132. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 29. Juli 1976 um 9.04 Uhr.



[10980] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 29. Juli 1976 um 9.04 Uhr.

(132. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen - mit Ausnahme von Reg. Dir. Widera - in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte sind anwesend:

JOS Janetzko

Just. Ass. z. A. Scholze

Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]

Als Verteidiger sind anwesend Rechtsanwälte

Dr. Augst (als amtl. best. Vertr. f. RA Eggler) Künzel, Schnabel, Schwarz, Herzberg (als ministeriell bestallter Vertr. f. RA Schlaegel), und Maixner (als Vertr. f. RA Grigat)

Beim Eintritt des Gerichts bleiben zwei Zuschauer sitzen.

Vors.:

Darf ich die beiden Zuschauer bitten, sich zu erheben. Bitte Platz zu nehmen. Wir setzen die Sitzung fort. Wir haben heute früh Entschuldigung für Herrn Rechtsanwalt Grigat, er wird vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Maixner. Für Herrn Rechtsanwalt Eggler, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Augst. Die Vertretung wird in beiden Fällen genehmigt.

Es ist eine kleine Panne insofern passiert, als ich am Donnerstag voriger Woche ja bekannt gegeben habe, daß es nicht möglich sei, verbindliche Terminspläne über längere Zeiträume hinweg noch bekannt zu geben. Ich habe am Donnerstag lediglich den Dienstag dieser Woche verbindlich bekannt gegeben. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann hat bedauerlicherweise auch diese Erklärung nicht mitbekommen, weil er nicht anwesend gewesen ist. Hat sich am Montag bei der Geschäftsstelle erkundigt und dort den vorläufigen, nicht verbindlichen Terminsplan, ohne daß ein Auftrag dazu bestanden hätte, mitgeteilt bekommen und dieser unverbindliche und gar nicht publizierte Terminsplan sah für heute [10981] erst den Beginn für 10.00 Uhr vor. Er ist gestern abend durch die Mitteilung, daß wir um, daß wir um 9.00 Uhr die Sitzung fortsetzen - ich habe dann die Sitzung sofort abgebrochen - überrascht worden, hat sich sofort gemeldet und darauf hingewiesen, daß er und Herr Rechtsanwalt Schily heute früh im Vertrauen auf die Mitteilung der Geschäftsstelle einen Termin festgesetzt hätten, der um ½ 8 Uhr beginne, den er nicht mehr verschieben könne, weil er ihn schon verschoben hätte mit Rücksicht auf die bisherigen Sitzungen. Nun, das hat zwei Konsequenzen. Das erste, ich bitte also in Zukunft, Termine werden grundsätzlich in der Sitzung bekannt gegeben, werden durch das Gericht bekannt gegeben, die Geschäftsstelle kann nur im Auftrag - dann ruft sie aber von sich aus an - Termine mitteilen, Auskünfte der Geschäftsstelle über Termine und Terminsplanung sind grundsätzlich unverbindlich. Das zweite. Da nun eben doch ein Irrtum mit durch ein Verhalten der Geschäftsstelle hier erweckt worden ist, nehmen wir darauf Rücksicht, beginnen mit der Zeugenvernehmung erst um 10.00 Uhr und füllen die Zeit bis dahin mit der Verlesung aus der Sacherklärung der Angeklagten im Düsseldorfer Prozeß,[2] die uns durch den Vorsitzenden übersandt worden ist. Bitte Herr Dr. Breucker.

Richter Dr. Br[eucker]:

In der Sitzung vom 1.7.1976 ist aus der Zeitschrift Informationsdienst Nr. 127 ein möglicherweise von dem Angeklagten Raspe stammender Brief mit dem Datum vom 11.5.1976 verlesen worden. Ebenso wurde seinerzeit verlesen eine Erklärung unter der Überschrift: „Fragment über Struktur“, die von Ulrike Meinhof stammen soll. Dieses „Fragment über Struktur“ sollen die Angeklagten im Düsseldorfer „Stockholm-Prozess“ im Rahmen ihrer Erklärung zur Sache vorgetragen haben.

Diese übersandte Erklärung trägt die Überschrift: „Beglaubigte Fotokopie. Erklärung zur Sache der Gefangenen aus dem Kommando Holger Meins“.[3]

Gem. § 249 StPO[4] wird eine beglaubigte Fotokopie

- Beglaubigungsvermerk des OLG Düsseldorf - der Erklärung zur Sache der Angeklagten im Düsseldorfer „Stockholm-Prozess“ verlesen von (S. 2):

„Das ist ein Fragment über Struktur ... bis ...

Subjektivität praktisch wird.“ (S. 4)

Ein Vergleich zwischen der übersandten Prozesserklärung und dem im „Informationsdienst“ abgedruckten Text führt zur Feststellung

BAnw. Dr. Wunder verlässt um 9.09 Uhr den Sitzungssaal.

[10982] der Identität.

Es folgen dann in dieser Prozesserklärung aus dem Düsseldorfer Prozess ein „Brief von Ulrike an Hanna Krabbe“.

Gem. § 249 StPO wird aus der Erklärung zur Sache der „Brief von Ulrike an Hanna Krabbe“ auszugsweise verlesen und in seinem wesentlichen Inhalt bekanntgemacht.

Ein weiterer Brief, der von der Strafgefangenen Ulrike Meinhof stammen soll beschäftigt sich mit Psychiatrie.

Gem. § 249 StPO wird aus der Erklärung zur Sache ein weiterer Brief an Hanna Krabbe in seinem wesentlichen Inhalt bekanntgegeben.

Und schließlich noch ein letzter Brief von Ulrike Meinhof.

Gem. § 249 StPO wird aus der Erklärung zur Sache ein „Brief von Ulrike[a] an die Gefangenen in Hamburg“[5] in seinem wesentlichen Inhalt bekanntgegeben.

Es muß hier nochmals festgestellt werden, daß weder der möglicherweise von Raspe stammende Brief noch die Briefe und die Erklärung, die auf die Autorenschaft der Frau Meinhof hindeuten, über die Postzensur des Senats gelaufen sind. Falls diese Schriftstücke also tatsächlich von den genannten Häftlingen stammen sollten, müssen sie auf anderen Kanälen aus der Haft gelangt sein.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Künzel, ich habe Sie gestern abend nochmals an den Beweisantrag, betreffend die Frau Hose, erinnert. Ist dazu was zu erklären?

RA Kün[zel]:

Im Augenblick nicht.

Vors.:

Ich wäre aber doch dankbar - Sie wissen, wir sind bestrebt jetzt die Beweisanträge möglichst straff zu bearbeiten. Sind sonstige Wünsche im Augenblick? Wenn nicht, dann setzen wir die Sitzung um 10.00 Uhr fort mit der Vernehmung des Zeugen Helmut Pohl.

Pause von 9.23 Uhr - 10.06 Uhr

[10983] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 10.06 Uhr.

Bundesanwalt Dr. Wunder ist wieder[b] anwesend.

Als Zeuge ist anwesend:

Helmut Pohl - vorgeführt aus Untersuchungshaft -

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort. Es ist 10 Uhr durch, ich habe gestern ausdrücklich die[c] Herrn, die um den Beginn um 10 Uhr gebeten haben[d], darauf hingewiesen, Punkt 10 Uhr würde fortgefahren. Wir haben jetzt Herrn Pohl als Zeugen.

Rechtsanwalt Schily erscheint nunmehr auch um[e] 10.07 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Herr Pohl, Sie sind als Zeuge zur Wahrheit verpflichtet ...

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, ich ...

Vors.:

Ich würde die Belehrung gerne zu Ende bringen. Die Möglichkeit wird wohl gegeben sein.

RA Schi[ly]:

Das ist eine unaufschiebbare Prozeßhandlung,[6] Herr Vorsitzender.

Vors.:

So, bitteschön. Dauert die Prozeßhandlung länger?

RA Schi[ly]:

Ja.

Vors.:

Dann würde ich vorschlagen, Herr Pohl, daß wir Sie nochmals in das Zeugenzimmer zurückbitten.

Der Zeuge Pohl wird um 10.09 Uhr in den Abstand verwiesen.

Zeuge Pohl:

Es wäre gut mir zu sagen, wenn es los geht für mich?

Vors.:

... wobei ich unter „unaufschiebbar“ das Übliche[7] verstehen muß?

RA Schi[ly]:

Nicht üblich, aber häufig.

Rechtsanwalt Schily verliest den Ablehnungsantrag gegen den Vorsitzenden Richter Dr. Prinzing und übergibt diesen als Anlage 1 zum Protokoll.

Dazu macht er noch folgende Ausführungen:

RA Schi[ly]:

Frau Ensslin hat von dem vorgetragenen Sachverhalt erst heute Vormittag, vor Beginn der Hauptverhandlung erfahren, das [10984] versichere ich anwaltlich.

Vors.:

Ja. Will sich sonst jemand dazu äußern? Ich sehe nicht. Bitteschön, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder?

BA Dr. W[under]:

Ich möchte mir für die Bundesanwaltschaft eine Stellungnahme nach Abgabe der dienstlichen Erklärung vorbehalten.

Vors.:

Ja. In einer halben Stunde bitte ich die Prozeßbeteiligten wieder hier zu sein. Es wird dann bekannt gegeben, wie es weiter geht.

Pause von 10.14 bis 14.01 Uhr.

Fortsetzung der Hauptverhandlung um 14.01 Uhr

Rechtsanwalt Dr. Heldmann ist nunmehr auch anwesend[f].

Herr Wackernagel ist ebenfalls anwesend.

Vors.:

Die Sitzung wird fortgesetzt.

Der Senat hat folgenden Beschluß gefaßt, d.h. die drei zuständigen Richter:[8]

Der Beschluß vom 29.7.1976 über die Ablehnung des Vorsitzenden Richters Dr. Prinzing wird verlesen und als Anlage 2 zum Protokoll genommen.

Vors.:

Ist der Herr Zeuge Pohl ...

RA Schi[ly]:

Darf ich bitten um Namhaftmachung der Herrn Richter, die diesen Beschluß ...

Vors.:

Mitwirkende Richter waren Richter am Oberlandesgericht Dr. Foth, Maier und Dr. Berroth.

RA Schi[ly]:

Dann bitte ich um fünf Minuten Pause.

Vors.:

Ist der Zeuge sowieso nicht im Hause? Dann können wir die fünf Minuten Pause gewähren. 5 Minuten!

RA Schi[ly]:

Dankeschön.

Pause von 14.04 Uhr bis 14.12 Uhr

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, bitteschön?

RA Schi[ly]:

Namens der Angeklagten Ensslin habe ich folgendes vorzutragen: Die Angeklagte Ensslin lehnt den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Prinzing, sowie die Richter Dr. Foth, Maier und Dr. Berroth, wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

[10985-10987][9] [10988][10] [10989-10990][11] [10991][12] [10992][13] [10993-10994][14] [10995-10999][15] [11000-11001][16] [11002] Zur Begründung wird folgendes ausgeführt:

1. Der abgelehnte Richter Dr. Prinzing hat zu Punkt 2 des heute Vormittag vorgetragenen Ablehnungsgesuches keine dienstliche Erklärung abgegeben. Soweit die dienstliche Erklärung von heute Vormittag sich dazu äußert, hat sie folgenden Wortlaut: „Ich gebe aus grundsätzlichen Erwägungen über private Gespräche, auch wenn sie sich mit Rechtsproblemen befaßt haben, keine Äußerung ab.“ Zur Glaubhaftmachung wird auf eine dienstliche Erklärung des abgelehnten Richters, sowie auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

Mit dem Ablehnungsgesuch war vorgetragen worden, daß der abgelehnte Richter im Verlauf der Hauptverhandlung vor mehreren Entscheidungen des Senats, u.a. so schwerwiegende Entscheidungen, wie den Ausschluß der Angeklagten gem. § 231a der StPO,[17] den Ausschluß von Verteidigern gem. § 146 StPO,[18] mit Richtern der Instanzgerichte,[19] also solcher Gerichte, die dann möglicherweise auch mit der gleichen Frage befaßt werden konnten, daß der abgelehnte Richter mit diesen über die konkreten Fragen, die für die jeweiligen bevorstehenden Entscheidungen maßgebend waren, gesprochen hat.

Auch insoweit wird zur Glaubhaftmachung auf eine dienstliche Erklärung des abgelehnten Richters Bezug genommen.

Die Weigerung des abgelehnten Richters, die einer Vereitelung der Glaubhaftmachung[20] in diesem Punkt gleichkommt, muß die Besorgnis der Befangenheit begründen. Das gleiche gilt insoweit, als der abgelehnte Richter in seiner dienstlichen Äußerung von heute Vormittag zu Punkt 1 des Ablehnungsgesuches, sich nicht, bzw. nicht konkret dazu Stellung nimmt, ob denn nun diese Äußerung „der Prozeß ist gelaufen“ gefallen ist oder nicht. In der dienstlichen Äußerungen heißt es insoweit lediglich: „Eine Äußerung, die so hätte verstanden werden können, daß das Ergebnis des Prozesses feststehe und es auf Handlungen anderer Prozeßbeteiligter nicht mehr ankomme, ist mit Sicherheit nicht gefallen“. Also es wird eine Interpretation vorgenommen, aber es wird nicht dazu Stellung bezogen, ob nun diese konkrete Äußerung abgegeben worden ist oder nicht. Wobei es[g] dann Sache des Spruchkörpers, der über das Ablehnungsgesuch zu entscheiden hatte, gewesen wäre, eine Interpretation vorzunehmen in dem Sinne, ob die [11003] Angeklagte daraus den Schluß ziehen mußte und konnte, daß der abgelehnte Richter nicht vorurteilsfrei seinen richterlichen Aufgaben nachkommt. Auch hinsichtlich des zuletzt vorgetragenen Sachverhalts wird auf eine dienstliche Erklärung des abgelehnten Richters Bezug genommen. Der Verpflichtung, eine dienstliche Erklärung zu einem Sachverhalt, der mit einem Ablehnungsgesuch vorgetragen wird, abzugeben, kann der beteiligte Richter nicht dadurch entgehen, daß er sozusagen eine Umgehung vornimmt und zu den konkreten Umständen, die mit dem Ablehnungsgesuch vorgetragen werden, sich nicht äußert. Wenn er das tut, und auf diese Weise die Glaubhaftmachung vereitelt, dann begründet das die Besorgnis der Befangenheit.

2. Die abgelehnten Richter Dr. Foth, Maier und Dr. Berroth haben ihrerseits es nicht für erforderlich gehalten, die von der Verteidigung beantragte ergänzende dienstliche Erklärung des abgelehnten Richters Dr. Prinzing einzuholen. Sie haben auf diese Weise ebenfalls an der Vereitelung der Glaubhaftmachung, der mit dem Ablehnungsgesuch vorgetragenen Tatsachen mitgewirkt.

Zur Glaubhaftmachung wird auf dienstliche Erklärungen der abgelehnten Richter Bezug genommen.

Das gilt insbesondere zu Punkt 2 des Ablehnungsgesuches, wobei es nicht darum geht, daß möglicherweise Diskussionen über abstrakte Rechtsfragen stattgefunden haben könnten. Selbstverständlich ist jeder Jurist gehalten, seine juristischen Kenntnisse nach Möglichkeit zu vervollkommnen und da die geeigneten Diskussionspartner zu suchen. Aber so, wie der Sachverhalt mit dem Ablehnungsgesuch vorgetragen worden ist, hat er einen ganz anderen Charakter, nämlich den, daß ein Vorsitzender Richter, der eine Entscheidung zu treffen hat in einem erstinstanzlichen Spruchkörper, vor diesen Entscheidungen Kontakt aufnimmt zu Richtern der Instanzgerichte und sie zu den konkreten Fragen, die für die jeweils bevorstehenden Entscheidungen maßgebend sind, konsultiert. Eine solche Konsultation dürfte mit dem Prinzip der richterlichen Unabhängigkeit kaum vereinbar sein. Sie schafft jedenfalls einen Schein, einen Anschein in [11004] der Weise, daß die Angeklagte Anlaß hat, gerechtfertigten Anlaß hat, an der Unvoreingenommenheit des abgelehnten Richters zu zweifeln. Und wenn die hier abgelehnten Richter, die über das Ablehnungsgesuch zu entscheiden hatten und über die Frage, ob eine ergänzende dienstliche Erklärung einzuholen ist, an der Vereitelung der Glaubhaftmachung auch insoweit mitwirken, begründet das ebenfalls die Besorgnis der Befangenheit.

Vors.:

Sonstige Wortmeldungen zu diesem Antrag? Sehe ich nicht. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann?

RA Dr. H[eldmann]:

Ich schließe mich den Anträgen, den soeben gestellten Anträgen gegen 1. den Vorsitzenden Richter Dr. Prinzing und 2. die Richter Dr. Foth und Dr. Berroth und Maier an und begründe sie für Herrn Baader wie folgt:

Mit seinem soeben verkündeten Beschluß, der sich ausschließlich den Inhalt der dienstlichen Erklärung des abgelehnten Richters Dr. Prinzing zu eigen gemacht hat, hat der Senat, haben die abgelehnten Richter Dr. Foth, Dr. Berroth und Maier offen gebilligt, daß, wie es in der dienstlichen Erklärung, die mir schriftlich vorliegt, heißt, der Vorsitzende Richter zur Erläuterung eines rechtlich schwierigen Senatsbeschlusses zwei Journalisten zu sich in das Beratungszimmer gebeten habe. Auf weitere Merkmale in dem schriftlich vorliegenden Antrag von Herrn Schily, allerdings ist die dienstliche Erklärung und mit ihr auch der Senatsbeschluß nicht eingegangen, was für sich allein schon bemerkenswert genug ist. Und daraus ergibt sich insgesamt der Tatbestand: Die drei beschlußfassenden hier abgelehnten Richter erklären für rechtens und das bedeutet aus der Sicht meines Mandanten für bedenkenfrei, daß der Senatsvorsitzende einen nach seiner hier bekundeten Auffassung, rechtlich schwierigen Senatsbeschluß, außerhalb der Hauptverhandlung erläutert, während gerichtliche Entscheidungen allein getragen werden müssen, von dem, was in öffentlicher Hauptverhandlung der Senat als Entscheidungsgründe verkündet. Also die Verschiebung einer Begründung aus der Hauptverhandlung hinein in das Richterzimmer durch den Vorsitzenden allein. Mein Mandant hat sich hier zu fragen, welche Motive liegen einem solchen, zumindest ungewöhnlichen und unserer geschriebenen Rechtsordnung nicht entsprechenden Verhalten zugrunde? Etwa, so muß mein [11005] Mandant besorgen, war der in der Hauptverhandlung bekundete Beschluß fehlerhaft begründet. Sollte also außerhalb der Hauptverhandlung in Kamera korrigiert werden, ergänzt werden. War er unvollständig, war er gar unbegründet? So also, daß die Gründe den Entscheidungssatz nicht trugen, oder, so könnte mein Mandant auch besorgen, soll hier vorgebeugt werden einer etwaigen Diskrepanz, der Gefahr einer etwaigen Diskrepanz zwischen der Wortbegründung in öffentlicher Hauptverhandlung in einem etwa später erscheinenden vorzulegenden Protokoll. Weil der Beschluß rechtlich schwierig gewesen wäre, hätte er einer besonderen Erläuterung hier bedurft. Mein Mandant besorgt, warum wird nicht mir, den dieser Beschluß ja in erster Linie angeht, erläutert, wenn er über die mündlich hier gegebene Begründung hinaus der Erläuterung bedurfte? Und dann, wer erläutert den Gerichtsbeschluß? Wenn ich einer juristischen Fachzeitschrift eine abdruckwürdige Entscheidung zum Abdruck zu Verfügung stelle, wird sie meinem etwaigen Wunsch, hier eine Entscheidung, die ich selbst erstritten habe, hier[h] etwa eine Anmerkung zu geben, ablehnen mit der Begründung, weil ich Prozeßbeteiligter war, hätte ich die nötige Distanz zum Gegenstand, zu den Rechtsfragen nicht, so daß die Begründung, die Interpretation, die Urteilsanmerkung durch denjenigen, der an dem Urteil mitgewirkt hat, in jeder juristischen Fachzeitschrift schlicht ausgeschlossen ist. Als Beispiel, das aber aufhorchen lassen sollte.

Der abgelehnte Richter Dr. Prinzing hat eingeräumt, zwei Journalisten, und er im übrigen zu dem weiteren Text des Ablehnungsantrags sich dienstlich nicht erklärt hat, fahre ich fort, zwei Journalisten [i] in sein Beratungszimmer eingeladen zu haben. Der Angeklagte, der hier Befangenheit besorgt, Befangenheit, hier nun der Antrag richtet sich gegen die drei beschlussfassenden Richter, fragt sich, ob hier bestimmten Journalisten, von zweien spricht Herr Vorsitzender Richter, Vergünstigungen gewährt werden und fragt automatisch, welche Gegenleistungen etwa der Vorsitzende Richter, der ein Privatissimum erteilt hierfür, und sei [11006] es selbst unbewußt, erwartet. Und fragt sich danach, ob dieser Richter, der mit Gerichtsentscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung so verfährt, die nötige Distanz zum Verfahrensgegenstand und zu den Prozeßbeteiligten - und dieses ist das rechtliche Interesse an diesem Antrag meines Mandanten - hat, und wie er es mit dem Prinzip der Öffentlichkeit hält, wenn er Beschlüsse seines Spruchkörpers alleine zwei ausgesuchten Journalisten in seinem Beratungszimmer erklärt, erläutert, heißt es hier. Diese Frage nach der Distanz begründet auch die weitere Besorgnis, nämlich das, der Vorsitzende Richter Dr. Prinzing hat in der dienstlichen Erklärung nichts gegenteiliges gesagt, soweit nicht widersprochen, daß er, wie es im Ablehnungsantrag heißt, diesen beiden Journalisten oder einem von ihnen, nachgeeilt sei, um nun auf die Meldung, die zu erwarten war nach diesem Erläuterungsgespräch, Einfluß zu nehmen und dazu unwidersprochen aus dem Ablehnungsantrag von heute Vormittag, unwidersprochene dienstliche Erklärung, und dazu die Empfehlung, ich möchte sagen, das Rezept zu geben, wie zu verfahren sei, nämlich mit der Formulierung: „wie aus Jusitzkreisen zu erfahren war“. Um damit den, ihm mittlerweile selbst gekommenen Bedenken zu begegnen, sein Name als der Interpret seiner eigenen Entscheidung könnte in die Öffentlichkeit geraten, damit dem Journalisten anempfiehlt, den Interpreten, den Richter als Interpreten der eigenen Entscheidung in die Anonymität zu rücken, mit der Formulierung; „wie aus Justizkreisen zu erfahren war“. Wo ein solches Verhalten als richterliches Verhalten die drei namentlich abgelehnten Richter durch ihren soeben verkündeten Beschluß billigten, bestätigten, muß der Angeklagte Baader besorgen, daß sich hier außerhalb der Hauptverhandlung weiter eine, nennen wir es etwas extensiv, eine Art von Nebenrechtssprechung entwickelt, die seine, des Angeklagten Baader Kontrolle, so wie Gesetz und Verfassung sie vorsehen, entzogen ist, entzogen wird. Denn in die Außenwelt wirkt ja nicht allein was als Beschluß mit Gründen, was als Entscheidung hier in öffentlicher Hauptverhandlung verkündet wird, sondern möglicherweise wirkt stärker in die Außenwelt, was die sogenannte 4. Gewalt, die Presse an Entscheidungsratio, an Entscheidungsgründen, an Entscheidungs- [11007] motivierung wiedergibt und da ist mit Sicherheit nicht auszuschließen, daß das, was hier gesagt worden ist, als Beschlußbegründung nicht identisch sein wird mit dem, was der Journalist aus dem ihm gewährten Privatissimum im Beratungszimmer mit in seine Redaktion nimmt und von da her nach außen wirken läßt. Und nicht auszuschließen, zu besorgen ist damit ein Einwirken [j] des Vorsitzenden Richters durch seine Urteilserläuterungen hin, auch zu dem Ergebnis, es kommt nicht darauf an, welchen Zweck, welches Ziel, aber auch zu dem Ergebnis einer Vorverurteilung. Und das begründet die Befangenheit gegen die abgelehnten drei Richter, die den hier verkündeten Beschluß soeben gefaßt haben.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily?

RA Schi[ly]:

Ich schließe mich für Frau Ensslin der zusätzlichen Begründung des Ablehnungsgesuches des Angeklagten Baader an und will das noch in dem Punkt kurz ergänzen, daß die abgelehnten Richter auch insoweit das Verhalten, also die abgelehnten Richter Dr. Foth, Maier und Dr. Berroth auch insoweit das Verhalten des abgelehnten Richters Dr. Prinzing gebilligt haben, als Herr Dr. Prinzing in seiner dienstlichen Erklärung eingeräumt hat, daß er ausdrücklich gebeten hat, in einem Bericht, wenn also dieses Gespräch, der Inhalt des Gesprächs mit den Journalisten in einem Zeitungsbericht verwertet werden sollte, sein Name nicht genannt werden sollte. Wobei die Begründung in der dienstlichen Erklärung wörtlich so lautet: „Erfahrungsgemäß nehmen ja Prozeßbeteiligte Zeitungsäußerungen zum Anlaß für Erörterungen in der Hauptverhandlung.“ Das heißt im Klartext, also das war das Zitat aus der dienstlichen Äußerung von Herrn Dr. Prinzing und diese Stellungnahme von Herrn Dr. Prinzing kann ja nur so verstanden werden, daß er offenbar vermeiden wollte, daß anhand der Presseberichte Prozeßbeteiligte erkennen konnten, daß Herr Dr. Prinzing diese Information, bzw. Erläuterungen zu einem Beschluß gegeben hat. Und das allerdings muß die Situation noch bedenklicher erscheinen lassen, denn was soll denn eigentlich ein Angeklagter sich dabei denken, wenn In- [11008] formationen an zwei Journalisten gegeben werden von einem Vorsitzenden eines Spruchkörpers und er gleichzeitig verhindern will, daß die Prozeßbeteiligten Kenntnis erhalten, daß er diese Information gegeben hat. Und allein dies kleine Detail muß doch erkennen lassen, in welcher Weise sich nun durch dieses Gespräch der abgelehnte Richter in eine unmögliche Lage manövriert hat und daß die abgelehnten Richter Dr. Foth, Maier und Dr. Berroth das durch die Verwerfung des Ablehnungsgesuches abdecken. Das wiederum begründet die Besorgnis der Befangenheit auch ihnen gegenüber.

RA Dr. H[eldmann]:

Für die Glaubhaftmachung nehme ich ausdrücklich Bezug auf die hier schriftlich vorliegende dienstliche Erklärung des Vorsitzenden Richters Dr. Prinzing vom heutigen Tage und 2. auf das Tonbandprotokoll, soweit es die Beschlußgründe, von denen ich hier gesprochen habe, enthält.

RA Schi[ly]:

Die Bezeichnung der Mittel der Glaubhaftmachung gilt auch für die zuletzt vorgetragenen Tatsachen, also dienstliche Erklärung der abgelehnten Richter und der Inhalt der Strafakten.

Vors.:

Ja. Sonstige Erklärungen der Herrn Verteidiger sehe ich nicht. Die Bundesanwaltschaft? Bitte, Herr Bundesanwalt Zeis?

OStA Z[eis]:

Die Bundesanwaltschaft hat schon Bedenken, ob ein Großteil der Ablehnungsgesuche nicht verspätet[21] sind und zwar aus folgendem: Die Herrn Verteidiger dort drüben nehmen aus der dienstlichen Äußerung, die Sie, Herr Vorsitzender, abgegeben haben[k], ein Großteil der Ablehnungsgründe wieder her. Welchen Sinn sollte aber die Bekanntgabe Ihrer dienstlichen Äußerung auch an die Herrn dort drüben gehabt haben, als daß sie dazu wieder Stellung nehmen können. Und wenn sie glauben, in dieser dienstlichen Äußerung seien Ablehnungsgründe drin, die dann zusammen mit ihrer möglichen Stellungnahme zu dieser dienstlichen Äußerung abzugeben. Unabhängig aber davon ist folgendes zu sagen.

Jeder, auch ein Richter und auch ein Vorsitzender Richter hat Anspruch auf Schutz seiner Privatsphäre. Wenn sich deshalb die abgelehnten Richter mit dieser dienstlichen Äußerung, die Sie, Herr Vorsitzender, abgegeben haben, zufrieden gegeben haben, kann daraus nie und nimmer die Besorgnis der Befangenheit hergeleitet werden. Unabhängig davon ist aber folgendes zu sagen. Kollegengespräche, auch mit Angehörigen funktionell übergeordneter [11009] Gerichte sind jederzeit statthaft. Solche Fachgespräche könnten, selbst wenn sie zum Zwecke des Erfahrungsaustausches und der gegenseitigen Unterrichtung über[l] relevante Entscheidungen des jeweiligen Gerichts und insbesondere dann geführt werden, wenn die Praxis nach der Novellierung gesetzlicher Bestimmungen[22] juristisches Neuland zu betreten hat, nie die Besorgnis der Befangenheit begründen. Um so mehr gilt dies, ich hab es vorhin schon angeführt, wenn sich die Gespräche im Rahmen des Privaten halten. Zu den von Herrn Rechtsanwalt Dr. Heldmann vorgetragenen Ablehnungsgründen nur so viel: Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann hat beklagt, daß der Vorsitzende einen rechtlich schwierigen Beschluß Journalisten gegenüber erläutert, nicht aber seinen Mandanten gegenüber. Wir sind eigentlich immer davon ausgegangen, daß der Angeklagte Baader in Person des Herrn Rechtsanwalt Dr. Heldmann ausreichend juristisch beraten sei. Wir haben uns offensichtlich getäuscht, denn anders sind seine Wort hier drüben nicht zu verstehen. Wir nehmen das zur Kenntnis, aber ein Ablehnungsgrund, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, kann daraus niemals hergezogen werden. Man kann sich abschließend des Eindrucks nicht erwehren, daß zumindest durch diesen heute Nachmittag gestellten Ablehnungsantrag der schlechte Eindruck eines von den Herrn Verteidiger dort drüben gestellten Zeugen,[23] bzw. auf deren Antrag vorgeladenen Zeugen, ich brauche wohl keinen Namen zu nennen, durch diese Massierung von Ablehnungsgesuchen verwischt werden soll. Es soll kosten was es wolle, die Vernehmung der Zeugen Pohl und Schiller verhindert werden, damit nicht wieder solche Erfahrungen gemacht werden, wie mit den Zeuginnen Eckes, Stachowiak usw.[24] Insgesamt ist die Bundesanwaltschaft der Auffassung, daß dieses Ablehnungsgesuch von heute Nachmittag keinen anderen Zweck hat, als den Prozeß zu verschleppen, prozeßfremde Zwecke zu fördern.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender ...[m]

Vors.:

Nein, keine Erwiderung ...

RA Schi[ly]:

Zur Frage der Zulässigkeit ...

Vors.:

Um drei Uhr ist Fortsetzung, Publikum vorsorglich zugelassen ...

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, es ist zur Frage der Zulässigkeit Stellung genommen worden, ich möchte darauf erwidern. Herr Vorsitzender, es ist zur Zulässigkeit etwas gesagt worden, [11010] da darf ich darauf nicht erwidern? Ja, das ist Ihr Stil, Herr Vorsitzender.

Pause von 14.41 Uhr bis 15.04 Uhr

Ende von Band 638

[11011] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 15.04 Uhr

Vors.:

Der Senat hat folgenden Beschluß gefasst:

Die Ablehnung der Richter des Senats Dr. Prinzing, Dr. Foth, Maier und Dr. Berroth wird einstimmig als unzulässig verworfen.

Der beanstandete Beschluß ist in Anwendung der §§ 24 ff. StPO[25] ergangen. Die Ergänzung der dienstlichen Äußerung war aus den im Beschluß genannten Rechtsgründen nicht erforderlich. Das wissen auch die Angeklagten und ihre Verteidiger. Letzteres gilt auch für die Frage der rechtlichen Zulässigkeit eines Gesprächs mit Journalisten. Hierzu ist im beanstandeten Beschluß Stellung genommen.

Das Verhalten der Richter hat mit Befangenheit nichts zu tun. Die nunmehr geltend gemachten Ablehnungsgründe dienen offensichtlich nur dazu, die heute vorgesehenen Zeugenvernehmungen nach den in den letzten beiden Tagen gemachten Erfahrungen zu verhindern, also der Verschleppung (§ 26 1 Abs. 1 Nr. 3 StPO).[26]

RA Schi[ly]:

Ich bitte ums Wort.

Vors.:

Bitte.

RA Schi[ly]:

Namens der Angeklagten Ensslin werden die Richter Dr. Prinzing, Dr. Foth, Maier, Dr. Berroth und Dr. Breucker wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

Namens der Angeklagten [n] Ensslin wird das Ablehnungsgesuch wie folgt begründet:

In der heutigen Nachmittagssitzung ist für die Angeklagte Ensslin ein ausführliches Ablehnungsgesuch vorgetragen worden. Die Bundesanwaltschaft hat dazu, durch Herrn Bundesanwalt Zeis in der Weise Stellung genommen, daß sie beantragt hat, das Ablehnungsgesuch als unzulässig zu verwerfen und hat dazu Ausführungen gemacht, insbesondere in der Richtung, daß angeblich mit dem Ablehnungsgesuch eine Prozeßverschleppung beabsichtigt sei. Daraufhin hat die Verteidigung den Herrn Vorsitzenden gebeten ihr das Recht zur Erwiderung zuzubilligen zur Frage der Zulässigkeit des Ablehnungsgesuches. Der abgelehnte Richter, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Dr. Prinzing, hat diesen Antrag mit der knappen Formel, keine Erwiderung, beschieden und hat sich aus dem Saal begeben, [11012] in seinem Gefolge die weiteren abgelehnten Richter, die damit konkludent ebenfalls eine Erwiderung zu den Ausführungen der Bundesanwaltschaft, hinsichtlich der Zulässigkeitsfrage verhindert haben. Zur Glaubhaftmachung wird auf das Sitzungsprotokoll und auf dienstliche Erklärungen der abgelehnten Richter Bezug genommen.

Auf diese Weise ist verhindert worden, daß die Verteidigung zu den Ausführungen der Bundesanwaltschaft, betreffend die Zulässigkeitsfrage Stellung nimmt. Insbesondere ist[o] verhindert worden, daß die Verteidigung zum Ausdruck bringen kann, was sie[p] hiermit ausdrücklich auch nocheinmal tut, daß es keineswegs darum gehen kann, hier irgendeine Zeugenaussage zu verhindern, zumal es sich um Zeugen handelt - bekanntlich - die die Verteidigung benannt hat und an deren Vernehmung sie ein elementares Interesse hat. Wenn demgegenüber einfach eine solche Behauptung in den Raum gestellt wird, dann soll sie offenkundig nur vom eigentlichen Inhalt des Ablehnungsgesuches ablenken. Wenn in einem solchen wichtigen Punkt, nämlich die Frage der Zulässigkeit eines Antrages, der Verteidigung einfach das Wort abgeschnitten wird, dann lehrt das die Verteidigung und die Angeklagten daß offenbar es mit dem rechtlichen Gehör nicht genau und sehr unterschiedlich genommen wird. Man muß einfach einmal den Kontrast beobachten, der hinsichtlich Pausengewährungen, Erklärungsrecht und ähnlichem bei verschiedenen Prozeßbeteiligten, wie da die Praxis gehandhabt wird. Man muß einmal sich erinnern, mit welchem Sanftmut, mit welchem Entgegenkommen, mit welcher Großzügigkeit hier im Saal bestimmte Zeugen und[q] deren Rechtsvertreter behandelt worden sind, man muß der Tatsache ein Gedenk sein, daß es bisher noch nie, in keinem einzigen Fall, der Bundesanwaltschaft, wenn sie sich zu Wort gemeldet hat, verwehrt worden ist, sich noch einmal dazu zu äußern zu irgendeinem bestimmten Punkt; daß aber gerade dann, wenn die Verteidigung meint, daß es in einer Frage, die so sicherlich nicht so von untergeordneter Bedeutung ist, nämlich die Zulässigkeit eines Antrags, dann es auf einmal besonders eilig ist und nicht einmal Gelegenheit gegeben wird, in einem relativ kurzen Zeitraum - und die Frage der Zulässigkeit wäre ja dann vielleicht doch relativ kurz zu erörtern gewesen - dazu Stellung zu nehmen. Diese Art der Prozeßführung, die leider nun von allen Beteiligten und jetzt abgelehnten Richtern mitgetragen wird, begründet die Besorgnis der Befangenheit. Es muß in diesem Zusammenhang noch kurz auf die Frage eingegangen werden, weil sie eine Rolle in dieser Erörterung der Bundesanwaltschaft, hinsichtlich der Zulässigkeit des vorangegangenen Ablehnungs- [11013] gesuches, daß ja jetzt im Zusammenhang steht mit diesem Ablehnungsgesuch. Auf zwei Fragen muß da eingegangen werden. Einmal die Frage der Verspätung; die Bundesanwaltschaft übersieht, daß ja in dem Ablehnungsgesuch von heute vormittag, nach dem die dienstliche Erklärung von Herrn Dr. Prinzing vorlag, der Antrag gestellt worden ist, - schriftlich - auf eine ergänzende dienstliche Erklärung. Und selbstverständlich hat die Verteidigung erwartet, daß diesem Antrag stattgegeben wird, nach dem sie durch den hier heute nachmittag verkündeten Beschluß erfahren hat, daß das nicht der Fall war, erst dann ergab sich die Situation für das neue Ablehnungsgesuch.

Und die zweite Frage, Herr Bundesanwalt Zeis hat die Auffassung vertreten, daß auch ein Richter Schutz seiner Privatsphäre verdient. Darin ist ihm selbstverständlich zuzustimmen. Nur, die Privatsphäre ist sozusagen dann nicht geschützt, wenn es sich um Vorgänge innerhalb des privaten Rahmens handelt, die mit diesem Verfahren in einem unauflöslichen Zusammenhang stehen. Wenn beispielsweise ein Richter in einem Privatgespräch erklärt, daß er den Angeklagten, dessen Urteil noch bevorsteht, für schuldig hält, dann wird [r] sicherlich Herr Bundesanwalt Zeis auch nicht geltend machen, ja, also über den Inhalt dieses Gesprächs dürfen wir nichts erfahren, weil ja der Richter den Schutz seiner Privatsphäre in Anspruch nehmen kann. Und wenn hier mit einem Ablehnungsgesuch, wie es der Fall war, vorgetragen wird, daß ein Vorsitzender Richter mit Richtern übergeordneter Gerichte vor einer Entscheidung Gespräche führt und sie konsultiert, im Hinblick auf das, was zu entscheiden sein wird, dann meine ich, ist das auch nicht mehr Privatsphäre, selbst wenn es sich um juristisches Neuland handelt, in dem man vielleicht ins Stolpern geraten kann. Zusammenfassend stelle ich fest, daß die Verweigerung des rechtlichen Gehörs, wie es hier glaubhaft gemacht worden ist, bei allen abgelehnten Richtern die Besorgnis der Befangenheit von Frau Ensslin, begründet und daher das Ablehnungsgesuch gerechtfertigt ist.

Vors.:

Herr Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Baader schließt sich diesem Ablehnungsgesuch an.

Gründe: Die Bundesanwaltschaft hat in ihrer Erwiderung auf die hier gestellten Ablehnungsanträge, deren Abweisung begehrt, weil mit ihnen nichts anderes erreicht werden sollte, als diesen Prozeß zu verschleppen und so im sinngemäßen Text weiter, daß die Verteidigung damit bezweckte, den schlechten Eindruck der von der Verteidigung beantragten Zeugenvernehmungen durch Massierung von Ablehnungsanträgen und damit auch die jetzt beabsichtigten Zeugenvernehmungen zu verhindern, so sinnge- [11014] gemäß.

2. Das Gericht ist in seinem Beschlußgründen diesem Zurückweisungsantrag der Bundesanwaltschaft inhaltlich und sogar bis in die Formulierungen hinein gefolgt. Ohne zu berücksichtigen, daß Äußerungen und Handlungen der Verteidigung und hier, darauf kommt es stärker an, der Angeklagten selbst, das Gegenteil genau erweisen. Als auf diesen Tatsachenbehauptungen, die Angeklagten und die Verteidiger verfolgten mit diesen Ablehnungsanträgen einen bestimmten Zweck, die Behauptung also jedenfalls einer inneren Tatsache, als auf diese Tatsachenbehauptung[s] überraschend, daß der Herr Vorsitzende die[t] Wortmeldung[u] des Kollegen Schily, der selbstverständlich für eine Erwiderung hierzu, meine ich[v], hätte folgen sollen, ignoriert hat, hat Herr Schily diese Wortmeldung wiederholt, der Vorsitzende, und ihm folgend die Richter dieses Senats, haben den Richtertisch und den Sitzungssaal verlassen.

Damit haben sie, zum Nachteil des Angeklagten Baader, auch des Angeklagten Baader, dessen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

Denn jeder Prozeßbeteiligte hat nach diesem Verfassungsprinzip, das in der Strafprozeßordnung ausdrücklich wiederholt[27] wird, den Rechtsanspruch darauf, auf eine von der Gegenseite in die Verhandlung eingeführte Tatsachenbehauptung oder Beweismittel, Tatsachenbehauptung, die neu ist in diesem Verfahren - hier geht es um das Ablehnungsverfahren - erwidern zu können. Denn auch der andere Teil soll gehört werden.

Verletzt ist aber auch der prozessuale Anspruch der Angeklagten, ausgeübt durch ihre Verteidiger, gegen eine sachleitende, verhandlungsleitende Maßnahme des Vorsitzenden, das Gericht anzurufen. Denn mit dem Aufstehen war ja nun spätestens Herrn Schilys Antrag, ihm das Wort zu erteilen, beschieden worden, und zwar negativ. Und hiergegen sieht die Prozeßordnung die Anrufung des Gerichts vor. Wo aber der Vorsitzende schon mit dem Aufstehen, den hier tagenden Spruchkörper sprengt, ist dieses Gericht, was zur Entgegennahme der Rüge kompetent war, nicht mehr vorhanden. Das bedeutet, der abgelehnte Richter hat den prozessualen Anspruch auf Anrufung des Gerichts nach § 238 Abs. 2[ StPO][28] vereitelt zum Nachteil des Angeklagten Baader. Um so schwerer wiegend, als mit dieser Wortmeldung begehrt war, das gebotene rechtliche Gehör zu gewähren. Um so stärker wiegt diese doppelte Benachteiligung des Angeklagten, als dann das Gericht die Antragsbegründungen, sei sie auch noch so dubios, noch so stereotyp, als den Inhalt seiner Beschlußgründe übernommen hat und [11015] damit wird evident, daß dieser Beschluß krankt an dem Mangel, rechtliches Gehör gewährt zu haben.

Glaubhaftmachung: Tonband.

Vors.:

Sonstige Äußerungen sehe ich nicht.

Herr Bundesanwalt Zeis.

OStA Z[eis]:

Zum Zeitpunkt der Olympiade drängt es offensichtlich manchem, auch ohne in Montreal zu sein, hier neue Rekorde aufzustellen.

Buhrufe im Sitzungssaal.

Vors.:

Ich bitte um Ruhe im Saal.

OStA Z[eis]:

Sie sind, meine Herren, dort drüben drauf und dran ...

Vors.:

Entschuldigen Sie, Herr Bundesanwalt Zeis.

(Zu den Zuhörern) Ich möchte bloß darauf hinweisen, solche Unmutsäußerungen würden zu Ihrem Ausschluß führen müssen. Unterlassen Sie sie!

OStA Z[eis]:

Ich bin unterbrochen worden, Herr Vorsitzender, ich darf den letzten Satz nochmals wiederholen.

Vors.:

Bitte.

OStA Z[eis]:

Sie sind in Ihrem Verhalten, meine Herren dort drüben, drauf und dran, den 60. Ablehnungsantrag und der dritte am heutigen Tage. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, als ob dieser neuerliche Ablehnungsantrag nur dem Zweck ..., mit nur dem Zweck dienen würde, die Erwiderung auf unsere Stellungnahme, die Ihnen nicht gestattet worden ist, hier nachholen zu können.

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, wenn ich richtig gerechnet habe, sind Sie 14 Monate schon in diesem Prozeß, aber noch immer ist Ihnen nicht der Unterschied zwischen neuen Tatsachenbehauptungen und Rechtsmeinungen aufgegangen. Wenn die Bundesanwaltschaft vorhin die Meinung geäußert hat, daß sie Zweifel hat, ob diese Ablehnungsgründe, ein Teil der Ablehnungsgründe von Ihnen, nicht etwa verspätet wären, um Himmelswillen, das ist doch keine neue Tatsachenbehauptung, sondern eine Rechtsmeinung und dazu steht Ihnen niemals mehr das Wort zu.[29]

RA Dr. He[ldmann]:

Er hat mal wieder nicht zugehört.

OStA Z[eis]:

Auch für den allerletzten ...

Vors.:

Das ist auch ungewöhnlich, daß man so dazwischenruft, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Die Erwiderung ... Behauptungen ...

OStA Z[eis]:

Auch für den allerletzten ...

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, unterlassen Sie das bitte.

Vors.:

Sie haben jetzt schon das Erwiderungsrecht wohl vorweggenommen.

Im Augenblick bitte ich Sie, Herr Dr. Heldmann, zu schweigen, jetzt [11016] ist die Bundesanwalt bei ihren Ausführungen.

OStA Z[eis]:

Auch für den allerletzten, der noch halbwegs noch in der Lage ist, objektiv die Dinge zu sehen, muß es klar sein, was mit diesem dritten Ablehnungsgesuch an diesem Tage erreicht werden soll, was die Antragsteller damit bezwecken. Es soll Zeit geschunden werden für Dinge, die wir uns scheuen, hier deutlicher auszusprechen.

Die Bundesanwaltschaft beantragt deshalb:

gem. § 26a Abs. 1, Ziff. 3[ StPO] auch dieses Ablehnungsgesuch, weil mit ihm nur verfahrensfremde Zwecke gefördert werden sollen, als unzulässig zu verwerfen.

RA Schi[ly]:

Ich bitte ums Wort.

Vors.:

Keine Erwiderung.

RA Schi[ly]:

Ich beanstande die prozeßleitende Maßnahme des Herrn Vorsitzenden und bitte um einen Senatsbeschluß und bitte, mir das Recht zur Erwiderung zuzubilligen.

Vors. (nach geheimer Umfrage)[w]:

Der Senat hat beschlossen,

es wird kein Erwiderungsrecht eingeräumt,

da keine neuen Tatsachenbehauptungen vorgetragen worden sind, sondern Rechtsausführungen gemacht worden sind.

Wir setzen die Sitzung ...

RA Dr. He[ldmann]:

Ich bitte ums Wort.

Vors.:

Bitte. Keine Erwiderung aber. Wir müssen jetzt ...

RA Dr. He[ldmann]:

Ich beantrage ...

Vors.:

... da wir im Augenblick ...

RA Dr. He[ldmann]:

Ich beantrage Erwiderung ... Ich beanstande Ihre sachleitende Maßnahme und begründe die Beanstandung wie folgt: Wo nicht ...

Vors.:

Nein, es ist bereits über die Beanstandung entschieden worden, die Beanstandung ausgesprochen hat Herr Rechtsanwalt Schily, da hätten Sie sich sofort anschließen müssen.

RA Dr. He[ldmann]:

Verzeihen Sie, vertritt Herr Schily Herrn Baader?

(Anfang unverständlich) ... falls Ihre Frage, ich vertrete Herrn Baader. Herr Baader hat nicht beanstandet bisher.

Vors.:

Gut, wird anerkannt.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich begründe die Beanstandung wie folgt:

Wo schon der Vorsitzende unterlässt, und zwar demonstrativ einseitig, Prozeßbeteiligte gegen verbale Anpöbeleien einer anderen Prozeßpartei [11017] zumindest der Form halber noch, hier also diese sogenannte Ordnung der Hauptverhandlung insoweit zu wahren oder wiederherzustellen, wo er dies einseitig und ständig unterlässt, sollte er doch zumindest: dann dem Angepöbelten die Möglichkeit eigener Erwiderung geben. Inhalt der Gründe ...

Vors. (nach geheimer Beratung):

Der Beschluß wird verkündet wie vorher:

Es sind keine neuen Tatsachenbehauptungen vorgetragen worden, kein Erwiderungsrecht.

Ich bitte in einer ¼ Stunde wieder anwesend zu sein, es wird dann bekanntgegeben wie es weitergeht.

Publikum vorsorglich zugelassen.

Pause von 15.25 Uhr bis 15.38 Uhr

Fortsetzung der Hauptverhandlung um 15.38 Uhr

Vors.:

Der Senat hat folgenden Beschluß gefasst:

Die Ablehnung der Richter des Senats wird einstimmig als unzulässig verworfen.

Die neuerlichen Ablehnungsgesuche bestätigen die Richtigkeit der im vorhergehenden Beschluß geäußerten Auffassung des Senats, daß nämlich, durch die Ablehnungsgesuch allein Prozeßverschleppung betrieben werden soll; es soll unter allen Umständen verhindert werden, die für heute geladenen Zeugen Pohl und Schiller zu vernehmen.

Für jedermann, auch für die Angeklagten und ihre Verteidiger ist klar, daß das Verhalten der Richter mit Befangenheit nichts zu tun hat Wenn auf die Stellungnahme der Bundesanwaltschaft keine Erwiderung zugelassen wurde, so ist dies rechtens, da der Vertreter der Bundesanwaltschaft keine neuen Tatsachen vorgetragen hat. Auch ist dadurch keine neue Rechtslage entstanden, daß die Bundesanwaltschaft zur Zulässigkeit eines von den Antragstellern selbst gestellten Antrag Stellung genommen hat.

[11018] Der Zeuge Pohl wird, um 15.40 Uhr in den Sitzungssaal vorgeführt.

Vors.:

Bitte nehmen Sie Platz, Herr Pohl; es tut mir leid, daß es so lang gedauert hat.

Ich möchte Sie belehren darüber, daß Sie als Zeuge geladen sind.

Zeuge Po[hl]:

Moment mal ...

Vors.:

Nein, jetzt bin ich am Reden, nicht Sie, Herr Pohl.

Zeuge Po[hl]:

Ich will, daß das ganze Ding auf morgen verschoben wird. Seit heute morgen um ¼ nach 8 geht das, werde ich dauernd auf dem Sprung gehalten bis jetzt um ¼ vor 4.

Vors.:

So ist es ...

Zeuge Po[hl]:

... 6 Std. hier her ...

Vors.:

Das ist nicht gut möglich. Es ist doch die Flugzeit wesentlich kürzer, die wir kennen. Und außerdem, Sie sind frühzeitig angekommen ...

Zeuge Po[hl]:

Ja, das ist sehr gut möglich gemacht worden. Ich stand nämlich 2 Stunden da erst auf dem Sportplatz in einem Loch drin, das so groß ist wie eine Besenkammer.

Vors.:

Herr Pohl, eine Verschiebung auf morgen kommt nicht in Betracht. Wir haben morgen keine Sitzung.

Ich muß Sie darauf hinweisen...

Zeuge Po[hl]:

Dann das nächste Mal.

Vors.:

Nein, es ist auch kein nächstes Mal vorgesehen, sondern die Vernehmung wird heute durchgeführt. Sie sind nicht der erste Zeuge, dem dieses Mißgeschick widerfährt.

Der Zeuge Pohl wird gem. §§ 57 und 55 StPO[30] belehrt.

Die Belehrung wird von dem Zeugen Pohl wie folgt unterbrochen:

... Sie operieren hier mit Typen, die lügen das Blaue vom Himmel bzw. das Schwarze von der Bundesanwaltschaft hier ...

Vors.:

Ich darf fragen, haben Sie etwas dagegen, daß ein Tonband mitläuft[31] bei Ihrer Aussage?

[11019] Zeuge Po[hl]:

Das Tonband soll abgestellt werden.

In der Folge wird das Tonband ausgeschaltet, solange sich der Zeuge äußert.

Die Personalien des Zeugen Pohl werden wie folgt festgestellt:

Helmut Pohl, 32 Jahre alt,

Arbeiter, z.Zt. Justizvollzugsanstalt Hamburg.

Mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert, wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Dem Zeugen werden die von der Verteidigung benannten Beweisthemen bekanntgegeben.

Er äußerte sich im Zusammenhang zur Sache.

OStA Zeis verlässt von 16.24 Uhr bis 16.28 Uhr den Sitzungssaal.

Während den Ausführungen des Zeugen wird er vom Vorsitzenden wegen auf eine Zwischenfrage gemachten Zurufs, dieser solle „die Schnauze“ halten, auf die Möglichkeit hingewiesen, daß gegen ihn wegen Ungebühr Ordnungsmaßnahmen[32] verhängt werden könnten.

Auf eine spätere nochmalige Warnung während seiner Aussage erwidert er:

„Scheiß Ordnungshaft, dazu kommt man wohl in den Knast.“

Vors.:

Mir erscheinen die von mir gestellten Fragen ausreichend beantwortet. Beim Gericht sehe ich keine Fragen mehr. Die Herren der Bundesanwaltschaft?

Zeuge Po[hl]:

Mir erscheint sie überhaupt noch nicht ausreichend beantwortet.

BA Dr. Wu[nder]:

Keine Frage. Uns hat der Zeuge erstaunlich viel berichtet.

Vors.:

Dann darf ich die Herren Verteidiger bitten, weitere Fragen an den Herrn Zeugen zu stellen.

Zeuge Po[hl]:

Ich bin noch nicht fertig.

[11020] Vors.:

Ich habe keine Frage mehr an Sie jetzt.

Zeuge Po[hl]:

Also ich bin noch nicht fertig.

Vors.:

Das bestimmen nicht Sie. Sind noch Fragen seitens der Herrn Verteidiger? Bitteschön, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

Zeuge Po[hl]:

Dann kommt natürlich dann auch zu dem Info,[33] wenn ich zum Info spreche ...

Vors.:

Halt, Herr Pohl, Sie geben nur Antworten jetzt auf die Fragen, die gestellt werden. Bitte Herr Rechtsanwalt.

Zeuge Po[hl]:

Sie halten jetzt mal wirklich die Fresse!

Vors.:

Jetzt möcht ich Sie dazu fragen, ob Sie sich äußern wollen, wenn der Senat gegen Sie ...

Zeuge Po[hl]:

Zum Info gehört doch die ganze Scheiße, die hier um die Anwälte dauernd gewickelt wird; und dazu will ich noch etwas sagen.

Vors.:

Auch wenn Sie jetzt im Augenblick noch etwas sagen wollen, sagen Sie zunächst etwas, ob Sie sich äußern wollen zu der Frage einer Ordnungsstrafe, die gegen Sie verhängt werden könnte? Keine Äußerung.

(Nach geheimer Umfrage):

Der Senat hat soeben beschlossen,

gegen den Zeugen wird eine Ordnungshaft von 1 Woche verhängt.

Er hat im Augenblick dem Vorsitzenden zugerufen: „Halt die Fresse“ und dies nachdem er häufig und wiederholt - „Halten Sie die Fresse“ könnte der Text auch gelautet haben - nachdem er häufig und wiederholt darauf hingewiesen worden ist, daß er sich hier keiner Ungebühr schuldig machen dürfe und daß ihm sonst Ordnungsstrafe drohen würde.

- - -[x]

Jetzt bitte ich, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, Ihre Frage zu formulieren.

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Zeuge, können Sie berichten, im Zusammenhang berichten, über die Entstehung des Infos, die Bedingungen für die Entstehung des Infos, Zweck und Ziel des Infos?

Vors.:

Das ist nun allerdings eine Frage, die beantwortet ist. Es sind die Gründe der Entstehung, die Bedingungen, unter denen das Info entstanden ist, genau geschildert worden, ebenso wie der Zweck. Ich bitte also keine Wiederholungen.

[11021] RA Dr. He[ldmann]:

Es ist keine Wiederholungsfrage, Herr Vorsitzender. Sie können den Umfang ...

Zeuge Po[hl]:

Moment, ich sag dazu was. Ich werde das dann jetzt noch präzisieren, was ich gesagt habe. Ich werde ...

Vors.:

Gut, wir werden sehen, ob präzisere Antwort noch erteilt werden kann.

Zeuge Po[hl]:

Ich bin im Februar 1976 eingefahren. Das Info ist nicht irgendwie eine institutionalistische Sache gewesen, sondern eine dauernde Entwicklung. Das Info ist entstanden aus der Notwendigkeit für die Gefangenen in der Isolation zur Kommunikation.

Vors.:

Ich kann das in dieser Form nicht weiter zulassen, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann. Was zu befürchten war: Das ist genau derselbe Ansatz, der vorhin schon ausführlich erörtert worden ist. Es handelt sich um eine Wiederholung. Ich bitte doch, die Frage so präzise zu formulieren, daß der Herr Zeuge nicht veranlasst wird, Wiederholungen zu bringen.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich kann erst dann, wenn der Herr Zeuge meine Frage zu Ende beantwortet hat, dann entscheiden, was gesagt werden sollte, als er anfängt.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, das würde voraussetzen, daß die Frage der Wiederholung überhaupt nur dann aufgeworfen werden könnte, wenn bereits wiederholt ist. Das ist nicht der Sinn der Sache. Der Herr Zeuge fängt eben wieder an, daß die Isolation usw., die Bedingung war, um das Info zu gründen, als Kommunikation unter den isolierten Gefangenen. Das sind Dinge, die er vorhin schon in aller Breite erzählen konnte. Bitte jetzt weitere Fragen.

RA Dr. He[ldmann]:

Das war der Ansatzpunkt für das, was er jetzt zu meiner Frage antworten wollte. Den Ansatzpunkt, den haben wir gehabt, aber es ist sicher zulässig - und es ist nicht eine Wiederholung -, wenn man zum Ansatz von zusammenhängender Darstellung und zusammenhängender Ausführung auf einen früher gesprochenen Satz zurückkommt. Nicht mehr hat der Zeuge im Moment getan. Ich kann also nicht beurteilen, was der Zeuge im Anschluß an diesen Ansatzsatz sagen wird.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, das ist ja eben das, daß Wiederholungen vermieden werden müssen, das heißt, man muß sie von vornherein vermeiden, wenn sie überhaupt einen Sinn haben sollen.

Herr Pohl, bitte tragen Sie in diesem Zusammenhang nicht mehr das [11022] vor, was Sie dem Gericht schon mitgeteilt haben, sondern geben Sie noch das, was Sie dazu noch an zusätzlichem Wissen besitzen.

Zeuge Po[hl]:

Ich sage es dann so. Das Info ist entstanden aus dem Kampf ums Überleben der Gefangenen, aus dem praktischen Kampf. Im Kampf um den Begriff der Situation, in der die Gefangenen standen, unter den Bedingungen, daß ohne Kommunikationsaustausch und ohne irgendwie eine lebende Entwicklung Leben unmöglich ist.

Vors.:

... Wiederholung ...

Zeuge Po[hl]:

Moment, lassen Sie mich den Satz zu Ende reden.

Vors.:

Ja bitte, den Satz. Wollen wir sehen, ob etwas Neues kommt.

Zeuge Po[hl]:

Ich will sagen, ganz klar, d.h., daß wir weitergekommen sind darin. Das bedeutet einen Sprung in der Entwicklung.

Vors.:

Einen Sprung in Ihrer Entwicklung, sagen Sie?

Zeuge Po[hl]:

Was suchen Sie denn da?

Es gibt die Dialektik vom Krieg, daß wir natürlich nach so und soviel Jahren Isolation und des kollektiven Kampfes gegen die Vernichtungsangriffe wo anders sind als am Anfang, wovon der Staatsschutz einen bestimmten Begriff entwickelt hat.

Der Zweck war die Vermittlung von Information, Kommunikation ...

Vors.:

Das sind Weitschweifigkeiten und Wiederholungen. Ich kann sie nicht zulassen. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, bitte, jetzt neue Fragen zu formulieren.

Zeuge Po[hl]:

Sie sind doch wirklich eine jämmerliche Ratte, die einen nicht ausreden lassen kann.

Vors.:

Ich bitte Sie jetzt, daß Sie sich dazu äußern. Jetzt kommt eine neue Ordnungsstrafe in Betracht. Wollen Sie sich dazu äußern? Ich sehe nicht.

(nach geheimer Umfrage)

Der Senat hat beschlossen:

Der Zeuge wird wegen Ungebühr erneut in eine Ordnungsstrafe von 1 Woche genommen.

Er hat im Augenblick den Vorsitzenden als eine „jämmerliche Ratte“ bezeichnet, „die einen nicht ausreden lassen kann.“

Jetzt darf ich Sie bitten, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, Ihre Fragen zu formulieren.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich habe keine Fragen mehr, danke.

Vors.:

Sonstige Fragen an den Herrn Zeugen? Sehe ich nicht.

[11023] Der Zeuge Pohl bleibt gem. § 60 II StPO[34] wegen Verdachts der Tatbeteiligung unbeeidigt.

Zeuge Po[hl]:

Ja ich bin noch nicht fertig. Also so eine Schweinerei. Ich will noch was zu der ganzen Scheiße, ... Anwälte gewickelt wird, sagen.

Vors.:

Ich bitte den Zeugen zu entfernen.

Der Zeuge Pohl wird im allseitigen Einvernehmen um 16.50 Uhr entlassen.

Vors.:

Ich bitte dann, die Zeugin Schiller dann in den Saal zu führen. Wir machen eine Pause aber zuvor von einer Viertel Stunde.

Pause von 16.51 Uhr bis 17.09 Uhr.

[11024] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 17.09 Uhr

Rechtsanwalt Dr. Heldmann ist nicht mehr anwesend.

Die Zeugin Margrit Schiller - vorgeführt aus Untersuchungshaft - ist anwesend.

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort. Frau Schiller, Sie sind auf Antrag der Verteidigung als Zeugin geladen.

Die Zeugin Schiller wird gem. §§ 57 und 55 StPO belehrt.

Wir haben für Gerichtszwecke ein Tonbandgerät eingeschaltet.

Sind Sie damit einverstanden, daß ...

Zeugin Schi[ller]:

Nein.

In der Folge wird das Tonband abgeschaltet, solange sich die Zeugin äußert.

Die Personalien der Zeugin Schiller werden wie folgt festgestellt:

Margrit Schiller, Studentin,

z.Zt. JVA Hamburg,

Mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert. Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Frau Schiller, es handelt sich darum ...

Zeugin Schi[ller]:

Ich möchte einen Antrag stellen, daß ich am Dienstag hier aussage. Ich bin gestern um ½ 8 Uhr angekommen mit dem Hubschrauber. Ich warte heute seit 10.00 Uhr auf die Aussage. Ich verlange, daß ich erst am Dienstag hier aussagen kann. Außerdem beantrage ich, daß ich einen Zusammenschluß mit den drei Angeklagten haben kann.

Vors.:

... transportiert worden. Sie konnten hier normal übernachten.

[11025] Das Warten ist lästig, aber doch nicht die anstrengendste Tätigkeit. So daß man eigentlich davon ausgehen müsste, daß Sie imstande sind ...

Zeugin Schi[ller]:

Also ich stell den Antrag, und Sie müssen darüber entscheiden.

Vors. (nach geheimer Umfrage):

Beschluß:

Also Frau Schiller, wir wollen Sie doch vernehmen.

Ihr Antrag wird zurückgewiesen.

RA Schi[ly]:

Ich bitte um’s Wort.

Vors.:

Bitte, Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Schi[ly]:

Ich stell dann den Antrag, die Zeugin durch einen Arzt ihrer Wahl auf ihre gegenwärtige Vernehmungsfähigkeit untersuchen zu lassen.

Vors.:

Sie wollen jetzt eine ärztliche Untersuchung haben?

RA Schi[ly]:

Jawohl, ich kann mich erinnern hier, daß ein gewisser Zeuge[35] hier eine 14-tägige Verschiebung seiner Vernehmung erreicht hat, mit der Vorlage eines einfachen ärztlichen Attestes. Ich kann mich auch erinnern, daß dieser Zeuge, als er dann hier war, jederzeit eine Pause gewährt worden ist ...

Vors.:

Das geschieht hier auch.

RA Schi[ly]:

... und daß dann jederzeit ihm auch gefragt worden ist, ob er noch in der Lage sei und ob es besser sei, daß am nächsten Tag die Vernehmung fortgesetzt würde und ähnliches.

Vors.:

Nach stundenlanger Vernehmung, Herr Rechtsanwalt.

RA Schi[ly]:

Ja sicherlich, Ermüdungserscheinungen, die Ursachen sind mitunter unterschiedlich.

Vors.:

Darauf nehmen wir hier auch Rücksicht, auf die Ermüdungserscheinungen.

RA Schi[ly]:

Insofern scheint es mir also notwendig zu sein, daß Sie uns Gewissheit darüber verschaffen, ob überhaupt Frau Schiller im gegenwärtigen Zeitpunkt vernehmungsfähig ist.

Rechtsanwalt Dr. Heldmann erscheint wieder um 17.14 Uhr im Sitzungssaal.

Vors. (Nach geheimer Umfrage):

Der Senat hat beschlossen:

Die Vernehmung der Zeugin wird durchgeführt.

Der Antrag auf vorherige ärztliche Untersuchung wird abgelehnt.

Die Umstände, die die Zeugin aufgezeigt hat, geben keinen Anlaß zu besorgen, daß dadurch die Vernehmungsfähigkeit beeinträchtigt sei.

[11026] Zeugin Schi[ller]:

Ich stelle nochmals den Antrag: Ich möchte Umschluß haben mit den drei Angeklagten. Es gehört dazu, daß wir sprechen können. Es gibt keinen Grund, daß wir uns nicht sprechen können.

Vors.:

Umschluß notiert, aber ich darf Sie darauf hinweisen: Es ist ein Irrtum was Sie annehmen. Nach dem was die Herren Verteidiger, Herr Rechtsanwalt Schily beantragt hat, sollen Sie dazu Bekundungen machen können, daß der Zeuge Gerhard Müller in der Nacht zum 21. zum 22. Oktober 1971 einen Polizeibeamten erschossen habe. Es handelt sich also nicht um die Struktur. Über den Antrag auf Umschluß wird zu gegebener Zeit dann entschieden werden, aber jetzt wollen wir Sie fragen. Das Beweisthema ist genannt. Können Sie zu diesem Beweisthema im Zusammenhang etwas bekunden, daß Herr Müller in der genannten Nacht einen Polizeibeamten erschossen hat?

Die Zeugin Schiller macht Angaben zur Sache.

Die Zeugin erklärt weiter:

Zeugin Schi[ller]:

Ich möchte noch erklären, warum ich diese Aussage gemacht habe: Gerhard Müller ist ein Projekt der psychologischen Kriegsführung. Er lügt, und die Bundesanwaltschaft bzw. der Staatsschutz benützen seine Aussage so, wie sie sie brauchen. Dementsprechend lügt er, um die Bandenstruktur des Staatschutzes ...

Vors.:

...

Zeugin Schi[ller]:

Ich bin noch nicht fertig.

Vors.:

Ja, Sie sollten aber auf den Kern dann der Frage kommen. Sie sagten, Sie haben das gesehen, den Erschießungsvorgang.

Zeugin Schi[ller]:

Um Müller als Projekt der psychologischen Kriegsführung bringen zu können, hat der Staatschutz in seinem Prozess[36] die Tatsache unterdrückt, daß Müller den Polizeibeamten Schmidt erschossen hat.

Vors.:

Frau Schiller, ich muss Ihnen das Konzept wegnehmen, wenn Sie hier verlesen. Ein Zeuge muß sein Wissen bekunden. Verlesene Erklärungen sind nicht Aufgabe des Zeugen. Also bitte lösen Sie sich von Ihrem Konzept. Das ist unumgänglich. Und dann bitte, denken Sie daran, daß ein Zeuge nach seinem Wissen über Tatsachen befragt wird. Ihre Meinungen und darüber, was hier dahintersteckte mit der Vernehmung Müller usw. sind[y] nicht Gegenstand.

Zeugin Schi[ller]:

Das ist eine Tatsache, die dahinter steckt, daß er einen[z] Mörder deckt.

Vors.:

Jetzt müssten Sie uns bloß schildern, warum Sie glauben, Herrn Müller [11027] als Mörder bezeichnen zu können. Das ist genau der Gegenstand Ihrer Befragung.

Zeugin Schi[ller]:

Soll ich die Schilderung geben von der Aussage, die hier schon verlesen worden ist?

Vors.:

... ist nur in der Gestalt eines Antrags eines Herrn Verteidiger vorgetragen worden. Eine Verlesung im Sinne der Beweisaufnahme im Prozess war das nicht. Bis jetzt ist die Aussage keineswegs Gegenstand der Beweisaufnahme gewesen, und auch Ihre schriftliche nicht. Sie müssen das schon schildern.

Die Zeugin Schiller macht weitere Angaben zur Sache.

Vors.:

Können Sie von sich aus diesem Sachverhalt, wie Sie ihn schildern, noch was hinzufügen?

Zeugin Schi[ller]:

Nein.

Vors.:

Ist das das erste mal, daß Sie diesen Sachverhalt gegenüber einem Vernehmenden in dieser Form äußern?

Zeugin Schi[ller]:

Ja.

Vors.:

Kennen Sie die Person - Sie sprechen ja immer von „der Person“ - Sie können selbstverständlich in diesen Fällen - ich weise Sie nochmals darauf hin - vom § 55[ StPO] Gebrauch machen, soweit Sie mir keine Antwort geben wollen.

Zeugin Schi[ller]:

Ich verweigere die Aussage dazu.

Vors.:

Dann darf ich Ihnen sagen, es liegt hier eine Aussage vor, des Zeugen der nachher kommen soll, danach soll er früher bekundet eben nicht nur Müller sei nachgelaufen, als man diese Person verfolgt habe, sondern das Pärchen. Und Sie haben vorhin erwähnt, Sie und Müller seien zusammengekommen, und man müsste daraus schließen eigentlich, daß Sie das Pärchen waren. Demnach - wenn diese Aussage des Beamten richtig ist, und diese Mutmaßung, die ich anstellte - wären Sie mitgelaufen und wären an der Seite von Müller geblieben.

Zeugin Schi[ller]:

Ich möchte nichts sagen.

Vors.:

Dann noch eine Frage. Entsprach diese Handlungsweise des Zeugen Müller irgendeiner Festlegung, die vorher in irgendeinem Personenkreis getroffen worden ist, für den Fall einer drohenden Festnahme?

Zeugin Schi[ller]:

Dazu gab es keine Festlegung.

Vors.:

Ich hab keine Frage mehr an die Frau Zeugin. Beim Gericht? Nein. Die Herren der Bundesanwaltschaft? Herr Bundesanwalt Zeis.

OStA Z[eis]:

Frau Schiller, aus welcher Entfernung haben Sie denn das [11028] beobachtet, daß Herr Müller auf den Herrn Schmid geschossen hat?

Zeugin Schi[ller]:

Ich verweigere die Aussage.

OStA Z[eis]:

Wie waren denn die Lichtverhältnisse in dieser Nacht?

Zeugin Schi[ller]:

Es war dunkel.

OStA Z[eis]:

... nachts im allgemeinen zu sein, dunkel. Ich meine, war irgendwie der engere Tatort durch sonstige Lampen erhellt?

Zeugin Schi[ller]:

Also auf dem Heegbarg gab es Laternen, direkt dabei gab es keine.

OStA Z[eis]:

Wollen Sie dabei bleiben, daß Sie gesehen haben, daß Herr Müller zum Polizeibeamten geschossen hat?

Zeugin Schi[ller]:

Ja.

OStA Z[eis]:

Hat die andere Person nicht etwa auch geschossen oder hat nur Herr Müller geschossen?

RA Schi[ly]:

Ich beanstande die Frage. Die Frage ist suggestiv gestellt.

Vors.:

Ist gesagt worden: „nicht etwa auch“.

RA Schi[ly]:

„Nicht etwa auch“, ja.

Vors.:

Gut, also lassen wir sie ohne „etwa“ zu: „Oder hat die andere Person auch geschossen“, in der Form, Frau Schiller.

Zeugin Schi[ller]:

Da verweigere ich die Aussage.

OStA Z[eis]:

Wieviele Schüsse sind auf den Polizeibeamten Schmid abgegeben worden?

Zeugin Schi[ller]:

Das weiß ich nicht.

OStA Z[eis]:

Wie oft haben Sie es knallen hören?

Zeugin Schi[ller]:

Mehrfach.

OStA Z[eis]:

Um es etwas einzugrenzen. Bedeutet bei Ihnen mehrfach mehr als einmal oder weniger als fünfmal ... verstehen, daß Sie nicht in der Lage sind, mir das Wort „mehrfach“ in diesem Zusammenhang zu erklären?

Zeugin Schi[ller]:

Nein, ... daß ich nachdenke.

5 mal mindestens.

OStA Z[eis]:

... Pistole, mit der Herr Müller geschossen haben soll?

Zeugin Schi[ller]:

Das weiß ich nicht.

OStA Z[eis]:

Das wissen Sie nicht. Haben Sie Mündungsfeuer gesehen?

Zeugin Schi[ller]:

Ja.

OStA Z[eis]:

Jetzt, Frau Schiller, war außer dem Polizeibeamten Schmid noch ein anderer Polizeibeamter bei diesem Vorgang zugegen?

Zeugin Schi[ller]:

Ja, das war der Fahrer von dem Ford, Lemke.

OStA Z[eis]:

Woher wissen Sie, daß der Polizeibeamte Lemke heißt?

Zeugin Schi[ller]:

Ich habe es später erfahren, daß es Lemke war. Ich hatte schon einen Prozeß gehabt deswegen.

[11029] OStA Z[eis]:

Wie weit war der Polizeibeamte Lemke von seinem Kollegen Schmid entfernt, als diese mindestens 5 Schüsse abgegeben worden sind?

Zeugin Schi[ller]:

Ich habe nicht mitgekriegt. Er ist ein ganzen Stück später hinterhergerannt.

OStA Z[eis]:

Habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie also nicht sagen können, wo sich der Polizeibeamte Lemke befand, als Herr Schmid niedergeschossen wurde?

Vors.:

Frau Zeugin, bitte können Sie die Frage beantworten.

Zeugin Schi[ller]:

Ich überlege.

Vors.:

Die Überlegung läßt auf kein sehr festes Erinnerungsbild schließen.

RA Schi[ly]:

Wie bitte?

Vors.:

Die lange Überlegung könnte auf ein nicht sehr festes Erinnerungsbild schließen lassen.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, wie können Sie denn jetzt hier schon wieder Bewertungen vornehmen.

Vors.:

Das ist keine Bewertung, sondern ich sage der Frau Zeugin, ob Sie aus Ihrem Erinnerungsbild schöpfen kann, wenn ja, dann soll sie es angeben. Wenn es nur mit Überlegung zustandekommt, dann läßt es eben darauf schließen, daß das Erinnerungsbild nicht fest ist.

RA Schi[ly]:

Ja wie kommen Sie aber schon wieder dazu, zu Protokoll eine Feststellung zu geben: Das lässt auf etwas schließen. Wie kommen Sie dazu, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, wie kommen Sie dazu, das in einem so empörten Ton vorzutragen. Es ist ein Vorhalt an die Zeugin im Hinblick darauf, daß Sie sich das sehr lange überlegt. Das ist mein gutes Recht.

RA Schi[ly]:

Aber Sie können doch keine Bewertung vornehmen. Sie können sagen ...

Vors.:

Keine Bewertung, es ist ein Vorhalt.

RA Schi[ly]:

Sie haben erklärt, das läßt auf kein sehr gutes Erinnerungsvermögen schließen. Das hat sie sich lange überlegt.

Vors.:

Ich habe Ihnen doch erläutert ...

RA Schi[ly]:

Das läßt nämlich auch noch darauf schließen, daß die Zeugin, im Gegensatz zu anderen Zeugen, vielleicht sehr sorgfältig ihre Aussage formuliert.

Vors.:

Gut, das ist ein ...

RA Schi[ly]:

Und bei Herrn Müller hab ich nicht einen Satz von Ihnen gehört, daß Sie mal bei langen Verzögerungspausen erklärt haben, [11030] das läßt darauf schließen, daß er kein gutes Erinnerungsvermögen hat. Wie kommt dieser unterschiedliche Behandlung zustande, Herr Vorsitzender?

Vors.:

Frau Schiller, Sie haben es sich jetzt lange überlegt. Das war der Grund meines Vorhalts. Können Sie die Antwort jetzt geben?

Zeugin Schi[ller]:

Naja, ich scheiße drauf. Ich war nicht direkt da dran und ich habe[aa] also die drei im Kopf, nach meiner Vorstellung. Das ist das, was ich genau registriert habe. Was sonst Lemke gemacht hat, weiß ich nicht.

OStA Z[eis]:

Hatten Sie selbst eine Waffe, Frau Schiller?

Zeugin Schi[ller]:

Dazu verweigere ich die Aussage.

OStA Z[eis]:

Wie waren Sie in dieser Nacht bekleidet, Frau Schiller? Können Sie Ihre Kleidung beschreiben?

Zeugin Schi[ller]:

Da verweigere ich die Aussage.

OStA Z[eis]:

Haben Sie damals schon eine Brille getragen? ---

Können Sie wenigstens sagen, ob Sie kurz- oder weitsichtig sind, Frau Zeugin?

Zeugin Schi[ller]:

Sage ich auch nicht.

Vors.:

Befürchten Sie hier strafgerichtliche Verfolgung, wenn Sie darüber Auskunft geben würden. Es wäre unter Umständen denkbar, aber ich sehe den Anlass nicht sehr zwingend.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, in dem Zusammenhang, Sie wissen doch, daß selbst bei entfernter Möglichkeit, nach der Rechtsprechung es ausreicht. Auch hier stelle ich wiederum fest, daß eine sehr differenzierte Behandlung von Zeugen stattfindet durch den Herrn Vorsitzenden.

Vors.:

Aber Herr Rechtsanwalt Schily, unterlassen Sie es doch, immer wieder ...

RA Schi[ly]:

Nein, ich kann doch meine Beobachtungen nicht verleumden. Ich mache doch meine Beobachtungen hier.

Vors.:

... in dieser Richtung immer Vorträge zu halten. Das auch immer ausnützen, um mir in dieser Richtung Vorwürfe zu machen. Sie sind unbegründet[bb]. Ich behandle die Zeugin nicht anders, wie andere Zeugen.

RA Schi[ly]:

Ich nutze nicht aus, sondern ich stelle fest, Herr Vorsitzender Und da haben Sie allerdings die Möglichkeit, solche Feststellungen dadurch zu unterbinden, daß Sie eben diese unterschiedlichen Behandlung nicht stattfinden lassen.

Vors.:

Sie werden vielleicht bemerkt haben, daß das eine Frage ist, die man sich zu überlegen hat. Vielleicht haben Sie die Begründung parat, warum das eine strafgerichtliche Verfolgung befürchten lässt, wenn [11031] man über Kurz- und Weitsichtigkeit sich äußert. Ich hatte die Erklärung nicht parat, deswegen habe ich die Frau Zeugin darauf angesprochen, ob sie das befürchtet. Sie befürchtets offensichtlich, wir anerkennens. Weitere Fragen?

OStA Z[eis]:

Nochmals zurück Frau Schiller, wir sind noch bei dem Polizeibeamten. Können Sie uns etwas über die Größe und Statur der beiden Polizeibeamten angeben?

Zeugin Schi[ller]:

Lemke ist so groß wie ich.

Rechtsanwalt Dr. Augst verlässt um 17.41 Uhr den Sitzungssaal.

OStA Z[eis]:

Wie groß sind Sie?

Zeugin Schi[ller]:

1,82 m.

OStA Z[eis]:

Und Herr Schmid?

Zeugin Schi[ller]:

Ich kann keine genaue Auskunft geben. Auf jeden Fall nicht klein. Ich habe die beiden nicht nebeneinander gesehen.

OStA Z[eis]:

Hatten sie eine Kopfbedeckung auf?

Zeugin Schi[ller]:

Ich habe bei Schmid keine Kopfbedeckung gesehen. Bei Lemke kann ich mich auch an keine Kopfbedeckung erinnern.

OStA Z[eis]:

Sehen Sie nachts gut oder schlecht?

Zeugin Schi[ller]:

Was ist denn das für eine Bewertung?

Vors.:

Jetzt Frau Schiller. Die Frage war, ob Sie nachts gut oder schlecht sehen.

Zeugin Schi[ller]:

Ich[cc] habe das gesehen.

Vors.:

Können Sie darauf Antwort geben?

Zeugin Schi[ller]:

Nein.

Vors.:

Wollen Sie sich auf den § 55[ StPO] berufen? Das Recht steht Ihnen zu. Auch in diesem Zusammenhang.

OStA Z[eis]:

Woher kamen Sie, Frau Schiller?

Zeugin Schi[ller]:

Da sag ich nichts.

OStA Z[eis]:

Ich nehme an, Sie wollen sich auf § 55[ StPO] berufen.

Wohin wollten Sie, Frau Schiller?

Zeugin Schi[ller]:

Die selbe Antwort.

OStA Z[eis]:

Hat Herr Müller, als er von Ihnen weggerannt ist, irgendetwas gesagt?

Zeugin Schi[ller]:

Ich gebe keine Antwort.

Vors.:

Hier dürfte ein Fall sein, wo in der Tat alle Beantwortungen so eng Zusammenhängen könnten mit dem Vorwurf, der gegen die Zeugin erhoben werden könnte, daß das Einzelauskunftsverweigerungsrecht [11032] in ein volles Zeugnisverweigerungsrecht übergeht.[37]

OStA Z[eis]:

Haben Sie, Frau Schiller, unmittelbar nach dem Vorfall nochmals mit Herrn Müller darüber gesprochen? Etwa morgens?

Zeugin Schi[ller]:

Ich will mich hierzu nicht äußern.

OStA Z[eis]:

..., daß Sie mit dabei waren als von ...

Zeugin Schi[ller]:

Sparen Sie sich doch Ihre Fragen.

OStA Z[eis]:

Nein, nein, ich will schon haben, daß Sie hier Stellung beziehen, Frau Zeugin. Das kann ich Ihnen nicht ersparen. War es das erste mal, daß Sie dabei waren, daß von Angehörigen der kriminellen Vereinigung Baader-Meinhof, auf Polizeibeamte geschossen wurde?

RA Schi[ly]:

Ich würde vorschlagen, daß der Herr Bundesanwalt doch nicht die Fragen in der Weise ausschmückt, ob er der Zeugin etwas ersparen will oder nicht. Ich glaube nicht, daß es hier Sinn der Befragung durch die Prozessbeteiligten ist, ob Ersparnisse angelegt werden sollen in der einen oder anderen Richtung.

OStA Z[eis]:

Herr Rechtsanwalt Schily, das ist nur ein bißchen die destruktive Umschreibung von Ihrem aha - aha - aha.

RA Schi[ly]:

Ich habe nur das „aha“ gar nicht gehört ... Das „aha-Erlebnis“ von Herrn Zeis würde mich schon interessieren.

OStA Z[eis]:

Offenbar fällt es Ihnen nicht mehr[dd] auf, daß Sie jede, oder fast jede Antwort eines Zeugen mit „aha“ quittieren. Ihr „aha“ hat etwa 5 - 8 Nuancen. Wenn Sie mal darauf achten wollen, fällt es Ihnen sicher auf.

RA Schi[ly]:

Ich weiß nicht, ob Herr Zeis schon an Halluzinationen leidet, aber ich habe heute kein „aha“ von mir gegeben.

Vors.:

Nein, nein, das war ja offenbar auf frühere Vernehmungen bezogen.

RA Schi[ly]:

Ach so, Sie können sich in Herrn Zeis so gut hereinleben.

Dankeschön.

Vors.:

Das fruchtlose Gespräch bitte ich jetzt abzubrechen. Aber ich habe ja Ihre Bitte entsprechen wollen, Sie haben sich für das „aha-Erlebnis“ interessiert. Die Antwort ist gegeben worden. Ich bitte weiter zu fragen. Wobei ich darauf Rücksicht zu nehmen bitte, daß die Zeugin offenbar, soweit sie persönlich betroffen ist, in vollem Umfange den [§ ]55[ StPO] gebrauchen will. Das ist[ee] ihr Recht.

OStA Z[eis]:

Wenn ich es so verstehen soll, dann habe ich keine weiteren Fragen mehr. Danke.

Vors.:

Die Herren Verteidiger, weitere Fragen? Ich sehe zur linken Seite nicht, zur rechten Seite auch nicht.

[11033] Die Zeugin bleibt unbeeidigt wegen des Verdachtes der Tatbeteiligung. Kann die Frau Zeugin entlassen werden? Ich sehe keine Einwendungen.

Zeugin Schi[ller]:

Nein. Meine Ladung ist zur Struktur.

RA Schi[ly]:

Darf ich um eine kleine Pause bitten?

RA Dr. He[ldmann]:

Ich bitte, mir mal Einblick in die Ladung zu geben. In die Ladung der Frau Zeugin Schiller.

Vors.:

Haben Sie Ihre Ladung hier?

Zeugin Schi[ller]:

Ja.

Vors.:

Ich darf aber die Herren Verteidiger vielleicht jetzt darauf hinweisen. Es ist wiederholt nun von Beweisthema bei Zeugen gesprochen worden. Es besteht ja nirgends eine Pflicht, Zeugen über ein Beweisthema vorher zu belehren. Aber ich weiß nicht, was mit der Ladung geschehen ist. Lesen Sie es vor, wenn ein Beweisthema angegeben ist. Sie dürfen es gerne tun.

Zeugin Schi[ller]:

„Beweisthema: Struktur der Gruppe und Informationsaustausch der RAF“.

Vors.:

Das ist ein Versehen der Geschäftsstelle.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, ich glaube, Sie unterliegen da einem Erinnerungsfehler. Also wenn ich das hier richtig sehe auf dem Konzept von Herrn Kollegen Dr. Heldmann, dann hat er auch Frau Schiller in dem Zusammenhang als Zeugin benannt.

Vors.:

Ja, das könnte durchaus ein. Aber Sie haben[ff] ja keine Fragen mehr stellen wollen.

RA Dr. He[ldmann]:

... das Beweisthema anzuscheiden ...

Vors.:

Haben Sie zu einem sonstigen Beweisthema an die Frau Zeugin Fragen?

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, ich kann mich erinnern, daß bei einem Zeugen heute Nachmittag ... sehr ausführlich von Ihrem Fragerecht Gebrauch gemacht haben.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, ich bin davon ausgegangen, Sie haben an die Frau Zeugin keine Fragen mehr. Wenn das ein Irrtum war, der aber wohl entstehen musste aufgrund Ihres Schweigens auf die Frage, ob noch Fragen sind, dann können Sie selbstverständlich, wenn Sie noch weitere Komplexe haben, Ihre Fragen stellen.

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Vorsitzender, es gibt Beweisanträge zu Frau Schiller. Sie haben lediglich einen abgehandelt und danach Fragerecht angeboten ... Verteidigung, wie vielleicht auch andere Prozessbeteiligte, davon ausgegangen, daß zu diesem 1. Komplex, dem 1. Beweisthema ...

[11034] Vors.:

Können Sie mir sagen, welchen Beweisantrag Sie als 2. vor Augen haben?

RA Schi[ly]:

Das ist der gleiche Beweisantrag, Herr Vorsitzender, den Sie eigentlich kennen sollten, zu dem auch der Herr Pohl vernommen worden ist und aber, kann ja sein, daß Sie die Vernehmung, wie Sie es bei anderen Zeugen auch gemacht haben, bei Frau Schiller zu verschiedenen Beweisfragen an unterschiedlichen Tagen. Das würde ich auch anregen, daß wir jetzt bei Frau Schiller abbrechen und das andere Beweisthema dann am Dienstag vorsetzen. Ich darf auch in dem Zusammenhang darauf hinweisen, daß ich aus termingebundenen Gründen einfach heute meine Abendmaschine bekommen kann und nicht darauf disponiert bin, hier über 18.00 Uhr hinaus an der Hauptverhandlung teilzunehmen.

Vors.:

Ich darf Sie jetzt bitten, wenn Sie weitere Fragen haben ...

RA Schi[ly]:

Darf ich das so verstehen, daß Sie das weitere Beweisthema, nachdem Sie von amtswegen Frau Schiller geladen haben ...

Vors.:

Also benennen Sie doch um Gottes Willen jetzt mal das weitere Beweisthema und reden Sie darüber nicht so lange, wenn Sie es finden. Wir finden es nicht.

RA Schi[ly]:

Aber Herr Vorsitzender, Sie haben doch Herrn Pohl heute vernommen. Dann kennen Sie doch das Beweisthema.

Vors.:

Hier heißt der Beweisantrag von Herrn Rechtsanwalt Dr. Heldmann: „In der Strafsache gegen ... wird beantragt folgende Zeugen zu vernehmen: Irmgard Möller, Manfred Grasshof, Eckes, Stachowiak, Augustin, Hoppe, Jansen, Roll, Schubert, Mohnhaupt, Jünschke, Pohl“ und dann wird das Thema benannt: „Struktur“ usw. Von Schiller keine Rede. Von wo sollen wir das herwissen?

RA Schi[ly]:

Doch, doch, das hat er, das können Sie im Protokoll, er hat das handschriftlich noch ergänzt und das auch mündlich vorgetragen.

Vors.:

Gut, also fragen Sie dazu.

RA Schi[ly]:

Nein, Herr Vorsitzender, Sie haben doch zunächst einmal, genauso bei Herrn Pohl ... Ich meine, wir können es auch gerne so machen, daß wir gleich mit der Befragung [gg] beginnen. Aber zunächst stelle ich ausdrücklich den Antrag, die Hauptverhandlung zu unterbrechen und die Befragung von Frau Schiller am kommenden Dienstag fortzusetzen.

Vors.:

Ich darf dazu bemerken, daß das Gericht beabsichtigt, jedenfalls ich, daß die Vernehmung fortgeführt wird und daß das weitere Beweisthema - wie gesagt, der Senat hat das aus dem Protokoll übersehen offensichtlich. Im schriftlichen Antrag war Frau Schiller [11035] für dieses Beweisthema nicht benannt - noch befragt wird bei der Frau Zeugin. Dieses weitere Beweisthema lautet: „Daß es, entgegen den Angaben des Zeugen Müller, in der Roten Armee Fraktion keine hierarchische Struktur oder ein sonstiges Verhältnis der Über- oder Unterordnung, auch nicht in tatsächlicher Hinsicht, gegeben habe ...

Zeugin Schi[ller]:

Könnte ich eine Pause haben?

Vors.:

Ja, das kriegen Sie sofort. Das ist klar.

... daß entgegen den Angaben des Zeugen Müller, die Rote Armee Fraktion nicht als offene Gruppe, sondern in kleinen zahlenmäßig eng begrenzten Gruppen organisiert war, wobei sich der Informationsaustausch auf die jeweilige Gruppe und deren Mitglieder beschränkte.“ Dazu sollen Sie nach der Pause, im Zusammenhang sich äußern können. Eine Viertelstunde Pause.

Pause von 17.53 Uhr - 18.10 Uhr

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort. Die Pause ist benützt worden, um das mit dem Beweisantrag zu überprüfen. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, Sie irren sich. Auch in Ihrem zusätzlichen Vortrag zu dem schriftlich überreichten Beweisantrag, vgl. Bl. 10656, war nicht die Rede von Frau Schiller. Frau Schiller hat dieses Beweisthema deswegen benannt bekommen, weil das ein Fernschreiben ist, das auch die Zeugen mitbetrifft, die zu diesem Beweisthema gehört werden wollen. Der Senat hat also nichts übersehen. Aber selbstverständlich kann die Zeugin zu diesem Thema gehört werden und sich im Zusammenhang äußern. Herr Rechtsanwalt Schily?

RA Schi[ly]:

Ich stelle den Antrag, die Hauptverhandlung zu unterbrechen und am Dienstag fortzusetzen. Ich darf darauf hinweisen, daß ich aus dringenden anderen beruflichen Terminen, bezwungen bin, heute abend auf jeden Fall die Abendmaschine zu nehmen. Und ich finde da auch mitunter auf Anwälte von bestimmten Zeugen hier eine ausgiebige Rücksichtnahme genommen wurde, daß mir da vielleicht in diesem Punkt mal ein gleiches Recht zugebilligt werden kann und insofern also die Vertagung vorgenommen wird. Ich wüßte auch nicht, inwieweit da[hh] nun eine sehr einschneidende Verzögerung eintreten könnte. Frau Schiller ist hier in Stuttgart und könnte dann am Dienstag früh sicherlich zur Verfügung stehen, wenn sie bis Dienstag hierbleibt. Also die Schwierigkeiten, die da zu überwinden wären, die [11036] sind ja nicht zu groß. Aus diesem Grunde, meine ich, kann der Senat ohne weiteres diesem Antrag stattgeben.

Vors. (nach geheimer Umfrage):

Beschluß:

Der Senat weist die Unterbrechung der Sitzung jetzt zurück.

Ich möchte dazu sagen, es ist erforderlich, die Zeugin zu Ende zu vernehmen. Auch mit Rücksicht darauf, daß morgen der Transport wieder durchgeführt werden wird in Ihre Justizvollzugsanstalt. Soweit Bezug genommen wird, daß auf andere Anwälte anderer Zeugen besondere Rücksicht genommen worden sei, trifft das nicht zu. Im Hinblick auf Verhandlungstage, nur soweit überraschend zusätzliche Verhandlungstage notwendig wurden, zu denen diese Anwälte vorher nicht geladen waren, war es selbstverständlich nicht möglich für das Gericht hier entsprechenden Wünschen der Verteidiger, Herrn Rechtsanwälten, auszuweichen. Aber der Verhandlungstag heute war vorgesehen und muß zu Ende geführt werden, nachdem er sehr spät mit der Beweisaufnahme beginnen konnte.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, dann muß ich darauf hinweisen, daß ich also hier heute an der Hauptverhandlung nicht weiter teilnehmen kann. Also ich darf auch feststellen, daß für mich sozusagen ein 2. Verhandlungstag, ein weiterer Verhandlungstag dadurch entstehen wird, daß ich einfach dann bis morgen hier bleiben muß und dann morgen meine Termine nicht einhalten kann; und das ist eben der Punkt, der durchaus den Vergleich aushält, den ich gezogen habe. Also ich sehe dann keine Möglichkeit hier heute an der weiteren Verhandlung teilzunehmen was Sie mir mit diesem Beschluß eben abschneiden. Aber das wäre ja nicht das 1. Mal.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, es ist entschieden durch den Senat; Ihre Schwierigkeiten am Donnerstag sind bekannt, aber sie waren auch schon vorher bekannt Ihnen selbst.

RA Schi[ly]:

... daß Sie hier eine Verhandlung über 18.00 Uhr fortsetzen, damit kann ich nicht rechnen. Ich konnte auch nicht damit rechnen, daß die prozessuale Situation sich heute morgen so gestalten würde, wie sie sich gestaltet hat.

Vors.:

Gut, das ist beschlossene Sache durch den Senat.

Frau Zeugin, Sie haben die Themen genannt bekommen. Soll ich sie Ihnen nochmals nennen oder sind sie Ihnen klar?

[11037] Zeugin Schi[ller]:

Ich möchte sie nochmals vorgelesen kriegen.

Vors.:

Es lautet das 1. Thema: Es habe in der Roten Armee Fraktion keine hierarchische Struktur oder sonst ein Verhältnis der Über- oder Unterordnung auch nicht in tatsächlicher Hinsicht gegeben. Das ist das, was in Ihrer Ladung als Struktur erscheint. Und das 2.: Die Rote Armee Fraktion sei nicht als offene Gruppe, sondern in kleinen zahlenmäßig eng begrenzten Gruppen organisiert gewesen, wobei sich der Informationsaustausch auf die jeweilige Gruppe und deren Mitglieder beschränkt habe. Wenn Sie aus eigenem Wissen etwas dazu beitragen können?

Rechtsanwalt Schily verläßt um 18.15 Uhr den Sitzungssaal.

Zeugin Schi[ller]:

Was Müller erzählt, ist gelogen. Das ist bekannt. Er ist ein gekaufter Kronzeuge,[38] damit auf die RAF eine Bandenstrukturhierarchie projiziert werden soll. Der Zweck ist außerdem, die politische Verteidigung zu zerstören durch die Hetze gegen die Anwälte, rund zu einer Verurteilung der Gefangenen zu kommen.

Das Mittel, durch einen gekauften Kronzeugen, auf der Ebene von Vogel und ...

Vors.:

Ich bedaure, daß ich Sie ...

Zeugin Schi[ller]:

Auf der Regierungsebene Buback-Vogel ...

Vors.:

Frau Schiller, lassen Sie sich bitte unterrichten! Wir hören das, was Sie jetzt sagen, das aber nicht zum Gegenstand, jedenfalls meiner Frage, gehört, die sich richtet nach dem Beweisantrag der Verteidigung. Das hören wir nun in nahezu gleichen Ausführungen bereits von der Zeugin Mohnhaupt und vorhin vom Zeugen Pohl ...

Zeugin Schi[ller]:

Das ist eben die Wahrheit.

Vors.:

Es gibt keinen Grund, daß man solchen Abschweifungen von der Frage zulässt, zumal wenn es zum 3. Mal ...

Zeugin Schi[ller]:

Es ist die Wahrheit, und es bezieht sich direkt auf die Aussage von Müller.

Vors.:

Sie sind ja jetzt gefragt zur Struktur. Dazu sollen Sie, wenn Sie können und wollen Ihre Antwort geben. Sie sind ausdrücklich dazu gefragt, nicht über den Zweck dessen, was Herr Müller hier ausgesagt hat.

Zeugin Schi[ller]:

Das gehört ganz direkt dazu. Was er aussagt, kommt nicht von uns. Was er sagt, ist eine Projektion. Zwang kenne ich von der Justiz und vom Staatsschutz, aber nicht von der RAF und dazu will [11038] ich als Beispiel sagen, wie meine Aussage verhindert werden sollte.

Vors.:

Frau Schiller, ich bedauere ... Frau Schiller, bitte nehmen Sie zur Kenntnis, es soll nichts unterdrückt, nichts verhindert werden, aber ich muß Sie, insbesondere hinsichtlich wegen der fortgeschrittenen Zeit, bei der Sache halten.

Sie sind jetzt gefragt, ob Sie etwas aussagen können über die Struktur, das ist Ihnen ja näher durch das Beweisthema beschrieben worden, was darunter zu verstehen ist. Dazu sollen Sie bitte jetzt antworten.

Zeugin Schi[ller]:

Ja, das will ich ja auch.

Die Zeugin Schiller macht weitere Angaben zur Sache.

Vors.:

Jetzt würde ich Sie bitten, zur Sache zu kommen. Wenn Sie uns diesen Brief vielleicht bei Gelegenheit dann mal zu Gesicht geben würden, das wäre noch interessant.

Zeugin Schi[ller]:

Das ist Zwang, das ist ein Antagonismus ...

Vors.:

... ohne, daß Sie sich an schriftlichen Unterlagen festhalten, oder ist das ...

Zeugin Schi[ller]:

Ich habe mir Stichpunkte gemacht. Die kann ich hier wohl benutzen.

Vors.:

Es ist natürlich etwas auffällig, daß nicht nur inhaltlich, sondern auch im Aufbau eine deutliche Ähnlichkeit festzustellen ist, zu dem, was wir vorhin gehört haben. Es ist merkwürdig, wenn man ganz getrennt hier als Zeuge anrückt und dann so eine ...

Zeugin Schi[ller]:

Das ist, weil wir dasselbe sind und weil wir dasselbe wollen und weil es die Wahrheit ist.

Vors.:

Nun schildern Sie mal bitte weiter, was Sie wissen.

Zeugin Schi[ller]:

Andreas ist derjenige, der unheimlich konsequent ist, der sich ganz einsetzt, gerichtet auf das Ziel, als Funktion für das Ziel. Andreas ist auch derjenige, der Orientierung im Kampf gibt. Damit wir ein Kollektiv sind und kollektiv werden.

Vors.:

Ist die Frage ausreichend beantwortet?

Zeugin Schi[ller]:

Ich bin noch nicht fertig.

Vors.:

Hat die Bundesanwaltschaft ...

Zeugin Schi[ller]:

Ich bin noch nicht fertig.

Vors.:

Warten Sie, beim Gericht sind aber keine Fragen mehr an Sie. Hat die Bundesanwaltschaft noch Fragen?

[11039] BA Dr. Wu[nder]:

Danke Herr Vorsitzender, auch wir haben sehr viel Interessantes eben gehört.

Vors.:

Ich glaube auch, daß die Ausführungen jetzt ausführlich und zu Ziffer 1 geradezu weitschweifig gewesen sind, jetzt zum Punkt 2. Wollen Sie zum Punkt 1 noch Fragen stellen?

RA Dr. He[ldmann]:

Die Verteidigung sitzt halt auch noch da und liebenswürdigerweise übersehen Sie sie noch nicht ganz.

Vors.:

Ich bitte Sie um Entschuldigung, daß ich es im Eifer des Gefechtes nicht gesehen habe. Aber ich konnte davon ausgehen, Sie werden sich bemerkbar machen.

RA Dr. He[ldmann]:

Da hatten Sie recht. Das Gericht durch den Herrn Vorsitzenden hat beschlossen, daß die Aussage der Zeugin beendet sei.

Vors.:

Nein, das Gericht hat gesagt, es ist jetzt, nach dem, was die Zeugin geschildert hat zum Punkt 1, ausführlich beantwortet, erschöpfend. Das Gericht selbst hat keine weitere Fragen zu Punkt 1. Haben Sie zu diesem Punkte noch Fragen? Die[ii] Bundesanwaltschaft hat auch keine Fragen. Dann werden wir noch den Punkt 2 ansprechen.

RA Dr. He[ldmann]:

Die Frau Zeugin selbst sagt, sie ist mit Ihrer Darstellung noch nicht fertig. Das Gesetz und sein § 69[ Abs. ]1[ StPO],[39] den wir jetzt schon öfters haben zitieren müssen, verbietet, vom Fragerecht Gebrauch zu machen oder das Fragerecht zu vergeben, sondern die Frau Zeugin hat im Zusammenhang ihr Wissen zu der Beweisthematik anzugeben.

Vors.:

Ja, und das Gericht hat die Überzeugung gewonnen, daß die Frau Zeugin die Gelegenheit hatte, im Zusammenhang erschöpfend darzustellen, was sie zu diesem Punkt 1 weiß; und deswegen habe ich darauf hingewiesen, nachdem bei der Frau Zeugin diese Pause eingetreten ist, die vermuten ließ, daß sie am Ende ihres Wissens ist. Das Gericht betrachtet ...

Zeugin Schi[ller]:

Ihre Vermutungen sind für die Katze, weil ich nicht fertig bin.

Vors.:

Das Gericht betrachtet die Frage, die gestellt worden ist im Zusammenhang mit dem Beweisantrag, ausreichend, erschöpfend beantwortet. Sind weitere Fragen? Bundesanwaltschaft nein.

Jetzt dürfen Sie bitte, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, weitere Fragen stellen, wenn es Ihnen nicht ausreichend beantwortet zu sein scheint.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich beanstande. Sie verletzen § 69[ Abs. ]1 der StPO. Sie sagen, hat Anlaß zu der Vermutung und die Zeugin sagt: „Nein, Tatsache ist, ich habe nicht beendet.“ So finde ich, ist das Wissen der Zeugin [11040] von dem, was sie noch als Aussage Ihnen anzubieten und vorzutragen hat ... etwas schwerer als Ihre bloße Vermutung. Kennen Sie den weiteren Teil der hier beabsichtigten Zeugenaussage? Ich kenne sie nicht.

Vors.:

Es hat keinen Wert, sich darüber zu streiten. Es scheint die Frage des Herrn Verteidigers zu sein, ob Sie noch Weiteres zu diesem Punkt 1 wissen. Wenn Sie noch Weiteres zum Punkt 1 wissen, danach sind Sie gefragt.

Zeugin Schi[ller]:

Ich will noch weiterreden, das habe ich gesagt.

Die Zeugin Schiller macht weitere Angaben zur Sache.

Vors.:

Werden noch weitere Auskünfte erwünscht, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann?

RA Dr. He[ldmann]:

Laut Unterlagen ist „Pfirsich“[40] ... welche Unterlagen, um welche Art von Unterlagen, wieviele Unterlagen?

Zeugin Schi[ller]:

Auf den Terminszetteln stand immer wieder „Pfirsich“ mit der Telefonnummer. Außerdem hat „Pfirsich“ für uns Werkzeuge und Waffen beschafft.

RA Dr. He[ldmann]:

Sie haben vorhin erwähnt, daß Ihre Aussage hier verhindert werden sollte. Bitte können Sie uns das schildern.

Vors.:

Bereits geschildert.

Zeugin Schi[ller]:

Es ist so, daß ich über den Staatsschutz einen Brief bekommen habe.

RA Dr. He[ldmann]:

Darüber hinaus, Sie konnten nicht immer ganz zu Ende reden, wollten Sie darüber hinaus noch Tatsachen bekunden, wie Ihrer Aussage hier verhindert werden sollte? Über den Inhalt dieses Briefs ...

Zeugin Schi[ller]:

Ich kann nochmals genau schildern, wie das zu der Zeit war. Am selben Tag, als der Staatsschutzanschlag gegen den Pflichtverteidiger verübt wurde - am Vortag war Feiertag - am Tag vorher habe ich einen Brief bekommen.

Vors.:

Die Frage war, ob Sie zusätzlich ...

Zeugin Schi[ller]:

Ja, das geht jetzt nicht.

Vors.:

Ja, ob Sie zusätzlich noch etwas sagen können. Das mit dem Brief haben Sie geschildert. Sie haben auch auf den vermeintlichen Staatsschutzanschlag hingewiesen, haben das besprochen. Im Augenblick grenzen Sie ja das, was Sie bereits beantwortet haben, nur noch zeitlich etwas enger ein. Das ist aber nicht die Frage.

[11041] Zeugin Schi[ller]:

Zu dem Brief gehört noch was dazu.

Der Brief war nicht zensiert. Außen war ein kleiner Stempel drauf und ohne irgendwelche Zensurzeichen. Er war auch zugeklebt. Müller hatte den angeblich am Dienstag mir geschrieben. Donnerstag war Feiertag. Es war ein weißer Umschlag.

Freitagmorgens kam eben eine Wärterin an die Tür und hatte den Brief in der Hand. Sie hat gezögert. Sie war irritiert.

Sie sagte: „Der kommt von drüben“. Ich habe den Brief dann nicht bekommen. 1 ½ Stunden später bin ich zu einem Anwaltsbesuch abgeholt worden. Meine Anwältin musste lange warten. Ich habe mit ihr gesprochen. Als ich aus der Zelle rauskam, war der Zeuge Müller mit seiner Anwältin im Flur. Ich bin weitergegangen.

Dann kam der Brief, der mir eigentlich morgens übergeben werden sollte. Ich habe ihn mittags dann bekommen. Der Inhalt des Briefes: Ich sollte abschwören, der drohte mir, daß ich die Aussage nicht überlebe.

Genau an diesem Tag war der Anschlag gegen den Pflichtverteidiger.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann?

RA Dr. He[ldmann]:

Keine Fragen mehr.

Vors.:

Jetzt wollen Sie ... Verzeihung, entschuldigen Sie. Ich übersehe auch gelegentlich die Bundesanwaltschaft, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

OStA Z[eis]:

Eine einzige Frage. Sie haben ja soviel von diesem Brief beschrieben, haben Sie den nicht zufällig hier, Frau Schiller?

Zeugin Schi[ller]:

Ich habe diesen Brief sofort weggeschafft.

Vors.:

Offene Gruppe ja oder nein? Können Sie dazu was sagen oder war das schon inbegriffen in Ihren Ausführungen zur Struktur. Das Thema lautet, ich will es Ihnen nochmals genau sagen: Daß die Gruppe nicht offen organisiert war, sondern in kleinen, zahlenmäßig eng begrenzten Gruppen. Wobei sich der Informationsaustausch auf die jeweilige Gruppe und deren Mitglieder beschränkt habe. Können Sie zu diesem Punkte etwas ausführen aus eigenem Wissen?

Rechtsanwalt Schnabel verlässt um 18.45 Uhr den Sitzungssaal.

Frau Schiller, können Sie bitte noch etwas dazu sagen?

Zeugin Schi[ller]:

Ich wollte noch was sagen zu dem Info, was wir im Knast hatten. Das steht auf der Ladung drauf, daß ich dazu was sagen soll.

Vors.:

... Herr Müller hat als Zeuge angegeben, die Gruppe sei insofern [11042] offen gewesen, daß soweit man sich interessiert habe und örtlich in der Lage gewesen sei, man voneinander gegenseitig alles erfahren habe, Planungen und dergleichen. Dagegen gibt es das sogenannte Zellensystem, wo eben nur jeder das Notwendigste weiß und schon nicht mehr weiß, was sein Nebenmann für Erfahrungen hat und was für Kenntnisse er besitzt. Und diese 2 Möglichkeiten, die stehen im Raume, ob Sie dazu etwas sagen können.

Die Zeugin Schiller macht hierzu[jj] Angaben zur Sache.

Bei Ausführungen der Zeugin wird sie vom Vorsitzenden wie folgt unterbrochen:

Vors.:

... das was Herr Müller gesagt hat. Weitere Fragen?

Zeugin Schi[ller]:

Ich bestätige überhaupt nicht, was Herr Müller gesagt hat.

Vors.:

Doch, der das auch gesagt. Jetzt darf ich ...

Zeugin Schi[ller]:

Ich wollte noch was sagen zu dem Info.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich beanstande Ihre eigene Zusammenfassung an einer angeblichen hier erstatteten Zeugenaussage. Sie stimmt nicht. Aber vielleicht lassen Sie die Frau Zeugin selbst ...

Vors.:

Haben Sie noch Fragen, Herr Rechtsanwalt?

RA Dr. He[ldmann]:

Ja.

Vors.:

Bitte.

RA Dr. He[ldmann]:

Frau Schiller, haben Sie bestätigt, wie der Herr Vorsitzende eben festgestellt hat, daß Ihre Darstellung der Gruppenorganisation derjenigen, die Herr Müller als Zeuge von sich gegeben hat, entspräche?

Zeugin Schi[ller]:

Ich habe sofort gesagt, daß es nicht das ist, was Müller gesagt hat. Ich habe nichts davon gesagt, was dem entspricht, was Müller gesagt hat. Prinzing kann nur in solchen Kategorien denken.

Es gab keine offene Gruppe, sondern es gab autonome Gruppen, indem jeder das wusste, um handeln zu können.

Jeder musste nicht alles wissen, was einer in der Gruppe tat.

Vors.:

Sie stehen als Zeugin unter der Pflicht der Wahrheit. Wenn Sie sich des § 55[ StPO] nicht bedienen wollen, was Ihr gutes Recht ist, müssen Sie bei der Wahrheit bleiben. Das, was Sie jetzt eben [kk] sagen, widerspricht dem, was Sie vorher gesagt haben.

RA Dr. He[ldmann]:

Nein, Herr Vorsitzender ...

Zeugin Schi[ller]:

Nein, absolut nicht ...

Vors.:

Also, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, ich glaube, es ist mein Recht eigene Vorhalte zu machen ...

[11043] RA Dr. He[ldmann]:

Ja, aber nicht wenn sie ...

Vors.:

Ja, lassen Sie mich den Vorhalt zu Ende bringen ...

RA Dr. He[ldmann]:

Ja, nur haben Sie mich nicht aussprechen lassen.

Vors.:

Nein, Sie sind mir doch in das Wort gefallen.

RA Dr. He[ldmann]:

Der Vorhalt ist doch falsch.

Vors.:

Es ist so ...

RA Dr. He[ldmann]:

Wollen Sie die Zeugin durch einen falschen Vorhalt irritieren?

Vors.:

Er ist nicht falsch, sondern ich habe ...

RA Dr. He[ldmann]:

Ich beantrage, das Tonband zurücklaufen zu lassen. Ich beantrage das Tonband abzuspielen.

Vors.:

Ich habe gesagt, ich mache meinen Vorhalt jetzt zu Ende und das geschieht auch.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich rüge den Senat und beanstande diesen Vorhalt.

Vors.:

Frau Zeugin, Sie haben vorhin erwähnt ...

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Vorsitzender, haben Sie noch die Sachleitung ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann ...

RA Dr. He[ldmann]:

Ich beanstande ...

Vors.:

Hören Sie jetzt bitte. Der Vorhalt ist nicht zu Ende und sobald er zu Ende ist, können Sie ihn beanstanden. Vorher nicht. Sie haben dann von mir den Hinweis bekommen, daß das auch Herr Müller gesagt habe: Jeder habe von jedem wissen können. Das ist das, was man unter offener Gruppe, im Gegensatz zum Zellenmuster verstehen konnte.

Zeugin Schi[ller]:

Es gibt nicht nur[ll] das Zellenmuster.

Vors.:

Jetzt aber haben Sie gerade gesagt, es sei nicht so gewesen. Es habe sich um autonome Gruppen gehandelt von denen jeder, jedes einzelne Mitglied, innerhalb der autonomen Gruppe nur das Notwendigste gewusst habe. Es sei gar nicht notwendig gewesen alles vom anderen zu wissen. Und ich sehe darin einen Widerspruch und ich frage Sie deshalb, ob Sie die eine oder die andere Aussage hier nicht korrigieren müssen um diesen Widerspruch zu beseitigen.

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Vorsitzender, jetzt haben Sie mehr als einen Vorhalt gemacht. Jetzt haben Sie der Zeugin noch die Aussicht gegeben, sie hätte sich durch ihre Aussage strafbar gemacht. Also ist nun wirklich mit Sachleitungsbefugnis, Vorhaltsrechten usw. gar nichts mehr anzufangen. Ich beantrage für den Beweis dafür, daß der von dem Herrn Vorsitzenden gemachten Vorhalt falsch ist, daß der Hinweis des Herrn Vorsitzenden an die Zeugin [11044] sie machte sich möglicherweise durch diese eben beendeten Aussagen einer Falschaussage vor Gericht schuldig. Zum Beweis dafür beantrage ich das Tonband über diesen Teil der Vernehmung der Frau Schiller abzuspielen.

Vors.:

Zunächst, darf ich mal rein praktisch fragen. Ist das Tonband überhaupt mitgelaufen?

Protokollführer:

Bei den Ausführungen des Vorsitzenden, ja und Dr. Heldmann, auch.

Ende Band 640

[11045] Vors.:

Wollen Sie die Aussagen der Zeugin widergespiegelt haben?

RA Dr. H[eldmann]:

Ja bitte.

Vors.:

Die haben wir nicht auf Tonband.

RA Dr. H[eldmann]:

Haben Sie deswegen diesen Vorhalt gemacht, Herr Vorsitzender?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, ich könnte Ihnen darauf sehr scharf erwidern, aber ich erspare mir es jetzt zur späten Stunde. Was Sie an Unterstellungen und Verdächtigungen in diesem Verfahren leicht über die Zunge bringen, das ist etwas ganz Erstaunliches. Ich habe meinen Vorhalt deswegen gemacht, weil meine Pflicht dahin ging, die Zeugin darauf hinzuweisen, daß sie sich in einen Widerspruch möglicherweise verwickelt und daß das die Möglichkeit bietet, entweder den [§ ]55[ StPO] zu benutzen oder sich zu überlegen, wie sie diesen Widerspruch wieder auflösen kann, um sich nicht in eine falsche Aussage zu verrennen. Das ist meine Pflicht und nur das war der Grund.

RA Dr. H[eldmann]:

Da haben Sie entweder nicht zugehört oder Sie haben es nicht verstanden. Die Zeugin hat nicht die widersprüchlichen Aussagen gemacht, wie Sie hier angeben.

Ich beantrage jetzt dieses Tonband (meint das Tonband der Verteidigung[41]) vorzuspielen.

Vors.:

Nein, kommt überhaupt nicht in Frage. Das ist Ihr Tonband. Mit dem können Sie arbeiten, nicht wir.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich habe einen Antrag gestellt.

Vors.:

Gut, Sie haben beanstandet,[42] daß ich sagte: „Kommt überhaupt nicht in Frage“.

(Nach geheimer Umfrage)

Der Senat hat beschlossen, dieser Antrag wird abgelehnt.

Es besteht keinerlei Veranlassung ein privates Tonband zu benützen und zu gebrauchen, das nicht für Gerichtszwecke benützt und eingestellt ist.

Jetzt Frau Schiller, ich habe Ihnen den Vorhalt gemacht. Ich habe einen Widerspruch in Ihrer Aussage gesehen. Wenn der Widerspruch falsch gesehen worden ist, so haben Sie selbstver- [11046] ständlich die Möglichkeit mich darauf hinzuweisen, daß ich das mißverstanden haben müsste. Jedenfalls bitte ich, Sie sich zu diesem Vorhalt zu äußern.

Zeugin Schi[ller]:

Ich möchte das schriftlich lesen.

Ich möchte eine Pause.

Vors.:

... sonst noch irgendetwas äußern. Sonst machen wir jetzt die Pause. Wollen Sie das Thema wenigstens nicht zu Ende bringen oder haben Sie dazu nichts ...

Zeugin Schi[ller]:

Ich habe zu dem Punkt nichts mehr zu sagen.

Vors.:

Gut. Eine Pause von 10 Minuten.

Pause von 18.53 Uhr bis 19.06 Uhr

Rechtsanwalt Dr. Heldmann ist nicht mehr[mm] anwesend.

Vors.:

Bitte Frau Schiller, wenn Sie noch irgendwas den gestellten Fragen, bzw. den Antworten, die Sie auf die gestellten Fragen geben wollen, hinzuzufügen haben, ist Gelegenheit gegeben.

Zeugin Schi[ller]:

Ich will was zum Info sagen, das wir im Knast hatten.

Vors.:

Das Gericht hat keine Fragen wegen dieses sogenannten Infos gestellt. Sie geben eine Antwort auf etwas, wonach Sie eigentlich nicht gefragt sind. Das ist auch nicht Gegenstand des Beweisantrags der Verteidiger. Wenn Sie selbst dazu Ausführungen glauben machen zu müssen, weil es zum Zusammenhang der an Sie gerichteten Fragen gehört.

Zeugin Schi[ller]:

So ist es.

Die Zeugin macht weitere Angaben zur Sache.

Vors.:

Herr Wunder, Entschuldigung, wenn eine Beanstandung vorgebracht werden soll.

BA Dr. W[under]:

Herr Vorsitzender, ich möchte diese Art der Aussagen beanstanden. Es ist jetzt auffällig, daß fast wörtlich, das wiedergebracht wird, was uns der Zeuge Pohl geboten hat.

Zeugin Schi[ller]:

... immer mit der selben Scheiße.

Vors.:

Jetzt sind Sie im Augenblick nicht beim Sprechen. Herr Bundesanwalt, das ist richtig. Ich habe es ja vorhin auch schon fest- [11047] gestellt, Aufbau und Formulierungen. Nur die Zeugin liest nicht ab. Sie spricht im Augenblick, unter Zuhilfenahme gelegentlich von Stichworten, das ist ersichtlich, frei. Und insofern, es kann natürlich ein Zeugenwissen auch mehrfach vorhanden sein, deswegen wollen wir mal sehen. Frau Schiller, führen Sie das zu Ende ...

Zeugin Schi[ller]:

Wenn dieselbe Erfahrung da ist, dann kommt man natürlich auf dasselbe Ergebnis.

Vors.:

Wenn Sie sich in der Tat jetzt von einem größeren Konzept lösen würden und das nur als Erinnerungsstütze benutzen. Ich möchte mal den Zeugen sehen ...

Zeugin Schi[ller]:

Lassen Sie mich mal zuende reden, dann sind wir gleich fertig.

Vors.:

Ja bitte, dann tun Sie das.

Die Zeugin macht weitere Angaben zur Sache.

Vors.:

Sie benützen dieses Konzept immer wieder. Soll das ein eigenes Produkt sein?

Zeugin Schi[ller]:

Es ist von mir.

Rechtsanwalt Dr. Heldmann erscheint wieder um[nn] 19.14 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Formulierungen die nun genau, ganz genau sich decken, nicht nur im Text, im Aufbau, im Sinngehalt. Es ist kein Zufall denkbar, der dahin führe, daß 2 unabhängige Zeugen voneinander so Gleiches, in so gleichen Formulierungen, so aufgebaut vortragen.

Zeugin Schi[ller]:

Ich habe mir das selbst zusammengeschrieben, ohne fremdes Zutun.

Vors.:

Sie haben das selbst, ohne irgend welches fremdes Zutun konzipiert?

Zeugin Schi[ller]:

Ja. Also ich komme jetzt auch auf mich. Also ich rede jetzt im Augenblick von mir selber. Ich rede von meiner eigenen Erfahrung.

Vors.:

Ich bitte Sie die Frage zu beantworten. Wie kommen Sie zu diesen Aufschrieben, nach denen Sie ja hier sprechen?

Zeugin Schi[ller]:

Ich habe mir selber noch Punkte aufgeschrieben.

Vors.:

... wörtlich decken können mit dem, was ein anderer Zeuge vorher gesagt hat.

[11048] Zeugin Schi[ller]:

Ich habe keine Lust, mit Ihnen zu streiten, also ich sage Ihnen, daß das meine Erfahrung[oo] ist, was ich erlebt habe.

Vors.:

Bitte Frau Schiller, versuchen Sie doch, sich vom Text loszulösen. Es muß der Eindruck entstehen, daß das eine Sache ist, die eben doch irgendwo gemeinschaftlich bekanntgeworden sein könnte.

Zeugin Schi[ller]:

Also ich rede jetzt zum INFO, wir haben da eine gemeinsame Sprache.

Vors.:

Das hier sei im Info diskutiert worden?

Zeugin Schi[ller]:

Nein.

Vors.:

Es geht ja hier nur die Frage nach dem hier, was im Info im Augenblick geschehen ist, wie Sie zu dem kommen. Schön, Sie sagen, das sei Ihr eigenes Produkt, aber die Empfehlung würde ich Ihnen doch nochmals gerne nahelegen ...

Zeugin Schi[ller]:

Ich verzichte auf Ihre Empfehlungen ...

Vors.:

... ohne Konzept zu sprechen.

Die Zeugin macht weitere Angaben zur Person.

Vors.:

Fragen an die Frau Zeugin? Bittesehr, Herr Bundesanwalt Zeis.

OStA Z[eis]:

Eine Frage. Frau Schiller, haben Sie einmal ein Angebot an den Staatsschutz gemacht?

Zeugin Schi[ller]:

Ich habe Sie nicht verstanden.

OStA Z[eis]:

Ich fragte Sie, ob Sie einmal schon ein Angebot an den Staatsschutz gemacht haben.

Zeugin Schi[ller]:

Ich?

OStA Z[eis]:

Ja Sie.

Gelächter der Zeugin

Zeugin Schi[ller]:

Ja, da kann ich nur lachen. Mein Lachen ist Antwort genug.

OStA Z[eis]:

Ihr Lachen ist Antwort genug?

Zeugin Schi[ller]:

Ja.

OStA Z[eis]:

Darf ich Ihnen dann vorhalten. Wenn ich Sie frage, ist es nicht richtig, daß Sie dem Staatsschutz angeboten haben, Aussagen gegen Herrn Müller zu machen.

Zeugin Schi[ller]:

Wie kommen Sie zu so was?

OStA Z[eis]:

... Zeugen Fragen stellen. Ich werde sie auch nicht [11049] beantworten. Ich habe die Frage gestellt und Sie könnens dann sein lassen zu sagen oder nicht.

Zeugin Schi[ller]:

Zu dieser Unterstellung sage ich natürlich was. Ich habe nie dem Staatsschutz etwas angeboten.

OStA Z[eis]:

Auch nicht Ihre Aussagen gegen Müller?

Zeugin Schi[ller]:

Ich habe vorhin erzählt, wie der Staatsschutz versucht hat, meine Aussage zu verhindern.

Vors.:

... einen völlig anderen Zeitpunkt bezieht offenbar. Ich weiß es nicht.

Zeugin Schi[ller]:

Woher wissen Sie ... den Zeitpunkt.

Vors.:

Ich vermute das nur, daß das früher mal angeboten sein könnte oder soll das in neuerer Zeit mal geschehen sein.

OStA Z[eis]:

Nein, das soll in neuerer Zeit gewesen sein, daß sich Frau Schiller den Staatsschutzbehörden angeboten hat, eine Aussage zu machen gegen den Zeugen Müller, womit bewiesen werden könnte, daß er den Polizeibeamten Schmid ermordet hat. Ich frage Sie nochmals: Haben Sie ein solches Angebot nie gemacht?

Zeugin Schi[ller]:

Ganz einfach nein.

OStA Z[eis]:

Nein? Gut, dankeschön. Dann habe ich keine weiteren Fragen mehr ...

Vors.:

Weitere Fragen? Ich sehe bei den Herrn Verteidigern nicht. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann?

Zeugin Schi[ller]:

Es ist einfach die Methode vom Staatsschutz ...

Vors.:

Dann stelle ich fest, daß die Vernehmung der Frau Zeugin abgeschlossen ist.

Zeugin Schi[ller]:

Ich will noch was sagen.

Vors.:

Nein, es sind keine Fragen mehr.

Die Zeugin Schiller bleibt gem. § 60 Nr. 2 StPO wegen Verdachts der Tatbeteiligung unbeeidigt und wird im allseitigen Einvernehmen um 19.21 Uhr entlassen.

Vors.:

Jetzt bitte ich noch den Zeugen Lemke.

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Um kein formalen ..., ich denke, wir nennen es eine § 257 II[ StPO]-Erklärung.[43]

Der fragliche Passus, auf dem von der Verteidigung benutzten Tonband, gibt folgenden Text der Aussage von Frau Schiller [11050] wieder, auf die Thematik Gruppe: Es gibt die Möglichkeit, daß jeder nur das weiß, was er braucht, um Handeln zu können, und dazu ist es nicht notwendig - es gab 2 Aussagen, die Sie auch als widersprüchlich diagnostiziert haben. Das ist die 1. - daß jeder nur das weiß, was er braucht, um Handeln zu können; und dazu ist es nicht notwendig, daß jeder auch das weiß, was die anderen machen, also alles weiß, was die anderen machen. Aber es ist völlig absurd, nicht zu wissen, was der will, derjenige, der mit einem handelt, der mit einem zusammen macht, wenn man das nicht wissen sollte.

Bundesanwalt Dr. Wunder verläßt um 19.23 Uhr für 1 Minute den Sitzungssaal.

Vors.:

Dankeschön. Dann bitte ich jetzt den Zeugen Lemke.

Der Zeuge Lemke erscheint um 19.24 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Sind Sie, das muß gefragt werden - Sie haben jetzt sehr lange gewartet - noch bereit, die Aussage zu machen heute?

Zeuge Le[mke]:

Ich werde mir Mühe geben.

Vors.:

Sie werden sich Mühe geben. Sie fühlen sich auch dazu noch imstande.

Zeuge Le[mke]:

Ich hoffe ja.

Der Zeuge Lemke wird gem. § 57 StPO belehrt.

Vors.:

Wir haben für Gerichtszwecke ein Tonbandgerät eingeschaltet. Sind Sie damit einverstanden, daß Ihre Aussage aufgenommen wird?

Zeuge Le[mke]:

Nein.

Vors.:

Nicht?

In der Folge wird das Tonband ausgeschaltet, solange sich der Zeuge äußert.

Vors.:

Es ist hier von den Herrn Verteidigern noch ein eigenes Tonbandgerät dabei. Man wird wohl annehmen müssen, daß Ihre Nichtzustimmung auch dafür gilt?

Zeuge Le[mke]:

Jawohl.

[11051] Vors.:

Ich bitte, daß das Gerät ausgeschaltet wird.

Der Zeuge Lemke macht folgende Angaben zur Person:

Heinz Lemke, 31 Jahre alt,

Hamburg, Polizeibeamter;

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert,

wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

... ist die Frage: Ist es richtig, daß Sie zusammen mit Ihrem Kollegen Schmid gewesen sind, als es zu einem Schußwechsel gekommen ist, dem Herr Schmid dann zum Opfer gefallen ist?

Zeuge Le[mke]:

Ja, das ist richtig.

Vors.:

War das im Oktober 1971?

Zeuge Le[mke]:

Ja.

Vors.:

Könnte es sein, daß es die Nacht war vom 21. auf den 22. Oktober?

Zeuge Le[mke]:

Ja.

Vors.:

Könnte es auch sein, daß es nach Mitternacht gewesen ist, als sich das ereignet hat?

Zeuge Le[mke]:

Es war gegen 1.00 Uhr.

Vors.:

Wenn Sie uns in kurzen Worten schildern würden. Der Hauptpunkt des Beweisantrags geht nicht dahin, was Sie damals erlebt haben, bloß daß der Rahmen gesteckt ist, was Sie damals erlebt haben, soweit Sie es noch in Erinnerung haben, aber es kann eine kurze Schilderung sein.

Der Zeuge Lemke macht Angaben zur Sache.

Vors.:

... zu überprüfen und jetzt sagen Sie plötzlich von anderen Personen etwas. Wie sind die dazugekommen?

Zeuge Le[mke]:

Ja, ich sagte schon, ich observierte einen Mann und später gesellte sich eine weitere Person dazu.

Vors.:

Ein Paar?

Zeuge Le[mke]:

Ja.

Vors.:

Sind Sie in dem Zeitraum, als Sie sich bemüht haben, diese andere Person zu erreichen, um sie zu kontrollieren, mitgegangen?

[11052] Zeuge Le[mke]:

Ja, sie gingen zusammen in loser Verbindung.

Vors.:

Könnten Sie das etwas näher schildern, was unter loser Verbindung zu verstehen ist?

Zeuge Le[mke]:

Also sie gingen nebeneinander her.

Vors.:

Können Sie angeben, daß bis zum Schluß, also bis zu den Schüssen, die gefallen sind, dieses Paar beieinander geblieben ist. Sind die nun immer zu zweit beieinander geblieben, solange Sie die beiden beobachten konnten?

Zeuge Le[mke]:

Ja.

Vors.:

Ja auch noch in dem Zeitraum, als die Schüsse fielen?

Zeuge Le[mke]:

Als die Schüsse fielen, blieben die auch zusammen.

Vors.:

... sind Sie ja später als Zeuge bemüht worden um die möglichen Täter zu identifizieren?

Zeuge Le[mke]:

Ja.

Vors.:

Können Sie uns dazu sagen, wie Sie das damals erlebt haben hinsichtlich der Täter. Könnten Sie z.B. sagen, wer geschossen hat, nach Ihrer Erinnerung? Können Sie trennen. Es waren offenbar die Person und das Paar. Können Sie da trennen unter den dreien, wer es gewesen ist? Können Sie vielleicht auch[pp] sagen, wieviele Schüsse gefallen sind, daß man das also zuordnen kann zu einzelnen Personen?

Zeuge Le[mke]:

Ja, nach meiner damaligen Erinnerung bin ich der Meinung gewesen, daß alle 3 Personen geschossen haben.

Vors.:

Wie ist das heute mit Ihrer Erinnerung?

Zeuge Le[mke]:

Ich bin nach wie vor der Meinung, daß alle 3 beteiligt gewesen sind.

Vors.:

Können Sie angeben, ob - also Mann und Frau ist klar bei dem Paar - und die andere Person, weiblich oder männlich, diejenige die Sie observiert haben oder die Sie kontrollieren wollten?

Zeuge Le[mke]:

Die andere Person war die Margit Schiller.

Vors.:

Frau Schiller?

Zeuge Le[mke]:

Ja.

Vors.:

Und das Paar beieinander. Das müsste also so gewesen sein, daß es zwei Frauen und ein Mann gewesen ist?

Zeuge Le[mke]:

Ja.

Vors.:

Können Sie nun speziell etwas dazu sagen, ob Sie im weiteren Verlauf in der Lage gewesen sind diesen Mann wiederzuerkennen?

[11053] Zeuge Le[mke]:

Ich weiß nicht, in welcher Hinsicht Sie das meinen. Ich hatte an mehreren Gegenüberstellungen teilgenommen.

Vors.:

Sind die verlaufen bezüglich Ihrer Möglichkeit jemanden als möglichen Täter wiederzuerkennen?

Zeuge Le[mke]:

Wir hatten eine Gegenüberstellung in Bonn. Ich meine, den Mann aus dieser Gruppe wiedererkannt zu haben.

Vors.:

Sie meinten, ihn wiedererkannt zu haben. Meinten Sie ihn wiederzuerkennen als einen derjenigen, der geschossen hat oder haben Sie angesichts dieses Mannes etwa das Bild gewonnen, das war der, der allein geschossen hat.

Zeuge Le[mke]:

Nein, ich war von vornherein der Überzeugung, daß alle 3 geschossen haben.

Vors.:

In diesem Gegenüberstellungsprotokoll, das ich hier habe, das sich im Ordner 33 Bl. 11/1 befindet, vom Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes stammt vom 8. August 1972. Genau stammt der Vorhalt aus Bl. 11/2: Der Mann der Ihnen, Sie nennen dann die Zahl, vorgeführt worden sei, sei der, der damals auf uns geschossen hat. Wenn man das für sich alleine liest, dann könnte der Eindruck entstehen, als hätten Sie damals, eben im Gegensatz zu dem, was Sie heute sagen, bekunden wollen, der hat alleine geschossen.

Zeuge Le[mke]:

Nein, das ist aus dem Zusammenhang herausgenommen. Das bezog sich auf die eine Person. Die andere habe ich ausgeklammert.

Vors.:

Und im Zusammenhang damit in Bad-Godesberg ist auch diese Gegenüberstellung ja wohl zunächst durchgeführt worden, dann kamen Sie nach Karlsruhe zum Vernehmungsrichter.[44] Ist das richtig?

Zeuge Le[mke]:

In Bonn?

Vors.:

Das ergibt sich aus 11/3 dieses Ordners. Hier heißt es: „In der an ... Stelle in der Reihenfolge vorgeführten männlichen Person, erkenne ich die Person wieder, die am 21.10.1971 in der Nacht gegen 1.00 Uhr, HH-Poppenbüttel, gemeinsam mit einer weiblichen Person auf meinen Kollegen Schmid Schüsse abgegeben hat.“ Hier, wenn man das liest, hat man nun den Eindruck, Sie hätten nun angesichts der Gegenüberstellung einen Mann erkannt, der geschossen hat gemeinschaftlich mit einer anderen Frau. Es seien also 2 mögliche Täter.

Zeuge Le[mke]:

Das ist widersprüchlich aufgenommen. Für mich bestand [11054] nach wie vor die Auffassung, daß alle 3 geschossen haben.

Vors.:

... heute nicht mehr trennen zwischen den dreien, sondern Sie bleiben bei Ihrer Überzeugung, es waren alle 3 beteiligt beim Schießen.

Zeuge Le[mke]:

Ja, ich bin der Überzeugung heute noch.

Vors.:

Ja, Sie sollen also nun nach dem Beweisantrag der Verteidigung ... Ich meine, wir wollen vielleicht noch vorher fragen, haben Sie später durch die Ermittlung irgendwie erfahren, um wen es sich gehandelt hat möglicherweise bei dem Mann ... verdächtigt, daß er der Mann gewesen ist von den 3 Personen. Ist Ihnen das bekannt geworden?

Zeuge Le[mke]:

Sie meinen vor der Gegenüberstellung? Im Laufe der Vernehmung waren keine genauen Einzelheiten bekannt.

Vors.:

Ich meine, ist Ihnen heute ein Name bekannt, gegen wen sich der Verdacht gerichtet hat. Gegen ...

Zeuge Le[mke]:

Gegen Müller.

Vors.:

Und nun, die Verteidigung sagt, Sie werden bekunden, daß Gerhard Müller am Morgen des 22.10.1971 gegen 1.35 Uhr in Hamburg-Poppenbüttel vor dem Wohnblock Heegbarg 59-63 den Polizeimeister Schmid durch 6 Schüsse aus seiner, des Zeugen Gerhard Müller, Pistole erschossen hat. Das ist der Antrag. Wollen Sie im Zusammenhang mit der bereits gegebenen Aussage irgendetwas dazu noch sagen?

Zeuge Le[mke]:

Ich habe in der Verhandlung auch gesagt, daß er einer der Täter war. Daß er alleiniger Täter war, habe ich nie gesagt.

Vors.:

... Prozess gegen Gerhard Müller, wo Sie als Zeuge gehört worden sind, dort angegeben, Sie erkennen Müller mit Sicherheit wieder als einen der in Betracht kommenden.

Zeuge Le[mke]:

Ja, ich weiß nicht mehr den genauen Wortlaut.

Vors.:

... er war nur einer von dreien.

Zeuge Le[mke]:

Er war nur einer von dreien.

Vors.:

Sind weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Beim Gericht sehe ich nicht. Die Herren der Bundesanwaltschaft? Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. W[under]:

Danke, keine Fragen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann?

RA Dr. H[eldmann]:

Sie haben gesagt, einmal gebrauchten Sie den Begriff: Ich bin der Meinung, einmal sagten Sie: Ich bin der Überzeugung - [11055] daß alle 3 Personen geschossen haben. Aufgrund welcher Tatsachen sind Sie zu dieser Meinung gekommen?

Zeuge Le[mke]:

Ich bin der Auffassung vom Geschehen her, daß 3 Personen geschossen haben. Ich weiß aus der Verhandlung, daß 2 Personen geschossen haben.

RA Dr. H[eldmann]:

Hat der erschossene Kollege Schmid auch geschossen?

Zeuge Le[mke]:

Nein, mein Kollege hat nicht geschossen.

RA Dr. H[eldmann]:

Haben Sie diese Aussage ... daß Schmid nicht geschossen hätte?

Zeuge Le[mke]:

Ja.

RA Dr. H[eldmann]:

Haben Sie geschossen?

Zeuge Le[mke]:

Ja.

RA Dr. H[eldmann]:

Zählen Sie sich zu den 3, wie Sie meinen, mutmaßlichen Schützen ebenfalls?

Zeuge Le[mke]:

Nein.

RA Dr. H[eldmann]:

Wo war die, wie war die Position jener 3 Schützen? Hatten Sie alle im Auge, jene 3 Personen, von denen Sie annehmen, sie hätten geschossen? Hatten Sie alle 3 Personen immer gleichzeitig im Auge?

Zeuge Le[mke]:

Nein, die Personen als solche konnte ich nicht im Auge haben. Ich hatte mein Augenmerk auf den Kollegen und die Personen gerichtet. An den Lichtspuren und Geschossen konnte ich feststellen, daß aus mehreren Richtungen geschossen wurde.

RA Dr. H[eldmann]:

Sie haben da 3 Personen beobachtet, bei diesem Vorgang, der insgesamt ja schon beschrieben ist. Welche dieser 3 Personen haben Sie später erkannt, identifiziert oder welche haben Sie, oder von welchen ist Ihnen bekannt, daß sie in der Zwischenzeit identifiziert worden sind?

Zeuge Le[mke]:

Von wem identifiziert?

RA Dr. H[eldmann]:

Von Ermittlungsbehörden.

Zeuge Le[mke]:

Über die Ermittlungsergebnisse bin ich nicht informiert.

RA Dr. H[eldmann]:

... Ihre Meinung, 3 Personen hätten geschossen, diese Meinung meint diese 3 Personen?

Zeuge Le[mke]:

Ja, ich meine, 3 Personen erkannt zu haben.

RA Dr. H[eldmann]:

Haben Sie Frau Schiller festgenommen?

Zeuge Le[mke]:

Nein, die nicht.

RA Dr. H[eldmann]:

Wer hat Frau Schiller festgenommen?

Zeuge Le[mke]:

Das war ein Kollege von einer anderen Dienststelle.

RA Dr. H[eldmann]:

Welche Geschosskaliber sind denn gefunden worden?

[11056] Zeuge Le[mke]:

Mir ist nicht bekannt, welches Geschosskaliber gefunden worden ist.

RA Dr. H[eldmann]:

Können Sie etwas über die Größe der beiden Personen, die nebeneinander - hier heißt es, wie ein Paar - die nebeneinander beobachtet festgestellt worden sind, aussagen, Körperlänge?

Zeuge Le[mke]:

Ich habe schon im letzten Prozess gesagt, auf das kann ich mich nicht festlegen.

RA Dr. H[eldmann]:

Können Sie das mit Ihrer eigenen Körpergröße vergleichen?

Zeuge Le[mke]:

Die Frau war relativ groß, der Mann war kleiner. Ich kann das nicht genau sagen.

RA Dr. H[eldmann]:

Können Sie sich erinnern, daß Sie in der Aussage vor dem Landgericht Hamburg, die Größe etwas genauer beschrieben haben. Daß die männliche Person etwa 170-180 cm groß war. „Eben ganz normal, weil ich auch so groß bin.“

Zeuge Le[mke]:

Ich bin etwas größer.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich frage, ob Sie das nicht vor dem Schwurgericht Hamburg so ausgesagt haben und ob Ihnen das vielleicht etwas zur besseren Erinnerung heute ist?

Zeuge Le[mke]:

Ich kann mich beim besten Willen nicht an diese Passage erinnern.

RA Dr. H[eldmann]:

Mit den Ermittlungen selbst waren Sie nicht betreut?

Zeuge Le[mke]:

Nein.

RA Dr. H[eldmann]:

Und Spuren am Tatort haben Sie nicht aufgenommen?

Zeuge Le[mke]:

Nein.

RA Dr. H[eldmann]:

Kennen Sie einen Obduktionsbericht?

Zeuge Le[mke]:

Nein.

RA Dr. H[eldmann]:

Welche Einschüsse hatte der Körper des Herrn Schmid?

Zeuge Le[mke]:

Ich habe nur am Tatort gesehen, daß unter ihm Blut war.

RA Dr. H[eldmann]:

Haben Sie danach erfahren, welche Verwundungen er erlitten hatte?

Zeuge Le[mke]:

Ja, gesprächsweise habe ich es erfahren.

RA Dr. H[eldmann]:

Eine Schusswunde oder mehrere?

Zeuge Le[mke]:

Ich kann mich erinnern, daß er, glaube ich, einen Einschuß in der Hüfte gehabt hat, in der Höhe des Unterleibes. Ich habe es nur gesprächshalber erfahren.

RA Dr. H[eldmann]:

Das ist doch der Kollege, mit dem Sie zusammen Streifendienst gemacht haben?

Zeuge Le[mke]:

Ja.

RA Dr. H[eldmann]:

Nur ein einziges mal? Nur in jener Nacht?

Zeuge Le[mke]:

Ich habe mit ihm 1 Woche/14 Tage Dienst gemacht.

RA Dr. H[eldmann]:

Sind Sie nicht mal der Frage nachgegangen, woran der [11057] Kollege gestorben ist, an welchen Wunden das mit ihm nun wirklich passiert ist?

Zeuge Le[mke]:

Ich weiß, daß er verblutet ist, daß das geschehen ist aufgrund eines großen Einschusses.

RA Dr. H[eldmann]:

Dieser frühere Vermerk von Ihrer Vernehmung ist Ihnen bereits vorgehalten worden. In der Verhandlung des Schwurgerichts in Hamburg haben Sie mit derselben Sicherheit den dort damals angeklagten Gerhard Müller, als die männliche Person aus jener Nacht wiedererkannt?

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender, ich beanstande die Frage. Die Frage ist beantwortet. Herrn Rechtsanwalt Dr. Heldmann lässt im Hinblick auf die fortgeschrittene Zeit, sein Kurzzeitgedächtnis wieder mal im Stich.

Vors.:

Die Kommentierung dazu ist nicht notwendig. Es ist so, daß die Frage gestellt und beantwortet ist, Herr Rechtsanwalt.

RA Dr. H[eldmann]:

Woran haben Sie denn den Herrn Müller wiedererkannt?

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender, wir beanstanden erneut die Frage. Sie enthält eine Unterstellung: „Woran haben Sie denn den Zeugen Müller erkannt“.

RA Dr. H[eldmann]:

Nein, Herr Zeis, auch wenn es so spät ist, dann sperren Sie doch, erst mal Ihre Ohren auf. Sie quatschen und quatschen, das ist furchtbar mit Ihnen.

Vors.:

Ich darf aber jetzt bemerken, also wenn Sie um einen Ausgleich bemüht sind jetzt der hier gegenseitigen Vorwürfe, dann haben Sie das Maß wieder voll erreicht. Sie können nicht behaupten, daß Sie nicht mindestens so weit gegangen wären, wie die Gegenseite. Ich darf Sie jetzt bitten, wie wollen Sie Ihre Frage formulieren.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich habe sie formuliert. Nur Herr Zeis hat sie nicht verstanden. Haben Sie sie verstanden, Herr Zeuge?

Zeuge Le[mke]:

Würden Sie die Frage bitte noch einmal wiederholen.

RA Dr. He[ldmann]:

Woran haben Sie Herrn Müller erkannt?

Vors.:

Und das ist beanstandet worden, daß das schon eine Unterstellung beinhalte, aber ...

RA Dr. He[ldmann]:

Welche Unterstellung?

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender, ich bleibe bei meiner Beanstandung. Der Herr Zeuge sagte[qq], in der Hauptverhandlung meinte ich, ihn wiedererkannt zu haben. Also Zweifel. Dann kann Herr Rechts- [11058] anwalt Heldmann in der Frage doch nicht unterstellen, woran haben Sie ihn erkannt.

Vors.:

Gut, woran meinten Sie, ihn wieder erkannt zu haben. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, ich glaube, in dieser Form ist die Frage auch richtig gestellt: Woran glaubten Sie ...

RA Dr. He[ldmann]:

Verzeihung, dann mache ich zunächst einen Vorhalt.

Vors.:

Bitte.

RA Dr. He[ldmann]:

Haben Sie nicht in Ihrer Zeugenvernehmung vor dem Schwurgericht Hamburg ausgesagt, als es um das Wiedererkennen bei der Gegenüberstellung 1972 ging: Ich bin mir nach wie vor sicher - und das bezog sich auf den Zeitpunkt Ihrer Zeugeneinvernahme vor dem Schwurgericht Hamburg - daß es total richtig war ...

Vors.:

Darf ich fragen, um was für ein Protokoll handelt es sich hier?

RA Dr. He[ldmann]:

Es handelt sich um das Wortprotokoll, daß das Sekretariat der Rechtsanwältin Bahr-Jendges während der Vernehmung des Zeugen Lemke aufgenommen hat.

Vors.:

Das ist also ein mitgeschriebenes Protokoll der Verteidigung?

RA Dr. He[ldmann]:

So ist es.

Vors.:

Also kein amtliches Protokoll oder Vernehmungs...,

RA Dr. He[ldmann]:

Darum habe ich absichtlich, obgleich ein Vorhalt auch hier zulässig wäre, jedoch vorsichtshalber in die Frageform gekleidet.

Vors.:

Nochmals die Frage, ob Sie sich in dem Sinne geäußert haben, wenn Sie das nochmals vorhalten wollen.

RA Dr. He[ldmann]:

Als Sie anhand des Ihnen bereits vorgehaltenen Vermerks aus dem Jahr 1972, über das Ihr Wiedererkennen bei der Gegenüberstellung 1972 befragt worden sind, haben Sie dann gesagt: Ich bin nach wie vor sicher, daß es total richtig war. Das heißt also, daß ich ihn richtig erkannt habe.

Zeuge Le[mke]:

Wenn ich mich nicht täusche, habe ich gesagt: Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit.

RA Dr. He[ldmann]:

Das haben Sie auch gesagt. Wenn Sie es so sehen - nach dieser Aufzeichnung haben Sie gesagt: „Wenn Sie es so sehen - das ist der Satz davor - müssen Sie nehmen, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit. Ich bin mir sicher, wenn ich es von heute aus sehe. Ich bin mir, nach wie vor sicher, daß es total richtig war.“ Können Sie sich daran erinnern?

Zeuge Le[mke]:

Ich erinnere mich, daß mich[rr] der Vorsitzende gefragt hat, ob ich mir sicher bin oder mit an Sicherheit grenzender Wahrschein- [11059] lichkeit.

RA Dr. He[ldmann]:

Haben vor der Vernehmung vor dem Schwurgericht Hamburg Kriminalbeamte erneut diese Frage mit Ihnen durchgesprochen, die Frage des Wiedererkennens?

Zeuge Le[mke]:

Nach der Gegenüberstellung?

RA Dr. He[ldmann]:

Vor Ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung.

Zeuge Le[mke]:

Da muß ich kurz überlegen. Ich bin mir nicht ganz sicher. Ich weiß aber nicht genau. Ich war in der Zeit in München beim Pohle-Prozess.[45] Ich weiß nicht genau, ob ich das damals gefragt worden bin.

RA Dr. He[ldmann]:

Wann war jene Befragung?

Zeuge Le[mke]:

Also der Prozess Pohle war einige Zeit vor der Hamburger Verhandlung. Ich weiß nicht. Ich muß passen.

RA Dr. He[ldmann]:

Dann konkretisier ich die Frage ein bißchen, vielleicht hilft uns das weiter. Haben Ihnen nach Ihrer Gegenüberstellung im Jahr 72 und Ihrer Vernehmung als Zeuge in der Hauptverhandlung in Hamburg, haben Ihnen bei irgendeiner Vernehmung oder bei irgendeiner Aussprache, Beamte bedeutet, es komme nicht darauf an, oder es komme nicht so sehr darauf an, daß Sie nun in der Hauptverhandlung den dort angeklagten Gerhard Müller wiedererkennen würden?

Zeuge Le[mke]:

Also nach der Gegenüberstellung habe ich mit den Ermittlungsbehörden keinen Kontakt mehr gehabt.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich habe nicht nach den ermittlungsführenden Beamten gefragt, sondern ich habe nach Beamten - es können Polizei, Staatsanwaltschaft oder irgendeine andere Dienststelle sein. Haben Ihnen Beamte das vermittelt?

Zeuge Le[mke]:

Nein.

RA Dr. He[ldmann]:

Nichts dergleichen.

Zeuge Le[mke]:

Nein.

RA Dr. He[ldmann]:

Danke. Keine Fragen mehr.

Vors.:

Sonst auch keine Frage. Wir können den Herrn Zeugen vereidigen.

Der Zeuge Lemke wird vorschriftsmäßig vereidigt und im allseitigen Einvernehmen um 19.52 Uhr entlassen.

Die Aussagegenehmigung[46] des Zeugen Lemke wird als Anlage 3 zum Protokoll genommen.

[11060][47] [11061][48]


[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - Az.: 1 StE 1/74 - StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[2] In Düsseldorf fand die Hauptverhandlung gegen Karl-Heinz Dellwo, Hanna Krabbe, Bernhard Rössner und Lutz Taufer wegen des Stockholm-Attentats am 24.4.1975 (Fn. 3) statt.

[3] Am 24. April 1975 überfiel das RAF-Kommando „Holger Meins“ die deutsche Botschaft in Stockholm und forderte die Freilassung von 26 inhaftierten RAF-Mitgliedern, darunter von Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof. Dem Kommando gehörten Karl-Heinz Dellwo, Siegfried Hausner, Hanna Krabbe, Bernhard Rössner, Lutz Taufer und Ulrich Wessel an. Zur Durchsetzung ihrer Forderungen nahmen sie zwölf Geiseln, von denen sie zwei erschossen. Anders als zwei Monate zuvor bei der Lorenz-Entführung durch die Bewegung 2. Juni lehnte die Bundesregierung nun Verhandlungen mit den Geiselnehmer/innen ab. Ihr Ende fand die Geiselnahme durch eine nicht geklärte Sprengstoffexplosion im Inneren des Botschaftsgebäudes, die sich noch vor dem Zugriff schwedischer Sicherheitskräfte ereignete. Bei der Explosion wurde Ulrich Wessel tödlich verletzt. Siegfried Hausner erlag seinen Verletzungen Anfang Mai 1975 in der JVA Stuttgart-Stammheim. Die übrigen vier Geiselnehmer/innen wurden verhaftet und am 20. Juli 1977 zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt (Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 361 ff.; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 69).

[4] Urkunden wurden zum damaligen Zeitpunkt ausschließlich durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt (§ 249 Satz 1 StPO a.F.). Heute ist zu diesem Grundsatz eine weitere Möglichkeit des Urkundenbeweises hinzugetreten: Anstelle der Verlesung kann die Urkunde in einigen Fällen mittels Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführt werden (§ 249 Abs. 2 StPO), was eine Ausnahme zum sonst im Strengbeweis geltenden Mündlichkeitsgrundsatz darstellt (Kudlich, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, Einl. Rn. 185, 189).

[5] Seit ihrer Festnahme am 4. Februar 1974 warteten mehrere RAF-Mitglieder auf die Eröffnung der Hauptverhandlung in Hamburg: Ilse Stachowiak wurde zusammen mit Christa Eckes, Helmut Pohl und Eberhard Becker in Hamburg festgenommen. Kay-Werner Allnach und Wolfgang Beer wurden mit Margrit Schiller in Frankfurt/Main aufgegriffen; Ekkehard Blenck wurde kurz darauf (zusammen mit Axel Achterrath) in Amsterdam verhaftet. Nach den Verhaftungen der RAF-Führungsriege 1972 hatte die Gruppe um Margrit Schiller ab Mitte 1973 damit begonnen, sich zu reorganisieren. Ihre Pläne zur gewaltsamen Befreiung der inhaftierten Mitglieder wurden jedoch durch ihre Festnahmen verhindert. In Anlehnung an das Verhaftungsdatum wurde die Gruppierung als Gruppe 4.2. bezeichnet. Sie wurden am 28. September 1976 vom Landgericht Hamburg zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 55, 78 ff., 116 ff., 121 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 357 ff.; Straßner, in Ders. [Hrsg.] Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 209, 219; Stuberger, Die Akte RAF, 2008, S. 263).

[6] Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit muss in diesem Stadium der Hauptverhandlung unverzüglich, also „ohne eine nicht durch die Sachlage begründete Verzögerung“ (BGH, Urt. v. 10.11.1967 - Az.: 4 StR 512/66, BGHSt 21, S. 334, 339) erfolgen; andernfalls wäre sie nach § 26a Abs. 1 Nr. 1 StPO wegen Verspätung als unzulässig zu verwerfen. Zulässig ist allerdings, zunächst noch abzuwarten, ob sich der Eindruck der Befangenheit verfestigt (OLG München, Beschl. v. 22.11.2006 - Az.: 4 St RR 182/06, NJW 2007, S. 449, 451).

[7] Zu diesem Zeitpunkt waren bereits mehr als 50 erfolglose Befangenheitsgesuche vorgebracht worden (s. die Ausführungen des OStA Zeis zur 50. Ablehnung am 118. Verhandlungstag, S. 10039 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[8] Abgelehnte Richter/innen können bei der Entscheidung über die Begründetheit der sie selbst betreffenden Ablehnung nicht mitwirken (§ 27 Abs. 1 StPO). Über die Ablehnung eines Mitglieds des erkennenden Spruchkörpers entscheidet das Gericht in der für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung vorgeschriebenen Besetzung (§ 27 Abs. 2 StPO), d.h. im Falle eines OLG-Senats mit drei Berufsrichter/innen (§ 122 Abs. 1 GVG).

[9] Anlage 1 zum Protokoll vom 29.7.1976: Ablehnung des Vorsitzenden Dr. Prinzing wegen Besorgnis der Befangenheit durch die Angeklagte Ensslin.

[10] Verfügung vom 29.7.1976 des Richters Dr. Foth (Frist zur Stellungnahme und voraussichtliche Fortsetzung der Hauptverhandlung).

[11] Dienstliche Erklärung des Vorsitzenden Dr. Prinzing.

[12] Antrag des Rechtsanwalts Schily auf Verlängerung der Stellungnahmefrist.

[13] Verfügung des Richters Dr. Foth (Verlängerung der Stellungnahmefrist).

[14] Antrag der Bundesanwaltschaft auf Zurückweisung der Ablehnung als unbegründet.

[15] Schriftsatz des Rechtanwalts Schily (unleserlich).

[16] Anlage 2 zum Protokoll vom 29.7.1976: Senatsbeschluss (Zurückweisung der Ablehnung als unbegründet).

[17] Nachdem am 39. Verhandlungstag die Ergebnisse der beauftragten Gutachter bekannt gegeben worden waren, die eine nur zeitlich eingeschränkte Verhandlungsfähig und Behandlungsbedürftigkeit der Angeklagten nahelegten, verkündete der Vorsitzende Dr. Prinzing am 40. Verhandlungstag den Senatsbeschluss, dass die Hauptverhandlung aufgrund der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit der Anklagten gem. § 231a StPO in deren Abwesenheit fortgeführt werde (s. bereits Fn. 1).

[18] In § 146 StPO ist das Verbot der Mehrfachverteidigung normiert, welches erst mit Wirkung zum 1.1.1975 durch das Gesetz zur Ergänzung des Ersten Strafverfahrensreformgesetzes vom 20.12.1974 (BGBl. I, S. 3686) eingeführt worden war. Aufgrund dieser Vorschrift ausgeschlossen wurden u.a. die Rechtsanwälte Golzem, Köncke und Spangenberg, da diese in einem Parallelverfahren vor dem LG Kaiserslautern die dort Angeklagten Grashof, Grundmann und Jünschke vertraten, denen die Beteiligung an der kriminellen Vereinigung RAF sowie z.T. auch die Beteiligung an der Sprengstoffexplosion in Frankfurt sowie an einem Raubüberfall in Kaiserslautern vorgeworfen wurden. Diese Taten waren auch Gegenstand des hier anhängigen Verfahrens, was nach Ansicht des 2. Strafsenats einen ausreichenden Zusammenhang zwischen den beiden Verfahren begründe, sodass § 146 StPO Anwendung finde. Ob sich das Verbot des § 146 StPO a.F. auch auf Parallelverfahren erstreckte, war zunächst ungeklärt. Die später gegen den Beschluss des 2. Strafsenats gerichtete Verfassungsbeschwerde des Rechtsanwalts Köncke wurde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Beschl. v. 13.1.1976 - Az.: 2 BvR 1001/75, abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a“, 5. Aufl. 2014, S. 46 f.). Durch das StrVÄG 1987 vom 27. Januar 1987 (BGBl. I, S. 475) wurde § 146 StPO schließlich neugefasst. Der heutige Wortlaut umfasst eindeutig auch das Verbot, Beschuldigte in Parallelverfahren zu verteidigen, wenn sie wegen derselben Tat beschuldigt sind (s. zur Neuregelung auch Meyer-Goßner, NJW 1987, S. 1161, 1163; Nestler-Tremel, NStZ 1988, S. 103 f.).

[19] Sowohl für Entscheidungen über das Rechtsmittel der Beschwerde gegen Beschlüsse und Verfügungen eines Senats des Oberlandesgerichts nach §§ 138d, 304 Abs. 4 Satz 2 StPO, als auch für Entscheidungen über eine etwaige Revision (§ 333 ff. StPO) wäre der BGH zuständig gewesen (§ 135 GVG).

[20] Der Grund, aus welchem Richter/innen abgelehnt werden, muss nach § 26 Abs. 2 Satz 1 StPO glaubhaft gemacht werden. Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht sie für überwiegend wahrscheinlich hält (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 26 Rn. 7). Die Glaubhaftmachung erfordert damit eine geringere Form der Überzeugung als der sog. Vollbeweis. Die Glaubhaftmachung genügt nur dort, wo das Gesetz sie ausdrücklich zulässt. Mittel der Glaubhaftmachung kann auch das Zeugnis des/der abgelehnten Richter/in sein (§ 26 Abs. 2 Satz 3 StPO).

[21] Zur erforderlichen „Unverzüglichkeit“ von Ablehnungsgesuchen s. bereits Fn. 6.

[22] Das Gericht musste sich mit einigen Neuregelungen befassen: Am 1. Januar 1975 traten das Erste Strafverfahrensreformgesetz vom 9. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3393) sowie das Ergänzungsgesetz hierzu vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3686) in Kraft. Hierdurch wurden u.a. die Möglichkeit des Verteidiger/innenausschlusses (§ 138a StPO), die Beschränkung auf drei Wahlverteidiger/innen pro Beschuldigte/n (§ 137 Abs. 1 Satz 2 StPO), das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO), sowie die Möglichkeit, den Prozess im Falle vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführter Verhandlungsunfähigkeit bis zum Abschluss der Vernehmung der Angeklagten zur Sache auch in ihrer Abwesenheit durchzuführen (§ 231a StPO), eingeführt. Durch diese und weitere Reformen während der Hauptverhandlung wurden die Rechte der Angeklagten sowie der Verteidigung erheblich eingeschränkt (Tenfelde, Die Rote Armee Fraktion und die Strafjustiz, 2009, S. 72 ff.). Da viele der Vorschriften im Hinblick auf das anstehende Stammheimer Verfahren beschlossen wurden, wurden sie u.a. als „lex RAF“ kritisiert (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 132 ff.). Sie sind überwiegend noch heute in Kraft.

[23] Am vorigen Verhandlungstag sprang der Zeuge Klaus Jünschke mit den Worten „Wart’ ich komm“ und „Für Ulrike, du Schwein“ über den Richtertisch auf den Vorsitzenden Dr. Prinzing zu und fiel mit diesem zu Boden, bevor er überwältigt werden konnte (S. 10957 des Protokolls der Hauptverhandlung, 131. Verhandlungstag).

[24] Die Zeuginnen Eckes und Stachowiak weigerten sich, Aussagen zu machen, da sie hierzu gesundheitlich nicht in der Lage seien (s. dazu S. 10919 ff., 10927 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 131. Verhandlungstag).

[25] In den §§ 24 ff. StPO befinden sich die Vorschriften über die Ablehnung von Richter/innen.

[26] Gemeint ist § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO: „Das Gericht verwirft die Ablehnung eines Richters als unzulässig, wenn durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen.“

[27] Der Anspruch auf rechtliches Gehör, der in Art. 103 Abs. 1 GG ausformuliert ist, ist eine Ausprägung sowohl des Rechtsstaatsprinzips aus Art. 20 Abs. 3 GG als auch der Menschenwürdegarantie aus Art. 1 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschl. v. 8.1.1959 - Az.: 1 BvR 396/55, BVerfGE 9, S. 89, 95). Er ist zudem einfachgesetzlich in § 33 StPO normiert.

[28] § 238 Abs. 2 StPO lautet: „Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden von einer bei der Verhandlung beteiligten Person als unzulässig beanstandet, so entscheidet das Gericht.“

[29] Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ist nicht darauf beschränkt, sich zu Tatsachenbehauptungen äußern zu können. Auch die Äußerung zu Rechtsauffassungen muss grundsätzlich ermöglicht werden (Remmert, in Maunz/Dürig [Begr.], Grundgesetz-Kommentar, 91. Ergänzungslieferung, April 2020, Art. 103 Rn. 76). Ob dies auch für das erneute Äußerungsrecht gilt, das Prozessbeteiligten nach neuem Vortrag der Gegenseite zusteht, hatte das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1965 noch offengelassen (BVerfG, Beschl. v. 11.5.1965 - Az.: 2 BvR 242/63, BVerfGE 19, S. 32, 36); 1982 bezog es das erneute Äußerungsrecht schließlich auf jede „dem Gericht unterbreiteten Stellungnahme der Gegenseite und deren Rechtsauffassung“ (BVerfG, Beschl. v. 24.3.1982 - Az.: 2 BvH 1, 2/82, 2 BvR 233/82, BVerfGE 60, S. 175, 210). Dass der Vortrag der Bundesanwaltschaft keinerlei Tatsachenbehauptung enthalten haben soll, ist aber auch nicht eindeutig; die Unzulässigkeit wegen Verspätung enthält auch die Behauptung, es wäre ein früheres Vorbringen möglich gewesen. Hinderungsgründe hierfür können aber nicht nur durch rechtliche Wertungen, sondern auch durch tatsächliche Umstände begründet werden. Der Behauptung der Unzulässigkeit wegen Verspätung könnte also durchaus ein Tatsachenkern entnommen werden.

[30] § 57 StPO a.F. schrieb für die Belehrung von Zeug/innen vor: „Vor der Vernehmung sind Zeugen zur Wahrheit zu Ermahnen und darauf hinzuweisen, daß sie ihre Aussage zu beeidigen haben, wenn keine im Gesetz bestimmte oder zugelassene Ausnahme vorliegt. Hierbei sind sie über die Bedeutung des Eides, die Möglichkeit der Wahl zwischen dem Eid mit religiöser oder ohne religiöse Beteuerung sowie über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren.“ Nach § 55 Abs. 1 StPO steht Zeug/innen ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, wenn sie sich selbst oder ihre Angehörigen (§ 52 Abs. 1 StPO) durch die Beantwortung einer Frage der Gefahr aussetzen würden, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt werden.

[31] Zu den Besonderheiten dieses Verfahrens gehörte es, dass sich die Prozessbeteiligten darauf einigten, ein gerichtliches Wortprotokoll als Arbeitsgrundlage anzufertigen (s. dazu S. 4 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Nach der damaligen Rechtsprechung bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung stets der Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 - Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 - Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 339). Heute wird die gerichtliche Tonbandaufnahme z.T. auch ohne Zustimmung der Beteiligten für zulässig erachtet (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 35; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 13).

[32] § 178 GVG ermöglicht bei ungebührlichem Verhalten die die Festsetzung von Ordnungsgeld oder Ordnungshaft.

[33] Das INFO war ein Informations- und Kommunikationssystem, das einen Austausch von Rundbriefen, Zeitungsartikeln etc. unter den inhaftierten RAF-Mitgliedern ermöglichte. Über die Verteidigerpost, die im Vergleich zu anderer Post vollzugsrechtlich privilegiert ist (§§ 97 Abs. 1 Nr. 1, 148 StPO), konnte Material ohne vorherige Zensur ausgetauscht werden. Den Rechtsanwälten Ströbele, Groenewold und Dr. Croissant wurde später vorgeworfen, durch die Beteiligung am „Info-System“ dazu beigetragen zu haben, dass die inhaftierten RAF-Mitglieder auch aus der Haft heraus ihre kriminelle Vereinigung hätten fortführen können. Dabei ging es nicht um das INFO an sich, sondern um die Weiterleitung ganz bestimmter Unterlagen (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 521 ff.; s. auch die Interviews mit K. Groenewold und H.-C. Ströbele, in Diewald-Kerkmann/Holtey [Hrsg.], Zwischen den Fronten, 2013, S. 49, 58 f., 70 f. sowie S. 121, 132 f.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 52).

[34] Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung war die Vereidigung von Zeug/innen nach § 59 f. StPO a.F. grundsätzlich vorgeschrieben. Ausnahmen galten nur für wenige Vereidigungsverbote, darunter bei Personen, die selbst wegen der Beteiligung der gegenständlichen Tat verdächtig oder bereits verurteilt worden waren (§ 60 Nr. 2 StPO). Darüber hinaus hatte das Gericht die Möglichkeit, in bestimmten Fällen von der Vereidigung abzusehen (§ 61 StPO a.F.). Im Unterschied dazu bestimmt der heutige § 59 Abs. 1 Satz 1 StPO, dass eine Vereidigung nur dann erfolgt, wenn es das Gericht wegen der ausschlaggebenden Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung einer wahren Aussage nach seinem Ermessen für notwendig hält.

[35] Gemeint ist Gerhard Müller, der als einer der Hauptbelastungszeugen ab dem 124. Verhandlungstag vernommen wurde.

[36] Am 30. Juni 1975 begann das Verfahren gegen Irmgard Möller und Gerhard Müller vor dem Landgericht Hamburg. Die Anklagevorwürfe betrafen u.a. das Geschehen um die versuchte Festnahme des RAF-Mitglieds Margrit Schiller, in deren Verlauf ein Polizeibeamter erschossen, ein weiterer verletzt wurde. Der getötete Polizeibeamter Norbert Schmid war das erste Todesopfer der RAF. Der genaue Tatvorgang, insbesondere die Täterschaft, konnte bis heute nicht aufgeklärt werden. Irmgard Möller wurde mit Urteil vom 16.3.1976 u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Urkundenfälschung und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von viereinhalb Jahren, Gerhard Müller u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Beihilfe zum Mord, Beteiligung an Bombenanschlägen und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zehn Jahren verurteilt (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 113 ff.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 29). Insbesondere der Freispruch Müllers in Bezug auf die Tötung Schmids sorgte im Stammheimer Verfahren für Aufregung. Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass die umfassende Aussage Müllers, mit der er die Angeklagten schwer belastete, u.a. durch das Versprechen diverser ungesetzlicher Vorteile unzulässig beeinflusst worden war (s. hierzu etwa die Beweisanträge in den Anlagen 4 bis 19 zum Protokoll zum 20.7.1976, S. 10643 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 128. Verhandlungstag; s. zu den Vorwürfen der Verteidigung auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 305 ff.).

[37] Ausnahmsweise kann sich das Recht aus § 55 StPO, die Auskunft auf einzelne Fragen zu verweigern, zu einem umfassenden Auskunftsverweigerungsrecht verdichten, wenn der gesamte Inhalt der Aussage die Gefahr einer Strafverfolgung begründen würde; dies kann insbesondere bei Beteiligten an den angeklagten Straftaten (bzw. bei an der Beteiligung Verdächtigen) der Fall sein (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 55 Rn. 2; BGH, Beschl. v. 11.6.2002 - Az.: 2 StE 7/01 - 6 StB 12/02, NStZ 2002, S. 607; s. auch bereits BGH, Urt. v. 15.1.1957 - Az.: 5 StR 390/56, BGHSt 10, S. 104, 105).

[38] Die Schaffung einer speziellen gesetzlichen Kronzeugenregelung wurde zum damaligen Zeitpunkt zwar diskutiert, erfolgte aber zunächst nicht. Während bereits mit Gesetz vom 28.7.1981 (BGBl. I, S. 681) eine Kronzeugenregelung für Betäubungsmitteldelikte geschaffen wurde (§ 31 BtMG), geschah dies erst 1989 auch für terroristische Straftaten (BGBl. I, S. 1059, S. 1061). Diese Regelung trat jedoch zum 1.12.1999 wieder außer Kraft. Erst seit dem 1.9.2009 gibt es im deutschen Strafrecht mit § 46b StGB eine allgemeine Kronzeugenregelung (eingeführt durch das 43. Strafrechtsänderungsgesetz vom 29.7.2009, BGBl. I, S. 2288).

[39] § 69 StPO legt die Reihenfolge im Rahmen der Vernehmung zur Sache folgendermaßen fest: „Der Zeuge ist zu veranlassen, das, was ihm von dem Gegenstand seiner Vernehmung bekannt ist, im Zusammenhang anzugeben“ (Abs. 1 Satz 1). „Zur Aufklärung und zur Vervollständigung der Aussage sowie zur Erforschung des Grundes, auf dem das Wissen des Zeugen beruht, sind nötigendenfalls weitere Fragen zu stellen“ (Abs. 2 a.F., heute Abs. 2 Satz 1).

[40] „Pfirsich“ war der Deckname für Dierk Hoff, der im Auftrag der RAF verschiedene Sprengkörper herstellte. Er wurde als einer der Hauptbelastungszeugen ab dem 68., sowie am 98. Verhandlungstag vernommen.

[41] Der Verteidigung war grundsätzlich auch der Einsatz eines eigenen Tonbandgerätes gestattet. Die Vertreter der Bundesanwaltschaft, das Gericht sowie die Verteidiger, die den Angeklagten gegen ihren Willen beigeordnet worden waren, widersprachen allerdings einer Aufzeichnung ihrer Äußerungen hierdurch (S. 10698 des Protokolls der Hauptverhandlung, 129. Verhandlungstag).

[42] Sachleitungsbezogene Anordnungen des/der Vorsitzenden können als unzulässig beanstandet werden (§ 238 Abs. 2 StPO). Über die Beanstandung entscheidet sodann das Gericht, in diesem Fall der Senat in voller Besetzung.

[43] Der Verteidigung ist auf Verlangen - ebenso wie der Staatsanwaltschaft - nach § 257 Abs. 2 StPO nach jeder einzelnen Beweiserhebung die Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären.

[44] Vor Erhebung der öffentlichen Klage ist für die Vornahme gerichtlicher Untersuchungshandlungen grundsätzlich dasjenige Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die antragstellende Staatsanwaltschaft ihren Sitz hat (§ 162 StPO). Hat, wie in diesem Verfahren, der Generalbundesanwalt die Ermittlungen übernommen, so sind auch die Ermittlungsrichter/innen des BGH zuständig (§ 168a Abs. 1 Satz 2 StPO a.F.; heute § 169 Abs. 1 Satz 2 StPO). Grundsätzlich ist zwar die Staatsanwaltschaft die Herrin des Ermittlungsverfahrens, d.h. Ermittlungshandlungen führt sie entweder selbst oder unter Zuhilfenahme der Polizeibehörden durch (§§ 160 Abs. 1, 161 StPO). Auch jenseits derjenigen Untersuchungshandlungen, für die richterliche Anordnungen gesetzlich vorgeschrieben sind, kann sie allerdings gerichtliche Untersuchungshandlungen beantragen (§ 162 StPO). So hat die richterliche im Vergleich zur polizeilichen Zeugenvernehmung den Vorteil, dass in bestimmten Situationen nur die Verlesung des richterlichen, nicht jedoch des polizeilichen Vernehmungsprotokolls in der Hauptverhandlung zulässig ist (§ 251 Abs. 1 StPO a.F.; entspricht heute weitestgehend § 251 Abs. 2 StPO). Auch die Vernehmung der Verhörperson ist im Falle einer richterlichen Vernehmung in bestimmten Fällen von dem aus § 252 StPO hergeleiteten Beweisverwertungsverbot ausgenommen (s. dazu Ellbogen, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl. 2016, § 252 Rn. 47 ff.).

[45] Rolf Pohle war ein linker Aktivist in München. 1969 wurde er aufgrund seiner Teilnahme an den Osterunruhen nach dem Mordanschlag auf Rudi Dutschke zu 15 Monaten Haft (ohne Bewährung) verurteilt, jedoch im Rahmen der „Brandt-Amnestie“ wieder freigelassen. Nachdem ihm aufgrund seiner Vorstrafe jedoch die Zweite Juristische Staatsprüfung verwehrt blieb, bewegte er sich ab 1970/71 im Umfeld der militanten Münchner Formation „Tupamaros München“. Am 18. Dezember 1971 wurde er verhaftet, als er versuchte, mit einem gefälschten Ausweis Waffen zu erwerben und im März 1974 vom LG München wegen illegalen Waffenbesitzes und aufgrund seiner angeblichen Zugehörigkeit zur RAF wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu einer Haftstrafe in Höhe von fast sechseinhalb Jahren verurteilt. Im März 1975 wurde er im Rahmen der Lorenz-Entführung freigepresst, bereits 1976 allerdings in Griechenland wieder verhaftet. Er wurde unter großen Protesten in die Bundesrepublik abgeschoben, wo er bis 1982 seine Haftstrafe absaß. Pohle bestritt bis zu seinem Tod seine Mitgliedschaft in der RAF und wird von der aktuellen Forschung eher der im Entstehen befindlichen Bewegung 2. Juni zugerechnet (Danyluk, Blues der Städte, 2019, S. 513 f.)

[46] Landes- und Bundesbeamt/innen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet bezüglich aller Angelegenheiten, die ihnen im Rahmen ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgeworden sind. Aussagen vor Gericht hierüber sind nur nach und im Umfang der Genehmigung durch den jeweiligen Dienstherrn gestattet (heute geregelt in § 37 Abs. 1 und 3 BeamtStG für Landesbeamt/innen und in § 67 Abs. 1 und 3 BBG für Bundesbeamt/innen; für den Stand 1975 galten für Landesbeamt/innen noch Landesgesetze, die sich allerdings an § 39 des Beamtenrechtsrahmengesetzes vom 1.7.1957 orientieren mussten; für Bundesbeamt/innen galt § 61 BBG a.F.).

[47] Diese Seite ist nicht im Archivbestand enthalten.

[48] Anlage 3 zum Protokoll vom 29.7.1976: Aussagegenehmigung für den Zeugen Lemke.


[a] Handschriftlich eingefügt: von Ulrike

[b] Maschinell eingefügt: wieder

[c] Handschriftlich ersetzt: den durch die

[d] Handschriftlich ergänzt: haben

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[f] Maschinell ersetzt: anwesend durch nunmehr auch anwesend

[g] Handschriftlich eingefügt: es

[h] Handschriftlich ersetzt: ihr durch hier

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[j] Handschriftlich durchgestrichen: in

[k] Handschriftlich ersetzt: hat durch haben

[l] Handschriftlich ersetzt: für durch über

[m] Maschinell eingefügt: RA Schi.: Herr Vorsitzender ...

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[p] Handschriftlich eingefügt: sie

[q] Maschinell eingefügt: und

[r] Maschinell durchgestrichen: sich

[s] Handschriftlich durchgestrichen: Tatsachenbehauptungen

[t] Handschriftlich ersetzt: den durch die

[u] Handschriftlich durchgestrichen: Wortmeldungen

[v] Handschriftlich eingefügt: ich

[w] Maschinell eingefügt: (nach geheimer Umfrage)

[x] Handschriftlich eingefügt: - - -

[y] Maschinell eingefügt: sind

[z] Handschriftlich durchgestrichen: seinen

[aa] Maschinell eingefügt: habe

[bb] Maschinell ergänzt: unbegründet

[cc] Maschinell eingefügt: Ich

[dd] Maschinell eingefügt: mehr

[ee] Handschriftlich ersetzt: ihr durch ist

[ff] Handschriftlich eingefügt: haben

[gg] Maschinell durchgestrichen: fortzuse

[hh] Handschriftlich eingefügt: da

[ii] Handschriftlich eingefügt: Die

[jj] Maschinell eingefügt: hierzu

[kk] Maschinell durchgestrichen: ge-

[ll] Maschinell eingefügt: nur

[mm] Maschinell eingefügt: mehr

[nn] Maschinell ersetzt: um durch wieder um

[oo] Maschinell durchgestrichen: Erfahrungen

[pp] Maschinell eingefügt: auch

[qq] Handschriftlich ergänzt: sagte

[rr] Handschriftlich ersetzt: mit durch mich