144. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 16. September 1976, um 10.01 Uhr



[11545] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 16. September 1976, um 10.01 Uhr.

(144. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft - mit Ausnahme von OStA Zeis -[a] erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag

Als Urkundsbeamte sind anwesend:

Just. Ass. Clemens, Just. Ass. z. A. Scholze

Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]

Als Verteidiger sind anwesend: Rechtsanwälte Schily, Eggler Künzel, Schnabel, Schwarz, Schlaegel und Grigat.

Vors.:

Ich bitte Platz zu nehmen. Ich bitte um Verständnis für die Verzögerung des Sitzungsbeginns. Es liegt daran, daß der Zeuge Dollak heute früh noch in Hamburg war, zu dem Zeitpunkt, als er bereits hier vorgeladen gewesen ist. Er hat noch um Vorschuß gebeten, der ihm[b] inzwischen ausbezahlt wurde. Der Zeuge wird mutmaßlich um 11.25 Uhr abreisen in Hamburg, wird hier zwischen 13 und 14 Uhr eintreffen und wir werden dann heute nachmittag 14.30 Uhr zur Vernehmung dieses Zeugen schreiten, sofern er ankommt. Seitens des Gerichts sind also alle Voraussetzungen dafür geschaffen worden.

Außerdem hat Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann mitgeteilt, daß er verspätet ist. Auf der Autobahn scheint er in einen Stau geraten zu sein. Dasselbe widerfuhr zwei Mitgliedern des Gerichts, so daß diese Verzögerung notwendig geworden ist. Ich bitte nochmals um Verständnis.

Wir haben kein größeres Sitzungsprogramm für heute früh. Wir wollen ein Urteil verlesen noch - kurzes Urteil - und dann einen Beschluß bekanntgeben und uns dann auf heute nachmittag vertagen. Sofern allerdings Anträge und dergleichen zu stellen wären, wäre ich dankbar, wenn es heute früh dann im Anschluß an die Verlesung des Urteils geschehen könnte. Darf ich nunmehr um die Verlesung des Urteils Burghardt bitten. Herr Dr. Breucker, bittesehr.

Richter Dr. Br[eucker]:

Es handelt sich um ein Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 11.1.74, Aktenzeichen 4 KLs 4/73, gegen den Vikar Cornelius Burghardt ...

[11546] RA Schi[ly]:

Ich widerspreche einer Verlesung des Urteils.

Vors.:

Bitteschön, und warum? Die Gründe bitte.

RA Schi[ly]:

Ich sehe keine Veranlassung und keinen Sachzusammenhang, der in irgend einer Weise hier für das Verfahren von Bedeutung sein könnte. Im übrigen ist ja bekannt, daß der Bundesgerichtshof einmal entschieden hat, daß die Verlesung von Urteilen anderer Gerichte nicht notwendig Einfluß auf die Entscheidung eines anderen Gerichts haben muß.[2] Ich würde mich dafür interessieren, die Rechtsauffassung des Senats zu diesem Problem kennen zu lernen, ob Sie es für zweckmäßig und notwendig halten und wenn ja, aus welchen Gründen.

Vors.:

Die Verlesung erfolgt im Rahmen des § 249[ StPO].[3] Da[c] steht im Gesetz die Verursachung, die zu Verlesungen führen kann. Der Senat wird über diese Beanstandung[4] entscheiden müssen.

Rechtsanwalt Künzel verläßt von 10.04 Uhr bis 10.05 Uhr den Sitzungssaal.

Vors.:

(Nach geheimer Umfrage)

Der Senat hat beschlossen:

Das Urteil ist zu verlesen.

Die Begründung liegt darin, daß es bei den Ausführungen des Urteils um eine Verurteilung wegen der Unterstützung derselben kriminellen Vereinigung geht, von der auch in dieser Verhandlung die Rede ist.

- - -[d]

Ich darf bitten, in der Verlesung fortzufahren. Wir wollen, sofern, Herr Rechtsanwalt Schily, es Ihnen darum geht, die Verlesung möglichst schonend durchzuführen im Hinblick auf die Person etwa des Verurteilten, das wird von Seiten des Gerichts ohne weiteres geschehen können. Wir beschränken uns auf den Sachverhalt. Von der Beweiswürdigung wird nichts vorgetragen werden.

RA Schi[ly]:

Ich habe kein Mandat von Herrn Burkhardt und nehme die Interessen von Frau Ensslin in diesem Verfahren wahr.

Vors.:

Dann bitte ich fortzufahren.

[11547] Gem. § 249 StPO wird aus dem Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 11.1.1974 gegen den Vikar Kornelius Klaus Eugen Burghardt Az.: 4 KLs 4/73 folgendes verlesen:

S. 1 des Urteils: Der Tenor

S. 3 - 14 des Urteils: ab „2. Feststellungen zur Tätigkeit ...“ bis „... mit seiner Brieftasche verbrannt.“

Das Urteil ist abgelegt im Ergänzungsband Urteile II S. 391 - 391/28.

Während der Verlesung erscheint. Rechtsanwalt Dr. Heldmann um 10.10 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Sind weitere Wünsche bezüglich der Verlesung? Ich sehe nicht.

Dann gibt der Senat folgenden Beschluß bekannt:

Der von Rechtsanwalt Schily (Verteidiger der Angeklagten Ensslin) und Rechtsanwalt Oberwinder (Verteidiger des Angeklagten Baader) gestellte Antrag, Herrn Rolf Pohle[5], zur Zeit im Untersuchungsgefängnis Korydallos/Griechenland, durch den Senat oder einen beauftragten Richter des Senats in Griechenland zu vernehmen, wird abgelehnt.

Gründe:

Die Rechtshilfebeziehung[6] zwischen Griechenland und der Bundesrepublik Deutschland lassen die Vernehmung einer in Griechenland befindlichen Person, mag sie auch deutscher Staatsangehöriger sein, durch einen „beauftragten Richter“ (§ 223 StPO)[7] in Griechenland nicht zu, wobei gleich bliebe, ob ein Mitglied oder mehrere Mitglieder des Senats beauftragt würden. Übrigens ist auch die Vernehmung durch den - einem deutschen Richter insoweit gleichstehenden - deutschen Konsul[8] in Griechenland nicht zulässig.

Schon deshalb bleibt der Antrag ohne Erfolg.

Ob andere Formen der Rechtshilfe in Betracht kämen, ist nicht zu entscheiden, weil nicht beantragt.

- - -[e]

[11548] Vors.:

Ja wenn ... Herr Rechtsanwalt Schily?

RA Schi[ly]:

Dann stelle ich den Antrag erneut, betreffend Herrn Pohle, mit dem gleichen Beweisthema unter Einschluß des Beweisthemas, daß der Kollege Oberwinder bekannt gegeben hat, mit der Variante, daß der Senat die zulässigen Möglichkeiten der Rechtshilfe erkunden und benutzen möge, um eine Vernehmung von Herrn Pohle in Griechenland durchführen zu lassen.

Vors.:

Sie haben im Augenblick wieder betont: Vernehmung in Griechenland. Ist das das Ziel Ihres Antrags?

RA Schi[ly]:

Ja, das ist das Ziel des Antrages, da ich nicht davon ausgehe, daß eine Vernehmung von Herrn Pohle in der Bundesrepublik möglich ist.[9]

Vors.:

Nicht möglich ist, ja. Nun die Rechtshilfebestimmungen würden es unter Umständen ermöglichen. Wollen Sie den Antrag ausdrücklich darauf gerichtet haben, daß Herr Pohle in Griechenland vernommen wird?

RA Schi[ly]:

So ist es.

Vors.:

Wir sind dann schon zu Ende. Ich muß nochmals darauf hinweisen, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann war nicht da: Ihr Zeuge, der von Ihnen benannte Zeuge Dallak hat inzwischen die Voraussetzung finanzieller Art bekommen, die ihn instand setzen sollen, heute ein Flugzeug zu besteigen und zwischen 13 und 14 Uhr hier in Stuttgart einzutreffen. Es ist ihm auch der Weitertransport hierher mitgeteilt worden, wie das geht. Wir können hoffen, daß der Herr Zeuge sich auf den Weg macht. Zugesagt hat er es. Wir haben auch Verbindung aufgenommen, daß wir am Flughafen dann erfahren, ob er abgeflogen ist, und danach werden wir dann uns heute nachmittag weiter einzurichten haben. Vorgesehen ist Fortsetzung der Sitzung 14.30 Uhr. Wir wollen sehen, daß der Herr Zeuge da ist. Sofern Sie, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, jetzt noch irgendwelche Anträge haben, die zu stellen sind ... Ich darf aber nochmals und werde es immer wieder tun, darauf hinweisen, daß es selbstverständlich Pflicht der Verteidigung ist, Beweisanträge, die gestellt werden können, auch zu stellen.

RA Dr. H[eldmann]:

Heißt der Zeuge nicht Dollak?

Vors.:

Dollak, ja, ja. Wir haben den richtigen, von Ihnen korrigierten [11549] Namen durchgegeben. Es ist also kein Zweifel ... Aber wir hatten mit dem Zeugen Kontakt über das zuständige Amtsgericht, die den Vorschuß auszahlen. 14.30 Uhr Fortsetzung der Sitzung.

Pause von 10.29 Uhr bis 14.32 Uhr

Ende von Band 675

[11550] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 14.32 Uhr

RAe Schlaegel und Schily sind nicht mehr[f] anwesend.

Als Zeuge ist anwesend:

Manfred Dollak

Vors.:

Wir können die Sitzung fortsetzen.

Herr Rechtsanwalt Schlaegel hat sich für den Nachmittag entschuldigt. Herr Manfred Dollak ist erschienen.

Der Zeuge Dollak wird gem. §§ 57 und 55 StPO[10] belehrt.

Der Zeuge Dollak ist mit der Aufnahme seiner Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.[11]

Der Zeuge Dollak macht folgende Angaben zur Person:

Manfred Dollak,

32 Jahre, Schlachtermeister,

wohnhaft in Hamburg 60,

[Anschrift],

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert.

Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Herr Dollak, die Verteidigung hat beantragt, Sie als Zeugen zu hören. Sie sollen nach dem von der Verteidigung genannten Beweisthema den Zeugen Gerhard Müller kennengelernt haben. Sie sollen mit ihm Gespräche geführt haben über Wahrheit oder Unwahrheit von Angaben, die er gegenüber der Polizei oder gegenüber dem Gericht gemacht hat. Ich bitte Sie, im Zusammenhang uns zu schildern, ob es richtig ist, daß Sie Gerhard Müller kennen, wann, wo und bei welcher Gelegenheit Sie ihn kennengelernt haben, ob Sie tatsächlich Gespräche über seine Angaben vor Polizei und Gericht geführt haben, wenn ja, welchen Inhalt diese Gespräche hatten. Bitte.

[11551] Zeuge Dol[lak]:

Ja, ich habe Herrn Gerhard Müller in der Untersuchungshaftanstalt Hamburg kennengelernt und zwar bin ich da drin gewesen 1 ½ Monate wegen, mir ist vorgeworfen worden, also meine geschiedene Frau hat eine Anzeige gegen mich gemacht wegen Körperverletzung. Daraufhin bin ich in Untersuchungshaft gewesen und habe auch Herrn Gerhard Müller kennengelernt durch einen Zusammenschluß, den mir der Anstaltsleiter vorgeschlagen hat, ob ich, also ich wurde gefragt, ob ich bereit wäre mit Herrn Gerhard Müller einen Zusammenschluß zu machen; d. h. eine, ich weiß jetzt nicht wie das ist, eine ...

Vors.:

Daß Sie eine Gesprächsmöglichkeit mit ihm hatten in der Zelle.

Zeuge Dol[lak]:

... daß ich nachmittags stundenweise mit ihm[g] zusammen bin, ja. Und da haben wir, die ersten Tage habe ich mit ihm immer Schach gespielt und mich sehr wenig über diese Dinge unterhalten, die er da, ich weiß ja auch gar nicht seine Sache, die kannte ich überhaupt gar nicht. Ich wußte nur, daß er ein Mitglied war von der Baader-Meinhof-Bande und er hat sich dazu auch nicht weiter geäußert, die ersten Tage; danach hatten wir dann angefangen, langsam Gespräche zu führen. Ich kann jetzt nicht also so sagen, was ich jetzt alles, die ganz Kleinigkeiten über ... Er hat mir Adressen gegeben von Mädchen, z. B. die er in Polen usw., er hat Briefwechsel geführt mit - internationalen Briefwechsel - mit Ungarn, Polen usw., Bekanntschaften, Mädchenbekanntschaften aus Annoncen. Ich weiß nicht, was das für eine Karte war oder Zeitung war, jedenfalls hatte er mir da ein paar Bekanntschaften vorgeschlagen oder Briefe gezeigt, wo ich auch hinschreiben hätte können. Und sonst hat er mir weiter nichts von seinem Fall erzählt. Danach hatte er aber wieder, haben wir uns unterhalben, weil ich eben vorhatte, wenn ich wieder rauskomme, selbstständig mich zu machen und ich wollte ein, vielleicht ein Lokal aufmachen, so ein Steak-Restaurant oder so was ähnliches, und da hatten wir uns über’s Finanzielle mal[h] unterhalten, was das so kosten würde. Und da hat Herr Gerhard Müller dann gesagt, er möchte eine Rechnung aufstellen über diese Sache, und da habe ich ihn gefragt, woher er denn das Geld nehmen will, also ich habe keines. Und da meinte er, er hätte was zu kriegen, ich weiß jetzt nicht woher, aber er meinte, er hätte Geld zu kriegen. Und da habe ich zu ihm gesagt, da würde das aber noch ein paar Jahre dauern bis er entlassen wird, weil ich wußte, daß er ungefähr, ich weiß nicht, 10 Jahre soll er bekommen haben,[12] angeblich. Und da sagte er, er würde [11552] begnadigt, vielleicht begnadigt werden nach 5 Jahren. Und da habe ich gesagt, wieso denn das? Da meint er, ja, eben durch jetzt diese Sache, die jetzt läuft. Zu der Zeit war das die Sache, wo er seine Aussage hier gemacht haben sollte, hat er mir[i] auch erzählt. Er war mit dem Hubschrauber hier heruntergekommen und hat hier Aussagen gemacht gegen Herrn Baader.

Rechtsanwalt Schily erscheint wieder um 14.40 Uhr im Sitzungssaal.

Und da hat er gesagt, er würde noch Gelder, also wie gesagt, noch Geld bekommen und hat das auch ausgerechnet, was das kosten würde, das wären an die 50 000,-- DM. Und das hat mich gewundert, wieso er von solchen Summen gesprochen hat und überhaupt, daß er mir vertraut hat die Summe, also so halbwegs anvertrauen wollte, daß ich mit dem Geld wirtschaften soll; so wenn ich wieder rauskomme, daß er mir das finanzieren würde. Wie und wann und durch wen, weiß ich nicht. Und da, habe ich Ihnen ja gesagt, da habe ich ihn so weiter gefragt, wieso er denn auf eine Begnadigung hoffe, wie gesagt. Dann meinte er, durch seine Aussage würde er schon ein bißchen runterkommen von seiner Strafe, die er jetzt machen würde. Und da habe ich ihn gefragt, wieso er jetzt auf einmal das hofft. Da meinte er, und haben wir dann so angefangen, habe ich angefangen, weil ich auch mit ihm keinen Streit haben wollte oder mit ihm jedenfalls nicht da weiter reingezogen werden wollte in diese Sache, habe ich gefragt, was denn überhaupt da in dieser Sache gespielt wird, wieso er jetzt eine Aussage und runterkommt von seiner Strafe; da meinte er, ja, erst habe ich ihn gefragt, wie er zu dieser ganzen Geschichte überhaupt gekommen ist. Und dann hat er mir erklärt, daß damals, wie er jünger war, auf der einen Seite die Polizei gewesen ist und auf der anderen Seite waren eben die andere Gruppe und da hatte er sich eben gegen die Polizei entschieden; nur so, eben aus Jugend, aus Leichtsinnigkeit oder sonst, ich weiß nicht. Und da sei er immer mehr reingerutscht in die ganze Geschichte und jetzt meinte er, jetzt müsse jeder sehen, wie er aus dieser ganzen Geschichte rauskommen würde. Also jeder müsste jetzt sehen in seiner Sache, also von diesen ganzen Angehörigen dieser Gruppe, wie er jetzt zurechtkommt, so ungefähr. Das hat er mir so gesagt und weiter war da nichts. Also so weit war das gewesen, was ich weiß über diese Gruppe.

[11553] Vors.:

Herr Dollak, zunächst, wie oft haben Sie Herrn Müller getroffen? Ich meine also, können Sie das tageweise zunächstmal aufgliedern, bevor wir dann die gesamte ...

Zeuge Dol[lak]:

Ja, ich habe ihn ungefähr 3 Wochen jeden Tag oder gute 14 Tage, jeden Tag mit ihm Zusammenschluß gehabt und zwar von nachmittags um 3 bis ungefähr 6. Jeden Tag ungefähr 3 Stunden.

Vors.:

Sind das nun volle 14 Tage oder über 14 Tage ...?

Zeuge Dol[lak]:

Über 14 Tage müssen das gewesen sein, wo ich mit ihm zusammen gewesen bin.

Vors.:

Das wären dann[j] über 42 Stunden, wenn man also die 3 Stunden ...

Zeuge Dol[lak]:

Ja, so ungefähr.

Vors.:

... multiplizieren würde mit 14.

Zeuge Dol[lak]:

Bitte?

Vors.:

Kann man[k] also das multiplizieren? Sie haben mindestens 14 Tage Kontakt gehabt oder während zweier Wochen, sagen wir mal bloß ein paar Tage, wie ist das gemeint?

Zeuge Dol[lak]:

Nein, ich hatte jeden Tag mit ihm also Zusammenschluß gehabt über Sonnabend, Sonntag auch.

Vors.:

Also volle 14 Mal meinen Sie ihn getroffen zu haben?

Zeuge Dol[lak]:

Ja.

Vors.:

Und da täglich ...

Zeuge Dol[lak]:

3 Stunden.

Vors.:

... 3 Stunden. Und nun, sagen Sie, habe Ihnen Herr Müller gesprochen von einer Summe von 50 000,-- DM, die für ein von Ihnen ins Auge gefasstes Berufsprojekt für den Zeitpunkt Ihrer Entlassung von Bedeutung hätten sein können, und das mit der, kann man sagen, mit dem Angebot oder jedenfalls mit der Andeutung, daß er Ihnen das ...

Zeuge Dol[lak]:

Ja, mit der Andeutung, daß, eben das, er meinte mit der Andeutung, er hat einen Zettel genommen und hat gesagt, was würde das kosten. Ich sagte, wieso willst Du das denn auf einmal so wissen, wieso interessiert Dich das? Er meinte: Nur so, ich möchte mal wissen den Kostenvoranschlag. Ich sagte, finanzieren kann ich das nicht, ich habe kein Geld und außerdem weiß ich nicht, woher ich das Geld soviel nehmen sollte und da waren das nachher eben so, er meinte, so wären das rund 50 000,-- DM. Das haben wir ausgerechnet mit Wareneinkauf usw., es waren ungefähr 50 000,-- DM. Und da meinte er, er würde noch irgendwo Geld bekommen, also er hätte noch irgendwoher Geld zu bekommen und vielleicht, er möchte [11554] das auch gut anlegen, so war das gemeint. Er möchte das zweckmäßig anlegen.

Vors.:

Und da hielt er Sie für einen Mann, bei dem es gut angelegt sei?

Zeuge Dol[lak]:

Na, ich war ja drin gewesen wegen eben, ich war vorher habe ich meine Meisterprüfung gemacht und da ist meine Ehe gescheitert und da hatte ich mit meiner Frau Krach gekriegt und hatte auch getrunken und dadurch bin ich da zu der Sache gekommen, daß ich angezeigt worden bin nachher, nach der Scheidung, von meiner Ehefrau wegen Körperverletzungmißhandlung oder ... ich hatte sie angegriffen, tätlich, und bin auch deswegen in U-Haft gekommen.

Vors.:

Sicher, aber ich meine, nach dem, was wir jetzt von Ihnen wissen, wäre Herr Müller mit Ihnen also über 14 mal zusammengetroffen. Woraus konnte er denn schließen, daß Sie ein Mann sind, bei dem sein Geld dann gut aufgehoben wäre?

Zeuge Dol[lak]:

Das will ich nicht damit gesagt haben, daß ich der Mann, also daß ich hundertprozentig von ihm das Geld hätte haben können. Aber er hatte eben die Andeutung gemacht, daß er mir das, das ... also ein Geschäft das Beste wäre. Er hatte sich auch dafür sehr interessiert für ein jugoslawisches Spezialitäten-Restaurant z. B., darüber haben wir gesprochen.

Vors.:

Und nun war die Summe 50 000,-- DM das, was man errechnet hat, was Sie benötigten oder war das auch die Summe, von der er andeutete, in dieser Höhe erwarte er Geld?

Zeuge Dol[lak]:

Also die Summe, so habe ich das verstanden, die er erwartete.

Vors.:

Und nun, ich meine, für Sie müsste es dann doch, wenn das Ihr möglicher Geldgeber sein sollte, besonders interessant sein, woher er Geld bekommen sollte.

Zeuge Dol[lak]:

Ja, ich habe mir da auch schon, das habe ich mich gefragt. Aber wie gesagt, ich habe mir das gedacht, daß er, ich konnte mir das aber nicht denken, wiederum und ich wußte nicht wie das überhaupt alles im Zusammenhang steht mit seiner ganzen Geschichte, weil er jetzt Aussage gegen diese Leute macht, daß er vielleicht dadurch irgendwie von jemand Geld bekommt oder so was.

Vors.:

Haben Sie nicht gefragt, wo bringst Du solche Summen her?

Zeuge Dol[lak]:

Das habe ich ihn nicht gefragt, nein.

Vors.:

Nicht gefragt?

Zeuge Dol[lak]:

Nein, habe ich ihn nicht gefragt. Das wollte ich ihn auch nicht fragen, denn er wollte nicht darüber sprechen. Er hat sich [11555] auch nicht darüber geäußert und ...

Vors.:

Wenn Sie nicht gefragt haben, woher er das bringe, woher wissen Sie dann, daß er nicht drüber[l] sprechen wollte?

Zeuge Dol[lak]:

Ich habe ihn nicht gefragt deswegen, weil ich im Stillen gedacht habe, ich weiß nicht woher, ich habe von dieser ganzen Organisation gehört. Ich weiß nicht woher vielleicht einer da sein Geld locker machen will und weswegen und was da überhaupt los ist.

Vors.:

Sie sagten aber eben, er habe darüber nicht reden wollen. Woher wissen Sie das, wenn ...?

Zeuge Dol[lak]:

Nein, er meinte nur zu mir wortwörtlich, „er hatte noch Geld zu erwarten“; woher und warum und weswegen, das weiß ich nicht.

Vors.:

Nein, ich fragte Sie eben, daß Sie doch ein gewisses Interesse daran haben müssten, woher Ihr möglicher Geldgeber sein Geld bringt, und Sie sagten darauf, Sie hätten ihn nicht gefragt, sagten aber gleichzeitig, darüber habe er auch nicht sprechen wollen. Und ich frage Sie jetzt, woher wissen Sie, daß er darüber nicht sprechen wollte, wenn Sie ihn nicht gefragt haben?

Zeuge Dol[lak]:

Ja, das ist wahr, das stimmt. Ich weiß es nicht, ob er darüber sprechen wollte, ich habe ihn auch nicht gefragt.

Vors.:

Sie wissen es also nicht, ob er darüber sprechen wollte?

Zeuge Dol[lak]:

Nein, das weiß ich nicht, ich habe nicht weiter nachgefragt.

Vors.:

Nun sagten Sie eben, er habe Ihnen erzählt, wie er zu dieser Gruppe gekommen sei - Gegensatz zur Polizei, Jugendtorheit, so quasi - und jetzt müsse jeder, überhaupt jeder von dieser Gruppe sehen, wie er rauskomme aus der Sache. Können Sie uns erläutern, was damit nach Ihrer Auffassung gemeint gewesen sein könnte?

Zeuge Dol[lak]:

Nach meiner Auffassung war das da so gewesen, daß, soweit ich mich dann nachher auch durch die Zeitung informiert habe, durch daß er Kronzeuge[13] geworden ist gegen diese Leute, da konnte ich mir eben nur vorstellen, daß er sich ein, daß er eine Aussage jetzt macht, um seinen Kopf zu retten. Ob die Aussage nun der Wahrheit entspricht, das weiß ich nicht.

Vors.:

Das ist jetzt die weitere Frage. Hat er Ihnen zunächst einmal Andeutungen gemacht, daß er tatsächlich aus dem Grund, den Sie sich selbst erdachten, Aussagen gemacht hat, nämlich um seinen Kopf zu retten?

Zeuge Dol[lak]:

Nein, das glaube ich nicht.

Vors.:

Hat er nicht gesagt, ausdrücklich.

Zeuge Dol[lak]:

Das glaube ich nicht. Es hätte sein können, daß er die Wahrheit sagt, also daß er die Wahrheit als Kronzeuge sagt, aber ich [11556] kann mir das nicht vorstellen.

Vors.:

Hat er Ihnen gegenüber irgendwelche Andeutungen gemacht, ob die Aussagen, die er nun gemacht hat - es steht ja fest, das weiß auch jeder aus der Presse - ob die zutrafen oder nicht?

Zeuge Dol[lak]:

Wie meinen Sie das?

Vors.:

Ob die wahr sind oder unwahr?

Zeuge Dol[lak]:

Ob er jetzt die Wahrheit sagt?

Vors.:

Ob er die Wahrheit gesagt hat oder nicht, hat er sich darüber geäußert?

Zeuge Dol[lak]:

Nein, darüber hat er sich nicht geäußert, daß durch seine ... Also wie er zurückgekommen ist von hier[m], durch seine Aussage, hat er, war er aufgelockert gewesen und war ganz anders, er war vorher ein bißchen, bevor er hierhergekommen ist, war ich ja mit ihm zusammen, da war er ein bißchen verkrampft und hatte sich ziemlich in sich verschlossen. Wie gesagt, wir hatten auch darüber gesprochen über diese Sachen, mit denen womöglich eben dieses Geschäft zu finanzieren usw., über das Geld. Und wie er wieder zurückkam, hat er nicht weiter darüber gesprochen über dieses Geschäft. Ich habe ihn öfters mal gefragt, aber er äußerte sich dann nicht weiter. Er war ganz normal, also gelockerter. Vielleicht, mir kam es vor, als wenn er durch seine Aussage leichter geworden ist.

Vors.:

Herr Dollak, wenn ich Sie richtig verstehe, haben Sie also aus seinen Äußerungen nichts erfahren, was über die Wahrheit oder Unwahrheit seiner Angaben vor Gericht und bei der Polizei Aufschluß geben würde?

Zeuge Dol[lak]:

Das hat er nicht. Er hat nichts geäußert, ob er, oder ich habe nichts gemerkt, daß er jetzt irgendwie vielleicht hätte gelogen bei seiner Aussage. Also daß er gelogen hat oder daß er jetzt sich umgedreht hat und hat gesagt, jetzt sage ich gegen Leute aus, um eben meinen Kopf zu retten usw., das konnte ich nicht. Aber ich habe ihn, wie ich entlassen worden bin aus der Haftanstalt, dann hatte ich eine Wohnung bekommen, wie gesagt, da in Brahmfeld und dann habe ich ihm geschrieben, einen einfachen Brief, ganz normal, wie es ihm so geht usw. Ich hatte auch nichts vor, irgendwie, ich wußte auch gar nicht, ob er mir überhaupt wieder schreibt und da hat er mir den Brief wieder geschrieben, daß ihm da eben Versprechungen gemacht worden sind, die nicht eingehalten werden. Also nicht Versprechungen, sondern er sollte Urlaub bekommen, den bekommt er nicht, jetzt hat er noch schärfere Haft durch seine Aussage usw., [11557] daß es ihm jetzt noch schlechter gehen würde als vorher. Und dadurch bin ich ja, bin ich auch im Glauben vielleicht, daß ihm doch vielleicht Versprechungen gemacht worden sind.

Vors.:

Aber darüber hat er nichts gesagt, daß ihm Versprechungen ...

Zeuge Dol[lak]:

Darüber hat er vorher nichts gesagt.

Vors.:

Und die Versprechungen, die er Ihnen schriftlich mitgeteilt hat, die bezogen sich also auf gewisse Vergünstigungen während des folgenden Haftvollzuges oder wie?

Zeuge Dol[lak]:

Diese Versprechungen, nehme ich an, denn dieser Brief, den habe ich bekommen, nehme ich an, daß er eben nach ... erwartete, nach dieser Aussage, eben besonders behandelt zu werden, also nicht mehr so streng vielleicht.

Vors.:

Um es nochmal ganz klar zu stellen, die Versprechungen bezogen sich also nur auf seine Haftsituation?

Zeuge Dol[lak]:

Die Versprechungen bezogen sich auf seine Haftsituation.

Vors.:

Haben Sie diesen Brief?

Zeuge Dol[lak]:

Den habe ich, ja.

Vors.:

Haben Sie ihn dabei?

Zeuge Dol[lak]:

Nein, ich habe ihn meinem Rechtsanwalt gegeben und zwar diesem Rechtsanwalt, den ich zur Verteidigung in meinem Fall hatte, und da habe ich ihm den[n] gezeigt.

Vors.:

Und wo ist der Brief jetzt? Bei dem Rechtsanwalt?

Zeuge Dol[lak]:

Dem Rechtsanwalt habe ich den Brief gegeben und der Rechtsanwalt hat eben den Brief, hat er gesagt, ob er ihn behalten könnte.

Vors.:

Würden Sie uns hier die Zustimmung erteilen, daß wir den Rechtsanwalt darum bitten, dieses Schreiben anzufordern ...

Zeuge Dol[lak]:

Ja, ja.

Vors.:

... und es gegebenenfalls hier in den Prozeß einzuführen?

Zeuge Dol[lak]:

Ja.

Vors.:

Wenn Sie uns noch die Adresse, den Namen und Adresse des Anwalts benennen können.

Zeuge Dol[lak]:

Wolf-Dieter Reinhard in Hamburg 19, [Anschrift], die Nummer weiß ich nicht.

Vors.:

Das ist dann nicht so wichtig.

Wie sind Sie denn Zeuge geworden? Ich meine, Sie sind uns benannt worden durch die Verteidigung. Haben Sie sich selbst als Zeuge angeboten?

Zeuge Dol[lak]:

Nein. Ich habe, wie gesagt, ich habe das meinem Rechtsanwalt gegeben, das Schreiben, das kam mir auf einmal so vor, als wenn, [11558] wie gesagt, ich war draußen und habe dieses Schreiben unverhofft erhalten. Und da habe ich meinen Rechtsanwalt gefragt, und gesagt, daß ich ein Schreiben von diesem ... ob er den Herrn Gerhard Müller kenne. Da meinte er, ja, er habe ihn mal verteidigt. Und ich weiß nicht, was jetzt weiter war. Dieser Rechtsanwalt ist mir empfohlen worden von jemand anders und den habe ich genommen, und ich habe auch gehört, daß er, wie gesagt, durch Mitgefangene da, habe ich gehört, daß ... durch Gerhard Müller selber habe ich gehört, daß er sein Rechtsanwalt gewesen ist. Gerhard Müller erklärte, daß er mit diesem Rechtsanwalt Streit bekommen hat, und ich hatte dann nachher den Brief bekommen und habe das auch gesehen, gelesen und nachher meinem Rechtsanwalt den Brief gezeigt, und er hat ihn gleich festgehalten und gesagt, ob er ihn behalten dürfe. Und ich wußte nicht, ob ich, wie das jetzt war, also daß er da ... Ich habe gesagt, er könne mir den Brief, wenn er meint, daß es rechtmäßig ist, eben vielleicht den Brief hier unten herschicken und das klären, ob er nun die Wahrheit gesagt hat oder[o] nicht, oder ob ihm Versprechungen gemacht worden sind.

Vors.:

Haben Sie irgendjemand gegenüber erklärt, was Sie über die Gespräche, die Sie mit Müller geführt haben, aussagen könnten?

Zeuge Dol[lak]:

Nein.

Vors.:

Nicht.

Zeuge Dol[lak]:

Noch nie, mit keinem, noch nie gesprochen.

Vors.:

Und aus dem Schreiben, daß Sie übergeben haben an Ihren Anwalt, geht auch nicht mehr hervor, als was Sie uns heute geschildert haben?

Zeuge Dol[lak]:

Wie, ich habe da nicht hingehört?

Vors.:

Bitte?

Zeuge Dol[lak]:

Über das Schreiben, was sagten Sie da?

Vors.:

Ich sage, aus dem Schreiben selbst geht auch nicht mehr hervor an Wissen, als Sie uns das heute geschildert haben?

Zeuge Dol[lak]:

Nein. Also ich habe alles gesagt, was ich dazu mit Ihnen gesprochen habe und eben das Schreiben liegt auch noch vor, und weiter weiß ich auch nicht.

Vors.:

Das was Sie heute erzählt haben oder mitgeteilt haben, haben Sie das auch Ihrem Anwalt mitgeteilt?

Zeuge Dol[lak]:

Ja.

Vors.:

Herr Dollak, ich muß darauf hinweisen, es ist also von der Summe von 50 000,-- DM die Rede. Sind Sie sich da ganz sicher, daß es ...

[11559] Zeuge Dol[lak]:

Ja ...

Vors.:

- Augenblick, ich möchte es Ihnen nochmals gegenüberstellen -, ob es sich um die Summe gehandelt hat, die man errechnet hat für die Eröffnung, die notwendig wäre für die Eröffnung eines Gasthauses oder ob es sich um eine Summe gehandelt hat, die Müller glaubte zur Verfügung zu haben in absehbarer Zeit? Möglich wäre auch, daß man sowohl für das Gasthaus das berechnet hat, als auch seine Aussage, daß Sie seine Aussage hörten, so eine Summe, über die könne er bald verfügen?

Zeuge Dol[lak]:

Er hatte ziemlich hoch angesetzt mit der Rechnung. Also wir hatten das alles zusammengerechnet, was die Miete kosten würde usw., der ganze Umbau und wenn es, weil eben die Gaststätte umgebaut werden müsste; er hatte ziemlich hoch angesetzt immer und da kamen wir eben auf die Summe von 50 000,-- DM. Und da habe ich gesagt, wie willst Du das denn finanzieren. Und da meinte er zu mir, „ich habe noch Geld zu erwarten“. Also müsste er, ich war in der Annahme, daß er in dieser Höhe Geld zu erwarten hätte, vielleicht hätte ...

Vors.:

Hat er das gesagt, ausdrücklich, daß er es in dieser Höhe erwartet?

Zeuge Dol[lak]:

Nein, er hat nicht gesagt, daß es in dieser Höhe war. Er hat gesagt, „ich habe noch Geld zu kriegen“, also[p] er erwartet noch Geld.

Vors.:

Das konnte doch ein geringere Summe sein.

Zeuge Dol[lak]:

Das hätte auch eine geringere sein können. Nur weil er eben gesagt hat, runde[q] 50 000,-- DM brauchen wir für so ein Geschäft.

Vors.:

Wieviel, 150 000,- DM?

Zeuge Dol[lak]:

Runde 50 000,-- DM.

Vors.:

Runde 50 000,-- DM, jetzt ist es richtig verstanden.

Aber er sagte, nicht welche Höhe er[r] vor Augen habe, was ihm da zukomme an Geld?

Zeuge Dol[lak]:

Nein, nein.

Vors.:

Es ist, d. h. ich möchte natürlich in Ihrem Vorleben in keiner Weise unnötig herumwühlen, aber würden Sie selbst nach Ihrem Vorleben glauben, daß Sie sich besonders empfehlen als jemand, bei dem man größere Geldsummen anlegt?

RA Dr. He[ldmann]:

Ich beanstande diese Frage.

Vors.:

Die Frage wird beanstandet.

RA Dr. He[ldmann]:

Die Frage wird beanstandet. Es ist nicht Zeugenfrage, von dem Zeugen eine Selbstcharakteristik hier herauszufragen unter dem Ziel, etwa seine Kreditwürdigkeit in öffentlicher Hauptverhandlung [11560] erörtern zu lassen.

RA Schi[ly]:

Ich schließe mich der Beanstandung an.

Vors.:

Gut, ich lasse die Frage fallen.

Ich möchte es Ihnen in der Form vorhalten, Herr Dollak. Wie gesagt, wir wollen in gar keiner Weise einen Zeugen kränken, ganz im Gegenteil, wir sind bestrebt, das auf jeden Fall zu vermeiden. Aber immerhin, wenn jemand einen Menschen so kurz kennt, wie Sie sich gegenseitig kennengelernt haben, dann wäre es doch immerhin erstaunlich, wenn man dem anderen gleich so große Geldsummen anvertrauen würde. Können Sie uns sagen, was nach Ihrer Meinung oder Ihrer Beobachtung Sie dafür besonders empfohlen hat bei Herrn Müller?

Zeuge Dol[lak]:

Herr Müller war, glaube ich, die ganze Zeit ziemlich isoliert gewesen, bei der ganzen Haft jedenfalls. Und wie ich mit ihm zusammen war, das war am ersten, zweiten Tag, da hatten wir ziemlich wenig gesprochen, wie ich gesagt hab. Und ich habe mich für diese Sache auch nicht sehr interessiert, daß ich jetzt irgendwie mir was drauf einbildete, mit irgendeinem Mitglied von der Baader-Meinhof da zu sitzen. Und auf jeden Fall habe ich dann mich gar nicht weiter auch in ihn hineingebohrt und ihn gefragt, was da los ist, und ich wußte auch gar nicht was er überhaupt jetzt macht, als Kronzeuge usw. Ich habe das nachher erst erfahren, daß er isoliert wurde; und er suchte vielleicht jemanden, der vielleicht, er wußte auch mein Vorleben und wie Sie schon sagten, eben, daß ich ... Jugendstrafe habe ich 1 Jahr gehabt und das ist aber schon 12 Jahre her. Aber ich hatte meine Meisterprüfung gerade gemacht und habe mir die ganze Zeit nichts zuschulden kommen lassen diese 12 Jahre weiter. Und jedenfalls hatte er gedacht, daß er vielleicht, und ich habe ihm erklärt, daß ich eben in einem Steak-Haus gearbeitet habe, in einem Restaurant-Betrieb, die ganze Zeit lang, es sind 2 Jahre schon gewesen und daß man so etwas machen könnte. Da hat er gesagt, man müßte ein Spezialitäten-Restaurant machen, und dadurch kamen wir überhaupt auf die ganze Sache mit dieser Summe. Und da kam er auch mit diesem Wort heraus, er würde noch Geld zu erwarten haben, er hätte noch Geld zu erwarten. Und da waren wir auf den 50 000,-- DM angekommen, bei diesem Geschäft. Und ich habe nicht gehofft, daß ich dieses Geld bekomme und daß er mir dieses Geld anvertraut. Das wußte ich selber, daß es vielleicht nicht so einfach ist, und daß es nicht so einfach geht. Nur, mich hat es gewundert, daß er mir gesagt hat, „ich [11561] habe noch Geld zu erwarten“ und hatte eine Rechnung von diesem Geschäft von 50 000,-- DM haben wir eben ausgerechnet, und das hat mich eben stutzig gemacht. Aber ob ich das Geld überhaupt gekriegt hätte oder bekommen hätte, was weiß ich, das glaube ich nicht und weiß ich auch nicht.

Vors.:

Wenn ich Ihre Aussage nochmals Ihnen vorhalten darf mit der Bitte, daß Sie mir bestätigen, ob das richtig verstanden ist. Sie haben also von ihm erfahren, daß er Geld erwarte, keine Höhe hat er angegeben; es war nur Ihre Mutmaßung, daß es sich um einen namhaften Betrag handeln muß?

Zeuge Dol[lak]:

Um einen höheren Betrag, nehme ich an, daß es vielleicht keine 50 000,-- DM, aber jedenfalls in dieser Richtung.

Vors.:

2. Er hat Ihnen erzählt davon, daß er Aussagen gemacht hat?

Zeuge Dol[lak]:

Ja, er hat mir nicht erzählt, daß er Aussagen gemacht hat, denn er wurde nachher erst als Zeuge, das habe ich erfahren, daß er als Kronzeuge gegen Baader auftritt, und da habe ich eben ihn auch nicht weiter gefragt, er hat auch nicht weiter davon gesprochen. Nur, wir haben eben, ich habe gefragt, ob er nun das richtig findet, was er da jetzt macht, und da hat er gesagt, ja, jeder müsste, wie gesagt, ich habe Ihnen schon gesagt, daß eben jeder aus seiner Lage das Beste machen müsste. Da habe ich zu ihm gesagt, es würde vielleicht noch länger dauern bis er rauskommt. Da hat er gesagt, also er rechnet mit 5, daß er nach 5 Jahren rauskommt.

Vors.:

Über die Frage, ob seine Aussagen, die man offenbar dann stillschweigend voraussetzte bei dem Gespräch, daß er die machen würde noch, ob die wahr sind oder nicht, ist nicht gesprochen worden?

Zeuge Dol[lak]:

Nein, er sagte nur, eine Begnadigung hätte man ihm versprochen.

Vors.:

Und schließlich war bei den ...

RA Dr. He[ldmann]:

Verzeihung, ich habe den Zeugen akustisch nicht verstanden. Wie sagten Sie eben?

Vors.:

Jetzt den Satz nochmals, den Sie gerade sagten; nur eine Begnadigung hätte man ...

Zeuge Dol[lak]:

... ihm versprochen.

Vors.:

Hat er das ausdrücklich gesagt?

Zeuge Dol[lak]:

Er hat gesagt, eine Begnadigung hätte man ihm also in Aussicht gestellt. Wollen wir mal so sagen: Er hat gesagt, ich erwarte eine Begnadigung nach 5 Jahren, ungefähr 4 bis 5 Jahren, [11562] dann müßte ich rauskommen, sagte er.

Vors.:

Auf diese Formulierung kommt es nun ein bißchen an, Herr Dollak. Wenn Sie sich da besonders sorgfältig nochmals zurückbesinnen. Sie sagten vorhin bei Ihrer Aussage, er erwarte eine Begnadigung, das kann er natürlich von sich aus tun. Es kann auch so sein, wie Sie sagten, daß man ihm das direkt versprochen hat. Jetzt wählten Sie den Mittelweg und sagten, in Aussicht gestellt. Bitte, wie war seine Formulierung, soweit Sie das noch präzise sagen können?

Zeuge Dol[lak]:

Jetzt will ich mir genau überlegen.

Er meinte, er erwarte eine, er ... ich kann das jetzt nicht so genau ausdrücken; er erwarte nicht eine Begnadigung, sondern er, ihm ist eine ist Aussicht gestellt. Wenn er diese Sache hinter sich gebracht hat, dann würde er nach 5 bis 6 Jahren rauskommen. Also ich kann das jetzt nicht genau sagen, ob[s] versprochen oder erwartet oder jedenfalls er sagte, nach 5. Ich sagte, Du kommst doch bestimmt vor 10 Jahren nicht raus, wenn es so war, also 10 Jahre mußt Du sowieso. Da sagte er, ich müsste noch vielleicht 5 Jahre und nach 6 Jahren würde ich rauskommen; 5 bis 6 Jahre, sagte er. Also jedenfalls erwartete er eine Strafminderung.

Vors.:

Er erwartete eine Strafminderung. Nun, das ist wieder etwas anders, nicht wahr, eine Strafe kann gemildert werden, Sie wissen auch nach gesetzlichen Gründen.[14] Die Frage ist nur, wie hat er sich Ihnen gegenüber ausgedrückt, daß es sich um Zusagen handelt, daß es sich um eine Erwartung seinerseits handelt, vielleicht aufgrund von Andeutungen oder lag da was festeres zugrunde? Das müssten Sie uns schon sagen, wenn Sie es noch können, Sie sollen natürlich gar nichts ...

Zeuge Dol[lak]:

Also er hatte eine, ich will so sagen, er hatte die Hoffnung, daß er nach 5 Jahren rauskommt, nach 5 bis 6 Jahren, daß er also in dieser Zeit rauskommt.

Vors.:

Und hat er Ihnen angegeben, worauf ...

Zeuge Dol[lak]:

Und er hat gesagt, ihm ist eine Begnadigung in Aussicht gestellt.

Vors.:

Hat er da angegeben, wer so was gesagt hat?

Zeuge Dol[lak]:

Nein, das weiß ich nicht. Er hat gesagt, ihm ist eine Begnadigung in Aussicht gestellt, und da habe ich gesagt, vielleicht eben durch, habe ich nicht gesagt, sondern gedacht, eben durch diese Aussage, die er vielleicht jetzt macht.

Vors.:

Und schließlich war noch von Versprechungen die Rede, wie Sie vorhin andeuteten, daß er nach dieser Aussage hier vor Gericht [11563] Urlaub bekommen würde, ist das richtig verstanden?

Zeuge Dol[lak]:

Ja, er sollte, wie gesagt, ich habe diesen Brief bekommen, und von Urlaub hatte er drinnen nichts gesprochen, also daß er Urlaub bekommen würde, davon wußte ich drinnen gar nichts, also wo ich mit ihm immer gesprochen hatte. Ich hatte nur nachher, wie gesagt, den Brief gelesen und den Brief bekommen, wo dann geschrieben wurde, daß, also geschrieben stand, daß er eben Urlaub erwartet, daß man ihm Urlaub versprochen hätte und die ganzen Versprechungen nicht eingehalten worden sind. Das war alles, was ich, ich weiß es eben nicht.

Vors.:

Ich möchte Ihnen noch vorhalten, ich habe jetzt gerade anrufen lassen in der Haftanstalt, um zu fragen, ob Sie diesen Umschluß gehabt haben. Das wurde in der Tat bestätigt, daß Sie auf Wunsch von Herrn Müller, d. h. daß überhaupt Umschluß gewährt wurde auf Wunsch von Herrn Müller. Es ist hier die Rede von einem Umschluß, allerdings konnte man in der Kürze der Zeit nicht feststellen, wie oft dieser Umschluß stattgefunden hat. Waren Sie denn der Einzige, der mit Herrn Müller solchen Umschluß bekam?

Zeuge Dol[lak]:

Ja.

Vors.:

Der zuständige Leiter der Vollzugsanstalt, der das letztlich am besten wissen müsste, ist nicht erreichbar heute, der ist bei einer Tagung. Aber jedenfalls die Tatsache, daß Umschluß stattgefunden hat, ist ausdrücklich bestätigt von der Haftanstalt; die Zahl, die Sie angegeben haben, ist noch nicht bestätigt.

Zeuge Dol[lak]:

Nein, es war so gewesen, ich wurde an einem Tage von diesem Anstaltsleiter gefragt, auf dem Flur, ich war bei der Fürsorgerin gewesen und da hatte er mich angesprochen, der Anstaltsleiter, ich wußte nicht, daß es der Anstaltsleiter war, und hatte gemeint, wie ich heiße usw. und ich sollte mich melden bei ihm. Und da hat er mich zu sich rufen lassen und hat mir erklärt, daß ich, ob ich bereit wäre mit diesem, eben, weil er ziemlich isoliert ist, mit diesem Mann Schach zu spielen usw. und mich mit ihm zu unterhalten. Und da habe ich gesagt: „Ja, warum nicht?“

Vors.:

Gut, das haben Sie geschildert.

Ist das nun, was Sie uns erzählt haben alles gewesen, was Sie mit Müller gesprochen haben oder hat Ihnen Müller[t] sonst noch irgendetwas über sich erzählt, über seine Absichten für die Zukunft?

Zeuge Dol[lak]:

Ja, nein, er hatte gesagt, ich habe ihn gefragt, was er vorhat, wenn er rauskommt. Er sagte eben, wie gesagt, daß er nicht [11564] weiß, was er machen soll und ich nahm auch an, daß er, wie gesagt, dieses Geschäft, daß ich mit ihm jetzt machen, also was ich vorhatte, und wo er über diese Summe gesprochen hat, daß er vielleicht da eine Hoffnung gesehen hat, eben ins bürgerliche Leben wieder zurückzukommen oder daß er vielleicht gesagt hat, wenn ich rauskomme, dann habe ich wieder was oder was. Ich weiß es nicht, wie er sich das gedacht hatte.

Vors.:

Hat er da irgendwie sonst erzählt, was er beabsichtige in der Zukunft über sich selbst?

Zeuge Dol[lak]:

Nein, er konnte ja, wir haben uns nicht darüber konkret unterhalten, er konnte auch nichts konkretes sagen, weil er eben nicht wußte, mit seiner Haftzeit, wie lange die noch dauern würde, ob nun die Begnadigung durchkommt oder nicht, oder ob sein Urteil ... Ich habe ihn auch gefragt, ob sein Urteil schon rechtskräftig[15] wäre, da hat er gesagt, nein, das ist es noch nicht. Und wie gesagt, da kam ja auch noch die Verhandlung und als Zeuge, der Auftritt noch als Zeuge hier.

Vors.:

Ich möchte Ihnen ein Stichwort geben. Ist Ihnen von Müller irgendetwas mitgeteilt worden, daß er schreiben werde oder wolle?

Zeuge Dol[lak]:

Er hat zu mir gesagt, ich kann ihm mal schreiben, wenn ich möchte und er wollte sich mit meiner Schwester in Verbindung setzen. Er hatte sich ... Ich habe ihm erzählt, daß ich eine Schwester habe und er wollte ein Bild von meiner Schwester haben um mit ihr eben auch korrespondieren.

Vors.:

Sonstige Äußerungen, die auf Wünsche seinerseits zu schreiben hätten schließen lassen?

Zeuge Dol[lak]:

Nein.

Vors.:

Ganz allgemein?

Zeuge Dol[lak]:

Nein, nein. Er hatte nichts weiter ...

Vors.:

Nicht nur im Briefverkehr, sondern auch vielleicht als Romanschriftsteller oder sonst irgendetwas, hat er da was geäußert?

Zeuge Dol[lak]:

Nein, das hat er nicht.

Vors.:

Nichts geäußert.

Sind weitere Fragen beim Gericht?

Bitte, Herr Dr. Breucker.

Richter Dr. Br[eucker]:

Herr Dollak, Sie erzählten von einem Brief, den Sie dem Herrn Müller geschickt haben und von einem weiteren Brief, den er Ihnen zurückgeschrieben hat. Hatte sich damit die Korrespondenz erledigt oder gibt es weitere Briefe?

[11565] Zeuge Dol[lak]:

Nein, es gibt noch keine weiteren Briefe. Wie gesagt, ich habe nur diesen Brief, weil ich ja ziemlich auch, also nicht enttäuscht, sondern ich habe gedacht, er schreibt mir vom Urlaub, den er bekommen hätte, wie er mir das im Brief auch erklärt hat, den er hoffte zu bekommen und nicht bekommen hat. Dadurch habe ich ihn meinem Rechtsanwalt gezeigt, diesen Brief, und der meinte, ob er ihn behalten kann, und dadurch bin ich überhaupt in diese ganze Geschichte jetzt reingekommen.

Richter Dr. Br[eucker]:

Noch eine weitere Frage. Wann haben Sie Ihrem Rechtsanwalt diesen Brief gegeben?

Zeuge Dol[lak]:

Ich hatte in meinem Fall Termin gehabt, das war im Juli, also nicht im August.

Richter Dr. Br[eucker]:

Gut, keine Fragen mehr.

Vors.:

Die Bundesanwaltschaft, bitte.

BA Dr. Wu[nder]:

Herr Zeuge, wir möchten Sie nicht gerne in eine falsche Aussage hineinschlittern lassen. Sie sind vom Herrn Vorsitzenden ja auch belehrt worden. Sinngemäß sagten Sie doch, daß Sie seit 12 Jahren unbestraft seien?

Zeuge Dol[lak]:

Ja.

BA Dr. Wu[nder]:

Haben Sie Ihre anderen 4 Vorstrafen, zwei wegen Eigentumsdelikten vergessen?

Zeuge Dol[lak]:

Ich habe eine Unterschlagungssache gehabt und zwar war das gewesen, daß ich eine Tasche auf der Toilette, auf der Damentoilette, nein, auf der Toilette gefunden habe, und das steht auch in Hamburg fest, und daß ich die nicht abgegeben habe.

Vors.:

Also Sie müssen jetzt den ...

Zeuge Dol[lak]:

Und da habe ich eine Geldstrafe von 800,-- DM bekommen. Und 2. habe ich einmal bei der Bundeswehr, weil ich schon 25 war und vorher zur See gefahren bin, habe ich eine, eben weil ich Fahnenflucht begangen hatte, weil ich mich geweigert hatte zur Bundeswehr zu gehen, war ich 2 Monate in Bremen, in Emden gewesen und danach bin ich trotzdem zur Bundeswehr gekommen.

BA Dr. Wu[nder]:

Das meinte ich nicht, die Fahnenflucht, Herr Zeuge, sondern eine weitere Eigentumsstrafe; die Diebstahlsstrafe aus dem Jahr 68, die haben Sie offenbar vergessen.

Zeuge Dol[lak]:

Ich weiß jetzt nicht, welche Sie meinen. Diebstahlsstrafe?

BA Dr. Wu[nder]:

5 Wochen Gefängnis. Sie hatten ...

Zeuge Dol[lak]:

Das war auch bei der Bundeswehr gewesen. Diese Zeit war das gewesen, wo ich von der Bundeswehr entlassen, also nach 3 Monaten von Emden entlassen wurde und der Hauptmann mir 30 Mark in die Hand [11566] gedrückt hat und gesagt, ich kann Urlaub machen in Hamburg, und da habe ich mir ein Moped genommen und bin nach Hamburg gefahren, dadurch bin ich, das ist meine Diebstahlsanzeige gewesen.

BA Dr. Wu[nder]:

Stimmt das, daß gegen Sie ein Verfahren wegen anderer Delikte anhängig ist, aus dem Jahr 76, die nichts mit Eigentumsdelikten zu tun haben?

RA Schi[ly]:

Ich widerspreche der Frage ...

Vors.:

Bitte, keine Antwort, es ist im Augenblick die Frage beanstandet.[16]

BA Dr. Wu[nder]:

Herr Rechtsanwalt Schily, wenn Sie andere Zeugen danach fragen, ob sie sich für Geld verkauft haben, dann darf ich die Zeugen, die von der Verteidigung bringen, danach fragen, ob sie ohne Geld eingekauft haben. Das Recht steht uns zu, ebenso wie Ihnen.

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, ich bin der ...

Vors.:

Nein, einen Augenblick Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, Herr Rechtsanwalt Schily hat beanstandet, bitte Begründung.

RA Schi[ly]:

Ich glaube, der Vergleich hinkt auf allen vier Beinen. Im übrigen meine ich allerdings, daß ich nicht den Zeugen, den Sie jetzt meinen, nach irgendwelchen Ermittlungsverfahren gefragt habe, und ich habe auch keine Beanstandungen hier vorgebracht bei rechtskräftigen Strafen, sondern die Beanstandung richtet sich dagegen, daß Sie hier versuchen ein Ermittlungsverfahren zum Gegenstand Ihrer Befragung zu machen, und das dürfte unzulässig sein, daß Sie jetzt hier den Zeugen zu einem Ermittlungsverfahren, das möglicherweise nach Ihren Erkenntnissen noch, gegen den Zeugen läuft, hier zum Gegenstand der Befragung machen. Ich glaube, das ist in jedem Falle unzulässig.

BA Dr. Wu[nder]:

Gut, ich stelle es zurück, Herr Rechtsanwalt, aber wenn es nicht eine größere Latte gewesen wäre, hätte ich die Frage überhaupt nicht gestellt.

Ich stelle die Frage zurück.

Vors.:

Die Frage ist zurückgestellt.

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, ich glaube, damit hat es sich erledigt.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich erwidere jetzt ebenfalls an Sie, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder ...

Vors.:

Nein, es ist ja erledigt, Herr Rechtsanwalt.

RA Dr. He[ldmann]:

Nein, aber meine Erwiderung ist nicht erledigt ...

Vors.:

Doch, sie ist gegenstandslos, wenn ...

RA Dr. He[ldmann]:

... es war nämlich ein Vorhalt; Sie wissen doch gar nicht [11567] was Sie sagen, hören Sie mich doch bitte mal an.

Vors.:

Wenn die Frage ... Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, Anknüpfungspunkt kann nur sein die Beanstandung des Herrn Rechtsanwalt Schily gegen eine von der Bundesanwaltschaft gestellten Frage ...

RA Dr. He[ldmann]:

Anknüpfungspunkt ist was anderes.

Vors.:

... Alles andere kann jetzt nicht mehr maßgeblich sein. Ich bitte Sie also, daß Sie, nachdem die Frage nicht weiter verfolgt wird, auch nicht weiter auf Ihre Erwiderung bestehen sollen.

RA Dr. He[ldmann]:

Darum geht es nicht.

Vors.:

Um was geht es denn dann?

RA Dr. He[ldmann]:

Darum geht es nicht, sondern es geht darum, daß Ihr Vorhalt gegenüber Herrn Schily völlig unzutreffend ist. Herr Schily hat Sie nicht ...

Vors.:

Das kann Herr Rechtsanwalt Schily selbst ausführen, darum brauchen Sie sich zu ...

RA Dr. He[ldmann]:

... ja, bittesehr ...

Vors.:

Herr Bundesanwalt ...

RA Dr. He[ldmann]:

... Prozeßbeteiligte ...

Vors.:

Ich gebe Ihnen dazu jetzt nicht weiter das Wort.

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, ich bitte Sie um Verständnis, daß das nicht Gegenstand dieser Befragung ist.

RA Dr. He[ldmann]:

Nein, ich bitte Sie um Verständnis, daß ich mein Wort haben möchte. Herr Schily ...

Vors.:

Sie erhalten dazu jetzt ...

RA Dr. He[ldmann]:

... hat nämlich nicht gefragt, ob Müller ...

Vors.:

Sie erhalten dazu jetzt nicht das Wort.

RA Dr. He[ldmann]:

... gegen Prostitution vorbestraft ist, das ist der Unterschied, Herr Bundesanwalt.

Vors.:

Ich bitte, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, fahren Sie mit dem Fragerecht fort.

BA Dr. Wu[nder]:

Herr Rechtsanwalt, Sie haben recht. Es gibt Delikte, nach denen muß man eigentlich fragen. Ich tu’ es aber trotzdem nicht.

Vors.:

Ich bitte jetzt, wenn weitere Fragen sind, die zu stellen. Die Beanstandung hat sich erledigt.

BA Dr. Wu[nder]:

Keine Frage seitens der Bundesanwaltschaft.

Vors.:

Keine Frage seitens der Bundesanwaltschaft.

Die Herren Verteidiger?

Herr Rechtsanwalt Schily.

Ende Band 676

[11568] RA Schi[ly]:

Herr Dollak, kennen Sie einen Herrn Ralf Menge?

Zeuge Doll[ak]:

Ja. Dieser Ralf Menge, der war bei mir auf der Station gewesen und zwar eine Zelle weiter. Und ich wußte nicht, was mit diesem Mann war. Ich hab mich mit dem Mann in den ersten Tagen nicht unterhalten. Aber wie ich nachher mit dem Herrn Müller, wie gesagt, zusammen gewesen bin, da hab ich nachher auch Rundgang gemacht, auf dem Hof Freistunde[u] mit dem Herrn[v] Ralf Menge. Und da hatte mir Herr[w] Ralf Menge seine Straftat erzählt. Und zwar handelte es sich da um eine Sache wegen 1 gr. Haschisch.

Vors.:

Verzeihung, Herr Rechtsanwalt Schily, sind Sie daran interessiert?

RA Schi[ly]:

Nein, nicht ... Ich wollte nur fragen, ob der Herr Dollak mit dem Herrn Menge, ob er ihn kennt und ob er auch mit ihm gesprochen hat. Das hat er jetzt beantwortet.

Kann es sein, Herr Dollak, daß Sie dem Herrn Menge auch von Gesprächen, die Sie mit Herrn Müller geführt haben, berichtet haben?

Zeuge Doll[ak]:

Ja, Herr Menge hat mir erzählt, daß er von der Polizei - wie ich das schon vorher erklären wollte - angehalten worden ist. Er kriegte immer Geld von der Polizei, das hatte er mir erzählt. Er bekam Geld von der Polizei, um, damit jemand anders geschnappt wurde. Und da hab ich zu ihm gesagt, damit er einen Ring aufdecken sollte, also einen großen Händler. Von dem sollte er immer die Ware einkaufen, damit diese Sache aufgedeckt wird. Und das hatte er nicht getan. Daraufhin wurde er verhaftet. So erzählte er mir das, dieser ...

RA Schi[ly]:

Ich hatte aber nach was anderem gefragt, ob Sie mit dem Herrn Menge auch über ihre Gespräche mit Herrn Müller gesprochen haben?

Zeuge Doll[ak]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Haben Sie da Herrn Menge auch etwas darüber berichtet, daß der Herr Müller Ihnen gegenüber erklärt habe, daß seine Aussagen, die er gemacht habe, eine Mischung aus Wahrheit und Unwahrheit seien?

Zeuge Doll[ak]:

Ob Herr Müller das mir erzählt hätte?

RA Schi[ly]:

Ja.

Zeuge Doll[ak]:

Ja, er sagte, Herr Müller sagte ja zu mir, wie ich Ihnen [11569] ja schon sagte, daß jeder sein Kopf aus der Schlinge ziehen müßte.

RA Schi[ly]:

Ja und hat er in dem Zusammenhang gesagt, daß seine Aussagen eine Mischung aus Wahrheit und Unwahrheit seien?

Zeuge Doll[ak]:

Das hat er nicht gesagt. Wortwörtlich hat er es nicht gesagt, daß er die Unwahrheit sagt.

RA Schi[ly]:

Ja, nicht daß er die Unwahrheit sagt, sondern daß er mit seinen Aussagen eine Mischung aus Wahrheit und Unwahrheit hier vorgetragen habe.

Zeuge Doll[ak]:

Ob er das gesagt hat?

RA Schi[ly]:

Ja, zu Ihnen, sinngemäß.

Zeuge Doll[ak]:

Er hat zu mir nur gesagt, ich hab mit ihm mal gesprochen und da hat er zu mir gesagt, er, habe ich gesagt: „Ich finde das ja auch eine Schweinerei, daß man auf einmal sich so dreht“. Und da hat er gesagt, zu mir hat er dann gesagt, da müsse jeder sehen, daß er aus dieser Sache herauskommt.

RA Schi[ly]:

Ja, das haben Sie ja schon dem Herrn Vorsitzenden auf seine Frage ... erklärt.

Zeuge Doll[ak]:

Aber daß er gesagt hat, daß das eine Mischung aus Wahrheit und Unwahrheit ist, das hat er nicht gesagt.

RA Schi[ly]:

Das hat er nicht gesagt?

Zeuge Doll[ak]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Haben Sie Herr Menge so was berichtet, daß der Herr Müller Ihnen ...

Zeuge Doll[ak]:

Herr Menge habe ich nur erzählt, daß ich glaube, daß [x] das mit Herrn Müller, was er sich jetzt auf einmal als Kronzeuge da vornimmt, daß das vielleicht doch genau dasselbe sein könnte. Das war alles, was ich zu Herrn Menge gesagt habe.

RA Schi[ly]:

Dann eine weitere Frage. Hat Ihnen Herr Müller sinngemäß gesagt, daß ihm für seine Aussage versprochen worden sei, daß er damit vom „lebenslänglich“[17] herunterkomme.

Zeuge Doll[ak]:

Es war die Rede von 10 Jahre, soweit ich das weiß. Daß er 10 Jahre bekam, also bekommen sollte und daß, er nach 5 bis 6 Jahren begnadigt werden wollte, also sollte.

[11570] RA Schi[ly]:

Ja, das haben Sie auch schon geschildert, Herr Dollak. Aber hat Ihnen der Herr Müller auch berichtet, daß man ihm versprochen habe für seine Aussage, daß er vom „lebenslänglich“ herunterkomme?

Zeuge Doll[ak]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Das hat er Ihnen nicht gesagt. Sagen Sie, Herr Dollak, wann haben Sie erfahren, daß Sie hier als Zeuge vernommen werden?

Zeuge Doll[ak]:

Ich hab das erfahren gestern Mittag.

RA Schi[ly]:

Gestern Mittag. Durch wen?

Zeuge Doll[ak]:

Durch die Polizei, die hat mir das Schreiben in die Firma gebracht.

RA Schi[ly]:

In welcher Form ist Ihnen das Schreiben in die Firma gebracht worden?

Zeuge Doll[ak]:

Von der Polizei und zwar, das Schriftstück habe ich hier. Das ist ein Ferngespräch oder so etwas gewesen.

RA Schi[ly]:

Ein Fernschreiben?

Zeuge Doll[ak]:

Ein Fernschreiben, ja.

Vors.:

Nein, es ist kein Fernschreiben. Er sagte Ferngespräch.

RA Schi[ly]:

Achso ein Ferngespräch ...

Vors.:

Es ist durch die Geschäftsstelle vermittelt worden.

RA Schi[ly]:

... vielleicht ein Vermerk über ein Ferngespräch. Wer ist denn da gekommen? Ist da die Kriminalpolizei gekommen oder ...?

Zeuge Doll[ak]:

Da ist die normale Polizei gekommen, also die Streife.

RA Schi[ly]:

Also uniformierte Polizei. Haben die sich mit Ihnen unterhalten?

Rechtsanwalt Oberwinder erscheint um 15.21 Uhr im Sitzungssaal

Zeuge Doll[ak]:

Nein, die haben sich nicht weiter unterhalten. Die sagten nur, das ist eine Sache ... Sie hatten bei mir angerufen auf der Arbeit und erklärten mir, fragten mich, ob ich Manfred Dollak bin. Ich sagte ja, und ich hatte, wie gesagt, eben schon wieder Bedenken, daß irgendwas in meiner Sache gegen mich vorliegt. Und dann habe ich gesagt, wieso, was wollen Sie denn von mir wissen. Da sagt er zu mir, wohnen Sie denn noch in der [Straße]. Und da habe ich gesagt, ja. Ja sagt er zu mir, gestern abend waren Sie aber nicht [11571] dagewesen. Da habe ich gesagt, nein, das war ich nicht. Aber was wollen Sie von mir? Da hat er zu mir gesagt, es handelt sich um eine dringende Sache, wir wollten Sie gerne haben. Ich sagte dann, wieso, wollen Sie mich schon wieder verhaften, ich hab ja überhaupt nichts getan? Nein, da sagte er, es handelt sich um eine andere Sache, um eine wichtige Sache als Zeuge. Und da habe ich mir nicht gedacht, aber ich war in dem Glauben, daß irgendwas ... Vielleicht hätte es auch etwas sein können, was gegen mich vorliegt und daß sie das eben nicht sagen wollten. Und daß sie mich dadurch eben nur beruhigen wollten und daß ich in der Firma bleiben sollte. Ich wußte aber nicht, daß das eine Aussage in dieser Art sein sollte oder jedenfalls hier in diesem Fall. Danach sind sie zu mir gekommen und haben mir das Schreiben gebracht.

RA Schi[ly]:

Wie, nochmal. Ist da jemand gekommen dann?

Zeuge Doll[ak]:

Nach diesem Anruf ist die Polizei, hat sich erkundigt, wo die Firma ist und genaue Anschrift. Und danach sind sie gekommen in dem Streifenwagen und haben mir dieses Schreiben übermittelt.

RA Schi[ly]:

Ja, und danach war aber niemand mehr bei Ihnen von der Kripo.

Zeuge Doll[ak]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Sagen Sie, haben Sie irgendwie eine Bewährung offen oder etwas?

Zeuge Doll[ak]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Ja.

Vors.:

Verzeihung, was war die letzte Frage, Herr Rechtsanwalt?

RA Schi[ly]:

Ob eine Bewährungsfrist noch offen ist. Haben Sie dafür Auflagen?

Zeuge Doll[ak]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Sagen Sie, Herr Dollak, ich möchte Ihnen vorhalten, daß es mir, wenn Sie jetzt die Zeit schildern, in der Sie da mit dem Herrn Müller zusammen waren, das ist ja immerhin eine ziemlich große Zeitspanne, dann erscheint es mir an sich ein bißchen ungewöhnlich, Sie lesen auch etwas in der Zeitung darüber und es hat ja auch einiges Aufsehen erregt, diese Aussage von dem Herrn[y] Müller. Es ist also auch relativ viel darüber geschrieben worden. Und der kommt nun zurück und Sie stellen [11572] auch einen gewissen psychischen Wandel bei ihm fest. Zuerst war er ein bißchen verkrampft, wie Sie sagen. Und dann, als er zurück kam, war er ein bißchen lockerer, daß Sie nun gar nicht fragen, was da eigentlich stattgefunden hat. Waren Sie da besonders zurückhaltend oder haben Sie doch gefragt und er hat dann einfach nicht geantwortet oder wie war das?

Zeuge Doll[ak]:

Nein, ich hab ja nun gefragt, was denn nun sei. Da hat er gesagt, ja er hätte, er wolle sich dazu nicht äußern. Er hat sich darüber nicht weiter geäußert, was er gesagt hat oder was er nun hofft, oder jedenfalls was er sich davon versprochen hatte. Er hat sich da nicht weiter dazu geäußert.

RA Schi[ly]:

Herr Dollak, kennen Sie noch einen Herrn Miloje Lambeta, oder so ähnlich?

Zeuge Doll[ak]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Einen jugoslawischen Staatsangehörigen.

Zeuge Doll[ak]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Haben Sie mit dem Herrn Lambeta [z] auch über Ihre Gespräche mit Herrn Müller gesprochen?

Zeuge Doll[ak]:

Ja, die wußten zwar, die Jugoslawen, also ich war mit zwei Jugoslawen in einer Zelle und die wußten zwar, daß ich da unten immer gewesen bin und die können es auch bestätigen, daß ich da täglich unten drei Stunden gewesen bin und mit ihm Kontakt hatte.

RA Schi[ly]:

Wie heißt denn der andere Jugoslawe?

Zeuge Doll[ak]:

Miroslav Rezdeusek.

RA Schi[ly]:

Au, das ist schwer. Können Sie das mal buchstabieren.

Zeuge Doll[ak]:

Miroslav R-e-z-deusek.

RA Schi[ly]:

Darf ich Sie nochmals bitten, also der Nachname interessiert mich.

Zeuge Doll[ak]:

Rezdeusek.

RA Schi[ly]:

Nun habe ich vorläufig keine Fragen mehr, dankeschön.

Vors.:

Weitere Fragen an den Herrn Zeugen?

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann?

RA Dr. H[eldmann]:

Haben Sie in Ihren Gesprächen mit Herrn Müller ihm gegenüber - Müller gegenüber - dessen Verhalten als Zeuge in diesem Prozeß mißbilligt. Haben Sie sich abfällig darüber geäußert, Müller gegenüber?

[11573] Zeuge Doll[ak]:

Ich hab ihm das nur zu verstehen gegeben, daß ich das nicht richtig fand, wenn er jetzt auf einmal die Unwahrheit sagen sollte, durch das er eben seine hohe Strafe bekam. Ich wußte, daß er von 10 Jahren gesprochen hatte und daß er jetzt auf einmal eine Aussage machen wollte, das wußte ich ja auch. Und das habe ich natürlich auch nicht für richtig empfunden, wenn er jetzt auf einmal die Unwahrheit sagen sollte. Deswegen habe ich auch nur zu ihm gesagt, ich finde das auch nicht richtig, daß, wenn du jetzt irgend etwas falsches sagst. Aber er hat sich dazu nicht geäußert. Er selber hat nichts dazu gesagt.

RA Dr. H[eldmann]:

Hat Herr Müller Ihnen gegenüber auch davon gesprochen, daß auch demnächst er wieder als Zeuge auftreten werde?

Zeuge Doll[ak]:

Nein. Also er hatte, wie gesagt, von dieser Zeit, wo er hierher kam, da hat er davon gesprochen, daß er jetzt als Zeuge wieder auftritt, als Kronzeuge. Und das wußte ich schon. Aber er hat auch darüber gesprochen, daß er jetzt nach Stuttgart runterfährt. Und er hatte mir erzählt, daß er mit dem Hubschrauber runtergeflogen worden ist.

RA Dr. H[eldmann]:

Und hat er, das war meine Frage, ich wiederhole insoweit, und hat er auch davon gesprochen, daß er nach seinen Aussagen, nach Ende seiner Aussagen in Stammheim auch an anderen Gerichten aussagen werde als Zeuge?

Zeuge Doll[ak]:

Auf anderen Gerichten?

RA Dr. H[eldmann]:

Auch vor anderen Gerichten, in anderen Fällen.

Zeuge Doll[ak]:

Ja, daß er in Hamburg[18] auch aussagen würde.

RA Dr. H[eldmann]:

Auch aussagen würde, hat er gesagt?

Zeuge Doll[ak]:

Ja.

RA Dr. H[eldmann]:

Hat er dabei einen Namen eines Angeklagten genannt?

Zeuge Doll[ak]:

Ja, Margit Schiller.[19]

RA Dr. H[eldmann]:

Hat er in diesem Zusammenhang gesagt, daß seine bisherigen wie noch zu erwartenden Aussagen streckenweise gelogen, bzw. halb wahr waren oder[aa] sein werden?

Vors.:

Das ist[bb] durch Herrn Rechtsanwalt Schily beantwortet.

[11574] RA Dr. H[eldmann]:

Nein, es ist der Zusammenhang ein ganz anderer. Ich habe gefragt in diesem Zusammenhang. Und zweitens hat Herr Rechtsanwalt Schily eine andere Frage gestellt, wie das Tonbandprotokoll ausweisen wird. Er hat nämlich[cc] gesprochen von einem Gemisch aus Wahrheit und Unwahrheit ...

Vors.:

Ich darf aber dazu bemerken, daß ich pauschal gefragt habe, ob sich Müller dazu geäußert habe, über Wahrheit oder Unwahrheit, und zwar mehrfach und zusammengefaßt. Und der Herr Zeuge hat darauf jeweils eine Antwort gegeben. Aber ich habe nichts dagegen, wenn die Frage jetzt nochmals gestellt wird.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich wiederhole diese Frage. Hat er, nachdem er Ihnen erzählt hat über die anderen Prozesse, Margit Schiller genannt, hat er in diesem Zusammenhang gesagt, daß seine bisherigen wie noch zu erwartenden Aussagen streckenweise gelogen, streckenweise halb wahr gewesen seien[dd], sein werden.

Zeuge Doll[ak]:

Das hat er nicht, er hat davon nichts gesagt.

Vors.:

Ich darf, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, bloß zur Vertiefung Ihnen noch sagen, Herr Dollak hat vorhin ausdrücklich zu dem Ausdruck „gelogen“ eine Aussage gemacht, daß er es noch nicht mal bemerkt habe, auch nicht mal aus seinem eigenen Eindruck heraus. Also bloß daß Sie wissen, daß wirklich diese Frage nun oft genug gestellt und beantwortet worden ist.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich hatte nicht vor, sie abermals zu stellen, nachdem ich sie nun zweimal stellen mußte, infolge einer Unterbrechung durch Sie.

Hat er gesagt, daß er die einmal eingenommene Strategie, nämlich als Zeuge so in diesen Prozessen auszusagen, nunmehr wohl oder übel fortsetzen müsse?

Zeuge Doll[ak]:

Das hat er auch nicht gesagt. Er hat von den weiteren Prozessen, wie er sich weiter verhalten werde oder daß er weiter dabei bleiben werde, hat er überhaupt nicht gesprochen. Wie gesagt, er hatte nur gesagt, daß er zu weiteren Prozessen als Zeuge und zwar in Hamburg gegen Margit Schiller, die er gut kannte, wo er auch Fotos von hatte und wo er sagte, hier in Hamburg wird dieser Prozeß stattfinden und daß er dazu[ee] auch [ff] als Zeuge aussagen werde. Ob er nun die Wahrheit oder Unwahrheit, das weiß ich nicht.

[11575] RA Dr. He[ldmann]:

Herr Dollak, hat Herr Müller Ihnen gegenüber geäußert, er wisse noch nicht, wie er in seiner Autobiografie, wissen Sie, wie[gg] er[hh] das meint, Autobiografie, also in seiner, der Darstellung seines eigenen Lebens, schriftlichen Darstellung seines eigenen Lebens, wie er da seine Aussagen als Zeuge verkraften würde?

Zeuge Doll[ak]:

Mir kam das nur so vor, weil er ziemlich viel diese Zeitungen gekauft hatte, wo auch diese Berichte über ihn und über sein Leben und weiter[ii] geschildert wurden. Er hatte auch eine bestimmte Illustrierte gehabt, wo über ihn geschrieben wurde. Und mir kam das so vor, als wenn er sehr interessiert dran war, daß eben über ihn geschrieben wurde und daß er sich vielleicht auch durch diese Aussagen hervorheben wollte oder daß er sagte, also wenn ich jetzt überall dabei bin und weiter meine Aussagen mache, dann bleibe ich am Ball.

RA Dr. He[ldmann]:

Hat er also nichts gesprochen von Autobiografie, die er einmal zu schreiben und zu verkaufen ...

Zeuge Doll[ak]:

Ja, das hatte er gesagt, er verkauft - also jetzt weiß ich, was Sie meinen - er hatte gesagt, wenn er wieder rauskommt, würde er erstmal seine Geschichte verkaufen.

RA Dr. He[ldmann]:

Hat Müller Ihnen gegenüber geäußert, er sei an fast allen der hier in Stuttgart-Stammheim verhandelten Aktionen der Baader-Meinhof-Gruppe selbst aktiv beteiligt gewesen?

Zeuge Doll[ak]:

Er sagte, daß er nicht bei allen Aktionen dabei gewesen ist, aber hat er mir nicht wortwörtlich, also er hat nicht gesagt, daß er überall dabei gewesen ist. Aber er erzählte mir von, ich habe ihn mal gefragt, ob er ein Auto besitzt, jemals ein Auto besaß und da sagte er: nein, aber er hätte ja schon genug Autos gefahren. Und da erzählte er mir auch von Autodiebstählen, die Herr Baader begangen hat und zwar über größere Autos, die gefahren worden sind damals und die er auch mit, wo er auch mitgefahren ist, und daß das meistens alles nur gestohlene Autos waren.

RA Dr. He[ldmann]:

Hat er eigentlich in Gesprächen mit Ihnen von sich selbst als einem „Kronzeugen“ gesprochen?

Zeuge Doll[ak]:

Nein, er hatte nicht gesprochen, daß er als Kronzeuge, von sich selbst hat er nicht weiter gesprochen, so daß, er hat [11576] zu mir nicht gesagt: „Ich bin der Kronzeuge“ oder so, also wortwörtlich hat er gar nichts davon gesagt.

RA Dr. He[ldmann]:

Hat er gesagt: Ich gehe dorthin als „Kronzeuge“?

Zeuge Doll[ak]:

Ja, er hat gesagt: Ich bin da als „Kronzeuge“ in Stuttgart geladen und da, wie gesagt, da wurde er hingeflogen und ich hab gesagt: „Wie kommst Du denn da runter, wie wollen die Dich denn da runter haben? Da müssen ja Sicherheitsvorkehrungen irgendwo getroffen werden“, weil ich eben wußte, daß er auch in der Haft isoliert war. Da hat er mir erklärt, er wird mit dem Hubschrauber runtergeflogen.

RA Dr. He[ldmann]:

„Ich bin da als Kronzeuge in Stuttgart geladen“, hat er gesagt?

Zeuge Doll[ak]:

Ja.

RA Dr. He[ldmann]:

Hat er Ihnen eigentlich auch gesagt, woher er das, was er hier ausgesagt hat, woher er das weiß, hat er’s selbst gesehen, selbst gehört, selbst erlebt, oder hat er das nur als Schlußfolgerung ausgesagt, das und das muß so gewesen sein?

Zeuge Doll[ak]:

Nein, er hatte mal gelesen von einem Bombenanschlag; und zwar war das damals die Zeit gewesen, wo in Hamburg ein Bombenanschlag gegen diesen, ich weiß nicht, da war ein Oberregierungsrat, so was war das gewesen, ich weiß es jedenfalls nicht; und da sollte es sich um eine Plastikbombe oder mit Plastikzünder, wo keine Spuren hinterlassen, dieser Sprengstoff, also diese ganze Bombe keine, und da hat er sich sehr für interessiert und meinte, wie kann man denn sowas bauen, daß eine Bombe platzt, ohne daß da Spuren hinterher davon da sind, daß alles in Plastik, diese Säure und so weiter was da reinkommt, Säure, Zünder und ich weiß es nicht. Er hatte mir das, jedenfalls hat er sich dafür interessiert, wieso das sowas gibt.

RA Dr. He[ldmann]:

Hat er Ihnen gegenüber, Herr Dollak, hat Herr Müller Ihnen gegenüber von der Mord-Anklage, die er in Hamburg hatte, gesprochen? Daß er wegen Mordes angeklagt gewesen sei?

Zeuge Doll[ak]:

Er hatte mal ganz kurz und flüchtig hatte er mal erzählt, damals in Hamburg, daß damals, wie dieser Polizistenmord in Hamburg[20] geschah, hat er erzählt, daß das gewesen ist, aber nur mal ganz kurz, und ich kann mich da an Einzelheiten nicht erinnern, was er gesagt hat, oder jetzt kann ich nicht sagen, daß er dabei war oder daß er[jj] das gemacht hat, oder daß er geschossen, ich [11577] weiß das nicht. Er hat ja nur das angeschnitten und hat immer so drüber gesprochen, daß [kk] in Hamburg auch damals geschossen wurde hier gegen den Polizisten und das in Zusammenhang mit Margit Schiller damals erzählte.

RA Dr. He[ldmann]:

Hat Herr Müller Ihnen gegenüber davon gesprochen, daß er der Presse Interviews gibt, Presseberichte gibt oder für die Presse tätig ist?

Zeuge Doll[ak]:

Das hat er mir nicht gesagt. Er hat nur gesagt, daß er nach seiner Entlassung, wie gesagt, er war immer ziemlich neugierig auf die Zeitungen und er bekam auch immer Zeitungen, und auf Artikel von dieser Sache[ll]. Er hat sie immer rausgelesen, und ich glaube, er hat sie auch gesammelt. Und hat sich immer sehr für interessiert, ihn geschrieben wurde und was über[mm] die ganze Sache geschrieben wurde. Und, wie gesagt, es ist einem aufgefallen, daß er diese ganze Geschichte erst mal verkaufen wollte nach der Entlassung.

RA Dr. He[ldmann]:

Haben Sie beobachtet, daß Müller Besuche bekommen hat?

Zeuge Doll[ak]:

Er wurde paarmal rausgerufen zu der Zeit, wie er hier unten als Zeuge auftreten sollte, wurde er ein paar Mal von diesem Anstaltsleiter persönlich geholt und wurde auch Telefongespräche, die geführt wurden und ich hörte nur immer das: „Herr Müller, kommen Sie mal raus, Telefon, wir müssen Sie mal eben haben.“ Weiter habe ich nichts gesehen.

RA Dr. He[ldmann]:

Hatten Sie gehört, wer ihn am Telefon verlangt hat?

Zeuge Doll[ak]:

Nein.

RA Dr. He[ldmann]:

Sie haben vorhin eine Zeitangabe gemacht, nämlich sie seien 1 ½ Monate in Untersuchungshaft gewesen und über 14 Tage, so sagten Sie, mit Herrn Müller zusammengeschlossen.

Zeuge Doll[ak]:

Ja.

RA Dr. He[ldmann]:

Können Sie die Tage, die Zeit nennen, in welchem Monat, an welchen Monatstagen, wissen Sie das?

Vors.:

Wenn Sie dazu einen Kalender haben wollen, den können wir Ihnen liefern.

Zeuge Doll[ak]:

Ja.

Dem Zeugen wird ein Kalender Jahrgang 1976 übergeben.

Zeuge Doll[ak]:

Das muß gewesen sein, wie ich, Moment mal, das muß gewesen sein in den Wochen Juni, und zwar vom 14., da war ich bestimmt, [11578] glaube ich, schon dagewesen, vom 14., am Montag, 14. Juni, da war er weg gewesen, ungefähr, habe ich ihn fünf Tage nicht getroffen. Ich weiß nicht, wann er Zeuge[nn] gewesen ist, und danach habe ich ihn wieder getroffen. Und ich bin am 30., am 30. Juli bin ich aus der Haft entlassen worden.

Vors.:

Darf ich Ihnen zur Unterstützung sagen, Sie sind am 3.6.76 in Untersuchungshaft gekommen, also am 14. waren Sie sicher dort. Wir haben uns nach Ihnen erkundigen müssen, weil wir Sie ja nicht fanden und dabei ist das auch bekannt geworden.

Zeuge Doll[ak]:

Ja, genau, am 3.6. war ich in Untersuchungshaft und danach, ich bin ungefähr eine Woche oder 14 Tage war ich da gewesen, also ich weiß jetzt, eine Woche vorher oder am 21., daß ich da angefangen hab mit ihm Zusammenschluß zu machen. Das ging drei oder vier, drei Wochen, glaube ich, ungefähr so. Juli jedenfalls war ich, und habe ich auch, wie ich entlassen wurde, habe ich ihm auch gesagt, daß ich bestellen lasse, daß ich rauskomm durch einen Kalfaktoren[oo] oder Beamten. Beamten, glaube ich.

RA Dr. He[ldmann]:

Haben Sie festgestellt, daß Herr Müller in jener Zeit, also wie Sie eben angegeben haben, Mitte Juni, in dieser Zeit, zweite Junihälfte, daß er da krank war?

Zeuge Doll[ak]:

Ja, er war krank gewesen und er hatte irgendwie welche Mittel da bekommen, ich weiß nicht ...

RA Dr. He[ldmann]:

Was hat er bekommen, bitteschön? Ich habe nicht verstanden.

Zeuge Doll[ak]:

Irgendwelche Mittel von der Apotheke hat er immer, Apotheker, der hat ihm immer Pillen gebracht und so.

RA Dr. He[ldmann]:

Worüber hat er denn geklagt? Über welche Beschwerden, über welche Krankheit?

Zeuge Doll[ak]:

Worüber hat er geklagt? Er hatte immer diese Calcium-Tabletten und ich weiß nicht, was das gewesen ist. Genauer kann ich nicht sagen. Aber ich weiß, daß er eine Zeitlang sich nicht gefühlt hat und krank war und daß er eben auch diese, von dem Sanitäter immer diese Pillen kriegte. Was er nun genau hatte, weiß ich nicht.

RA Dr. He[ldmann]:

Und als er dann von Stammheim zurückgekommen ist, also hier Stuttgart-Stammheim zurückgekommen ist, da waren Sie wieder mit Ihm zusammen?

Zeuge Doll[ak]:

Da war ich mit ihm auch wieder zusammen, ja.

RA Dr. He[ldmann]:

Wie lange war das dann, dieser zweite Abschnitt also, ungefähr? Auch wieder eine Woche?

[11579] Zeuge Doll[ak]:

Das war, wie er rausgekommen ist[pp], also von Stuttgart, das war bestimmt über eine Woche nochmal.

RA Dr. He[ldmann]:

Über eine Woche.

Zeuge Doll[ak]:

Ja.

RA Dr. He[ldmann]:

War er da gesund oder?

Zeuge Doll[ak]:

Ja, wie ich schon sagte, er fühlte sich ziemlich wohl und er sprach auch so schwäbisch auf einmal. Ich weiß nicht wieso, warum, aber er sprach so komisch, als wenn er sich das angenommen hat.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich komme auf eine Äußerung vorhin in Ihrer Zeugenvernehmung zurück, da haben Sie vorhin gesagt, Müller hätte Ihnen angegeben, er hätte hier Aussagen gemacht gegen Baader.

Zeuge Doll[ak]:

Ja.

RA Dr. He[ldmann]:

War das so, ja?

Zeuge Doll[ak]:

Ja. Und er sagte mir noch wortwörtlich, daß er, daß ihm die Verteidigung jedenfalls ein Bein stellen wollte, das hat er mir noch so erzählt, also ich weiß nur, es, er sagte: „Die wollten mich da ganz schön in die Mangel nehmen und ein Bein stellen“, und mehr hat er drüber nicht gesprochen.

RA Dr. He[ldmann]:

„In die Mangel nehmen“, „Bein stellen“. Hat er Ihnen ...

Vors.:

„Ein Bein stellen, in die Mangel nehmen“, so ist das ...

RA Dr. He[ldmann]:

Hat Herr Müller Ihnen gegenüber wörtlich oder sinngemäß geäußert, er fühlte, er spürte Haß auf Baader?

Zeuge Doll[ak]:

Nein, er erzählte, er hat nicht einen Haß auf Herrn Baader gehabt, denn er erzählte mir vorher, daß er diese Sache auch nicht richtig finde, daß diese Gruppe, daß Herr Baader und so weiter das übertrieben haben, daß diese ganzen Bombenanschläge und so weiter, die geschehen sind, daß er das nicht für richtig fand. Das hat er mir erzählt, also und deswegen, mich wunderte, daß er das jetzt auf einmal erzählt, weil er vorher selber dabei gewesen war. Und er erzählte, er fände das nicht richtig. Erhat aber nicht gesagt, wie gesagt, daß er bei so manchen Aktionen, mir erzählte, ich war da und da. Er hat darüber nicht gesprochen.

RA Dr. He[ldmann]:

Hat Herr Müller, nachdem er von Stammheim, Stuttgart-Stammheim zurückgekommen ist, nach Hamburg wieder zu Ihnen zurückgekommen ist, hat er da einmal Ihnen gegenüber geäußert, „Die Justiz springt, wenn die Kriminalpolizei „hopp“ sagt“?

Zeuge Doll[ak]:

Ja.

RA Dr. He[ldmann]:

Keine Frage mehr.

[11580] Zeuge Doll[ak]:

Das hatte er im Brief[qq] auch, glaube ich, erwähnt.

Vors.:

Wie hieß dieser Satz?

Zeuge Doll[ak]:

„Die Justiz springt, wenn die Polizei ‚hopp‘ sagt“ oder so ähnlich, ich weiß das nicht.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich habe keine Frage mehr.

Vors.:

Sonstige Fragen an den Herrn Zeugen?

Zeuge Doll[ak]:

Oder, ich weiß nicht, oder das war umgekehrt, ich weiß es nicht: „Die Polizei springt, wenn die Justiz ‚hopp‘ sagen würde.“

Vors.:

Es könnte also auch sein: Die Polizei muß springen oder springt, wenn die Justiz ‚hopp‘ sagt, oder wie?

Zeuge Doll[ak]:

Ich weiß das jetzt nicht genau.

Vors.:

Also das können Sie nicht mehr so genau sagen.

Zeuge Doll[ak]:

Nein, aber das steht im Brief, glaube ich[rr] steht das.

Vors.:

Wir werden’s dann in Ihren schriftlichen Aufzeichnungen finden. Jetzt darf ich vielleicht noch, bevor die Vernehmung des Herrn Zeugen abgeschlossen ist, fragen, es sind einige Namen erfragt worden. Es wäre natürlich wünschenswert, damit keine Zeit verloren geht, wenn beabsichtigt sein sollte, diese Zeugen zu benennen, daß man dann jetzt den Herrn Zeugen auch noch gleich wenigstens im Anschluß an die Vernehmung nach den Anschriften fragt und danach, ob die Zeugen erreichbar sind. Sonst müssen wir gewärtigen, daß wir vielleicht dann in absehbarer Zeit erst die Anträge bekommen, wieder Zeit verlieren.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, ich wäre dankbar, wenn zunächst mal also vorbeugend sozusagen der Zeuge nach den Anschriften gefragt würde ...

Vors.:

Deswegen nochmals die Namen bitte, die Sie interessieren.

RA Schi[ly]:

Also der Herr Menge, Vornamen Ralf.

Vors.:

Ralf Menge. Können Sie sagen, wo er wohnt, wie er erreichbar ist?

Zeuge Doll[ak]:

Nein, ich kenne ihn ja nicht weiter. Ich habe ihn ja eben nur, er ist nachher entlassen worden aus der Haft und weiter kenne ich diesen Herrn Menge nicht.

Vors.:

War das auch ein Hamburger?

Zeuge Doll[ak]:

Der wohnte in Hamburg, ja.

RA Schi[ly]:

Die Anschriften haben wir, glaube ich.

Vors.:

Gut. Weitere Namen bitte, wenn Sie an irgendjemand interessiert sein sollten.

[11581] RA Schi[ly]:

Ja, und die beiden Jugoslawen.

Vors.:

Da war also mal der Herr Miroslav.

Zeuge Doll[ak]:

Miroslav und dieser ...

RA Schi[ly]:

Der eine hieß Lambeta ...

Zeuge Doll[ak]:

Miloje.

Vors.:

Und der Herr Lambeta, wo wäre der erreichbar nach Ihrer Kenntnis.

Zeuge Doll[ak]:

Ich weiß das nicht. Die sind beide, also beide noch in Haft gewesen, wie ich entlassen wurde.

Vors.:

Wissen Sie, wo die hingehörten?

Zeuge Doll[ak]:

Das sind Jugoslawen.

Vors.:

Ja sicher, aber waren die nun als Arbeiter in Hamburg tätig oder?

Zeuge Doll[ak]:

Ja, der Herr Lambeta sollte, soweit ich das, hatte er seinen Termin gehabt und sollte in Abschiebungshaft gehalten werden. Und Herr Miroslav, der hatte noch einen Termin zu erwarten, der hatte aber einen Wohnsitz in Hamburg.

Vors.:

Den kennen Sie aber nicht?

Zeuge Doll[ak]:

Nein.

Vors.:

Den könnte man notfalls in der Haftanstalt dann aber wohl erfragen.

Zeuge Doll[ak]:

Ja.

Vors.:

Danke.

Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Herr Rechtsanwalt Schnabel.

RA Schn[abel]:

Herr Zeuge, hat Ihnen Herr Müller irgendwann einmal erzählt, daß er hier in Stammheim im Beistand eines Anwalts aufgetreten ist?

Zeuge Doll[ak]:

Nein. Daß er im Beistand eines Anwalts hier aufgetreten ist?

RA Schn[abel]:

Ja.

Zeuge Doll[ak]:

Nein.

RA Schn[abel]:

Weder davor noch danach. Hat er Ihnen auch nicht gesagt, er würde wohl mit einem auftreten, das wäre dann davor, oder danach gesagt, er sei mit einem aufgetreten?

Zeuge Doll[ak]:

Nein.

RA Schn[abel]:

Wissen Sie davon nichts.

Zeuge Doll[ak]:

Nein, davon weiß ich nichts.

RA Schn[abel]:

Wissen Sie, mit welchem Anwalt der Herr Müller damals Kontakt hatte? Oder hat er Ihnen darüber überhaupt nichts erzählt über seine anwaltlichen Kontakte?

Zeuge Doll[ak]:

Nein. Ich hatte nur gefragt, ob er Herrn Reinhard kenne, also das ist der Anwalt, den ich hatte, und da sagte er [11582] den hätte er mal gehabt, mit dem hätte er Krach gekriegt und deswegen hätte er ihn abgelehnt als Anwalt.

RA Schn[abel]:

Haben Sie da nicht nachgefragt, wen er dann jetzt als Anwalt hätte?

Zeuge Doll[ak]:

Ich hab das nachher gewußt eben auch durch Zeitungen, das stand ja auch in der Zeitung ganz groß drin, daß er die Frau Gottschalk, die auch mit Herrn Reinhard befreundet war, daß diese die Verteidigung übernommen hat.

RA Schn[abel]:

Haben Sie dann auch in der Zeitung gelesen oder durch Herrn Müller gehört, daß er aus dem Raum Bonn einen Anwalt zugezogen hat?

Zeuge Doll[ak]:

Bitte?

RA Schn[abel]:

Haben Sie in der Zeitung gelesen oder von Herrn Müller direkt gehört, daß er einen Anwalt aus dem Raum Bonn zugezogen hat?

Zeuge Doll[ak]:

Nein, davon weiß ich nichts.

RA Schn[abel]:

Haben Sie auch nicht gelesen dann?

Zeuge Doll[ak]:

Nein, habe ich auch nicht.

RA Schn[abel]:

Danke.

Vors.:

Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Sehe ich nicht.

RA Dr. He[ldmann]:

Vielleicht wäre es für alle Beteiligten vorsorglich richtig, Herrn Dollak zu fragen, ob er denn einverstanden ist, wenn dieser Brief des Herrn Müller an ihn hier verlesen werden würde.

Vors.:

Das ist bereits im Anschluß an seine Andeutung gefragt worden. Er hat zugestimmt.

Zeuge Doll[ak]:

Ja.

Vors.:

Sonst keine Fragen mehr? Dann können wir den Herrn Zeugen vereidigen. Keine Einwendungen.

Der Zeuge Dollak wird vorschriftsmäßig vereidigt und um 15.51 Uhr im allseitigen Einvernehmen entlassen.

Vors.:

Wir wollen eine ganz kurze Besprechungspause einlegen. Ich bitte, um 16.00 Uhr wieder hier anwesend zu sein. Die Sitzung wird sich heute nicht mehr lange hinziehen, aber es sind noch einige kleine Dinge zu überlegen.

Pause von 15.51 Uhr bis 16.01 Uhr.

Ende von Band 677

[11583] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 16.01 Uhr.

Vors.:

Wir haben zunächst die Frage an die Prozeßbeteiligten: Sind weitere Anträge zu stellen oder werden weitere Anträge gestellt?

Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Schi[ly]:

Ich stell’ den Antrag,

das von dem Zeugen Dollak erwähnte Schreiben des Herrn Müller von Herrn Rechtsanwalt Reinhardt anzufordern und in diesem Verfahren als Urkunde zu verlesen

zum Beweise dafür,

daß der Herr Zeuge Müller erklärt hat in diesem Schreiben, daß ihm von Kriminalbeamten oder anderen Ermittlungsbeamten zugesagt worden sei, er werde Urlaub erhalten, nachdem er seine Aussage in diesem Verfahren gemacht habe.

Vors.:

Sonstige Anträge?

Herr Rechtsanwalt Oberwinder.

RA Oberw[inder]:

Zum Beweis dafür,

daß das Interview, das der Journalist Ulf G. Stuberger mit dem von der Bundesanwaltschaft benannten Zeugen Müller in[ss] der „Frankfurter Rundschau“ vom 9. September 1976, Seite 12 der Deutschlandausgabe, unterm Namen veröffentlichte, den Hauptzweck verfolgte, die Tötung von Ulrike Meinhof[21] als geplanten Selbstmord in der Öffentlichkeit zu verankern und den weiteren Zweck, die stark erschütterte Glaubwürdigkeit des Zeugen Gerhard Müller zu rehabilitieren

beantrage ich namens des Gefangenen Baader,

die Vernehmung des Journalisten Ulf G. Stuberger, zu laden über den Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe bzw. über die Redaktion der „Frankfurter Rundschau“, Stiftstraße, Frankfurt am Main, als Zeugen.

[11584] Der Zeuge wird bekunden,

1) daß er dieses Interview führte und publizierte in Absprache mit der Bundesanwaltschaft und des Bundeskriminalamts, daß er wesentliche Aussagen dieses Zeugen, die dessen Unglaubwürdigkeit nahelegen, bewußt nicht veröffentlichte,

2) daß er bereitwillig einverstanden war, für die Bundesanwaltschaft zu arbeiten,

3) daß er von der Bundesanwaltschaft dazu ausersehen ist, ihre Version über die Vorgänge im Prozeß und in der Haft in Stuttgart-Stammheim in der „Frankfurter Rundschau“ zu veröffentlichen und in die Nachrichtenagentur Reuter weiterzugeben,

4) daß die „Frankfurter Rundschau“ als mit dem Ruf einer liberalen Zeitung ausgestatteten Presseorgans durch einen entsprechenden Mitarbeiter, der ebenfalls[tt] in enger Zusammenarbeit mit den Staatsschutzbehörden der Bundesrepublik Deutschland steht, die Funktion zugewiesen erhielt, die psychologische Kriegsführung durch entsprechende Tatsachenbehauptungen, Interpretationen und Dementis zu unterstützen.

Diese unter Beweis gestellten Tatsachen ergeben,

1) daß die Staatsschutzorgane der Bundesrepublik Deutschland mit Hilfe eines Teils der Presse und willfähigen Journalisten durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit auf die Beweissituation im Stammheimer Verfahren Einfluß zu nehmen sucht,

2) daß die Bundesanwaltschaft, nachdem die Unglaubwürdigkeit des Zeugen Müller durch die als Zeugen vernommenen Gefangenen aus der Roten-Armee-Fraktion und die als Zeugen vernommenen Verteidiger aus diesen Verfahren, in diesem Verfahren so offen zutage getreten ist, daß auch Seitens der Presse Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieses Zeugen Müller nicht mehr zu unterdrücken waren, nunmehr durch gezielte Presseveröffentlichungen über diesen Zeugen, dessen Aussagen, verkleidet in der Form des Interview, erneut in dem Bewußtsein der Öffentlichkeit verankern will,

[11585] daß die Staatsgewalt in der Bundesrepublik offenbar schon soweit in ihrer Machtentfaltung vorangeschritten ist, daß sie nicht mehr nur ihrerseits Einfluß auf die Pressegestaltung durch entsprechende Behauptungen ausübt, sondern direkt über Mitarbeiter in den Presseorganen, deren Berichterstattung und Kommentare determiniert,

daß insbesondere die Tötung von Ulrike Meinhof, die am schlagendsten ein Licht auf dieses Verfahren wirft, nunmehr als geplanter Selbstmord ausgespielt werden soll, nachdem die Unhaltbarkeit der Selbstmordversion, wegen angeblicher Spannungen zwischen den Gefangenen, wegen angeblicher Verzweiflung von Ulrike Meinhof sich nicht mehr halten ließ, und angesichts der Tatsache, daß eine internationale Untersuchungskommission die Umstände des Todes untersuchen soll.[22]

Diese Tatsachen sind daher geeignet,

1) die Beweisführung der Bundesanwaltschaft über den Zeugen Gerhard Müller zu entkräften und

2) die behauptete Normalität dieses Prozesses zu widerlegen.

Vors.:

Sonstige Anträge?

Wir wären dankbar, wenn Sie über dieses Interview verfügten, also über diese Veröffentlichung, daß wir die fotokopieren könnten.

RA Oberw[inder]:

Herr Vorsitzender, das Problem ist, daß die „Frankfurter Rundschau“ dieses Interview offensichtlich nicht vollständig abgedruckt, worauf auch im Vorwort hingewiesen ist. Wir konnten aber der „Süddeutschen Zeitung“ vom 9. September entnehmen, daß Herr Müller doch einige entscheidende Sachen, die auch ein Licht auf seine Motivation werfen, ausgesagt hat, so etwa auf die Frage „Hassen Sie Andreas Baader?“ hat er gesagt, nach dieser Veröffentlichung: „Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich natürlich einen Haß auf Baader.“ Insofern haben wir keine vollständige Ausgabe dieses Interview.

Vors.:

Aber es wäre uns lieb, wenn Sie die Veröffentlichung, auf die Sie ja abheben, uns durch ... entweder selbst übergeben können oder uns die Möglichkeit einer Fotokopie geben würden, noch heute, daß wir das mit zuziehen können. Ist das möglich?

RA Oberw[inder]:

Das ist heute nicht mehr möglich.

[11586] Vors.:

Sonstige Anträge?

Will sich die Bundesanwaltschaft zu diesem Antrag, insbesondere dem zuletzt vorgetragenen Antrag, äußern?

Bitte, Herr Bundesanwalt Widera.

Reg Dir. Wi[dera]:

Zu dem Beweisantrag des Rechtsanwalts Oberwinder: Zunächst einmal ist[uu] es für mich kaum faßbar, daß ein Verteidiger hier Dinge vorträgt, von denen er doch ganz sicher wissen muß, daß nicht eine einzige dieser Beweisbehauptungen für die Entscheidung irgendeine Bedeutung haben kann. Die Beweisaufnahme ist hier vor diesem Gericht durchgeführt worden. Hier werden Beweise durch die Prozeßbeteiligten, insbesondere aber durch den Senat, zu würdigen sein. Das, was irgendwelche Zeitungen schreiben und was die würdigen, darauf kommt es in gar keiner Weise an.

Vors.:

Sonstige Anträge? Sehe ich nicht.

Dann möchte ich folgenden Hinweis geben:

Es sind also jetzt offen,

der Antrag von Herrn Rechtsanwalt Schily, den Zeugen Pohle in Griechenland zu vernehmen,

der Antrag von Herrn Rechtsanwalt Dr. Heldmann, Rücksicht auf die Verwaltungsklage, in Form von der Nichtabschließung der Beweisaufnahme zumindest, zu nehmen; die Verwaltungsklage soll die Aussagegenehmigung für den Zeugen Opitz erwirken.

Es ist weiter der Antrag gestellt, das Schreiben des Herrn Müller an den Zeugen Dollak bei dem Rechtsanwalt Reinhardt zu erheben - das ist beabsichtigt, natürlich -;

dann ist der Antrag, wir nennen ihn kurz „Stuberger“, noch gestellt worden.

Am Dienstag wird das Gericht zu diesen Anträgen sich äußern, Entscheidungen bekanntgeben.

Es könnte sein, das ist völlig offen - ich weise nur rein vorsorglich darauf hin -, daß die Entscheidungen so fallen, daß im Anschluß daran das gesamte Antragsprogramm als erledigt betrachtet werden könnte; demgemäß auch dann, wenn keine weiteren Anträge mehr gestellt würden, die Beweisaufnahme zu Ende wäre. Das würde dann bedeuten, daß am Dienstag damit gerechnet werden könnte, daß, wenn alle diese Voraussetzungen zutreffen, [11587] die Plädoyers beginnen.

Wäre die Bundesanwaltschaft dazu bereit?

Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. Wu[nder]:

Herr Vorsitzender, wir sind dazu bereit. Die bisherige Beweisaufnahme erstreckte sich ja auf diejenigen Straftaten, die von unserem Abtrennungsantrag[23] nicht umfaßt sind. Das sind die 6 Sprengstoffanschläge, die Straftaten im Zusammenhang mit den Festnahmen der Angeklagten in Frankfurt und Hamburg, und die kriminelle Vereinigung und ihre Fortführung unter dem Gesichtspunkt des [§ ]129[ StGB].[24] Wir haben die Plädoyers unter uns aufgeteilt. Ich kann nicht genau übersehen - um das vielleicht auch noch in die Antwort mitaufzunehmen - wie lang wir plädieren werden. Ich würde aber vorschlagen, daß 2 Tage dafür einmal in Aussicht genommen werden.

Vors.:

Wir würden die ganze nächste Woche zumindestmal, aus Sicherheitsgründen, dafür vorsehen müssen. Aber wie sagt, die Voraussetzungen müssen erfüllt sein.

Ich darf auch darauf hinweisen, daß es das Gericht nicht in der Hand hat, ob es tatsächlich zu den Plädoyers kommt. Das hängt davon ab, ob noch Anträge gestellt werden. Jedenfalls auch ... natürlich hängt’s davon ab, wie die Beschlüsse ausfallen werden, ob die Entscheidung nicht so fällt, daß tatsächlich noch weitere Zeit benötigt wird, um all diesen Anträgen gerecht zu werden. Das wird sich am Dienstag zeigen. Es muß mit allen Möglichkeiten gerechnet werden.

Damit sind wir am Ende ... Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Schi[ly]:

Ich will dazu nur eine Bemerkung machen: Es ist ja von Ihnen auch schon angeschnitten worden, ich werde es nicht hinterm Berge halten, daß natürlich von der Verteidigung erwogen wird, hinsichtlich dieser Namen, die in der Aussage von Herrn Müller vorkommen, möglicherweise Anträge zu stellen. Nur ist das ohne weitere Erkundigungen nicht möglich. Und ich bitte um Verständnis, daß ich da heute dazu keine Erklärung abgeben kann. Aber ich sage das heute vorsorglich, damit da nicht also womöglich irgendwelche Vorwürfe hier laut werden, warum das nicht am Donnerstag bereits erklärt worden ist. Also zur Zeit besteht keine Absicht, Anträge in dieser Richtung zu stellen. Aber ich kann[vv] also mich nicht dafür verbürgen, daß also Erkundigungen, die vielleicht noch einzuziehen sind, da zu [11588] anderen Ergebnissen führen. Das ist klar, daß in der Richtung vielleicht sich die Situation ändert.

Vors.:

Insgesamt geht es eben darauf hinaus, daß im Augenblick niemand bestimmtes sagen kann, wie sich das weiter entwickelt. Aber ich wollte vorsorglich auch meinerseits darauf hingewiesen[ww] haben: Wenn sich alle Anträge erledigen ließen bis zum kommenden Dienstag, müßte damit gerechnet werden, daß auch die Plädoyers beginnen.

RA Schi[ly]:

Ich würde gerne noch eine technische Frage klären: Ich bin es gewohnt, im Stehen zu plädieren.

Vors.:

Wird ermöglicht.

RA Schi[ly]:

Wird da ein entsprechendes Pult vorhanden sein?

Vors.:

Ja, wird stellen ein Tischpult zur Verfügung. Das Problem wird sein, daß wir dann die Mikrophone richtig anbringen können. Aber es ist im allgemeinen für die Redner leichter, im Stehen zu plädieren, und darauf nehmen wir Rücksicht.

Das ist ganz klar.

Fortsetzung am Dienstag um 9.00 Uhr; Schluß der heutigen Sitzung.

Ende der Hauptverhandlung um 16.15 Uhr.

- Ende von Band 678 -


[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - Az.: 1 StE 1/74 - StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[2] Die sog. materielle Rechtskraft, die den Inhalt eines Urteils betrifft, ist in zweifacher Hinsicht beschränkt: Zum einen bezieht sie sich nur auf die Personen, gegen die das Verfahren gerichtet war (Kudlich, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Auflage 2014, Einleitung Rn. 510). Zum anderen entsteht sie auch nur im Hinblick auf den Tenor, also die Entscheidungsformel, die im Falle einer Verurteilung den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch (sowie bestimmte Nebenentscheidungen) umfasst (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, Einl. Rn. 170). Gleichwohl ist es anderen (Straf-)Gerichten nicht verwehrt, die auch in den Entscheidungsgründen dokumentierten Ergebnisse der Beweiserhebung im Wege des Urkundenbeweises in die Hauptverhandlung einzuführen und sie zur Grundlage der eigenen Überzeugungsbildung (§ 261 StPO) zu machen; dies gilt sogar für nichtrechtskräftige (z.B. aufgehobene) Entscheidungen (BGH, Urt. v. 18.5.1954 - Az.: 5 StR 653/53, BGHSt 6, S. 141; Diemer, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur StPO, 8. Aufl. 2019 § 249 Rn. 17).

[3] Urkunden wurden zum damaligen Zeitpunkt ausschließlich durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt (§ 249 Satz 1 StPO a.F.). Heute ist zu diesem Grundsatz eine weitere Möglichkeit des Urkundenbeweises hinzugetreten: Anstelle der Verlesung kann die Urkunde in einigen Fällen mittels Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführt werden (§ 249 Abs. 2 StPO), was eine Ausnahme zum sonst im Strengbeweis geltenden Mündlichkeitsgrundsatz darstellt (Kudlich, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, Einl. Rn. 185, 189).

[4] Sachleitungsbezogene Anordnungen des/der Vorsitzenden können als unzulässig beanstandet werden (§ 238 Abs. 2 StPO). Über die Beanstandung entscheidet sodann das Gericht, in diesem Fall der Senat in voller Besetzung.

[5] Rolf Pohle war ein linker Aktivist aus München. 1969 wurde er aufgrund seiner Teilnahme an den Osterunruhen nach dem Mordanschlag auf Rudi Dutschke zu 15 Monaten Haft (ohne Bewährung) verurteilt, jedoch im Rahmen der „Brandt-Amnestie“ wieder freigelassen. Nachdem ihm aufgrund seiner Vorstrafe jedoch die Zweite Juristische Staatsprüfung verwehrt blieb, bewegte er sich ab 1970/71 im Umfeld der militanten Münchner Formation „Tupamaros München“. Am 18. Dezember 1971 wurde er verhaftet, als er versuchte, mit einem gefälschten Ausweis Waffen zu erwerben und im März 1974 wegen illegalen Waffenbesitzes und aufgrund seiner angeblichen Zugehörigkeit zur RAF wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu einer Haftstrafe in Höhe von fast sechseinhalb Jahren verurteilt. Er gehörte zu denjenigen Insass/innen, die 1975 durch die Lorenz-Entführung in den Südjemen ausgeflogen wurden. Er verließ den Jemen aber und ging nach Griechenland, wo er 1976 verhaftet wurde. Zunächst lehnten griechische Behörden und Gerichte eine Überstellung in die Bundesrepublik ab. Pohles Auslieferung wurde zum Skandal, als sich viele Unterstützer/innen in Griechenland mit Parolen wie „Übergebt Pohle nicht den Nazis!“ mobilisierten und der Fall vor dem obersten Gericht für Zivil- und Strafsachen (Areopag) verhandelt wurde. Letztlich wurde Pohle im Oktober 1976 ausgeliefert und in die JVA Straubing verlegt. Pohle bestritt bis zu seinem Tod seine Mitgliedschaft in der RAF und wird von der aktuellen Forschung eher der im Entstehen befindlichen Bewegung 2. Juni zugerechnet (Danyluk, Blues der Städte, 2019, S. 513 f.; Hocks, in Kiesow/Simon [Hrsg.], Vorzimmer des Rechts, 2006, S. 129 ff.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 761 Anm. 56; Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa, 2014, S. 388 f.).

[6] Das Europäische Übereinkommen vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen (BGBl. 1964 II, S. 1369 ff.) trat für die Bundesrepublik erst am 1. Januar 1977 in Kraft (BGBl. II, S. 1799). Bis zu diesem Zeitpunkt wurde der Rechtshilfeverkehr über zwischenstaatliche Vereinbarungen geregelt. Zwischen der Bundesrepublik und Griechenland existierte ein Auslieferungsvertrag aus dem Jahre 1907 (abgeschlossen durch das Deutsche Reich, RGBl. 1907, S. 545), in dessen Art. 15 vorgesehen war: „Wenn im Verlauf eines nicht politischen Strafverfahrens die Vernehmung von Personen, die sich in einem der beiden Länder aufhalten, oder irgend eine andere Untersuchungshandlung für notwendig erachtet werden sollte, so soll zu diesem Zwecke ein Ersuchungsschreiben nebst beglaubigter Übersetzung in der Sprache des ersuchten Landes auf diplomatischem Wege übersandt und ihm nach Maßgabe der Gesetzgebung des Landes, wo der Zeuge vernommen oder die Untersuchungshandlung vorgenommen werden soll, Folge gegeben werden“ (RGBl. 1907, S. 554). Dieser Vertrag trat erst mit Inkrafttreten des Europäischen Rechtshilfeübereinkommens außer Kraft (BGBl. II, S. 1796).

[7] § 223 StPO ermöglicht die Vernehmung durch eine/n ersuchte/n oder beauftragte/n Richter/in, wenn dem Erscheinen von Zeug/innen in der Hauptverhandlung nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen, oder ihnen das Erscheinen wegen großer Entfernungen nicht zugemutet werden kann. Die Vernehmung kann auch im Ausland stattfinden. Während der/die „beauftragte“ Richter/in dem mit der Sache befassten Spruchkörper angehört und von diesem mit einer bestimmten Prozesshandlung betraut wird, gehört der/die „ersuchte“ Richter/in dem an sich zuständigen Spruchkörper gerade nicht an, sondern wird für diesen im Wege der Rechtshilfe tätig (vgl. §§ 361 Abs. 1, 362 Abs. 1 ZPO). Letzteres kann insbesondere erforderlich werden, wenn sich Zeug/innen im Ausland aufhalten und der Aufenthaltsstaat einer Vernehmung durch beauftragte Richter/innen nicht zustimmt; in diesem Fall kann die Vernehmung aber noch durch Richter/innen des Aufenthaltsstaates im Wege der Rechtshilfe erfolgen (Arnoldi, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl. 2016, § 223 Rn. 17 ff.).

[8] Die konsularische Vernehmung ist in § 15 Konsulargesetz (KonsG) geregelt. Die Vernehmungen und Vereidigungen und die über sie aufgenommenen Niederschriften stehen dabei gem. § 15 Abs. 4 KonsG Vernehmungen und Vereidigungen sowie den darüber aufgenommenen Niederschriften inländischer Gerichte und Behörden gleich.

[9] Rolf Pohle befand sich zu diesem Zeitpunkt in Griechenland in Auslieferungshaft (s. die Ausführungen des Vorsitzenden Dr. Prinzing am 145. Verhandlungstag, S. 11590 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[10] § 57 StPO a.F. schrieb für die Belehrung von Zeug/innen vor: „Vor der Vernehmung sind Zeugen zur Wahrheit zu Ermahnen und darauf hinzuweisen, daß sie ihre Aussage zu beeidigen haben, wenn keine im Gesetz bestimmte oder zugelassene Ausnahme vorliegt. Hierbei sind sie über die Bedeutung des Eides, die Möglichkeit der Wahl zwischen dem Eid mit religiöser oder ohne religiöse Beteuerung sowie über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren.“ Nach § 55 Abs. 1 StPO steht Zeug/innen ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, wenn sie sich selbst oder ihre Angehörigen (§ 52 Abs. 1 StPO) durch die Beantwortung einer Frage der Gefahr aussetzen würden, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt werden.

[11] Zu den Besonderheiten dieses Verfahrens gehörte es, dass sich die Prozessbeteiligten darauf einigten, ein gerichtliches Wortprotokoll als Arbeitsgrundlage anzufertigen (s. dazu S. 4 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Nach der damaligen Rechtsprechung bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung stets der Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 - Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 - Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 339). Heute wird die gerichtliche Tonbandaufnahme z.T. auch ohne Zustimmung der Beteiligten für zulässig erachtet (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 35; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 13).

[12] Das LG Hamburg verurteilte ihn mit Urteil vom 16.3.1976 u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Beihilfe zum Mord, Beteiligung an Bombenanschlägen und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zehn Jahren (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 113 ff.; Riederer, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 29).

[13] Die Schaffung einer speziellen gesetzlichen Kronzeugenregelung wurde zum damaligen Zeitpunkt zwar diskutiert, erfolgte aber zunächst nicht. Während bereits mit Gesetz vom 28.7.1981 (BGBl. I, S. 681) eine Kronzeugenregelung für Betäubungsmitteldelikte geschaffen wurde (§ 31 BtMG), geschah dies erst 1989 auch für terroristische Straftaten (BGBl. I, S. 1059, S. 1061). Diese Regelung trat jedoch zum 1.12.1999 wieder außer Kraft. Erst seit dem 1.9.2009 gibt es im deutschen Strafrecht mit § 46b StGB eine allgemeine Kronzeugenregelung (eingeführt durch das 43. Strafrechtsänderungsgesetz vom 29.7.2009, BGBl. I, S. 2288).

[14] Während sich die Strafmilderung bereits unmittelbar in der durch das Gericht ausgeurteilten Strafe niederschlägt, die sich weiterhin an der verwirklichten Schuld orientiert, ist eine Begnadigung eine Einzelfallentscheidung der Exekutive, mit der Rechtsnachteile (wie eine Strafe) aufgehoben oder abgemildert werden können (s. zur Begnadigung Nestler, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/1, 1. Aufl. 2019, § 449 Rn. 58 f.). Gesetzliche Strafmilderungsgründe, die für alle Straftaten gleichermaßen gelten, sind etwa die Beihilfe (§§ 49 Abs. 2 StGB a.F.; heute: §§ 27 Abs. 2 Satz 2, 49 Abs. 1 StGB), oder die Nichtvollendung der Tat (§ 44 StGB a.F.; heute: §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB); zudem enthalten manche Strafvorschriften eigene Möglichkeiten, die Strafe zu mildern, so auch § 129 StGB (Bildung krimineller Vereinigungen) für den Fall der tätigen Reue (§ 129 Abs. 6 StGB a.F.; heute: Abs. 7).

[15] Ein gerichtliches Urteil erwächst in (formeller) Rechtskraft, wenn kein Rechtsmittel mehr dagegen erhoben werden kann, es also im selben Verfahren unanfechtbar geworden ist. Dies ist der Fall, wenn die Frist zur Einlegung eines Rechtsmittels abgelaufen ist, oder wenn alle Rechtsmittel ausgeschöpft sind und eine letztinstanzliche Entscheidung ergangen ist. Mit der Rechtskraft entfaltet die Entscheidung auch ihre dauerhafte Wirkung, die nur in Ausnahmefällen wieder durchbrochen werden kann (Nestler, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3.1, 1. Aufl. 2019, § 449 Rn. 27). Müller selbst legte gegen das Urteil des LG Hamburg vom 16.3.1976 zunächst das Rechtsmittel der Revision ein. Trotz dadurch eingetretener Hemmung der Rechtskraft (§ 343 Abs. 1 StPO) hatte Müller eine Verschlechterung seiner Situation (etwa durch Erhöhung des Strafmaßes) zu diesem Zeitpunkt kaum noch zu befürchten. Die Frist zur Einlegung einer Revision (eine Woche ab Verkündung des Urteils, § 341 Abs. 1 StPO) für die Staatsanwaltschaft war abgelaufen; § 358 Abs. 2 StPO enthält ein Verbot der Schlechterstellung im Rahmen der Revision u.a. für den Fall, dass nur der/die Angeklagte Revision eingelegt hat. Weitere Rechtsmittel stehen gegen ein Urteil des Landgerichts nicht zur Verfügung; ein erneutes Verfahren wegen der abgeurteilten Taten ist nach Art. 103 Abs. 3 GG grundsätzlich ausgeschlossen. Die Möglichkeit der Wiederaufnahme eines Verfahrens zuungunsten des/der Verurteilten besteht nur in eng begrenzten Ausnahmesituationen (§ 362 StPO).

[16] Werden Fragen der Verteidigung oder der Bundesanwaltschaft als unzulässig beanstandet, kann der/die Vorsitzende sie entweder selbst zurückweisen (§ 241 Abs. 2 StPO), oder die Entscheidung des Gerichts einholen (§ 242 StPO).

[17] Die Anklage gegen Gerhard Müller beinhaltete auch den Vorwurf, den Polizeibeamten Norbert Schmid ermordet zu haben - eine Verurteilung wegen Mordes hätte zwangsläufig eine lebenslange Freiheitsstrafe zur Folge gehabt (§ 211 Abs. 1 StGB). Schmid wurde bei einem Festnahmeversuch des RAF-Mitglieds Margrit Schiller erschossen. Er war das erste Todesopfer der RAF. Der genaue Tatvorgang, insbesondere die Täterschaft, konnte bis heute nicht aufgeklärt werden. Schiller selbst belastete Gerhard Müller schwer, der mit Urteil vom 16.3.1976 vom LG Hamburg zwar für andere Taten, darunter Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und Beihilfe zum Mord, nicht aber für den Mord an Schmid verurteilt wurde (Fn. 12). Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass der Freispruch Müllers in Bezug auf den Mord an Norbert Schmid Teil einer unzulässigen Absprache mit den Strafverfolgungsbehörden gewesen sei (s. dazu etwa die Beweisanträge in den Anlagen 8 und 12 zum Protokoll vom 20.7.1976, S. 10649 f., 10659 des Protokolls der Hauptverhandlung, 128. Verhandlungstag).

[18] Vor dem Landgericht Hamburg fand das Verfahren gegen die sog. Gruppe 4.2. statt, die nach ihrem Festnahmedatum am 4. Februar 1974 benannt wurde. Nach den Verhaftungen der RAF-Führungsriege 1972 hatte eine Gruppe um Margrit Schiller ab Mitte 1973 damit begonnen, sich zu reorganisieren. Ihre Pläne zur gewaltsamen Befreiung der inhaftierten Mitglieder wurden jedoch durch ihre Festnahmen verhindert. In Anlehnung an das Verhaftungsdatum wurde die Gruppierung als Gruppe 4.2. bezeichnet. Zu den Festgenommenen gehörten neben Margrit Schiller auch Kay-Werner Allnach und Wolfgang Beer, darüber hinaus Eberhard Becker, Christa Eckes, Helmut Pohl und Ilse Stachowiak in Hamburg, sowie kurz darauf Ekkehard Blenck (zusammen mit Axel Achterrath) in Amsterdam. Mit Urteil vom 28.9.1976 wurden sie zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 55, 78 ff., 116 ff., 121 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 357 ff.; Straßner, in Ders. [Hrsg.] Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 209, 219).

[19] Die Psychologiestudentin Margrit Schiller war ein ehemaliges Mitglied des Sozialistischen Patientenkollektivs (SPK). Sie schloss sich im Laufe des Jahres 1971 der RAF an. Bereits am 22.10.1971 wurde sie zum ersten Mal festgenommen und am 5.2.1973 vom Landgericht Hamburg wegen Unterstützen einer kriminellen Vereinigung, Urkundenfälschung und unerlaubtem Waffenbesitz zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen Auflagen wurde sie allerdings aus der Haft entlassen. Daraufhin schloss sie sich erneut der RAF an. Zusammen mit anderen RAF-Mitgliedern wurde sie am 4. Februar 1974 verhaftet. Schiller wurde mit Urteil vom 28.9.1976 vom Landgericht Hamburg zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von vier Jahren und acht Monaten verurteilt (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 78 ff., 116 ff.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 357 ff.; Straßner, in Ders. [Hrsg.], Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 209, 219).

[20] S. Fn. 17.

[21] Am Morgen des 9. Mai 1976 wurde Ulrike Meinhof tot in ihrer Zelle aufgefunden. Die Umstände ihres Todes - offiziell Suizid durch Erhängen - wurden, nicht zuletzt durch die Vertrauensverteidigung, erheblich angezweifelt. Meinhofs Tod wurde zu einem medial breit diskutierten Ereignis (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 394 ff.; Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 268 ff.; März, Linker Protest nach dem Deutschen Herbst, 2012, S. 159 ff.; Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa, 2014, S. 398 ff.). Der Angeklagte Raspe erklärte am 109. Verhandlungstag: „Wir glauben, daß Ulrike hingerichtet worden ist; wir wissen nicht, wie, aber wir wissen, von wem“ (S. 9609 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[22] Nach der öffentlichen Bekanntgabe, Ulrike Meinhof habe Selbstmord begangen, entstanden in mehreren deutschen Städten Proteste. In anderen europäischen Ländern wurden deutsche Einrichtungen angegriffen. Die übrigen RAF-Insass/innen sowie weitere Sympathisant/innen und Unterstützer/innen gingen von einem Mord aus. Meinhofs Tod wurde damit zu einem auch medial breit diskutierten Ereignis. Auf Druck u.a. von Meinhofs Angehörigen wurde schließlich eine Nachobduktion durchgeführt, die jedoch zu keinem eindeutigen Ergebnis führte. Außerdem nahm sich eine internationale Untersuchungskommission des Falls an. Sie bestand überwiegend aus Jurist/innen, Ärzt/innen und Journalist/innen aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Dänemark; unter den Mitgliedern befanden sich auch bekannte Persönlichkeiten wie etwa Simone de Beauvoir. In ihrem Bericht aus dem Jahr 1978 kam die Kommission zu dem Schluss, dass ein Selbstmord Meinhofs nicht erwiesen sei. Gegenteilige Beweise erbrachte die Kommission allerdings ebenfalls nicht. Die genauen Umstände von Meinhofs Tod blieben weiterhin umstritten (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 394 ff.; Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 268 ff.; März, Linker Protest nach dem Deutschen Herbst, 2012, S. 159 ff.; Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa, 2014, S. 398 ff.; zum Bericht der Kommission s. Internationale Untersuchungskommission zum Tode Ulrike Meinhofs, Der Tod Ulrike Meinhofs: Bericht der Internationalen Untersuchungskommission, 1979).

[23] Ebenfalls angeklagt waren ursprünglich verschiedene Raub- und Diebstahlsdelikte. Die Bundesanwaltschaft hatte bereits am 113. Verhandlungstag beantragt, die Strafverfolgung auf die Straftaten im Zusammenhang mit den Sprengstoffanschlägen, den Festnahmen der Angeklagten sowie der Bildung einer kriminellen Vereinigung zu beschränken (S. 9859 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung; s. auch den Hinweis des Vorsitzenden Dr. Prinzing am selben Tag auf S. 9867 f. des Protokolls der Hauptverhandlung). Nach § 154 Abs. 1 StPO kann die Staatsanwaltschaft von der Erhebung der öffentlichen Klage von der Strafverfolgung absehen, wenn die zu erwartende Strafe neben einer anderen Strafe, die bereits rechtskräftig gegen den/die Beschuldigten wegen einer anderen Tat verhängt wurde, oder zu erwarten ist, nicht ins Gewicht fällt. Nach Erhebung der öffentlichen Klage kann das Gericht das Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft (vorläufig) einstellen (Abs. 2). § 154a StPO ergänzt diese Vorschrift, die nur für „andere Taten“ gilt, auch für einzeln abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Straftat begangen worden sind. Fallen diese für die zu erwartende Strafe nicht ins Gewicht, so kann die Staatsanwaltschaft die Strafverfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränken (Abs. 1); nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht die Strafverfolgung in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft beschränken (Abs. 2).

[24] § 129 StGB enthält den Straftatbestand der Bildung krimineller Vereinigungen, der allen Angeklagten in unterschiedlicher Ausgestaltung vorgeworfen wurde (den Angeklagten Baader und Ensslin sowie der früheren Angeklagten Meinhof die Gründung und Beteiligung als Rädelsführer, dem Angeklagten Raspe und dem früheren Mitbeschuldigten Holger Meins die Beteiligung an der kriminellen Vereinigung als Mitglieder). Zum Vorwurf der Fortführung der kriminellen Vereinigung aus der Haft heraus s. S. 338 ff. der Anklage (Teil D, Abschnitt V).


[a] Maschinell eingefügt: mit Ausnahme von OStA Zeis -

[b] Handschriftlich eingefügt: ihm

[c] Handschriftlich durchgestrichen: Das

[d] Handschriftlich eingefügt: - - -

[e] Handschriftlich eingefügt: - - -

[f] Maschinell eingefügt: mehr

[g] Maschinell eingefügt: mit ihm

[h] Maschinell eingefügt: mal

[i] Handschriftlich ersetzt: mich durch mir

[j] Maschinell eingefügt: dann

[k] Handschriftlich ersetzt: mal durch man

[l] Handschriftlich eingefügt: drüber

[m] Handschriftlich ersetzt: mir durch hier

[n] Handschriftlich ersetzt: ihn dem durch ihm den

[o] Maschinell eingefügt: oder

[p] Handschriftlich eingefügt: also

[q] Maschinell eingefügt: runde

[r] Handschriftlich eingefügt: er

[s] Handschriftlich ersetzt: aber durch ob

[t] Maschinell eingefügt: Müller

[u] Maschinell ersetzt: war ich schon mal durch Freistunde

[v] Maschinell eingefügt: Herrn

[w] Maschinell eingefügt: Herr

[x] Handschriftlich durchgestrichen: er

[y] Maschinell eingefügt: dem Herrn

[z] Handschriftlich durchgestrichen: Miloje

[aa] Maschinell ersetzt: um durch oder

[bb] Maschinell ersetzt: ... durch Das ist

[cc] Maschinell ersetzt: nicht durch nämlich

[dd] Maschinell eingefügt: seien

[ee] Maschinell eingefügt: dazu

[ff] Handschriftlich durchgestrichen: dazu

[gg] Handschriftlich ersetzt: was durch wie

[hh] Handschriftlich eingefügt: er

[ii] Handschriftlich durchgestrichen: weitere

[jj] Maschinell eingefügt: er

[kk] Maschinell durchgestrichen: er

[ll] Maschinell eingefügt: dieser Sache

[mm] Maschinell eingefügt: ihn geschrieben wurde und was über

[nn] Maschinell ersetzt: zurück durch Zeugen

[oo] Maschinell eingefügt: Kalfaktoren

[pp] Maschinell eingefügt: ist

[qq] Maschinell ersetzt: Hinblick durch Brief

[rr] Maschinell eingefügt: glaube ich

[ss] Handschriftlich ersetzt: an durch in

[tt] Handschriftlich ergänzt: ebenfalls

[uu] Handschriftlich eingefügt: ist

[vv] Maschinell eingefügt: kann

[ww] Maschinell ergänzt: hingewiesen