weniger. Dann muß ich’s ein bißchen eingrenzen:

Die drei ersten: der Herr Klein, der Herr Böse und der Herr Weinrich - wußte Herr Raspe, daß Sie mit denen Kontakt gehabt haben?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Ob’s Herr Raspe wußte, weiß ich nicht; ich hab mit Herrn Raspe über die nicht gesprochen.

OStA Zeis:

Sie haben’s ihm also nicht gesagt?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Nein.

OStA Zeis:

Ich hab vorläufig keine Fragen mehr, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Herr B. Anwalt Holland.

OStA Ho[lland]:

Herr Zeuge, ist Ihnen in Frankfurt a.M. die Baseler Straße ein Begriff?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Ja.

OStA Ho[lland]:

Haben Sie in dieser Baseler Straße mal eine Wohnung gemietet?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Richtig, ja.

OStA Ho[lland]:

Zum eigenen Gebrauch?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Nein, für damals, glaube ich, Jurastudenten oder Referendare.

OStA Ho[lland]:

Was waren das für Referendare?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Das ist alles sehr lange her, also ich muß da ein bißchen nachdenken. -

Ein Name war, daran erinnere ich mich, Herr Matthias Beiz. Da lebten mehrere; aber wer da noch drin lebte, weiß ich nicht.

[11143] OStA Ho[lland]:

Sagt Ihnen der Name Gerhard Knös etwas?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Ja, der sagt mir was.

OStA Ho[lland]:

Herr Zeuge, das interessiert mich aber[s] nicht. Was mich interessiert ist, ob sich in dieser Wohnung auch mal Frau Ensslin aufgehalten hat?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Davon ist mir nichts bekannt.

OStA Ho[lland]:

Herr Zeuge, haben Sie mal an einer Demonstration vor dem BGH in Karlsruhe teilgenommen?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Also da würde ich doch erst mal gern fragen, ob der Vorsitzende diese Frage für zulässig hält. Es ist mein gutes Recht zu demonstrieren.

Vors.:

Ja, Sie dürfen fragen.

Ich halte es für zulässig. Es wird Ihnen ja vorgeworfen, Sie hätten ein besonderes Engagement gezeigt im Zusammenhang mit dem ganzen Geschehen, um die Gruppe, die sich jetzt RAF nennt; und die Fragen im weitesten Zusammenhang richten sich natürlich darauf, zu klären, ob ein solches Engagement bei Ihnen vermutet werden könnte. Insofern ist die Frage zulässig ...

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Dann will ich sie beantworten:

Ja, ich habe bei einer Demonstration vor dem Bundesgerichtshof teilgenommen.

OStA Ho[lland]:

Wissen Sie noch, Herr v[on] Plottnitz, wann die Demonstration war? Können Sie erläutern, [t] welchem Ziel diese Demonstration diente und welche Aktivitäten Sie selbst innerhalb der[u] Demonstration entfaltet haben?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Wann es war, kann ich Ihnen jetzt zeitlich nicht mehr sagen.

Vors.:

Aber ich darf vielleicht noch eines, obwohl es bei einem Rechtsanwalt nicht erforderlich ist: Ich habe ja schon drauf hingewiesen, wenn Sie es für erforderlich halten, sich an den § 55 StPO[32] zu erinnern - das steht Ihnen, selbstverständlich frei.

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Nein, auf den würde ich dann gewiß nicht zurückgreifen.

Vors.:

Bitte.

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Ziel der Demonstration ...

OStA Ho[lland]:

Zunächst mal ein Vorhalt, Herr Rechtsanwalt, und zwar: Könnte das der 12. Februar 1972 gewesen sein?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

... könnte gewesen sein, ja. 1973 könnte es auch gewesen sein.

[11144] OStA Ho[lland]:

Danke schön.

Nächste Frage war:

Welchen Zielen diente die Demonstration und welche Aktivitäten haben Sie selbst innerhalb dieser Demonstration entfaltet?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Die Demonstration diente dem Ziel, die Öffentlichkeit aufmerksam zu machen auf Haftbedingungen, deren langfristige Praktizierung auch meiner Meinung nach zur Zerstörung der Gesundheit von Mandanten auch damals, die ich verteidigt habe, führte; meine Aktivität bestand in der Beteiligung an der Demonstration.

OStA Ho[lland]:

In welcher Form?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Als Teilnehmer.

OStA Ho[lland]:

Hatten Sie während der Demonstration ganz oder zeitweise Ihre Anwaltsrobe an?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Nein, hatte ich nicht an.

OStA Ho[lland]:

Dann eine weitere Frage in diesem Zusammenhang, Herr Rechtsanwalt:

Ist Ihnen in diesem Zusammenhang ein Plakatträger erinnerlich, der von Demonstranten mitgeführt wurde und der die Aufschrift trug: „BGH=Brauner Gangsterhaufen“?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Ist mir nicht erinnerlich.

OStA Ho[lland]:

Haben Sie sich im Jahre 1972 auch mal an der Herstellung und Herausgabe von Flugblättern beteiligt?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Das weiß ich nicht mehr. -

OStA Ho[lland]:

Ich darf Ihnen vielleicht mal ne Erinnerungsstütze geben, Herr Rechtsanwalt:

Hier ist ein Flugblatt aufgeführt „Rote Hilfe; Mord an Weißbecker“[33] und „Rote Hilfe - Katzenbach wütet weiter“. Können Sie mit diesen schlagwortartigen Überschriften irgend etwas anfangen?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Mit der zweiten Überschrift kann ich was anfangen, und zwar aus folgendem Grunde: Wegen dieses ... also wenn es das ... Ja ich weiß eigentlich bloß, also jetzt einschränkend, ich kann dazu ... Es war mal in Frankfurt ein Ehrengerichtsverfahren gegen alle vier Anwälte der Sozietät, der ich angehöre, anhängig, und zwar wegen des Vorwurfs, wir hätten eine Flugschrift oder einen Text als Flugschrift veröffentlicht unter der Überschrift „Müller-Katzenbach-Bande“.

OStA Ho[lland]:

Können Sie noch erläutern, um wen es sich bei diesem Katzenbach handelt?

[11145] Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Katzenbach muß wohl ... War der mal Rektor der Frankfurter Universität?

OStA Ho[lland]:

Ich weiß es nicht.

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Ja ich weiß es eben auch nicht; ich weiß nur, daß wir nicht die Autoren dieser Flugschrift waren und dieses Textes waren und wir das auch mitgeteilt haben; und ich meine auch, daß das Ehrengerichtsverfahren daraufhin eingestellt worden ist.

OStA Ho[lland]:

Weitere Frage:

Herr Rechtsanwalt, kennen Sie den inzwischen flüchtigen RA Jörg Lang[34] aus Stuttgart?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Jawohl, den kannte ich.

OStA Ho[lland]:

Haben Sie sich einmal gegen strafprozessuale Maßnahmen, die gegen diesen Rechtsanwalt ausgebracht worden sind, ausgesprochen? Auf einer Arbeitstagung oder bei einem ähnlichen Anlaß?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Ich meine, ja. Ich glaube, ich habe mal einen Text mitunterschrieben, der sich[v] gegen Inhaftierung und Begründung der Inhaftierung des damaligen Kollegen Lang wandte.

OStA Ho[lland]:

Können Sie sich noch erinnern, wann das war, Herr Rechtsanwalt?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Sie haben selbst das Stichwort gegeben: Arbeitstagung.

OStA Ho[lland]:

Ja.

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Ich glaube, das war anläßlich einer Tagung mit einer Reihe von Kollegen. Wann das war, weiß ich nicht mehr.

OStA Ho[lland]:

Könnte es sein, daß das im Juli 1972 war?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Ja, das kann sein.

OStA Ho[lland]:

Weitere Frage, Herr Rechtsanwalt:

Was hat Sie dazu motiviert?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Die Einzelheiten dieses Vorgangs sind mir jetzt nicht mehr in Erinnerung. Ich meine, mich nur daran zu erinnern, daß der Haftbefehl gegen Herrn Lang damals - oder ich erinnere mich nicht mal an die ... - also ich weiß nur, daß die Überprüfung der Begründung der Inhaftierung von Herrn Lang damals so war, daß ich der Auffassung auch war, daß das[w] die Inhaftierung nicht rechtfertigen könne.

[11146] OStA Ho[lland]:

Haben Sie jetzt Ihre Auffassung geändert?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Nein, ich meine ... aber ich ... Nein, ich hab die nicht geändert.

OStA Ho[lland]:

Dann Weiteres, Herr Rechtsanwalt:

Darf ich davon ausgehen, daß ...

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

Das mit dem damals bezog sich nur auf meine Erinnerungsschwäche jetzt.

OStA Ho[lland]:

Dann weitere Fragen, Herr Rechtsanwalt: Sagen Sie, die Komitees gegen Isolationsfolter[35] sind Ihnen wohl ein Begriff? Darf ich davon ausgehen?

Zeuge v[on] Pl[ottnitz]:

... sind mir ein Begriff, ja.

Ende von Band 646.

[11147] OStA Holl[and]:

Sind Sie selbst in diesen Komitees aktiv geworden oder haben Sie vielleicht möglicherweise sogar diese[x] Komitees gegründet oder mitgegründet?

Zeuge v[on ]Pl[ottnitz]:

Ich habe mal in einem Komitee mitgearbeitet in Frankfurt, das einen etwas anderen Namen hatte. An den Namen erinnere ich mich, ich meine, das habe den Namen gehabt[y] „Komitee zur Auf... zur Aufklärung über Gefängnisse“, also damals spielte eine große Rolle auch die Errichtung der JVA Preungesheim, eines damals neu in Betrieb genommenen Gefängnis in Frankfurt, da habe ich mitgearbeitet. Dies Komitee beschäftigte sich übrigens[z] auch mit der Frage der Haftbedingung politischer Gefangener.

OStA Holl[and]:

Haben Sie das, Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, aufgrund eigener Initiative getan oder sind von bestimmter Stelle derartige Wünsche an Sie herangetragen worden?

Zeuge v[on ]Pl[ottnitz]:

Das habe ich aus eigener Initiative getan.

OStA Holl[and]:

Könnte es auch sein, daß die Angeklagte Ensslin dazu aufgefordert hat? Jetzt nicht, in dieses Komitee einzutreten, Zustände in[aa] Preungesheim, sondern daß Sie aufgefordert worden sind, nun solche Komitees zu gründen, könnte das sein?

Zeuge v[on ]Pl[ottnitz]:

Mich hat nie jemand aufgefordert, ein Komitee zu gründen. Ich habe natürlich mit Mandanten - mehr will ich nicht sagen, wegen der Schweigepflicht - mit Mandanten über meine Aktivitäten in diesem Komitee gesprochen, aber der Entschluß, in so einem Komitee mitzuarbeiten, ging auf meine Überzeugung zurück, daß es notwendig war, in solchen Gremien mitzuarbeiten, um bestimmte Haftformen, die [bb] in der Bundesrepublik damals sich durchzusetzen begannen und bestimmte Gefängnisstrukturen, Gefängnisarchitekturen zu verhindern, daß das notwendig war.

OStA Holl[and]:

Ist im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit, Herr Rechtsanwalt, die Sie soeben geschildert haben, auch einmal ein Flugblatt verfasst worden: „Schluß mit der Folter im Knast“? Müsste gewesen sein im Mai 1973, Ende Mai 1973.

Zeuge v[on ]Pl[ottnitz]:

Also ich erinnere mich nicht, ob von dem Komitee, über das wir beide uns gerade unterhalten, ein solches Flugschrift veröffentlicht wurde; möglich ist es.

OStA Holl[and]:

Nun eine letzte Frage, Herr Rechtsanwalt, haben Sie einmal im Zusammenhang mit Ihrer Tätigkeit in diesem Komitee Auslandsreisen unternommen und dort Kongresse organisiert oder an Tagungen teilgenommen?

[11148] Zeuge v[on ]Pl[ottnitz]:

Nein, nicht im Zusammenhang mit meiner Tätigkeit in diesem Komitee.

OStA Holl[and]:

Und in welchem Zusammenhang dann?

Zeuge v[on ]Pl[ottnitz]:

Im Zusammenhang mit meiner Tätigkeit als Verteidiger, etwa in diesem Verfahren.

OStA Holl[and]:

Wollen Sie darüber aussagen näheres.

Zeuge v[on ]Pl[ottnitz]:

Darüber kann ich aussagen, weil das sind ja, bezieht sich ja ...

OStA Holl[and]:

Einmal Frage: Wo hat diese Tagung stattgefunden? Wann?

Zeuge v[on ]Pl[ottnitz]:

Also ich kann jetzt ... es ist natürlich auch eine Erinnerung ... ich habe an einer Pressekonferenz, erinnere ich mich, teilgenommen, ich glaube, im Jahre 1973 in Paris.

OStA Holl[and]:

Wer hat noch daran teilgenommen, an Veranstaltern natürlich?

Zeuge v[on ]Pl[ottnitz]:

Die Pressekonferenz war veranstaltet von französischen Kollegen, von französischen juristischen oder Menschenrechtsorganisationen meiner Erinnerung zu Folge.

OStA Holl[and]:

Vielleicht eine präzisere Frage, Herr Rechtsanwalt, wer hat an deutschen Teilnehmern daran teilgenommen?

Zeuge v[on ]Pl[ottnitz]:

Kann ich mich einfach nicht entsinnen. Ich glaube, der Kollege Croissant ...

OStA Holl[and]:

Wie steht es mit Herrn Groenewold?

Zeuge v[on ]Pl[ottnitz]:

Möglicherweise der auch, möglicherweise auch der Kollege Ströbele; aber ich weiß es nicht mehr.

OStA Holl[and]:

Und können Sie Näheres über Verlauf und Themenstellung der Pressekonferenz sagen?

Zeuge v[on ]Pl[ottnitz]:

Ja, diese Pressekonferenz in Paris damals, das gilt übrigens eigentlich für andere Pressekonferenzen im Ausland, ich erinnere mich, daß ich voriges Jahr auch[cc] in Belgien an einer Pressekonferenz teilgenommen habe, die dienten im Wesentlichen immer der Information über zwei Themen. Einmal der Information über die Haftbedingungen, denen [dd] Mandanten, die ich damals verteidigt[ee] habe, unterworfen waren. Der Erörterung der Frage, in[ff] wie weit diese Haftbedingungen mit dem rechtsstaatlichen Anspruch der Bundesrepublik Deutschland in Einklang zu bringen waren oder nicht in Einklang zu bringen waren. Ich habe wiederholt den Standpunkt vertreten, daß sie mit diesem rechtsstaatlichen Anspruch nicht zu vereinbaren waren, und habe auf diesen Pressekonferenzen, übrigens nicht nur im Ausland, auch im Inland, die Behörde etwa, der Sie angehören, ebenso wie verantwortliche Gerichte auch sehr scharf kritisiert deshalb; [11149] und außerdem diente die Pressekonferenz der Aufklärung, Information über das, was ich bezeichnen würde[gg], als Versuche der Staatsorgane Verteidigungsrecht ... Es war ja damals die Zeit, in der das anfing, Verteidigungsrecht im Hinblick auf ganz bestimmte Verfahren einzuschränken beziehungsweise völlig zu suspendieren.

OStA Holl[and]:

Dann eine letzte Frage, Herr Rechtsanwalt. Haben Sie auf dieser Pressekonferenz den übrigen Konferenzteilnehmern wahrheitsgemäß berichtet?

Zeuge v[on ]Pl[ottnitz]:

Ich habe wahrheitsgemäß berichtet.

OStA Holl[and]:

Dankeschön, keine Fragen mehr.

Vors.:

Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, bitte.

BA Dr. Wu[nder]:

Ich hätte eine Frage noch, wenn es gestattet ist. Herr Zeuge, haben Sie Wissen darüber und eine Erklärung dafür, wie praktisch auf die Stunde genau die verschiedenen Hungerstreiks in den weit auseinandergelegenen Anstalten ausgerufen, beziehungsweise ausgelöst werden konnten?

Zeuge v[on ]Pl[ottnitz]:

Die Erklärung ist einfach. Um gegen die Haftbedingungen, denen diese[hh] Gefangenen unterworfen waren, zu protestieren, und weil alle herkömmlichen, üblichen im Rahmen der Strafprozeßordnung also möglichen Verteidigungsbehelfe zur Änderung dieser Haftbedingungen sich als erfolglos erwiesen haben, haben sich die Gefangenen entschieden, mit einem Hungerstreik - oder ich glaub zwei Hungerstreiks[36] sogar - gegen diese Haftbedingung zu protestieren. Und Ihre Frage war jetzt, wieso es[ii] kommt, daß gleichzeitig der Hungerstreik durchgeführt worden ist ...

RA Schi[ly]:

Moment, die Frage beanstande ich hinsichtlich der Gleichzeitigkeit; ich wüßte nicht, inwiefern in der Hauptverhandlung das festgestellt ist. Also die Prämisse, die in dem Satz drinsteckt, die müßte ja doch erst mal in die Hauptverhandlung eingeführt sein, bevor eine solche Frage gestellt wird.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, durch die Aussagen des Zeugen Müller ist jedenfalls vorgetragen worden, hier in der Hauptverhandlung, es habe sich um einen koordinierten Beginn gehandelt, es sei ein bestimmtes Zeichen gegeben worden, das bestand in einer Rede ...

RA Schi[ly]:

Ja, dann könnte allenfalls die[jj] Aussage von Herrn Müller vorgehalten werden.

Vors.:

Das scheint also der Inhalt des Vorhalts zu sein, wenn ich das recht sehe.

BA Dr. Wu[nder]:

Das ist der Inhalt, ja. Mir kommt es darauf an, ob Sie eine Erklärung dafür haben, wie dieser zeitlich gleichzeitige [11150] Beginn in den verschiedenen örtlich weit auseinandergelegenen Anstalten möglich war.

RA Schi[ly]:

Moment ...

Vors.:

Nach der Aussage des Zeugen Müller.

RA Schi[ly]:

Wenn das so war, ja.

Zeuge v[on ]Pl[ottnitz]:

Also wenn Sie so fragen, kann ich eigentlich nicht darauf antworten, weil mir ist es immer so gegangen, daß ich Kenntnis davon erhalten hab, daß von einem bestimmten Zeitpunkt an jetzt Mandanten im Hungerstreik sind, und darauf habe ich als Verteidiger zu reagieren gehabt. Ich kann ein ... ich halte es für denkbar, daß mit Rücksicht darauf, daß es sich durchweg um Gefangene handelt, die gleichen Haftbedingungen unterworfen waren, die die Gefangenen auch sich dazu entschieden haben, diesen Hungerstreik kollektiv zu führen ...

Vors.:

Gut. Das, was Sie für denkbar halten, ist nicht gefragt, sondern das, was Sie wissen in diesem Zusammenhang. Weitere Frage?

BA Dr. Wu[nder]:

Dankeschön.

Vors.:

Keine Frage mehr. Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Herr Rechtsanwalt Schily keine Fragen? Dann darf ich Ihnen noch eines, damit das nicht stehen bleibt und hier nicht möglicherweise was Falsches in der Aussage aufrecht erhalten wird, folgendes vorhalten: Wir haben Ihnen vorhin dieses Schreiben, gerichtet - INFO alle, - gerichtet „Golzem und Plottnitz“ vorgelesen und auch Ihnen gezeigt. Sie haben erklärt, Sie kennen dieses Schreiben nicht. Haben Sie in einem der Ausschlußverfahren gegen die Herren Dr. Croissant, Ströbele und[kk] Groenewold[37] mitgewirkt als Verteidiger?

Zeuge v[on ]Pl[ottnitz]:

Ja, Ausschlußverfahren, ich war Verteidiger oder ich bin, glaube ich, noch Verteidiger bei Herrn Groenewold und bin Verteidiger oder war Verteidiger von Herrn Croissant.

Vors.:

In diesen[ll] Verfahren hat diese Anlage eine Rolle gespielt, müßte Ihnen eigentlich, sofern ...

Zeuge v[on ]Pl[ottnitz]:

... ich muß dazu sagen, ich habe also ...

Vors.:

... wir davon ausgehen dürfen[mm], daß Sie die Akten studiert haben, Ihnen bekannt geworden sein.

Zeuge v[on ]Pl[ottnitz]:

Da muß ich auf die Gefahr hin, daß ich mich da schlecht vorbereitet habe, sagen, daß ich ...

Vors.:

Gut, das ist der eine Gesichtspunkt, der Sie zu neuen Überlegungen veranlassen könnte[nn] und der zweite, es heißt also hier, nachdem das an Sie beide speziell gerichtet ist: „mit ein paar Punkten wirst Du Dich jedenfalls ohne Golzem’s lästige Intriganz [11151] auseinandersetzen müssen.“ Das heißt, Herr Golzem scheidet aus. Der wird hier nicht angesprochen, sondern[oo] ganz speziell Sie. Und wenn das richtig ist - so sieht das Schreiben aus - dann wäre meine Mutmaßung, das sei als INFO nicht an Sie gelangt, weil Sie nicht am INFO damals angeschlossen gewesen sind, vielleicht auch später nicht, nicht richtig, denn das Schreiben wäre Ihnen dann möglicherweise, sogar mutmaßlich dann außerhalb des INFO’s direkt zugegangen und nur die Empfänger des INFO’s ...

Zeuge v[on ]Pl[ottnitz]:

Also ich kann nur wiederholen, was ich dazu gesagt habe; ich kenne dies Schreiben nicht. Ich muß sogar[pp] zu meiner Schande gestehen, daß ich es dann noch nicht mal kenne aus den Akten, in denen sie eine Rolle gespielt haben sollen.

Vors.:

Dankeschön. Sonst sehe ich keine Fragen mehr. Wird hinsichtlich der Frage der Vereidigung ... sind da Ausführungen gewünscht? Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. Wu[nder]:

Ich möchte der Vereidigung entgegentreten. Der Zeuge von Plottnitz ist von dem Zeugen Müller nicht unerheblich belastet worden. Diesen Vorwürfen wird und muß selbstverständlich nachgegangen werden, auch im Interesse des Zeugen als einem Organ der Rechtspflege; § 55 StPO wäre nach der Rechtsprechung aber selbst dann anzuwenden, wenn es sich derzeit um einen nur entfernten Verdacht handelt würde.

Rechtsanwalt Dr. Heldmann erscheint um 11.09 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Danke. Sonstige Meldungen dazu? Nicht. Ich beabsichtige, den Herrn Zeugen nicht zu vereidigen, weil, wie Sie schon sagen, da auch nur entfernter Verdacht ausreichend ist, hinsichtlich einer möglichen Tatbeteiligung, um eine Vereidigung zu verhindern. Natürlich der Verdacht im Sinne des § 129[ StGB],[38] um das zu konkretisieren.

Der Zeuge bleibt unbeeidigt gemäß § 60 Nr. 2 StPO[39] wegen des Verdachts der Tatbeteiligung und wird im allseitigen Einvernehmen um 11.10 Uhr entlassen.

RA Schi[ly]:

Dürfte ich wegen eines ganz kurzen Telefongesprächs um drei, vier Minuten Pause bitten?[qq]

Vors.:

Ja, wir machen fünf Minuten Pause; dann bitte ich zunächst den Zeugen Thorer in den Saal zu bitten, der muß um 12.50 Uhr bereits auch wieder abreisen hier aus bestimmten Gründen. Fünf Minuten Pause.

[11152] Pause von 11.10 Uhr bis 11.19 Uhr.

Bei Fortsetzung der Hauptverhandlung um 11.19 Uhr ist RA Herzberg nicht mehr anwesend[rr].

Als Zeugen sind anwesend:

Arne Boyer

Oswald von Nagy

Axel Thorer

Helmut Rieber.

Vors.:

Wir können die Sitzung fortsetzen.

Die Zeugen Boyer, von Nagy, Thorer und Rieber werden gemäß §§ 57 und 53 Nr. 5 StPO[40] belehrt.

Die Zeugen Boyer, von Nagy, Thorer und Rieber erklären sich mit der Aufnahme ihrer Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.

Die Zeugen Boyer, von Nagy und Rieber werden um 11.21 Uhr in Abstand verwiesen.

Der Zeuge Thorer macht folgende Angaben zur Person:

Axel Thorer,

geb. [Tag].[Monat].39, Journalist,

Grünwald.

Mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert; wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Die Verteidigung hat Ihre Vernehmung beantragt zu folgendem Thema: Sie sollen eine Reihe von Gesprächen mit Ermittlungsbeamten geführt und dabei erfahren haben, daß der Zeuge Gerhard Müller den Polizeibeamten Norbert Schmid[41] erschossen habe, daß er die Tat zugegeben und sich damit gerechtfertigt habe, er hätte schießen müssen, da er von drei der Terroristen bei diesem Vorgang beobachtet worden sei. Können Sie dazu etwas angeben?

Zeuge Th[orer]:

Ich weiß nicht, wie die Verteidigung zu dieser Erkenntnis kommt, und soweit mir bekannt ist - und ich habe selbstverständlich mein Material auch durchgesehen - habe ich Derartiges nie geschrieben, und[ss] dadurch ist es für mich einfach unverständlich diese ganze Ladung, und deswegen kann ich mich dazu auch nicht äußern.

Vors.:

Ist es so, daß Sie damit sagen wollen, im Gesamtzusammenhang dessen, [11153] was Ihnen gerade mitgeteilt worden ist, haben Sie überhaupt keine Erinnerung an solche Vorgänge?

Zeuge Th[orer]:

Den Passus, den Sie mir eben offensichtlich zitiert haben, diesen Passus ... wo stammt der her, den habe ich nicht geschrieben den hab ich nicht gesagt ...[tt]

Vors.:

Ist nicht angegeben.[uu]

Zeuge Th[orer]:

Ich weiß es nicht, woher der stammt.

Vors.:

Also es sind ja wohl mehrere Teile; sie hätten über Ermittlungsbeamte erfahren, Müller habe[vv] zugegeben, auf den Polizeibeamten geschossen und ihn erschossen zu haben. Und er habe das gegenüber Journalisten damit gerechtfertigt, er habe schießen müssen, weil er von drei Terroristen bei dem Vorgang beobachtet worden sei.

Rechtsanwalt Herzberg erscheint wieder um[ww] 11.23 Uhr im Sitzungssaal.

Zeuge Th[orer]:

Moment, der Herr Müller hätte das Journalisten gegenüber gerechtfertigt?

Vors.:

Nein, Ermittlungsbeamten gegenüber, also offensichtlich polizeilichen oder staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsbeamten gegenüber habe Müller dieses Geständnis abgelegt, diese Begründung für seine Tat gegeben und diese Ermittlungsbeamten seien nun wieder Ihre Gesprächspartner gewesen und hätten Ihnen den Inhalt dieses Gesprächs mit Müller mitgeteilt.

Zeuge Th[orer]:

Das ist völliger Nonsens.

Vors.:

Keine weiteren Fragen mehr an den Herrn Zeugen? Die Herren der Bundesanwaltschaft? Auch nicht. Die Herren Verteidiger? Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Schi[ly]:

Herr Thorer, haben Sie denn über den sogenannten „Baader-Meinhof-Prozeß“ und sagen wir mal Hintergründe ... einmal mit Ermittlungsbeamten gesprochen, haben Sie versucht, sich da mal sachkundig zu machen?

Zeuge Th[orer]:

Ende der Frage?

RA Schi[ly]:

Ja.

Zeuge Th[orer]:

Nein, denn ich halte es für absolut sinnlos und absolut wenig ergebnisversprechend, zu versuchen, sich mit derartigen Beamten zu unterhalten; aber sprechen Sie jetzt im Zusammenhang mit dem Gegenstand der Ladung oder über ... generell? Ich kann mich mit Ihnen nur über den Gegenstand der Ladung unterhalten.

RA Schi[ly]:

Nein nein. Ich will mal jetzt ganz, etwas genereller gezogen, ob Sie sich über ...

[11154] Zeuge Th[orer]:

Nein, dann lehne ich Ihre negative Einkreisung eines möglichen Informantenkreises lehne ich ab.

RA Schi[ly]:

Wie ...

Vors.:

Herr Zeuge, darf ich auf folgendes hinweisen: Ein Beweismittel kann, muß, darf voll ausgeschöpft werden, das heißt, alles was im Rahmen dessen, was hier zur Sachaufklärung dienen kann, von einem Zeugen möglicherweise zu erfahren ist, darf auch gefragt werden. Insofern ist die Frage, die Herr Rechtsanwalt Schily gestellt hat, zulässig. Wenn Sie sagen, ich lehne das oder jenes ab, dann müßten Sie uns im Einzelfall klarmachen, ob sie sich in diesem Zusammenhang nun[xx] auf das Ihnen zustehende Zeugnisverweigerungsrecht berufen.

Zeuge Th[orer]:

Ich habe eben gerade schon gesagt, daß ich mich als Antwort auf Ihre Frage - daß ich mich überhaupt, was diese Ladung betrifft, mit keinem Vernehmungsbeamten unterhalten habe. Ich meine, Sie sprachen eben, wenn ich recht erinnere, von Ermittlungsbeamten; könnten Sie mir mal den[yy] Unterschied klarmachen, meinen Sie nun Ermittlungs- oder Vernehmungsbeamte?

RA Schi[ly]:

Ja ich meine es ein bißchen im weiteren Sinne, Vernehmungsbeamte, da kann man ja, könnte man eingrenzend sagen, das sind also vielleicht nur Beamte, die eine Vernehmung durchgeführt haben. Ermittlungsbeamte sind Beamte, die also im weitesten Sinne Ermittlungen durchführen in einem bestimmten Ermittlungsverfahren, aber es kommt natürlich, insofern ist der Ausdruck Vernehmungsbeamte nicht falsch, es kommt im Wesentlichen auf - vielleicht - Gespräche an oder auch Vernehmungen im strengeren Sinne, die eben im Rahmen dieser Ermittlungen[zz] durchgeführt worden sind, Herr Thorer.

Zeuge Th[orer]:

Bezogen auf die Aussage des Zeugen Gerhard Müller?

RA Schi[ly]:

Bezogen auf den Herrn Müller, ja.

Zeuge Th[orer]:

Nein. Ein kategorisches und klares „nein“.

RA Schi[ly]:

Also kann ich Ihre Aussage so verstehen, daß Sie im Bezug auf den Herrn Müller nie etwas erfahren haben, also zu einem Zeitpunkt, als der Herr Müller noch nicht hier in der Hauptverhandlung aufgetreten ist?

Zeuge Th[orer]:

Das ist richtig.

RA Schi[ly]:

Noch nie was von dem Herrn Müller ... Haben Sie mal in Ihrem Blatt irgendwas ... Sie sind Angehöriger[aaa] doch der Redaktion der „Quick“, nicht?

[11155] Zeuge Th[orer]:

Nein, ich bin stellvertretender Chefredakteur der deutschen Ausgabe des „Playboy“.

RA Schi[ly]:

Ah, ja, dann haben Sie früher mal an der „Quick“ mitgearbeitet?

Zeuge Th[orer]:

Ich habe früher mal an der „Quick“ gearbeitet, ja.

RA Schi[ly]:

Ja. Und darf ich fragen, wie lange?

Zeuge Th[orer]:

Ungefähr ... ich kann es Ihnen nicht auf den Tag genau sagen, aber etwa ein Jahr.

RA Schi[ly]:

Ein Jahr. Im Rahmen Ihrer Tätigkeit bei der Illustrierten „Quick“, haben Sie da einmal Informationen erhalten zum Thema Gerhard Müller?

Zeuge Th[orer]:

Sprechen Sie jetzt von Informationen durch Ermittlungs- oder Vernehmungsbeamte oder durch Ermittlungen aus dem Kreise der Sympathisanten von Terroristen oder so etwas?

RA Schi[ly]:

Ich sag es jetzt ganz allgemein, ob Sie da irgendetwas ermittelt haben zur Person ...

Zeuge Th[orer]:

Ich selber habe nicht ermittelt, nein.

RA Schi[ly]:

Oder Kollegen von Ihnen?

Zeuge Th[orer]:

Dann[bbb] müssen Sie die Kollegen fragen, ich weiß nichts davon, ob Kollegen ermittelt haben. Ich halte den Terminus technicus im Zusammenhang mit Journalismus für unzutreffend.

RA Schi[ly]:

Na recherchiert, wir wollen uns nicht also ... recherchiert, wenn Ihnen der Ausdruck angenehmer ist, Herr Thorer.

Zeuge Th[orer]:

Der ist mir angenehmer, ja.

RA Schi[ly]:

Gut. Also haben Kollegen von Ihnen, und[ccc] haben Sie etwas darüber erfahren, über das Ergebnis solcher Recherchen, haben Sie etwas erfahren, daß Kollegen von Ihnen etwas über den Herrn Müller, sei es aus welcher Informationsquelle immer, in Erfahrung bringen konnten?

Zeuge Th[orer]:

Nein. Denn dazu bestand für mich kein Anlaß.

RA Schi[ly]:

Ist einmal in der Illustrierten „Quick“ etwas über Herrn Müller publiziert worden?

Zeuge Th[orer]:

Es ist sicher in der Illustrierten „Quick“, genau wie in jeder anderen deutschen Zeitung, irgendetwas geschrieben worden. Ja, sicher.

RA Schi[ly]:

Ist der Herr Müller einmal in der Illustrierten „Quick“ in einer bestimmten Weise, also was er so als Person darstellt, qualifiziert worden?

Zeuge Th[orer]:

Das weiß ich nicht. Denn[ddd] zu einer Zeit, als Herr Müller - verzeihen [11156] Sie den Ausdruck - für die Journalisten richtig interessant wurde, war ich nicht mehr bei der „Quick“.

RA Schi[ly]:

Hat man einmal in der „Quick“ auch unter Ihrem Namen etwas über Herrn Müller publiziert, bei der Gelegenheit, daß man den Herrn Müller als einen V-Mann[eee] bezeichnet hat?

Zeuge Th[orer]:

Das kann ich - so vage von Ihnen beschrieben - nicht sagen. Wenn Sie mir sagen könnten, ob Sie sich auf ein bestimmtes, auf eine bestimmte Veröffentlichung beziehen, dann könnte ich Ihnen sicher darauf antworten.

RA Schi[ly]:

Ja ich wollte Ihnen eigentlich das erstmal in dieser allgemeinen Form ... weil ich natürlich kein - das muß ich dazu sagen - kein ständiger Leser der „Quick“ bin, und insofern ein bißchen mehr[fff] auf also[ggg] Ihr Erinnerungsvermögen angewiesen bin. Vielleicht können Sie das doch mal in der allgemein gehaltenen Form beantworten, ob einmal in der „Quick“ ein Artikel veröffentlicht worden ist, in der der Herr Müller als V-Mann[hhh] bezeichnet worden ist.

Zeuge Th[orer]:

Das weiß ich nicht; es kann sein, es kann auch nicht sein, wie gesagt, ich bin seit einem Jahr nicht mehr bei der „Quick“, und ebenso wie Sie, vielleicht aus anderen Motiven, auch nicht ständiger Leser der „Quick“.

RA Schi[ly]:

Kann es sein, daß einmal in einem solchen Artikel über den Herrn Müller, in dem er als V-Mann[iii] bezeichnet worden ist, folgender Satz gestanden hat: „Dabei unterlief ihm ein bedauerlicher Fehler. Er mußte, da er von drei der Terroristen beobachtet wurde, auf einen Menschen schießen und tötete ihn.“

Zeuge Th[orer]:

Das ist ein Zitat - und da ich sehr jung bin, kann ich mich noch an jede Zeile erinnern, die ich geschrieben habe, - das ist ein Zitat von mir, daran erinnere ich mich; das bezieht sich nicht auf Herrn Müller.

RA Schi[ly]:

Das bezieht sich nicht auf Herrn Müller. Auf wen bezieht es sich denn?

Zeuge Th[orer]:

... beziehungsweise, es ist der Name Müller nicht genannt.

RA Schi[ly]:

Ja, bezieht es sich nun trotz der fehlenden Namensnennung doch auf Herrn Müller?

Zeuge Th[orer]:

Wenn Sie das Stück, wenn Sie dieses Zitat in Gänze sich vor Augen halten und nicht nur einen Satz herauspflücken, der Ihnen gerade genehm ist, dann werden Sie sehen, daß dort ein Jahr 72 angegeben ist, Sie werden, ... Sie sagten eben[jjj] von drei Terroristen [11157] beobachtet, und Sie haben eben gelesen einen Menschen erschossen. Ich verstehe nicht, wie Sie auf Herrn Müller kommen, und ich kann Ihnen dazu ... das betrifft nicht Herrn Müller. Ich weiß nicht, was Sie eigentlich möchten.

RA Schi[ly]:

Ja wen betrifft es denn?

Zeuge Th[orer]:

Es betrifft ... ich bin hier geladen, um über Herrn Müller auszusagen, steht hier: „Gespräche mit Vernehmungsbeamten über Aussagen des Zeugen Müller“. Jetzt sagen Sie zu mir, ist das Herr Müller. Tut mir leid, ich kann das nicht beantworten.

Vors.:

Es ist so, Sie dürfen das gefragt werden. Keine Frage ist unzulässig gewesen, bisher. Wenn Sie irgendeine andere Person im Auge haben, wenn Sie irgendeinen anderen Informanten dafür haben und[kkk] so weiter, steht Ihnen das Recht nach § 53[ StPO] zu ...

Zeuge Th[orer]:

Das möchte ich in dem Fall in Anspruch nehmen, nachdem ich so weit gegangen bin, wie ich gegangen bin.

RA Schi[ly]:

Jetzt wollen Sie von Ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen, um diese Frage nicht zu beantworten, wer die Person ist, die gemeint ist, ja?

Zeuge Th[orer]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Habe ich das so richtig verstanden?

Zeuge Th[orer]:

Ja.

Vors.:

Aber Sie haben beantwortet, gemeint sei nicht Herr Müller.

Zeuge Th[orer]:

Das habe ich beantwortet.

RA Schi[ly]:

Gemeint sei nicht Herr Müller. Können Sie sich noch erinnern, daß für diese Veröffentlichung eine Art von Bild verwendet worden ist? Sie kennen ja diese Veröffentlichung offenbar sehr genau, im Gegensatz zu Ihrem sonst etwas schütteren Gedächtnis.

Zeuge Th[orer]:

Nein, ich habe nur gesagt, daß ich sie genauer kenne, wie Sie; aber daran kann ich mich nicht erinnern, nein.

RA Schi[ly]:

Ich habe sie vor mir, diese Veröffentlichung, insofern diese Veröffentlichung, die Sie jetzt meinen, die habe ich jetzt vor mir. Aber können Sie sich da erinnern, daß da ein Bild verwendet worden ist?

Zeuge Th[orer]:

Mag sein; aber wie gesagt, ich berufe mich, ab jetzt, auf mein Zeugnisverweigerungsrecht.

RA Schi[ly]:

Auch auf die Frage, ob Ihnen erinnerlich ist, daß in einer etwas veränderten Form, also man hat da ein bißchen vielleicht gewisse Veränderungen an dem Foto vorgenommen, aber daß für diese [11158] Veröffentlichung ein Lichtbild, das vermutlich nach der Festnahme von Herrn Müller aufgenommen worden ist, für diesen Artikel verwendet wurde?

Zeuge Th[orer]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Das stimmt?

Zeuge Th[orer]:

Bitte?

RA Schi[ly]:

Oder wollen Sie darauf auch nicht ...

Zeuge Th[orer]:

Ich berufe mich darauf.

RA Schi[ly]:

Sie wollen sich auch nicht dazu äußern?

Zeuge Th[orer]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Wollen Sie ganz allgemein sagen, Herr Thorer, daß Sie nie mit einem Kriminalbeamten oder sonstigen Ermittlungsbeamten im weitesten Sinne, also beispielsweise auch Verfassungsschutz, und ähnlichen über Erklärungen, die Herr Müller abgegeben hat, bevor er sich als Zeuge zur Verfügung gestellt hat, gesprochen haben?

Zeuge Th[orer]:

Das kann ich mit „ja“ beantworten; ich habe mit keinem Menschen gesprochen dieser der von Ihnen genannten Menschen; habe mit überhaupt niemandem gesprochen.

RA Schi[ly]:

Also der Herr Müller hat Sie von Ihrem journalistischen Interesse nicht interessiert?

Zeuge Th[orer]:

Zu der Zeit, als ich bei der „Quick“ war, nicht.

RA Schi[ly]:

Nicht[lll], gut. Dann habe ich an Herrn Thorer, da ich sonst ja darauf gefasst sein muß, daß er weitere Fragen mit dem ihm zustehenden Zeugnisverweigerungsrecht beantwortet, keine weiteren Fragen.

Vors.:

Sonstige Fragen an den Herrn Zeugen? Sehe ich nicht. Der Herr Zeuge hat es eilig, wir können Sie gleich vereidigen.

Der Zeuge Thorer wird vorschriftsmäßig vereidigt.

Vors.:

Können wir den Zeugen entlassen?

RA Schi[ly]:

Ich würde bitten, daß der Herr Thorer noch einen Moment sich vielleicht geduldet ...

Vors.:

Haben Sie einen Zeugen, den Sie jetzt als den nächsten gerne hätten, um daraus Fragen herzuleiten ...

RA Schi[ly]:

Ich würde vielleicht vorschlagen, daß Herr Rieber als nächster hier vernommen wird ...

Vors.:

12.50 Uhr ist mir mitgeteilt worden, als der Zeitpunkt Ihrer Abreise in Echterdingen Sie werden ...

[11159] RA Schi[ly]:

... also nach Möglichkeit, vielleicht kann man das sehr schnell klären, nach der ersten Frage und dann kann ...

Vors.:

Gut, wenn Sie noch ein paar Minuten warten werden im Zeugenzimmer ...

Der Zeuge Thorer wird um 11.37 Uhr vorläufig entlassen. Er nimmt im Zuschauerraum Platz.

Der Zeuge Rieber erscheint um 11.38 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge Rieber macht folgende Angaben zur Person:

Helmut Rieber,

53 Jahre, Journalist,

Karlsruhe.

Mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert;

wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Die Verteidigung hat Ihre Ladung beantragt, weil Sie zu folgendem Thema etwas bekunden können sollen: Daß Sie bei einer Reihe von Gesprächen mit Ermittlungsbeamten erfahren hätten, der Zeuge Müller habe gegenüber Polizeibeamten oder gegenüber diesen Ermittlungsbeamten zugegeben, seinerzeit den Polizeibeamten Schmidt erschossen zu haben, und er hätte sich damit gerechtfertigt, er hätte damals[mmm] schießen müssen, da er von drei der Terroristen beobachtet worden sei. Also 1. Sie hätten über Ermittlungsbeamte ein Geständnis erfahren, das Müller abgelegt hätte, und 2. eine Rechtfertigung, warum er damals geschossen hätte.

Zeuge Ri[eber]:

Ich hätte über Ermittlungsbeamte ein Geständnis erfahren?

Vors.:

Sie hätten mit Ermittlungsbeamten Gespräche geführt ...

Zeuge Ri[eber]:

Ich möchte erklären, daß ich das, was Sie hier in Frageform gekleidet haben, zum ersten Mal in einer Münchner Illustrierten gelesen habe, daß ich weder Informationen dieser Art, hätte ich sie gehabt, hätte ich sie[nnn] natürlich publiziert und hätte mich versichert, ob diese Informationen auch stimmen. Im übrigen möchte ich erklären, daß ich mich auf das Zeugnisverweigerungsrecht stelle. Ich habe das nur gesagt, weil mir die Vorladung überhaupt zu dem Komplex etwas sehr komisch vorkam.

Vors.:

Ja aber die Antwort, soweit Sie sie gegeben haben, würde also darauf schließen lassen, ist das richtig verstanden worden ...

[11160] Zeuge Ri[eber]:

... daß ich mit keinem redaktionellen Beitrag, aus dem hervorgeht, daß ein Ermittlungsbeamter oder überhaupt aus dem hervorgeht, daß dieser Zeuge Müller auf diesen Polizeibeamten geschossen haben soll, daß er dabei beobachtet wurde; das ist meiner Meinung nach der Text, der in[ooo] dieser Illustrierten vom Mai 1975 steht. Diese Information war mir bis zum Erscheinungstag vollständig unbekannt.

Vors.:

So daß Sie also auch demnach kein entsprechendes Gespräch mit Ermittlungsbeamten geführt haben können.

Zeuge Ri[eber]:

Nein. Ich kenne keinen Ermittlungsbeamten, der wohl auch so was sagen würde. Ich weiß es nicht, also ... also das Glück hatte ich noch nie als Journalist, daß mir einer so was erzählt hat.

Vors.:

Weitere Fragen beim Gericht? Sehe ich nicht. Die Herren der Bundesanwaltschaft? Nein. Die Herren Verteidiger? Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Schi[ly]:

Herr Rieber, welche Münchner Illustrierte meinen Sie?

Zeuge Ri[eber]:

Bitte?

RA Schi[ly]:

Welche Münchner Illustrierte meinen Sie?

Zeuge Ri[eber]:

Ja das wissen Sie so gut wie ich[ppp], die Illustrierte[qqq] „Quick“. Und da steht mein Name unter Dokumentation, und[rrr] wenn Sie genau wissen wollen ...

RA Schi[ly]:

Ja bitte.

Zeuge Ri[eber]:

Wenn ich mich richtig entsinne - und ich glaube es richtig zu tun - stammt mein Beitrag da, die Feststellung des Alters der Herren Richter, aus dem Richterhandbuch und so weiter aus der Bibliothek des Bundesgerichtshofs ...

RA Schi[ly]:

Ja, nun haben. Sie - den ja gelesen diesen[sss] Artikel; haben Sie dann vielleicht mit ihren Kollegen mal darüber gesprochen, wie denn diese Sache zustande kommt, es war an und für sich ganz aufregend ...

Zeuge Ri[eber]:

Ich möchte hier bemerken, daß bei der „Quick“, bei dem ich freier Mitarbeiter bin, also nicht Redaktionsmitglied, derselbe Grundsatz herrscht wie etwa bei „Stern“ und „Spiegel“, daß man nie einem Mitarbeiter sagen wird, wo man eine andere Information her hat; und ich würde schon deshalb, ich bin dreißig Jahre in dem Beruf, von vornerein schon gar nicht fragen. Ich wundere mich höchstens mal über irgendeinen[ttt] Beitrag einer Redaktion, das ist alles.

RA Schi[ly]:

Herr Rieber, wer hat denn diesen Artikel geschrieben, wissen Sie das vielleicht? Es sind ja nun vier Namen Boyer, Thorer ...

Zeuge Ri[eber]:

Ich nehme an, daß einer der vier Genannten, also wenn man mich abzieht, nicht wahr, ich sitze ja hier in Karlsruhe, ich habe also [11161] gar keine Möglichkeit, auf redaktionelle Gestaltung einzuwirken, und ferner stehe ich ja dort nur unter Dokumentation. Es könnte sein, daß einer dieser anderen drei Leute den Artikel geschrieben hat; es könnte aber auch sein, daß er von einem anderen Redaktionsmitglied geschrieben wurde, das weiß ich nicht. Ich hab nicht gefragt, und nachdem die Vorladung kam, habe ich zweimal nicht mehr gefragt.

RA Schi[ly]:

Und früher haben Sie auch nicht gefragt, wer denn das verfasst hätte?

Zeuge Ri[eber]:

Nein, habe ich auch nicht gefragt. Es kann sein, daß ich eine Bemerkung gemacht habe, bei einem redaktionellen Gespräch, das ist ein tolles Ding oder so; aber ich habe nicht gefragt, weil ich von vornerein gewußt hab, daß man mir hier keine Antwort geben wird. Das ist nun leider so ...

RA Schi[ly]:

Herr Rieber, haben Sie öfter mal so ein bißchen auch so, wenn man das so bezeichnen darf, vielleicht ist das nicht Ihr Terminus technicus, aber so Hintergrundberichte in verschiedenen Tageszeitungen verfasst, in denen[uuu] Sie sich auch unter anderem mal mit dem Herrn Gerhard Müller befasst haben?

Zeuge Ri[eber]:

Ich glaube nicht, daß ich mich in einer Tageszeitung mit dem Gerhard Müller befasst habe; da müßte ich jetzt[vvv] mein ganzes Archiv nachsehen, ich weiß nicht, und zwar schon aus dem Grund, weil eine ganze Reihe Zeitungen vorher schon geschrieben haben. Und[www] ferner möchte ich Ihnen gleich erklären, das fällt ja alles eigentlich unter mein Redaktionsgeheimnis. Was soll’s, ich mache zu diesem Komplex ... ich bin Ihnen sehr weit entgegengekommen, indem ich erklärt habe, ich weiß davon nichts, und jetzt kommt das Zeugnisverweigerungsrecht und darauf bestehe ich. Wir Journalisten sind ja keine Brötchen-Jungen, die sich hier laufend vorladen lassen; das möchte ich mal ausgerechnet hier sagen ...

Vors.:

Herr Zeuge, das sind Ausführungen, die nicht am Platze sind. Es ist selbstverständlich das Recht der Verteidigung, Beweisanträge zu stellen. Das Gericht hat darüber zu befinden, ob die Anträge korrekt gestellt sind, ob es erforderlich ist, den Zeugen zu laden. Das Gericht hat Sie dann geladen, aufgrund des gestellten Beweisantrages. Sie nehmen ab jetzt Ihr Zeugnisverweigerungsrecht, wenn ich es recht verstanden habe, in Anspruch, das heißt, Sie wollen keine Fragen mehr beantworten.

Zeuge Ri[eber]:

Ich werde keine Fragen mehr beantworten.

[11162] [Vors.:]

Weitere Fragen an den Herrn Zeugen, sollen die versucht werden?

RA Schi[ly]:

Wenn er generell[xxx] sagt, er will keine Fragen mehr, dann ...

Vors.:

Es könnten natürlich ... es könnte denkbar sein, daß Sie irgendeine Frage sich vorstellen, Herr[yyy] Rechtsanwalt Schily, die nicht unter dieses Zeugnisverweigerungsrecht fiele; wenn Sie solch eine Frage ...

RA Schi[ly]:

Nein, da ich[zzz] davon ausgehe, daß die Kenntnisse, die Herr Rieber erworben haben könnte, aus seiner journalistischen Tätigkeit stammen, bin ich leider dann am Ende.

Vors.:

Sonst keine Fragen mehr an den Herrn Zeugen. Kann der Herr Zeuge Thorer entlassen werden jetzt?

RA Schi[ly]:

Ja.

Der Zeuge Thorer wird um 11.45 Uhr endgültig entlassen.

- Der Zeuge Rieber verläßt den Sitzungssaal bis zur später erfolgenden Vereidigung. -

Vors.:

Bitte den Herrn Zeugen von Nagy.

RA Schi[ly]:

Können wir vielleicht in der Reihenfolge, daß wir erst ... Herr Vorsitzender, erst den Herrn Boyer, denn wenn ich jetzt Herrn Rieber höre, Dokumentation scheint ja dann doch eher, der Herr[aaaa] von Nagy soll nämlich auch Dokumentation; vielleicht können wir erst den Herrn Boyer ...

Vors.:

Können wir gerne machen ...[bbbb]

Herr Rechtsanwalt Schnabel.

RA Schn[abel]:

Herr Vorsitzender, was das Zeugnisverweigerungsrecht der Journalisten angelangt, so glaube ich nicht, daß es so umfassend ist, wie das Zeugnisverweigerungsrecht von Anwälten, Notaren und ähnlichen Personen. Und wenn ich den § 53 Abs. 5[ StPO] richtig lese, dann ist das Zeugnisverweigerungsrecht der Journalisten insofern nur vorhanden, wenn ein Redakteur der Druckschrift wegen dieser Veröffentlichung bestraft ist oder[cccc] seiner Bestrafung keine Hindernisse entgegen stehen.

Der Zeuge Boyer erscheint um 11.46 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schnabel, verzeihen Sie, wenn ich unterbreche, Sie haben die Fassung, die nicht mehr gültig ist ... die gültige seit dem seit dem 1.8.75.

RA Schn[abel]:

Sicher, auch wenn ...

[11163] Vors.:

Entschuldigen Sie bitte, nein, das ist nun ein Mißverständnis. Es ist mir selbst so gegangen, das Gesetz ist neu gefasst, und man muß sich also hier den neuen Text ansehen; er ist grundsätzlich geändert, und hat also mit dem Sitzredakteur nichts mehr zu tun.

RA Schn[abel]:

Nicht eine Frage des Sitzredakteurs, ich meine, auch wenn man die neue Fassung dann nimmt, dann[dddd] ist es doch so, daß also ein Journalist nicht generell wohl sagen kann, alles ... ich mache einfach keine Angaben hier.

Vors.:

Alles das, was im Zusammenhang mit seiner Arbeit, die im redaktionellen Teil zur Veröffentlichung bestimmt ist, zu tun hat. Wenn Sie sich vielleicht die neue Vorschrift[42] durchlesen wollen, dann werden Sie sehen, daß Ihre Bedenken unbegründet sind.

Der Zeuge Boyer macht folgende Angaben zur Person:

Arne Boyer, 4

5 Jahre, Journalist,

München.

Mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert;

wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Auch Sie sind auf Antrag der Verteidigung geladen worden zu folgendem Beweisthema: Sie sollen bekunden können, daß Sie eine Reihe von Gesprächen mit Ermittlungsbeamten geführt und dabei erfahren hätten, der Zeuge Müller habe den Polizeibeamten Norbert Schmid erschossen, er habe die Tat zugegeben, und sich für diese zugegebene Tat damit gerechtfertigt, daß er habe schießen müssen, weil er von drei Terroristen bei der Tat beobachtet worden sei. Können Sie zu diesem Thema etwas sagen?

Zeuge Bo[yer]:

Ich möchte folgendes sagen: Ich will von meinem Recht der Zeugnisverweigerung Gebrauch machen, aber gleichzeitig zum Ausdruck bringen, daß das nicht bedeutet, daß ich mit dem Gegenstand dieser Zeugenladung befasst war.

Vors.:

Das heißt also, Sie wollen hier auch die konkret gestellte Frage selbst jetzt nicht beantworten, sondern sagen, ich bin Journalist, und beziehe mich auf mein Zeugnisverweigerungsrecht.

Zeuge Bo[yer]:

Unter ausdrücklicher Betonung, daß ich eventuell damit überhaupt nicht befasst war.

Vors.:

Ja nun, es ist eben so, Sie geben dann eine Antwort, die zwar verneinend ist gegenüber der Frage, die an Sie gestellt werden soll, aber gleichzeitig beziehen Sie sich auf das [11164] Zeugnisverweigerungsrecht. Sind Sie bereit, so weit Antworten zu geben, als man Sie fragt, ob das stimmt oder nicht stimmt, was Ihnen hier durch den Beweisantrag als Wissen nachgesagt wird? Wenn nicht, dann müssen Sie sagen, [§ ]53 Ziff. 5[ StPO], wenn ja, dann müßten Sie die Frage beantworten und[eeee] könnten dann, wenn Sie wollen, die Zensur machen mit dem Zeugnisverweigerungsrecht.

Zeuge Bo[yer]:

Dann möchte ich sagen, daß ich mit dieser Sache überhaupt nicht befasst war.

Vors.:

Das würde also bedeuten, daß Sie keine Gespräche mit Ermittlungsbeamten geführt haben und auch das nicht erfahren haben, was hier behauptet wird. Sonstige Fragen an den Herrn Zeugen? Sehe ich beim Gericht[ffff] nicht. Die Herren der Bundesanwaltschaft? Herr Rechtsanwalt Schnabel, bitteschön.

RA Schn[abel]:

Darf ich also jetzt noch einmal darauf zurückkommen, auch wenn Sie diese neue Fassung hier sehen, komm ich als zumindest nicht zum Ergebnis, wie man ein Zeugnisverweigerungsrecht auf eine Frage hat, ob neben einem Artikel ein Bild steht. Also das sehe ich wirklich nicht ein. Denn hier steht doch eindeutig; „über die Person des Verfassers, Einsenders oder Gewährsmann von Beiträgen und Unterlagen, sowie über die im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemachten Mitteilungen“. Was hat das dann aber damit zu tun, wenn jemand gefragt wird: „Stand neben Ihrem Artikel ein Bild?“ Also da[gggg] kann man sicher nicht sagen, ich hab hier ein Zeugnisverweigerungsrecht.

Vors.:

Danke für den Hinweis. Nur möchte ich jetzt gerne zunächst die Frage an Sie richten, die Herren Verteidiger, Fragen an den Zeugen Boyer? Bei Ihnen nicht. Herr Rechtsanwalt Schily, bitteschön.

RA Schi[ly]:

Herr Boyer, wollen Sie das so generell sagen, daß Sie sagen, ich habe nie mit Ermittlungsbeamten gesprochen in dem Zusammenhang, sagen wir mal im großen Zusammenhang „Baader-Meinhof“?

Zeuge Bo[yer]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Nie. Haben Sie mal etwas von Gesprächen erfahren, die Kollegen von Ihnen in dieser Richtung geführt haben könnten?

Zeuge Bo[yer]:

Auch nicht.

Ende von Band 647.

[11165] RA Schi[ly]:

Auch nicht. Haben Sie mal mit anderen Personen, die vielleicht, sagen wir mal, nicht unmittelbar Vernehmungsbeamte sind, sondern Beamte des Verfassungsschutzes oder was sonst in Frage käme als[hhhh], Personen, über diese Problematik gesprochen, auch so Kronzeugenproblematik[43][iiii] und ähnlichem?

Zeuge Bo[yer]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Nie. Haben Sie mal ... gehören Sie der Redaktion der Zeitschrift „Quick“ an?

Zeuge Bo[yer]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Auch heute noch?

Zeuge Bo[yer]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Ist einmal in der „Quick“ etwas veröffentlicht worden über einen mutmaßlichen V-Mann? Ein Artikel, in dem Sie auch als Verfasser genannt sind.

Zeuge Bo[yer]:

Ob so etwas erschienen ist?

RA Schi[ly]:

Ja, ganz recht.

Zeuge Bo[yer]:

Ja, das ist ja der Gegenstand meiner Ladung. Das ist ja dieser Artikel, den meinen Sie doch.

RA Schi[ly]:

Das ist erschienen, ja?

Zeuge Bo[yer]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Wer hat denn diesen Artikel verfaßt?

Zeuge Bo[yer]:

Darüber möchte ich die Aussage verweigern.

RA Schi[ly]:

Ja, Sie selber waren doch nun nicht befaßt, sagen Sie. Dann ist doch eigentlich tatsächlich die Frage, ob insoweit ein Auskunftsverweigerungsrecht besteht, denn das können Sie doch sagen, dann. - Autor

Vors.:

§ 53[ StPO] billigt einem Journalisten die Verweigerung des Zeugnisses zu über die Person des Verfassers, Einsenders oder Gewährsmannes von Beiträgen und Unterlagen sowie über die ihnen im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemachten Mitteilungen, soweit es sich um Beiträge, Unterlagen und Mitteilungen für den radaktionellen Teil handelt. Das würde wohl das mit umfassen. Das heißt, Ihre Frage berührt dieses Gebiet, das so umschrieben[jjjj] ist vom Gesetz.

RA Schi[ly]:

Gut also, Sie würden insoweit ihn Herrn Boyer zubilligen, den Schutz des § 53[ StPO]?

[11166] Vors.:

Ja, das Recht.

RA Schi[ly]:

Das Recht. Ja ist auch ein Schutz drin der Pressetätigkeit[kkkk]. Können Sie sich daran erinnern, daß in diesem Artikel unter anderem folgendes steht, - der da veröffentlicht wurde, auch unter Ihrem Namen: „Dabei unterlief ihm ein bedauerlicher Fehler. Er mußte, da er von drei der Terroristen beobachtet wurde, auf einen Menschen schießen und tötete ihn“. Wissen Sie, ob mit diesem Bericht der Herr Müller gemeint ist?

Zeuge Bo[yer]:

Das kann ich nicht sagen.

RA Schi[ly]:

Wissen Sie nicht?

Zeuge Bo[yer]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Ist Ihnen bekannt, daß dieser Artikel, in dem dieser Satz vorkommt, mit einem Konterfei versehen ist, das in leicht veränderter Form den Herrn Müller, ein Foto von Herrn Müller nach dessen Festnahme zeigt?

Zeuge Bo[yer]:

Ja, ich kann mich erinnern, daß da ein Foto war, mit einem ausgebleichten Gesicht.

RA Schi[ly]:

Ja, und wissen Sie, ob das[llll] Foto von Herr Müller war?

Zeuge Bo[yer]:

Weiß ich nicht.

RA Schi[ly]:

Wissen Sie nicht?

Zeuge Bo[yer]:

Ich habe das Foto nie in der Hand gehabt.

RA Schi[ly]:

Wer hat denn das Foto da ... wer hat denn[mmmm] das da nun verwendet, für diesen Artikel?

Zeuge Bo[yer]:

Das weiß ich auch nicht.

RA Schi[ly]:

Können Sie sich erinnern, daß in diesem Artikel steht, folgendes: „Noch nach seiner Festnahme hielt dieser V-Mann regen Kontakt mit den übrigen Bandenmitgliedern. Später machte er Aussagen, die einige der 34 zum harten Kern der Bande zählende Verbrecher schwer belasten. Der V-Mann hofft, nach dem Prozeß mit Papieren, die auf einen anderen Namen ausgestellt sind, von der Geburtsurkunde bis zum Reisepaß, ein neues Leben in Freiheit beginnen zu können“. Können Sie sich daran erinnern?

Zeuge Bo[yer]:

Ja, weil ich das[nnnn] mir gestern nämlich[oooo] besorgt habe, aus dem Archiv und nachgelesen habe. Sonst wüßte ich es nicht.

RA Schi[ly]:

Sonst wüßten Sie es nicht. Und wie diese Informationen[pppp] in diesen Artikel hineinkommen, können Sie auch nicht beantworten?

[11167] Zeuge Bo[yer]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Wollen Sie mir die Frage beantworten, wer denn eigentlich bei Ihnen in der Redaktion so zuständig ist, wenn es darum mal geht, Informationen aus einem Ermittlungs- oder Strafverfahren zu recherchieren? Mitunter liest man ja doch, daß die „Quick“ da durchaus gewisse Erfolge zu verzeichnen hat bei Recherchen, und dann[qqqq] mitunter auch so ein bißchen also in Schwierigkeiten da geraten ist?

Zeuge Bo[yer]:

Also da kann ich keine bestimmten Personen nennen. Außerdem würde das wieder mein Zeugnisverweigerungsrecht berühren.

RA Schi[ly]:

Ist Ihnen erinnerlich, daß in diesem Artikel gesagt worden ist, von dem V-Mann, daß der wahre Name der Person, die da beschrieben wird, der „Quick“ bekannt sei?

Zeuge Bo[yer]:

Also ich war weder seinerzeit informiert darüber noch bin ich es jetzt.

RA Schi[ly]:

Haben Sie es nicht für interessant gehalten, sich mal darüber zu vergewissern. So wenn man es zunächst mal ganz abstrakt liest, so eine[rrrr] ganz interessante Story, würde ich denken. Haben Sie sich da nicht, so aus journalistischem Interesse, gerade, weil Sie da auch selber als Mitverfasser dieser ganzen Zusammenstellung genannt werden, dafür interessiert, na, wie kommt denn das zustande und[ssss] kann man da vielleicht noch mehr dazu erfahren? Kann man noch ein bißchen nachrecherchieren? Haben Sie sich dafür nicht interessiert? Haben Sie mit Kollegen darüber nie gesprochen?

Zeuge Bo[yer]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Nie? Das wundert mich eigentlich ein bißchen, wenn ich Ihnen das vorhalten darf ...

Zeuge Bo[yer]:

Ja, jetzt ist klar, wo die Ladung kam ...

RA Schi[ly]:

Jetzt wo die Ladung kam, haben Sie gesprochen.

Zeuge Bo[yer]:

Da habe ich natürlich mutmaßt man, nach dem [tttt] das alles bekannt wurde, das könnte so sein. Aber ich habe überhaupt keine originale Information darüber.

RA Schi[ly]:

Wie ist das bei der „Quick“ üblich. Werden alle Verfasser genannt, die solche Artikel, die für ihn verantwortlich sind?

[11168] Zeuge Bo[yer]:

Bitte?

RA Schi[ly]:

Werden alle Verfasser, auch in dem Druckerzeugnis, dann genannt, die verantwortlich sind, redaktionell?

Zeuge Bo[yer]:

Normalerweise ja, sicher.

RA Schi[ly]:

Ist es hier auch geschehen, bei diesem Artikel, den ich meine, den Sie ja jetzt gestern nochmal sich aus dem Archiv beschafft haben?

Zeuge Bo[yer]:

Ja, also ich bin zum Beispiel genannt, weil ich 4 oder 5 dieser kurzen Artikel geschrieben habe.

RA Schi[ly]:

Aber Sie wissen 1. mal nicht mehr, wer der Verfasser hier zu dem V-Mann war und 2. mal wollen Sie auch dazu nichts sagen?

Zeuge Bo[yer]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Ja, nun möchte ich Ihnen vorhalten, daß die beiden Herren, die wir zuvor gehört haben, der Herr Thorer und der Herr Rieber, auch sagen: Das[uuuu] wissen wir nicht und wissen wir gar nichts von. Also wir haben es nicht geschrieben. Nun haben wir Herrn von Nagy noch nicht gehört. Vielleicht, ob er uns noch Auskunft geben könnte. Wissen Sie, ob Herr von Nagy da irgendwie beteiligt war, an diesem Artikel?

Zeuge Bo[yer]:

Darüber möchte ich nichts sagen.

RA Schi[ly]:

Darüber möchten Sie nichts sagen. Ja, dann möchte ich auch die Befragung von Herrn Boyer zunächst abbrechen. Ich würde aber vorschlagen, diese[vvvv] Befragung noch nicht abzuschließen, sondern daß Herr Boyer einen Moment sich noch geduldet, und dann zunächst mal Herrn von Nagy [wwww] befragt wird.

Vors.:

Ich möchte sowieso nachher alle drei Zeugen zusammen vereidigen. Wir dürfen Sie noch um solange Geduld bitten, bis auch Herr von Nagy gehört ist.

Der Zeuge Boyer bleibt bis zum Abschluß der Vernehmung des Zeugen von Nagy im Sitzungssaal.

Der Zeuge von Nagy erscheint um 12.01 Uhr im Sitzungssaal.

[11169] Der Zeuge von Nagy macht folgende Angaben zur Person:

Oswald von Nagy, 47 Jahre alt,

Journalist, München wohnh.,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert.

Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Herr von Nagy, die Verteidigung hat Ihre Anhörung beantragt. Sie sollen bekunden können, daß Sie eine Reihe von Gesprächen mit Ermittlungsbeamten geführt und dabei erfahren hätten, der Zeuge Gerhard Müller habe den Polizeibeamten Schmid erschossen. Er habe diese Tat zugegeben und sich für diese Tat damit gerechtfertigt, daß er habe schießen müssen, weil er von drei der Terroristen beobachtet worden sei. Können Sie zu diesen Beweisbehauptungen irgendetwas angeben?

Zeuge v[on ]Na[gy]:

Ja, ich möchte dazu sagen, daß ich mit diesem Fall, mit diesem Detail, mit diesem Fall nicht befaßt war, und würde gerne im übrigen auf § 53[ StPO] bitten, Aussageverweigerung[xxxx].

Vors.:

Das würde also bedeuten, daß, soweit es sich hier um die konkrete Frage handelt, ob Sie solche Gespräche geführt haben und dabei solche Kenntnisse erlangt haben, daß Sie die verneinen?

Zeuge v[on ]Na[gy]:

Jawohl.

Vors.:

Umfassend verneinen?

Zeuge v[on ]Na[gy]:

Jawohl.

Vors.:

Im übrigen aber erklären wollen, Sie wollen keine weiteren Fragen mehr beantworten im Hinblick auf Ihr Zeugnisverweigerungsrecht. Ich darf Sie bitten, wenn weitere Fragen an Sie gestellt werden, müssen Sie sich immer im Einzelfall dann wieder[yyyy] entscheiden, ob Sie die Frage beantworten wollen oder nicht. Es wäre immerhin denkbar, daß die eine oder die andere Frage nicht unter das Zeugnisverweigerungsrecht fiele. Ich habe keine Fragen mehr an Sie. Die Herren Kollegen? Auch nicht, wie ich sehe. Die Herren der Bundesanwaltschaft? Nein. Die Herren Verteidiger? Herr Rechtsanwalt Schily bitte.

[11170] RA Schi[ly]:

Herr von Nagy, kennen Sie einen Artikel in der Illustrierten „Quick“, in der Sie wohl mitarbeiten, in der mal über einen V-Mann berichtet worden ist, im Zusammenhang mit Baader-Meinhof-Gruppe?

Zeuge v[on ]Na[gy]:

Ja, ich weiß um welchen Artikel es geht.

RA Schi[ly]:

Wann haben Sie den kennengelernt?

Zeuge v[on ]Na[gy]:

Wen kennengelernt, bitte?

RA Schi[ly]:

Diesen Artikel.

Zeuge v[on ]Na[gy]:

Den Artikel habe ich jetzt gelesen. Diesen besagten „Quick“-Aufsatz[zzzz] habe ich jetzt nochmal genau gelesen.

RA Schi[ly]:

War das das erste Mal, daß Sie den gesehen haben oder haben Sie ihn früher schon mal gesehen?

Zeuge v[on ]Na[gy]:

Daß ich ihn genau gelesen habe, das war das erste Mal jetzt.

RA Schi[ly]:

Ist Ihnen da aufgefallen, daß da auch unter Dokumentation Ihr Name erscheint?

Zeuge v[on ]Na[gy]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Es sind ja wohl mehrere Artikel, die in einem Artikel zusammengefaßt sind, also mehrere solche Rubriken, wenn Sie sich das aus dem Archiv nochmal angesehen haben?

Zeuge v[on ]Na[gy]:

Ja, richtig.

RA Schi[ly]:

Trifft es zu, daß da auch über die Kronzeugenproblematik gesprochen worden ist, in diesem Artikel?

Zeuge v[on ]Na[gy]:

Ja, in dieser detaillierten Form könnte ich das jetzt nicht genau wiedergeben. Das weiß ich nicht.

RA Schi[ly]:

Der Diskussionsstand, ist der erörtert worden, über Kronzeugen, Gesetz und ähnlichem?

Zeuge v[on ]Na[gy]:

Nein, da ich also[aaaaa] kein juristischer Mitarbeiter der „Quick“ bin, bin ich da also in diese Details ...

RA Schi[ly]:

Sind Ihnen nicht so aufgefallen?

Zeuge v[on ]Na[gy]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Wer hat denn nun diese Sache da mit dem V-Mann, das ist Ihnen aufgefallen gestern, wie Sie sich das nochmal durchgelesen haben, daß da noch ein Artikel, also eine Rubrik der V-Mann, ja, haben Sie das gesehen?

Zeuge v[on ]Na[gy]:

Das habe ich gesehen, ja.

RA Schi[ly]:

Wer hat denn diese Rubrik verfaßt?

Zeuge v[on ]Na[gy]:

Ja, ich meine, das sind doch Dinge des Redaktions- [11171] geheimnisses, meines Wissens, die ich nicht beantworten brauche.

Vors.:

Sie haben das Recht zu sagen, darauf will ich keine Antwort geben.

RA Schi[ly]:

Herr von Nagy, nun haben wir ...[bbbbb] in dem Artikel sind also 4 Namen genannt: Der Herr Boyer, der hier noch hinter Ihnen sitzt, Herr Thorer, der schon wieder nach München geflogen ist oder jetzt gerade abfliegt, und der Herr Rieber, der noch da ist und Sie. Und alle Vier sagen, ja also, wissen wir gar nicht, kennen wir gar nicht, noch nie von gehört. Ist es so, daß in der „Quick“ die wahren Verfasser von Artikeln mitunter gar nicht genannt werden und [ccccc] da irgendwelche andere Namen vorgeschoben werden?

Zeuge v[on ]Na[gy]:

Das ist an sich nicht üblich. Es kommt zwar vor, gelegentlich, wenn man also irgendein Pseudonym verwendet. Aber wenn die richtigen Namen da sind, dann haben die Leute in irgendeiner Weise meistens mit diesem Artikel irgendwas zu tun.

RA Schi[ly]:

Ja, wie ist es denn nun konkret hier gewesen? Also ich halte Ihnen jetzt vor: Alle Vier sagen: Nein, wissen wir nichts drüber.

Zeuge v[on ]Na[gy]:

Ja ich denke, Herr Rechtsanwalt, meine entscheidende Aussage ist, daß ich mit diesem Fall nichts zu tun habe, und[ddddd] daß ich mit den Vernehmungsbeamten ...

RA Schi[ly]:

Ja, ich möchte Ihnen jetzt aber vorhalten, daß die gleichförmige, also in der Wortwahl ein bißchen anders, aber also alle vier journalistischen Kollegen, also der Herr Boyer, der Herr Thorer, Herr Rieber und Sie sagen alle: Nein, kennen wir gar nicht, und - ich meine - haben wir jetzt nochmal nachgelesen, aber wissen wir gar nicht, woher das kommt. Und da wundere ich mich ein bißchen, das muß ich Ihnen vorhalten, und frage ich dann auch, ob es bei der Illustrierten „Quick“ so ist, daß solche Dinge verfaßt werden und publiziert werden, ohne daß der wahre Verfasser genannt wird.

Zeuge v[on ]Na[gy]:

Wie ich es Ihnen sage; im allgemeinen ist das so, daß die Leute, die da drüber stehen, an dem Artikel mitge- [11172] arbeitet haben. Aber ich meine, ich denke die wesentliche Aussage hier, hier geht es ja um den Fall XY, der eben in der Ladung drinsteht, und ich meine dazu sage ich also gewissenhaft, daß ich das nicht gemacht habe. Und ich finde, alles andere hat doch mit diesem Objekt ... betrifft mich dann doch nicht oder, dazu kann ich doch dann persönlich nichts mehr sagen.

RA Schi[ly]:

Doch, doch, Ihr Wissen können Sie da vielleicht doch noch ... es sei denn, daß Sie immer den § 53[ StPO] ins Feld führen wollen, Herr von Nagy, das steht Ihnen ja frei, soweit der § 53[ StPO] eben reicht in seiner Geltung. Und ich möchte Ihnen eben nur vorhalten - und die Frage ist bisher noch nicht beantwortet: Ist es so, daß jetzt konkret bei diesem Artikel der wahre Verfasser nicht genannt worden ist?

Zeuge v[on ]Na[gy]:

Ja ich finde, das gehört auch zu § 53[ StPO].

Vors.:

Ja, das fällt auch in diesen Kreis. Wenn Sie sagen, ich gebe darauf keine Auskunft, im Hinblick auf das Zeugnisverweigerungsrecht, dann ist das zu akzeptieren.

RA Schi[ly]:

Kennen Sie den Satz, der in diesem Artikel vorkommt: „Dabei unterlief ihm“ - also diesem V-Mann, der da beschrieben wird - „ein bedauerlicher Fehler. Er mußte, da er von drei der Terroristen beobachtet wurde, auf einen Menschen schießen und tötete ihn.“ Ist Ihnen der Satz geläufig?

Zeuge v[on ]Na[gy]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Dann steht da weiter[eeeee] unten, ganz unten: „Sein wahrer Name ist „Quick“ bekannt.“ Da könnte man eigentlich, wenn man das so liest, daß es der „Quick“-Redaktion bekannt war, der Name.

Zeuge v[on ]Na[gy]:

Das weiß ich nicht.

RA Schi[ly]:

Wissen Sie etwas darüber, daß dieser Artikel mit einem Foto versehen ist?

Zeuge v[on ]Na[gy]:

Habe ich gesehen, ja.

RA Schi[ly]:

Wissen Sie, von wem das Foto ist?

Zeuge v[on ]Na[gy]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Haben Sie es später mal erfahren?

Zeuge v[on ]Na[gy]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Haben Sie es heute erfahren?

Zeuge v[on ]Na[gy]:

Nein.

[11173] RA Schi[ly]:

Sagt Ihnen der Name „Gerhard Müller“ eigentlich was?

Zeuge v[on ]Na[gy]:

Relativ wenig. Ich habe erst heute davon also detailliert erfahren, weil ich also, wiegesagt, kein Spezialist für diese, überhaupt diese Prozeßberichterstattung bin.

RA Schi[ly]:

Sagen Sie, Herr von Nagy, bestehen eigentlich zwischen Ihrer Redaktion, vielleicht nicht zu Ermittlungsbeamten, aber zu Geheimdienstbeamten gute Kontakte?

Zeuge v[on ]Na[gy]:

Das entzieht sich also 1. meiner Kenntnis und 2. würde das ja wieder redaktionsinterne Dinge betreffen.

RA Schi[ly]:

Da wollen Sie sich auf den § 53[ StPO] berufen?

Zeuge v[on ]Na[gy]:

Ja.

Vors.:

Sie sagten allerdings, es entziehe sich Ihrer Kenntnis. Insofern haben Sie schon eine Antwort gegeben, daß Sie davon nichts wüßten. Ist das richtig so zu verstehen?

Zeuge v[on ]Na[gy]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Ist Ihnen bekannt, daß in diesem Artikel über den V-Mann auch ein amerikanischer Geheimdienst erwähnt wird?

Zeuge v[on ]Na[gy]:

Nein, ist mir nicht bekannt.

RA Schi[ly]:

Ist Ihnen nicht bekannt.

Zeuge v[on ]Na[gy]:

Also ist mir nicht aufgefallen, sagen wir mal so.

RA Schi[ly]:

Hier steht das nämlich, daß die Ermittlungen unter anderem auch von CIA geführt worden seien.

Zeuge v[on ]Na[gy]:

Ja, wiegesagt, wenn das drinsteht, dann ist das sicher richtig; nur, es war mir im Moment also jetzt entfallen.

RA Schi[ly]:

Ah ja, und dann wiederhole ich die Frage etwas konkreter, ob die „Quick“-Redaktion gute Beziehungen zum CIA [fffff] hat?

Zeuge v[on ]Na[gy]:

Das müssten[ggggg] Sie unseren Chef-Redakteur fragen. Vielleicht wüßte der das, aber ...

RA Schi[ly]:

Wer ist das?[hhhhh]

Zeuge v[on ]Na[gy]:

Im Moment ist gerade ein Wechsel in der Chefredaktion.

RA Schi[ly]:

Wer war es denn im Mai 75?

Zeuge v[on ]Na[gy]:

Das war, Herr von Nauheus.

RA Schi[ly]:

Herr von Nauheus?

[11174] Zeuge v[on ]Na[gy]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Ist das derselbe Herr Nauheus, von[iiiii] dem man in den Zeitungen häufiger schonmal gelesen hat im Zusammenhang mit Geheimdiensten?

Zeuge v[on ]Na[gy]:

Meines Wissens, ja.

RA Schi[ly]:

Ich habe keine Fragen mehr an Herrn von Nagy.

Vors.:

Sind noch irgendwelche Fragen? Ich sehe nicht. Wir wollen die Herren dann vereidigen. Wegen der Fortsetzung der Sitzung: Ich würde vorschlagen und [jjjjj] hoffe, daß ich das Einverständnis finde, es ist heute nicht auf dem Terminsplan, aber es ist eine verschobene Vernehmung, daß wir heute Nachmittag die Zeugin Schubert vernehmen können, 14.15 Uhr dann Fortsetzung. Einverstanden? Gut.

- Der Zeuge Rieber erscheint um 12.12 Uhr wieder im Sitzungssaal -[kkkkk]

Die Zeugen Rieber, Boyer und von Nagy werden einzeln vorschriftsmäßig vereidigt und im allseitigen Einvernehmen um 12.12 Uhr entlassen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, Sie wollten wegen der Zeugin Schubert noch etwas ausführen.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich bitte, die Zeugin Schubert, so wie im Terminplan vorgesehen, zu vernehmen. Sie erinnern sich, daß die Vernehmung der Zeugin Schubert, bisher wiederholte Male verschoben, geändert worden ist. Ich meine nicht, daß es der Zeugenaussage dienen kann, wenn die Zeugin ständig in einer Terminsunsicherheit gehalten wird, und nun heute, nachdem für morgen ihre Vernehmung angesetzt war, heute, mit der Ladung überrascht.

Vors.:

Sie ist nicht vorgesehen für morgen. Sie ist im Terminsplan im Augenblick gar nicht ausgewiesen, weil ich nicht wußte, wann eine Lücke entstehen würde. Sie war zweimal für einen bestimmten Zeitpunkt vorgesehen. Es hat sich dann dieser Zeitpunkt nicht einhalten lassen - das ist ja nichts ganz seltenes - und daraufhin wurde abgesetzt. Und ich habe heute früh mitteilen lassen, auch der Zeugin, daß sie damit zu rechnen habe, daß sie möglicherweise heute Mittag als Zeugin gehört werden würde. Sie ist also vorverständigt für den Fall, daß das zeitlich sich machen läßt; und nun bietet sich es zeitlich an. Ich sehe eigentlich keinen Grund, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, warum [11175] die Zeugin nicht gehört werden sollte. Sie weiß seit zwei Wochen jetzt nun, daß Sie zu diesem Thema Aussagen machen solle. Es handelt sich um ihr Wissen; und sie wird doch das Wissen uns hier bringen können oder gibt es da Hindernisgründe.

RA Dr. He[ldmann]:

Sicher, Mir geht es nur, um die Wiederholung ... um weitere Wiederholungen von Terminsverschiebungen ...

Vors.:

Die wollen wir ja gerade vermeiden.

RA Dr. He[ldmann]:

Für Zeugen[lllll] hier in diesem Gerichtsgebäude aufzutreten, ist ja nun sicher kein Zuckerschlecken; da sollte man auf die Konzentration[mmmmm] der Zeugin ja wohl etwas Rücksicht nehmen, und sie nicht ständig mit neuen Terminierungen überraschen. Das meine ich.

Vors.:

Ich kann nichts machen; ein Zeuge, der hier für das Gericht jederzeit erreichbar ist, muß natürlich zwangsläufig bei anderen Zeugen zurücktreten. Das ist klar. Und wiegesagt, die Zeugin ist vorverständigt worden. Ob nun das heute stattfindet oder morgen oder sonst, wenn sich irgendwelche Zeit bietet, kann ja wohl keine entscheidende Rolle spielen.

Bitte Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Schi[ly]:

Darf ich davon ausgehen, daß die Mitteilung jetzt verbindlich ist, daß die nächste Woche dann[nnnnn] zunächst mal entfällt.

Vors.:

Das hängt ein bißchen damit zusammen, Herr Rechtsanwalt Schily, wie sich es jetzt abklären wird mit Ihrer Mandantin. Ich möchte versuchen, das noch zu klären.

RA Schi[ly]:

Achso, die Zahnbehandlung?

Vors.:

Ja, damit hängt es zusammen. Also ich kann es jetzt noch nicht verbindlich erklären, aber heute nachmittag.

RA Schi[ly]:

Soweit ich weiß, soll da heute sich der Dentist da wohl einfinden. Ich nehme an, daß man dann Bescheid weiß, wie das dann weitergehen soll[ooooo].

Vors.:

Also das ist selbstverständlich, daß ich bemüht bin, heute nachmittag möglichst zeitig das bekanntzugeben.

RA Schi[ly]:

Im übrigen darf ich ankündigen, daß ich im Zusammenhang mit den heute ... den Beweisthemen, die heute zu diesen Journalisten, daß[ppppp] ich möglicherweise[qqqqq] da noch [11176] einen ergänzenden Beweisantrag stellen werde, nachdem die Befragung ja heute nicht zu einer Klärung geführt hat. Das werde ich aber dann vorweg schriftlich Ihnen mitteilen.

Vors.:

Das wäre angenehm, möglichst zeitig.

RA Schi[ly]:

Und im übrigen würde ich den Senat meine Bitte nochmal erneuern ... dem Senat gegenüber meine Bitte nochmal erneuern, daß Sie uns doch auch zum frühestmöglichen Zeitpunkt darüber orientieren, wie Sie hinsichtlich der weiteren Beweisanträge zu befinden gedenken, weil natürlich für[rrrrr] die Verteidigung je nach dem Ergebnis sich auch dann die Verteidigung entschließen muß, wie sie darauf reagiert. Und möglicherweise auch andere Anträge noch stellt oder andere prozessuale Maßnahmen, die in Betracht kommen. Insofern, glaube ich, haben wir auch ein Anrecht darauf, also den möglichst frühesten Zeitpunkt dafür in Anspruch zu nehmen.

Vors.:

Beweisanträge sind vor Schluß der Beweisaufnahme zu bescheiden.[44] Das geschieht auf jeden Fall. Aber Sie dürfen versichert sein, das Gericht hat keinen Grund, wenn klare Möglichkeiten voraussehbar sind, wie Beweisanträge behandelt werden, die etwa nicht sofort bekanntzugeben. Das Gericht ist selbst bemüht.[sssss]

14.15 Uhr Fortsetzung.

Pause von 12.17 Uhr bis 14.18 Uhr

Ende des Bandes 648.

[11177] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 14.18 Uhr

Rechtsanwalt Geulen ist für Rechtsanwalt Schily anwesend.

Rechtsanwalt Künzel ist wieder anwesend.

Als Zeugin ist Ingrid Schubert

- vorgeführt aus der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim -

anwesend.

Vors.:

Wir können die Sitzung fortsetzen.

Herr Rechtsanwalt Geulen in Vertretung von Herrn Rechtsanwalt Schily. Wir haben jetzt für heute Nachmittag die Zeugin Schubert vorgeladen.

Die Zeugin Schubert wird gemäß §§ 57 und 55 StPO belehrt.

Ein Tonbandgerät ist hier für spätere Protokollerstellung in Benutzung. Sind. Sie damit einverstanden, daß ...

Zeugin Schu[bert]:

Nein.

In der Folge wird das Tonbandgerät ausgeschaltet, solange sich die Zeugin äußert.

Die Zeugin Schubert macht folgende Angaben zur Person:

Ingrid Schubert, geb. am 7.11.1944,

kein Beruf, Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert, wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Frau Schubert, die Verteidigung hat Ihre Anhörung beantragt zu 2 Themen,

1. daß es in der Roten Armee Fraktion keine hierarchische Struktur oder ein sonstiges Verhältnis der Über- und Unterordnung gegeben habe, auch nicht rein tatsächlich;

2. daß die Rote Armee Fraktion nicht als „offene Gruppe“, sondern in kleinen zahlenmäßig eng begrenzten Gruppen organisiert gewesen sei, [11178] wobei sich der Informationsaustausch auf die jeweilige Gruppe und deren Mitglieder beschränkt habe.

Also - kurz zusammengefasst - Frage nach der Struktur, Frage nach dem Informationsaustausch.

Wenn Sie zu diesen Punkten etwas sagen können, bitte.

Zeugin Schu[bert]:

Ich möchte zuerst berichten, was hier gelaufen ist. Prinzing hat gestern Isolation angeordnet, im Trakt. Und der Ablauf war ...

Vors.:

Frau Schubert ... Frau Schubert, nun bitte.

Zeugin Schu[bert]:

Ich rede hier dazu, das ist der Zusammenhang.

Vors.:

Frau Schubert, es ist heute früh Gegenstand eines Ablehnungsgesuches gewesen. Es ist hier bereits vorgetragen ...

Zeugin Schu[bert]:

...

Vors.:

Nein, nein das tue ich nicht, sondern Sie haben jetzt die Gelegenheit, zu den von der Verteidigung an Sie über den Antrag gerichteten Fragen Stellung nehmen. Ihre Erklärungen sind im Augenblick nicht erfragt worden.

Zeugin Schu[bert]:

Das ist keine Erklärung, das hängt direkt zusammen mit der Aussage, wie Sie versuchen, die Aussage zu verhindern.

Vors.:

... und Ihre Aussage verhindern. Wir wissen ja nicht, was Sie sagen wollen, was Sie für ein Wissen haben. Jetzt bitte beginnen Sie mit der Beantwortung der an Sie gerichteten Fragen.

Zeugin Schu[bert]:

Ich werde erstmal die Sache hier klären, weil sie für uns wichtig ist.

Vors.:

Nein, das werden Sie nicht, sondern Sie werden die Fragen, wie sie an Sie gestellt sind, beantworten müssen. Das ist die Aufgabe des Zeugen.

Bitte, Sie können nicht den Gang des Prozesses, der durch Gesetze festgelegt ist, ändern.

Zeugin Schu[bert]:

Das wird nicht geändert dadurch; aber das steht im Zusammenhang mit der Aussage.

Vors.:

Frau Schubert, wenn ...

Zeugin Schu[bert]:

Das hat Zusammenhang mit allen Aussagen, die die Gefangenen hier gemacht haben.

Vors.:

Hat das mit der Struktur der RAF zu tun, was Sie erklären wollen?

Zeugin Schu[bert]:

Ja, allerdings.

Vors.:

Mal sehen.

Zeugin Schu[bert]:

Sie versuchen hier, die Struktur zu zerstören.

Vors.:

Sie sollen ja wissen, wie die Struktur früher ausgesehen hat.

[11179] Zeugin Schu[bert]:

Ja, genau. Also es war gestern so, daß Jan herausgezerrt wurde, nach 1 Minute. Die Folge war, daß nicht nur die Maßnahmen im Prozeß ...

Vors.:

Ich kann Ihnen dazu das Wort nicht weiter erteilen.

Sie haben jetzt als Zeugin eine völlig andere Funktion. Sie verkennen das.

Zeugin Schu[bert]:

Das ist genau meine Funktion hier.

Vors.:

Bitte, wenn Sie die Antworten geben wollen, auf den jetzt gestellten Themenkreis bezogen, dann können Sie das tun. Zu dieser Erklärung können Sie jetzt nicht kommen.

Zeugin Schu[bert]:

Das ist aber der Zusammenhang, weil versucht ...

Vors.:

Das ist nicht der Zusammenhang. Sie sollen ja reden. Kein Mensch ...

Zeugin Schu[bert]:

Z. B. wird’s dadurch verhindert, daß bei uns die Anwälte nicht hereingelassen werden unter Hinweis darauf, daß sie ...

Vors.:

Frau Schubert, Ihre Aussage will niemand verhindern. Im Gegenteil, wir wollen ja, daß Sie hier reden. Aber Sie setzen sich von vornherein dem Verdacht aus, daß Sie hier kein eigenes Wissen kundtun könnten, sondern Dinge, die irgendwie zuerst in Gemeinschaftsarbeit erstellt werden müssen. Das ist nicht Inhalt eines Zeugenwissens. Sie sollen ja nur nach Ihrem Wissen gefragt werden.

Zeugin Schu[bert]:

Das ist aber Inhalt, wenn hier Druck ausgeübt wird auf die Gefangenen, die hier aussagen.

Vors.:

Druck ausgeübt wird überhaupt nicht. Es ist reagiert darauf, daß 2 ...

Die Zeugin lacht und erklärt:

„Na und“.

Vors.:

... Häftlinge gestern Vollzugsbedienstete angefallen haben. Auch Vollzugsbedienstete sind Menschen, nicht nur Häftlinge, für deren Sicherheit und ...

Zeugin Schu[bert]:

Es ist einfach so, daß Sie Rache üben wollen ...

Vors.:

Aber jetzt bitte, kommen Sie jetzt zur Beantwortung der Frage.

Die Zeugin macht nunmehr Angaben zur Sache.

Als die Zeugin nach langen Ausführungen beginnt, einen Brief von Ulrike Meinhof zu zitieren, wird sie von OStA Zeis wie folgt unterbrochen:

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender ...

[11180] Vors.:

Augenblick, Frau Schubert; wollen Sie das beanstanden?

OStA Z[eis]:

Ich will es beanstanden. Das haben wir schon einmal gehört und zwar hat’s - ich glaub sogar schon zweimal - einmal mit Sicherheit, Herr Beisitzender Richter Dr. Breucker verlesen. Ich glaube, wir können uns das ersparen. Es mag zwar für die ...

Zeugin Schu[bert]:

Es ist mir völlig Schnuppe, was der Richter vorgelesen hat.

OStA Z[eis]:

Es mag zwar für die Zeugin interessant sein, hier ihre „revolutionäre Liebeserklärung“ für Herrn Baader abzugeben, aber ich glaub ...

Die Zeugin spricht unverständlich dazwischen.

Vors.:

Jetzt, Frau Schubert, sind Sie im Augenblick still. Jetzt hat anderer Prozeßbeteiligter das Wort; nicht die Zeugin.

OStA Z[eis]:

Ich glaub, mit dem Sachzusammenhang ist es wirklich jetzt am Ende. Wir bitten der Zeugin zu sagen, sie soll entweder zurückkehren zum Sachzusammenhang oder aber sie soll jetzt ihre Aussage zu diesem Punkt beenden.

Zeugin Schu[bert]:

Wenn Sie zu dumm sind, den Sachzusammenhang zu begreifen, dann ist das wirklich ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich trete der Beanstandung entgegen.

Es geht hier um die Beziehungen, um das Verhältnis innerhalb der Gruppe. Das gehört mit bereits zu dem angegebenen Beweisthema. Nicht ersichtlich, wieso die Verlesung eines Textes eines Gruppenmitgliedes, wenn er für diese Frage etwas Besonderes hergibt, unzulässig sein sollte.

Im übrigen steht es der Bundesanwaltschaft mit Sicherheit nicht zu - und damit meine ich Herrn Oberstaatsanwalt Zeis -, mitten in der Zeugenaussage, die bereits in der von ihm gewöhnten Art zu qualifizieren, nämlich etwa die „revolutionäre Liebeserklärung“ an Herrn Baader. Das sind nicht nur Überflüssigkeiten, das sind Torheiten, die nicht hier her gehören.

Die Verlesung ist nicht zulässig,

und zwar einfach deshalb, weil das Gericht diese Passagen bereits durch Verlesung dieses sogenannten „Fragmentes über die Struktur“ eingeführt hat. Es gehört bereits zum Wissen des Gerichts durch die Verlesung, daß es diesen Text gibt. Es ist kein Grund ersichtlich, warum die Zeugin bereits eingeführte Texte hier durch Verlesen an- [11181] führen soll, zumal sich’s hier nicht um eigenes Wissen handelt, sondern, wie gesagt, um etwas, was dem Gericht bereits durch eine andere Art der Beweisaufnahme bekannt ist.

Vors.:

Zeugin Schu[bert]:

Es gehört ganz konkret in den Zusammenhang, daß hier ...

Vors.:

Ja, ja, es gehört nicht in den Zusammenhang.

Die Zeugin spricht unverständlich dazwischen.

Vors.:

Frau ... Frau Schubert, Sie können uns jederzeit sagen, daß in Ihrem Text, der offenbar vorbereitet ist ...

Zeugin Schu[bert]:

Ja sicher bereite ich den vor.

Vors.:

Ja gut ... - daß der Text nun hier dieses Fragment über die Struktur wiedergeben sollte; das ist dem Gericht bekannt. Es bedarf keiner Wiederholung mehr durch Sie. Es ist kein Grund ersichtlich, daß Sie das hier verlesen würden. Sie sind hier nicht dazu da, Verlesungen vorzunehmen, sondern Ihr Wissen bekanntzugeben. Das Gericht kennt - wie gesagt - das Verlesene bereits.

Jetzt fahren Sie bitte fort mit Ihrem Wissen.

Zeugin Schu[bert]:

Ich bestehe darauf, diesen Text zu verlesen.

Vors.:

Sie können ihn nicht verlesen.

Zeugin Schu[bert]:

Es hat einen direkten Zusammenhang zu dem, was ich sage, wie ich Ulrike begriffen habe, und um das Verhältnis, von Andreas und Ulrike zu erklären.

Vors.:

Sie können ...

Zeugin Schu[bert]:

Es ist mir gleichgültig, ob ihn hier irgend ein Richter den schon gelesen hat.

Vors.:

Ja, Sie können von der Kenntnis des Gerichts, von diesem Zusammenhang ausgehen und jetzt weiter schildern.

Sie können ja darauf Bezug nehmen, aber nicht verlesen. Wir haben’s selbst schon getan.

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

... die Frau Zeugin den Text vielleicht interpretieren.

Vors.:

Ich sage ja, wenn die Frau Zeugin in ihren weiteren Ausführungen darauf Bezug nimmt und sagt, die oder jene Passage hat die und jene Bedeutung; das ist zulässig. Aber keine Verlesung. Nur um das geht’s. Jetzt fahren Sie bitte fort.

Vors.:

(nach einer Pause) Ich würde Ihnen vorschlagen, da die Verlesung nicht in Betracht kommt, Frau Schubert, daß Sie jetzt diesen Text mal vielleicht wegnehmen ...

[11182] Zeugin Schu[bert]:

Also, ich glaub, das können Sie vielleicht mir überlassen, was ich damit mache.

Vors.:

... und in Ihrem Text fortfahren.

Im übrigen würde ich Sie bitten, daß Sie nicht Vorbereitetes hier verlesen. Wir haben bis jetzt den Eindruck nicht, sondern daß Sie aus dem Wissen schöpfen. Dazu gehört es nicht, daß man bloß verliest.

Die Zeugin macht weitere Angaben zur Sache.

Nach längeren Ausführungen unterbricht der Vorsitzende.

Vors.:

So, jetzt wäre es aber Zeit, daß Sie mal zurückfinden zu dem ...

Zeugin Schu[bert]:

Das gehört alles dazu. Wenn Sie es nicht begreifen, das ist wirklich nicht mein Bier.

Vors.:

Was Sie dazu für wichtig halten, Frau Schubert, ist nicht unbedingt das, was gefragt ist. Ein Zeuge hat Fragen ...

Zeugin Schu[bert]:

Ich will das hier entwickeln, wie ...

Vors.:

... hat Fragen zu beantworten und hat nicht einen Vortrag zu halten; einen vorbereiteten Vortrag. Jetzt würd’ ich ...

Zeugin Schu[bert]:

Was heißt hier vorbereiteter Vortrag.

Vors.:

Das was Sie im Augenblick machen.

Ich würde Sie jetzt bitten, wieder zum Sachzusammenhang, zur Struktur und zum Informationsaustausch zurückzukommen.

Zeugin Schu[bert]:

Ja genau. Das gehört alles zur Struktur, falls Sie das nicht begreifen.

Vors.:

Ich hab bis jetzt wenig Zusammenhänge gesehen.

Zeugin Schu[bert]:

Ja (lachend).

Jetzt weiter noch zu Gudrun.

Vors.:

Das ist ein Thema, das uns jedenfalls im Augenblick im Zusammenhang der an Sie gerichteten Fragen nicht weiter interessiert.

Zeugin Schu[bert]:

Ich red’ ja auch nicht zu Ihnen.

Vors.:

Doch! Sie müssen Fragen als Zeugin beantworten.

Zeugin Schu[bert]:

Nein, ich rede nicht zu Ihnen, sondern ich rede zu denen, die vielleicht irgendeinmal kämpfen wollen.

Vors.:

Das ist genau, genau das, was Sie jetzt bekanntgegeben haben, was man als Mißbrauch der Verwendung eines Zeugen bezeichnen muß, daß nämlich unter dem Gewande einer sogenannten Zeugenbefragung hier Vorträge und programmatische Erklärungen abgegeben werden. Das ist sehr interessant, was Sie mitgeteilt haben.

[11183] Zeugin Schu[bert]:

Ja (lachend).

Vors.:

Ich bitte Sie jetzt, kehren Sie zum Sachzusammenhang zurück.

Zeugin Schu[bert]:

Ja, das ist der Sachzusammenhang.

Der Vorsitzende stellt ausdrücklich zu Protokoll fest, daß die Zeugin erklärt hat, sie rede nicht zu dem Gericht, sondern sie rede zu denen, die vielleicht einmal kämpfen werden.

Vors.:

Jetzt können Sie fortfahren.

Die Zeugin macht weitere Ausführungen zur Sache.

Nach langen Ausführungen der Zeugin erklärt der Vorsitzende:

Vors.:

Mit scheint das Thema genügend beantwortet zu sein. Sind seitens der Herren Richter noch irgendwelche Fragen? Keine Fragen mehr. Die Herren der Bundesanwaltschaft?

BA Dr. Wu[nder]:

Danke.

Vors.:

Keine Fragen.

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, ...

Zeugin Schu[bert]:

Ja, ich bin aber noch nicht fertig.

Vors.:

... die Zeugin ist auf Ihren Antrag hin benannt. Haben Sie weitere Fragen an die Frau Zeugin, bitte.

Zeugin Schu[bert]:

Ich bin noch nicht fertig damit. Ich kann ja vielleicht mal überlegen, hier.

Vors.:

Ja, die Antwort, die Sie gegeben haben, hat jetzt für das Gericht das erschöpft, was gefragt worden ist.

Jetzt ist Gelegenheit gegeben, an Sie weitere Fragen zu richten. Bitte, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

Zeugin Schu[bert]:

Also ich will noch sagen, daß sich diese Politik, dieser Begriff der Politik als kollektiver Lernprozeß im Knast, im Info[45] weiterentwickelt hat ...

Vors.:

Ich laß’ der Zeugin die Gelegenheit, sich dazu ...

Zeugin Schu[bert]:

... daß ich das da wiedergefunden habe, nachdem die Absicht der Isolation, das Ziel und der Zweck der Isolation es ist, den Willen zu zerstören, und den Willen zum Überleben und zum Kämpfen zu vernichten. Diese Kontinuität wurde durch das Info wieder hergestellt. Wir haben das Info als Mittel zum Überleben, als Waffe zum [11184] Überleben, als Ersatz von Kommunikation begriffen.

Der Kampf um’s Überleben ist durch diesen Beschluß „Der Gefangene ist selbst Schuld“[46] bereits realisiert.

Wir sind selbst auf dem Terrain Knast, auf dem Terrain, wo wir kämpfen.

Vors.:

Jetzt bitte ich Fragen zu stellen. Die Frau Zeugin hat nun Gelegenheit gehabt, auch dieses Stichwort noch etwas zu beleuchten.

Bitte, Herr Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Müller hat als Zeuge hier gesagt, die Rote Armee Fraktion sei als „offene Gruppe“ organisiert gewesen. Was wissen Sie dazu, bitte?

Zeugin Schu[bert]:

Das ist klar, daß er diese Scheiße hier natürlich behaupten muß.

Ich sagte ja vorhin schon, daß diese faschistische Struktur, die Müller hier mit Prinzings Hilfe durchgezogen hat, um behaupten zu können

1. daß alle Kernmitglieder alles wußten und

2. daß Müller alles wußte

nicht stimmt.

Die militärische Organisation kann nicht offen sein. Ich bin ja im Jahre 1970 bereits verhaftet worden[47] und habe nur noch die Anfangsphase erlebt. Diese Aufbauphase war bereits so angelegt, daß die einzelnen Gruppen die Strategie als kollektiven Diskussionsprozeß begriffen haben. Die Ausführung, die taktischen Schritte, wurden den einzelnen Gruppen überlassen. Die „offene Gruppe“ ist ein Widerspruch zur militärischen Organisation.

Vors.:

Bitte weitere Fragen.

RA Dr. He[ldmann]:

Gab es zu jener Zeit eine spezielle Vietnamdiskussion?

Vors.:

Kann das näher beschrieben werden, was gemeint ist mit „jener Zeit“?

RA Dr. He[ldmann]:

Von der die Frau Zeugin soeben berichtet hat, also bis zu ihrer Festnahme, zur Zeit ihrer Gruppenzugehörigkeit bis zu ihrer Festnahme.

Zeugin Schu[bert]:

Ja, wir kamen ja alle aus der Studentenbewegung.[48] Den Krieg in Vietnam haben wir als politischen Prozeß begriffen. Wir haben begriffen, daß die Politik ihre Grenzen hatte, daß sie sich nicht entwickeln, als revolutionäre Intervention entwickeln konnte, unbewaffnet; in dieser Situation der BRD als strategisches Subzentrum mit der Schlüsselfunktion für die USA als Ausgangsbasis für das US-Militär.

[11185] Am Anfang gab es diesen Prozeß der Diskussion. In diesem Diskussionsprozeß wurde auch klar, daß es eine ungeheuer schwierige Aufgabe ist und lange Zeit benötigt, weil wir keine Waffen hatten. Alle Waffen hatte der Imperialismus. Wir mußten uns alle Waffen besorgen; wir waren völlig besitzlos.

RA Dr. He[ldmann]:

Hat die Vietnamdiskussion in der Gruppe die Linien der Politik für die Gruppe bestimmt?

Zeugin Schu[bert]:

Ja natürlich; aber, wie gesagt, zu der Zeit, als ich noch mitgearbeitet habe[ttttt], war es noch nicht die bestimmende Diskussion. Die bestimmende Diskussion war die taktische Diskussion aus der Situation heraus. Unser Ziel waren Angriffe auf den US-Imperialismus in der BRD. Wir haben diese Diskussionen geführt, natürlich, als direkte Auseinandersetzung mit jedem Einzelnen. Es gab diese Diskussionen, die Müller offensichtlich nicht mitbekommen hat.

RA Dr. He[ldmann]:

Was waren denn die Ansätze für diese Strategiediskussion, theoretische oder empirische Ansätze?

Zeugin Schu[bert]:

Das waren die Erfahrungen aus der Studentenbewegung, die jeder Einzelne hatte. In einem Begriff der Situation, daß Vietnam ein subjektives Moment war, an dem sich das Bewußtsein entwickelt ... Strategie des US-Imperialismus wird und wurde. Und wir hier in der BRD haben genau an diesem Punkt angreifen können und wollen.

RA Dr. He[ldmann]:

Frau Zeugin, wenn Sie diese Frage jetzt nicht von sich aus weiter vertiefen oder Ihre Antwort verbreitern wollen, hätte ich dann keine Fragen mehr.

Zeugin Schu[bert]:

Ich wollte noch was sagen zum Info.

Da gibt es ja immer Probleme bei den Anwälten, weil sie natürlich nicht den Begriff vom Info haben, wie wir ihn haben, weil sie dem Terror der Bundesanwaltschaft ausgesetzt sind. Den Anwälten wird mit Berufsverbot gedroht, wenn sie das Wort „Isolation“ nur in den Mund nehmen.[49]

Das Info war und ist entstanden aus unserer Bestimmung, ein Überlebensprogramm der Gefangenen zu schaffen. Es lag bei jedem Einzelnen die Entscheidung:

Entweder ist er Gefangener in der Isolation und gibt seine Identität auf oder er fängt an zu kämpfen mit anderen Waffen, dem Schreiben, was natürlich ein Ersatz ist. In dieser Entscheidung, die jeder Einzelne getroffen hat, ist die Freiwilligkeit und der Wille zur Kollektivität enthalten. Die Behauptung, daß Andreas das Info aufgebaut hat, um die Gruppe zusammenzuhalten, ist völlig absurd, weil dieser Entschluß, [11186] dieses Info aufzubauen, genau der gleiche Entschluß war, wie er erteilt ist, bewaffnet zu kämpfen.

Es ist genauso dreckig und absurd zu behaupten, daß der Hungerstreik ein Mittel von Andreas war, die Gruppe zusammenzuhalten, weil ich die Erfahrung hatte, daß es das Ziel der Strategie der Staatschutzbehörden ist, die Gefangenen zu vernichten. Die Hauptangriffspunkte sind Andreas, Gudrun, Ulrike, Jan und Holger - Holger und Ulrike sind inzwischen ermordet[50] worden - was eben heißt, der Versuch, die Köpfe abzuschlagen, ist ...

Vors.:

So, jetzt sollen Sie weniger erläutern, was Sie für Ansichten über die Absichten der Staatschutzbehörden, wie Sie sagen, haben, sondern was Sie für ein Wissen haben.

Sie haben jetzt nochmals Gelegenheit gehabt, sich zum Info und zum Hungerstreik zu äußern. Aber, wie gesagt, Frau Schubert, Ihr Wissen interessiert. Ihre Meinungen sind hier allenfalls dann hinnehmbar, wenn diese Meinungen irgendwelche ...

Zeugin Schu[bert]:

Das ist ein Wissen aus meiner Erfahrung ...

Vors.:

Augenblick ... - wenn diese Meinungen irgendwelche tatsächlichen Handlungen, die Sie hier angeben können; wenn Sie die darstellen sollten.

Zeugin Schu[bert]:

Das ist ein Wissen aus meiner Erfahrung, und ein Mord ... der direkt ist.

Vors.:

Jetzt mit diesen Ausführungen, wie Sie sie gemacht haben, ist wohl alles, was Sie zu sagen haben, ausreichend beleuchtet. Sind weitere Fragen an die Frau Zeugin?

Zeugin Schu[bert]:

Ich will noch was sagen.

Vors.:

Nein, es ist keine Frage im Augenblick mehr an Sie.

Wenn Sie etwas sagen wollen, was zur Sache gehört, können Sie andeuten, um was es geht. Dann wollen wir entscheiden, ob Sie das sagen können oder nicht. Diese endlosen Vorträge wollen wir[uuuuu] nicht anhören.

Zeugin Schu[bert]:

Ja, ich will noch was sagen[vvvvv] zum Info, und zwar ...

Vors.:

Zum Info; was haben Sie da noch zu sagen? Können Sie uns das andeuten; Sie haben ja jetzt ... zum dritten Mal setzen Sie jetzt zum Info an. Was kommt jetzt noch dazu? Bitte sagen Sie, um welchen Gegenstand es sich handelt; und verlesen Sie’s möglichst nicht, es soll sich ja um Ihr Wissen handeln. Wir wollen nicht vorbereitete Erklärungen hier hören, von denen wir nicht wissen, von wem sie stammen.

Zeugin Schu[bert]:

Was soll das heißen. Ich hab mir Notizen gemacht, weil ich mich natürlich vorbereite und das heißt, wenn ich mich vorbereite, dann ist das eine Vorbereitung. Selbstverständlich lese ich dann ab.

[11187] Vors.:

Das hat Ihnen bis jetzt noch niemand verwehrt.

Zeugin Schu[bert]:

Na also.

Vors.:

Bloß möchte ich, daß Sie jetzt mitteilen aus Ihrem Wissen, was Sie zum Info noch sagen wollen; und zwar ohne es vorher zu studieren. Dann können Sie Ihre Unterlagen möglicherweise benutzen.

Zeugin Schu[bert]:

Verdammt nochmal, Sie sollen endlich aufhören, hier mir vorschreiben zu wollen, sie lange ich brauche, was ich mache.

Vors.:

Wollen Sie jetzt angeben, zu was Sie noch irgend etwas beitragen können, als Zeugin?

Zeugin Schu[bert]:

Ja, ich hatte gesagt, daß das Info aufgebaut wurde, aus der Geschichte der Gefangenen heraus ...

Vors.:

Richtig, das haben Sie gesagt. Was wollen Sie jetzt noch dazu sagen? Das haben wir ja gehört, übrigens nicht nur von Ihnen; das haben wir jetzt schon 6mal gehört.

Zeugin Schu[bert]:

Ja sicher, das werden Sie auch noch öfters hören, weil die Gefangenen, also der Knast ...

Vors.:

Wiederholungen laß ich jetzt nicht zu, von Ihnen. Sie sagen ja selbst - und das ist auch richtig -, Sie haben das schon gesagt. Was wollen Sie zum Info noch an neuen Tatsachen beitragen? Die müssen Sie uns zunächst benennen. Dann wollen wir sehen, ob wir Ihnen Ausführungen gestatten können.

RA Dr. He[ldmann]:

Zum Info habe ich noch 2 Fragen.

Vors.:

Das wird gerne gestattet. Ich möchte bloß sehen, ob die Frau Zeugin imstande ist, die neuen Tatsachen zu benennen, die sie noch von sich aus anfügen will.

Zeugin Schu[bert]:

Was soll denn das heißen?

Vors.:

Scheint nicht der Fall zu sein.

Bitte, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, stellen Sie Ihre Fragen.

RA Dr. He[ldmann]:

Gab es einen ... Ist das Info oder das Infosystem als ein Disziplinierungsmittel dieser oder jener Weise verwendet worden?

Die Zeugin lacht.

Vors.:

Von der Zeugin beantwortet, zurückgewiesen worden als Absurdität. Bitte weitere Fragen; Wiederholungen bitte ich nicht mehr zu veranlassen.

RA Dr. He[ldmann]:

Gab es 3 verschiedene Qualitäten des Info, in einer Rangordnung!

Zeugin Schu[bert]:

Das ist Quatsch, natürlich.

Es gab das Info I:

Da waren die Gefangenen drin, die den [§ ]129[ StGB][51] hatten und alle Gefangenen, die sich gemeinsam am kollektiven Diskussionsprozeß beteiligen wollten.

[11188] Info II

Es war nur geplant, ist nie durchgeführt worden oder nur ganz kurz. Das hat sich im Hungerstreik aufgelöst. An diesem Info waren alle Gefangenen beteiligt, die am Hungerstreik beteiligt waren.

Info III

Hier wurden Informationsmaterialien zusammengestellt, die jeder Einzelne benutzen konnte, weiterentwickelt und bearbeitet hat. Er hat daraus die theoretischen Begriffe aus der praktischen Entwicklung mit bestimmt.

Das Info war nie ein Mittel weder zur Disziplinierung noch um eine Hierarchie auszudrücken. Es war also nie möglich, daß jemand im Info aufsteigt, absteigt, herausgeschmissen oder bestraft werden konnte. Es war der Entschluß jedes Einzelnen, kollektiv zu sein. Es ist nie passiert, daß jemand aus dem Info herausgeschmissen wurde. Es war also seine eigene Entscheidung, wenn jemand aus dem Info raus wollte, wenn er begriffen hatte, daß er das nicht will, was wir wollen. Das ist ja auch dasselbe, was auf der anderen Ebene behauptet wird, daß die Leute, die nicht mehr wollen, die Verräter, liquidiert werden. Das ist diese faschistische Schweineprojektion, die genau in dieses Raster paßt, mit der die psychologische Kriegsführung durchgeführt wird.

Im Info wurde in dieser langen Zeit dieser Begriff der Struktur weiterentwickelt, also zu diesem Punkt, an dem z. B. Ulrike diesen Begriff der Gruppe ... der dann so stark ist, daß er überzeugt und so überzeugt, daß sie umgelegt werden mußte.

Vors.:

Keine Fragen mehr, sehe ich an die Frau Zeugin.

Herr Bundesanwalt Zeis, bitte.

OStA Z[eis]:

Ich habe noch eine Frage, Herr Vorsitzender.

Zeugin Schu[bert]:

Ich beantworte keine Fragen der Bundesanwaltschaft.

OStA Z[eis]:

Jetzt warten Sie doch erst mal ab. Vielleicht können Sie sie doch beantworten.

Haben Sie sich, Frau Schubert, der Verteidigung als Zeugin angeboten oder ist die Verteidigung an Sie herangetreten mit der Aufforderung, hier als Zeugin aufzutreten.

Zeugin Schu[bert]:

Sie erwarten wohl nicht, daß ich antworte, dumme Frage.

Vors.:

Also zunächst darf ich Sie darauf hinweisen, daß die Beleidigung von Prozeßbeteiligten eine Strafe wegen Ungebührs[52] nach sich ziehen könnte. Also vermeiden Sie es, sich mit solchen Äußerungen hier dieser Gefahr auszusetzen.

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender, mir scheint, daß die Zeugin kein Auskunfsver- [11189] weigerungsrecht nach § 55 StPO hat.

Wir beantragen deshalb

ein Ordnungsgeld, dessen Höhe wir ins Ermessen des Gerichts stellen ersatzweise Ordnungshaft

- Die Zeugin lacht -

wegen grundloser Zeugnisverweigerung.[53]

Vors.:

Frau Schubert, zunächst die Frage. Wollen Sie wirklich auf diese Frage nicht antworten; wenn ja, können Sie einen Grund dafür angeben?

Zeugin Schu[bert]:

Ich beantworte grundsätzlich die Fragen der Bundesanwaltschaft und des Gerichts nicht.

Vors.:

Nicht. Dann muß ich Ihnen vorhalten, daß für [wwwww] Zeugnisverweigerung, ohne Rechtsgrund, der hier nicht ersichtlich, in der Tat Ordnungshaft und Ordnungsgeld im Gesetz vorgesehen sind, gemäß § 70 StPO, und daß Sie damit rechnen müssen, wenn Sie jetzt nicht die Antworten geben, daß da etwa sowas gegen Sie verhängt wird.

Zeugin Schu[bert]:

Na was schon; ich beantworte die Frage nicht, fertig. Fragen der Killer von Holger und Ulrike beantworte ich grundsätzlich nicht.

Vors.:

Jetzt 2 Möglichkeiten sich zu äußern. Erstens Mal zu der Frage der Ungebühr, deswegen, weil Sie offensichtlich bezogen auf Gericht und Bundesanwaltschaft von den Killern von Holger und Ulrike gesprochen haben. Hier droht Ihnen Ordnungshaft bis zu 1 Woche. Sie haben weiterhin die Möglichkeit sich dazu zu äußern, daß gegen Sie Zwangsmaßnahmen angeordnet werden könnten, weil Sie sich grundlos weigern, hier Aussagen zu machen.

Wollen Sie sich äußern?

Die Zeugin äußerte sich dazu nicht.

Vors.: (nach geheimer Umfrage)

Es sind dann 2 Beschlüsse des Senats zu verkünden:

1. Gegen die Zeugin wird wegen Ungebühr eine

Ordnungshaft von 1 Woche

angeordnet, weil sie Gericht und Bundesanwaltschaft als „Killer von Holger und Ulrike“ bezeichnet hat.

[11190] 2. Die Zeugin hat das Zeugnis ohne gesetzlichen Grund verweigert. Ihr werden die durch die Weigerung verursachten Kosten auferlegt.

Außerdem wird gegen sie ein Ordnungsgeld in Höhe von 300,-- DM festgesetzt; für den Falle der Nichtbetreibbarkeit eine Ordnungshaft von 10 Tagen.

Sind weitere Fragen an die Frau Zeugin? Keine Fragen mehr. Wird ein Antrag auf Verteidigung gestellt?

Anträge auf Vereidigung der Zeugin werden nicht gestellt.

Die Zeugin bleibt gemäß § 60 Nr. 2 StPO wegen Tatbeteiligung unvereidigt und wird im allseitigen Einvernehmen um 15.38 Uhr entlassen.

Vors.:

Es sind dann nun einige Hinweise wegen der Beweisanträge, Erledigung und dergleichen ...

BA Dr. Wu[nder]:

Herr Vorsitzender, darf ich eine kurze Erklärung nach § 257 StPO[54] abgeben?

Vors.:

Ja, selbstverständlich, ist Ihr Recht.

BA Dr. Wu[nder]:

Die Zeugin Schubert hat mit ihrer Aussage heute ein Bild abgerundet, das sich seit einigen Tagen hier darbot:

Kaum Tatsachenbekundungen, trotz mehrfacher Hinweise seitens des Vorsitzenden, Beleidigungen gegen die Institutionen des Staates, abstrakte Sprüche, die sich teils wörtlich decken mit ebenfalls von einer Vorlage abgelesenen Erklärungen der Zeugen Mohnhaupt, Pohl, Hoppe, Möller, Augustin und Schiller. Alles Zeugen, die sich fast ausnahmslos beharrlich geweigert haben, sich, wie es die Prozeßordnung vorsieht, den Fragen der Anklagebehörde zu stellen. Wir werden im Plädoyer auf die Glaubwürdigkeit dieser Zeugen zurückkommen.

Heute aber schon kann und muß gesagt werden, daß wir es hier mit eintrainierten und abgestimmten Aussagen zu tun haben, die wertlos sind.

Vors.:

Dann kann ich zur Erledigung der Beweisanträge noch folgendes bekanntgeben:

Die Rechtsanwältin Becker ist als Zeugin nicht erschienen. Hier hat sich ein etwas merkwürdiges Verhalten abgezeichnet. Zunächst war ja Herr Rechtsanwalt Laubscher bereit, dem Gericht die Adresse dieser Zeugin zu benennen. Er hat erklärt, er könne sie jederzeit beschaffen, auf ausdrückliche Rückfrage. Als es dann zum Schwur kommen sollte und [11191] in seinem Büro angerufen worden ist, ist das mitgeteilt worden, es sei auch im eigenen Büro der Rechtsanwältin nicht möglich, ihre Adresse Urlaubsadresse in Dänemark - so viel konnten wir erfahren -, ausfindig zu machen.

Man kann darüber denken wie man will. Jedenfalls können wir keinen Nachweis führen, daß der Zeugin die Ladung, zugegangen ist. Wir müssen also davon ausgehen, daß sie hier fehlt, ohne daß die Möglichkeit einer sonst angemessenen Ordnungsstrafe[55] besteht.

Die Vernehmung der Zeugin heute ist undurchführbar. Sie wird umgeladen auf Dienstag, 17.8., 9.00 Uhr

Sodann hat der Senat gestern folgenden

Beschluss:

gefasst.

Der Vorsitzende verliest den Beschluß des Senats vom 3.8.1976

Eine Ablichtung dieses Beschlusses ist dem Protokoll als Anlage 2 beigefügt.

Dann hat der Herr Bundesminister der Justiz mitgeteilt in einem Schreiben, das heute eingegangen ist, auf die Anfrage des Gerichts, ob er zu den Beweisthemen, die die Verteidigung genannt hat, sich äußern könne.

Der Vorsitzende verliest das Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 29. Juli 1976

Eine Ablichtung dieses Schreibens ist dem Protokoll als Anlage 3 beigefügt.

Soll - insbesondere zu diesem letztgenannten Schreiben - etwas erklärt werden?

Bitte, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. Wu[nder]:

Herr Vorsitzender, ich bin der Auffassung, daß alle im Beweisantrag vom 20.7.76 aufgestellten Behauptungen auf der Annahme des Verteidigers, des Herrn Rechtsanwalts Schily, fußen, daß Bundesjustizminister Vogel persönlich den Vorgang 3 ARP 74/75 I kennt. Daß dem nicht so ist, ergibt sich aus der eben verlesenen Erklärung des Ministeriums. Demnach ist das genannte Beweismittel ungeeignet im Sinne der Vorschrift des § 244 StPO.[56]

[11192] Und ich beantrage dementsprechend

den Beweisantrag abzulehnen.

Vors.:

Danke. Will sich sonst jemand dazu äußern? Ich sehe nicht.

RA Dr. He[ldmann]:

Hierzu nicht.

Vors.:

Ich darf bloß richtigstellen, daß der Beweisantrag vom Verteidiger des Angeklagten Raspe gestellt worden ist; also bezieht sich das auf Herrn Dr. Hoffmann, nicht auf Herrn Rechtsanwalt Schily. Es wäre noch zu prüfen, ob Herr Rechtsanwalt Schily sich dem angeschlossen hat. Jedenfalls auf Anhieb ist zu sagen, Herr Dr. Hoffmann hat den ...

BA Dr. Wu[nder]:

Es war ein Versehen von mir.

Vors.:

Ja, ist richtig, Herr Dr. Hoffmann hat den Antrag gestellt. Dann wäre noch folgendes bekanntzugeben:

Die Zeugin Roll ist nicht erschienen. Nachdem wir inzwischen 5, 6 Aussagen zu dem Beweisthema haben, die Zeugin sich im Ausland befindet und es ihr offenbar Schwierigkeiten bereitet, wegen beruflicher oder sonstiger Gründe, hier herzukommen, wäre zunächst die Frage an die Verteidigung zu stellen, ob der Antrag, diese Zeugin nun zum 8., 9. oder 10. mal - insgesamt sind es ja so viel Zeugen - hier herzuladen, um dasselbe Thema zu wiederholen; ob das erforderlich ist, ob nicht auf diese Zeugin verzichtet werden kann?

RA Dr. He[ldmann]:

Nein, umso mehr als ... umso weniger kann auf sie verzichtet werden, als der Herr Bundesanwalt vorhin in seiner [§ ]257[ StPO]-Erklärung seine Meinung vertreten hat, die von der Verteidigung benannten Zeugen hätten hier das Gericht und die Prozeßbeteiligten mit abgelesenen Aussagen bedient, präparierten Aussagen, offenbar synchronisierten Aussagen, wie der Herr Bundesanwalt wohl zu meinen angab; umso weniger können wir auf die Aussage der Zeugin Roll, die sich weit weg befindet, verzichten, zumal sie zu denjenigen gehört, die am Längsten und Intensivsten die Geschichte der Roten Armee Fraktion selbst miterlebt haben.

Vors.:

Nun ist es natürlich sehr schwierig. Die Verteidigung hat hier mitgeteilt, die Zeugin bitte, daß man den Vernehmungstermin verschiebe; das ist angekommen. Aber als das Gericht erklärt hat, es sei nicht bereit, den Vernehmungstermin zu verschieben, es müsse der Zeugin zugemutet werden, rechtzeitig - wie es Pflicht eines deutschen Staatsbürgers ist - vor dem Gericht zu erscheinen, da[xxxxx] hat die Verteidigung nichts mehr weiter vermittelt, nach Ihren Auskünften. Das ist ein Verhalten, das das Gericht nahezu außer Stande setzt, eine Ladung [11193-11196][57] [11197][58] [11198] entsprechend den hier erforderlichen Terminsplanungen mit dem nötigen Nachdruck durchzusetzen. Und es ist sehr schwierig, sich hier von dem guten Willen - wenn wir es mal so bezeichnen wollen - der Verteidigung abhängig zu machen. Also ich würde dann schon bitten, daß, wenn ein Termin nächstens bekanntgegeben wird ... werden sollte, daß die Verteidigung dann etwas mehr dahinter ist, daß die Zeugin auch das erfährt.

RA Dr. He[ldmann]:

Wollten Sie eben eine gewisse Verdächtigung aussprechen, daß die Verteidigung nicht die nötige Sorgfalt beachtet hätte, um diese Zeugin zu dem von Ihnen gewünschten Termin herbeizubekommen, so wäre diese Verdächtigung unbegründet. Es ist sicher - wie leicht einzusehen - zweierlei, ob man hier anruft von Italien nach der Bundesrepublik, etwa in ein Anwaltsbüro, oder ob man umgekehrt versucht eine Lernschwester in Italien ans Telefon zu bekommen. Das ist zweierlei. Im übrigen ist es aber nicht nur beim Telefonierversuch geblieben, sondern das gleiche ist auch schriftlich hingegeben worden. Da müssen wir die Postantwort abwarten. Ich wiederhole, was ich dieser Tage schon gesagt habe, vom 1. August bis zum 20. August ist das aus Terminsgründen dort ausgeschlossen, vom 21. August an steht die Zeugin zur Verfügung.

Vors.:

21. August, ich will mir das mal notieren.

Dann wäre noch folgender Hinweis zu geben:

Die Möglichkeit, eine spezielle Behandlung, medizinische Behandlung bei Frau Ensslin durchzuführen, ist nicht gegeben, da sich der gewünschte Arzt, der mit der Sache auch schon befaßt war, zur Zeit im Urlaub befindet. Unter diesen Umständen möchte das Gericht die heute früh angedeutete Möglichkeit, die nächste Woche sitzungsfrei zu lassen, nicht wahrnehmen, weil das den Nachteil mit sich gebracht hätte, daß die Fortsetzung am 16.8., einem Montag, gerade der Auslauf der 11-Tagesfrist[59] gewesen wäre. Dieses Risiko hätten wir in Kauf genommen - unter Umständen -, wenn diese Behandlung hätte zwischenzeitlich durchgeführt werden können. Unter den jetzigen Umständen ist dieses Risiko nicht einzugehen.

Wir wollen deshalb in der kommenden Woche 1 Sitzungstag durchführen, der Verlesungen dienen soll; voraussichtlich nur vormittags stattfindet.

Ich möchte den Prozeßbeteiligten es anheim geben es stehen vom Dienstag bis Donnerstag zur Auswahl 3 Verhandlungstage was die Mehrheitsmeinung ist, wann dieser Termin stattfinden soll.

[11199] Wir werden dann in der übernächsten Woche, am 17., fortsetzen mit Frau Becker - das ist ja bereits bekanntgegeben -, am Dienstag, und wollen sehen, ob irgendwelche weitere Beweiserledigungen bis zu dieser übernächsten Woche hier angeordnet werden können. Das würde dann beim nächsten Termin mitgeteilt.

Ich stehe jetzt gerne zur Verfügung, um hier Vorschläge entgegenzunehmen; dem Gericht ist es im Prinzip nach gleichgültig.

Gespräche des Vorsitzenden mit den Verfahrensbeteiligten über den Termin eines weiteren Sitzungstages in der nächsten Woche.

Ja ich habe so den Eindruck, daß für Donnerstag die Mehrheit stimmt. Dann wird auf Donnerstag, das ist dann der 12.8., die neue Sitzung anberaumt werden. Ich alle Beteiligten, am Donnerstag, 12.8., um 9.00 Uhr hier zu sein. Es kann davon ausgegangen werden, daß verlesen wird, und daß die Sitzung nicht länger dauert als bis 12.00 Uhr, unverbindlich; aber man kann sich zunächst mal darauf einrichten.

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Vorsitzender, krieg ich noch das Wort?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Ein Wort bitte zu Ihrem Beschluß, die Zeugen Stachowiak, Eckes, Jünschke und Grashof kommissarisch vernehmen zu lassen. Erlauben Sie mir, daß ich das Institut der

Gegenvorstellung[60]

wieder in Erinnerung rufe in diesem Fall und zwar deswegen, weil die Verteidigung durch diesen ... jedenfalls die Verteidigung durch diesen Beschluß, kommissarisch,[61] also außerhalb der Hauptverhandlung vernehmen zu lassen, überrascht wird. Ich sehe jedenfalls in dieser vorgesehenen Vernehmung eine Verletzung des Unmittelbarkeitsprinzips,[62] denn es scheint mir gerade keine der „Darfausnahmen“ aus § 251[ StPO][63] gegeben zu sein; und daß die Zeugen nicht etwa unerreichbar oder ähnlich sind hat ja bewiesen, daß sie bereits hier in der Hauptverhandlung aufgetreten waren. Ich sehe aber damit zugleich kommissarische Vernehmung an Amtsgerichten in Hamburg und Kaiserslautern das Prinzip der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung[64] in Frage gestellt für diesen Teil der Beweisaufnahme. Ich meine also, daß aus diesen, jetzt nur ganz grob anskizzierten, rechtlichen Gesichtspunkten dieser Beschluß einer Überprüfung bedürfte, und für die Frage, daß er es jedenfalls bedarf, nämlich aus dem Gesichts- [11200] punkt des rechtlichen Gehörs, verweise ich auf den § 33[ StPO].[65] Ich meine schon, daß die Prozeßbeteiligten mit dem Plan des Gerichts hätten vertraut gemacht werden sollen, Teile der Beweisaufnahme nach Außerhalb aus dieser Hauptverhandlung zu verlegen.

Ich bitte also, diese Frage noch einmal zu überdenken.

Vors.:

Ja, wir nehmen’s zur Kenntnis.

Damit sind wir am Ende des heutigen Sitzungstages.

Fortsetzung: Donnerstag, 12.8., 9.00 Uhr in diesem Saale.

- Morgen natürlich, Entschuldigung, das darf ich noch bekanntgeben; wir sind nicht am Ende der Woche, morgen Fortsetzung noch mit der Vernehmung des Zeugen Dr. Croissant;

9.00 Uhr morgen früh.

RA Schn[abel]:

Herr Vorsitzender, wenn ich recht unterrichtet bin, ist der Zeuge auf 10.00 Uhr geladen; haben Sie bekanntgegeben einmal.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schnabel, ich bin Ihnen sehr dankbar.

In der Tat morgen früh Fortsetzung vorgesehen, wegen der Transportfrage, erst 10.00 Uhr, danke.

Ende der Sitzung um 15.55 Uhr

Ende Band 649.


[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - Az.: 1 StE 1/74 - StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[2] § 57 StPO a.F. schrieb für die Belehrung von Zeug/innen vor: „Vor der Vernehmung sind Zeugen zur Wahrheit zu Ermahnen und darauf hinzuweisen, daß sie ihre Aussage zu beeidigen haben, wenn keine im Gesetz bestimmte oder zugelassene Ausnahme vorliegt. Hierbei sind sie über die Bedeutung des Eides, die Möglichkeit der Wahl zwischen dem Eid mit religiöser oder ohne religiöse Beteuerung sowie über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren.“ Nach § 55 Abs. 1 StPO steht Zeug/innen ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, wenn sie sich selbst oder ihre Angehörigen (§ 52 Abs. 1 StPO) durch die Beantwortung einer Frage der Gefahr aussetzen würden, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt werden.

[3] Zu den Besonderheiten dieses Verfahrens gehörte es, dass sich die Prozessbeteiligten darauf einigten, ein gerichtliches Wortprotokoll als Arbeitsgrundlage anzufertigen (s. dazu S. 4 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Nach der damaligen Rechtsprechung bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung stets der Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 - Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 - Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 339). Heute wird die gerichtliche Tonbandaufnahme z.T. auch ohne Zustimmung der Beteiligten für zulässig erachtet (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 35; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 13).

[4] Gerhard Müller - ehemals Mitglied der RAF - wurde später zu einem der Hauptbelastungszeugen in diesem sowie in weiteren Verfahren gegen Mitglieder der RAF. Das LG Hamburg verurteilte ihn mit Urteil vom 16.3.1976 u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Beihilfe zum Mord, Beteiligung an Bombenanschlägen und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zehn Jahren (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 113 ff.; Riederer, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 29). Er wurde ab dem 124. Verhandlungstag als Zeuge vernommen.

[5] Wegen Verletzung von Privatgeheimnissen macht sich nach § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB strafbar, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis offenbart, das ihm/ihr als Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist. Die Schweigepflicht wird ergänzt durch ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO; eine Entbindung von der Schweigepflicht führt nach § 53 Abs. 2 StPO zu einer Aussagepflicht.

[6] Der Tatbestand des § 203 StGB unterscheidet grundsätzlich nicht danach, in welcher Situation die zur Verschwiegenheit verpflichtete Person das Geheimnis offenbart. Nach § 34 StGB ist ein tatbestandmäßiges Verhalten aber dann gerechtfertigt, wenn eine nicht anders abwendbare Gefahr für ein geschütztes Rechtsgut, z.B. die Ehre, besteht und das geschützte Interesse das betroffene Interesse wesentlich überwiegt. Verletzungen der Verschwiegenheitspflicht können so etwa gerechtfertigt sein, wenn die Offenbarung zur Verteidigung gegen unwahre Behauptungen erforderlich ist (Cierniak/Nierhaus, in Joecks/Miebach [Hrsg.], Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 4, 3. Aufl. 2017, § 203 Rn. 89; s. auch Schünemann, in Jähnke/Laufhütte/Odersky [Hrsg.], Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 6, 12. Aufl. 2010, § 203 Rn. 134, der für die Offenbarung von Geheimnissen des/der Angreifer/in selbst § 32 StGB [Notwehr] heranzieht). Die Offenbarung muss dabei auf das zur Verteidigung erforderliche Maß beschränkt bleiben. Dies ist insbesondere der Fall in (Straf-)Verfahren gegen die zur Verschwiegenheit verpflichtete Person; aber auch zum Schutz Dritter vor strafrechtlicher Verurteilung wird § 34 StGB z.T. herangezogen (vgl. Cierniak/Nierhaus, in Joecks/Miebach [Hrsg.], Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 4, 3. Aufl. 2017, § 203 Rn. 90). Die Rechtsanwälte Dr. Croissant und Ströbele hatten sich bereits dazu entschieden, trotz der fehlenden Entbindung durch ihren (früheren) Mandanten Müller in begrenztem Umfang auszusagen, da er sie in seiner Aussage erheblich belastet hatte (s. dazu die vorbereitete Erklärung des Rechtsanwalt Ströbele, Anlage 6 zum Protokoll vom 27.7.1976, S. 10784 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 130. Verhandlungstag). Auch sie stützten sich auf eine mögliche Rechtfertigung nach § 34 StGB. Rechtsanwalt Laubscher entschied sich ebenfalls für eine Aussage (S. 10937 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 131. Verhandlungstag).

[7] Ehrengerichtsverfahren (heute: anwaltsgerichtliche Verfahren) können im Falle einer Verletzung berufsrechtlicher Pflichten von Anwält/innen durch die Staatsanwaltschaft vor speziellen Anwaltsgerichten, früher „Ehrengerichte“ eingeleitet werden (§ 121 BRAO). Diese können verschiedene Maßnahmen gegen den Rechtsanwalt/die Rechtsanwältin verhängen; diese reichen - je nach Schwere des Verstoßes - von einer Warnung (§ 114 Abs. 1 Nr. 1 BRAO) bis zum Ausschluss aus der Rechtsanwaltschaft (§ 114 Abs. 1 Nr. 4 BRAO a.F.; heute: § 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO).

[8] Auch der Rechtsanwalt/die Rechtsanwältin kann bei der Staatsanwaltschaft die Einleitung des Verfahrens beantragen, um sich selbst „von dem Verdacht einer Pflichtverletzung [zu] reinigen“ (sog. Selbstreinigungsverfahren, § 123 Abs. 1 Satz 1 BRAO).

[9] Das INFO war ein Informations- und Kommunikationssystem, das einen Austausch von Rundbriefen, Zeitungsartikeln etc. unter den inhaftierten RAF-Mitgliedern ermöglichte. Über die Verteidigerpost, die im Vergleich zu anderer Post vollzugsrechtlich privilegiert ist (§§ 97 Abs. 1 Nr. 1, 148 StPO), konnte Material ohne vorherige Zensur ausgetauscht werden. Den Rechtsanwälten Ströbele, Groenewold und Dr. Croissant wurde später vorgeworfen, durch die Beteiligung am „Info-System“ dazu beigetragen zu haben, dass die inhaftierten RAF-Mitglieder auch aus der Haft heraus ihre kriminelle Vereinigung hätten fortführen können. Dabei ging es nicht um das INFO an sich, sondern um die Weiterleitung ganz bestimmter Unterlagen (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 521 ff.; s. auch die Interviews mit K. Groenewold und H.-C. Ströbele, in Diewald-Kerkmann/Holtey [Hrsg.], Zwischen den Fronten, 2013, S. 49, 58 f., 70 f. sowie S. 121, 132 f.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 52).

[10] Rechtsanwalt Hans-Christian Ströbele war zu Beginn des Verfahrens als gemeinschaftlicher Verteidiger allen Angeklagten beigeordnet. Nach Inkrafttreten des Verbots der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) am 1.1.1975 war eine Neusortierung der Mandatsverhältnisse erforderlich geworden, infolge derer er dem Angeklagten Baader beigeordnet wurde. Bereits mit Verfügung vom 3.2.1975 wurde seine Beiordnung aufgehoben, da „nicht ausschließen“ sei, daß er „von den Bestimmungen über den Ausschluß von Verteidigern im Strafverfahren betroffen werden“ könne (so der Vorsitzende Dr. Prinzing am 3. Verhandlungstag, S. 235 f.). Am 16.4.1975 beantragte die Bundesanwaltschaft den Ausschluss des Rechtsanwalts Ströbele wegen des Verdachts der Tatbeteiligung (§ 138a StPO); der Ausschluss erfolgte schließlich am 13.5.1975 (s. zur Chronologie der Bestellungen und Verfügungen die Ausführungen des Vorsitzenden Dr. Prinzing am 3. Verhandlungstag, S. 229 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung; s. auch die angehängte Chronik in Dreßen [Hrsg.], Politische Prozesse ohne Verteidigung?, 1976, S. 104 f.; Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 165 f.). Auch ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Unterstützung der kriminellen Vereinigung RAF wurde gegen ihn eingeleitet. Mit Urteil vom 24.3.1982 wurde er schließlich vom LG Berlin zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt (Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 52; s. auch das Interview mit Ströbele in, in Diewald-Kerkmann/Holtey [Hrsg.], Zwischen den Fronten, 2013, S. 121 ff.).

[11] Nach § 138c Abs. 1 Satz 1 StPO liegt die Zuständigkeit für Ausschließungsentscheidungen grundsätzlich beim Oberlandesgericht. Ist das Verfahren, wie hier, bereits vor einem Senat eines Oberlandesgerichts anhängig, so entscheidet über die Ausschließung ein anderer Senat des Oberlandesgerichts (§ 138c Abs. 1 Satz 3 StPO), in diesem Fall der 1. Strafsenat des OLG Stuttgart.

[12] Anlage 1 zum Protokoll vom 4. August 1976: Schreiben vom 5.2.1974 an die Rechtsanwälte Golzem und von Plottnitz von „a.“.

[13] Holger Meins war ursprünglich Mitangeschuldigter im Stammheim-Prozess, starb aber noch vor Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) am 9. November 1974 in Untersuchungshaft in Wittlich an den Folgen des dritten Hungerstreiks (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 117 ff.). § 203 Abs. 4 StGB a.F. (heute: § 203 Abs. 5 StGB) bestimmt ausdrücklich, dass die Schweigepflicht auch über den Tod der geheimnisgeschützten Person bestehen bleibt. Soweit die Verfügungsbefugnis über das anvertraute Geheimnis nicht ausnahmsweise an die Erb/innen übergeht (etwa bei vermögensrechtlichen Informationen), erlischt die Möglichkeit der Entbindung mit dem Tod der geschützten Person (Ciernak/Niehaus, in Joecks/Miebach [Hrsg.], Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 4, 3. Aufl. 2017, § 203 Rn. 130).

[14] Der/Die Vorsitzende kann ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen von Amts wegen oder auf Antrag von Verfahrensbeteiligten selbst zurückweisen (§ 241 Abs. 2 StPO), oder bei Zweifeln die Entscheidung des Gerichts einholen (§ 242 StPO).

[15] In Nürnberg fand nach dem Zweiten Weltkrieg der sog. Hauptkriegsverbrecherprozess vor dem von den vier Siegermächten errichteten Internationalen Militärgerichtshof statt, in welchem führende Vertreter des nationalsozialistischen Regimes für die begangenen Verbrechen (u.a. Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit) verurteilt wurden. Nach dem Hauptkriegsverbrecherprozess führten amerikanische Ankläger ohne Beteiligung der anderen Alliierten zwölf weitere Verfahren, die sog. Nürnberger Nachfolgeprozesse, gegen bestimmte Funktionseliten des NS-Regimes durch (Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht, 5. Aufl. 2020, Rn. 17 ff.).

[16] US-amerikanische Truppen übten während des Vietnamkriegs u.a. exzessive Gewalt in Form von Misshandlungen, sexualisierter Gewalt, Folter und Massakern gegen Zivilist/innen und Gefangene aus. Das gesamte Ausmaß sowie die Gesamtzahl der Opfer werden wohl auf Grund von unzureichender oder nur eingeschränkt einsehbarer Dokumentationen nie erfasst werden können. Sowohl innerhalb der USA als auch international intensivierte sich im November 1969 nach den ersten Meldungen über das Massaker an vietnamesischen Zivilist/innen in dem Dorf Mỹ Lai der Protest gegen den Vietnamkrieg. Mỹ Lai wurde dabei zur Chiffre für die Verbrechen in Vietnam. Ein nicht zu bezifferndes Ausmaß an Zerstörung wurde darüber hinaus durch den amerikanischen Luft- und Bombenkrieg verursacht, in dessen Folge vor allem im Jahr 1972 mit den Operationen „Linebacker“ und „Linebacker II“ beispiellose Bombardierungen von Häfen und Industriezentren in Nordvietnam durchgeführt wurden (Berg, Geschichte der USA, 2013, S. 77 ff.; Fischer, Die USA im Vietnamkrieg, 2009, S. 104 ff.; Greiner, Krieg ohne Fronten, 2007, S. 10 ff., 20 ff., s. dort insbesondere das Kapitel „16. März 1968 - Die Massaker von ,My Lai (4)‘ und ,My Khe (4)‘“, S. 256 ff.).

[17] Da zum Zeitpunkt des Todes von Holger Meins (Fn. 13) der Senat als Gericht der Hauptsache zuständig für den Vollzug der Untersuchungshaft und damit auch für Entscheidungen über die Haftbedingungen war (§ 126 Abs. 2 StPO), machten die Angeklagten den Senat, insbesondere den Vorsitzenden Dr. Prinzing, unmittelbar verantwortlich für den Tod von Holger Meins. Gegen ihn (und weitere) erstattete Rechtsanwalt von Plottnitz im Namen von Meins’ Angehörigen sowie im eigenen Namen Strafanzeige wegen Mordes (Auszüge der Strafanzeige sind abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 195 f.; vollständig, aber schlecht lesbar, befindet sich die Strafanzeige auch im Anhang zu Anlage 1 zum Protokoll vom 19. Juni 1975, 7. Verhandlungstag, S. 644 ff.). Eine auf die Ereignisse um den Tod Holger Meins’ gestützte Ablehnung des Vorsitzenden Dr. Prinzing durch die Angeklagte Ensslin findet sich in Anlage 1 zum Protokoll vom 19. Juni 1975 (7. Verhandlungstag, S. 620 ff.). Die dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden Dr. Prinzing befindet sich auf S. 677 ff. (ebenfalls 7. Verhandlungstag).

[18] Der Zeuge Dierk Hoff, der in seiner Werkstatt einige der später von der RAF verwendeten Sprengkörperhüllen hergestellt hatte, wurde als einer der Hauptbelastungszeugen ab dem 68., sowie am 98. Verhandlungstag vernommen.

[19] Die Ablehnung von Richter/innen wegen Besorgnis der Befangenheit muss in diesem Stadium der Hauptverhandlung unverzüglich, also „ohne eine nicht durch die Sachlage begründete Verzögerung“ (BGH, Urt. v. 10.11.1967 - Az.: 4 StR 512/66, BGHSt 21, S. 334, 339) erfolgen; andernfalls wäre sie nach § 26a Abs. 1 Nr. 1 StPO wegen Verspätung als unzulässig zu verwerfen. Zulässig ist allerdings, zunächst noch abzuwarten, ob sich der Eindruck der Befangenheit verfestigt (OLG München, Beschl. v. 22.11.2006 - Az.: 4 St RR 182/06, NJW 2007, S. 449, 451).

[20] Der Grund, aus welchem Richter/innen abgelehnt werden, muss nach § 26 Abs. 2 Satz 1 StPO glaubhaft gemacht werden. Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht sie für überwiegend wahrscheinlich hält (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 26 Rn. 7). Die Glaubhaftmachung erfordert damit eine geringere Form der Überzeugung als der sog. Vollbeweis. Die Glaubhaftmachung genügt nur dort, wo das Gesetz sie ausdrücklich zulässt. Mittel der Glaubhaftmachung kann auch das Zeugnis des/der abgelehnten Richter/in sein (§ 26 Abs. 2 Satz 3 StPO).

[21] Am 131. Verhandlungstag sprang der Zeuge Klaus Jünschke mit den Worten „Wart’ ich komm“ und „Für Ulrike, du Schwein“ über den Richtertisch auf den Vorsitzenden Dr. Prinzing zu und fiel mit diesem zu Boden, bevor er überwältigt werden konnte (S. 10957 des Protokolls der Hauptverhandlung, 131. Verhandlungstag).

[22] Die Ablehnung ist nach § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO als unzulässig zu verwerfen, wenn „durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen“.

[23] Sachleitungsbezogene Anordnungen des/der Vorsitzenden können als unzulässig beanstandet werden (§ 238 Abs. 2 StPO). Über die Beanstandung entscheidet sodann das Gericht, in diesem Fall der Senat in voller Besetzung.

[24] § 177 GVG eröffnet die Möglichkeit, Angeklagte wegen ordnungswidrigen Benehmens aus dem Sitzungszimmer zu entfernen. Nach § 231b Abs. 1 StPO kann die Hauptverhandlung sodann in Abwesenheit der Angeklagten fortgeführt werden, wenn das Gericht ihre Anwesenheit nicht für unerlässlich hält und solange weitere schwerwiegende Störungen zu befürchten sind. Der Angeklagte Raspe war am vorigen Verhandlungstag für den restlichen Sitzungstag ausgeschlossen worden (S. 11068 des Protokolls der Hauptverhandlung, 133. Verhandlungstag). Nach §§ 231b Abs. 2, 231a Abs. 2 StPO sind ausgeschlossene Angeklagte nach ihrer Rückkehr von dem wesentlichen Inhalt dessen, was in ihrer Abwesenheit verhandelt wurde, zu unterrichten.

[25] Mit dem Gesetz zur Ergänzung des Ersten Strafverfahrensreformgesetzes vom 20.12.1974 (BGBl. I, S. 3686) wurde mit Wirkung zum 1.1.1975 das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) eingeführt. Dies hatte zur Folge, dass die zuvor zugelassene Blockverteidigung - die gemeinsame Verteidigung aller Angeklagten durch mehrere Verteidiger/innen - unzulässig wurde und die Verteidigung neu sortiert werden musste. Rechtsanwalt von Plottnitz wurde mit Verfügung vom 3.2.1975 dem Angeklagten Raspe als Pflichtverteidiger beigeordnet (s. zur Chronologie der Bestellungen und Verfügungen die Ausführungen des Vorsitzenden Dr. Prinzing am 3. Verhandlungstag, S. 229 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung; s. zu den Hintergründen auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 156 ff., S. 537 ff.). Die Bestellung wurde mit Verfügung vom 7.11.1975 (abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 70 ff.) wieder zurückgenommen. Er nahm auch nach seiner Entpflichtung noch für einige Zeit als Wahlverteidiger am Verfahren teil. Mit Schreiben vom 21.4.1976 teilte er dem schließlich Gericht mit, dass er den Angeklagten Raspe nicht mehr verteidige (so der Vorsitzende Dr. Prinzing am 103. Verhandlungstag, S. 9127 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[26] Der Soziologiestudent Wilfried Böse war eine der Führungspersonen der Revolutionären Zellen(RZ). Dabei handelte es sich um eine 1973 von ihm mitgegründete terroristische Gruppe, die international vernetzt war. Teile der RZ waren an dem Attentat auf die OPEC-Konferenz 1975 in Wien sowie an der Entführung eines Flugzeugs und der anschließenden Geiselnahme in Entebbe im Jahr 1976 beteiligt. Obwohl die RZ sich als alternative Stadtguerilla-Formation zur RAF definierten, gab es dennoch Verbindungen zwischen ihnen. Böse selbst hatte die RAF wohl zumindest für eine gewisse Zeit mit verschiedenen logistischen Tätigkeiten unterstützt (Kraushaar, in Ders. (Hrsg.), Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 583, 592 ff.; Wörle, in Straßner [Hrsg.], Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 257, 258 ff., 265 f.).

[27] Im Flughafen von Entebbe (Uganda) wurden vom 28. Juni bis 4. Juli 1976 105 Geiseln von Mitgliedern der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP-EO) sowie von Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann, beides führende Mitglieder der Revolutionären Zellen, festgehalten. Sie hatten am 27. Juni eine Maschine der Air France in Athen entführt und waren schließlich in Entebbe gelandet. Dort hatte u.a. Wilfried Böse eine antisemitische Selektion von (vermeintlich) jüdischen und nicht-jüdischen Passagier/innen vorgenommen, wobei letztere freigelassen wurden. Mit ihrer Aktion forderten die Geiselnehmer/innen die Freilassung von Inhaftierten aus deutschen und israelischen Haftanstalten, darunter auch Mitglieder der RAF. Am 4. Juli erstürmte eine israelische Spezialeinheit das besetzte Flughafenterminal. Dabei wurden alle Geiselnehmer/innen erschossen (Blumenau, The United Nations and Terrorisms, 2014, S. 59 ff.; Kraushaar, in Ders. [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 583, 589, 599; Wörle, in Straßner [Hrsg.], Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 257, 265).

[28] Am 21. Dezember 1975 beging eine Gruppe um den venezolanischen Terroristen Ilich Ramírez Sanchez (genannt „Carlos“) ein Attentat auf eine Konferenz der OPEC-Staaten in Wien. Der Gruppe gehörten auch drei Mitglieder der Revolutionären Zellen um Hans-Joachim Klein an. Beauftragt wurden sie von der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP). Bei dem Überfall erschossen sie zunächst drei Menschen und nahmen anschließend 70 weitere als Geiseln. Sie forderten die Verlesung einer antiisraelischen, die Einheit der arabischen Völker betonende Erklärung im österreichischen Rundfunk und wollten anschließend mit Geiseln ausgeflogen werden, was ihnen mit einem Teil der Geiseln auch gelang. In Algier angekommen ergaben sie sich jedoch kampflos den lokalen Sicherheitskräften (Dahlke, Demokratischer Staat und transnationaler Terrorismus, 2011, S. 246 ff.; Wörle, in Straßner [Hrsg.], Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 257, 264 f.).

[29] Der Pariser Flughafen Orly wurde im Januar 1975 zum Schauplatz zweier Anschläge auf Flugzeuge der israelischen Fluggesellschaft El-Al. Auf die vollbesetzten Maschinen wurde mit einem sowjetischen Granatwerfer geschossen. Die Geschosse verfehlten ihre eigentlichen Ziele, verletzten aber dennoch drei Menschen. Verantwortlich für die Anschläge zeichnete sich die palästinensische PFLP. Ausgeführt wurde der Angriff von einer dreiköpfigen Gruppe, zu der der bis dahin noch wenig bekannte venezolanische Terrorist Ilich Ramírez Sánchez, genannt „Carlos“, sowie das Mitglied der Revolutionären Zellen (RZ) Johannes Weinrich gehörten (Dahlke, Demokratischer Staat und transnationaler Terrorismus, 2011, S. 246, Anm. 512; Wörle, in Straßner [Hrsg.], Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 257, 265).

[30] Am 1. Januar 1975 traten das Erste Strafverfahrensreformgesetz vom 9. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3393) sowie das Ergänzungsgesetz hierzu vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3686) in Kraft. Hierdurch wurden u.a. die Möglichkeit des Verteidiger/innenausschlusses (§ 138a StPO), die Beschränkung auf drei Wahlverteidiger/innen pro Beschuldigte/n (§ 137 Abs. 1 Satz 2 StPO), das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO), sowie die Möglichkeit, den Prozess im Falle vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführter Verhandlungsunfähigkeit bis zum Abschluss der Vernehmung der Angeklagten zur Sache auch in ihrer Abwesenheit durchzuführen (§ 231a StPO), eingeführt. Durch diese und weitere Reformen während der Hauptverhandlung wurden die Rechte der Angeklagten sowie der Verteidigung erheblich eingeschränkt (Tenfelde, Die Rote Armee Fraktion und die Strafjustiz, 2009, S. 72 ff.). Da viele der Vorschriften im Hinblick auf das anstehende Stammheimer Verfahren beschlossen wurden, wurden sie u.a. als „lex RAF“ kritisiert (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 132 ff.). Sie sind überwiegend noch heute in Kraft.

[31] Der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS) entstand 1945 als studentische Organisation der SPD. Nachdem sich der SDS Ende der 1950er Jahre zunehmend radikal gesellschafts- und kapitalismuskritisch ausgerichtet hatte, erfolgte 1961 die Abspaltung von der SPD. Der SDS widmete sich in den 60er Jahren neben universitätsinternen Konflikten auch Themen wie der Wiederbewaffnung, der atomaren Aufrüstung, der geplanten Notstandsgesetzgebung oder dem Vietnamkrieg. Dabei nahm er großen Einfluss auf die Entstehung und Gestaltung der Studentenbewegung und Außerparlamentarischen Opposition. Die Erschießung des Studenten Benno Ohnesorgs am 2. Juni 1967 führte innerhalb des SDS und der Studentenbewegung zu einer Radikalisierung vieler Mitglieder. Zu den bekanntesten Vertretern des SDS zählte der Student Rudi Dutschke, der im Frühjahr 1968 Opfer eines Anschlags wurde (Herbert, Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert, 2014, 849 ff; Schmidtke, Geschichte und Gesellschaft, Sonderheft, Vol. 17 [1998], S. 188, 189 f., 195 ff.; für eine ausführlichere Darstellung s. Albrecht, Der Sozialistische Deutsche Studentenbund [SDS], 1994).

[32] Nach § 55 Abs. 1 StPO steht Zeug/innen ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, wenn sie sich selbst oder ihre Angehörigen (§ 52 Abs. 1 StPO) durch die Beantwortung einer Frage der Gefahr aussetzen würden, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt werden.

[33] Thomas Weisbecker trat im Juli 1971 zusammen mit Angela Luther von den Tupamaros West-Berlin zur RAF über. Bereits seit dem 14. Februar 1972 wurde er observiert. Er starb am 2. März 1972 in Augsburg. Die genauen Umstände von Weisbeckers Tod wurden nie geklärt. Bekannt ist nur, dass Weisbecker, der vermutlich bewaffnet war, am Nachmittag des 2. März von zwei Polizeibeamten verfolgt und dann von einem der beiden erschossen wurde. Weisbecker gehörte mit Petra Schelm und Georg von Rauch zu den ersten Opfern der RAF und galt fortan als Ikone der RAF (s. die Beiträge von König und Wunschik in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 430, 459 f., 464 ff., bzw. S. 531, 546 ff.).

[34] Rechtsanwalt Jörg Lang wurde im Juli 1972 wegen des Verdachts der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung verhaftet, nach vier Monaten in Untersuchungshaft jedoch wieder entlassen. Bevor die Hauptverhandlung gegen ihn eröffnet werden konnte, tauchte er im Jahr 1974 unter (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 71 f.; s. auch die dort in Kapitel V En. 4, S. 569 ff. abgedruckte Presseerklärung). Erst nachdem die Vorwürfe gegen ihn verjährt waren, reiste er - wohl aus dem Libanon - wieder zurück in die Bundesrepublik ein (DER SPIEGEL, Ausgabe 26/1982 vom 28.6.1982, S. 78).

[35] Nach den von der RAF und ihrer Verteidigung erhobenen Vorwürfen, die Bundesrepublik Deutschland betreibe die „Vernichtung“ der inhaftierten RAF-Mitglieder mittels „Isolationsfolter“, gründeten sich 1973 bundesweit die ersten Komitees gegen Folter an politischen Gefangenen in der BRD. Die Komitees arbeiteten in enger Zusammenarbeit mit der RAF an der öffentlichen Verbreitung der Folter-Vorwürfe (März, Linker Protest nach dem Deutschen Herbst, 2012, S. 150 ff.; Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa, 2014, S. 262 ff.).

[36] Die inhaftierten RAF-Mitglieder bezeichneten ihre Haftbedingungen als „Isolationsfolter“ (s. zu den Haftbedingungen Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 97 ff., insbesondere 103 ff. zum Vorwurf der Isolationsfolter; Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 270 ff.). Um ihre Forderungen, u.a. die Zusammenlegung aller RAF-Häftlinge, durchsetzen zu können, traten sie ab 1973 mehrfach in Hungerstreik. Der dritte und längste Hungerstreik dauerte von September 1974 bis Februar 1975. RAF-Mitglied und ursprünglich ebenfalls Beschuldigter im Stammheimer Verfahren Holger Meins überlebte ihn nicht: Im November 1974 starb er an den Folgen der Mangelernährung (Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 58).

[37] Zwischen dem 22. April und dem 13. Mai 1975, und damit noch vor Beginn der Hauptverhandlung, wurden die Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele, zu diesem Zeitpunkt allesamt Verteidiger von Andreas Baader, auf Grundlage des erst am 1.1.1975 in Kraft getretenen § 138a StPO wegen des Verdachts der Tatbeteiligung (Unterstützung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB) von der Mitwirkung im Verfahren ausgeschlossen; zudem wurden strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 156 ff., S. 537 ff.; s. auch die angehängte Chronik in Dreßen [Hrsg.], Politische Prozesse ohne Verteidigung?, 1976, S. 104 f.).

[38] § 129 StGB enthält den Straftatbestand der Bildung krimineller Vereinigungen. Strafbar ist gem. § 129 Abs. 1 StPO nicht nur die Gründung und Beteiligung als Mitglied (Satz 1), sondern u.a. auch die Unterstützung (Satz 2).

[39] Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung war die Vereidigung von Zeug/innen nach § 59 f. StPO a.F. grundsätzlich vorgeschrieben. Ausnahmen galten nur für wenige Vereidigungsverbote, darunter bei Personen, die selbst wegen der Beteiligung der gegenständlichen Tat verdächtig oder bereits verurteilt worden waren (§ 60 Nr. 2 StPO). Darüberhinaus hatte das Gericht die Möglichkeit, in bestimmten Fällen von der Vereidigung abzusehen (§ 61 StPO a.F.). Im Unterschied dazu bestimmt der heutige § 59 Abs. 1 Satz 1 StPO, dass eine Vereidigung nur dann erfolgt, wenn es das Gericht wegen der ausschlaggebenden Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung einer wahren Aussage nach seinem Ermessen für notwendig hält.

[40] § 53 StPO enthält das Zeugnisverweigerungsrecht für Angehörige bestimmter Berufsgruppen zur Wahrung des Berufsgeheimnisses. Darunter fallen nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StPO auch bestimmte Personen aus dem Presse- und Rundfunkbereich.

[41] Der Polizeibeamte Norbert Schmid wurde bei einem Festnahmeversuch des RAF-Mitglieds Margrit Schiller erschossen. Er war das erste Todesopfer der RAF. Der genaue Tatvorgang, insbesondere die Täterschaft, konnte bis heute nicht aufgeklärt werden. Schiller selbst belastete Gerhard Müller schwer, der mit Urteil vom 16.3.1976 vom LG Hamburg zwar für andere Taten, darunter Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und Beihilfe zum Mord, nicht aber für den Mord an Schmid verurteilt wurde (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 113 ff.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 29). Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass der Freispruch Müllers in Bezug auf den Mord an Norbert Schmid Teil einer unzulässigen Absprache mit den Strafverfolgungsbehörden gewesen sei (s. dazu etwa die Beweisanträge in den Anlagen 8 und 12 zum Protokoll vom 20.7.1976, S. 10649 f., 10659 des Protokolls der Hauptverhandlung, 128. Verhandlungstag).

[42] Die erst seit dem 1.8.1975 gültige Fassung des § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO (geändert durch das Gesetz über das Zeugnisverweigerungsrecht der Mitarbeiter von Presse und Rundfunk vom 25.7.1975, BGBl. I, S. 1973) lautete: „Zur Verweigerung des Zeugnisses sind ferner berechtigt [...] 5. Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von periodischen Druckwerken oder Rundfunksendungen berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben, über die Person des Verfassers, Einsenders oder Gewährsmanns von Beiträgen und Unterlagen sowie über die ihnen im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemachten Mitteilungen, soweit es sich um Beiträge, Unterlagen und Mitteilungen für den redaktionellen Teil handelt.“

[43] Die Schaffung einer speziellen gesetzlichen Kronzeugenregelung wurde zum damaligen Zeitpunkt zwar diskutiert, erfolgte aber zunächst nicht. Während bereits mit Gesetz vom 28.7.1981 (BGBl. I, S. 681) eine Kronzeugenregelung für Betäubungsmitteldelikte geschaffen wurde (§ 31 BtMG), geschah dies erst 1989 auch für terroristische Straftaten (BGBl. I, S. 1059, S. 1061). Diese Regelung trat jedoch zum 1.12.1999 wieder außer Kraft. Erst seit dem 1.9.2009 gibt es im deutschen Strafrecht mit § 46b StGB eine allgemeine Kronzeugenregelung (eingeführt durch das 43. Strafrechtsänderungsgesetz vom 29.7.2009, BGBl. I, S. 2288).

[44] Die Auswahl des Zeitpunktes, zu dem über einen Beweisantrag entschieden wird, obliegt dem/der Vorsitzenden als Bestandteil der Verhandlungsleitung (§ 238 Abs. 1 StPO). Sie ist grundsätzlich bis zum Schluss der Beweisaufnahme (§ 258 Abs. 1 StPO) möglich; ein Anspruch auf alsbaldige, oder gar sofortige, Entscheidung besteht nicht. Denkbar erscheint in Ausnahmefällen eine andere Betrachtung unter dem Aspekt eines fairen Verfahrens (BGH, Beschl. v. 17.11.2010 - Az.: 1 StR 145/10, NStZ 2011, S. 168; Dahs, StraFo 1998, S. 253, 254). Die Entscheidung muss allerdings so rechtzeitig verkündet werden, dass die antragstellenden Personen noch die Möglichkeit haben, darauf zu reagieren, etwaige Fehler zu beheben, oder neue Beweisanträge zu stellen (Trüg/Habetha, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl. 2016, § 244 Rn. 182). Inzwischen wurde mit dem Gesetz zur effektiveren und praxistauglichen Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17.8.2017 (BGBl. I, S. 3202) die Möglichkeit geschaffen, Beweisanträge, die nach Ablauf einer zuvor gesetzten Frist gestellt werden, erst im Urteil zu bescheiden (§ 244 Abs. 6, Satz 2-5 StPO). Hierdurch sollte der Umgang mit Beweisanträgen, die nur zum Zwecke der Verfahrensverzögerung gestellt werden, vereinfacht werden (s. die Begründung in BR-Drs. 796/16, S. 34).

[45] S. Fn. 9.

[46] Gemeint sein könnte der am 40. Verhandlungstag verkündete (und später vom BGH bestätigte) Beschluss des 2. Strafsenats, wonach die Hauptverhandlung aufgrund der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit der Angeklagten in deren Abwesenheit fortgeführt werde (s. bereits Fn. 1). Dass die Angeklagten ihren Zustand selbst verschuldet hätten, stützte der Senat auf zwei Aspekte: Zum einen seien die Hungerstreiks mitursächlich für ihren Zustand, insofern hätten die Angeklagten diesen vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführt (S. 3128 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag). Zum anderen seien auch die Haftbedingungen, die einer Besserung des Zustandes nach Auffassung etwa des Sachverständigen Prof. Dr. Rasch entgegenstünden, dem Verantwortlichkeitsbereich der Angeklagten zuzuordnen. Sie hätten gewusst, dass die Beeinträchtigungen des Hungerstreiks unter den bekannten Haftbedingungen nicht zu beheben seien; zudem verweigerten sie sich der Behandlung (S. 3138 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag).

[47] Ingrid Schubert wurde zusammen mit Irene Goergens, Horst Mahler, Brigitte Asdonk und Monika Berberich im Oktober 1970 in einer Berliner Wohnung verhaftet. Das Verfahren gegen Schubert, Goergens und Mahler vor dem Landgericht Berlin war einer der ersten Prozesse gegen Mitglieder der RAF. Schubert wurde im Mai 1972 zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von sechs Jahren, später mit Urteil vom 28.6.1974 unter Einbeziehung dieser Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von 13 Jahren verurteilt. Sie nahm sich am 12. November 1977 in ihrer Gefängniszelle das Leben (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 157; Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 71 ff., 328; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 38, 93; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 169, 760 Anm. 47).

[48] In Anlehnung an amerikanische Vorbilder und zunächst mit dem unmittelbaren Ziel einer Hochschulreform entstand Mitte der 1960er Jahre in Berlin eine studentische Bewegung, die mit Protesten und Demonstrationen auf sich aufmerksam machte und sich rasch auch in anderen westdeutschen Städten formierte. Die Kritik der Studierenden richtete sich bald sowohl gegen den Vietnam-Krieg als auch gegen die mediale Monopolstellung des Axel-Springer-Verlags, die Verdrängung der nationalsozialistischen Vergangenheit und die geplante Notstandsgesetzgebung. Gleichzeitig griffen Studierende tradierte Wertvorstellungen der westdeutschen Gesellschaft an. Als eine der treibenden Kräfte innerhalb der entstehenden Außerparlamentarischen Opposition wurde die Studentenbewegung in den folgenden Jahren zu einer wesentlichen gesellschaftlichen Stimme. Nach einer Radikalisierungswelle in Teilen der Bewegung infolge der Ermordung des Studenten Benno Ohnesorgs am 2. Juni 1967 sowie des Attentats auf den Studentenführer Rudi Dutschke im April 1968 erreichten die Proteste ihren Höhepunkt. In der darauffolgenden Zeit zerfiel die Bewegung jedoch mehr und mehr in verschiedene Splittergruppen (Frei, 1968, 2008, S. 112 ff., 141ff.; Herbert, Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert, 2014, 849 ff.; Straßner, Historisch-Politische Mitteilungen 14, 2007, S. 99, 102 ff.).

[49] In der Entscheidung, Rechtsanwalts Dr. Croissant wegen des Verdachts der Tatbeteiligung von der weiteren Mitwirkung im Verfahren auszuschließen (Fn. 37), stützte sich der 1. Strafsenat des OLG Stuttgart explizit auf dessen Wortwahl im Rahmen eines Aufrufs, die Forderungen der RAF hinsichtlich ihrer Haftbedingungen durch einen dreitägigen Hungerstreik zu unterstützen: „Bezeichnend für diese Einstellung des Verteidigers ist es, daß er bei dieser Gelegenheit von ‚Vernichtungsinteresse‘, ‚Isolationsfolter‘, ‚Vernichtungshaft‘ und ‚Vernichtungsinteresse der Bundesanwaltschaft und der Staatsschutzbehörden‘ sprach. Er hat sich in Form und Inhalt seiner Äußerungen [...] der Ausdrucksweise der Mitglieder der kriminellen Vereinigung angeglichen [...], die er mit ‚Du‘ und dem Vornamen anzuschreiben pflegt“ (abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 17 f.).

[50] Zum Mordvorwurf betr. Holger Meins s. bereits Fn. 17. Ulrike Meinhof wurde am Morgen des 9. Mai 1976 tot in ihrer Zelle aufgefunden. Die Umstände ihres Todes - offiziell Suizid durch Erhängen - wurden, nicht zuletzt durch die Vertrauensverteidigung, erheblich angezweifelt (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 268 ff.). Der Angeklagte Raspe erklärte am 109. Verhandlungstag: „Wir glauben, daß Ulrike hingerichtet worden ist; wir wissen nicht, wie, aber wir wissen, von wem“ (S. 9609 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[51] § 129 StGB enthält den Straftatbestand der Bildung krimineller Vereinigungen.

[52] § 178 GVG ermöglicht bei ungebührlichem Verhalten die die Festsetzung von Ordnungsgeld oder Ordnungshaft.

[53] Zeug/innen sind grundsätzlich zur Aussage vor Gericht verpflichtet (seit 2009 explizit in § 48 Abs. 1 Satz 2 StPO geregelt; zuvor war dies bereits als allgemeine staatsbürgerliche Pflicht angesehen, s. BVerfG, Beschl. v. 10.10.1978 - 2 BvL 3/78, BVerfGE 49, S. 280, 284). Nach § 70 Abs. 1 StPO können Zeug/innen, die sich ohne gesetzlichen Grund weigern auszusagen, die hierdurch verursachten Kosten auferlegt werden, außerdem wird ein Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft, gegen sie festgesetzt. Nach § 70 Abs. 2 StPO kann zur Erzwingung des Zeugnisses auch die Haft von bis zu 6 Monaten angeordnet werden.

[54] Der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft ist auf Verlangen nach jeder einzelnen Beweiserhebung die Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären (§ 257 Abs. 2 StPO).

[55] § 51 StPO enthält die Folgen des Ausbleibens von Zeug/innen. Wurden sie ordnungsgemäß geladen, so werden ihnen die durch das Ausbleiben entstandenen Kosten auferlegt; zudem wird ein Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft festgesetzt. Wird das Ausbleiben genügend entschuldigt, so unterbleiben diese Anordnungen oder werden wieder aufgehoben (Abs. 2). Die Voraussetzungen für die Verhängung eines Ordnungsgeldes sind somit die ordnungsgemäße Ladung sowie die fehlende Entschuldigung.

[56] § 244 Abs. 3 bis 6 StPO enthalten die abschließenden Gründe, aus denen Beweisanträge abgelehnt werden können. Abgelehnt werden können Anträge Vernehmung von Zeug/innen u.a., wenn das Beweismittel „völlig ungeeignet“ ist. Nicht darunter fällt allerdings ein lediglich zweifelhafter Beweiswert; eine dahingehende Beweisantizipation, dass die benannte Person die aufgestellte Beweisbehauptung wohl nicht bestätigen werde, genügt nicht zur Annahme der Ungeeignetheit (Meyer-Goßner, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 244 Rn. 58; s. aber BGH, Urt. v. 12.6.1997 - Az.: 5 StR 58/97, NStZ 1997, S. 503, 504 mit ablehnender Anmerkung Herdegen, NStZ 1997, S. 505f.).

[57] Anlage 2 zum Protokoll vom 4. August 1976: Senatsbeschluss vom 3. August 1976 (kommissarische Vernehmung der Zeug/innen Stachowiak, Eckes, Jünschke, Grashof).

[58] Anlage 3 zum Protokoll vom 4. August 1976: Schreiben im Auftrag des Bundesministers der Justiz Dr. Vogel an den Vorsitzenden Dr. Prinzing.

[59] Nach § 229 Abs. 1 StPO a.F. durfte die Verhandlung grundsätzlich nur für maximal zehn Tage unterbrochen werden (heute: drei Wochen), im Falle von zehn vorher stattgefundenen Verhandlungstagen aber immerhin einmal auch für 30 Tage (§ 229 Abs. 2 Satz 1 StPO a.F.). Bei Überschreitung der Frist hätte mit der Hauptverhandlung von neuem begonnen werden müssen (§ 229 Abs. 3 StPO a.F.).

[60] Eine Gegenvorstellung ist ein Rechtsbehelf, der zwar nicht in der Strafprozessordnung vorgesehen, allerdings in Rechtsprechung und Literatur überwiegend anerkannt ist. Sie beinhaltet die formlose Aufforderung, über eine getroffene Entscheidung erneut zu befinden und die Entscheidung aufzuheben oder abzuändern (Hoch, in Satzger/Schluckebier/Widmaier [Hrsg.], Strafprozessordnung, 4. Aufl. 2020, Vor §§ 296 ff. Rn. 39 ff.).

[61] § 223 StPO ermöglicht die Vernehmung durch eine/n ersuchte/n oder beauftragte/n Richter/in, wenn dem Erscheinen von Zeug/innen in der Hauptverhandlung nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen, oder ihnen das Erscheinen wegen großer Entfernungen nicht zugemutet werden kann. Die Vernehmung kann auch im Ausland stattfinden. Das Ergebnis der Vernehmung kann gem. § 251 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StPO a.F. (heute: § 251 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StPO) durch Verlesen des richterlichen Vernehmungsprotokolls in die Hauptverhandlung eingeführt werden.

[62] Aus dem Unmittelbarkeitsgrundsatz, der seine Grundlage in der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO sowie der Vorschrift des § 261 StPO („Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung“) findet, ergibt sich, dass das Gericht nur auf der Grundlage der von ihm selbst (unmittelbar) in der Hauptverhandlung wahrgenommenen Umstände entscheiden darf (sog. formeller Unmittelbarkeitsgrundsatz, Kühne, Strafprozessrecht, 9. Aufl. 2015, Rn 914). Die kommissarische Vernehmung von Zeug/innen stellt eine Ausnahme dieses Grundsatzes dar und ist restriktiv zu handhaben (Krüger, Unmittelbarkeit und materielles Recht, 2014, S. 88 ff.).

[63] § 250 StPO enthält den Grundsatz der persönlichen Vernehmung. Nach § 250 Satz 2 StPO darf die Vernehmung einer Person über Tatsachen, die sie wahrgenommen hat, nicht durch die Verlesung einer früheren Vernehmung oder einer schriftlichen Erklärung ersetzt werden Die §§ 251 ff. StPO enthalten enge Ausnahmen von diesem Grundsatz. Der Senat erwog in seinem Beschluss vom 3.8.1976 eine Verlesung nach § 251 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StPO a.F. (heute: § 251 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StPO), worunter u.a. die Fälle fallen, dass dem Erscheinen des/der Zeug/in für eine längere Zeit nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen, sowie dass ihm/ihr das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung der Aussage nicht zugemutet werden kann.

[64] § 169 Satz 1 GVG normiert für die ordentliche Gerichtsbarkeit den Grundsatz, dass die Verhandlungen öffentlich sind. Dieser Grundsatz ist auch Bestandteil des Rechtsstaats- sowie des Demokratieprinzips, womit ihm Verfassungsrang zukommt. Die Öffentlichkeit soll zum einen dem Schutz der Angeklagten dienen, indem sie durch öffentliche Kontrolle der Verfahren einer Geheimjustiz entgegenwirkt. Zum anderen trägt sie dem Interesse der Bürger/innen Rechnung, von dem gerichtlichen Geschehen Kenntnis zu erlangen. Die Öffentlichkeit wird nicht unbegrenzt gewährleistet. Ihr gegenüber stehen andere gewichtige Interessen, die miteinander abgewogen werden müssen, insbesondere die Persönlichkeitsrechte der am Verfahren Beteiligten, das Recht der Angeklagten auf ein faires Verfahren, sowie die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege (BVerfG, Urt. v. 24.01.2001 - Az.: 1 BvR 2623/95, BVerfGE 103, S. 44, 63 f.).

[65] Der Anspruch auf rechtliches Gehör, der in Art. 103 Abs. 1 GG ausformuliert ist, ist eine Ausprägung sowohl des Rechtsstaatsprinzips aus Art. 20 Abs. 3 GG als auch der Menschenwürdegarantie aus Art. 1 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschl. v. 8.1.1959 - Az.: 1 BvR 396/55, BVerfGE 9, S. 89, 95). Er ist zudem einfachgesetzlich in § 33 StPO normiert. Die jeweiligen Anhörungserfordernisse sind insbesondere abhängig von der Frage, ob eine Entscheidung „im Laufe einer Hauptverhandlung“ (Abs. 1) oder „außerhalb der Hauptverhandlung“ (Abs. 2 und 3) ergeht. Während im ersten Fall alle Beteiligten vorher zu hören sind, gilt dies im zweiten Fall ohne weitere Voraussetzungen nur für die Staatsanwaltschaft; andere Beteiligte sind nur zu hören, wenn zu ihrem Nachteil Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet werden sollen, zu denen sie noch nicht gehört worden sind.


[a] Handschriftlich eingefügt: 4

[b] Handschriftlich ergänzt: aufgetreten

[c] Maschinell ersetzt: die durch durch

[d] Maschinell eingefügt: ich

[e] Handschriftlich eingefügt: um

[f] Handschriftlich ersetzt: also durch mal so

[g] Handschriftlich ersetzt: haben durch sahen

[h] Handschriftlich durchgestrichen: ihnen

[i] Maschinell eingefügt: gar

[j] Maschinell eingefügt: mehr

[k] Maschinell ersetzt: hier durch bisher

[l] Maschinell eingefügt: und

[m] Handschriftlich ersetzt: behaupten durch überhaupt

[n] Maschinell durchgestrichen: in

[o] Maschinell ersetzt: Nordamerikaner durch Nordafrikaner

[p] Maschinell eingefügt: oder ähnliches

[q] Maschinell eingefügt: und gesprochen

[r] Maschinell durchgestrichen: gesagt

[s] Maschinell eingefügt: aber

[t] Maschinell durchgestrichen: in

[u] Maschinell ersetzt: bei der durch innerhalb der

[v] Maschinell eingefügt: sich

[w] Maschinell eingefügt: das

[x] Maschinell eingefügt: diese

[y] Maschinell eingefügt: gehabt

[z] Maschinell eingefügt: übrigens

[aa] Maschinell ersetzt: zuständig durch Zustände in

[bb] Maschinell durchgestrichen: damals

[cc] Maschinell eingefügt: auch

[dd] Maschinell durchgestrichen: die

[ee] Maschinell ersetzt: vertreten durch verteidigt

[ff] Handschriftlich eingefügt: in

[gg] Maschinell eingefügt: würde

[hh] Handschriftlich ergänzt: diese

[ii] Maschinell eingefügt: es

[jj] Maschinell ersetzt: ... durch Ja, dann könnte allenfalls die

[kk] Maschinell eingefügt: und

[ll] Handschriftlich ersetzt: diesem durch diesen

[mm] Maschinell eingefügt: dürfen

[nn] Maschinell eingefügt: könnte

[oo] Maschinell eingefügt: sondern

[pp] Maschinell ersetzt: soweit durch sogar

[qq] Maschinell ersetzt: ... durch bitten?

[rr] Maschinell ersetzt: anwesend durch mehr anwesend

[ss] Maschinell eingefügt: und

[tt] Maschinell eingefügt: den hab ich nicht gesagt...

[uu] Maschinell eingefügt: V.: Ist nicht angegeben.

[vv] Handschriftlich ersetzt: hatte durch habe

[ww] Maschinell ersetzt: um durch wieder um

[xx] Maschinell eingefügt: nun

[yy] Maschinell ersetzt: einen durch mal den

[zz] Handschriftlich ergänzt: Ermittlungen

[aaa] Maschinell ersetzt: an durch Angehöriger

[bbb] Handschriftlich ergänzt: Dann

[ccc] Maschinell eingefügt: und

[ddd] Maschinell eingefügt: Denn

[eee] Maschinell ersetzt: Frau-Mann durch V-Mann

[fff] Maschinell ersetzt: hier durch mehr

[ggg] Maschinell eingefügt: also

[hhh] Maschinell ersetzt: Frau-Mann durch V-Mann

[iii] Maschinell eingefügt: Frau-Mann durch V-Mann

[jjj] Maschinell ersetzt: wie gesagt durch Sie sagten eben

[kkk] Maschinell eingefügt: und

[lll] Maschinell ersetzt: Niemals durch Nicht

[mmm] Maschinell ergänzt: damals

[nnn] Maschinell eingefügt: sie

[ooo] Maschinell ersetzt: aus durch in

[ppp] Maschinell ersetzt: ist unwichtig, das ist nur durch wissen Sie so gut wie ich

[qqq] Maschinell eingefügt: Illustrierte

[rrr] Maschinell eingefügt: und

[sss] Maschinell ersetzt: den durch diesen

[ttt] Maschinell eingefügt: einen

[uuu] Handschriftlich ersetzt: indem durch in denen

[vvv] Maschinell eingefügt: jetzt

[www] Maschinell eingefügt: Und

[xxx] Maschinell eingefügt: generell

[yyy] Handschriftlich durchgestrichen: Herrn

[zzz] Maschinell eingefügt: Nein, da ich

[aaaa] Maschinell eingefügt: Herr

[bbbb] Maschinell eingefügt: Können wir gerne machen...

[cccc] Maschinell ersetzt: und durch oder

[dddd] Handschriftlich ergänzt: dann

[eeee] Maschinell eingefügt: und

[ffff] Maschinell eingefügt: beim Gericht

[gggg] Maschinell ersetzt: ... durch Also da

[hhhh] Maschinell eingefügt: als

[iiii] Maschinell ersetzt: Grundsoldenproblematik durch Kronzeugenproblematik

[jjjj] Handschriftlich ersetzt: geschrieben durch umgeschrieben

[kkkk] Maschinell eingefügt: der Pressetätigkeit

[llll] Maschinell eingefügt: das

[mmmm] Maschinell eingefügt: denn

[nnnn] Maschinell eingefügt: das

[oooo] Maschinell ersetzt: das durch nämlich

[pppp] Handschriftlich ergänzt: Informationen

[qqqq] Handschriftlich ergänzt: dann

[rrrr] Maschinell eingefügt: eine

[ssss] Maschinell eingefügt: und

[tttt] Handschriftlich durchgestrichen: ... Na ja

[uuuu] Maschinell eingefügt: Das

[vvvv] Handschriftlich ergänzt: diese

[wwww] Handschriftlich durchgestrichen: zu

[xxxx] Handschriftlich ersetzt: Aussage verweigern durch Aussageverweigerung

[yyyy] Maschinell eingefügt: wieder

[zzzz] Maschinell ersetzt: Artikel durch Aufsatz

[aaaaa] Maschinell ersetzt: ja durch also

[bbbbb] Maschinell ersetzt: Sie ja, durch wir ...

[ccccc] Handschriftlich durchgestrichen: Daß

[ddddd] Maschinell eingefügt: und

[eeeee] Maschinell ersetzt: Und weiter durch Dann steht da weiter

[fffff] Maschinell durchgestrichen: gehabt

[ggggg] Handschriftlich ergänzt: müssten

[hhhhh] Maschinell ersetzt: Welcher durch Wer ist das?

[iiiii] Handschriftlich ersetzt: in durch von

[jjjjj] Handschriftlich durchgestrichen: ich

[kkkkk] Maschinell eingefügt: Sitzungssaal -

[lllll] Maschinell eingefügt: Für Zeugen

[mmmmm] Maschinell ersetzt: Konspiration durch Konzentration

[nnnnn] Maschinell ersetzt: jetzt durch dann

[ooooo] Maschinell ersetzt: wird durch soll

[ppppp] Maschinell ersetzt: also durch daß

[qqqqq] Maschinell ersetzt: möchte durch möglicherweise

[rrrrr] Maschinell eingefügt: für

[sssss] Maschinell eingefügt: Das Gericht ist selbst bemüht.

[ttttt] Handschriftlich ersetzt: hat durch habe

[uuuuu] Maschinell eingefügt: wir

[vvvvv] Maschinell eingefügt: sagen

[wwwww] Handschriftlich durchgestrichen: ein

[xxxxx] Maschinell eingefügt: da