59. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, 18. Dezember 1975, 9.04 Uhr



[5365] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, 18. Dezember 1975, 9.04 Uhr

(59. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamten sind anwesend:

JOS Janetzko

JAss. Clemens

Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]

Als Verteidiger sind anwesend: Prof. Dr. Azzola, RAe. Dr. Heldmann, Becker (als amtl. best. Vertr. für RA Schily) Schlaegel, König, Grigat, Dr. Augst (als amtl. best. Vertr. für RA Eggler), Künzel, Schnabel und Schwarz.

Als Zeugen sind anwesend:

KHM Robert Severin

KHK Heinz-Peter Kemp

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort. Herr Rechtsanwalt Linke hat sich für die ersten 1 ½ Stunden heute entschuldigt. Eine Begründung liegt schriftlich vor.

- siehe Anlage 1 des Protokolls -

Herr Rechtsanwalt Dr. Augst als amtlich bestellter Vertreter des erkrankten Herrn Rechtsanwalts Eggler.

Herr Rechtsanwalt Becker, welche Gründe gelten heute für Ihre Vertretung?

RA Be[cker]:

Da Herr Rechtsanwalt Schily durch ein anderes Mandat verhindert ist, zu erscheinen.

Vors.:

Ja aber, Herr Rechtsanwalt, wir nehmen an, daß die anderen Herren Rechtsanwälte, die hier versammelt sind, gleichfalls andere Mandate haben. Soll das bedeuten, daß Termine ihn hindern, hierherzukommen oder was ist darunter zu verstehen?

RA Be[cker]:

Herr Vorsitzender, ich bin als amtlich bestellter Vertreter[2] durchaus befugt, hier Herrn Schily zu vertreten und die Versicherung, daß er durch andere Mandate verhindert ist, muß Ihnen auch ausreichen.

[5366][3] [5367] Vors.:

Herr Rechtsanwalt, was ausreichen muß oder nicht, muß das Gericht beurteilen, in dem Fall der Vorsitzende. Ich kann Ihnen dazu nur sagen, eine Substitution durch einen amtlich bestellten Vertreter im Rahmen der Pflichtverteidigung[4] gibt es weder im Gesetz, noch werden wir hier das billigen,[5] und deswegen genügt mir das eben nicht. Ich kann, nachdem Sie schon gestern angekündigt haben, daß Sie wohl heute nochmals vertreten müssen, wohl das nicht anders tun, als sagen, ich genehmige es für heute. Aber ich weise ausdrücklich darauf hin, ich möchte in Zukunft, wenn es sich nicht um einzelne Verhinderungsfälle handelt, sondern um eine Serie von Tagen, wie das jetzt, heute ist wohl der 4. Tag, der Fall ist, eine voraus mitgeteilte Begründung, um was es sich handelt. Ich muß beurteilen können, ob Hinderungsgründe für den betreffenden Herrn Pflichtverteidiger vorliegen, das gilt in jedem Falle, also auch für Herrn Rechtsanwalt Schily.

RA Be[cker]:

Herr Vorsitzender, wenn Herr Schily Ihnen durch mich versichert, daß er verhindert ist ...

Vors.:

Das ist doch keine Begründung ...

RA Be[cker]:

... dann braucht er Ihnen das nicht im einzelnen darzulegen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich räume Ihnen das gerne ein für den Fall eines Tages etwa, einer Verhinderung oder einer, eines zwischenzeitlichen Eintretens. Wenn Sie aber eine ganze Serie von Tagen die Vertretung übernehmen, nämlich den 4. Tag, dann wird die Pflichtverteidigung durch den beigeordneten Rechtsanwalt in Frage gestellt, und da wünsche ich und verlange ich auch eine eingehendere Begründung als bloß Ihre Versicherung, daß er verhindert sei. Ich bitte das also zur Kenntnis zu nehmen. Wir brauchen damit jetzt nicht weitere Zeit zu verlieren.

RA Be[cker]:

Ich möchte dann nur aber von Ihnen auch gerne eine Begründung dafür haben, daß die Pflichtverteidigung in Frage gestellt ist. Das scheint mir rechtlich nicht haltbar zu sein.

Vors.:

Es ist beigeordnet Herr Rechtsanwalt Schily als Verteidiger. Und ich habe gestern schon unser Erstaunen darüber zum Ausdruck gebracht, daß Herr Rechtsanwalt Schily ausgerechnet an den Tagen fehlt, an denen es sich um seine Mandantin handelt ...

RA Be[cker]:

Würden Sie das für den heutigen Tag auch sagen?

Vors.:

... an den Tagen, wo es sich um Herrn Raspe und Herrn Baader [5368] gedreht hat, im Zusammenhang mit der Festnahmeaktion war Herr Rechtsanwalt Schily hier anwesend und durchaus auch aktiv. Und deswegen frage ich mich, warum ausgerechnet ein Pflichtverteidiger, der in der Zeit ausbleibt, in der seine Mandantin hier nun Gegenstand des Interesses ist ...

RA Be[cker]:

Würden Sie das für den heutigen Tag denn auch nochmal anstellen?

Vors.:

Bitte?

RA Be[cker]:

Ist dieses Argument von Ihnen jetzt für heute auch angeführt?

Vors.:

Heute geht es um Frau Meinhof, das erleichtert mir den Entschluß, Ihnen am 4. Tag zu sagen, daß ich Ihre Vertretung genehmige, denn im Grunde genommen handelt es sich auch beim amtlich bestellten Vertreter jeweils um eine für den Tag ausgesprochene Bestellung als Pflichtverteidiger, und das geschieht ja hiermit.

Ich bin etwas überrascht, daß wir von an sich fünf vorgesehenen Zeugen nur zwei im Augenblick hier sehen. Es könnte sein, daß ein Zeuge erst auf Nachmittag geladen ist. Wir wollen mal feststellen, wer hier anwesend ist. Herr Severin und Herr Osterburg ... das ist ein Versehen. Herr Kemp ist dann anwesend. Ich bitte also um Entschuldigung, denn ich nehme an, daß diese Vernehmung nicht den ganzen Vormittag ausfüllen wird, der beiden Herren. Wir hatten ursprünglich fünf Zeugen vorgesehen, das ist ausdrücklich angewiesen worden, bei fünf Zeugen aufzuteilen. Die ersten drei auf vormittags und die restlichen auf nachmittags. Und nun sind zwei Zeugen, was wir vorher nicht wußten, erkrankt. Es handelt sich um die Herren Hücker und S[...]. Es liegen schriftliche Entschuldigungen vor, jeweils mit ärztliche ... jedenfalls ärztliches Attest sehe ich hier von Herrn S[...], von einem Herrn Dr. Winkler, unter dem 9.12.: „Herr Erwin S[...] ist für etwa 2 Wochen hauskrank. Diagnose: Innenmeniskuseinklemmung, rechtes Knie“.

- siehe Anlage 2 und 2 a des Protokolls -

Und Herr Kriminaloberkommissar oder -hauptkommissar Hücker hat mitteilen lassen, daß er krank ist. Das ärztliche Attest kommt noch. Ist heute früh erst telefonisch eingegangen.

[5369] Die Zeugen werden gem. § 57 StPO[6] belehrt.

Die Zeugen sind mit der Aufnahme ihrer Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.

Der Zeuge Kemp wurde um 9.11 Uhr in Abstand verwiesen.

Vors.:

Herr Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich bitte Herrn Baader durch mich das Wort zu geben für einen Ablehnungsantrag.

Vors.:

Gegen das Gericht?

RA Dr. He[ldmann]:

Gegen die Herren des Senats.

Der Zeuge Severin wurde um 9.12 Uhr in Abstand verwiesen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, bitte.

RA Dr. He[ldmann]:

Der Inhalt des am 16.12. verlesenen Beschlusses[7] des Senats, nämlich: die Anträge der Angeklagten Baader, Ensslin, Haftbefehle außer Vollzug zu setzen,[8] werden abgelehnt, gibt dem Angeklagten Baader Grund, den folgenden Ablehnungsantrag[9] gegen den

Herrn Vorsitzenden Richter Dr. Prinzing und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Breucker, Dr. Foth, Dr. Berroth und Maier

vorzutragen.

Dieser ... zunächst Frage der Unverzüglichkeit[10]: Herr Baader hat diesen Beschluß gestern in seinem Wortlaut erhalten, und damit von ihm erfahren. Dieser Beschluß, diesen Beschluß hat er mir in die Hand gegeben, als ich gestern nach Ende der gestrigen Sitzung bei dem Mandanten in der Vollzugsanstalt war. Die Unverzüglichkeit also, diesen Antrag heute früh zu stellen, ist nicht zweifelhaft. Glaubhaftmachung[11], daß ich selbst diesen Antrag von Herrn Baader mit seiner Stellungnahme hierauf gestern nach Schluß der Sitzung bekommen habe, gebe ich durch Angebot meiner anwaltlichen Versicherung hierauf. b.) Auch mit diesem, ich möchte sagen, zum stereotypen Lieblingsargument des Senats gewordenen Abweisungsformel, ein solcher Antrag zielte ausschließlich und auf nichts anderes auf Prozeßverschleppung, möchte ich von Anfang an begegnen, damit möglicherweise der Senat sicher auch Drohungen dieser Qualität, wie wir sie aus den letzten Beschlüssen auf Ablehnungsanträgen erfahren haben, [5370][12] [5371][13] [5372] ersparen könnte. Ich denke vielmehr, daß man sich wundern muß, wie dieser Senat ja anscheinend keine Gelegenheit ausläßt, um Ablehnungsgründe den Angeklagten geradezu aufzudrängen. Die in der öffentlichen Hauptverhandlung vom 16.12. verlesenen Beschlußgründe, nämlich des Beschlusses vom 12.12., beurkunden die Befangenheit dieser Richter gegenüber den Angeklagten a) durch den Ausdruck ihrer Vorverurteilung, b) und das fällt hier, so meine ich, in Übereinstimmung mit dem Antragsteller noch schwerer ins Gewicht, b) durch, ich möchte es nennen, geradezu eine Anstiftung der öffentlichen Meinung zu öffentlicher Vorverurteilung und c) und das bildet einen Kernpunkt für die Begründung dieses Ablehnungantrags, daß die Beschlußgründe geradezu eine Aburteilung eigener Qualität enthalten. Für den Ablehnungstatbestand b, nämlich die Anstiftung öffentlicher Meinung zu öffentlicher Vorverurteilung, verweise ich ich auf den in der gestrigen Ausgabe der Frankfurter Rundschau erschienenen Bericht, den ich zur Glaubhaftmachung dieses Ablehnungstatbestand, dem Gericht vorlege, wobei ich annehme, daß das Gericht ihn selbst bereits zur Kenntnis genommen hat. Nocheinmal möchte ich darauf hinweisen, daß die Beschlußformel, nicht ihre Entscheidung in ihrem Ergebnis geben Grund für die Besorgnis der Befangenheit, wo sie nicht, wie ich es vorhin ausgedrückt habe, Befangenheit beurkunden, sondern es sind die Beschlußgründe. Und dazu im einzelnen: In diesem Beschluß wird gesagt, keine Rede könne davon sein, daß die Angeklagten bereits im Stadium der Haftunfähigkeit, oder der absoluten Haftunfähigkeit, muß es[a] zutreffend wohl heißen, angelangt seien. Denn, so begründet der Senat, keiner der vom Gericht zugezogenen[b] medizinischen Sachverständigen hat die Haftfähigkeit der Angeklagten in Frage gestellt. Das ist nicht behauptet worden. Es ist also so eine Argumentation an der Thematik des Haftverschonungsantrags insoweit genau vorbei, ist geeignet, wo nicht bestimmt, öffentliche Meinung irre zu führen. Die Gutachten haben über die Frage der Haftfähigkeit direkt nichts ausgesagt, deswegen, weil sie danach, die Gutachter, nicht gefragt worden sind. Aber [5373] ich habe - und insoweit möchte ich mich jeglicher Wiederholung enthalten. Ich habe in den für den Angeklagten Baader vorgetragenen Haftverschonungsbeschluß am ... Haftverschonungsantrag am 11.11. dargelegt, und im einzelnen durch eine Vielzahl von Belegstellen aus den ärztlichen Gutachen und Stellungnahmen, die sich an jene Gutachten, die von Ihnen angefordert waren, angeschlossen[c] haben[d], belegt, daß die Fortdauer dieser Haftbedingungen, die Sie in Ihrer Verfügung, Sie, der Herr Vorsitzende Richter, in seiner Verfügung vom 28.11. definitiv und[e] zum zweiten Mal als die endgültigen Haftbedingungen bezeichnet[f] hat[g], daß die Fortdauer dieser Haftbedingungen[h] in Ansehung der ärztlichen Gutachten nicht nur die Wiederherstellung der Verhandlungsfähigkeit,[14] die Wiederherstellung der Voraussetzungen für Subjektfähigkeit der Angeklagten in diesem Verfahren, verhindern werden, verhindern müssen, sondern daß sie darüberhinaus jene von Ihnen als[i] endgültig bezeichneten Haftbedingungen, daß sie diese darüberhinaus zu[j] einer[k] Zerstörung der Angeklagten im, so nannte ich es nach meiner Erinnerung damals, in ihrem Restbestand an[l] Vitalsubstanz zwingend herbeiführen müssen und daß diese ärztlichen Stellungnahmen, und ich habe mich dabei insbesondere auf die letzten, so ganz besonders auf die des Herrn Rasch vom 7.11., bezogen, daß die gar keine andere Prognose erlauben, als jene, die ich in meinem Antrag gegeben habe, nämlich, Zerstörung des Restbestandes an Vitalsubstanz bei den hier angeklagten Gefangenen. Daß diese als abschließend bezeichneten Haftbedingungen das herbeiführen müssen, wird sich auch, oder hat sich bereits aus einer Stellungnahme des Anstaltsarztes Dr. Henck[15] ergeben, die wir zwar, wir haben sie durchgesehen in den Medizinerakten, den beiden Bänden, die der Senat in seiner Geschäftsstelle zur Verfügung hängt, die wir zwar dort nicht in schriftlicher Form haben vorfinden können. Wir beziehen uns also zur Glaubhaftmachung, daß Vollzugsarzt Dr. Henck dem Senat als Voraussetzung für Therapierung der Angeklagten einen weitergehenden Umschluß, nämlich einen Vierer-Umschluß für vier Stunden am Tag, anempfohlen hat. Eingeschlossen auch, im Gegensatz zu der sogenannten abschließenden Regelung, eingeschlossen auch die Wochenenden und daß er, der Vollzugsarzt Dr. Henck, auf den [5374] uns der Senat immer wieder einmal verwiesen hat, im Laufe dieses ganzen Verfahrens, gerade das als[m] Voraussetzung für Therapierung ansieht, beziehe ich mich zur Glaubhaftmachung auf eine dienstliche Äußerung des Vollzugsarztes Regierungsmedizinaldirektor Dr. Henck, gleich nebenan.

Vors.:

Herr Dr. Heldmann, darf ich Sie bitten, vielleicht auch in diesem Zusammenhang gleich auf die Glaubhaftmachung Rücksicht zu nehmen, daß dem Senat eine solche Stellungnahme des Arztes bekannt geworden ist.

RA Dr. He[ldmann]:

Dafür beziehe ich mich auf die dienstliche Äußerung des Vollzugsarztes Dr. Henck ebenfalls. Ferner, daß nicht, wie vorgegeben wird, Personalschwierigkeiten in der Vollzugsanstalt, die es dem[n] erweiterten Zusammenschluß, nämlich dem Vierer-Zusammenschluß für vier Stunden pro Tag, einschließlich der Wochenendtage, entgegenstehen, dafür beziehe ich mich auf dienstliche Äußerung des Leiters der Vollzugsanstalt, so daß auch dieses Argument entfällt, wo es überhaupt eine Relevanz hätte, in der Abwägung, die vorzunehmen war zwischen Wiederherstellung der Verhandlungsfähigkeit und Abwehr ... und Abwehr einer Zerstörung der Gefangenen mit vorgeblichen Personalschwierigkeiten in der Anstalt. Sie haben ferner in den[o] Beschlußgründen des vorgestern verlesenen Beschlusses von 12.12. ausgeführt, daß die - zugegebenermaßen - ganz außergewöhnlichen Haftbedingungen dieser Angeklagten kompensiert würden. Sie nennen es Rechnung getragen, daß den Angeklagten andererseits Vergünstigungen, die anderen Häftlingen nicht offenstehen, gewährt würden. Und dafür nennen Sie in erster Linie den erweiterten Hofgang in der Vierer-Gruppe. Und daß das jedoch ein platonisches Angebot, jedenfalls in den zurückliegenden Wochen angesichts a) des Gesundheitszustandes und b) der Witterungsbedingungen auf dem Hofplatz im, auf dem Dach des 8. Stockes ist, habe ich dargelegt und insoweit beziehe ich mich auf die Antragsbegründung für das Begehren der Haftverschonung ...

- Vors. spricht mit einem Gerichtswachtmeister -[p]

Vors.:

Ich habe nur, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, um es Ihnen zu erklären, gebeten, daß man in der Haftanstalt feststellt, ob die Angeklagten den Hofgang durchgeführt haben oder nicht.

RA Dr. He[ldmann]:

Darf ich dazu gleich eine Zwischenbemerkung machen, [5375] die nicht zwingend[q] für die Begründung dieses Antrags ist. Daß der Hofgang so gewährt worden ist, das haben wir alle gelesen, aber was Sie unberücksichtigt gelassen haben, was ich neulich schon ausgeführt habe, ist, daß dieser Hofgang nicht zu machen ist, wo alle Angeklagten, wie Gefängnisarzt Dr. Henck Ihnen wird bestätigen können, krank waren. Bei Witterungsbedingungen, die erstens den Hofgang selbst und zweitens eine Kommunikation, dazu sollte ja nun dieser Vierer-Hofgang dienen, ein Hofgang, der richtiger als Dachgang zu bezeichnen wäre, daß der deswegen ausgeschlossen war, und somit kam ich zu der Begriffsbildung: ein rein platonisches Angebot hier und jetzt, was ich für die vergangenen, was sich auf die vergangenen Wochen bezieht. Sie[r] haben in Ihrem, in den Gründen Ihres Beschlusses vom 12.12. ferner darauf hingewiesen und den Angeklagten vorgehalten, sie machten von der Möglichkeit, der ihnen eingeräumten Möglichkeit, zusammen mit einer beschränkten Anzahl von Mitgefangenen die Möglichkeit auszunutzen, darauf erwidert, Herr Baader, als Antragssteller hier, daß dieser Hofgang, dieser Zusammenschluß mit 12 bis 14 Gefangenen deswegen für die Frauen nicht zustande kommen kann, weil die Frauen sich weigern ...

Richter Dr. Fo[th]:

Sie geben doch eine Erklärung für Herrn Baader ab, ich wußte noch nicht, daß der zu den Frauen sich zählt, Herr Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Sie behandeln in Ihrem Beschluß, soweit ich das erkannt habe, die Angeklagten Baader und Ensslin ...

Vors.:

Aber Sie stellen den Antrag für den Angeklagten Baader, der scheint zum männlichen Geschlecht zu gehören.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich fahre fort, daß für die Frauen deswegen das ein utopisches Angebot ist, weil die in Frage kommenden Mitgefangenen es ablehnen, der Auflage befolgen, sich vor und nach diesem gemeinsamen Hofgang körperlich durchsuchen zu lassen, daß den Männern dieses Angebot in dieser Form nicht gemacht worden ist. Sie halten, und so hat es die Presse also haargenau auch aufgefaßt ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, das stößt einfach an die Grenzen dessen, was auch im Rahmen eines Ablehnungsgesuches zulässig ist. Lesen Sie bitte den Beschluß, den Sie zur [5376] Grundlage der Ablehnung machen, und Sie werden das Angebot immer wieder finden.

RA Dr. He[ldmann]:

„Indes haben es die Angeklagten bisher abgelehnt, solche erweiterten sozialen Kontaktmöglichkeiten wahrzunehmen. Der Senat kann sie nicht zwingen, das zu tun ...“

Vors.:

Es ist den Angeklagten gestattet, mit einer Gruppe anderer Häftlinge den Hofgang zu machen, laut der Verfügung, die Sie vorhin erwähnt haben, der Verfügung des Vorsitzenden. Also es stimmt nicht, daß den Männern dieses Angebot nicht gemacht worden sei. Sie haben die Möglichkeit.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich nehme die Korrektur hin. Ich meine, sie könnte in den Beschlußgründen besser untergebracht worden sein, aber ich gebe wider und habe widerzugeben, was der Angeklagte Baader auf diesen Beschluß erwidert. Es ist, wie Sie wissen, nicht der Antrag der Verteidigung, sondern der Antrag des Mandanten. 4. ...

- kurzes Gespräch am Richtertisch -

RA Be[cker]:

Wie?

RA Dr. He[ldmann]:

4. Der Senat ...

Vors.:

Es ist gesagt worden, daß ein Rechtsanwalt vortragen muß, was der Wahrheit entspricht, das sei keine Entschuldigung, wenn ein Mandant etwas Unrichtiges behauptet, weil Sie danach sich erkundigt haben, Herr Rechtsanwalt Becker.

RA Dr. He[ldmann]:

4. Sie haben in Ihrem hier öffentlich begründeten Beschluß den Angeklagten vorgeworfen, sie lehnten ärztliche und sonstige bessere Behandlung ab. Das entspricht nicht den Tatsachen. Die kommen zu dieser Behauptung durch eine gewaltsame Konstruktion, indem Sie die gewünschten und zur Verfügung gestellten, zur Verfügung stehenden Ärzte von einer Behandlung abhalten, mit der von Ihnen geschaffenen Konstruktion, der Konsultationsform, oder wie Professor Müller es einmal ausgedrückt hat: „Ich komme mit meinem Arztköfferchen bis an die Mauern und nicht weiter.“ Was aber nun die Besorgnis der Befangenheit dieses Senats im Sinne der Ablehnungsgründe ...

Vors.:

Bitte um Entschuldigung für die Störung.

RA Dr. He[ldmann]:

Was aber die Besorgnis des Angeklagten für die Befangenheit des Senats und für die einzelnen eingangs an- [5377] gegebenen Ablehnungstatbestände nun kulminieren läßt, und das ist der Schlußsatz in Ihrem Beschluß vom 12.12., nämlich, wo es zunächst heißt: „Der Senat kann die Angeklagten nicht einmal hindern, bewußt gesundheitsschädigende Schritte zu unternehmen.“ Hier verkehren die Richter des Senats, die diesen Beschluß gefaßt haben, die mangelnde, die mangelnden, des Fehlendens therapeutischer Maßnahmen, in die Verdächtigung, eine Verdächtigung, für die ihnen keine der ärztlichen Stellungnahmen einen Anlaß, geschweige denn eine Grundlage gegeben hat, die Angeklagten, der Angeklagte Baader unternähme bewußt gesundheitsschädigende Schritte. Das ist harter Ausdruck einer parteilichen Stellungnahme zum Nachteil der Angeklagten, soweit sie a) wie ich es gesagt habe, die Wiederherstellung ihrer Verteidigungsfähigkeit, ihrer Verhandlungsfähigkeit nämlich, ins Auge faßt und b) wo sie damit vom Tisch wischt, das Argument, daß die Fortdauer dieser von ihnen als endgültig bezeichneten Haftbedingungen genau das herbeiführen werden, was ich neulich, als die Prognose dafür gegeben habe, nämlich eine definitive Zerstörung der Angeklagten. Und zu allerletzt heißt es in Ihrem Beschluß: „Der Senat kann nur hoffen, daß die Angeklagten und ihre Verteidiger aus der selbstschädigenden, ja selbstzerstörerischen Wirkung von vergangenen Hungerstreiks die richtigen Folgerungen gezogen haben und davon absehen, aus der Krankheit eine Waffe machen zu wollen.“ Und dieser Satz, der ist in seiner Aussage so schlimm, daß er das als Ablehnungsgrund begründet, was ich vorhin genannt habe. Er kommt einer Abstrafung besonderer Qualität während der Hauptverhandlung gleich. Obgleich nämlich keine der ärztlichen Stellungnahmen ihnen einen auch nur annähernd zureichenden Anlaß gegeben hat, den derzeitigen Gesundheitszustand der Angeklagten auf den Hungerstreik[16] zurückzuführen, halten die Richter, die abgelehnten Richter dieses Senats, für richtig, ihre in diesen Beschlußgründen enthaltene Polemik gegen die Angeklagten, wo es um deren Wiederherstellung und Erhaltung ihres Restbestandes an Vitalsubstanz geht, ihnen vorzuwerfen, daß sie selbst jene Ursachen gelegt haben, und hier eine Warnung auszusprechen, eine Warnung, für die überhaupt kein Anlaß besteht, das die ärztlichen Äußerungen [5378] ganz klar erkennen lassen. Und das ist eine Form von Abstrafung innerhalb einer prozessualen, innerhalb der Beschlußgründe für eine prozessuale Entscheidung, die in dem Angeklagten Baader die Besorgnis der Befangenheit ganz stark begründen muß. Insoweit ist dieser Ablehnungsantrag begründet. Zur Glaubhaftmachung verweise ich a) auf die ärztlichen Stellungnahmen, die ich in meiner Antragsbegründung vom 11.12. gezeichnet habe, und b) auf den Inhalt meines Antrages vom 11.12., der mir nicht vorliegt, sondern den ich, wie Sie wissen, nur nach Stichpunkten hier gestellt und begründet habe, der sich aus der Protokoll ergeben muß und wiederhole nocheinmal: Dieser letzte Satz ist in seiner Abstrafungstendenz eine Vorverurteilung der Angeklagten oder eine Anstiftung öffentlicher Meinung zu öffentlicher Vorverurteilung der Angeklagten.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Becker.

RA Be[cker]:

Herr Vorsitzender, die Angeklagte Ensslin schließt sich dem Antrag des Angeklagten Baader an. Hinsichtlich der Unverzüglichkeit, Kenntnisnahme von dem Beschluß, gilt dasselbe, was Rechtsanwalt Heldmann für seinen Mandanten ausgeführt hat, wobei ich die Kenntnisnahme und die Übergabe des Beschlusses an mich, den ich[s] selber ja nun nicht ausgefertigt erhalten habe, gestern nachmittag, ebenfalls anwaltlich versichere, desgleichen gilt der Einwand, den sie hinsichtlich des Angeklagten Baader für Ausführungen von Rechtsanwalt Heldmann über die Ablehnung eines gemeinsamen Hofgangs mit anderen Mitgefangenen geltend gemacht haben, für Frau Ensslin sicherlich nicht und insofern mache ich mir die Ausführungen von Rechtsanwalt Heldmann hinsichtlich dieses gemeinsamen Hofganges zueigen. Ich möchte 3. noch einen Punkt hinzufügen, und zwar der letzte Absatz Ihres Beschlusses vom 12.12.1975, der genau die von Herrn Kollegen Heldmann aufgezeigte Tendenz aufweist, aber nicht nur gegenüber den Angeklagten selbst, wo er schon insich falsch und die Tatsachen verdrehend ist, sondern hier auch noch in der gesteigerten Qualität gegenüber ihren Verteidigern, indem nämlich ge- [5379] sagt wird, daß auch diese absehen sollten, aus der Krankheit eine Waffe machen zu wollen, was nicht nur den Angeklagten fälschlicherweise, sondern auch ihren Verteidigern diese Absicht unterstellt, obwohl hierfür, insbesondere nun auch bei den Verteidigern in diesem Verfahren, nicht der geringste Anhaltspunkt geliefert worden ist, und es ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß solche Voreingenommenheiten nicht nur gegenüber den Angeklagten, sondern insbesondere gegenüber den Verteidigern auch von den Angeklagten als ein Grund für die Besorgnis der Befangenheit des Gerichts gegenüber ihnen selbst gerügt werden können, und das tue ich hiermit im Namen von Frau Ensslin.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich bitte einen Nachtrag zur Glaubhaftmachung[t].

Vors.:

Herr Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Einen Nachtrag zur Glaubhaftmachung, bitte. Der Herr Vorsitzende Richter hat den Antrag des Herrn Baaders in einem Punkte korrigiert, unrichtig sei dargestellt, daß der Hofgang in einer Gruppe von 10 - 12 verweigert werde, für die männlichen Gefangenen. Zur Glaubhaftmachung dafür, daß die Anstalt maximal drei bis vier ausgesonderte Sondergefangene für diesen Hofgang für die männlichen Gefangenen angeboten hat, ausdrücklich abgelehnt hat, daß die männlichen Gefangenen mit der Gruppe aller Gefangenen im Sonderhof zusammen ihren Hofgang machen können, beziehe ich mich zur Glaubhaftmachung auf dienstliche Äußerung des Herrn Schreitmüller von der Justizvollzugsanstalt.

Vors.:

Ja, Herr Rechtsanwalt, es wäre dann natürlich wichtig, daß Sie wieder glaubhaft machten, daß das Gericht von dieser Regelung Kenntnis hat. Das Gericht hat mit einer unbestimmten Anzahl von männlichen Gefangenen zugelassen, oder wollen Sie uns das Verhalten der Haftanstalt als Ablehnungsgrund vortragen?

RA Dr. He[ldmann]:

Ich möchte darauf entgegnen. Es fällt in die Verantwortlichkeit des Senats, wenn, hat er, wie Sie sagen, hat er die Möglichkeit des Zusammenschlusses der männlichen Gefangenen mit einer Gruppe von rund 10 anderen männlichen Gefangenen zugelassen, oder gar angeordnet, er dann hinnimmt, daß die Vollzugsanstalt diese Anordnung, oder diese Empfehlung genau konterkariert. Das ist die Verantwortlich- [5380] keit des Senats; nicht der Leiter der Vollzugsanstalt ist für die Haftbedingung verantwortlich. Die Verantwortlichkeit liegt und lag beim Senat.[17]

Vors.:

Will die Bundesanwaltschaft sofort Stellung nehmen? Bitte, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. Wu[nder]:

Der Antrag ist nach § 26a Abs. 1, Ziff. 3 der Strafprozeßordnung[18] unzulässig, weil auch ihn wiederum nichts anderes zu Grunde liegt, als das Bestreben, die Beweisaufnahme zu behindern, den ordnungsgemäßen Ablauf des Prozesses zu verschleppen. Der Beschluß, um den es dem Antragsteller geht, ist als Kollegialentscheidung zu Recht ergangen. Einen weiteren Spielraum [u] im Rahmen der Haftbedingungen hatte der Senat nicht mehr. Die Bundesanwaltschaft hatte in diesem Zusammenhang schon ausgeführt, daß das den Angeklagten überhaupt Gewährbare bis an die Grenzen der Rechtstaatlichkeit ausgeschöpft ist. Im Ernst konnten auch so außergewöhnlich schwer belastete Angeklagte mit weiteren Erleichterungen überhaupt nicht rechnen. Die Angeklagten möchten sich in der Rolle privilegierter Märtyrer sehen und stellen ganz einfach unerfüllbare Forderungen. Das wissen sie auch. Das von ihnen dagegen angesetzte Mittel der Richterablehnung halte ich in diesem Fall für nahezu frivol. Bereits während des Vortrags wurde übrigens deutlich, daß einige der kritisierten Einzelheiten überhaupt nicht in die Zuständigkeit des Senats fallen, das ist auch die Auffassung der Bundesanwaltschaft. Es braucht hier nicht vertieft zu werden. Eine Besorgnis der Befangenheit, der Unparteilichkeit kann ein vernünftiger Angeklagter aus dem dargestellten Verhalten des Senats deshalb nicht herleiten. Ich beantrage, den Antrag zurückzuweisen.

Vors.:

Ich bitte die Prozeßbeteiligten vorsorglich, wieder um 10.15 Uhr hier anwesend zu sein. Das Publikum wird ebenfalls vorsorglich zugelassen.

Pause von 9.44 Uhr bis 10.24 Uhr

In der Pause übergab RA Becker den Zeitungsartikel aus der Frankfurter Rundschau.

- siehe Anlage 3 des Protokolls -

Ende des Bandes 294.

[5381][19] [5382] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 10.24 Uhr

Vors.:

Wir können die Sitzung fortsetzen.

Der Senat hat folgendes beschlossen:

Die Ablehnung der Richter Dr. Prinzing, Dr. Foth, Maier, Dr. Berroth und Dr. Breucker wird einstimmig als unzulässig verworfen.

Gründe:

Die Gründe des die Haftverschonung ablehnenden Beschlusses vom 16.12.1975 benutzen die Angeklagten Baader und Ensslin zur Ablehnung. Diese soll offensichtlich das Verfahren nur verschleppen und ist deshalb unzulässig (§ 26 Abs. 1, Nr. 3 StPO).

Der Senat hat im Rahmen der zu treffenden Haftentscheidung auch auf den rechtlichen Gesichtspunkt der Haftfähigkeit einzugehen. Wenn die Angeklagten und ihre Verteidiger dies zum Gegenstand der Ablehnung machen, so ist das schlechterdings unverständlich und findet eine Erklärung nur in der Absicht, das Verfahren zu behindern. Gleiches gilt für alle anderen Argumente, insbesondere auch für die, die im Zusammenhang mit den Haftbedingungen des Senats vorgetragen wurden. Meinungsäußerungen dritter Personen können dem Senat nicht vorgeworfen werden; schon deshalb ist eine Anhörung des Anstaltsarztes Dr. Henck nicht erforderlich, sie erübrigt sich auch, weil es hier nicht um etwaige Änderungen der Haftbedingungen geht. Wenn der Senat die Hoffnung ausgedrückt hat, daß aus der Krankheit keine Waffe gemacht werde, so hatte dies einen Anlaß in den sachlich völlig unbegründeten Ausführungen der Verteidiger, die Haftbedingungen führten zum Tode der Gefangenen.

Wir haben uns in dem Beschluß, weil es nicht Gegenstand eines Ablehnungsverfahrens ist, nicht mit den Haftbedingungen im einzelnen befaßt, aber weil im Rahmen des Vortrags dieses Ablehnungsgesuches Sie, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, von einem platonischen Angebot gesprochen haben, was den Hofgang der Angeklagten angehe, wobei Sie sich auch dazu verstiegen haben, vom Dachgang zu reden, obwohl Sie genau wissen, daß [5383] dieser Hofgang auf diesem Stock mit Überdachung eine Einrichtung ist, die für die Hälfte der Untersuchungsgefangenen in der Anstalt drüben genau so gilt wie für die Angeklagten. Es handelt sich, was ich Ihnen bei dieser Gelegenheit sagen darf, um eine Einrichtung, um die die Anstalt beneidet wird, weil selbst bei schlechtem Wetter die Betroffenen dort oben ihren Hofgang unbehelligt von der Witterung machen können. Im Hinblick auf die Behauptung, es handele sich um ein platonisches Angebot, wurde von der Haftanstalt mitgeteilt wie sich der Hofgang abgespielt hat seit dem 8.12.1975, und ich halte Ihnen das entgegen, damit Sie daran Ihre Behauptung messen.

RA Dr. He[ldmann]:

(Anfang unverständlich) ... Behauptung des Angeklagten Baader, nicht meine Behauptung.

Der Vorsitzende verliest das Schreiben der Vollzugsanstalt vom 18.12.1975 Das Schreiben ist als Anlage 4 dem Protokoll beigefügt -

Vors.:

Das ist die Gegendarstellung zu der Behauptung, es handele sich um ein platonisches Angebot. Ich habe mich auch bei der Haftanstalt erkundigt, wie es mit dem Gruppenhofgang stehe; es ist unrichtig die Behauptung, es sei den Angeklagten nur ein Angebot von Seiten der Haftanstalt, der Senat hat keine Einschränkung gemacht, gemacht worden von 3 bis 4 Mann. In Wahrheit hat Herr Regierungsdirektor Schreitmüller den Angeklagten gesagt, er könne die Zahl der jeweils am Hofgang dann Beteiligten nicht im einzelnen vorher festlegen, es könne sein, daß gelegentlich auch mal bloß 3 bis 4 Leute zur Verfügung stünden, damit ist aber keineswegs eine Grenze nach oben gesetzt gewesen, sondern das war eine Mindestgrenze nach unten offenbar, die hiermit gemeint war. Im übrigen darf ich darauf hinweisen, es wäre vielleicht verdienstvoll, wenn die [5384][20] [5385] Herrn Verteidiger das den Angeklagten weitergeben. Soweit sich die Angeklagten durch Maßnahmen der Vollzugsanstalt, der Vollzugsleitung, behindert fühlen, gibt es dafür ein vorgeschriebenes Rechtsmittel, das in der Untersuchungshaftvollzugsordnung enthalten ist[21] und vielleicht kann man[v] zukünftig, um das Verfahren in dieser Richtung nicht zu behindern, abwarten, wie sich auf solche Beschwerden hin der Senat verhält, bevor man sofort mit Ablehnungsanträgen kommt. Das zur Ergänzung. Ich bitte jetzt den Herrn Zeugen zu bringen.

Pause von 10.30 Uhr bis 10.31 Uhr

RA Be[cker]:

(Anfang unverständlich) ... im Fortgang der Sitzung gerade dann erklären; es wird also noch Herr Kemp heute morgen gehört werden ...

Vors.:

Ja.

RA Be[cker]:

... oder ...

Vors.:

... sofern die Zeit ausreicht soll er heute gehört werden.

RA Be[cker]:

Und dann heute nachmittag, wer ist jetzt noch ...?

Vors.:

... wird der Zeuge Osterburg anwesend sein. Ob der sogenannte Ensslin-Kassiber[22] heute verlesen werden wird oder vielleicht erst am kommenden Montag im Hinblick darauf, daß Herr Rechtsanwalt Schily heute nicht anwesend ist, das kann ich noch nicht sagen.

RA Be[cker]:

Also ich würde Sie bitten, es davon nicht abhängig zu machen.

Pause von 10.32 Uhr bis 10.33 Uhr

- Der Zeuge Severin ist bei Fortsetzung[w] um 10.33 Uhr im Sitzungssaal anwesend.

Vors.:

Herr Severin, wenn Sie bitte Platz nehmen wollen.

Der Zeuge nachte folgende Angaben zur Person:

Robert Severin, 61 Jahre alt, Pensionär, Hannover.

Mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert, wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Herr Severin, können wir davon ausgehen, daß Sie in der Mitte des Jahres 1972 an einer Verhaftungsaktion beteiligt waren, [5386] der zunächstmal eine Observation des Ortes, an den die Verhaftung später durchgeführt wurde, vorausgegangen ist?

Zeuge Sev[erin]:

Ja.

Vors.:

Bitte, erzählen Sie im Zusammenhang, was Sie im Zusammenhang mit dieser Verhaftung beobachtet und im einzelnen festgestellt haben.

Zeuge Sev[erin]:

Ich bekam, wenn ich mich recht erinnere, es muß so der 15. Juni gewesen sein, bekam ich den Auftrag, das Haus in der Walsroder Str. abzuklären und bei mir waren noch zwei Kollegen, zwei jüngere Kollegen, und als wir das Haus gegen 18.00 Uhr vielleicht, kurz vor 18.00 Uhr, verlassen wollten, da machte ich die Tür unten auf, die Haustür, und mir entgegen kam eine weibliche und männliche Person. Den äußeren Umständen nach vermutete ich, daß es die Personen sein müßten, die sich bei Rodewald angesagt hatten bzw. ansagen lassen hatten. Sie wurden auch von dem Hauswirt befragt, wo sie hin möchten, er sei der Hauswirt und dann wurde gesagt: „Zu Rodewald“ und dann hat der Hauswirt gesagt: „Ja der wohnt oben in der zweiten Etage, aber er wird wahrscheinlich nicht da sein“. Ja, und dann sind wir weitergegangen und haben kurz beratschlagt, wir waren ja auch nur zwei, der andere blieb im Wagen; was sollten wir tun. Wir haben die Dienststelle verständigt und dann kam Verstärkung. Es mag so gegen 18.00 Uhr, na so 18.30 Uhr - 18.45 Uhr vielleicht gewesen sein, da kam uns diese männliche, da kam die uns nicht entgegen, sondern ging bei uns vorbei, wo wir nun weiter beratschlagt hatten was zu tun sei, ob wir in die Wohnung gehen dürfen, ob wir nicht gehen dürfen und es wurde jedenfalls beratschlagt und als wir uns da noch unterhielten, da kam diese männliche Person bei uns vorbei und ging Richtung Berliner Platz. Und wir sind hinterher gegangen, gelaufen zum Teil, in die Telefonzelle rein. Und wie sich später herausstellte, erst hatte er Höhne angegeben zu heißen und nachher war es ja Herr Müller[23], der hatte da schon ein Markstück reingesteckt und dabei wurde er dann von uns überwältigt und festgenommen und die Pistole ihm abgenommen. Und später hat man wohl auch noch einige Magazine, gefüllte Magazine, bei der räumlichen Durchsuchung in Langenhagen[x] gefunden und ich begab mich sofort wieder in Richtung Walsroder Straße, um das Haus wieder weiter abzusichern, denn es war ein ziemlicher Auflauf unten vor dem Hause durch die Festnahme und dann sind [5387] wir anschließend, Herr Hücker, Herr S[...], ich, und Herr Stangenburg stand, glaube ich, auch noch mit im Treppenhaus, sind wir rauf in die zweite Etage, kurz geklingelt und dann machte uns die weibliche Person die Tür auf. Und dann wurden wir natürlich gleich mit bösen Worten empfangen und wir konnten die weibliche Person überwältigen, wir wußten aber auch nicht, wieviele Personen noch drinnen waren in der Wohnung, darum haben wir auch gesagt: „Alles drin bleiben, keiner weiter rauskommen, sonst wird geschossen.“ Wir wußten ja, irgendwie sind sie bewaffnet, ich hatte ja auch schon vorher gesehen, daß sie schwer getragen haben und als wir die Pistole von Herrn Müller abgenommen hatten, da konnten wir natürlich annehmen, daß sie noch weitere Waffen haben. Ja, und dann wurde die weibliche Person festgenommen und nun hatten wir aber auch keine Schließkette, nix da, sie wurde immer noch renitent und beschimpfte uns weiter mit bösen Worten und ich machte die, weil die anderen beiden jünger sind, habe ich dann da in das Gepäck hineingesehen, was hinter der Tür gleich links abgestellt war, da war eine schwarze Reisetasche ...

Vors.:

Ja, verzeihen Sie, Herr Severin, wenn ich Sie hier unterbreche. Wir wollen also den reinen Festnahmevorgang jetzt besprechen, abschließend auch mit Fragen noch belegen lassen und das, was Sie jetzt zu schildern beginnen, nämlich die Durchsuchung dann der Räumlichkeiten und was Sie da für Feststellungen gemacht haben, dem Teil II Ihrer Aussage vorbehalten. Haben Sie im Zusammenhang mit der Festnahme dieser weiblichen Person noch irgendetwas selbst verrichtet?

Zeuge Sev[erin]:

Ja, das sie eben vorher doch ein bißchen anders aussah, nicht, denn da hatte sie offenbar wohl eine Perücke auf und jetzt sah sie ganz anders aus, und wir konnten auch nicht, wir wußten auch in Moment nicht, wer es war. Wir haben uns zwar gefragt, was ist das für eine Person, und als ich die Pistolen usw. fand, da sagte ich: „Mensch nun guckt euch das an, das muß kein kleiner Fisch sein, das muß schon ...“, aber wir sind nicht gleich auf Ulrike Meinhof gekommen. Da kamen wir erst darauf, als in der Tasche der „Stern“ lag mit der Röntgenaufnahme,[24] aber sie sagte immer, das ist eure Sache ihr Scheißbullen und derartigen Worte und hat aber auch nichts zugegeben, daß sie es war.

Vors.:

Wir wollen nochmals jetzt ein paar Fragen zur Vertiefung dieses [5388] Ereignisses an Sie stellen. Zunächst, hatten Sie ungefähr, als Sie diese Observation übernahmen eine Ahnung, um was für Personen es gehen könnte?

Zeuge Sev[erin]:

Nein.

Vors.:

Nicht.

Zeuge Sev[erin]:

Nein, also ich persönlich gar nicht, ich bin lediglich mitgegangen aufgrund meines damals schon hohen Alters, als Polizeibeamter wäre ich nicht mehr mit zu solch einem Einsatz rausgefahren, denn ich hatte damals nur noch ein knappes Jahr ...

Vors.:

Es leuchtet mir zwar nicht ein, warum Sie altershalber zu dem Einsatz ...

Zeuge Sev[erin]:

Was meinen Sie?

Vors.:

Es leuchtet zwar nicht unmittelbar ein, warum Sie altershalber zu diesem Einsatz kamen, aber es keine ...

Zeuge Sev[erin]:

Weil die Jungen beweglicher sind, nicht, in dem Alter ist man nicht mehr so beweglich.

Vors.:

Aber Sie waren ja doch dabei.

Zeuge Sev[erin]:

Ja, aber weil ... Herr Vorsitzender, Sie fragten, ob wir das vorher wußten. Wenn wir es vorher gewußt hätten, dann wären wir wahrscheinlich auch nicht nur mit zwei, drei Mann hingefahren, sondern ...

Vors.:

... und hätte vielleicht nur jüngere rausgesucht; das war wohl die Erklärung, warum Sie Ihr Alter eben ins Spiel brachten. Aber das ist nicht so wichtig. Sie erzählen, daß Sie den beiden Personen beim Betreten des Hauses, Sie selbst kamen entgegen, begegnet seien. Wie waren die? Kamen die ohne alles an oder hatten die irgendwas dabei?

Zeuge Sev[erin]:

Nein, die hatten ja ..., also man konnte offensichtlich sehen, daß sie, überhaupt die männliche Person, schwer zu tragen hatten[y] und die weibliche Person hatte eine schwarze Samtjacke, ja es war so ... ich glaube, Samt war es, schwarz und hatte hier umhängen eine graugrüne Wildledertasche.

Vors.:

Können Sie sagen, also weil Sie sagen; schwer zu tragen, daß das Gepäck war, Gepäckstücke oder wurde das am Körper getragen?

Zeuge Sev[erin]:

Man kann das ja auch sehen nicht, wenn einer nur so leicht ist, nicht, er macht eine andere Haltung, als wenn er etwas Schweres zu tragen hat.

Vors.:

Ich darf also aus der Antwort schließen, daß die männliche Person Gepäckstücke getragen hat?

[5389] Zeuge Sev[erin]:

Ja.

Vors.:

Wissen Sie noch, um was es sich dabei gehandelt hat?

Zeuge Sev[erin]:

Bitte?

Vors.:

Um was sich es dabei gehandelt hat? Waren es Mappen, Koffer, Tragetaschen ...?

Zeuge Sev[erin]:

Nein, nein, das war eine schwarze Reisetasche, ich glaube mit so einem Bügel und Reißverschluß, wie ich es heute noch in Erinnerung habe, und dann war es so ein viereckiger Koffer.

Vors.:

Also zwei Gepäckstücke, wie Sie gesehen haben?

Zeuge Sev[erin]:

Ja.

Vors.:

Haben Sie die, jetzt im kurzen Vorgriff zu dem, was nachher noch zu erörtern ist, haben Sie diese Gepäckstücke, dieselben, die Sie da beobachtet haben, später in der Wohnung wiedergesehen?

Zeuge Sev[erin]:

Ja, genau die.

Vors.:

Und dann diese schwarze Samtjacke, können Sie sich erinnern?

Zeuge Sev[erin]:

Ja, ich meine, es war Samt oder so ..., naja so ein wolliger Stoff wie ... Ich meine, es war Samt. Ich bin kein Fachmann in Textilien, aber es war wohl Samt.

Vors.:

Ja, wir werden auf das nachher nochmals zurückkommen. Sie erwähnten, daß die beiden, das heißt, daß die weibliche Person, als Sie sich in die Wohnung da verfügten, gegen Sie gleich mit bösen Worten gewandt habe?

Zeuge Sev[erin]:

Ja, ja.

Vors.:

Wie kommt das? Konnte die sofort erkennen, daß Sie Polizisten sind, waren Sie Zivil, waren Sie in Uniform, haben Sie Waffen getragen?

Zeuge Sev[erin]:

Nein, nein ... naja, das weiß ich nicht. Ich war unbewaffnet hingegangen, nicht, weil das eben völlig harmlos ... da können Sie auch wieder dran sehen, Herr Vorsitzender, daß es harmlos war von uns aus. Ich war vollkommen unbewaffnet hingegangen und in so einem Fall geht man ja nicht unbewaffnet dahin und war nachher froh, daß ich eine Waffe kriegte von Herrn Müller; die wurde mir dann zugespielt, nicht? Und wir haben ja seitlich im Treppenhaus gestanden, geklingelt und als die Tür geöffnet wurde, Herr Hücker ist der jüngste, der ging gleich um die Ecke rum nicht, und ... ja und wenn da einer so reinstürzt, nicht, dann ist es ja ganz klar, daß das ... wer soll das sein, nicht? Ihr Herr Müller konnte es nicht sein, denn [5390] der wäre ... hätte ja wohl nicht vor der Tür gestanden.

Vors.:

Sicher, und ihn kannte sie ja wohl auch, den Herr Müller.

Zeuge Sev[erin]:

Ja, ja.

Vors.:

Ich habe also zu dem Abschnitt keine Fragen mehr. Herr Berichterstatter, sehe ich keine. Zur Festnahme selbst beim Gericht keine Fragen? Die Herren der Bundesanwaltschaft?

Die Herrn Verteidiger zur Festnahme?

RA Dr. He[ldmann]:

Ich.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Severin, wissen Sie heute noch genau, daß die Person, an deren Festnahme Sie beteiligt waren, beim Betreten des Hauses eine schwarze Samtjacke getragen hätte?

Zeuge Sev[erin]:

Ja.

RA Dr. He[ldmann]:

Haben Sie sich diese Erinnerung durch eine kürzlich stattgefundene Lektüre früherer Protokolle verschafft?

Zeuge Sev[erin]:

Ich kenne da keine Lektüre. Wir haben auch in dieser Hinsicht bei meiner früheren Dienststelle keine Lektüre geführt. Ich bin auch diesbezüglich nicht vernommen worden.

RA Dr. He[ldmann]:

Haben Sie sie ...

Zeuge Sev[erin]:

Also bei uns im Amt, bei LKPA, wird keine Lektüre, soweit ich weiß, bei unserer Dienststelle nicht, ich war ja nicht in der Sonderkommission, sondern war bei einer anderen Waffengattung, da wird keine Lektüre geführt und ich bin auch diesbezüglich noch nicht vernommen worden und kürzlich in Hamburg ist das von Frau Meinhof auch nicht zur Sprache gekommen. Das bezog sich lediglich auf Herrn Müller.

RA Dr. He[ldmann]:

Im Festnahmebericht vom 19.6. ist gesagt, daß Frau Meinhof - Bl. 7 von So.bd. 1 - ist gesagt, daß Frau Meinhof, auch von Ihnen so observiert, beim Betreten des Hauses dunkle Bekleidung getragen hat.

Zeuge Sev[erin]:

Ja, soweit ich das unterscheiden kann, ist schwarz auch dunkel.

RA Dr. He[ldmann]:

Ja, aber schwarz ist nicht identisch mit Samtjacke. Es fällt mir auf, daß Sie dann am 21.8. desselben Jahres ...

[5391] Vors.:

Herr Rechtsanwalt, verzeihen Sie, darf ich Sie in diesem Zusammenhang auf Ord. 71/2 Bl. 144 hinweisen.

RA Dr. He[ldmann]:

Den habe ich vor mir.

Vors.:

Dann ist es in Ordnung.

RA Dr. He[ldmann]:

Genau den. Ich brauche diese Fundstelle nicht erneut angeben, der Herr Vorsitzender hat mir das abgenommen, Danke. Da haben Sie eine dienstliche Äußerung abgegeben und nunmehr haben Sie konkretisiert über zwei Monate nach der Festnahme, beim Betreten habe Frau Meinhof eine schwarze Samtjacke getragen.

Zeuge Sev[erin]:

Ja, das habe ich doch eben gesagt. Samtjacke oder ...

RA Dr. He[ldmann]:

Sie haben vorhin gesagt, dunkle Bekleidung und jetzt schwarze Samtjacke.

Zeuge Sev[erin]:

Ja, nach meiner Ansicht ist eine dunkle Jacke auch schwarz. Ich weiß nicht, ich finde da keinen Unterschied.

RA Dr. He[ldmann]:

Nein, nein, sicher ist eine ... fällt eine schwarze Samtjacke unter den Oberbegriff „dunkle Bekleidung“ darin sind wir uns völlig einig. Meine Frage nun, was und wer oder wer und warum hat Sie veranlaßt, am 21.8.72 Ihre Äußerung vom 19.6. in der Weise zu konkretisieren, daß Sie nunmehr mit Sicherheit von einer schwarzen Samtjacke gesprochen haben?

Zeuge Sev[erin]:

Das kann ich heute beim besten Willen nicht mehr sagen, aber daß Frau Meinhof eine schwarze Jacke getragen hat, das stand für mich fest. Wenn man damals dunkle geschrieben hat, naja schön, dann ist das vielleicht im ersten Moment geschehen, daß man da vielleicht nicht so einen unbedingten Wert darauf gelegt hat. Aber auf alle Fälle war es die Jacke, die Frau Meinhof anhatte, die nachher unten auf der Erde lag. Und sie hatte nachher auch nicht die schwarze Samtjacke an, als wir in der Wohnung waren, sondern ein schwarzes Kleid.

RA Dr. He[ldmann]:

Danke, keine Frage.

Vors.:

Ich darf noch feststellen, Herr Rechtsanwalt, um diesen Vorhalt etwas zu verdeutlichen, das mit der dunklen Bekleidung war keine Äußerung des Herrn Zeugen, das ist enthalten in einem Bericht.

RA Dr. He[ldmann]:

Habe ich auch nicht vorgehalten ...

Vors.:

Dann ist es in Ordnung.

RA Dr. He[ldmann]:

... sondern ich habe vorgehalten aus dem Festnahmebericht vom 19.6. zu der Festnahme an welcher, nach seiner [5392] eigenen Aussage, der Herr Zeuge beteiligt gewesen ist.

Vors.:

Ja, das ist korrekt. Herr Rechtsanwalt König, wollen Sie speziell etwas vortragen, Sie sind Verteidiger der Frau Meinhof?

RA Kö[nig]:

Nein.

Vors.:

Dann, Herr Severin, Sie haben schon angedeutet, daß Sie im Anschluß an die Festnahme selbst die Räumlichkeiten mit durchsucht haben, ist das richtig?

Zeuge Sev[erin]:

Ja.

OStA Hol[land]:

Die Bundesanwaltschaft hätte zur Frage der Festnahme noch eine ergänzende Frage an den Zeugen, wenn Sie erlauben, daß ich Sie in dieser Hinsicht unterbreche.

Vors.:

Bitte, Herr Bundesanwalt Holland.

OStA Hol[land]:

Herr Severin, eine Frage noch. Sie haben eben von einer schwarzen Samtjacke gesprochen, die ja Frau Meinhof getragen habe oder zunächst getragen habe. Hatte Frau Meinhof diese Samtjacke auch noch im Zeitpunkt der eigentlichen Festnahme an?

Zeuge Sev[erin]:

Nein, nein, da hatte sie ein enges schwarzes Kleid an, ein enges schwarzes Kleid so.

OStA Hol[land]:

Und haben Sie später einmal diese schwarze Samtjacke gesehen?

Zeuge Sev[erin]:

Ja.

OStA Hol[land]:

Wo?

Zeuge Sev[erin]:

Die lag unten auf der Erde.

OStA Hol[land]:

In dieser Wohnung?

Zeuge Sev[erin]:

In diesem Zimmer wo sie immer rein wollte.

OStA Hol[land]:

Dankeschön. Sonst keine Fragen.

Vors.:

Wir fahren also fort bei dem Punkte, wo Sie die Wohnung durchsucht ...

RA Be[cker]:

Herr Vorsitzender, gestatten Sie mir auch noch ...

Vors.:

Eine ergänzende Frage zur Festnahme? Bitte.

RA Be[cker]:

Wielange ist denn Frau Meinhof ... Die haben Sie vorher schon einmal observiert. Sagen Sie bzw. sie ist vorher schon einmal an Ihnen vorbeigegangen?

Zeuge Sev[erin]:

Nein, ich verstehe unter Observation etwas anderes. Ich sagte ja, wir kamen runter und ich machte die Tür auf und im gleichen Moment wollten die beiden auch rein. Also observiert haben wir nicht. Wir wollten, das war unser Auftrag, das Haus in Augenschein nehmen und evtl. Vorbereitungen für eine Observation treffen, um die Leute zu erkennen und zu sichten, wer da [5393] rein geht und das erübrigte sich dann, weil sie uns ja gleich entgegenkamen, als wir das Haus verließen.

RA Be[cker]:

Herr Zeuge, Sie haben vorher gesagt, Sie hätten die Person, die Sie nachher oben gesehen haben, also als Sie in die Tür reingekommen ... als Sie oben an der Wohnung geklingelt haben, die haben Sie eigentlich nicht wiedererkannt ...,

Zeuge Sev[erin]:

Nein.

RA Be[cker]:

... weil sie anders aussah?

Zeuge Sev[erin]:

Ja, ja.

RA Be[cker]:

Ist das richtig?

Zeuge Sev[erin]:

Naja, durch Kopftuch und Haare wohl nicht und ... das entstellt ja so ein bißchen, nicht?

RA Be[cker]:

Also sie sah anders aus, Sie haben sie nicht wiedererkannt?

Zeuge Sev[erin]:

Ja, es ... sicher war es nachher die Person, ganz klar ...

RA Be[cker]:

Warum?

Zeuge Sev[erin]:

... im ersten Anschein, also es hatte zunächst den Eindruck, Mensch, ist sie das nun oder ist sie es nicht, nicht? Sie muß es ja sein, weil sonst niemand in der Wohnung war.

RA Be[cker]:

Sie muß es sein?

Zeuge Sev[erin]:

Sie muß es sein, sonst war niemand in der Wohnung.

RA Be[cker]:

Danke.

Richter Maier:

Kurz zur Klarstellung eine Frage. Nach welcher Wohnung hatten sich die beiden Personen erkundigt bei dem Hauswirt?

Zeuge Sev[erin]:

Die Beiden hatten sich nicht erkundigt, sondern der Hauswirt, der hatte gefragt, weil ...

Richter Maier:

Ja, und um welche Wohnung ging es da bei diesem Gespräch?

Zeuge Sev[erin]:

Rodewold.

Richter Maier:

Um?

Zeuge Sev[erin]:

Um die Wohnung „Rodewold“.

Richter Maier:

Rodewold ...

Zeuge Sev[erin]:

Und dann sagte der Hauswirt ...

Richter Maier:

Rodewald, Herr Zeuge.

Zeuge Sev[erin]:

Rodewald, ja bitte, ja.

Richter Maier:

Und in welcher Wohnung, Herr Zeuge, hat denn die Festnahme stattgefunden?

Zeuge Sev[erin]:

Rodewald.

Richter Maier:

In der Wohnung Rodewald. Danke.

Vors.:

Jetzt fahren wir fort bei der Durchsuchung. Die Wohnung bestand [5394] sicherlich aus mehreren Räumen?

Zeuge Sev[erin]:

Ja.

Vors.:

Haben Sie nun die gesamte Wohnung durchsucht oder haben Sie sich spezialisiert auf irgend einen einzelnen oder jedenfalls abgetrennte Räume?

Zeuge Sev[erin]:

Nein, wir haben ... zunächst schon nur auf diesen einen Raum, wo auch Frau Meinhof ja noch festgehalten wurde und als dann die Kollegen raufkamen, es waren über Funk noch einige Kollegen herangeholt worden, und die hatten dann Frau Meinhof - halt Stopp, Entschuldigung - vorher schon als Frau Meinhof da noch war, sagte ich ja, daß ich da in diese Tasche, in diese schwarze lange Tasche, die ist mit so einem Reißverschluß oben und, glaube ich, so ein Bügel war da, da habe ich kurz reingesehen, da war eine Maschinenpistole drin und, ich weiß nicht, wieviel Schuß Munition, nicht; es[z] waren Dum-Dum-Geschosse drin und Hohlspitzgeschosse und alles mögliche war da so durcheinander und dann habe ich die, das war diese Umhängetasche, diese graugrüne Wildledertasche, die lag ... das lag alles, wenn man die Tür aufmacht da links an der Seite und da waren Eierhandgranaten drin und Eierhandgranaten, meine ich, auch waren in dieser großen Tasche mit drin. Und in diesem großen Kasten, diesem nicht großen Kasten, aber in diesem viereckigen Kasten mehr, den habe ich hochgehoben, er war schwer. Ich sage: „Den fasse ich nicht an“, wenn da schon solche Dinger drin sind, Maschinenpistole und ... nicht, dann ... da sagten die anderen: „Ja, lasse mal noch stehen.“

Vors.:

Sie befürchteten daß es ein[aa] Sprengkörper sein könnte.

Zeuge Sev[erin]:

Ja, man weiß es nicht.

Vors.:

Ja, sicher. Die Frage, wie Sie nun auf diesen speziellen Raum gekommen sind ...

Zeuge Sev[erin]:

Das hat sich ergeben, weil Frau Meinhof immer wieder ..., da ist ein langer Gang, vorne war so ein Arbeitsraum und die Küche muß auch an der rechten Seite gewesen sein und Toilette und gerade drauf da war so ein paar ... das konnte man so im vorbeigehen zunächst erstmal sehen, da waren keine Betten, aber ein paar Matratzen lagen auf der Erde und in den linken Raum, der zur Straße hingeht, da wollte sie immer rein und da hatten wir ja auch zunächst Befürchtungen, daß da vielleicht noch Personen waren, denn man konnte es ja auch so nicht unbedingt [5395] im Auge behalten, daß sich vielleicht doch noch die eine oder andere Person in die Wohnung reingeschlichen hat und ...

Vors.:

Das würde bedeuten, Sie wurden durch das eigene Verhalten von der Frau Meinhof auf diesen ...

Zeuge Sev[erin]:

Auf das Zimmer geführt.

Vors.:

... Zimmer hingewiesen ...

Zeuge Sev[erin]:

Ja, weil sie immer da ... nicht?

Vors.:

Und jetzt fanden Sie speziell auch in diesem Zimmer diese Gepäckstücke?

- RA Linke erscheint um 10.58 Uhr im Sitzungssaal -[bb]

Zeuge Sev[erin]:

Genau.

Vors.:

Und diese Gepäckstücke haben Sie sogleich wiedererkannt oder erst bei späterer Besichtigung?

Zeuge Sev[erin]:

Nein, nein, sofort, ich habe sofort auch gesagt, weil ich ja das gesehen hatte, sie waren mir ja begegnet, daß sie diese Gepäckstücke bei sich hatten. Nur da lag denn wohl auch noch so ein, irgendwie so ein Gurt mit Patronen und so was, das konnte ich vorher nicht sehen, das war neu.

Vors.:

Sie haben gerade schon begonnen, von den damals gesichteten Gegenständen einzelne aufzuzählen, hier handelt es sich vorwiegend um Waffen und Sprengkörper; Eierhandgranaten haben Sie erwähnt, den anderen Gegenstand nicht beschrieben. Sind sonstige Gegenstände noch vorhanden gewesen, die Ihnen heute noch in Erinnerung stehen, herausragende Gegenstände die besonders aufgefallen sind?

Zeuge Sev[erin]:

Ja, da lag noch eine Perücke, darum wahrscheinlich auch das veränderte Aussehen von Frau Meinhof, dann war auch noch, ich weiß nicht wieviel Geld noch, es müßte aber das Protokoll ... ich habe es auch nicht einzeln ...

Vors.:

Wir wollen es nur versuchen. Wir werden Ihnen nachher Gegenstände zeigen und Sie fragen, ob Sie die wiedererkennen.

Zeuge Sev[erin]:

Es waren auch noch Pistolen da, aber wie im einzelnen oder was für Waffen, ich kann es nicht mehr sagen, wenn sie mir gezeigt werden, vielleicht fällt es mir wieder ein.

Vors.:

Das war der Gesamthergang. Ich glaube, wir können beginnen, dem Herrn Zeugen gleich Asservate vorzuzeigen oder sollen noch vor den Asservaten noch Fragen gestellt werden? Herr Maier, bitte.

Richter Maier:

Eine Frage, Herr Severin, diese Sachen, die Sie da gerade beschrieben haben, diese Gepäckstücke, wo sind die denn hingekommen anschließend?

[5396] Zeuge Sev[erin]:

Ja, nachdem nun die bis dahin unbekannte weibliche Person auch abtransportiert war, da blieb nur Herr Hücker und ich noch über und wir haben dann sämtliche Asservate, mit einem anderen Kollegen allerdings, noch in den Dienst-PKW gepackt und vorsichtig gefahren, weil wir ja nun nicht wußten, was in diesem viereckigen Koffer war, daß wir da nicht irgendwas auslösten, denn wir sind ja selber in dem Wagen gefahren. Und, wie gesagt, weder Herr Hücker noch ich haben uns die Mühe gemacht, den Koffer zu öffnen und ihn direkt zum LKPA[cc] gebracht.

Richter Maier:

Zum Landeskriminalamt in Hannover.

Zeuge Sev[erin]:

Und da wurden die Sachen auch von uns wieder entladen und oben in unsere Dienstzimmer geschafft.

Richter Maier:

In Ihre Dienstzimmer; und was ist dann weiter damit geschehen?

Zeuge Sev[erin]:

Ja ...

Richter Maier:

Wissen Sie das?

Zeuge Sev[erin]:

... das heißt, vorher habe ich noch in diese schwarze Samtjacke gefaßt.

Richter Maier:

Die wurde also auch mitgenommen?

Zeuge Sev[erin]:

Ja; und habe da so eine Art Kassiber oder was es war, handschriftlich war da so einiges notiert, und daraus haben wir dann auch schon geschlossen, es muß irgendwie mit BM[25] Zusammenhängen.

Richter Maier:

Ja, also Sie sagen, die ist aus dieser schwarzen Samtjacke ...

Zeuge Sev[erin]:

Fällt mir gerade wieder so ein.

Richter Maier:

Herr Severin, diese schwarze Jacke, die Sie mitgenommen haben, die haben Sie auf der Dienststelle schon mal durchsucht flüchtig ...

Zeuge Sev[erin]:

Nein, schon in der Wohnung ...

Richter Maier:

In der Wohnung „Rodewald“ noch ...

Zeuge Sev[erin]:

... von Rodewald, da habe ich in die Tasche gefaßt ...

Richter Maier:

Ja, und da haben Sie ...

Zeuge Sev[erin]:

... und da fand ich diese Zettel schon ...

Richter Maier:

Einen Zettel, können Sie den näher beschreiben. Sie sagen handschriftlich, sind Sie sich da so sicher, daß das Handschrift war?

Zeuge Sev[erin]:

Bitte, möchte ich jetzt nicht beeiden.

Richter Maier:

Wie groß war denn der Zettel?

Zeuge Sev[erin]:

Das war so ein ...

Richter Maier:

DIN A 4 Format?

[5397] Zeuge Sev[erin]:

Ja, so ungefähr. Ich glaube sogar, es war dieses Karoformat.

Richter Maier:

Und wieviele Zettel waren das, war das nur einer oder waren es mehrere?

Zeuge Sev[erin]:

An einen erinnere ich mich ganz genau, weil wir ja da noch mit ihr drüber gesprochen haben und auch mit den Kollegen zusammen, nicht.

Richter Maier:

Ja, und wie war nun die Schrift. Sie sagten vorhin Handschrift.

Zeuge Sev[erin]:

Ja, ich meine jedenfalls handschriftlich.

Richter Maier:

Ich meine, Sie wissen den Unterschied zwischen Handschrift und Maschinenschrift, Herr Severin? Entschuldigen Sie, wenn ich das frage.

Zeuge Sev[erin]:

Ich meine ... Bitte, ich möchte mich nicht festlegen, aber ich weiß, daß ein Zettel da drin war in der Jackentasche ...

Richter Maier:

Ja, und Sie sagen, Sie haben sich dann auch mit dieser weiblichen Person, die festgenommen wurde, über eben diesen Zettel unterhalten noch in der Wohnung.

Zeuge Sev[erin]:

Naja, wir waren ja mindestens 20 Minuten, vielleicht noch länger mit ihr in der Wohnung.

Richter Maier:

Was wurde da gesprochen?

Zeuge Sev[erin]:

Bitte?

Richter Maier:

Was wurde da gesprochen bei dieser Unterhaltung?

Zeuge Sev[erin]:

Ich bin normal ... Ich kann das nicht lesen, weil ich normal zum Lesen eine Brille trage; und Kollegen Hücker oder S[...] werden[dd] da wohl ihr einige Passagen vorgelesen haben.

Richter Maier:

Sie konnten das gar nicht lesen, weil Sie Ihre Brille nicht dabei hatten.

Zeuge Sev[erin]:

Einiges schon, aber es war, meine ich ... darum meine ich auch, es war handschriftlich oder ob es so[ee] kleine Maschinenschrift war, also bitte ich möchte da drauf nicht beeidigt werden ...

Richter Maier:

Ja, und mit was wurde denn ...

Zeuge Sev[erin]:

... aber ich weiß hundertprozentig, daß ein Zettel drin war.

Richter Maier:

Was wurde denn jetzt gesprochen, Herr Severin?

Zeuge Sev[erin]:

Ja, es wurde ihr da einzelne Passagen vorgehalten, nicht? Und ...

Richter Maier:

Und was hat die weibliche Person dazu gesagt?

Zeuge Sev[erin]:

Naja, sie hat nur immer die Kraftausdrücke gebraucht und „das ist eure Sache“ und als ich ihr auch die, zwischendurch immer wieder diese ... den Kopf da, die Röntgenaufnahme im Stern [5398] vorgehalten hatte, nicht, „ist eure Sache“, „Bullen und Scheißbullen und ...“

Richter Maier:

Können Sie sich noch erinnern, welche Passagen vorgelesen wurden um was es sich da handelte?

Zeuge Sev[erin]:

Ja, das waren irgendwelche, so, was ich im Unterbewußtsein noch mich [ff] erinnere, das waren irgendwelche, na[gg] Befehle möchte ich nicht sagen, aber ... keine Befehle, aber irgendwelche Anordnungen ...

Richter Maier:

Anordnungen.

Zeuge Sev[erin]:

Irgendsowas muß es gewesen sein.

Richter Maier:

Und welcher Art diese Anordnungen waren, wissen Sie nicht?

Zeuge Sev[erin]:

An die noch draußen Stehenden. Also wir hatten so den Eindruck, wir haben uns ja nicht so eingiebig da drüber unterhalten können in dieser Schnelligkeit, wie das alles so vonstatten ging, aber ich meine, daß da irgendwie das Gespräch war, daß dieser Kassiber von irgendwelchen Festgenommenen wohl rausgeschleust worden sein soll und es gab da irgendwelche Hinweise oder Richtlinien für die draußen Stehenden. Ich meine, das so in Erinnerung zu haben.

Richter Maier:

So haben Sie das in Erinnerung. Und nun, Herr Severin, dieser Kassiber, wie Sie es sagen, den man aus der Jacke herausgenommen hatte noch in der Wohnung, was hat man mit dem dann in der Folgezeit gemacht?

Zeuge Sev[erin]:

Der ist dann auch mit raufgekommen und erst 2 Stunden später ...

Richter Maier:

Hat man sie in die Jacke wieder zurückgesteckt oder hat ihn jemand anders zu sich genommen?

Zeuge Sev[erin]:

Also wie das war, weiß ich nicht. Dieser Kassiber, der ging ja dann wohl von Hand zu Hand und der ist dann auch irgendwie notiert worden, aber weil ich ja nun genau wußte, dieser Kassiber - übrigens muß es wohl die Jacke da sein, ich weiß es nicht, ob es nun ... das war so ein Plüsch oder irgendsowas - ...

Richter Maier:

Wir zeigen sie Ihnen nachher.

Zeuge Sev[erin]:

... daß der Kassiber da drin war, das habe ich, kann aber nicht mehr sagen, wie der Kollege jetzt heißt, die zwei, Maschner? Könnte das sein?

Richter Maier:

Marschner.

Zeuge Sev[erin]:

Marschner und noch einer, die das aufgeführt haben und die hatten den Zettel wohl irgendwo anders aufgeführt, denn [5399] da habe ich denen noch gesagt, „der Zettel war in der Jacke“.

Richter Maier:

Hatten Sie denen gesagt?

Zeuge Sev[erin]:

Ja. Nun weil ich aber nicht, ob sie es berichtigt haben, denn es wäre ja ein Drunter und Drüber, nicht?

Richter Maier:

Ja. Dankeschön.

Vors.:

Sonstige Fragen beim Gericht? Bei der Bundesanwaltschaft? Ich sehe nicht. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann hatte sich gemeldet. Herr Rechtsanwalt König, als Verteidiger von Frau Meinhof haben Sie nach dem hier angewandten Prinzip Vorrecht[hh], wenn Sie fragen wollen.

RA Kö[nig]:

Herr Zeuge, was verstehen Sie unter „Dum-Dum-Geschossen“?

Zeuge Sev[erin]:

„Dum-Dum-Geschosse“ sind vorne die Spitze abgesägt, plattgemacht. - Entschuldigung - sie sind vorne abgesägt oder in irgendeiner Form vorne stumpfgemacht.

RA Kö[nig]:

Also nicht gleich Hohlspitzgeschossen, wie Sie auch erwähnten.

Zeuge Sev[erin]:

Das sind wieder andere.

RA Kö[nig]:

Gut. Was verstehen Sie unter „Karoformat“?

Zeuge Sev[erin]:

Ja, ich ... Es gibt doch so schlichtes Papier, es gibt liniertes Papier und es gibt so kleine ...

RA Kö[nig]:

Auch kariertes Papier.

Zeuge Sev[erin]:

Bitte?

RA Kö[nig]:

Kariertes Papier, aber das hat ja mit dem Format nichts zu tun, es ist ja nur ein Aufdruck auf dem Papier.

Zeuge Sev[erin]:

Bitte, bitte, Sie sind ja Rechtsanwalt, ich bin nur ein kleiner ...

RA Kö[nig]:

Ich würde sagen, das hat mit dem Beruf und auch mit der Geographie gar nichts zu tun, Karo ist Karo, Linie ist Linie und Blatt ist Blatt ...

Zeuge Sev[erin]:

Aber ich meinte damit Karo.

RA Kö[nig]:

Bitte?

Zeuge Sev[erin]:

Ich meinte Karo.

RA Kö[nig]:

Ja, ist ja in Ordnung, bloß Sie wurden vorher nach dem Format des Papieres gefragt und da sagten Sie, Karoformat.

Zeuge Sev[erin]:

Dann ... Das wurde aber, glaube, richtig gestellt ...

RA Kö[nig]:

Es gibt ...

Zeuge Sev[erin]:

... und wurde gesagt ...

RA Kö[nig]:

Nein, Herr Zeuge, damit wir nicht aneinander vorbeireden, es gibt Karoformat DIN A 4, DIN A 5, DIN A 3, welche Größe, danach wurde gefragt.

[5400] Vors.:

Herr Rechtsanwalt, darf ich vielleicht insofern eingreifen. Der Herr Zeuge hat das hier auf dem Tische angezeigt, wie seine Vorstellungen sind. Vielleicht, wenn er Ihnen das, weil Sie es nicht beobachtet haben nochmals vorführen.

RA Kö[nig]:

Ja, gut.

Vors.:

Zeigen Sie es ruhig vor.

Zeuge Sev[erin]:

Der Zeuge Severin zeigt auf dem Tisch die Größe des „Kassibers“ an.

Ja, hier diese Größe so. Also die normalen Geschäftsbogen wie wir sie haben das ist, glaube ich, DIN A 4, nicht? Oder was ist es? Ich kann es ... Ist es nun ...?

RA Kö[nig]:

Ja, so heißt das hier zu Lande, ja. Und Sie sagten, so wie Sie sich im Unterbewußtsein erinnerten. Was verstehen Sie denn darunter? Wenn man sich im Unter... meinten Sie das wörtlich oder meinten Sie das ...?

Zeuge Sev[erin]:

Ja, so wie ich das heute noch nach dreieinhalb Jahren und aufgrund meines fortgeschrittenen Alters noch in Erinnerung habe.

RA Kö[nig]:

Kokettieren Sie nicht immer so mit Ihrem Alter, so alt sind Sie gar nicht, Herr Zeuge.

Zeuge Sev[erin]:

Naja, ich bin nicht mehr polizeidienstfähig, nicht?

RA Kö[nig]:

Naja, eben, ja. Aber dann meinten Sie noch, „wir hatten den Eindruck“; nun ist ja immer sehr viel vom Kollektiv die Rede, aber auf den Eindruck, den vielleicht die Gruppe der eingesetzten Beamten hatte, kommt es nicht so drauf an, es kommt auf Ihren Eindruck an, den Sie sich gemacht haben im Augenblick Ihres dienstlichen Einschreitens. Was hatten Sie denn ganz persönlich, unabhängig von der Meinung Ihrer Kollegen, die mit dabei waren, für einen Eindruck von dem Papier?

Zeuge Sev[erin]:

Könnten Sie vielleicht veranlassen, daß auch der Herr Verteidiger durch Mikrophon ... dann kann ich es ein bißchen besser verstehen.

Vors.:

Also, Sie haben die Frage nicht verstanden.

RA Kö[nig]:

Also, Herr Zeuge, wenn ich direkt ins Mikrophon spreche, fallen Sie um, weil das nämlich so laut gestellt ist ...

Zeuge Sev[erin]:

Bitte ...

[5401] Vors.:

Aber den Kenn Zeuge versteht es nicht. Herr Rechtsanwalt, benützen Sie das Mikrophon bitte.

RA Kö[nig]:

Also, Sie sagten „wir hatten den Eindruck, daß das ein Papier war, das von jemanden geschrieben worden war, der ...“

Zeuge Sev[erin]:

Brauch ich gar nicht zuhören, verstehe ich nicht.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, bitte das Mikrophon, trotz Ihrer Bedenken.

Zeuge Sev[erin]:

Ich verstehe es nicht.

Vors.:

Der Herr Zeuge hört Sie nicht.

Zeuge Sev[erin]:

Oder soll ich weiter hingehen?

RA Kö[nig]:

Nein, bleiben Sie nur da. Sie sagten, „wir hatten den Eindruck, daß es sich um ein Papier handelt, das jemand geschrieben hat, der bereits in Haft und der irgendwelche Anweisungen geben wollte“. Nun sage ich, Sie sollten sich vom Kollektivausdruck „wir“ lösen. Ich möchte Sie nach Ihrem eigenen Eindruck fragen, nicht den Ihre Kollegen vielleicht hatten. Was hatten denn Sie für einen Eindruck über das Papier?

Ende Band 295

[5402] Zeuge Se[verin]:

Ja wenn ich, Herr Verteidiger, wenn ich sage, wir, dann hatte ich auch den Eindruck.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ja, dann sagen Sie’s doch. Nicht.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich habe auch ne kleine Frage dann.

Vors.:

Herr Dr. Heldmann, Sie hatten sich zunächst gemeldet. Ja, Herr Professor Azzola, Sie hätten, wenn Sie wollten, natürlich als Verteidiger ...

Prof. Dr. Azz[ola]:

Herr Dr. Heldmann hatte sich schon längere Zeit gemeldet.

Vors.:

Aber Sie verteidigen Frau Meinhof.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ich weiß, ich werde trotzdem im Anschluß ...

Vors.:

Gut, Ihr Wunsch.

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Severin, diese schwarze Samtjacke haben Sie an sich genommen?

Zeuge Se[verin]:

Welches? Was ist?

RA Dr. He[ldmann]:

Diese schwarze Samtjacke haben Sie selbst an sich genommen?

Zeuge Se[verin]:

Die schwarze Samtjacke?

RA Dr. He[ldmann]:

Ja.

Zeuge Se[verin]:

Nein, wir haben ja alles zusammen ... was ich nun im einzelnen runtergetragen habe, Herr Rechtsanwalt, das kann ich nicht mehr sagen, hab ich mir auch nicht gemerkt, brauchte ich mir ja auch nicht merken, nicht? Aber daß die Jacke, die da oben lag, mit runter gekommen ist, das weiß ich und daß sie auch mit oben lag nachher aber wer, wer alles im einzelnen was runtergetragen hat, das hab ich mir nicht so genau gemerkt.

RA Dr. He[ldmann]:

Habe ich Sie dahin richtig verstanden, daß Sie dieses Papier, von dem Sie gesprochen haben, der Samtjacke entnommen haben?

Zeuge Se[verin]:

Wie war das?

RA Dr. He[ldmann]:

Haben Sie selbst dieses Papier, von dem Sie uns hier erzählt haben, der Samtjacke entnommen?

OStA Zeis:

Herr Vorsitzender, die Frage wollen wir beanstanden.

Vors.:

Ja, ich glaube auch, daß der Herr Zeuge den Punkt schon

[5403] Zeuge Se[verin]:

Ich kann’s ja aber noch mal schildern. Das, das Stück Papier ...

RA Dr. He[ldmann]:

Ist ne Bestätigung.

Vors.:

Machen Sie’s aber ganz kurz ...

Zeuge Se[verin]:

... das ist meiner Ansicht in der Tasche transportiert worden ... in der Samtjacke ...

Vors.:

Nein, wer das Papier aus der Tasche gezogen hat, weil Sie immer von wir sprachen, ob Sie es selbst gewesen seien.

Zeuge Se[verin]:

Das weiß ich nicht, das kann ich nicht sagen.

Vors.:

Nein, der Herr Zeuge nicht.

Zeuge Se[verin]:

Ich hab’s lediglich gesehen, daß es nachher nicht mit der Jacke aufgeführt war und das hab ich versucht, richtigzustellen.

RA Dr. He[ldmann]:

Wissen Sie, welcher Beamte die Samtjacke zur Polizeidirektion gebracht hat?

Zeuge Se[verin]:

Nein, das weiß ich nicht. Ob die Asservate überhaupt zur Polizeidirektion gekommen sind, das kann ich auch nicht sagen. Ja aber ich glaube, nee, die sind ja vom BKA gekommen und haben glaub ich, die Asservate den anderen Tag mitgenommen aber das kann ich nicht genau sagen, weiß ich nicht mehr.

Richter Mai[er]:

Bloß damit kein Irrtum entsteht, Herr Rechtsanwalt, der Herr Zeuge hat vorher vom Landeskriminalamt gesprochen, Sie sprachen jetzt von der Polizeidirektion.

Zeuge Se[verin]:

Ja.

RA Dr. He[ldmann]:

Nein, nein Herr Zeis, Sie haben mal wieder nicht zugehört, außerdem haben Sie die Zeugen, meine Zeugen ...

Richter Mai[er]:

... Rechtsanwalt, mein Name ist nicht Zeis.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt ...

RA Dr. He[ldmann]:

Verzeihen Sie, Sie ähneln sich in manchem so sehr ...

Vors.:

Nein, Herr Rechtsanwalt, es war ein Einwand der hier vom Richtertisch aus gemacht wurde, es war Herr Kollege Maier.

RA Dr. He[ldmann]:

Ah, so verzeihen Sie Herr Kollege ... Herr Richter Maier.

Vors.:

Also nicht immer ist’s Herr Zeis, wenn Sie sich ...

[5404] RA Dr. He[ldmann]:

Herr Richter Maier. Ich habe in meiner Frage, ich habe gefragt wer, ob der Herr Zeuge weiß, welcher Beamte die schwarze Samtjacke zur Polizeidirektion gebracht hat.

Zeuge Se[verin]:

Ich kann gar nicht mal sagen, Herr Rechtsanwalt, ob die Sachen zur Polizeidirektion gegangen sind oder ob die vom BKA von Godesberg oder Bonn oder was weiß ich, wo die Sachen dann hingegangen sind, das kann ich nicht sagen.

RA Dr. He[ldmann]:

Können Sie mir dann sagen, wohin sie gebracht worden sind diese sogenannten Asservate, mir kommt’s auf die schwarze Samtjacke an.

Zeuge Se[verin]:

... doch eben gesagt.

Vors.:

Der Herr Zeuge hat doch jetzt zum dritten mal gesagt, Herr Rechtsanwalt, er wisse nicht, wo die Dinge hingegangen sind, ob zum eigenen ... zu eigenen Polizeibehörden oder direkt von der Sonderkommission mitgenommen.

Zeuge Se[verin]:

Also wir hatten da nachher nichts mehr mit zu tun weil das BKA sich ja eingeschalten hatte, nachdem feststand, welche Personen festgenommen waren.

Vors.:

Die Frage ist beantwortet.

RA Dr. He[ldmann]:

Dann hab ich nur eine letzte noch. Woher wissen Sie, daß dieses Papier, das Sie beschrieben haben, sich in der schwarzen Samtjacke befunden hat?

Zeuge Se[verin]:

Das Papier was ich gefunden ...

OStA Zeis:

Herr Vorsitzender, wir beanstanden die Frage, der Zeuge hat vor zehn Minuten gesagt, daß er dieses Papier aus der schwarzen Samtjacke rausgenommen hat.

RA Dr. He[ldmann]:

Genau das Gegenteil Herr Zeis, hat er gesagt ...

Vors.:

Die Beanstandung ist richtig ...

Zeuge Se[verin]:

Nein, ich habe ...

Vors.:

Augenblick Herr Zeuge, Sie haben ...

Zeuge Se[verin]:

Ich habe gesagt ...

Vors.:

Herr Zeuge, sind Sie bitte im Augenblick ruhig. Der Herr Zeuge hat diese Frage längst beantwortet, ich bitte also, Wiederholungen nicht immer wieder vorzutragen. Wir müssen uns etwas mit der Zeit einteilen.

RA Dr. He[ldmann]:

Darf ich Sie bitten, den Zeugen meine Frage beantworten zu lassen?

[5405] Vors.:

Nein, die Frage ist bereits beantwortet, ich bitte Wiederholungen zu vermeiden.

RA Dr. He[ldmann]:

Darf ich Sie bitten mir zu sagen, wie der Herr Zeuge diese Frage vorhin beantwortet haben soll?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, das wäre genau das, was wir hier zu erreichen versuchen, daß nämlich diejenigen, die das Fragerecht ausüben, zuhören bevor sie neue Fragen stellen. Das würde ich unterlaufen, wenn ich Ihnen jetzt die Erklärung anstelle des Herrn Zeugen geben würde. Vielleicht haben Sie’s falsch verstanden, wir wollen Herrn Zeugen ... aber bitte ganz kurz noch mal einen Satz dazu sagen lassen.

Zeuge Se[verin]:

Ich habe gesagt, in der Wohnung von Rodewald[ii] habe ich aus der Samtjacke dies Stück Papier genommen und habe es, auch nachdem wir das da kurz durchgelesen hatten, wieder in die Tasche gesteckt und als wir bei uns im Amt waren im LKPA Niedersachsen waren, da ging dieses Schreiben ... irgendwie haben das neugierige Kollegen auch gelesen und dann wurde das auch mal nicht mit der Jacke in Zusammenhang gebracht als der Kollege Marschner und Oster... Osterrode oder was weiß ich wie er heißt, aufgeführt hatten und dann habe ich versucht, das richtig zu stellen.

RA Dr. He[ldmann]:

Danke.

Vors.:

Ja, es soll bloß nochmals ein Hinweis gegeben werden, bitte Herr Maier.

Richter Mai[er]:

Da herrscht immer noch offenbar eine Verwirrung. Herr Severin, nochmals die Frage, wohin haben Sie diese Sachen gebracht?

Zeuge Se[verin]:

Bei uns ins LKPA.

Richter Mai[er]:

In das Landeskriminalamt.

Zeuge Se[verin]:

...kriminalamt.

Richter Mai[er]:

Danke.

Zeuge Se[verin]:

Niedersachsen.

Richter Mai[er]:

Und das ist nicht die Polizeidirektion.

Zeuge Se[verin]:

Nein, das sind zwei getrennte Dienststellen.

Richter Mai[er]:

Also.

[5406] Vors.:

Jetzt hat zunächst das Wort Herr Professor Azzola, dann hat sich Herr Rechtsanwalt Becker gemeldet, soweit ich sehe, dann Herr Rechtsanwalt ...

Prof. Dr. Azz[ola]:

Herr Zeuge Severin, Herr Zeuge, Sie haben eben gesagt, Sie hätten für einige Zeit dieses Stück Papier das Sie aus der Tasche genommen haben, durchgelesen und nach zur Kenntnisnahme von Inhalt in die Tasche zurück gestellt.

Vors.:

Nein, das ist ein falscher Vorhalt.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ich habe offensichtlich auch Sprachschwierigkeiten, denn der Herr Zeuge ist Hamburger.

Vors.:

... allmählich Gehörschwierigkeiten allgemein hier die Ursache zu sein.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Er hat doch, also ich meine, ich könnte beschwören, daß ich verstanden habe, er habe das Stück Papier einmal aus der Tasche herausgenommen ...

Zeuge Se[verin]:

Richtig, jawohl.

Prof. Dr. Azz[ola]:

... dann gelesen und wieder in die Tasche zurückgetan.

Vors.:

Es wäre zumindest ein fahrlässiger Falscheid,[26] wenn Sie ...

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ich habe nur Bruch...

Vors.:

Herr Professor, er hat gesagt, ich habe meine Brille nicht dabei gehabt, deswegen.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Das hat er vorhin gesagt, ja.

Vors.:

Ja, deswegen konnte er nicht lesen sondern es wurde vorgelesen.

Zeuge Se[verin]:

Nur einzelne Worte konnte ich da entziffern.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Verzeihen Sie, Herr Vorsitzender Richter, ich bitte, ich bitte das Band, von der zu ... auf den letzten auf den allerletzten Vorhalt hin von, als Sie nochmal zugelassen haben, die an ... die Frage des Herrn Rechtsanwalts Kollegen Heldmann zu beantworten, wer denn nun aus der Tasche genommen habe, in dem Zusammenhang hat der Herr Zeuge, also ganz am Schluß dieser Befragung hier, gesagt und ich bitte das am Band zu überprüfen, er habe herausgenommen, gelesen, er selbst habe gelesen und dann wieder zurückgestellt.

Vors.:

Wir lassen, bevor wir die Zeit jetzt aufwenden um das zurück- [5407] zuspulen, lasse ich die Frage zu. Haben Sie selbst gelesen?

Zeuge Se[verin]:

Was hab ich?

Vors.:

Ob Sie diesen Zettel den Sie herausgenommen haben, selbst gelesen haben.

Zeuge Se[verin]:

Ich hatte vorhin schon betont, vielleicht habe ich mich da ver... wenn es so ist, hab ich mich ... wahrscheinlich dann nicht ganz so konkret ausgedrückt. Ich habe den Zettel nicht von oben bis unten durchlesen können, eben weil ich die kleine Schrift nicht so entziffern kann und ich mein, ich hab ne Brille, kann ... kann ja auch festgestellt werden welche Sehstärke ich habe ...

Vors.:

Nein, es kommt nur darauf an, daß der Herr Verteidiger die Voraussetzung seiner weiteren Fragen von Ihnen erfährt.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Völlig richtig. Ich wollte als zweites fragen, nur weil ich einen gewissen Widerspruch zwischen zwei Aussagen glaubte, entnehmen zu müssen und es meine Rechtspflicht ist, solchen möglichen Widersprüchen nachzugehen, ob Sie irgend ... an welcher Stelle Sie einen Verdacht geschöpft haben, daß es sich, wie Sie sich ausdrückten, um BM handle. Darauf haben Sie eben irgendwie abgehoben.

OStA Zeis:

Der Vorhalt ist unzutreffend. Der Zeuge hat zu keinem Zeitpunkt gesagt, daß er aufgrund dieses flüchtigen Durchlesens einzelner Worte den Verdacht auf BM bekommen habe, er hat gesagt, ich habe den Verdacht oder präzise, wir hatten den Verdacht, daß Anordnungen, Anweisungen von einer festgenommenen Person an noch in Freiheit befindliche Personen gegeben werden sollten, von wem, war bei der Aussage des Zeugen keine Rede.

Vors.:

Nein, es ist richtig, daß der Herr Zeuge im Zusammenhang mit der Schilderung wohl von einigen Punkten gesagt hat, BM-verdächtig. Es wäre deshalb durchaus möglich, daß Sie uns nochmals erklären, wann haben Sie den Verdacht gefasst, daß es sich hier um BM handeln könne.

Zeuge Se[verin]:

Also die ganzen Umstände einmal, dies Waffenarsenal oder diese vielseitigen Waffen einmal, dann daß in der [5408] Tasche dieser, diese Röntgenabbildung war und dann kam dieses Schriftstück oder Kassiber ganz gleich, was es nun gewesen ist, ich weiß es nicht was war, aber dem ganzen Schreiben nach, wie ich es heute noch in Erinnerung habe, müßte das aus dem Gefängnis heraus geschrieben worden sein und hatte irgendwelche Anordnungen beinhaltet oder mehr Befehle ... oder irgend so was war das.

Vors.:

Die Frage geht dahin Herr Rechtsanwalt, ob sie im Zusammenhang mit dem Inhalt dieses Schreibens BM-Verdacht gefasst hätten.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Oder schon vorher.

Vors.:

Oder schon vorher, ja das hat er ja geschildert durch das Waffenarsenal, das ist ...

Zeuge Se[verin]:

Einmal das und wir haben ja auch Frau Meinhof gefragt, weil der Kopf abgebildet war, ist sie das. Wir hatten ja auch Bilder dabei, Herr Vorsitzender, aber aufgrund der Lichtbilder konnten wir sie einfach nicht erkennen und nicht nur wir, das waren ja andere noch ... hinter uns zehn andere Personen auch, die haben sie auch nicht erkannt.

Vors.:

Die Frage ging nur dahin, ob Sie aus dem Inhalt des Schreibens ...

Zeuge Se[verin]:

Nein ...

Vors.:

... auch eine Stütze für den Verdacht, es könne sich hier um BM-Leute handeln, gefunden haben.

Zeuge Se[verin]:

Die ganzen anderen Umstände mit hinzu.

Vors.:

Dann sagen Sie ja oder nein, hat das Schreiben mitgewirkt um diesen Verdacht ...

Zeuge Se[verin]:

Mitgewirkt, mitgewirkt.

Vors.:

... zu begründen oder nicht?

Vors.:

Mitgewirkt. Herr Professor.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Herr Zeuge, kaufen Sie regelmäßig den „Stern“?

Zeuge Se[verin]:

Was denn?

Prof. Dr. Azz[ola]:

Kaufen Sie regelmäßig die Zeitschrift „Stern“?

Vors.:

Wenn Sie die Frage so stellen ob er sie gekauft hat ...

Zeuge Se[verin]:

Überhaupt nicht. Ich lese grundsätzlich keine, aber ...

Vors.:

... es ist schon beantwortet ...

Zeuge Se[verin]:

... aber die Zeitung lag ja in dieser schwarzen Tasche und aufgeschlagen mit dem Röntgenkopf.

[5409] Prof. Dr. Azz[ola]:

Ah, ja. Herr Zeuge, Sie haben vorhin auf Ihr Alter angespielt und auf Ihre Gedächtnisstärke. Sie haben das selbst in Bezug genommen, nicht ich habe das erwähnt. Herr Zeuge, darf ich Sie fragen, ob Sie im Bezug zum Beispiel auf Ihr ... zur Unterstützung Ihres eigenen Gedächtnisses bei Sachverhalten, die Sie für wesentlich halten, sich persönliche Notizen machen?

Zeuge Se[verin]:

Was war das letzte?

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ob Sie sich persönliche Notizen machen.

Zeuge Se[verin]:

Im Gewissen?

Prof. Dr. Azz[ola]:

Notizen.

Zeuge Se[verin]:

Ach Notizen, nein ich hatte überhaupt keine keine Ursache weil ich ja da, ich war nur lediglich für die Observation zuständig, nachher war ich ja auch gar nicht federführend. Wofür soll ich mir da ... das war für uns eine Festnahme wie sie mehrfach durchgeführt wurde, nur hatte einen anderen ... ein anderes Ausmaß nachher.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Herr Zeuge, Sie haben, wenn ich das recht sehe, eine Aussage bei 1 K in Hannover am 8.2.1975 gemacht. Das war acht Monate, wenn ich richtig zähle, nach dem Vorgang den Sie hier schildern.

Vors.:

Zitatstelle bitte.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Blatt 47 aus Band 1 des SO Festnahme Meinhof, Müller und Blatt 48, die Unterschrift auf Blatt 48.

Herr Zeuge, daß von Ihnen diese Zeugenaussage, die [jj] hier liegt, ist damals von Ihnen, wenn ich Sie richtig verstanden habe, ohne irgend welchen Rückgriff auf schriftliche Unterlagen erfolgt. Haben Sie acht Monate nach diesem Vorgang den Sie erstens, als ursprünglich für Sie nur beiläufig betrachtet haben, von dem Sie zweitens nach eigener Aussage kein Erinnerungsstück angefertigt haben als Notiz, waren Sie da nach acht Monaten ohne Auffrischung Ihres Gedächtnisses in der Lage, den Tathergang vollständig zu schildern. Wissen Sie, daß Sie am 8.2.1973 ...

Vors.:

Ja, Herr Rechtsanwalt, jetzt kommen zusätzliche Fragen. Also diese lange Frage bedeutete, ob Sie bei Ihrer Aussage am [5410] 8.2.1973 aus Ihrem Gedächtnis geschöpft haben oder auf Unterlagen, die Sie sich selbst hergestellt haben, zurückgegriffen hätten.

Zeuge Se[verin]:

Also ich bin im Moment überfragt, was es für eine Vernehmung war.

Vors.:

8.2.73 liegt eine von ...

Zeuge Se[verin]:

Ist das ... bezog sich glaub ich auf Herrn Müller?

Vors.:

Bezog sich auf Herrn Müller, ja.

Zeuge Se[verin]:

Auf Herrn Müller.

Vors.:

Ob Sie damals Unterlagen verwendet haben oder ob Sie aus dem Gedächtnis geschöpft hatten.

Zeuge Se[verin]:

Nein nein, also wir haben ja bei uns keine Unterlagen.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Herr Zeuge, eine andere Frage. Wurden, bevor diese Aussage protokolliert wurde, Ihnen Vorhalte gemacht?

Zeuge Se[verin]:

Herr Professor?

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ja.

Zeuge Se[verin]:

Herr Professor, wir hatten die ganze Sache ja rekonstruiert.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ja, wann denn?

Zeuge Se[verin]:

Da sind ja ... muß eine Bildmappe irgendwo entstanden sein. Vielleicht ist es dadurch auch wieder ein bißchen in Erinnerung gewesen aber ich kann’s nicht sagen, was ich da gesagt habe ...

Vors.:

Verzeihung, wenn ich hier nur klären will. Die Rekonstruktion betrifft aber Müller.

Zeuge Se[verin]:

Ja, genau.

Vors.:

Damit wir uns darüber klar sind.

Zeuge Se[verin]:

Ja ja, sagte ich ja, die Bildmappe für Müller die ist auch unten gemacht worden, nicht in der Wohnung.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Herr Zeuge, Sie sind am 8.2. vernommen worden beim ersten Kommissariat in Hannover. Das ist eine Ihnen doch wohl, darf ich Sie Fragen, ist Ihnen diese Dienststelle geläufig? Erstes K übersetze ich als Kommissariat.

Zeuge Se[verin]:

Ja ja.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ist Ihnen dieses ... diese Dienststelle geläufig?

[5411] Zeuge Se[verin]:

Ich war selber 25 Jahre bei der PD Hannover, bevor ich zum LKPA war und dadurch kenne ich die Dienststelle genau.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Gut. Dort sind Sie vernommen worden von zwei Herren oder von einem Herrn ...

Zeuge Se[verin]:

Von Herrn Ties.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Von Herrn Ties.

Zeuge Se[verin]:

Ja.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Den kennen Sie persönlich?

Zeuge Se[verin]:

Ja.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Gut.

Zeuge Se[verin]:

Wir waren, wenn es ...

Prof. Dr. Azz[ola]:

Können Sie mir sagen, können Sie mir sagen, da steht auch, Herr Vorsitzender, der 8.2. das werde ich, wenn’s nötig ist, später darlegen in sehr engem Zusammenhang mit meiner Mandantin. Können Sie mir sagen ob, als Sie zu diesem Herrn Ties kamen, dieser Ihnen zunächst einmal geschildert hat den Gegenstand der ... um den er Sie um Aussage gebeten hat. Wie ist das abgelaufen. Können Sie mir eine Schilderung des Ablaufes geben?

Zeuge Se[verin]:

Das steht doch alles in der Vernehmung.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Was steht denn in der Vernehmung?

Zeuge Se[verin]:

Ja, warum ich vernommen worden bin.

Prof. Dr. Azz[ola]:

So.

Zeuge Se[verin]:

Es ging doch gegen Herrn Müller.

Vors.:

Herr Zeuge, der Herr Professor interessiert sich für den Ablauf, ob da Vorgespräche stattgefunden haben, ob man Sie eingewiesen hat in den Gegenstand Ihrer Vernehmung oder ob Sie freiweg von der Leber erzählen konnten.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ja.

Zeuge Se[verin]:

Also einen Vorhalt, Herr Professor, brauchte man mir nicht machen, denn ich hab es ja heute noch in etwa in Erinnerung, den Ablauf, da braucht man mir vielleicht auch in zwei, drei Jahren keinen Vorhalt machen, dann weiß ich den Tathergang auch noch ...

Prof. Dr. Azz[ola]:

Herr Zeuge, haben Sie am 8.2.1973 einen [5412] Kriminalhauptkommissar Erwin S[...] getroffen?

Zeuge Se[verin]:

Den hab ich auch Tage vorher und Tage nachher getroffen, weil es ja mein Dienststellenleiter war. Wir haben ja uns gegenüber gesessen, wenn man so will.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Haben Sie mit diesem Herrn über den Gegenstand dieser Vernehmung gesprochen?

Zeuge Se[verin]:

Es wurde vorher schon mal gesagt ... diese Bildserie oder die Bildmappe die sollte ja schon längst erstellt worden sein, aber weil unsere Kollegen viel unterwegs sind, mußte das glaub ich, immer so wie ich’s heute noch in Erinnerung habe, bitte mich nicht drauf festzunageln, aber es mußte so ein, zweimal vielleicht verschoben werden.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Herr Zeuge, haben Sie am 8.2. oder unmittelbar vorher mit Herrn Kriminalobermeister Rolf Günter Tränab gesprochen?

Zeuge Se[verin]:

Der war ebenfalls auf unserer Dienststelle, den ich täglich gesehen habe.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Herr Zeuge, haben Sie am 8.2. oder unmittelbar vorher mit dem Herrn gesprochen über den Gegenstand, zu dem Sie am 8.2. vernommen worden sind?

Zeuge Se[verin]:

Sie meinen jetzt, daß wir uns verabredet haben?

Prof. Dr. Azz[ola]:

Herr Zeuge, Sie haben keine Vermutungen über mein Meinen hier zu äußern.

Zeuge Se[verin]:

Entschuldigung, Entschuldigung ich hab nur gefragt.

Vors.:

Entschuldigen Sie Herr Zeuge, es war eine Gegenfrage, der Herr Zeuge wollte sich Klarheit darüber verschaffen, daß Sie von Ihm wissen wollten ... das ist selbstverständlich zulässig.

[kk] Prof. Dr. Azz[ola]:

Jawohl, Herr Zeuge, ich vermute nichts Rechtswidriges. Ich will nur wissen, ob Sie am 8.2. mit dem Herrn vor Ihrer eigenen oder vor dessen Vernehmung über die Sache, zu der Sie vernommen worden sind, gesprochen haben.

Zeuge Se[verin]:

Ich könnte mir vorstellen, bei solch einer Festnahme, die nicht alltäglich ist, daß man sich da tagelang und wochenlang schonmal unterhält, was wir verkehrt gemacht haben [5413] und was kann man bei der nächsten Sache die so ähnlich läuft, besser machen. Aber vom Verabreden, ich brauchte mich nicht verabreden, weil ich ja auch dies Ausmaß gar nicht kannte, möchte ich sagen, ich weiß auch nicht, von wem oder auf wessen Veranlassung hin wir am 28. ... am 8. Februar vernommen worden sind. Es wurde lediglich von ... von der PD angerufen ...

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ich weiß das, ich weiß das, ich hab schon meine Gründe.

Zeuge Se[verin]:

... und dann bin ich dahin gegangen.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Herr Vorsitzender Richter ich habe zu diesem Komplex keine Fragen mehr. Ich nehme an, daß ich ... daß der Herr Zeuge Severin zu anderen Komplexen auch nach Vorlage der Asservatenliste noch gefragt werden kann.

Vors.:

Ja sicher. Fragen bis zum Schluß. Ich höre, daß Herr Rechtsanwalt Linke sich zunächst gemeldet hat und er ist auch Verteidiger von Frau Meinhof, verzeihen Sie natürlich ...

RA Li[nke]:

Herr Severin, darf ich nochmal auf diesen Zettel zurückkommen den Sie aus der Lederjacke genommen und dann gleich wieder hineingesteckt haben oder aus der Samtjacke, entschuldigen Sie. Sie sagten, Sie haben diesen Zettel flüchtig überlesen, ist das richtig formuliert?

Zeuge Se[verin]:

Ja, was ich so entziffern konnte ...

RA Li[nke]:

Was Sie entziffern konnten. Wissen Sie noch zu sagen, was Sie entziffert haben sinngemäß?

Zeuge Se[verin]:

Also auf wörtliche Passagen kann ich heute nicht mehr eingehen.

RA Li[nke]:

Ja erinnern Sie sich noch an das, was Sie damals gelesen haben, Sie brauchen es nicht im Wortlaut wiederzugeben aber was haben Sie denn da so ...

Zeuge Se[verin]:

Herr Rechtsanwalt, nicht nur ich sondern die ...

RA Li[nke]:

Nein ich möchte, entschuldigen Sie, ich möchte ...

Zeuge Se[verin]:

Was ich für einen Eindruck ...

RA Li[nke]:

... wissen, was Sie entziffern haben.

[5414] Zeuge Se[verin]:

Schön dann muß ich eben sagen, bitte auf das, was ich ... aufgrund dessen, was ich gelesen habe und was dann da zwischen uns gesprochen worden ist, habe ich in Erinnerung, heute noch. Wie gesagt, das Schreiben aus irgend einer Anstalt gekommen sein muß, ich kann aber auch nicht sagen, auf welchem Wege, weil[ll] ja kein Couvert mehr bei war, und daß da ...

RA Li[nke]:

Herr Severin ...

Zeuge Se[verin]:

... irgendwelche Anordnungen ...

RA Li[nke]:

Ja ja.

Zeuge Se[verin]:

... gegeben wurden.

RA Li[nke]:

Herr Severin, ich habe Sie nicht danach gefragt, was Sie festgestellt oder in Erinnerung haben aufgrund des Durchlesens auch Ihrer Kollegen, sondern ich wollte wissen, was Sie aufgrund Ihres kurzen flüchtigen Durchblicks, bevor Sie’s wieder in die Tasche gesteckt haben, noch in Erinnerung haben. Was wissen Sie noch von da her. Was ist Ihnen da aufgefallen an diesem Zettel?

Zeuge Se[verin]:

Also ich hatte ja nun das Schreiben als Erster in der Hand ...

RA Li[nke]:

Eben.

Zeuge Se[verin]:

... weil der Kollege Hücker und S[...] Frau Meinhof halten mußten ...

RA Li[nke]:

Ja.

Zeuge Se[verin]:

... denn sie war ja renitent und dabei habe ich nur irgendwelche ... Zusammenhang ... aber irgendwelche Ausdrücke da wohl gefunden ...

RA Li[nke]:

Ja was denn für Ausdrücke?

Zeuge Se[verin]:

Ja ich kann nicht ... Herr Rechtsanwalt ...

RA Li[nke]:

Entschuldigen Sie, entschuldigen Sie ...

Zeuge Se[verin]:

... aber ich kann es heute nicht mehr sagen.

RA Li[nke]:

Gut Sie können’s nicht mehr sagen.

Zeuge Se[verin]:

Nein, das kann ich nicht mehr.

RA Li[nke]:

Haben Sie gar keinen Ausdruck mehr im Gedächtnis?

Zeuge Se[verin]:

Nein, ich sage ja, ich hab nur so, nur so in Erinnerung, daß da wohl Anordnungen gegeben werden sollten, wie man sich draußen zu verhalten hatte.

[5415] RA Li[nke]:

Gut und jetzt, Herr Zeuge, eine Frage. Wenn ... ist Ihnen das wirklich schon bei diesen eigenen ersten durchlesen aufgefallen, daß da Anordnungen nach draußen gegeben werden?

Zeuge Se[verin]:

Bei was?

RA Li[nke]:

Na bei Ihrem Durchlesen, Sie haben’s ja doch flüchtig gelesen oder überlesen, bitte legen Sie mich nicht auf die Formulierung fest, Sie haben’s in die Hand genommen, die anderen haben sich mit Frau Meinhof beschäftigt, Sie haben sich den Zettel angesehen, ist Ihnen da schon aufgefallen, daß das Anweisungen von drinnen nach draußen sind? Wenn die ...

Zeuge Se[verin]:

Kann ich nicht mehr sagen.

RA Li[nke]:

Bitte?

Zeuge Se[verin]

Kann ich nicht mehr sagen.

RA Li[nke]:

Können Sie nicht mehr sagen. Wenn es Ihnen aufgefallen wäre, daß es Anweisungen von drinnen nach draußen sind, hätten Sie denn dann den Zettel einfach wieder so in die Tasche reingesteckt. Hätten Sie ihn da nicht gesondert sichergestellt als bedeutendes Beweismittel?

Zeuge Se[verin]:

Den hab ich auch nicht reingesteckt, ich hatte ja auch zur genauen Informierung den Zettel weitergegeben.

RA Li[nke]:

Sie sagten doch, Sie hätten ihn gleich wieder in die Tasche reingesteckt.

Zeuge Se[verin]:

Nein.

RA Li[nke]:

Jackentasche.

Zeuge Se[verin]:

Der Kollege Hücker oder S[...] oder irgend einer mußte gelesen haben, vielleicht ist ... nein der Stackenburg war glaub ich noch nicht da ... aber es müßte schon einen Kollegen S[...] oder Hücker weil die ja wahrscheinlich ohne Brille noch besser gucken oder bestimmt besser gucken können als ich, ...

RA Li[nke]:

Ja ...

Zeuge Se[verin]:

... daß die dann mehr da draus gelesen haben.

RA Li[nke]:

Ja aber Sie haben nichts präzises mehr aus Ihrem eigenen Durchlesen [mm] im Gedächtnis?

[5416] Zeuge Se[verin]:

Nein, nur noch das was ich in Erinnerung habe, daß das Schreiben, meine ich jedenfalls, bitte wenn’s nicht so ist ... aber ich meine, daß das irgendwie so mit ... irgendwelchen Anordnungen zu tun hatte ...

RA Li[nke]:

Ja haben Sie das gehört, haben Sie das dann gehört in dem Gespräch mit den Kollegen oder haben Sie das selber gelesen, das will ich wissen.

Zeuge Se[verin]:

Herr Rechtsanwalt, wir standen ja gedrängt auf einem Haufen.

RA Li[nke]:

Ja.

Zeuge Se[verin]:

Nicht so weit wie wir jetzt wir ... Frau Meinhof in der Mitte, da die Kollegen, und ich war hier an der Wand, also wir brauchten uns nicht anschreien und nichts und damals konnte ich vielleicht noch ein bißchen besser hören, ich weiß es nicht.

RA Li[nke]:

Ja nun, ich will ja nicht wissen, was Sie gehört haben, sondern ich wollte wissen, was Sie gelesen haben.

Zeuge Se[verin]:

Herr Rechtsanwalt, ich kann nur nochmal sagen, genau kann ich Ihnen das nicht sagen.

RA Li[nke]:

Ja können Sie mir überhaupt was sagen, was Sie gelesen haben?

Zeuge Se[verin]:

Gelesen haben, auch nicht ungenau, nur was bei mir noch irgendwie so haftet ...

RA Li[nke]:

Gut, danke.

Zeuge Se[verin]:

Sinngemäß.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Becker, Sie hatten sich, glaube ich als nächster gemeldet.

RA Be[cker]:

Ich hab nur noch eine Frage. Zum Anfang, als Sie den Observationsauftrag bekommen haben, haben Sie da schon, was ist Ihnen da genau gesagt worden, was Sie observieren sollen und wie der ... was da zu beobachten wäre und auf was Acht zu geben wäre.

Zeuge Se[verin]:

Ich bin in dem Geschäft über zehn Jahre tätig gewesen, da braucht man mir nicht groß sagen, was ich zu tun und zu lassen habe, es war bekannt, daß da sich zwei Personen angesagt hatten und da sollte ich die Vorabklärung machen [5417] und das ist nun, daß die uns da gleich begegnet sind das ...

RA Be[cker]:

Nein ... es geht eigentlich wirklich nur darum, was Sie an Informationen bekommen haben um diese Observation durchführen zu können.

Zeuge Se[verin]:

Informationen brauchte ich insofern nicht kriegen, weil ich mich ja noch angeboten habe, bin gebürtiger Hannoveraner und kenne die Ecke sehr genau und war auch da sehr gut zu Hause in der Gegend, weil da ein Sportsfreund, aber das gehört ja nicht dazu.

Vors.:

Herr Zeuge, es weicht ab. Die Frage geht ganz präzise danach, ich darf aber darauf hinweisen, es war meine erste Frage die ich an den Herrn Zeugen auch gestellt habe, nämlich ob Sie gewußt haben, um was es geht.

Zeuge Se[verin]:

Nein.

RA Be[cker]:

Das ist doch ne andere Form ...

Vors.:

Welche Informationen Ihnen gegeben worden sind für diesen Auftrag ...

Zeuge Se[verin]:

Herr Vorsitzender, dann hätte ich eine Pistole mitgenommen.

RA Be[cker]:

Herr Vorsitzender ich glaube, Sie haben, ich hab Ihre Frage wirklich nicht wiederholt. Sie haben gefragt worum ging es, wußten Sie das, ich habe gefragt, wie lauteten die Informationen, das ist ein Unterschied ...

Vors.:

Deswegen lasse ich sie zu Herr Rechtsanwalt.

RA Be[cker]:

... Zeuge hat sie leider nicht beantwortet sondern gesagt, wenn er gewußt hätte, hätte er eine Pistole ... nun nochmal ...

Zeuge Se[verin]:

Ab ... die Sache abzuklären.

RA Be[cker]:

Was für Informationen ... Sie haben ... also wenn ich Ihnen mal das sagen darf was ich mir da drunter vorstelle. Es ist Ihnen gesagt worden meinetwegen, gehen Sie an die und die Ecke, wir haben folgende Information, da kommen Leute die wollen vielleicht in die und die Wohnung, die können mit der und der Sache zusammenhängen undsoweiter. In der Weise müßte doch irgendwie ne Information gegeben worden sein.

[5418] Zeuge Se[verin]:

Herr Rechtsanwalt, unser Dienststellenleiter Herr S[...], der kannte sich bestimmt da nicht in dieser Gegend so aus wie ich, und darum habe ich mich angeboten, die Sache abzuklären. Über die taktischen Maßnahmen bin ich nicht befugt, hier auszusagen.

RA Be[cker]:

Herr Zeuge, vielleicht liegt es auch an mir, daß ich ... ich will die Frage gerne noch einmal präzise formulieren. Sie haben Anweisung gekriegt, zu observieren. Wenn man einen solchen Auftrag kriegt, dann müssen in diesem Auftrag bestimmte Informationen enthalten sein, um den Auftrag durchführen zu können. Nämlich Objekt, Personen und so weiter genau zu bezeichnen die observiert werden soll und genau diesen Auftrag, wie der formuliert worden ist, bevor Sie dann ausgezogen sind, den möchte ich gerne von Ihnen wissen.

Zeuge Se[verin]:

Einmal bin ich dazu nicht befugt, auszusagen über unsere Maßnahmen, die wir ergreifen, aber ich antworte trotzdem noch so einigermaßen präzise, damit die Sache aus der Welt geschaffen wird. Einen speziellen Observationsauftrag kann ich nur bekommen, wenn ich weiß, die Person oder das Auto ist zu observieren, aber hier lag ja keine Personenbeschreibung vor, hier lag lediglich, daß eine männliche und weibliche Person sich da einmieten sollen, das war bekannt und eine Observation können wir ja auch erst vornehmen, wenn die Personen da sind, aber ich sollte ja lediglich eine Vorabklärung vornehmen.

RA Be[cker]:

Ist zu diesem Zeitpunkt noch ... BM-Fahndung so im öffentlichen Gespräch ziemlich stark gewesen? Erinnern Sie sich da noch dran?

Zeuge Se[verin]:

Wir waren da ganz stark mit liiert.

RA Be[cker]:

Sie waren den ganzen Tag mit.

Zeuge Se[verin]:

Nein, nicht den ganzen Tag ...

RA Be[cker]:

Ja, ich hab ...

Zeuge Se[verin]:

Wir waren mit der Sonderfahndung aufgrund unserer Dienststellung mit betraut.

RA Be[cker]:

Haben Sie denn zu dem Zeitpunkt, wo Sie gehört haben, da sollen zwei Leute sich irgendwo einmieten, in eine [5419] normale Wohnung von anderen Leuten, die wollen da Unterschlupf haben, und die sollen observiert werden, haben Sie da schon daran gedacht, daß das damit zusammen hängen könnte?

Vors.:

Also ich meine jetzt, die Frage ist beantwortet.

Zeuge Se[verin]:

Nicht nur da, sondern bei zig anderen Hinweisen ist da dran auch gedacht ...

Vors.:

Herr Zeuge ...

RA Be[cker]:

Dann haben Sie also schon bei Übernahme des Auftrages daran gedacht?

Zeuge Se[verin]:

Wer kam, das konnte man nicht wissen, aber daß es nun nicht irgend welche Studienkollegen von Herrn Rodewald waren, das stand ja wohl fest, sonst hätte sich ja die Quartiermacherin besser zu erkennen gegeben.

RA Be[cker]:

Und Sie haben sich dann auch, obwohl Sie da schon ein bißchen spekulierten, daß so was sein könnte, wenn ich Sie recht versteht, angeboten weil Sie die Gegend besonders gut kennen da.

Zeuge Se[verin]:

Ja, ja.

RA Be[cker]:

Gut danke.

Vors.:

Gut, dann könnten wir jetzt, soweit ich sehe, beginnen, dem Herrn Zeugen Asservate vorzulegen.

Dem Zeugen wird das Asservat

C 6.4.2 Pos. 25

zur Erläuterung vorgelegt.

Zeuge Se[verin]:

Die hatten wir ja früher bei der Polizei so ein Ding, also ich weiß nur noch hundertprozentig ...

Vors.:

Sie müssen am Mikrofon bleiben ...

Zeuge Se[verin]:

Daß so ein Ding dabei gewesen sein kann, so eine Pistole, ist gut möglich. Ich habe genau in Erinnerung, die Pistole die ich zwei Stunden etwa mit mir rumgeschleppt habe von Herrn Walter.

Vors.:

Müller.

Zeuge Se[verin]:

Die hab ich in Erinnerung, weil sie auch ... weil der Signalstift draußen war von Herrn Müller ...

Vors.:

In Ordnung, sonst keine Erklärung zu dieser Waffe Herr Zeuge.

[5420] Zeuge Se[verin]:

... die war durchgeladen ...

Vors.:

Herr Zeuge.

Zeuge Se[verin]:

... und dann ist der Signalstift ...

Vors.:

Herr Severin, bitte sind Sie so gut, behalten Sie die Aufmerksamkeit für das Gericht, wir können also jetzt nicht Gespräche am Zeugentisch hier zulassen.

Zeuge Se[verin]:

Ich weiß nur, daß das, verschiedenen Waffen, Pistolen ...

Vors.:

Die Waffe besagt Ihnen nichts besonderes?

Zeuge Se[verin]:

Nein.

[nn]

Den Zeugen wird das Asservat

C 6.4.2 Pos. 45

zur Erläuterung vorgelegt.

Zeuge Se[verin]:

Das ist die Jacke, die Frau Meinhof angehabt hat. Ob das nun Samt ist oder Plüsch, vermag ich nicht zu sagen ... ist es Samt, ich schätze Samt oder Plüsch oder was, ich kann’s nicht sagen, bin kein Textilfachmann aber das ist diese Jacke wohl die Frau Meinhof anhatte als sie uns auf der Straße vorm Eingang begegnete und wo auch in der Tasche ein Schein war.

Vors.:

Erkennen Sie die Jacke ganz speziell wieder oder können Sie nur sagen, es war so eine Jacke.

Zeuge Se[verin]:

Ja ... bitte, es war so eine schwarze Jacke mit Taschen drin, ist ja noch drin ... die Taschen sind auch noch drin ... also ich habe mir kein Zeichen reingemacht aber die müßte es ... so eine Jacke hatte sie an.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, ja bitte.

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Severin, wo haben Sie das Schriftstück, von welchem Sie gesprochen haben, gefunden?

Zeuge Se[verin]:

In ... weiß ich nicht, in der linken oder in der rechten Tasche ... hier.

RA Dr. He[ldmann]:

Außentasche?

Vors.:

Sonst keine Fragen, dann können wir das Stück zurückgeben.

Dem Zeugen wird das Asservat

C 6.4.2 Pos. 116

zur Erläuterung vorgelegt.

[5421] Zeuge Se[verin]:

Kann’s gewesen sein, kleine Schrift, so könnte ich es nicht lesen ... so einzelne Passagen mal ... aber wenn das so dicht gedrängt ist, dann kann ich’s nicht lesen.

RA Dr. He[ldmann]:

Sie haben’s ja ohne Brille gehabt, sowieso.

Zeuge Se[verin]:

Ja ja, dann brauch ich’s jetzt nicht lesen.

Vors.:

Zunächst mal Herr Zeuge, ist das vom Format her gesehen ...

Zeuge Se[verin]:

Ja, so DIN A 4- Bogen ich weiß nicht ...

Vors.:

Und von seiner Art, Art des Papieres her, das ist ja ein relativ dünnes Papier ... wenn Sie sich daran noch erinnern.

Zeuge Se[verin]:

Ja ... ist es eben, kein Kreu... Karo, nicht? Sondern ist es schlichtes Papier ... mehr nach dreieinhalb Jahren kann man ...

Vors.:

Versuchen Sie doch mal vielleicht die ... ohne Brille, [oo] ohne Brille Herr Severin, vielleicht mal gerade von Anfang an zu gucken, ob Sie damals das auch so gesehen haben und ob Ihnen irgendwas wieder in Erinnerung kommt, wenn Sie das jetzt vor sich so sehen.

Zeuge Se[verin]:

Nur sind meine Augen in den letzten dreieinhalb Jahren noch schlechter geworden.

Vors.:

Noch schlechter geworden.

Zeuge Se[verin]:

So daß ich jetzt wohl kaum noch was sehen kann ...

Vors.:

Wenn es nicht geht Herr Severin, ist kein Problem, dann sagen Sie geht nicht.

Professor Dr. Azzola fragt unverständlich.

Zeuge Se[verin]:

Was ich damals hatte und heute?

[pp] Prof. Dr. Azz[ola]:

Ja ... läßt sich aber beim Augenarzt feststellen.

Zeuge Se[verin]:

Ja ... können Sie hier mal gucken, das ... ich weiß nicht ...

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ja also für mich ist es ganz schlecht, das kann ich Ihnen versprechen.

Vors.:

Können Sie’s noch Herr Severin. Wenn nicht, dann sagen Sie ich kann das nicht, ich lese es nicht.

Zeuge Se[verin]:

Also ohne Brille kann ich’s nicht lesen.

Vors.:

Nicht, dann versuchen Sie’s mal mit Brille, ob Sie irgend etwas erkennen ob Ihnen hier, wenn Sie das so schnell anschauen wie damals, irgend ein Stichwort auffällt wo Sie sagen, richtig, das ist mir damals auch aufgefallen.

Zeuge Se[verin]:

Was ist?

[5422] Vors.:

Bitte lesen Sie. Herr Severin lassen Sie sich nicht immer durch Umstehende hier ablenken.

Vors.:

Wenn Ihnen da kein Stichwort auffällt, kein besonderer Ausdruck der Ihnen ...

Zeuge Se[verin]:

Nein, kann ich heute nicht mehr sagen, kann ich heute nicht mehr sagen.

Vors.:

Dann können wir das wieder zurücknehmen.

Zeuge Se[verin]:

Ich weiß nur also wie gesagt, daß wir uns dann anschließend unterhalten haben und daß ...

Vors.:

Entschuldigung, hier wird eine Frage dazu gestellt.

RA Li[nke]:

Herr Zeuge, erinnern Sie sich ob das ein Zettel war oder ob das zwei Zettel waren?

Zeuge Se[verin]:

Ich hatte vorhin schon gesagt, ich hatte ein ...

Vors.:

Mikrofon.

Zeuge Se[verin]:

Ich hatte vorhin schon gesagt, ich hatte einen in Erinnerung jetzt sind’s zwei, bitte, nach dreieinhalb Jahren ... [qq] Ja und haben Sie auch noch ... hier krieg ich ein bißchen Angstgefühle wenn alles hier so rumsteht, dann steh ich auch auf, spreche ein bißchen lauter.

Vors.:

Herr Severin warum wollen Sie denn unbedingt stehen, Sie ... wir sitzen ja auch und Sie können als Zeuge genau so sitzen.

Zeuge Se[verin]:

Wenn alles hier so im Nacken sitzt denn ... ist doch furchtbar ...

Vors.:

Kriegen Sie Platzangst.

RA Li[nke]:

Mikrofon, es tut mir leid. Ja und haben Sie auch noch in Erinnerung, daß es sich um kariertes Papier gehandelt hat?

Vors.:

Bitte Mikrofon.

Zeuge Se[verin]:

Das hatte ich ja vorhin schon gesagt, das hab ich in Erinnerung aber es ist nicht so.

RA Li[nke]:

Ja das wissen wir doch ...

Zeuge Se[verin]:

Steht doch da.

RA Li[nke]:

Ja das ist ein anderes.

Dem Zeugen wird das Asservat

C 6.4.2 Pos. 80

zur Erläuterung vorgelegt.

[5423] Zeuge Se[verin]:

... Tasche, Reißverschluß, hier müßte auch ne Maschinenpistole drin gewesen sein.

Vors.:

Dem Zeugen wird das Asservat

C 6.4.2 Pos. 20

zur Erläuterung vorgelegt.

Zeuge Se[verin]:

Außen waren ...

Zeuge Se[verin]:

Die lag hier drin ...

Vors.:

Erkennen Sie die Tasche genau wieder, daß es sich um die handelt?

Zeuge Se[verin]:

Die Tasche war das, ja, die schwarze Tasche mit [rr] einem Reißverschluß. Ich meine die Tasche zu erkennen ...

Vors.:

Und nun die Waffe.

Zeuge Se[verin]:

... und darin war die Maschinenpistole mit Munition.

Vors.:

Wollen Sie sich mal die Waffe genauer besehen, ob Sie auch hier übereinstimmende Merkmale, Kennzeichen finden?

Zeuge Se[verin]:

Ja, ja, ich weiß jetzt wieder, daß das ... wir gesagt haben ist sogar mit hier der der Verlängerungs... das hatten wir gesagt.

Vors.:

Fragen zu diesen beiden Gegenständen? Ich sehe, nicht.

RA Kö[nig]:

Ich verstehe eins nicht.

Vors.:

Bitte das Mikrofon. Herr Rechtsanwalt König.

RA Kö[nig]:

Ich verstehe nicht, was der Zeuge sagt mit der Verlängerungsstütze, oder was haben Sie gerade gesagt Herr Zeuge.

Zeuge Se[verin]:

Ja hier zum Rausziehen.

Protokollführer:

Bitte das Mikrofon einschalten, Herr Rechtsanwalt.

RA Kö[nig]:

Ja es ist eingeschaltet. Ja was hat man gesagt, ich hab’s hier offenbar mißverstanden.

Zeuge Se[verin]:

Hat man gesagt? Erinnere ich mich jetzt wieder dran, wo ich das Ding sehe.

RA Kö[nig]:

Sie haben es gesehen, daß die MP diese Verlängerungsstütze hatte, wie Sie sagen.

Zeuge Se[verin]:

Damals? Ja, ja.

RA Kö[nig]:

Gut, danke.

Zeuge Se[verin]:

Vorher hatte ich aber ... jetzt wo ich das sehe, erinnere ich mich wieder.

[5424] Dem Zeugen wird das Asservat

C 6.4.2 Pos. 81

zur Erläuterung vorgelegt.

Zeuge Se[verin]:

Ja das ist die grau-grüne Tasche, die wohl Frau Meinhof getragen hat. Hier waren zwar auch ne Pistole drin wohl und Handgranaten lagen oben drauf, wenn nicht noch ne andere grüne Tasche da ist, aber ich meine die war das.

Dem Zeugen wird das Asservat

C 6.4.2 Pos. 53

zur Erläuterung vorgelegt.

Vors.:

Es kommt nur drauf an, Sie werden wahrscheinlich die Nummer nicht im Kopfe haben, können also eine Übereinstimmung sicher nicht feststellen ...

Zeuge Se[verin]:

Nein, nein ich weiß ...

Vors.:

... ob es sich um eine Waffe etwa dieses Modells gehandelt hat, dieses Aussehens, dieser Farbe, dieses Zustands.

Zeuge Se[verin]:

Kann ich nicht mehr sagen.

Vors.:

Können Sie nicht mehr sagen.

Zeuge Se[verin]:

Aber der Kollege Hücker, der ist Waffenspezialist, Waffennarr, der hat sich das wohl wahrscheinlich eher gemerkt als ich.

Ende von Band 296.

[5425] Dem Zeugen werden die[ss] Asservate[tt]

C 6.4.2 Pos. 79 a und b

zur Erläuterung vorgelegt.

Zeuge Sev[erin]:

Das haben wir als selbstgefertigte Handgranaten bezeichnet.

Vors.:

Also waren das solche Dinger, wie Sie sie damals gesehen haben?

Zeuge Sev[erin]:

Ja. Es waren aber auch noch andere dabei.

Vors.:

Es kommt noch mehr. Wir sind nicht am Ende.

Prof. Azz[ola]:

Wie erkennt man das, Herr Zeuge?

Zeuge Sev[erin]:

Wie? Das haben wir bezeichnet als selbstgefertigte, weil noch andere Handgranaten, mit nem anderen Abzug dabei waren.

Prof. Azz[ola]:

Also am Abzug erkennt man das ...

Zeuge Sev[erin]:

Nein, das hab ich nicht gesagt. Wir haben daraus geschlossen, weil noch andere Handgranaten da waren, daß das wahrscheinlich auch Handgranaten sind. Ob das nun welche sind? Das können andere Sprengkörper sein, nicht?

Dem Zeugen wird das Asservat

C 6.4.2 Pos. 55

zur Erläuterung vorgelegt.

Der Apparat - ich hab’s vorher nicht gesehen -, aber das ist so’n Wärmflaschenformat. Unser - na, Sprengmeister war er nicht im Amt -, der die Munition da so untersucht, der hat den Koffer erst geröntgt, und dann wurde dieses Ding da aus dem Koffer ...

Der Zeuge deutet auf den Koffer

- Asservat C 6.4.2 Pos. 52 -

und sagt, aus diesem Koffer sei die Munition Pos. 55.

Der Koffer war aber schwerer damals.

Vors.:

Sie haben aber selbst diesen Körper nicht gesehen?

Zeuge Sev[erin]:

Bevor er entnommen wurden nicht.

Vors.:

Es könnte ja sein durch Aufmachen, daß Sie nen Blick drauf geworfen haben?

Zeuge Sev[erin]:

Nein, wir waren ja vielleicht ängstlich oder zu vorsichtig. Wir haben das Ding nicht aufgemacht, ...

[5426] Vors.:

... so daß Sie also nicht sagen können, daß Sie damals je gesehen haben?

Zeuge Sev[erin]:

Hinterher wurde uns gesagt - ich weiß nicht mehr, wie der Kollege da heißt, der den Koffer geröntgt hat.

Dem Zeugen wird das Asservat

C 6.4.2 Pos. 24

zur Erläuterung vorgelegt.

Kann ich im Moment nicht mehr sagen. Ich habe nur bei Frau Meinhof in Erinnerung, daß sie so ’ne graugrüne Wildledertasche hatte.

- Prof. Azzola verläßt um 11.55 Uhr den Sitzungssaal.-

Dem Zeugen wird das Asservat

C 6.4.2. Pos. 79

zur Erläuterung vorgelegt.

Ich hab mir wohl die wesentlichsten Sachen gemerkt. Aber so ins Detail, was einzeln in den Sachen war, weiß ich nicht mehr so genau.

Dem Zeugen werden die Asservate

C 6.4.2. Pos. 58 a - g

zur Erläuterung vorgelegt.

Vors.:

Sagt Ihnen diese Sammlung von Metallstücken irgend etwas?

Zeuge Sev[erin]:

Nee - nein, weiß ich nicht, kann ich nicht sagen.

Vors.:

Ist Ihnen der Begriff „Auszieherkralle“ geläufig?

Zeuge Sev[erin]:

Ja, am Gewehr oder an einer Pistole.

Vors.:

Das ist aber nicht damit gemeint. Sie wissen da offensichtlich nicht, um welchen Begriff es sich im Zusammenhang mit diesen Dingen handelt.

Dem Zeugen wird das Asservat

C 6.4.2 Pos. 103 zur Erläuterung vorgelegt,

wobei es sich um eine Sammlung von Werkzeugen handelt.

Zeuge Sev[erin]:

Erinnere ich mich nicht.

[5427] Die Prozeßbeteiligten erhalten Gelegenheit, das Asservat C 6.4.2 Pos. 103

- Werkzeuge -

in Augenschein[27] zu nehmen.

Dem Zeugen wird das Asservat

C 6.4.2 Pos. 106 a - d

zur Erläuterung vorgelegt.

Zeuge Sev[erin]:

Ja, an Schlüssel erinnere ich mich, daß da sehr viele Schlüssel bei waren. Da erinnere ich mich. Ich meine, es waren sogar noch mehr Schlüssel vorhanden - könnte sein. Aber da erinnere ich mich noch dran, daß Sicherheitsschlüssel vorhanden waren.

Vors.:

Meinen Sie jetzt mehr Schlüssel als am Schlüsselbund selbst oder insgesamt mehr Schlüssel?

Zeuge Sev[erin]:

Insgesamt.

Dem Zeugen werden die[uu] Asservate[vv]

C 6.4.2 Pos. 109, 110, 111, 107 u. 108

zur Erläuterung vorgelegt.

Dazu kommen [ww] die Asservate

C 6.4.2 [xx] Pos. 112 und 113.

Ich sagte ja bei dem einzelnen Bund da eben schon, ich hab’s in Erinnerung, daß mehrere Schlüssel vorhanden waren.

Vors.:

Nun sehen Sie hier also eine größere Zahl?

Zeuge Sev[erin]:

Ja, dann ist das richtig.

Vors.:

Sind Ihnen diese Sachen beispielsweise nun alle zu Gesicht gekommen? Oder kann es sein, daß es andere Kollegen dort sichergestellt haben und Sie’s nachher nicht mehr sahen?

Zeuge Sev[erin]:

Nein, Nein. Sichergestellt hatten wir ja alles, und wer kam denn nachher? - Die sagten da irgend etwas von Wohnungen, da sind die Schüssel von irgendwelchen Wohnungen bei. Das hab ich aber auch nur gehört; bitte, nicht daß ich da irgendwo wieder festgelegt werde. Vom BKA habe ich - glaube ich - gehört, daß die sagten, von der Wohnung oder von der Wohnung sind da Schlüssel bei, nicht? Aber wieviele es waren, weiß ich nicht und hab’s nur in Erinnerung, daß es mehr waren, als was mir zuerst vorgelegt wurde.

Vors.:

Danke.

[5428] Richter Maier:

Herr Zeuge, zu den Schlüsseln nur eine Frage:

Können Sie sich möglicherweise an Schlüsselanhänger erinnern, auf denen Aufschriften angebracht waren?

Zeuge Sev[erin]:

Ja, das könnte damit zusammenhängen, daß - nun weiß ich nicht, obs der Kollege vom, weiß nicht, wie er heißt vom BKA, hab ich nie wieder gesehen -, daß die gleich sagten, da sind Schlüssel - ach, glaube ich, von der Garage - oder irgendwie war die Sprache, von Garage oder Wohnung.

Richter Mai[er]:

Herr Severin, es geht mir nur darum:

Haben Sie selbst solche Schlüsselanhängeraufschriften gelesen?

Zeuge Sev[erin]:

Nein, das war für mich nicht interessant.

Richter Mai[er]:

Danke.

Dem Zeugen wird das Asservat

C 6.4.2 Pos. 82

zur Erläuterung vorgelegt.

Zeuge Sev[erin]:

Keine Erinnerung.

Vors.:

Ja, in Ordnung.

Das Gericht nimmt Einsicht in die[yy] Asservate

C 6.4.2 Pos. 49. und 49 a.

Dem Zeugen werden diese Asservate übergeben.

Zeuge Sev[erin]:

Ja, die hatten irgendwelche Ausweise, die lauteten aber nicht auf Meinhof und bei ... Frau Meinhof hatte auch einen Ausweis. Aber Herr Müller hatte einen Ausweis auf Höhne. Das weiß ich noch. Ob da nun Ausweise drin waren, kann ich nicht mehr sagen. Aber es war ein Ausweis von Höhne.

Vors.:

Wenn Sie hier nochmals zusätzlich zu der Pos. 49 etwas sehen, können Sie damit irgendwas anfangen? einen Zusammenhang herstellen?

Zeuge Sev[erin]:

Haftet nichts mehr.

Dem Zeugen wird das Asservat

C 6.4.2 Pos. 80 a

zur Erläuterung vorgelegt.

[5429] Vors.:

Ich meine:

Erkennen Sie überhaupt, um was sich’s handelt dabei?

Zeuge Sev[erin]:

Ja, das sind wohl irgendwelche Druckbuchstaben.

Vors.:

Richtig. Sagt Ihnen nichts?

Zeuge Sev[erin]:

Nein.

Dem Zeugen wird das Asservat

C 6.4.2 Pos. 105

zur Erläuterung vorgelegt.

Hier könnte vielleicht Geld drin gewesen sein.

Vors.:

Gewiß, diese Vermutung können wir auch anstellen. Nein, also nur darum, ob Sie irgend etwas dazu zu sagen haben.

Zeuge Sev[erin]:

Nein.

Dem Zeugen wird das Asservat

C 6.4.2 Pos 24 a

zur Erläuterung vorgelegt.

- Der Zeuge gibt dazu keine Erläuterungen ab. -

Dem Zeugen wird das Asservat

C 6.4.2 Pos. 88

zur Erläuterung vorgelegt.

- Der Zeuge gibt dazu keine Erläuterungen ab. -

Dem Zeugen wird das Asservat

C 6.4.2 Pos. 100

zur Erläuterung vorgelegt.

Munition war ja mehrfach vorhanden, nicht? Auch in den Taschen war ja Munition vorhanden.

Vors.:

Ist im Zusammenhang damit irgendwie etwas Besonderes zu sagen? Sie wurden nach den Dum-Dum-Geschossen gefragt.

Zeuge Sev[erin]:

Ja, ich sagte vorher schon, daß Hohlgeschosse da waren und auch Dum-Dum-Geschosse. Die sind wohl hier alle hohl.

Dem Zeugen wird das Asservat

C 6.4.2 Pos. 99

zur Erläuterung vorgelegt.

[5430] Ich kann aber jetzt nicht sagen, wo die einzelnen in welcher Tasche waren. Aber ich sagte ja, es war ...

Vors.:

Ich meine, Herr Zeuge, es kommt immer darauf an, ob Sie sagen können, ich erkenne diesen Gegenstand und seinen Inhalt wieder oder einen Teil des Inhalts oder: Es erinnert mich irgendwie etwas. Sie müssen uns das klarmachen.

Zeuge Sev[erin]:

... daß Munition, wie gesagt, in rauen Mengen vorhanden war und vorwiegend in der schwarzen länglichen Tasche.

Vors.:

Aber an dieses Behältnis z. B. erinnern Sie sich nicht mit dem Inhalt der Munition?

Zeuge Sev[erin]:

Nein, nein, an den Behälter nicht.

Dem Zeugen wird das Asservat

C 6.4.2 Pos. 101

zur Erläuterung vorgelegt.

- Der Zeuge gibt hierzu keine Erläuterungen ab. -

Dem Zeugen werden die Asservate

C 6.4.2 Pos. 21, 22 und 23

zur Erläuterung vorgelegt.

Die müssen alle nachträglich verpackt worden sein, denn ich habe keine Tüte in Erinnerung.

Vors.:

Ja, das ist lose in der Tasche gewesen.

Können Sie auch wenigstens bestätigen, daß, sagen wir mal, Schachteln dabei waren oder sonstige Behältnisse, in denen ...

Zeuge Sev[erin]:

Ich hab nur noch in Erinnerung, daß das alles viel lose Munition ...

Das Gericht und alle übrigen Prozeßbeteiligten nehmen die Asservate

C 6.4.2.Pos. 26 und 54

in Augenschein.

Dem Zeugen wird eine Patrone aus[zz] Asservat

C 6.4.2 Pos. 99[aaa]

zur Erläuterung vorgelegt.

Das sind die, was ich vorhin erklärte, daß die vorne abgesägt sind als Dum-Dum-Geschosse.

Vors.:

Das verstehen Sie unter Dum-Dum-Geschossen. Jetzt haben wir den Punkt geklärt.

[5431] Dem Zeugen werden[bbb] die Asservate

C 6.4.2 Pos. 120 und 28

zur Erläuterung vorgelegt.

Zeuge Sev[erin]:

Magazine waren dabei. Es waren aber auch noch für die Maschinenpistole ... Die waren aber gefüllt zum Teil.

Dem Zeugen werden[ccc] nochmals[ddd] die Asservate

C 6.4.2 Pos. 21,23, 22

zur Erläuterung vorgelegt.

Magazine waren dabei.

Vors.:

Ja, sind das solche Magazine, wie Sie sie damals ...

Zeuge Sev[erin]:

Jaja.

Vors.:

Auf das kommt’s an, nicht wahr, daß Sie angeben:

So was habe ich dort gesehen, und das Stück habe ich ganz speziell gesehen.

Dem Zeugen wird das Asservat

C 6.4.2 Pos. 27

zur Erläuterung vorgelegt.

[eee]

Zeuge Sev[erin]:

Ein Holster[fff] mit Riemen, das war da.

Dem Zeugen werden die Asservate

C 6.4.2 Pos. 122 und 121

zur Erläuterung vorgelegt

Ja, jetzt fällt mir’s wieder ein:

Frau Meinhof hatte „Doktor“ drinstehen. An den Namen erinnere ich mich nicht mehr; aber wo Sie ihn jetzt vorlegen, daß „Doktor“ dabei war, da erinnere ich mich.

Das ist aber nicht, ich meine ... -

Vors.:

Sie meinen, das Bild stimmt nicht. Naja, das mag sein.

Zeuge Sev[erin]:

Und darauf fiel uns denn auch wieder auf: Das kann sie nicht sein.

Vors.:

Können Sie zunächst sagen, daß Sie damals auch gesehen haben, daß ein Reisepass und ein Führerschein da war, ...

Zeuge Sev[erin]:

Ja, ja.

[5432] Vors.:

... und Ihnen fällt jetzt noch ein, zwar nicht mehr der Name, aber daß ein Doktor-Titel dazu aufgeschrieben war?

Zeuge Sev[erin]

Das fällt mir wieder ein. ’N Pass auf „Höhne“ müßte noch da sein.

Vors.:

Herr RA Becker.

RA Be[cker]:

Herr Zeuge, habe ich Sie richtig verstanden:

Erinnern Sie sich an das Foto darin nicht mehr?

Zeuge Sev[erin]:

Doch. Ich habe gesagt, an den Namen nicht mehr, aber an „Doktor“, daß sie sich als „Doktor“ ausgegeben hat und daß wir gesagt haben - auch ich habe ja gesehen -, daß das ne andere war, als die wir festgenommen hatten.

RA Be[cker]:

Ja, vielleicht können Sie sich an das Foto noch erinnern?

Zeuge Sev[erin]:

Nee, nicht mehr. Ich weiß nur noch, daß wir gesagt haben, das ist ja nicht die ...

Gemäß § 249 StPO wird der Reisepass

- Asservat C 6.4.2 Pos. 122 -

verlesen.[28]

Desgleichen wird gemäß § 249 StPO der Führerschein

- Asservat C 6.4.2 Pos. 121 -

verlesen.

Dem Zeugen wird das Asservat

C 6.4.2 Pos. 35

zur Erläuterung vorgelegt.

Jetzt haben wir das Kleinkarierte hier, daher vielleicht die Verwechslung.

Vors.:

Also etwas Kleinkariertes war dabei. Das haben wir festgestellt.

Prof. Azzola erscheint um 12.17 Uhr wieder[ggg] im Sitzungssaal.

Sind zu diesen jetzt vorgelegten Asservaten irgendwelche Fragen an den Herrn Zeugen zu stellen?

Herr Zeuge.

Zeuge Sev[erin]:

Es muß doch auch noch Geld dagewesen sein?

Vors.:

Es sind noch sehr viele Gegenstände da. Wir haben nur bestimmte Gegenstände hier angefordert, um sie Ihnen vorzuzeigen.

[5433] Sind weitere Fragen in dem Zusammenhang?

Herr RA König.

RA Kö[nig]:

Wenn keine Fragen mehr sein sollten, Herr Vorsitzender, möchte ich die Gelegenheit nützen, um eine kurze Erklärung abzugeben zu den Dum-Dum-Geschossen, wenn ich das jetzt schon darf.

Vors.:

Sind Fragen, die zuerst gestellt werden sollen?

Grundsätzlich:

Es ist eine Erklärung nach § 257 StPO,[29] die wir erst nach Abschluß der Zeugenaussage entgegennehmen wollen. Ich möchte eigentlich das Prinzip wahren, sonst werde ich später daran erinnert.

RA Kö[nig]:

Aber ich kann’s auch im Wege des Vorhalts machen, weil ich nämlich gern möchte, daß der Herr Zeuge noch da ist.

Herr Zeuge, was Sie als Dum-Dum-Geschosse bezeichnet haben, das waren diese Patronen in einem von diesen kleinen Umschlägen. Das sind also Kupfermantelgeschosse gewesen, mit[hhh] einer abgeplatteten Spitze. Das sind High-Speed-Geschosse, also Supergeschosse - 9 mm super -, die werden fabrikmäßig hergestellt.

Das ist kein Dum-Dum.

Vors.:

Die Frage an Sie nach diesem Vorhalt, Herr Zeuge:

Können Sie das, was Ihnen vorgehalten worden ist, aus eigener Sachkenntnis widerlegen.

Zeuge Sev[erin]:

Ich meine, die vorne abgesägt sind, abgefeilt sind, die bezeichne ich als Dum-Dum-Geschosse.

Vors.:

Ja, aber Sie scheinen sich nach dem Augenschein jedenfalls zu irren, wenn Sie davon ausgehen, daß das etwa eine Arbeit der Besitzer gewesen wäre, sondern das ist, wie Ihnen eben vorgehalten worden ist, eine fabrikmäßige Herstellung, ...

Zeuge Sev[erin]:

Das kann ich nicht sagen. Weiß ich nicht.

Vors.:

... so daß also der Ausdruck „Abfeilen“ oder „Absägen“, was an nachträgliche Tätigkeit erinnert, vielleicht nicht sachgerecht sein kann.

Sie können das nicht widerlegen, wenn Ihnen das vorgehalten wird?

Zeuge Sev[erin]:

Nein, nein.

Vors.:

Herr RA Dr. Heldmann.

[5434] RA Dr. He[ldmann]:

Eine Bitte an das Gericht:

im Anschluß an diese Augenscheinseinnahme die Innenmaße der äußeren Jackentaschen zu vermessen und festzuhalten.

Vors.:

Sie meinen [iii] von der Samtjacke?

RA Dr. He[ldmann]:

Von dieser einen Jacke, von der hier die Rede ist.

Vors.:

Und was bezeichnen Sie als Innentasche?

RA Dr. He[ldmann]:

Die Maße der Außentasche.

Die Jackentasche des Beweisstückes

- Asservat 6.4.2 Pos. 45 -

wird vom Vorsitzenden vermessen.

Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit, hierbei teilzunehmen.

Es werden folgende Innenmaße der äußeren Tasche zu Protokoll genommen:

Tiefe: knapp 18 cm,

Breite: knapp 13 cm.

RA Dr. He[ldmann]:

Danke schön.

Vors.:

Wenn keine Fragen mehr an den Herrn Zeugen sind, dann würde ich sagen, wir treten jetzt doch in die Mittagspause ein und bitten den Herrn Zeugen, eben nach der Mittagspause sich nochmals die Perücke anzusehen.

Damit wäre dann wohl Ihre Vernehmung abgeschlossen.

Herr Prof. Azzola.

Prof. Azz[ola]:

Ich habe nur zu diesem Sachzusammenhang keine Fragen. Aber ich habe noch Fragen an den Herrn Zeugen zu Sachverhalten, die hier noch nicht zur Sprache gekommen sind, sich aber sehr wohl in den Akten befinden.

Vors.:

Ja nun, wir wollen sehen, ob es der Wahrheitsermittlung dienlich sein kann. Dann können Sie jederzeit Ihre Fragen stellen.

Prof. Azz[ola]:

Oder auch nach der Mittagspause.

Vors.:

Nein, wir können jetzt die Aussage des Herrn Zeugen abschließen, denn wir haben inzwischen das Beweisstück hier vorliegen, so daß Ihre Frage jetzt zu stellen wäre.

Prof. Azz[ola]:

Herr Zeuge, ich möchte Sie fragen, wann Sie die Person, von der Sie vermutet haben, es sei die Angeschuldigte Meinhof, wiedergesehen haben, nachdem Sie sie in dieser Wohnung Rodewald ... sind Sie doch getrennt worden, da waren Sie ja nur ne Zeitlang zusammen.

[5435] Haben Sie sie nochmals wiedergesehen?

Zeuge Sev[erin]:

Herr Professor, Sie meinen jetzt nach der Festnahme von Herrn Müller und Festnahme von Frau Meinhof?

Prof. Azz[ola]:

Ja.

Zeuge Sev[erin]:

Hab ich nicht mehr gesehen, nein.

Prof. Azz[ola]:

Am ganzen Abend nicht?

Zeuge Sev[erin]:

Ja, bei ihrer Festnahme, das war ja vielleicht 10, 20 Minuten nach der Festnahme von Herrn Müller.

Prof. Azz[ola]:

Richtig, an dem ganzen Abend. Das war ja irgendwann zwischen 18.00 und 19.00 Uhr ...

Zeuge Sev[erin]:

Ach so, in der Folgezeit?

Prof. Azz[ola]:

... in der Folgezeit.

Zeuge Sev[erin]:

Ja, doch, da habe ich sie gesehen. Ich bin ja dann noch mitgefahren und dann wurde die Röntgenaufnahme vorgenommen.

Prof. Azz[ola]:

Wann haben Sie sie wiedergesehen?

Sind Sie mit der vorläufig[jjj] Festgenommenen im selben Auto auf ...

Zeuge Sev[erin]:

Nein, nein, nein. Frau Meinhof wurde gesondert transportiert mit zwei, drei Kollegen, und Kollege Hücker und ich, wir haben die Asservate zu uns transportiert, und ich meine, Frau Meinhof sei gleich in die Haftstation gebracht worden. Kann ich aber nicht sagen.

Prof. Azz[ola]:

Und dann sind Sie auch einmal in die Haftanstalt gefahren?

Zeuge Sev[erin]:

Ja, das war aber sehr viel später, weil anhand der Fingerabdrücke nichts festgestellt werden konnte, d. h., von Frau Meinhof lagen ja nirgends Fingerabdrücke vor; sie konnte aufgrund der Fingerabdrücke auch nicht identifiziert werden. Und dann fiel mir wieder der bewußte „Stern“ ein, und ich kam auf den Gedanken - d. h. ich mag vielleicht auch nicht allein draufgekommen sein, vielleicht andere auch noch -, aber jedenfalls fiel mir auch der „Stern“ wieder ein, so daß wir anhand der Klammer, die ja oben eingebracht war, operiert war - an einem Tumor, glaube ich wohl, war’s -, daß da was zu unternehmen war. Aber das war dann schon zu sehr später Stunde.

Prof. Azz[ola]:

Und dann sind Sie mit der Festgenommenen in eine Klinik gefahren?

Zeuge Sev[erin]:

Ja - ich nicht allein.

[5436] Prof. Azz[ola]:

Können Sie zu den Vorgängen in der Klinik noch etwas sagen?

Zeuge Sev[erin]:

Wir sind da hingefahren, und der diensthabende Arzt ... Ja soll ich jetzt den ganzen Tathergang erzählen?

Vors.:

Nein. Es würde sowieso interessieren, Herr Professor, welchen Zusammenhang Sie zu den Gegenständen, die hier zu erörtern sind, sehen.

Prof. Azz[ola]:

Es geht um zwei Dinge:

Die eine Sache, die darf ich Ihnen zur Kenntnis geben; die andere Sache, Herr Vorsitzender Richter, werde ich Ihnen bei sich bietender Gelegenheit - sie wird sich bald bieten - zur Kenntnis geben.

Die eine Sache ist die Identifizierung:

Welche Maßnahmen zur Identifizierung der vorläufig Festgenommenen hat der hier anwesende Zeuge selbst erlebt? Offenbar irgend etwas mit der Klinik?

- Bl. 22 und 23 der Akten -

Zeuge Sev[erin]:

Ich habe ja gesagt, ich bin mit in die Klinik gefahren, und dann hat der behandelnde diensttuende Dr. ... - ich weiß nicht, ich glaube, es war ein Perser - gesagt - wir hatten ja das Buch mitgenommen: Also wenn die Festgenommene diese Person sein soll, wo der Schädel abgebildet ist, dann müßte sie irgendwie ne Narbe auf dem Kopf haben.

Und nach langem Hin und Her - gutes Zureden durch Krankenschwestern, durch uns - da ließ sie sich dann auch am Kopf durchsehen bzw. untersuchen, und da hat der Arzt keine Narbe gefunden.

Prof. Azz[ola]:

Herr Zeuge, im Stern waren doch Bilder abgedruckt?

Zeuge Sev[erin]:

Fotografien - ein Bild, glaube ich.

Prof. Azz[ola]:

Welchen Körperteil zeigte dieses Bild?

Zeuge Sev[erin]:

Den Schädel mit der Klammer.

Prof. Azz[ola]:

Darf ich Sie fragen, aus welcher Perspektive?

Zeuge Sev[erin]:

Der Arzt sagte - ich bin kein Fachmann -, aber der Arzt sagte, nachdem sie geröntgt war, sie sei von der verkehrten Seite geröntgt worden und darum sei die Klammer, wie auf der [5437] Fotografie da, wohl nicht ganz so sichtbar geworden.

Prof. Azz[ola]:

Herr Zeuge, ich hatte Sie nach der Perspektive des im „Stern“ publizierten Bildes gefragt. Ich möchte deshalb nicht ... Um keinen Disjunktionseinwand mir einzuhandeln, habe ich nicht gesagt: von vorne, von hinten, von der linken oder von der rechten Seite; nur, um das auszuschließen, hatte ich ganz allgemein gefragt, weil ich da sehr vorsichtig bin.

Zeuge Sev[erin]:

Ich hatte, glaube ich, geantwortet,

daß sie von der verkehrten Seite, wie es das Bild im „Stern“ dargestellt hat, geröntgt wurde. Wenn sie nun von der rechten Seite geröntgt worden ist im „Stern“, dann hatte man die linke Seite genommen; ist die linke Seite im „Stern“ besser sichtbar, dann hatte man die andere Seite ...

Prof. Azz[ola]:

Herr Zeuge, ich versuchs nochmals anders:

Was hat man von dem Kopf der vorläufig Festgenommenen auf dem Bild, von dem man vermutete, es sei eines der vorläufig Festgenommenen, gesehen?

Zeuge Sev[erin]:

Den Schädel.

Prof. Azz[ola]:

Was bezeichnen Sie mit Schädel? Schädel ist eine volkstümliche Bezeichnung.

Vors.:

Das ist eine rein medizinische Bezeichnung, die zum menschlichen Skelett gehört, Herr Professor.

Zeuge Sev[erin]:

Ja, wie soll ich mich denn ausdrücken? Ich bin kein Arzt. Hier den Kopf.

Prof. Azz[ola]:

Herr Zeuge, auf einem Bild kann ein Kopf nicht ganz erscheinen. Wir haben keine Rundum-Fotografie.

Zeuge Sev[erin]:

Ich hatte ja doch versucht zu erklären, Herr Professor, entweder die rechte Seite von oben oder die linke Seite oder von der Seite. Ich bin doch kein Röntgenfachmann, um das zu entscheiden.

Prof. Azz[ola]:

Herr Zeuge, das hat einen Grund. Ich möchte sie versuchen, zu präzisieren:

Konnte man auf diesem Bild Gesichtspartien sehen?

Zeuge Sev[erin]:

Soweit ich’s in Erinnerung habe, konnte man ja hinten hauptsächlich die Schädeldecke sehen; keine Gesichtszüge und nichts.

[5438] Vors.:

Herr Zeuge, wir haben hier dieses ...

Fragen?

RA Dr. He[ldmann]:

Ich hab zu diesem Komplex weitere Fragen.

Vors.:

Bitte schön, Herr Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Severin, wer hat die Röntgenaufnahme angeordnet? Welcher Ihrer Kollegen hat das getan?

Zeuge Sev[erin]:

Da war die Staatsanwaltschaft eingeschaltet; da waren von uns leitende Herren eingeschaltet, die erst Bücher gewälzt haben, nicht und ... -

RA Dr. He[ldmann]:

Sie haben vorhin gesagt, Sie können sich an den Namen nicht mehr erinnern jetzt auf diese Frage?

Zeuge Sev[erin]:

Bitte, ich möchte da nicht irgendwie festgenagelt werden. Wir haben mehrfach mit der Dienststelle telefoniert, und ich weiß auch, daß man die Staatsanwaltschaft und sogar den Richter noch eingeschaltet hat. Aber mehr weiß ich auch nicht.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich fragte nur nach Namen. Wenn Sie keine wissen, können Sie keine nennen.

Sie sagten vorhin:

Frau Meinhof oder diese Person, die demnächst identifiziert werden sollte, habe sich dieser Röntgenaufnahme freiwillig unterzogen?

Vors.:

... der Untersuchung des Schädels durch den Arzt.

RA Dr. He[ldmann]:

Sonst wurde ja nichts geröntgt als der Schädel.

Vors.:

Nein, der Untersuchung zunächst mal, ob eine Narbe festgestellt worden sei. Die Frage ist in der Richtung beantwortet. Ob im Zusammenhang mit der Röntgenaufnahme die Zustimmung vorlag, hat der Herr Zeuge noch nicht erwähnt.

RA Dr. He[ldmann]:

Wie hat sich Frau Meinhof auf das Ansinnen geäußert, ihren Schädel röntgen zu lassen?

Vors.:

Ich lasse die Frage nicht mehr zu.

Es ist nicht erkennbar, daß sie der Ermittlung der Wahrheit über den Gegenstand der Anklage in irgendeiner Weise förderlich sein sollte.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich bin da anderer Ansicht. Wenn Sie die Frage als unzulässig abweisen wollen - ich weiß nicht, wollen Sie dabei bleiben?

[5439] Vors.:

... als ungeeignet.[30]

RA Dr. He[ldmann]:

Sie wollen sie nicht zulassen?

Vors.:

Nein.

RA Dr. He[ldmann]:

Also wäre sie unzulässig.

Dann weise ich auf zweierlei hin:

1. auf die Frage des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte[31] und

2. auf die Frage des § 136a StPO[32] - diese beiden Gesichtspunkte -,

und da bitte ich Sie, erneut zu entscheiden, ob Sie die Frage zulassen wollen oder nicht.

Vors.:

Haben Sie Anhaltspunkte dafür, daß damals eine Vernehmung anschließend stattgefunden hat?

RA Dr. He[ldmann]:

Darauf kommt es nicht alleine an, sondern es kommt auf die Unterziehung einer Person als Beweisstück gegen sich selbst an.

Ende von Band 297.

[5440] - geheime Beratung des Senats -

RA Be[cker]:

Dann gehen Sie doch raus, wenn Sie so lange beraten.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Becker, ich verbitte mir ganz entschieden, daß Sie uns immer derartige Maßregeln anempfehlen. Wir können das selbst tun.

RA Be[cker]:

Herr Vorsitzender ...

Vors.:

Wenn wir rausgehen wollen, dann werden wir das von uns aus tun, da bedürfen wir nicht Ihres Hinweises ...

RA Be[cker]:

Wenn Sie irgendein Beratungsgeheimnis noch wahren wollen, das ist doch ...

Vors. (nach geheimer Beratung):

Der Senat hat beschlossen:

Die Frage ist nicht zulässig, da sie mit der Ermittlung der Wahrheit über den Gegenstand der Anklage nichts zu tun hat, nicht geeignet ist, die Wahrheitsermittlung in irgendeinem Punkte zu fördern.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich habe das hinzunehmen, mir die weiteren Fragen danach zu sparen und behalte mir dafür Erklärungen nach Abschluß der Zeugenaussage vor.

Vors.:

Sind weitere Fragen an den Herrn Zeugen. Ich sehe nicht. Herr Zeuge, noch schnell zu dieser Perücke.

Das Asservat C 6.4.2 Pos. 42 wird dem Zeugen zur Erläuterung vorgelegt.

Zeuge Se[verin]:

Ich kann nur sagen, ohne es gesehen zu haben, daß es eine dunkle Perücke war. Es ist eine dunkle. Ob es nun eine schlichte oder Locken waren, weiß ich nicht mehr. Aber es war eine dunkle.

Alle Asservate, die dem Zeugen Severin zur Erläuterung vorgelegt worden sind, wurden in Augenschein genommen.

Alle Prozeßbeteiligten hatten jeweils die Gelegenheit, am Augenschein teilzunehmen.

Vors.:

Sonstige Fragen? Ich sehe nicht mehr. Herr Zeuge, ich glaube, wir können dann Ihre Vernehmung abschließen. Einwendungen gegen Vereidigung[33] des Herrn Zeugen? Ich sehe nicht.

[5441] RA Dr. He[ldmann]:

Ich habe Einwendungen gegen die Vereidigung des Zeugen.

Vors.:

Dann bitte ich nochmals Platz zu nehmen.

RA Dr. He[ldmann]:

Weil der Zeuge von dem Herrn Vorsitzenden nicht auf ein etwaiges Auskunftsverweigerungsrecht nach [§ ]55 StPO[34] belehrt worden ist. Die Begründung brauche ich Ihnen nicht zu geben, die können Sie nämlich Blatt 22/23 der Ihnen vorliegenden Akte entnehmen.

Vors. (nach geheimer Umfrage):

Der Senat hat beschlossen:

Der Zeuge ist zu vereidigen.

- Der Zeuge Severin wurde vorschriftsmäßig vereidigt und im allseitigen Einverständnis um 12.37 Uhr entlassen. -

Vors.: Fortsetzung der Sitzung: 14.15 Uhr.

Pause von 12.37 Uhr bis 14.23 Uhr.

[5442] Fortsetzung um 14.23 Uhr.

Der Zeuge Kemp ist anwesend.

RA Künzel ist nicht mehr[kkk] anwesend.

Prof. Dr. Azzola und RA Dr. Heldmann sind nicht mehr[lll] anwesend.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Becker, wir setzen fort. Sie hatten gebeten, abzuwarten noch. Ich habe Ihnen gesagt, fünf Minuten können wir zuwarten. Es sind jetzt also 8 Minuten über der vorgesehenen Beginnzeit.

RA Be[cker]:

Darf ich kurz dazu was sagen?

Vors.:

Bitte.

RA Be[cker]:

Also die Situation ist die gewesen; 20 vor 2.00 Uhr bin ich in die Haftanstalt gegangen. Um 5 nach 2.00 Uhr ist meine Mandantin mir immer noch nicht vorgeführt gewesen. Ich bin dann wieder zurückgekommen. [mmm] Die anderen, Herr Dr. Heldmann und Herr Professor Azzola, sind vorher bereits reingekommen. Es hat praktisch, bestand keine Möglichkeit, innerhalb einer Dreiviertelstunde hier überhaupt einen Besuch durchzuführen. Ich bin dann gleich wieder runtergekommen, um Ihnen das mitteilen zu können. Wenn die Untersuchungshaftanstalt die Vorführung derart langsam betreibt, dann ist praktisch ein Verteidigergespräch in der Mittagspause überhaupt nicht möglich. Ich möchte nur vielleicht auf eines darauf hinweisen, bitten, daß Herrn Kollegen Prof. Azzola Gelegenheit gegeben wird, Erklärung nach § 257[ StPO] zu der vorangegangenen Vernehmung, wenn er jetzt noch nicht wieder da ist, dann im Anschluß an den jetzigen Zeugen abgeben zu können.

Vors.:

Gut, die Gelegenheit wird eingeräumt. Wenn also in dieser Richtung Schwierigkeiten auftreten, so bitte ich das außerhalb der Hauptverhandlung gegenüber dem Senat geltend zu machen. Wir können natürlich die[nnn] Beginnzeiten nicht nach den Besuchen und die Möglichkeiten, wie die durchgeführt werden, hier einrichten. Wir fahren jetzt also zunächst mit der Vernehmung des Herrn Zeugen Kemp fort.

[5443] Der Zeuge macht folgende Angaben zur Person:

Hans-Peter Kemp,

Kriminalhauptkommissar, b. BKA, Bonn- Bad Godesberg[ooo],

46 Jahre,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert,

wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Ich habe nur wenige Fragen an Sie. Ist Ihnen bekannt geworden, daß Frau Meinhof verhaftet wurde in dem Jahre 1972?

Zeuge Ke[mp]:

Ja.

Vors.:

Sind Sie im Zusammenhang mit der Sicherstellung von Gegenständen, die bei dieser Festnahme aufgefunden wurden, dienstlich befasst gewesen?

Zeuge Ke[mp]:

Ob ich mit den Gegenständen befaßt worden bin?

Vors.:

Ja, die bei dieser Festnahme sichergestellt worden sind, sei es auch nur in der Form der Asservierung dieser Gegenstände?

Zeuge Ke[mp]:

Nein, die Gegenstände habe ich nicht asserviert, sondern ich habe nur eine Zusammenfassung gemacht, eine Aufstellung oder eine Liste oder wie man es bezeichnen möchte.

Vors.:

Ja, eine Liste, ich will Ihnen eine Liste hier zeigen, mit der Bitte, daß Sie sich darüber erklären, ob Sie zu dieser Liste irgend etwas zu sagen haben, insbesondere ob es eine Liste ist, die Sie selbst angefertigt haben.

Zeuge Ke[mp]:

Brauchen Sie meine Aussagegenehmigung[35]?

Vors.:

Wir gehen davon aus, daß Sie die Aussagegenehmigung in dem Umfange, wie Sie hier Angaben machen, auch vorliegen haben. Sie kennen die Grenzen Ihrer Aussagegenehmigung. Wir benötigen sie nicht unmittelbar, aber Sie können sie nachher gern zu Protokoll geben.

RA Be[cker]:

Herr Vorsitzender, wäre es nicht möglich, daß er zuerst mal aus seiner Erinnerung sagt, was er da glaubt geschrieben zu haben, bevor ...

Vors.:

Ich will nicht, daß der Herr Zeuge irgendwelche einzelnen Positionen in dieser Liste jetzt sich betrachtet oder die Liste gar durchliest, sondern nur, ob er dem Gesamteindruck nach bestätigen kann, daß das eine Liste ist, die er selbst etwa erstellt hat, oder von der er weiß, wie sie erstellt worden ist. Es geht also nicht, daß er Einzelpositionen [5444] liest. Ich bitte Sie auch, sich daran zu halten, um nur mal einen Gesamteindruck der Liste zu nehmen.

Dem Zeugen wird die Liste des Band 71, Bl. 98 - 107 vorgehalten.

Zeuge Ke[mp]:

Diese Liste ist auf meine Initiative geschrieben worden von einer Schreibkraft.

Vors.:

Von einer Schreibkraft. Wissen Sie noch, ob Sie die Liste seinerzeit unterschrieben haben oder nicht?

Zeuge Ke[mp]:

Nein. Es ist ja keine Asservatenaufstellung, sondern wie ein Inhaltsverzeichnis.

Vors.:

Wenn Sie vielleicht noch die letzte Seite besichtigen wollen, daß ist also Blatt 107, ob das auch der angegebenen Positionszahl nach identisch sein kann mit dem, was Sie im Gedächtnis haben?

Zeuge Ke[mp]:

Ja.

Vors.:

Sie haben die Gegenstände, wie Sie es schon gesagt haben, nicht zu Gesicht bekommen, sondern Sie haben ...

Zeuge Ke[mp]:

Höchstens teilweise, aber generell nicht.

Vors.:

Sie haben also als Grundlage andere Listen verwendet?

Zeuge Ke[mp]:

Ja.

Vors.:

Was wissen Sie noch, um was für Listen es sich dabei gehandelt hat?

Zeuge Ke[mp]:

Einmal gab es ein Fernschreiben, und dann gab es eine Liste oder Aufstellung, die von Hannover aus erstellt worden ist.

Vors.:

Könnte es sich da um das sogenannte Sicherstellungsprotokoll[36] gehandelt haben?

Zeuge Ke[mp]:

Ja, es war ein Protokoll, eine Liste.

Vors.:

Haben Sie sich bei Ihrer Liste an die Nummerierung der Positionen gehalten?

Zeuge Ke[mp]:

Ja.

Vors.:

So, wie sie in dem Hannoverprotokoll ...

Zeuge Ke[mp]:

Wenn Sie von der Bezifferung[ppp], was ich auch meine, da beginnen, mit Nr. 20, laufende Nr. 20.

Vors.:

Genau richtig. Jawohl. Ich darf Ihnen vielleicht gerade diese Hannoverliste auch vorlegen, ob es sich hier um diese Unterlage handelt, nach der Sie gearbeitet haben. Verzeihung, Herr [5445] Rechtsanwalt Linke.

RA Li[nke]:

Blatt 91?

Vors.:

Das Blatt 91 bis 94.

Dem Zeugen wird[qqq] die Liste[rrr] aus Band 71, Blatt 91 - 94 vorgelegt.

Vors.:

Das war also die Grundlage Ihrer Liste?

Zeuge Ke[mp]:

Das, und dann gab es ein Fernschreiben und hat es nachher noch Nachfragen ...

Vors.:

Nun sehen Sie ja, wenn Sie diese Liste hier vor sich haben, daß die beginnt, wie Sie schon sagten[sss], bei Nr. 20 usw., laufende Nummer. Es ist aber auf Ihrer Liste noch aufgeführt, zusätzlich die Bezeichnung C 6.4.2 ... Wer hat diese Kennzeichnung gegeben?

Zeuge Ke[mp]:

Die ist bei unserer Dienststelle gegeben worden. Ich kann Ihnen das jetzt nicht erklären. Ich weiß nur C 6.: damit waren die Gegenstände der Frau Meinhof gemeint, aber was jetzt 4.2. weiß ich nicht.

Vors.:

Ja, aber ich meine, wer hat nun in der Liste 97 ff., die Sie vorhin gesehen haben, diese C 6.4.2. jeweils vor diese Positionen gesetzt?

Zeuge Ke[mp]:

Das ist auf meine Veranlassung geschehen.

Vors.:

Sonst keine Fragen an den Herrn Zeugen. Herr Maier, bitte.

Richter Ma[ier]:

Herr Kemp, Sie haben sich meines Wissens auch befaßt mit den Ermittlungsergebnissen über Schlüssel, die man gefunden hat, welchen[ttt] Wohnungen möglicherweise diese Schlüssel zuzuordnen sind. Da bin ich doch wohl richtig in der Annahme?

Zeuge Ke[mp]:

Ja.

Richter Ma[ier]:

Könnten Sie uns möglicherweise, nicht im einzelnen, sondern nur vom Ergebnis her, nach Ihren Erkenntnissen sagen, wohin die Schlüssel zuzuordnen sind, die man bei der Frau Meinhof, also C 6.4.2., gefunden haben soll?

Zeuge Ke[mp]:

Die Untersuchung habe ich nicht vorgenommen, sondern diese Ergebnisse nur zusammengefasst aufgrund von irgendwelchen Gutachten oder Feststellungen.

Richter Ma[ier]:

Und können Sie uns über das Ergebnis dieser Ermittlungen, die Sie ja dann offenbar in besonderen Listen zusammengefasst[uuu] haben, über das Ergebnis dieser Ermittlungen aufgrund [5446] von Gutachten usw. etwas sagen, was die Schlüssel anbetrifft, die man bei Frau Meinhof gefunden haben soll?

Zeuge Ke[mp]:

Wohin die gehört haben oder so was?

Richter Ma[ier]:

Ja.

Zeuge Ke[mp]:

Nein, das habe ich nicht im Gedächtnis.

Richter Ma[ier]:

Haben Sie nicht im Gedächtnis.

Zeuge Ke[mp]:

Es waren ja sehr viele Schlüssel.

Richter Ma[ier]:

Ja, haben Sie eventuell im Gedächtnis, daß an diesen Schlüsseln Anhänger befestigt waren mit Aufschriften?

Zeuge Ke[mp]:

Ja, ob Anhänger, oder irgendwelche Bezeichnungen, gab es da noch.

Richter Ma[ier]:

Gab es da noch.

Zeuge Ke[mp]:

Ja, ich glaube „Sack“ und irgendwas gab es da noch.

Richter Ma[ier]:

Möglicherweise auch „Laube“?

Zeuge Ke[mp]:

Ja „Laube“.

Richter Ma[ier]:

„Hof“?

Zeuge Ke[mp]:

Kann sein, ja.

Richter Ma[ier]:

„Lester?“

Zeuge Ke[mp]:

„Lester“ kann ich mich erinnern, ja.

Richter Ma[ier]:

Können Sie heute aus dem Gedächtnis, Sie haben ja jetzt keine Unterlagen dabei, aus dem Gedächtnis sagen, wohin möglicherweise der „Laube“-Schlüssel gehört hat?

Zeuge Ke[mp]:

Nein, weiß ich nicht.

Richter Ma[ier]:

„Hof“ und „Lester“ dann wohl auch nicht?

Zeuge Ke[mp]:

Nein, habe ich keine Erinnerung daran.

RA Be[cker]:

Ich beanstande die Frage. Die Frage kann doch lediglich heißen, ob er sich erinnert, darüber mal einen Bericht verfaßt zu haben. Er kann doch aber dahin, wo er wirklich gehört hat, nichts sagen, weil es sich doch offensichtlich um reine Büroarbeit bei dem Zeugen handelt.

Richter Ma[ier]:

Herr Rechtsanwalt, ich glaube mich in aller Ausführlichkeit und Deutlichkeit ausgedrückt zu haben, daß es sich bei dem Herrn Kemp selbstverständlich nur um einen Ermittlungszeugen handelt, der lediglich Ermittlungsergebnisse, Gutachten und was dergleichen, mehr, ausgewertet hat und zusammengefaßt hat in bestimmten Listen ...

RA Be[cker]:

Dann kann er aber doch darüber ...

Richter Mai[er]:

Lassen Sie mich doch bitte ausreden. Und danach habe ich ihn gefragt.

[5447] RA Be[cker]:

Sie haben ihn gefragt, wohin der Schlüssel gehört hat, ob er sich daran erinnern kann, und dazu hat er kein ...

Richter Ma[ier]:

... nach diesen Ermittlungsergebnissen, das kann ich doch nicht bei jedem Satz wieder als Vorspruch voransetzen.

Vors.:

Die Frage ist zulässig, weil sie ja unter dem Vorbehalt, daß der Herr Zeuge lediglich das wieder aus Ermittlungsberichten erfahren hat, gestellt ist. Das war im Zusammenhang ganz klar ersichtlich.

Richter Ma[ier]:

Herr Kemp, ich wollte Sie insbesondere nach einem fragen; Vorhalt aus Ordner 71/2, Blatt 119: Da haben Sie auch eine solche Liste zusammengestellt, am 27. November 1972, und da ist die Rede von „Laube“ „PH[vvv]“ und am Schluß heißt es, ist die Rede von einem Schlüssel mit der Aufschrift „Sack“; dahinter folgt ein Fragezeichen. Können Sie sagen, ob Sie in der Zwischenzeit Erkenntnisse darüber gewonnen haben?

Zeuge Ke[mp]:

Nein.

Richter Ma[ier]:

Wo dieser Schlüssel hingehören könnte?

Zeuge Ke[mp]:

Nein, das weiß ich nicht.

Richter Ma[ier]:

Wissen Sie das nicht, oder sind da tatsächlich keine weiteren Erkenntnisse gewonnen worden?

Zeuge Ke[mp]:

Wenn da keine weiteren aufgeführt sind, dann sind möglicherweise keine gefunden worden. Aber das ist nur eine Mutmaßung, das weiß ich nicht, ich war später damit nicht befaßt.

Richter Ma[ier]:

Da waren Sie nicht mehr mit befaßt. Danke.

Vors.:

Nur in Ergänzung dessen, was Sie vorhin sagten: Sie erwähnten, Sie hätten die Gegenstände, die Sie hier verzeichnet haben, nicht selbst gesehen, nur einzelne möglicherweise. Haben Sie noch die Erinnerung an einzelne herausragende Gegenstände, die Sie damals gesehen haben? Also für Sie herausragende, die Ihnen damals am deutlichsten vor Augen getreten sind? Und vielleicht damals aus irgendwelchen Gründen besonders bedeutungsvoll erschien?

Zeuge Ke[mp]:

Nein, kann ich nicht sagen.

Vors.:

Können Sie wenigstens dann, der allgemeinen Art nach sagen, [5448] ob Sie zum Beispiel bei solchen Gegenständen nun speziell, sich wie Waffen angesehen haben, oder andere Asservate? Und wenn es andere waren, welcher Art ...

Zeuge Ke[mp]:

Ich habe mit Sicherheit Waffen gesehen, aber ich kann jetzt nicht mit Bestimmtheit sagen, daß ich eine bestimmte Waffe gesehen habe.

Vors.:

Danke. Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Ich sehe[www] bei den Herren der Bundesanwaltschaft nicht. Herr Rechtsanwalt Becker, wenn ... Nein, die Herren Verteidiger: nicht?

RA Be[cker]:

Herr Zeuge, ich möchte nur eine Frage stellen; Sie haben vorher bei dieser Hannover-Liste plötzlich erinnert, beginnend ab Nr. 20., 1 bis 19 gehörten nicht dazu. Ist diese Erinnerung nochmals aufgefrischt worden in letzter Zeit?

Zeuge Ke[mp]:

Nein, die Erinnerung ist nicht aufgefrischt worden?

RA Be[cker]:

Sie haben nicht nochmal irgendwie ...

Zeuge Ke[mp]:

Nein, das ist ein Moment, oder das ist eine Sache, die ich genau weiß.

RA Be[cker]:

Danke.

Vors.:

Ich glaube, wir können den Herrn Zeugen gleich vereidigen.

Der Zeuge Kemp[xxx] wurde vorschriftsmäßig vereidigt und im allseitigen Einverständnis um 14.36 Uhr entlassen.

Der Zeuge Osterburg erscheint um 14.37 Uhr.

Vors.:

Bitte, nehmen Sie Platz.

Der Zeuge wird gem. § 57 StPO belehrt.

Der Zeuge ist mit der Aufnahme seiner Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.

- Aussagegenehmigung siehe Anl. 5 zum Protokoll -[yyy]

Der Zeuge macht folgende Angaben zur Person:

Richard Osterburg,

56 Jahre alt,

Kriminalkommissar, Kripo Osnabrück,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert,

wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Prof. Dr. Azzola und RA Dr. Heldmann erscheinen um 14.38 Uhr im Sitzungssaal.

[5449][37] [5450] Vors.:

Herr Osterburg, ist es richtig, wenn wir aufgrund der schriftlichen Unterlagen davon ausgehen, daß Sie im Zusammenhang mit der Festnahme von Frau Meinhof mit der Asservierung der bei ihr oder in ihrem Kreise sichergestellten Gegenstände zu tun hatten?

Zeuge Os[terburg]:

Ja, das ist richtig.

Vors.:

Ich darf Ihnen vielleicht gleich hier eine Liste zu Gesicht bringen. Mit der Bitte zu erklären, ob Sie diese Liste kennen, und ob diese Liste von Ihnen erstellt worden ist?

Dem Zeugen wird die Liste aus Band 71, Blatt 91 - 94 zur Einsicht übergeben.

Zeuge Os[terburg]:

Das ist die von mir erstellte Liste.

Vors.:

Auch die Unterschrift, die Sie soeben angesehen haben, anerkennen Sie als die Ihrige?

Zeuge Os[terburg]:

Jawohl.

Der Vorsitzende deutet auf einen Vermerk auf der Liste.

Vors.:

Sie haben beim Durchsehen der Liste sich hier über diesen zusätzlichen Eintrag C 6.4.2. Gedanken gemacht, so schien es mir jedenfalls. Sie deuten daraufhin.

Zeuge Os[terburg]:

Nein, das war ein Irrtum.

Vors.:

Täuschte ich mich. Aber der Vermerk, stammt der von Ihnen: C 6.4.2.?

Zeuge Os[terburg]:

Nein, der stammt nicht von mir.

Vors.:

Der stammt nicht von Ihnen. Können wir davon ausgehen, daß Sie diese Liste erstellt haben anhand der originalen Gegenstände?

Zeuge Os[terburg]:

Jawohl, davon kann man ausgehen.

Vors.:

So daß jeder Gegenstand, der hier aufgeführt ist, von Ihnen sorglich übertragen worden ist aufgrund des vorliegenden Materials?

Zeuge Os[terburg]:

Das ist richtig, ja.

Vors.:

Können Sie sich dafür verbürgen, daß diese Liste nur beinhaltet, was Sie auch selbst gesehen haben?

Zeuge Os[terburg]:

Jawohl, dafür kann ich mich verbürgen.

Vors.:

Und daß nicht mehr drin steht als das, was Ihnen vorgelegen hat?

[5451] Zeuge Os[terburg]:

Da kann nicht außerdem was darauf gekommen sein.

Vors.:

Kann nichts draufgekommen sein. Wir wollen dann jetzt zunächst im Urkundenbeweis diese Liste einführen durch Verlesung und Ihnen dann anschließend nochmal die Frage stellen, ob das Gehörte mit dem übereinstimmt, was Sie erinnerungsmäßig noch an diese Liste behalten haben.

RA Be[cker]:

Herr Vorsitzender, wollen Sie zunächst mal einen Vorhalt machen, oder wollen Sie gleich dies als Urkunds...

Vors.:

Wir wollen jetzt zunächst die Liste verlesen und den Herrn Zeugen [zzz] dann fragen, ob er[aaaa] sich für die inhaltliche Richtigkeit, wie er es eben ja schon vorausgetan hat, auch nach der Verlesung verbürgen kann.

Die Asservatenliste aus Band 71, Blatt 91 - 94, wird im Urkundsbeweisverfahren gem. § 249 StPO verlesen.

Vors.:

Danke. Jetzt also nochmals die Frage: Sie haben schon vorher sich für die inhaltliche Richtigkeit verbürgt. Jetzt haben Sie den Inhalt im einzelnen gehört. Können Sie Ihre Aussage, daß Sie[bbbb] sich für die Richtigkeit und Vollständigkeit verbürgen, aufrechterhalten?

Zeuge Os[terburg]:

Das kann ich aufrechterhalten.

Vors.:

Sind Sie imstande, einzelne dieser Asservate, die Ihnen besonders aufgefallen sind, vielleicht aus dem Gedächtnis ganz kurz zu beschreiben. Wenn Sie es nicht können, dann müßten Sie sagen: Ich kann es nicht. Das ist natürlich nach so langer Zeit eine gewisse Zumutung, aber wir wollen es doch versuchen.

Zeuge Os[terburg]:

Die beiden Din A4-großen Schreibmaschinenseiten würde ich ohne weiteres schon am Text wiedererkennen.

Dem Zeugen wird das Asservat C 6.4.2., Pos. 116 übergeben, mit der Bitte, zu erklären, ob ihm[cccc] diese Seiten irgendetwas besagen.

Prof. Az[zola]:

Wenn der Herr Zeuge schon am Text wiedererkennen kann, dann sollte er doch vielleicht vor, bevor er Einblick in die beiden Blätter hat, befragt werden, wie denn seine textliche Erinnerung in etwa jetzt aussieht.

Vors.:

Nun, das halten Sie offenbar für erforderlich. Ich halte dies nicht für erforderlich, aber Sie könnten vielleicht, wenn Sie wollen, Sie haben den Text noch nicht angesehen, [5452] der ...

RA Be[cker]:

Doch.

Vors.:

... der Herr Rechtsanwalt Becker weiß es schon. Haben Sie ihn angesehen oder nicht?

Prof. Az[zola]:

Ich habe ihn angesehen, ja. Das heißt hier oben ...

Vors.:

Was war das Charakteristikum für Sie am Text, warum Sie sagen, ich würde das schon am Text ...

Zeuge Os[terburg]:

Das wichtigste für uns und das charakteristische und auch vielleicht für die Ermittlung wertvollste war ja der Verteiler hier oben, und ich sehe gerade das, da steht er ja. Etwas verschlüsselt, aber wir sagen Verteiler.

Vors.:

Nun wollen Sie, bitte, dieses Blatt ansehen, ob Sie irgendetwas wiedererkennen?

Zeuge Os[terburg]:

Das sind die Originalbogen, die wir bei den Asservaten sichergestellt haben.

Vors.:

Haben Sie damals erfahren, woher diese Originalbogen stammen, das heißt, wo sie gefunden worden sind?

Zeuge Os[terburg]:

Das kann ich nicht mehr.

Vors.:

Sonstige Gegenstände, die Ihnen damals besonders aufgefallen wären und die Sie heute noch im Kopfe hätten?

Zeuge Os[terburg]:

Die angebrochene Kekspackung weiß ich noch genau.

Vors.:

Warum ist diese angebrochene Kekspackung ...

Zeuge Os[terburg]:

Weil da Geld drin war.

Vors.:

War es nur ein Zufallsbehelfnis, oder haben Sie nach dem Befund, den Sie vorfanden, den Eindruck gehabt, es handelt sich um bewußtes Versteck?

Zeuge Os[terburg]:

Ja, das war sicherlich ein bewußtes Versteck, weil das Geld hinter dem letzten Keks, oben war es angebrochen, da war es unten drunter versteckt, oder seitlich. Jedenfalls, es war nicht offensichtlich gleich oben drauf.

Vors.:

Ist Ihnen bekannt, aus der damaligen Asservierung, daß auch Metallgegenstände dabei waren?

Zeuge Os[terburg]:

Ja, ich habe sehr gut, oder ziemlich gut, die Bomben in Erinnerung, die etwa wie eine Feldflasche aussahen, die Größe einer Feldflasche hatten, bloß rundlicher, und bei denen der Metallkörper von außen kreuzförmig angesägt waren.

Dem Zeugen wird das Asservat C 6.4.2., Pos. 55 vorgelegt, mit der Bitte zu erklären, ob er[dddd] irgendetwas wiedererkennt.

[5453] Zeuge Os[terburg]:

Das sind die eben erwähnten Bomben. Ich erkenne diesen Gegenstand, der so zusammengehört, als eine der Bomben wieder, die wir sichergestellt haben.

Vors.:

Und wenn Sie vom kreuzförmigen Ansägen sprechen ...

Zeuge Os[terburg]:

Diese halb eingesägten Rillen, ja.

Vors.:

Und wenn Sie vom kreuzförmigen Ansägen sprechen, dann meinen Sie diese Rillen. Danke.

Dem Zeugen werden die Asservate C 6.4.2., Pos. 79 a und b vorgelegt, mit der Bitte sich zu äußern, ob ihm diese Gegenstände bekannt vorkommen.

Zeuge Os[terburg]:

Diese kurzen Rohre mit den Sechskantmuttern erkenne ich ebenfalls wieder. Soviel ich mich erinnere, sind das sogenannte Handgranaten gewesen.

Vors.:

Also auch Sprengkörper?

Zeuge Os[terburg]:

Ja. Es fehlt da wohl noch eine inzwischen abmontierte Sicherung, war da noch dran.

Das Asservat C 6.4.2 Pos. 81 wird in Augenschein genommen.[eeee]

Dem Zeugen wird das Asservat C 6.4.2., Pos. 81 vorgelegt, mit der Bitte um Erklärung, ob ihm dieser Gegenstand etwas besagt.

Zeuge Os[terburg]:

Den Gegenstand habe ich nicht sicher in Erinnerung.

Vors.:

Sie haben hier ganz recht, denn in Ihrer Liste ist folgendes vermerkt unter Nr. 81: „Eine graue Wildledertasche (BKA Wiesbaden).“ Das haben Sie also dann offenbar nicht unmittelbar gesehen?

Zeuge Os[terburg]:

Vermutlich gar nicht in den Händen gehabt, oder es ist so kurz nur zu sehen gewesen, daß die gleich weggegangen ist.

Vors.:

Könnte es sein, daß Sie in solchen Fällen, wo [ffff] schon ein weiterer Weg zurückgelegt wurde von so einem Gegenstand, das listenmäßig durch irgendeine andere Unterlage mitgeteilt bekommen haben, oder wie konnten Sie sonst in der Liste jetzt gerade für diesen Gegenstand, den Sie möglicherweise nicht gesehen haben ...

Zeuge Os[terburg]:

Soweit ich mich erinnere, bekamen[gggg] wir aufgrund des abgesetzten Fernschreibens an[hhhh] BKA die Gegenstände nochmal als Liste, oder [iiii] in Form von Anhängern wieder zurück vom BKA.

Vors.:

So daß, wenn ich Sie recht verstehe, es kann sein, daß ich mich irre, Sie davon ausgehen, im Grunde genommen müßten Sie auch diesen Gegenstand gesehen haben?

[5454] Zeuge Os[terburg]:

Ja.

Vors.:

Sie haben bloß keine sichere Erinnerung mehr daran?

Zeuge Os[terburg]:

Nein, die habe ich nicht.

- Das Asservat C 6.4.2 Pos. 80 wird in Augenschein genommen -[jjjj]

- Dem Zeugen wird das Asservat C 6.4.2.,

Pos. 80 vorgelegt. -

Zeuge Os[terburg]:

Ich weiß, daß eine solche große Reisetasche in der Wohnung, in der Frau Meinhof festgenommen wurde, mit Waffen und Gerät gewesen ist. Es gibt viele solche große Taschen, aber es war eine schwarze dabei.

Vors.:

Ihrer Erinnerung nach könnte die ...

Zeuge Os[terburg]:

Absolut, das könnte sie gewesen sein, ja.

Das Asservat C 6.4.2 Pos. 52 wird in Augenschein genommen.[kkkk]

Dem Zeugen wird das Asservat C 6.4.2.,

Pos. 52 vorgelegt.

Zeuge Os[terburg]:

An diesen Koffer erinnere ich mich ganz genau. Ich habe noch nie so ein Ding gesehen, und es ist mit Sicherheit der, den wir dort sichergestellt haben.

Vors.:

Und wissen Sie noch, was in diesem Koffer [llll] im einzelnen ...

Zeuge Os[terburg]:

Das weiß ich nicht mehr.

Vors.:

Danke.

Richter Ma[ier]:

Herr Kemp, Sie haben ja vorher gehört, beim Verlesen der Liste, daß da offenbar auch eine Reihe von Schlüsseln darunter waren. Ist das richtig ...

Zeuge Os[terburg]:

[mmmm] Sie haben sich versprochen ...

Vors.:

Herr Osterburg ist gemeint.

Richter Ma[ier]:

Entschuldigung. Daß da auch Schlüssel dabei waren. Können Sie sich eventuell erinnern, daß an diesen Schlüsseln sich Anhänger mit Aufschriften, oder auf den Schlüsselmäppchen sich Aufschriften befanden?

Zeuge Os[terburg]:

Daran kann ich mich erinnern ja.

Richter Ma[ier]:

Wissen Sie noch, um[nnnn] was für Aufschriften es sich dabei gehandelt hat?

Zeuge Os[terburg]:

Nein.

- Dem Zeugen werden[oooo] die Asservate[pppp] C 6.4.2.,

Pos. 108, 113 und 109 vorgelegt.

Zeuge Os[terburg]:

Ich erkenne diese Schlüssel aus der Erinnerung nicht genau wieder. Das ist mir unmöglich nach 3 Jahren.

Richter Ma[ier]:

Sie sagten vorher, es befanden sich zum Teil Anhänger oder Mäppchen mit Aufschriften dabei.

Zeuge Os[terburg]:

Das ist richtig, jawohl.

[5455] Im Wege des Urkundsbeweisverfahrens gem. § 249 StPO werden die Aufschriften der Asservate C 6.4.2.

Pos. 113 Aufschrift „Sack“

Pos. 109 Aufschrift „Hof“

Pos. 108 Aufschrift „Laube“

verlesen.

RA Linke nimmt die Pos. 113 in Augenschein.

Vors.:

Dann noch zu dem Asservat Nr. 45: Sie haben also von sich aus erwähnt, die zwei Blatt, die Ihnen noch besonders im Gedächtnis sind. Ich frage Sie nun: Nachdem Sie keinen weiteren Gegenstand von sich aus benennen konnten, ist Ihnen noch in Erinnerung, daß auch ein Oberbekleidungsstück unter den Asservaten war?

Zeuge Os[terburg]:

Nein, das ist mir nicht in Erinnerung.

Vors.:

Und wenn ich Ihnen das Stichwort gebe: eine Jacke?

Zeuge Os[terburg]:

Es tut mir leid.

Vors.:

Auch nicht. Und nun sage ich: eine Damensamtjacke?

Zeuge Os[terburg]:

Nein, es tut mir leid.

Vors.:

Und wenn ich noch die Farbe dazu benenne: eine schwarze Damensamtjacke? Auch nichts?

Zeuge Os[terburg]:

Nein.

Vors.:

Es gibt bei den Akten, das halte ich Ihnen aus ...

Zeuge Os[terburg]:

- Wenn ich Sie unterbrechen darf, als ich eben das Wort „Hof“, „Laube“ usw. und „Garage“, hätte ich fast gesagt, erinnere ich mich ganz deutlich, daß wir auch eine gefundene Wegeskizze, dort schon nach einer „Laube“ Ausschau gehalten haben. Die Schlüssel also mit den Bezeichnungen sind mir absolut in Erinnerung, jetzt, nachdem ich die Wörter höre: „Hof“ und „Laube“.

Vors.:

Und wie ist es bei der Bezeichnung „Sack“?

Zeuge Os[terburg]:

Das war mir nicht in Erinnerung.

Vors.:

Es ist hier im Band 71/2, Blatt 143 ein Vermerk, das heißt eine dienstliche Äußerung enthalten. Ich halte Sie Ihnen dem Text nach vor: „Nach der Festnahme der Ulrike Meinhof am 15.6.72 gegen 19.15 Uhr in Langenhagen wurden die bei ihr in der Wohnung Rodewald sichergestellten Gegenstände und Kleidungsstücke zur hiesigen Dienststelle gebracht“. Angegeben ist oben als Dienststelle SoKo BM[38] Hannover. „Dort wurde in der Seitentasche der schwarzen Damensamtjacke das besagte Schriftstück gefunden. Es waren zwei Din-A-4 [5456] Bogen Durchschlagspapier (kein Original, sondern Durchschrift) mit Schreibmaschine eng beschrieben. Es begann oben links mit „Liesel-Sack“ und endete mit „Lange sowieso nicht“. Gefunden wurde es von den beiden unterzeichnenden, die die Kleidungsstücke und Gegenstände sichteten. Dieses Schriftstück wurde am darauffolgenden Tage dem Kriminalhauptkommissar Wolf von der SG übergeben, Unterschrift: Marschner und Osterburg.“

Dem Zeugen wird der Originalvermerk des Bandes 71/2, Blatt 143 vorgelegt.

Vors.:

Ist das Ihre Unterschrift?

Zeuge Os[terburg]:

Diese dienstliche Äusserung ist von mir und meinem Kollegen unterschrieben worden.

Vors.:

Den Inhalt haben Sie jetzt im Augenblick durch Vorhalt erfahren. Besagt Ihnen das etwas?

Zeuge Os[terburg]:

Daß ich die schwarze Tasche nicht wiedererkenne. Es liegt vielleicht daran, daß ich nun gerade die Zettel da nicht aus der Tasche gezogen habe, sondern mein Kollege. Sonst hätte ich sie sicher in Erinnerung.

Vors.:

Ich habe den Eindruck, selbst wenn wir Ihnen die Jacke jetzt vorführen würden, daß Sie damit nicht viel anfangen können?

Zeuge Os[terburg]:

Nein.

Vors.:

Wenn Sie jetzt diesen Vermerk gesehen haben: Können Sie sich überhaupt an einen solchen Vorgang erinnern. Auch wenn Sie in den Einzelheiten nicht selbst diese hier geschilderten Handlungen vorgenommen haben, z.B. Sicherung dieses Papiers aus der Tasche, das hier beschrieben wird ...

Zeuge Os[terburg]:

Ich weiß noch, daran erinnere ich mich jetzt, und deswegen bin ich jetzt auch sicher, daß der Marschner den Zettel aus der Tasche genommen hat. Er hat mir den gegeben, und nachdem er den wohl nur überflogen hatte, während ich mich mit dem Text etwas ausführlicher beschäftigt habe, und ich weiß noch, wie er sagte: „Was haste denn, nu komm, laß uns weitermachen“. Ich sage: „Moment mal, jetzt haben wir aber ganz was Schönes gefunden“, und daraufhin habe ich ihm den Zettel gegeben, dann hat er ihn auch gelesen. Also, von der Tasche weiß ich insofern nichts, weil er ...

Vors.:

Nicht Tasche, es geht nicht um die Tasche. Es geht um die [5457] Jacke.

Zeuge Os[terburg]:

Er hat die Bogen aus der Jacke genommen, und ich habe die beiden Zettel eingehend gelesen, während er sie nur so überflogen hat und mir dann rübergereicht hat, wahrscheinlich.

Vors.:

Frage also, nochmals: Anhand des Inhalts dieses Vermerks, der Ihnen hier zur Kenntnis gebracht worden ist, an den Vorgang selbst, kehrt Ihre Erinnerung jetzt offensichtlich zurück?

Zeuge Os[terburg]:

Ja, sehr deutlich.

Vors.:

Können Sie jetzt nochmals, wenn das Erinnerungsbild wieder auftaucht, sich überlegen, wer nun wohl den Zettel in dieser Jackentasche geborgen hat, aus dieser Jackentasche?

Zeuge Os[terburg]:

Eben das ist mein Kollege Marschner gewesen.

Vors.:

Er war es, und er hat es dann Ihnen übergeben. Und Sie erinnern sich also sicher, daß er aus der Jackentasche die Zettel noch rausgeholt hat.

Zeuge Os[terburg]:

Wo er die rausgenommen hat, das weiß ich nicht. Er hat sie mir gereicht, und nachdem er sie nur ganz flüchtig angeguckt hat, die beiden Zettel, und da ich mich wohl eine viertel oder halbe Stunde damit beschäftigt habe und ihn dann auf diesen, doch auch etwas schwer zu lesenden Text aufmerksam gemacht habe, und habe gesagt: „Jetzt müssen wir aber erstmal hier gleich dieses zu den sofort dringend erforderlich werdenden Ermittlungen verwenden.“

Vors.:

Ja, aber Herr Osterburg, es heißt ja in diesem Vermerk: „Dort wurde in einer Seitentasche der schwarzen Damenjacke das besagte Schriftstück gefunden“, und dann weiter unten: „Gefunden wurde es von den beiden Unterzeichnenden, die die Kleidungsstücke und Gegenstände sichteten.“ Es mag ja sein, daß Sie es nicht gesichtet haben, nicht selbst gefunden haben, aber Sie haben mitunterzeichnet dafür, daß es in dieser Jackentasche gefunden worden ist, deswegen frage ich Sie: Wenn Herr Marschner das gefunden hat, hat er es Ihnen mitgeteilt, daß er es dort gefunden hat, denn wie sollten Sie sonst sich dafür durch Ihre Unterschrift stark machen?

Zeuge Os[terburg]:

Weil wir beide ja nur einem kleinen Raum waren, in dem nur ausschließlich die gefundenen Sachen sich befanden. Insofern haben wir es beide gefunden.

Vors.:

Ja, und ich meine, haben Sie auch, bevor Sie unterschrieben [5458] haben, erfahren, daß es in der Samtjacke gefunden worden ist, nicht von Ihnen, sondern von einem anderen Kollegen?

Zeuge Os[terburg]:

Das habe ich sicher erfahren.

Vors.:

Gut, sind an den Herrn Zeugen weitere Fragen ...

Prof. Az[zola]:

Ich rüge die letzte Frage und bitte um Streichung aus dem Protokoll, im Hinblick auf § 250 der Strafprozeßordnung.[39] Die Frage verletzte das Unmittelbarkeitsprinzip.[40] Wäre eine solche Frage trotz [§ ]250[ StPO] und des Wortlauts von [§ ]253 Abs. 1 der Strafprozeßordnung[41] zulässig, so bräuchten wir demnächst überhaupt nur unter Umgehung des Unmittelbarkeitsprinzipes die Schriftstücke, die einmal von Polizeibeamten unterschrieben worden sind, zur Verlesung zu bringen.

Vors.:

Es ist natürlich so, Sie können beanstanden die Beantwortung einer Frage. Die Streichung aus dem Protokoll ist dem anglo-amerikanischen Recht vorbehalten, nicht dem deutschen. Es steht nun mal im Protokoll, aber der Senat soll entscheiden, ob die Frage für zulässig erachtet wird, auch nachträglich, oder nicht.

Ende des Bandes 298.

[5459] Vors. (nach geheimer Beratung):

Der Senat hat entschieden:

die Frage war zulässig.

Die Entscheidung an sich ist überflüssig, da die Antwort bereits gegeben worden ist.[42]

Ich darf vielleicht vorher noch, Herr Rechtsanwalt Linke, ein Asservat dem Herrn Zeugen zur Ansicht geben.

Dem Zeugen Osterburg wird das Asservat

C 6.4.2 Pos. 58 a - g zur Erläuterung[qqqq] vorgelegt

Zeuge Ost[erburg]:

Ich erkenne diese Gegenstände sehr wohl wieder. Wir haben darüber gerätselt, was das für Schlagbolzen oder ähnliche Dinge sein konnten.

Vors.:

Nun findet sich in Ihrer Liste bereits eine Bezeichnung für diese Gegenstände. Woher hatten Sie die dann, wenn Sie zunächst rätselten, um was sich es ... Sie müßten demnach also erfahren haben von irgendeiner Seite was es sein könnte.

Zeuge Ost[erburg]:

Eben, das habe ich wahrscheinlich nicht aus mir herausformuliert, sondern von Kollegen näher bezeichnen lassen, Schlagbolzen oder so.

Vors.:

Kennen Sie die Bezeichnung nicht mehr, unter der diese Gegenstände in Ihrer Liste laufen?

Zeuge Ost[erburg]:

Nein.

Vors.:

Dann halte ich Ihnen vor aus Bl. 92 des Bd. 71, daß hier die Bezeichnung „Auszieherkrallen mit Sechskantköpfen“ verwendet wird unter anderem, es wird dann noch ... werden noch die Metallstücke, die dabei sind, beschrieben. War Ihnen damals der Begriff „Auszieherkralle“ geläufig?

Zeuge Ost[erburg]:

Ja, ich erinnere mich aber nicht mehr daran, daß die von mir selbst ... ich glaube es nicht, daß die von mir gewählt worden sind, diese Bezeichnungen, weil ich in diesen technischen Dingen keine Ahnung habe.

Vors.:

Könnte das Herr Marschner gewesen sein, der davon Kenntnis hat?

Zeuge Ost[erburg]:

Das kann ich nicht sagen.

Vors.:

Jedenfalls den Begriff müssen Sie irgendwie erfahren haben, sonst wäre es nicht in der Liste.

Zeuge Ost[erburg]:

„Auszieherkralle“ ist natürlich was mit Gewehren oder Revolvern oder Kanonen.

Vors.:

Ja, so ist es aber hier nicht gemeint.

[5460] RA Be[cker]:

Wer weiß das.

Zeuge Ost[erburg]:

Eben, deswegen weiß ich auch nicht, heute noch nicht, wozu die Dinger gebraucht werden oder gebraucht werden können.

Vors.:

Also das, Herr Rechtsanwalt Becker, kann jeder der jemals eine Waffe in der Hand gehabt hat, sagen, daß das keine Auszieherkralle etwa von einem Revolver oder einem Gewehr ist.

RA Be[cker]:

[rrrr] ... gemeint ist, ist doch eine andere Frage.

Vors.:

Sicherlich. Sie können jedenfalls ...

Zeuge Ost[erburg]:

Ich erinnere mich aber an die Gegenstände, wie sie nun heißen müssen oder bezeichnet worden sind ...

Vors.:

Über die technische Verwendung haben Sie sich damals keine Gedanken gemacht und wissen es auch heute nicht?

Zeuge Ost[erburg]:

Weiß ich auch heute nicht.

Vors.:

Ja. Und dann schließlich noch als letztes Asservat die Pos. 82, ob Ihnen dieses alltägliche Instrument noch geläufig ist, daß das unter der Habe war, die da sichergestellt sein soll.

Dem Zeugen Osterburg wird das Ass. C 6.4.2 Pos. 82 zur Erläuterung[ssss] vorgelegt.

Zeuge Ost[erburg]:

Das ist mir nicht geläufig.

Vors.:

Nicht geläufig, danke.

Zeuge Ost[erburg]:

Nicht mehr in Erinnerung.

Vors.:

Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Beim Gericht sehe ich nicht. Die Herren der Bundesanwaltschaft? Nicht. Herr Rechtsanwalt Linke hat sich gemeldet, bitte.

RA Li[nke]:

Herr Zeuge, es ist Ihnen vorher das Asservat mit Pos. Nr. 113 vorgelegt worden. Das war ein Sicherheitsschlüssel der die Aufschrift oder einen Aufkleber mit der Schrift „Sack“ trug. Sie haben den wiedererkannt. Können Sie mir erklären, weshalb dann in Ihrer Liste nicht die Aufschrift „Sack“, sondern nur die Aufschrift „S“ vermerkt wurde?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, darf ich bloß, um diesen Vorhalt zu korrigieren, sagen, ich glaube nicht, daß der Herr Zeuge diese Schlüssel wiedererkannte. Er hatte auch speziell angesprochen auf die Bezeichnung „Sack“ gesagt, keine Erinnerung daran.

Zeuge Ost[erburg]:

Ich habe auch nicht den Schlüssel erkannt, sondern ich erinnere mich nur an die Aufschriften „Hof“ und „Laube“, weil wir daraufhin schon die Ermittlungen hinsichtlich der Örtlichkeit, möglichen Örtlichkeiten der Skizze angestellt haben.

[5461] Vors.:

Danke. Sonstige Fragen? Ich sehe nicht, dann würde ich den Herrn ... Herr Rechtsanwalt Becker.

RA Be[cker]:

Herr Zeuge, waren Sie auch bei der Observation dieser Wohnung beteiligt?

Zeuge Ost[erburg]:

Ja.

RA Be[cker]:

Und dann nachher wieder bei der Erstellung dieser Listen?

Zeuge Ost[erburg]:

Jawohl.

Vors.:

Herr Prof. Azzola.

Prof. Azz[ola]:

Herr Zeuge, sonstigen personalen Kontakt mit einem der beiden damals Festgenommenen, hatten Sie aber nicht im Laufe des Abends?

Zeuge Ost[erburg]:

Kontakt nicht, ich habe Frau Meinhof gesehen und habe Herrn Müller in der Zelle gesehen.

Prof. Azz[ola]:

Wann haben Sie Frau Meinhof gesehen?

Zeuge Ost[erburg]:

Das war abends.

Prof. Azz[ola]:

Ich meine war das noch am Ort des Geschehens oder war das anderswo in Hannover?

Zeuge Ost[erburg]:

Das war in der Polizeihaftanstalt.

Prof. Azz[ola]:

Und woher wußten Sie, daß es Frau Meinhof ist?

Zeuge Ost[erburg]:

Zu der Zeit wußte ich es natürlich nicht.

Prof. Azz[ola]:

Nahmen Sie es damals an?

Zeuge Ost[erburg]:

Nein, nicht eher, als bis sie sich durch die Röntgenaufnahme und in Verbindung mit ihrer Kaiserschnittnarbe ergeben hatte, da wußten wir alle ...

Prof. Azz[ola]:

In Verbindung mit welcher Narbe bitte?

Zeuge Ost[erburg]:

Kaiserschnittnarbe.

Prof. Azz[ola]:

Kaiserschnittnarbe. Herr Zeuge, wann haben Sie von der Röntgenaufnahme erfahren?

Zeuge Ost[erburg]:

Das kann ich heute nicht mehr sagen.

Prof. Azz[ola]:

Noch am selben Abend oder später?

Zeuge Ost[erburg]:

Das war in der Nacht.

Prof. Azz[ola]:

Genauer möchte ich es nicht wissen.

Zeuge Ost[erburg]:

In der Nacht.

Prof. Azz[ola]:

Könnten Sie mir sagen, ob es vor oder nach Mitternacht war, oder vor oder nach 1.00 Uhr?

Zeuge Ost[erburg]:

Nein, kann ich nicht mehr sagen.

Prof. Azz[ola]:

In der Klinik waren Sie nicht?

Zeuge Ost[erburg]:

Nein.

Prof. Azz[ola]:

Sie waren in der Nacht in der Dienststelle?

[5462] Zeuge Ost[erburg]:

Ich war nur kurz in der Polizeihaftanstalt um Sachen rüberzubringen. Da war [tttt] versehentlich eine Jacke von Herrn Müller nicht mit rübergekommen, die habe ich rübergebracht.

Vors.:

Keine Fragen mehr an den Herrn Zeugen? Wir beabsichtigen den Herrn Zeugen zu beeidigen. Keine Einwendungen?

Der Zeuge Osterburg wurde vorschriftsmäßig vereidigt und im allseitigen Einvernehmen um 15.17 Uhr entlassen.

Vors.:

Das Gericht beabsichtigt heute noch die zwei Seiten zu verlesen, die als Asservat hier schon mehrfach genannt worden sind.

Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. Wu[nder]:

Darf ich für die Bundesanwaltschaft eine kurze Erklärung nach § 257 Abs. 2 StPO jetzt abgeben?

Vors.:

Zu diesem Herrn Zeugen?

BA Dr. Wu[nder]:

Ja.

Vors.:

Bitte.

BA Dr. Wu[nder]:

Nach § 257 Abs. 2 StPO möchte ich kurz erklären, daß auch die Vernehmung des Zeugen Osterburg heute einen ersten Einblick in das umfangreiche Arsenal der Angeklagten gewährt. Darunter sind Waffen mit teuflischer Wirkungskraft, über die noch zu sprechen sein wird. Es handelt sich überwiegend um das typische Reisegepäck, mit dem sich gefährliche Gewaltverbrecher ausstatten, wenn hier auch zum Teil mit einem Kosmetikkoffer kaschiert. An dieser Anschauung wird gerade heute meines Erachtens ganz deutlich, daß die hier in diesem Saal mehrfach schon zur Sprache gekommenen Sicherheitsvorkehrungen für alles andere als für überzogen gehalten werden dürfen. Danke.

Vors.:

Herr Professor ...

OStA Hol[land]:

Herr Vorsitzender, Entschuldigung, noch eine Beweisanregung in diesem Zusammenhang.

Vors.:

Bitte.

OStA Hol[land]:

Die Bundesanwaltschaft regt an zu den Vorgängen - So.ord. Bd. 71/2 Bl. 143 - auch den Kriminalbeamten Marschner zeugenschaftlich zu hören. Es handelt sich, wie gesagt, lediglich um eine Beweisanregung, kein förmlichen Beweisantrag.

Vors.:

Es handelt sich also um den eben besprochenen dienstlichen Vermerk, Danke. Herr Professor.

[5463] Prof. Azz[ola]:

Herr Vorsitzender Richter, ich war vorhin bei meiner Mandantin und konnte deshalb am ... wegen einer möglichen ... wegen eines möglichen Erscheinens ihrerseits meine Erklärung nach § 257 StPO hier abzugeben[uuuu] nach der Entlassung des Zeugen Severin, ich konnte deshalb meine Erklärung zu diesem Zeugen nicht abgeben. Da der eben gehörte Zeuge zum selben Komplex gehört, bin ich der Meinung, daß ich nicht gehindert bin, diese Erklärung auch noch nach dem Zeugen, nach dem eben gehörten Zeugen abzugeben.

Vors.:

Bitte.

Prof. Azz[ola]:

Ich erkläre hiermit, daß die Vernehmung des Zeugen Severin unvollständig geblieben ist. Der Zeuge Severin hatte keine Möglichkeit, in diesem Raume Frau Meinhof von Angesicht zu Angesicht zu identifizieren. Fragen, die von Seiten der Verteidigung auf die Identifikation hinzielten, wurden jedenfalls insoweit nicht zugelassen, als sich aus ihnen hätte ergeben können, daß die einzige Identifikation, über die der Zeuge überhaupt eine Aussage zu machen in der Lage war, nämlich das Röntgenbild unter Beweisverbot liegt, da unseres Erachtens insoweit (§ 136a StPO analog[43] in § 81a Abs. 2 StPO[44]) mitzulesen ist. Für die Anwendung und unzulässige Anwendung von Gewalt bei dem Gewinnen in dieses Identifikationsmerkmals spricht Bl. 23 der von mir angesprochenen Akte[vvvv], in der ausdrücklich darauf hingewiesen ist, daß Frau Meinhof auf die Gefährlichkeit der Maßnahme hingewiesen hat und ebenso ausdrücklich auf die Anwendung von Zwangsgewalt. Schließlich und endlich eine Maßnahme nach § 81a Abs. 2 StPO war um 1.00 Uhr in den Nacht ohne richterliche Anordnung auch nicht unter dem Gesichtspunkte unzulässiger Verzögerung zulässig.[45] Aus diesem Grunde steht es hier völlig offen im Raum, ob der Zeuge etwas zu der Frau Meinhof gesagt hat oder nicht.

Vors.:

Es ist beabsichtigt nunmehr noch ... Herr Rechtsanwalt Becker.

RA Be[cker]:

Ich möchte eine Erklärung zu den letztgenannten Zeugen, ebenso wie die Bundesanwaltschaft, eine Erwiderung zur Bundesanwaltschaft geben ...

Vors.:

Sie sind doch Verteidiger von Frau Ensslin. Wollen Sie im Zusammenhang mit der Verteidigung von Frau Ensslin das vortragen?

RA Be[cker]:

Ja, natürlich, denn die Bundesanwaltschaft hat sich bei ihrer Erklärung ganz klar auf § 129 StPO[46] bezogen insofern, als [5464] sie gesagt hat, es handelte sich um ein Arsenal „der Angeklagten“.[47]

OStA Z[eis]:

Wir widersprechen - ich bitte um Entschuldigung - der Entgegennahme einer, ausdrücklich als Erwiderung auf die Erklärung der Bundesanwaltschaft deklarierten Erklärung.

RA Be[cker]:

Nein, ich habe das ... Herr Zeis, wenn ...

OStA Z[eis]:

Dann müssen Sie das, was Sie erklären wollen, genau bezeichnen. Sie haben hier gesagt, Sie wollen erwidern auf die Erklärung der Bundesanwaltschaft ...

RA Be[cker]:

Ich habe ... ich habe gesagt ...

OStA Z[eis]:

... das läßt die Strafprozeßordnung nicht vor.

RA Be[cker]:

Herr Bundesanwalt ...

Vors.:

Das ist richtig ... sachlich.

RA Be[cker]:

Herr Bundesanwalt, ich habe gesagt, ich möchte eine Erklärung zu der Vernehmung des letztgenannten Zeugen geben, die auch erwidert auf die Erklärung der Bundesanwaltschaft, und das scheint mir zulässig zu sein. Aber ich finde, daß Herr Zeis da auch aufpassen muß, dann kommt es nicht zu solchen Erklärungen. Der letztgenannte Zeuge hat lediglich etwas bekunden können darüber, daß er bestimmte Gegenstände, die ihm vorgelegt worden sind, zum Teil asserviert hat. Er hat insbesondere hier bekunden können, daß er eine dienstliche Erklärung über etwas abgegeben hat, das er selbst in keiner Weise wahrgenommen hat, wie wir es heute hier gehört haben. Daraus die Schlüsse zu ziehen, die die Bundesanwaltschaft hier gezogen hat, nämlich, daß es sich um das Arsenal der Angeklagten handle, lassen sich aus diesem Zeugen und § 257a[ StPO]-Erklärungen[48] beziehen sich ja immer nur auf den letztgenannten Zeugen - wohl ganz klar nicht ziehen. Und insofern halte ich das auch nur für eine polemische Stimmungsmache, die hier noch einmal, daß die schlechten Haftbedingungen der Angeklagten hier kaschieren soll, mit der Vorlegung solcher Asservate und mit der Vornahme solcher Stellungnahmen.

Vors.:

[wwww]

Das Asservat C 6.4.2 Pos. 116 - 2 Seiten (DIN A 4) maschinenschriftl. Aufzeichnungen[xxxx] wird im Wege des Urkundenbeweis gem. § 249 StPO verlesen.

Während der Verlesung verließ Rechtsanwalt Becker um 15.32 Uhr für eine kurze Zeit den Saal.

[5465] Vors.:

Danke. Herr Bundesanwalt Zeis.

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender, die Bundesanwaltschaft wünscht zur Verlesung des sogenannten Ensslin-Kassibers eine Erklärung abzugeben nach § 257[ StPO].

Vors.:

Bitte.

OStA Z[eis]:

Die Bundesanwaltschaft meint, daß schon aus drei Stellen des eben vorgelesenen Kassibers sich die Urheberschaft der Angeklagten Ensslin ergibt.

Die erste Stelle: „2. Bunkerschlüssel bei mir gehabt.“ Vom Zeugen Heinze wissen wir ...

RA Be[cker]:

Ich habe Sie nicht verstanden.

OStA Z[eis]:

... daß er einen Schlüssel sichergestellt hat, auf dem sich ein Band befand mit der Bezeichnung „Bunker“.

Rechtsanwalt Kanzel erscheint wieder um[yyyy] 15.42 Uhr.

OStA Z[eis]:

Von ihm wissen wir weiter, daß dieser Schlüssel zu der Wohnung „Paulinenallee“ Hamburg gehört hat.

Die zweite Stelle: „ Einen Satz der Godesberger Schweine, der einzige Satz im Hubschrauber; übrigens mitten im Wald gelandet und im Bundesgrenzschutzhubschrauber verladen, ohne sich zu einer Deckung ...“ usw.

Vom Zeugen Mondry wissen wir, er war ja Begleiter von Frau Ensslin im Hubschrauber, daß genau das, was hier von der Angeklagten Ensslin geschrieben wurde, den Tatsachen entspricht. Die dritte Stelle, Seite 142, etwa in der Mitte: „... denn in dem Laden habe ich nur noch Scheiße im Hirn gehabt; erregt, verschwitzt ...“ etc.

Das war genau die Darstellung der Festnahme der Angeklagten Ensslin aus ihrer Sicht. Im übrigen regt die Bundesanwaltschaft an zur Deutung des Kassibers im Einzelnen als sachkundigen Zeugen Kriminalhauptkommissar Fred Klaus vom Bundeskriminalamt in Bad-Godesberg zu laden. Schließlich darf ich noch die Aufmerksamkeit des Senat und der übrigen Prozeßbeteiligten auf die Hinweise und Vermerke in So.ord. 68, Bl. 314; im So.ord. 71/2 Bl. 156 hinweisen, danke.

Vors.:

Damit ... Wollen Sie auch eine Erklärung abgeben? Bitte, Herr Rechtsanwalt Becker.

RA Be[cker]:

Meine Erklärung ist sehr kurz. Aus der Verlesung dieses [5466] Schriftstückes, das hier sozusagen in vorweggenommener Beweisaufnahme auch vom Gericht, leider Gottes, die Bezeichnung „Ensslin-Kassiber“, wenn auch in Anführungszeichen, über die Bedeutung der Anführungszeichen hatte Kollege Schily ja auch schon öfters was gesagt, verlesen worden ist, ist in der Interpretation, die ihm hier durch die Bundesanwaltschaft zu Teil geworden ist, zu vertreten. Man kann diese Interpretation aber genauso gut auch so fassen, daß man sagt, daß die drei Punkte, die die Bundesanwaltschaft heute hier angeführt hat, für eine angebliche Urheberschaft offensichtlich alle, auch der Hamburger Polizei und dem Bundeskriminalamt, bekannt gewesen sind, mit den Schlußfolgerungen, die daraus für jeden ebenso gezogen werden können. Ich kann das auch noch aus einem anderen Punkt hier belegen, nämlich aus dem So.ord. Festnahme Ensslin S. 21 oder Bl. 20 u. 21, Schreiben vom 18. Juli 1972 an das Kriminalamt in Hamburg; dort wird noch einmal um weitere Vernehmungen gebeten und zwar mit der auf Bl. 21 geführten Begründung: „Es gilt zu klären, daß der Kassiber Gedankengut der Ensslin ist.“ Die gleiche Formulierung findet sich noch einmal in einem Schreiben von 23.1.1973 Bl. 24. Auch ein Schreiben von der Sicherungsgruppe und auch hier heißt es, „es gilt“ ... - auf Bl. 24 unter 4. - „es gilt zu klären, daß der Kassiber Gedankengut der Ensslin ist“. Es heißt auch hier, „... das vorweggenommene Beweisinteresse ganz deutlich formuliert“, nicht ob, sondern daß, das steht fest und Beweismittel dafür müssen herbeigeschafft werden.

Vors.:

Herr Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich habe an das Gericht eine Frage, ob diese Verlesung eben von dem Originalasservat oder von einer Kopie ...?

Vors.:

Ja, Originalasservat.

RA Dr. He[ldmann]:

Dann möchte ich folgenden ..., möchte ich beantragen

aus dem - So.ord. Festnahme Meinhof-Müller Bd. 3 - das Gutachten, des Dr. Werner vom BKA Bl. 146 und aus demselben Ord. das Gutachten des Dr. Werner von BKA auf den Bl. 149-151 ebenfalls durch Verlesung in die Beweisaufnahme einzuführen.

Vors.:

Das ist wohl als Antrag zu verstehen gewesen oder nur eine Anregung, denn ich kann Sie darauf hinweisen, daß selbstver- [5467] ständlich der Sachverständige Werner hier in der Hauptverhandlung noch auftreten wird. Wir können ja zukünftige Sachverständige nicht durch Verlesung vorweggenehmen.

RA Dr. He[ldmann]:

Das war mir nicht bekannt. Dann ist es eine Beweisanregung, die allerdings deswegen sehr aktuell ist, weil sie genau zu dem sogenannten Ensslin-Kassiber gehört.

Vors.:

Natürlich dürfen Sie nicht davon ausgehen, daß der Sachverständige Werner, der ja im größeren Zusammenhang Gutachten gemacht hat, jetzt in den nächsten Tagen kommt. Er kommt im Rahmen der Beweisaufnahme.

RA Dr. He[ldmann]:

Dann bitte ich doch diese Beweisanregung als einen Beweisantrag zu verstehen nach § 256 StPO[49] ...

Vors.:

Das heißt Sie ...

RA Dr. He[ldmann]:

... (Verlesung eines behördlichen Gutachtens).

Vors.:

Bitte, wollen Sie sich dazu äußern?

OStA Z[eis]:

Ja. Zunächstmal ist es natürlich kein Beweisantrag, was uns hier geboten wurde. Es ist noch nicht mal eine Tatsachenbehauptung genannt worden; so, wie ich es jedenfalls gelernt habe, gehört zum ordnungsgemäßen Beweisantrag zunächstmal die Tatsachenbehauptung:[50] „Dafür daß“... Schon an der[zzzz] mangelt es. Deswegen ist der Beweisantrag [aaaaa] abzuweisen.

Vors.:

Wir haben nicht die Absicht, heute über diesen Antrag zu entscheiden, wir werden dann eine Entscheidung bekanntgeben. Ich darf darauf hinweisen, daß wir am kommenden Montag fortsetzen ...

RA Dr. He[ldmann]:

Bitte, kann ich kurz ergänzen?

Vors.:

Wenn Sie den Antrag im Sinne der eben gegebenen Erklärung ergänzen wollen, bitte.

RA Dr. He[ldmann]:

Also ich hatte hingewiesen auf die Blätter aus der Akte. Daraus ergibt sich das genaue Beweisthema, daß nämlich eine Urheberschaft, diesem sogenannten Kassiber, nicht zuzurechnen sei. Und das ist das Beweisthema.

Vors.:

Wir setzen also am Montag die Sitzung fort. Vorgesehen sind die Zeugen Ohland, Ulrich Winkler, dann ist neu hinzugekommen der Zeuge Suckow[bbbbb] und die Zeugin Molsen. Maßgeblich sind die Ordner 68; es spielt in diesem Zusammenhang, auch wieder eine Rolle dieses Originalasservat, das gerade verlesen worden ist; beim Zeugen Suckow[ccccc] auch Ord. 68, die Zeugin Molsen findet sich im Ord. 52, damit ist die Sitzung für heute beendet.

[5468] RA Be[cker]:

Herr Vorsitzender, ich möchte noch bekanntgeben, daß ich am nächsten Montag und Dienstag und am 30.12 ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich habe schon darüber gesprochen ...

RA Be[cker]:

... Herrn Schily vertreten werde.

Vors.:

... diese Bekanntgabe nützt nichts. Ich habe Sie um eine schriftliche Erklärung herüber gebeten ...

RA Be[cker]:

Ich habe es bekanntgegeben.

Vors.:

... ich bleibe auf diesem Standpunkt. Damit ist die Sitzung für heute beendet.

Ende der Sitzung um 15.52 Uhr

Ende Band 299


[1] Die Angeklagten Baader, Meinhof und Raspe wurden wegen fortgesetzter Störung der Hauptverhandlung nach § 177 GVG i.V.m. § 231b Abs. 1 StPO für den restlichen Sitzungsmonat von der Hauptverhandlung ausgeschlossen (s. dazu S. 4520 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 52. Verhandlungstag, betr. den Angeklagten Raspe, sowie S. 4784, 4789 f. des Protokolls, 54. Verhandlungstag, betr. die Angeklagten Baader und Meinhof). Die Angeklagte Ensslin hätte an der Hauptverhandlung teilnehmen können. Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - Az.: 1 StE 1/74 - StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[2] Die amtliche Bestellung allgemeiner Vertreter/innen erfolgt nach § 53 BRAO in Fällen längerer Abwesenheit oder im Voraus für alle Verhinderungsfälle in einem bestimmten Zeitraum. Dem/der amtlich bestellten Vertreter/in stehen nach § 53 Abs. 7 BRAO die gleichen anwaltlichen Befugnisse wie der vertretenen Person zu.

[3] Anlage 1 zum Protokoll vom 18.12.1975: Verhinderungsmitteilung des Rechtsanwalts Linke.

[4] In den Fällen der notwendigen Verteidigung ist die Mitwirkung eines Verteidigers oder einer Verteidigerin gesetzlich vorgeschrieben (§ 141 StPO a.F.; seit dem 13.12.2019 [Gesetz zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019, BGBl. I, S. 2128] ist die Bestellung in manchen Fällen von einem Antrag des/der Beschuldigten abhängig, § 141 Abs. 1 StPO). Die notwendige Verteidigung ergab sich in diesem Verfahren daraus, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht stattfand (§ 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO) und dem Vorwurf eines Verbrechens (§ 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO; ein Verbrechen liegt vor bei einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr, § 1 Abs. 1 StGB a.F.; heute: § 12 Abs. 1 StGB), sowie der Inhaftierung der Beschuldigten für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten (§ 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO a.F.; heute ist die zeitliche Vorgabe entfallen). Rechtsanwalt Schily war der Angeklagten Ensslin als Pflichtverteidiger beigeordnet.

[5] Die Bestellung von Pflichtverteidiger/innen erfolgt nur für die jeweils bestellte Person. Diese kann sich daher grundsätzlich weder durch unterbevollmächtigte, noch durch Rechtsanwält/innen derselben Sozietät vertreten lassen. Ausnahmsweise wird aber im Falle vorübergehender Verhinderung die Vertretung mit Zustimmung des/der Vorsitzenden für zulässig erachtet (KG, Beschl. v. 29.6.2005 - Az.: 5 Ws 164/05, NStZ-RR 2005, S. 327, 328). Anders ist die Situation im Falle einer amtlich bestellten Vertretung: Diese ist gemäß § 53 Abs. 7 BRAO („Dem Vertreter stehen die amtlichen Befugnisse des Rechtsanwalts zu, den er vertritt.“) befugt, überall dort aufzutreten, wo auch die vertretene Person als Prozessbevollmächtigte/r auftreten könnte. Die Vertretungsbefugnis besteht in diesem Fall auch unabhängig von der Zustimmung des/der Vorsitzenden (Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 9. Aufl. 2019, Rn. 3554 ff.; Schwärzer, in Weyland [Hrsg.], Bundesrechtsanwaltsordnung, 10. Aufl. 2020, § 53 Rn. 42a). Auch die Anzeige oder der Nachweis des Vertretungsfalls ist im Falle der amtlichen Bestellung nicht erforderlich (BGH, Urt. v. 2.9.1975 - Az.: 1 StR 380/75, NJW 1975, S. 2351, 2352).

[6] § 57 StPO a.F. schrieb für die Belehrung von Zeug/innen vor: „Vor der Vernehmung sind Zeugen zur Wahrheit zu Ermahnen und darauf hinzuweisen, daß sie ihre Aussage zu beeidigen haben, wenn keine im Gesetz bestimmte oder zugelassene Ausnahme vorliegt. Hierbei sind sie über die Bedeutung des Eides, die Möglichkeit der Wahl zwischen dem Eid mit religiöser oder ohne religiöse Beteuerung sowie über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren.“ Im Unterschied dazu ist die Vereidigung von Zeug/innen heute nur noch die Ausnahme (§ 59 StPO).

[7] Der Beschluss befindet sich in Anlage 5 zum Protokoll vom 16.12.1975, S. 5219 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung (57. Verhandlungstag).

[8] S. dazu den Antrag des Rechtsanwalts Dr. Heldmann auf S. 5097 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, sowie die Ergänzung des Rechtsanwalts Schily, S. 5089 ff. des Protokolls (beides 55. Verhandlungstag).

[9] Gemäß § 24 Abs. 1 StPO können Richter/innen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Die Ablehnung findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters/einer Richterin zu rechtfertigen (§ 24 Abs. 2 StPO).

[10] Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit muss in diesem Stadium der Hauptverhandlung unverzüglich, also „ohne eine nicht durch die Sachlage begründete Verzögerung“ (BGH, Urt. v. 10.11.1967 - Az.: 4 StR 512/66, BGHSt 21, S. 334, 339) erfolgen; andernfalls wäre sie nach § 26a Abs. 1 Nr. 1 StPO wegen Verspätung als unzulässig zu verwerfen. Zulässig ist allerdings, zunächst noch abzuwarten, ob sich der Eindruck der Befangenheit verfestigt (OLG München, Beschl. v. 22.11.2006 - Az.: 4 St RR 182/06, NJW 2007, S. 449, 451).

[11] Die Voraussetzung des rechtzeitigen (unverzüglichen) Vorbringens muss, ebenso wie der Grund der Ablehnung, nach § 26 Abs. 2 Satz 1 StPO glaubhaft gemacht werden. Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht sie für überwiegend wahrscheinlich hält (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 26 Rn. 7). Die Glaubhaftmachung erfordert damit eine geringere Form der Überzeugung als der sog. Vollbeweis. Die Glaubhaftmachung genügt nur dort, wo das Gesetz sie ausdrücklich zulässt. Mittel der Glaubhaftmachung kann auch das Zeugnis des/der abgelehnten Richter/in sein (§ 26 Abs. 2 Satz 3 StPO).

[12] Anlage 2 zum Protokoll vom 18.12.1975: Mitteilung des Zeugen S. über seine Krankschreibung.

[13] Anlage 2a zum Protokoll vom 18.12.1975: Ärztliches Attest für den Zeugen S.

[14] Verhandlungsfähigkeit ist die Fähigkeit „in und außerhalb der Verhandlung seine Interessen vernünftig wahrzunehmen, die Verteidigung in verständiger und verständlicher Weise zu führen sowie Prozesserklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen“ (BGH, Beschl. v. 8.2.1995 - Az.: 5 StR 434/94, BGHSt 41, S. 16, 18). Ihr Fehlen bedeutet ein vorübergehendes oder dauerndes Verfahrenshindernis (§§ 205, 206a StPO). Nachdem die vollständige Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten durch die Vertrauensverteidigung seit Beginn der Hauptverhandlung immer wieder bestritten wurde, beauftragte das Gericht mit Beschluss vom 18.7.1975 schließlich eine Kommission aus Sachverständigen verschiedener Fachrichtungen mit der Begutachtung der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten (der Beschluss selbst ist nicht im Protokoll enthalten, vgl. aber den ergänzenden Beschluss in Anlage 2 zum Protokoll vom 29.7.1975, S. 1570 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 20. Verhandlungstag; zur Chronologie der Beauftragungen der verschiedenen Gutachter s. die Ausführungen des Rechtsanwalts von Plottnitz am 26. Verhandlungstag, S. 2093 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Die abschließenden Gutachten, die am 39. Verhandlungstag bekannt gegeben wurden, legten eine zeitlich beschränkte Verhandlungsfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit nahe. Die Gutachten sind im Protokoll nicht enthalten. Auszüge finden sich in Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 207 ff., sowie Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 117 ff. Dem lässt sich entnehmen, dass die Internisten Prof. Dr. Müller und Prof. Dr. Schröder von einer eingeschränkten Verhandlungsfähigkeit von drei Stunden pro Tag ausgingen, wobei kürzere Pausen nicht mit einzubeziehen seien (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 208). Zur Behandlungsmöglichkeit führte der Sachverständige Prof. Dr. Rasch aus: „[D]ie Durchführung einer Behandlung dürfte während der Dauer der Hauptverhandlung und bei Beibehaltung der jetzt gegebenen Haftbedingungen nicht möglich sein“ (so die Wiedergabe des Vorsitzenden Dr. Prinzing auf S. 3112 des Protokolls der Hauptverhandlung, 39. Verhandlungstag). Am 40. Verhandlungstag verkündete der Vorsitzende Dr. Prinzing schließlich den Senatsbeschluss, wonach die Hauptverhandlung aufgrund der vorsätzlich und schuldhaft selbst herbeigeführten Verhandlungsfähigkeit gem. § 231a StPO in Abwesenheit der Angeklagten fortgesetzt werde (s. Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag).

[15] Dr. Henck war während des Prozesses als Anstaltsarzt in Stuttgart-Stammheim tätig. Er wurde als erster Sachverständiger zur Frage der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten angehört. Zur Vernehmung des Herrn Dr. Henck s. S. 357 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung (5. Verhandlungstag), S. 937 ff. (12. Verhandlungstag) und S. 1725 ff. (21. Verhandlungstag). Eine Untersuchung durch ihn lehnten die Angeklagten ab. Andreas Baader beschrieb das Verhältnis zu ihm wie folgt: „Das Verhältnis zu Henck ist ein Zwangsverhältnis, d. h. er hat unter [...] Anwendung urmittelbaren Zwangs durch 6 Vollzugsbeamte die Zwangsernährung - oder wie ein anderer Vollzugsarzt, typischer Sadist, sagt, die Schlauchorgie - in Stammheim während des Hungerstreiks durchgeführt, zuletzt so, wie ich das hier erklärt habe, daß es physische Folter war; darin besteht das Verhältnis zu Henck“ (S. 1243 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 15. Verhandlungstag). S. auch die Ablehnung des Dr. Henck als Sachverständigen auf S. 517 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung (5. Verhandlungstag): Neben der Voreingenommenheit betonte die Verteidigung auch die mangelnde Sachkunde des Anstaltsarztes.

[16] Die inhaftierten RAF-Mitglieder bezeichneten ihre Haftbedingungen als „Isolationsfolter“ (s. zu den Haftbedingungen Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 97 ff., insbesondere 103 ff. zum Vorwurf der Isolationsfolter; Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 270 ff.). Um ihre Forderungen, u.a. die Zusammenlegung aller RAF-Häftlinge, durchsetzen zu können, traten sie ab 1973 mehrfach in Hungerstreik. Der dritte und längste Hungerstreik dauerte von September 1974 bis Februar 1975. RAF-Mitglied und ursprünglich ebenfalls Beschuldigter im Stammheimer Verfahren Holger Meins überlebte ihn nicht: Im November 1974 starb er an den Folgen der Mangelernährung (Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 58).

[17] Ab dem Zeitpunkt der Erhebung der öffentlichen Klage ist das Gericht der Hauptverhandlung zuständig für den Vollzug der Untersuchungshaft und damit auch für Entscheidungen über die Haftbedingungen (§ 126 Abs. 2 StPO).

[18] Die Ablehnung ist nach § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO als unzulässig zu verwerfen, wenn „durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen“.

[19] Anlage 3 zum Protokoll vom 18.12.1975: Zeitungsausschnitt aus der Frankfurter Rundschau.

[20] Anlage 4 zum Protokoll vom 18.12.1975: Bericht der JVA Stammheim über die Hofgänge der Angeklagten.

[21] Für Beschwerden gegen Anordnungen der Anstaltsleitung, die der Zuständigkeit des/der Richter/in unterlagen (§ 119 Abs. 6 StPO a.F.) sah Nr. 75 Abs. 1 der Untersuchungshaftvollzugsordnung (UVollzO) eine gerichtliche Entscheidung vor. War die richterliche Zuständigkeit nicht gegeben, entschied gem. Nr. 75 Abs. 2 UVollzO die Aufsichtsbehörde. Außerdem hatten Gefangene in diesem Fall die Möglichkeit, einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu stellen, wenn sie geltend machen konnten, durch die Maßnahme, Anordnung oder Verfügung in ihren Rechten verletzt zu sein (Nr. 75 Abs. 4 UVollzO i.V.m. §§ 23, 24 Abs. 1 EGGVG). Zuständig für die Entscheidung ist ab dem Zeitpunkt der Erhebung der öffentlichen Klage das Gericht der Hauptsache (§ 126 Abs. 2 StPO). Der UVollzO kommt mittlerweile keine Bedeutung mehr zu, seit durch das Föderalismusreformgesetz vom 28.8.2006 (BGBl. I, S. 2034) die Gesetzgebungskompetenz für den Untersuchungshaftvollzug den Ländern übertragen wurde und diese sämtlich von ihrer Ersetzungskompetenz (Art. 125a Abs. 1 GG) Gebrauch gemacht haben.

[22] Gemeint ist hier das bei der Festnahme von Ulrike Meinhof gefundene und offenbar von Gudrun Ensslin stammende Schreiben, in welchem sich Schilderungen konkreter Geschehnisse im Zusammenhang mit ihrer Verhaftung befanden (Auszüge finden sich im Urteil auf S. 152). Da es nur wenige Tage nach der Verhaftung Ensslins außerhalb der Haftanstalt aufgefunden wurde, wurde schnell der Verdacht geäußert, Rechtsanwalt Schily habe diesen Kassiber im Rahmen eines Anwaltsbesuches illegal aus der Haftanstalt herausgeschmuggelt. Sichere Beweise hierfür gab es nicht (s. hierzu Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 65 ff.).

[23] Gerhard Müller - ehemals Mitglied der RAF - wurde später zu einem der Hauptbelastungszeugen in diesem sowie in weiteren Verfahren gegen Mitglieder der RAF. Das LG Hamburg verurteilte ihn mit Urteil vom 16.3.1976 u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Beihilfe zum Mord, Beteiligung an Bombenanschlägen und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zehn Jahren (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 113 ff.; Riederer, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 29).

[24] Im Jahr 1962 musste sich Ulrike Meinhof aufgrund eines gutartigen Tumors einer Gehirnoperation unterziehen; in diesem Zusammenhang wurden auch die Röntgenbilder angefertigt, die im STERN, Ausgabe Nr. 26 aus dem Jahr 1972 abgedruckt wurden (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus, und Justiz, 2009, S. 96; Ditfurth, Ulrike Meinhof, 2007, S. 347).

[25] Baader/Meinhof.

[26] Im Falle der Vereidigung ist nach § 163 StGB a.F. (heute: § 161 StGB) auch eine fahrlässige Falschaussage strafbar (fahrlässiger Falscheid). Auch bei Fehlen entsprechenden Vorsatzes ist daher strafbar, wer die erforderliche Sorgfalt während der beeidigten Aussage außer Acht lässt und die objektiv falsche Aussage bei sorgfältiger Anspannung des Gedächtnisses hätte vermeiden können (Müller, in Joecks/Miebach [Hrsg.], Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 3, 3. Aufl. 2017, § 161 Rn. 13 ff.).

[27] Die Inaugenscheinnahme gehört zu den zulässigen Beweismitteln im sog. Strengbeweisverfahren, welches zum Beweis von Tatsachen Anwendung findet, die die Straf- und Schuldfrage betreffen, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe. Sie erfolgt durch eine unmittelbare sinnliche Wahrnehmung. Anders als der Wortlaut vermuten lässt, ist diese nicht auf die Wahrnehmung durch Sehen beschränkt, sondern umfasst mit den Wahrnehmungen durch Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen auch alle anderen Sinneswahrnehmungen (BGH, Urt. v. 28.9.1962 - Az.: 4 StR 301/62, BGHSt 18, S. 51, 53).

[28] Ein Beweisstück kann Gegenstand sowohl des Augenscheins-, als auch des Urkundenbeweises sein. Beide Beweisarten zielen auf unterschiedliche Erkenntnisse. Während mittels Inaugenscheinnahme Merkmale wie das Vorhandensein an sich, die äußere Beschaffenheit o.ä. festgestellt werden können, dient der Urkundenbeweis der Kenntnisnahme des (durch Schriftzeichen verkörperten) Inhalts einer Erklärung (Meyer-Goßner, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 249 Rn. 7). Urkunden wurden zum damaligen Zeitpunkt ausschließlich durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt (§ 249 Satz 1 StPO a.F.). Heute ist zu diesem Grundsatz eine weitere Möglichkeit des Urkundenbeweises hinzugetreten: Anstelle der Verlesung kann die Urkunde in einigen Fällen mittels Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführt werden (§ 249 Abs. 2 StPO), was eine Ausnahme zum sonst im Strengbeweis geltenden Mündlichkeitsgrundsatz darstellt (Kudlich, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, Einl. Rn. 185, 189).

[29] Der Verteidigung ist auf Verlangen - ebenso wie der Staatsanwaltschaft - nach § 257 Abs. 2 StPO nach jeder einzelnen Beweiserhebung die Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären.

[30] Die/Der Vorsitzende kann ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen der Verteidigung nach § 241 Abs. 2 StPO selbst zurückweisen oder bei Zweifeln die Entscheidung des Gerichts einholen (§ 242 StPO). Die Zurückweisung der Frage durch den/die Vorsitzende/n kann als unzulässig beanstandet werden, was ebenfalls die Entscheidung durch das Gericht zur Folge hat (§ 238 Abs. 2 StPO).

[31] Der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ist strafbar nach § 113 StGB. Der Tatvorwurf gegen Ulrike Meinhof stützte sich darauf, dass sie sich bei ihrer Verhaftung körperlich zur Wehr gesetzt habe (S. 329 der Anklageschrift, Teil D, Abschnitt III). Die Widerstandshandlung ist nicht strafbar, wenn die Diensthandlung, gegen die Widerstand geleistet wurde, nicht rechtmäßig war (§ 113 Abs. 3 StGB).

[32] § 136a StPO enthält eine Auflistung von verbotenen Methoden bei der Vernehmung von Beschuldigten. Diese sind: die Beeinträchtigung der Willensentschließung und -betätigung durch Misshandlung, Ermüdung, körperlichen Eingriff, Verabreichung von Mitteln, Täuschung, Quälerei oder Hypnose, sowie die Drohung mit einer unzulässigen Maßnahme oder das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils (Abs. 1). Ferner untersagt sind Maßnahmen, die das Erinnerungsvermögen oder die Einsichtsfähigkeit der Beschuldigten beeinträchtigen (Abs. 2). Für den Fall eines Verstoßes gegen diese Verbote enthält § 136a Abs. 3 Satz 3 StPO ein Verwertungsverbot für die so zustande gekommenen Aussagen.

[33] Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung sah § 59 StPO a.F. die Vereidigung von Zeug/innen noch als Regelfall vor, wenn nicht ein Vereidigungsverbot (§ 60 StPO a.F.) vorlag. Nach § 61 StPO a.F. konnte das Gericht zudem in Ausnahmefällen von der Vereidigung absehen.

[34] Nach § 55 Abs. 1 StPO steht Zeug/innen ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, wenn sie sich selbst oder ihre Angehörigen (§ 52 Abs. 1 StPO) durch die Beantwortung einer Frage der Gefahr aussetzen würden, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt werden. Hierüber sind sie zu belehren (§ 55 Abs. 2 StPO), in der Regel allerdings erst, sobald Anhaltspunkte für eine solche Gefahr erkennbar werden (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63.. Aufl. 2020, § 55 Rn. 14).

[35] Landes- und Bundesbeamt/innen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet bezüglich aller Angelegenheiten, die ihnen im Rahmen ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgeworden sind. Aussagen vor Gericht hierüber sind nur nach und im Umfang der Genehmigung durch den jeweiligen Dienstherrn gestattet (heute geregelt in § 37 Abs. 1 und 3 BeamtStG für Landesbeamt/innen und in § 67 Abs. 1 und 3 BBG für Bundesbeamt/innen; für den Stand 1975 galten für Landesbeamt/innen noch Landesgesetze, die sich allerdings an § 39 des Beamtenrechtsrahmengesetzes vom 1.7.1957 orientieren mussten; für Bundesbeamt/innen galt § 61 BBG a.F.). § 54 Abs. 1 StPO stellt sicher, dass die Verschwiegenheitspflicht auch im Falle einer Vernehmung als Zeug/in in einem Strafprozess fortbesteht.

[36] Gegenstände, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können, sind in Verwahrung zu nehmen oder in anderer Weise sicherzustellen (§ 94 Abs. 1 StPO).

[37] Anlage 5 zum Protokoll vom 18.12.1975: Aussagegenehmigung für KK Osterburg.

[38] Die SoKo B/M (Sonderkommission Baader/Meinhof) wurde 1971 als Teil der Sicherungsgruppe - eine Abteilung des Bundeskriminalamtes - für Ermittlungen betreffend die RAF eingerichtet (Klaus, Sie nannten mich Familienbulle, 2008, S. 23).

[39] § 250 StPO enthält den Grundsatz der persönlichen Vernehmung. Danach darf die Vernehmung einer Person über Tatsachen, die sie wahrgenommen hat, nicht durch die Verlesung einer früheren Vernehmung oder einer schriftlichen Erklärung ersetzt werden (wobei die §§ 251 ff. StPO enge Ausnahmen von diesem Grundsatz enthalten). Innerhalb des Personalbeweises gibt es jedoch kein Verbot, auch mittelbare Zeug/innen zu vernehmen, solange sie ihre eigenen Wahrnehmungen bekunden. Diese können auch das Gespräch mit unmittelbaren Zeug/innen eines Geschehens betreffen (sog. Zeug/innen vom Hörensagen; zur Zulässigkeit als Beweismittel s. BGH, Urt. v. 1.8.1962 - Az.: 3 StR 28/62, BGHSt 17, S. 382). In diesem Sinne können sie unmittelbare Zeug/innen für Indizien sein. Dieser eingeschränkte Beweiswert ist allerdings in der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO) zu berücksichtigen (Ott, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 261 Rn. 99).

[40] Der Grundsatz, dass stets das weniger mittelbare Beweismittel in die Hauptverhandlung einzuführen ist (sog. materieller Unmittelbarkeitsgrundsatz, Kühne, Strafprozessrecht, 9. Aufl. 2015, Rn 914) ist in der Strafprozessordnung nicht uneingeschränkt vorgesehen. Lediglich einzelne Vorschriften greifen diese Vorgabe auf. So normiert etwa § 250 StPO für Zeug/innen und Sachverständige den Vorrang des Personalbeweises vor dem Sachbeweis. Innerhalb des Personalbeweises gibt es jedoch kein Verbot, auch mittelbare Zeug/innen zu vernehmen (s. bereits Fn. 39). Die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) dürfte es aber es in der Regel gebieten, zumindest auch die unmittelbaren Zeug/innen zu vernehmen.

[41] § 253 Abs. 1 StPO enthält eine Ausnahme von § 250 StPO und lautet: „Erklärt ein Zeuge oder Sachverständiger, daß er sich einer Tatsache nicht mehr erinnere, so kann der hierauf bezügliche Teil des Protokolls über seine frühere Vernehmung zur Unterstützung seines Gedächtnisses verlesen werden.“

[42] Die/Der Vorsitzende kann ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen nach § 241 Abs. 2 StPO zurückweisen. Anders als ein Verzicht der fragenden Person führt die vorschnelle Beantwortung nicht zur Überflüssigkeit der Entscheidung über die Zulässigkeit der Frage. Wird sie im Nachhinein für unzulässig befunden, so darf sie im Verfahren nicht verwertet werden, sie wird auch nicht Bestandteil der Aussage (Becker, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 6, 27. Aufl. 2019, § 241 Rn. 21, 23; s. aber auch Gaede, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl. 2016, § 241 Rn. 29, der eine Verwertbarkeit zumindest in den Fällen entlastender Angaben fordert).

[43] § 136a StPO enthält eine Auflistung von verbotenen Methoden bei der Vernehmung von Beschuldigten. Diese sind: die Beeinträchtigung der Willensentschließung und -betätigung durch Misshandlung, Ermüdung, körperlichen Eingriff, Verabreichung von Mitteln, Täuschung, Quälerei oder Hypnose, sowie die Drohung mit einer unzulässigen Maßnahme oder das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils (Abs. 1). Ferner untersagt sind Maßnahmen, die das Erinnerungsvermögen oder die Einsichtsfähigkeit der Beschuldigten beeinträchtigen (Abs. 2). Für den Fall eines Verstoßes gegen diese Verbote enthält § 136a Abs. 3 Satz 3 StPO ein Verwertungsverbot für die so zustande gekommenen Aussagen. Eine analoge Anwendung einer Norm kommt in Betracht, sofern ein bestimmter Sachverhalt gesetzlich nicht geregelt ist, sich dieser Umstand als eine planwidrige Regelungslücke darstellt und die Interessenlage vergleichbar ist mit einem explizit geregelten Fall. In diesem Fall können dessen Rechtsfolgen auf den ungeregelten Fall übertragen werden (Reimer, Juristische Methodenlehre, 2. Aufl. 2020, Rn. 555 ff.). Mit Blick auf eine etwaige analoge Anwendung von § 136a StPO im Rahmen von § 81a StPO s. Fn. 44.

[44] § 81a Abs. 1 StPO ermöglicht die körperliche Untersuchung von Beschuldigten auch ohne deren Einwilligung. Abs. 2 schreibt hierfür eine richterliche Anordnung vor; nur bei Gefahr im Verzug darf sie durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 GVG) angeordnet werden. Die Rechtsprechung betont aufgrund der systematischen Stellung der Vorschrift im Abschnitt der StPO über Vernehmungen des Beschuldigten, dass § 136a StPO grundsätzlich nur in Vernehmungssituationen greife (auch die nicht amtliche Überschrift spricht von „verbotenen Vernehmungssituationen“, BGH, Urt. v. 30.4.1987 - Az.: 4 StR 30/87, NJW 1987, S. 2524). In sehr engen Grenzen hat sie den Schutz aber auch bereits auf Situationen außerhalb von amtlichen Vernehmungen erweitert. Dabei handelte es sich um Situationen, in denen private Dritte den Beschuldigten befragten (Aushorchung durch einen gezielt auf den Beschuldigten angesetzten Mithäftling in der Untersuchungshaft: BGH, Urt. v. 28.04.1987 - Az.: 5 StR 666/86, NJW 1987, S. 2525). Neben den Strafverfolgungsorganen zählen nach überwiegender Ansicht auch Sachverständige zu den Adressat/innen der Norm, sofern sie Beschuldigte im Rahmen ihrer Gutachtertätigkeit befragen und untersuchen (BGH, Urt. v. 4.3.1958 - Az.: 5 StR 7/58, BGHSt 11, S. 211, 112; Diemer, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 136a Rn. 5; Gleß, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 4/1, 27. Aufl. 2019, § 136a Rn. 8; a.A. Fincke, ZStW 1974, S. 656, 658 ff.). Eine entsprechende Anwendung von § 136a StPO auf § 81a StPO lehnt der BGH aufgrund der unterschiedlichen Zweckrichtungen der Vorschriften allerdings ab: Zwangsmaßnahmen nach § 81a StPO zielten auf die passive Duldung von körperlichen Eingriffen, während § 136a StPO Beschuldigte davor schütze, dass sie gegen ihren Willen zu Aussagen oder sonstigen Erklärungen genötigt würden (BGH, Beschl. v. 17.03.1971 - Az.: 3 StR 189/70, NJW 1971, S. 1097).

[45] Eine Verzögerung des Untersuchungserfolgs liegt dann vor, wenn der Versuch, eine richterliche Anordnung einzuholen, wegen des damit verbundenen Zeitverlusts den Erfolg der Ermittlungsmaßnahme gefährden würde. Es ist daher ausschließlich auf den drohenden Beweismittelverlust abzustellen (Trück, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur StPO, Band 1, 1. Aufl. 2014, § 81a Rn. 30). Ein häufiger Fall war bis zur Einführung des § 81a Abs. 2 Satz 2 im Jahr 2017 (BGBl. I, S. 3202) die Entnahme von Blutproben zur Alkoholfeststellung bei Straßenverkehrsdelikten, wenn Richter/innen zur Nachtzeit nicht erreichbar waren und ein Abwarten, etwa aufgrund einer Alkoholkonzentration nahe eines Grenzbereichs, dazu geführt hätte, dass eine Rückrechnung keine sicheren Erkenntnisse mehr geliefert hätte (siehe zur umfassenden und nicht ganz einheitlichen Rechtsprechung: Trück, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, 1. Aufl. 2014, § 81a Rn. 32). Die Verletzung der Anordnungskompetenz hat allerdings nicht stets ein Verwertungsverbot zur Folge (s. zu den Voraussetzungen eines Verwertungsverbots: Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 81a Rn. 32a ff.).

[46] § 129 StGB enthält den Straftatbestand der Bildung einer kriminellen Vereinigung.

[47] Während bis zum 31.12.1974 die sog. „Blockverteidigung“ - die kollektive Verteidigung mehrerer Angeklagter bei gleicher Interessenlage - zulässig war, wurde mit dem Gesetz zur Ergänzung des Ersten Strafverfahrensreformgesetzes vom 20.12.1974 (BGBl. I, S. 3686) das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) eingeführt. Jede/r Verteidiger/in durfte fortan nur noch eine/n Angeklagte/n vertreten, mithin auch nur im Namen des/der jeweiligen Angeklagten sprechen. Auf die Einhaltung dieser Vorgaben achtete der Vorsitzende Dr. Prinzing in der Regel sehr genau (s. dazu etwa die Diskussion am 4. Verhandlungstag, S. 279 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, sowie am 12. Verhandlungstag, S. 928 f. des Protokolls). Da die Gründung bzw. Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB) aber allen Angeklagten vorgeworfen wurde, ließ der Vorsitzende in begrenztem Umfang auch Fragen und Erklärungen der Verteidiger/innen nicht unmittelbar von einem Vorgang betroffener Angeklagter zu, solange hierdurch Rückschlüsse auf die Struktur oder die Absprachen innerhalb der Vereinigung gezogen werden konnten, so etwa die Frage, ob das Schießen auf Polizeibeamt/innen im Notfall zu den Grundsätzen der RAF gehört habe (s. dazu S. 4108 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 48. Verhandlungstag).

[48] § 257a StPO, der das Erklärungsrecht der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft enthielt, wurde bereits mit Wirkung zum 1.1.1975 durch das Ergänzungsgesetz zum Ersten Strafverfahrensreformgesetz vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3686) gestrichen. Zeitgleich wurde § 257 StPO wurde neu gefasst. Die zuvor in § 257a StPO enthaltene Regelung gab der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft dem Wortlaut nach noch ein zeitlich und inhaltlich unbeschränktes Erklärungsrecht. Vereinzelt wurde zwar vertreten, dass die Einschränkung des § 257 StPO a.F., welcher das Erklärungsrecht von Angeklagten bereits zeitlich an vorangegangene Beweismittel knüpfte, auf das Erklärungsrecht nach § 257a StPO übertragen werden müsse; überwiegend wurde dies aber aufgrund des unbeschränkten Wortlautes abgelehnt (s. dazu Gollwitzer, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 2, 22. Aufl. 1973, § 257a Anm. 1 ff.). Mit der Neufassung wurden die Erklärungsrechte - sowohl der Angeklagten als auch der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft - inhaltlich und zeitlich auf vorangegangene Beweismittel beschränkt.

[49] § 250 StPO enthält den Grundsatz der persönlichen Vernehmung. Danach darf die Vernehmung einer Person über Tatsachen, die sie wahrgenommen hat, nicht durch die Verlesung einer früheren Vernehmung oder einer schriftlichen Erklärung ersetzt werden. Die §§ 251 ff. StPO enthalten enge Ausnahmen von diesem Grundsatz. § 256 StPO benennt bestimmte Arten verlesbarer Erklärungen, darunter die „ein Zeugnis oder Gutachten enthaltenden Erklärungen öffentlicher Behörden“ (§ 256 Abs. 1 Satz 1, 1. Var. StPO a.F.; heute: § 256 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StPO).

[50] Ein Beweisantrag erfordert grundsätzlich die hinreichende Konkretisierung sowohl der zu beweisenden Tatsache, als auch des Beweismittels (früher bereits ständige Rechtsprechung, s. etwa BGH, Urt. v. 23.1.1951 - Az.: 1 StR 37/50, BGHSt 1, S. 29, 31; BGH, Urt. v. 7.5.1954 - Az.: 2 StR 27/54, BGHSt 6, S. 128, 129; BGH, Urt. v. 12.8.1960 - Az.: 4 StR 48/60, NJW 1960, S. 2156, 2157; heute definiert in § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO). Ein Beweisermittlungsantrag liegt hingegen vor, wenn entweder die Beweistatsache oder das Beweismittel nicht hinreichend konkretisiert ist. Die Unterscheidung ist deshalb von Bedeutung, da § 244 Abs. 3-6 StPO begrenzte und abschließende Ablehnungsgründe für Beweisanträge enthält. Liegt keiner dieser Ablehnungsgründe vor, ist dem Beweisantrag zu entsprechen. Beweisermittlungsanträge berücksichtigt das Gericht hingegen nur nach § 244 Abs. 2 StPO im Rahmen seiner allgemeinen Aufklärungspflicht, die Ablehnung eines Beweisermittlungsantrags ist nicht auf die Gründe des § 244 Abs. 3-6 StPO beschränkt.


[a] Maschinell eingefügt: muß es

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[bb] Maschinell eingefügt: - RA Linke erscheint um 10.58 Uhr im Sitzungssaal -

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[ii] Handschriftlich ersetzt: Groenewold durch Rodewald

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[fff] Handschriftlich ersetzt: Holt durch Holster

[ggg] Maschinell eingefügt: wieder

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[kkk] Maschinell eingefügt: mehr

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[ppp] Handschriftlich ersetzt: Besprechung durch Bezifferung

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[eeee] Maschinell eingefügt: Das Asservat C 6.4.2 Pos. 81 wird in Augenschein genommen.

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[gggg] Maschinell ersetzt: haben durch bekamen

[hhhh] Maschinell ersetzt: beim durch an

[iiii] Handschriftlich durchgestrichen: als

[jjjj] Maschinell eingefügt: - Das Asservat C 6.4.2 Pos. 80 wird in Augenschein genommen -

[kkkk] Maschinell eingefügt: Das Asservat C 6.4.2 Pos. 52 wird in Augenschein genommen.

[llll] Maschinell durchgestrichen: ein

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[oooo] Maschinell ergänzt: werden

[pppp] Handschriftlich ergänzt: Asservate

[qqqq] Maschinell eingefügt: zur Erläuterung

[rrrr] Maschinell durchgestrichen: Wer weiß das

[ssss] Maschinell eingefügt: zur Erläuterung

[tttt] Handschriftlich durchgestrichen: aus

[uuuu] Handschriftlich ersetzt: anzugeben durch abzugeben

[vvvv] Handschriftlich durchgestrichen: Akten

[wwww] Maschinell durchgestrichen: Das Gericht beabsichtigt nun das Ass

[xxxx] Maschinell eingefügt: - 2 Seiten (DIN A 4) maschinenschriftl. Aufzeichnungen

[yyyy] Maschinell ersetzt: um durch wieder um

[zzzz] Handschriftlich eingefügt: der

[aaaaa] Handschriftlich durchgestrichen: deswegen

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[ccccc] Handschriftlich ersetzt: Sukko durch Suckow