91. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 23.3.1976, um 9.01 Uhr



[8053] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 23.3.1976, um 9.01 Uhr.

(91. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am ersten Verhandlungstag - mit Ausnahme von OStA Zeis.

Als Urkundsbeamte sind anwesend:
JOS Janetzko und
Just. Ass. Clemens.

Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]

Als Verteidiger sind anwesend:
RAe Pfaff (als Vertreter von RA Dr. Heldmann), Eggler, Künzel, Schnabel, Schwarz,
RAin Zuber (als Vertreterin für RA König), Linke und Grigat.

Als Sachverständiger ist anwesend:
Franz Angermayer.

Als Zeugen sind anwesend:
Thomas Bachmaier,
Rupert Frania,
KHM Friesl.

Vors.:

Wir können die Sitzung fortsetzen.

Die Verteidigung ist gewährleistet: Herr RA Pfaff für Herrn RA Dr. Heldmann; bei Herrn RA Schily ist anzunehmen, daß er etwas später erscheinen wird wie üblich am Dienstag. Wir haben heute früh die Herren

Angermayer, Bachmaier, Frania und Friesl.

Die Zeugen Bachmaier, Frania und KHM Friesl werden gem. § 57 StPO[2] belehrt;
der Sachverständige Angermayer wird gem. §§ 72, 57 und 79 StPO[3] belehrt.

[8054] Der Sachverständige Angermayer und die Zeugen Bachmaier, Frania und KHM Friesl erklären sich mit der Aufnahme ihrer Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.

Die Zeugen Bachmaier, Frania und KHM Friesl werden um 9.04 Uhr in Abstand verwiesen.

RA Oberwinder erscheint um 9.04 Uhr im Sitzungssaal.

RA Ob[erwinder]:

Kann ich ums Wort bitten, Herr Vorsitzender?

Vors.:

Herr RA Oberwinder.

RA Ob[erwinder]:

Ich beziehe mich auf den Beschluß vom gestrigen Tage betr. die Übernahme der Verteidigung der Gefangenen Meinhof durch RA Temming.

Frau Meinhof lehnt die Richter des 2. Strafsenats am OLG Stuttgart:

den Vorsitzenden Richter Dr. Prinzing

sowie die Richter

Dr. Foth,
Dr. Breucker
Maier und
Berroth

wegen der Besorgnis der Befangenheit ab.

Der Sachverständige Angermayer wird um 9.05 Uhr in Abstand verwiesen.

Die abgelehnten Richter haben mit Beschluß vom 22.3.76 die Vertretung der Gefangenen Ulrike Meinhof durch RA Gerd Temming, Frankfurt als unzulässig, und zwar nach § 146 StPO[4] abgelehnt, weil RA Temming während seiner Referendarausbildung zunächst als amtlich bestellter Vertreter[5] von RA Riedel für diesen zeitweise die Verteidigung der Gefangenen Meinhof durchführte; sodann, nachdem er als Referendar zum amtlichen Vertreter von RAin Marie-Luise Becker bestellt worden war, für diese zeitweise die Verteidigung der Gefangenen Gudrun Ensslin übernahm.[6]

Die abgelehnten Richter halten diese Vertretung zweier Angeklagter aus diesem Verfahren neuerdings für einen Verstoß gegen § 146 StPO, der es nun nicht nur verbieten soll, daß [8055] RA Temming nunmehr eigenständig als Rechtsanwalt einen der Gefangenen vertreten kann, sondern sogar eine eigenständige Verteidigung der Gefangenen Meinhof entgegenstehen soll, bei deren Verteidigung durch RA Riedel er als dessen Vertreter anfänglich mitgewirkt hatte.

Dieser Beschluß vom 22.3.76 stellt nicht etwa nur eine restriktive Auslegung des § 146 StPO dar; dieser Beschluß macht wieder einmal mehr deutlich, daß die abgelehnten Richter nichts unversucht lassen, die Verteidigung der Gefangenen zu verhindern. § 146 StPO lautet:

„Die Verteidigung mehrerer Beschuldigter durch einen gemeinschaftlichen Verteidiger ist unzulässig.“

Diese Formulierung enthält keinerlei zwingende Regelung darüber, ob die Mehrfachverteidigung nur gleichzeitig oder auch nach und nach, also sukzessiv, unzulässig ist.[7]

Selbstredend haben sich die abgelehnten Richter für die restriktive Auslegung entschieden, wonach auch die sukzessive Mehrfachverteidigung durch § 146 StPO verboten ist.

Selbstredend können sich die abgelehnten Richter insoweit noch auf die Kommentierung des Regierungsbeamten Kleinknecht in seinem Kommentar[8] berufen; und selbstredend können die abgelehnten Richter insoweit sich auch auf die Rückendeckung durch den sog. Hüter der Verfassung, das B. Verfassungsgericht, berufen, dessen Rechtsprechung bisher alle juristischen Purzelbäume dieses und des ersten Senats[9] des OLG Stuttgart abdeckten, die darauf abzielten, eine effektive Verteidigung zu zerschlagen und den Wiederaufbau zu verhindern.[10] Nicht mehr[a] selbstredend - und hier zeigt sich die Vorreiterfunktion der abgelehnten Richter, ihre richterliche Sanktionierung der bundesanwaltlichen Richtlinien - nicht mehr selbstredend können sich die abgelehnten Richter auf den Regierungsbeamten Kleinknecht und den Hüter der Verfassung berufen, wenn es um die vorliegende Rechtsfrage geht, nämlich, ob ein Referendar als Vertreter eines Rechtsanwalts, der für diesen - also nicht eigenständig, sondern in Ausübung der dem vertretenen Rechtsanwalt zustehenden Rechte - zeitweise die Verteidigung eines Gefangenen wahrnahm, eben deshalb nicht mehr nach seiner Zulassung zum Rechtsanwalt eigenständig das Mandat einer übertragenen Verteidigung wahrnehmen kann.

[8056] Zu dieser Rechtsfrage ist keine auch nur annähernd einschlägige Rechtsprechung des BVerfGs vorhanden. Die B. Anwaltschaft hat in anderem Zusammenhang, als die Frage bei mir anstand, auf die Entscheidung des BVerfGs vom 26.11.75 hingewiesen - Az.: 2 BvR 883/75.[11] Auch diese enthält kein einziges Wort zu dieser Problematik. Hierbei ging es lediglich um einen Rechtsanwalt, der bereits als solcher einen von mehreren Beschuldigten vertrat und als Unterbevollmächtigter einen weiteren Beschuldigten des gleichen Verfahrens wegen Mandatsübernahme kontaktieren wollte. Der Versuch, in der nichtjuristischen und auch juristischen, aber mit diesen Detailfragen nicht vertrauten Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, bei dem Beschluß vom 22.3.76 handle es sich um die Konsequenzen einer verschärften restriktiven Auslegung des § 146 StPO, wie vom BVerfG vorgezeichnet[12] worden sei; dieser Versuch zeigt exakt, daß die abgelehnten Richter jede, auch die in keiner Weise haltbare Möglichkeit benutzen, den Gefangenen Verteidiger ihres Vertrauens, die diesen abgelehnten Richtern im Verfahren Widerstand leisten, vorzuenthalten, wenn es nicht gelungen ist, diese Verteidiger durch andere Mechanismen des Staatsschutzes auszuschalten und diese Vorenthaltung von Verteidigern als rechtlich geboten verschleiern zu suchen. Zeigt bereits die immanente juristische Kontrolle dieser Entscheidung, daß die abgelehnten Richter keinen Weg scheuen, die vom Gesetzgeber gegen die Gefangenen aus der RAF durchgezogenen Sondergesetze[13] durch schöpferische Erstreckung noch über die vom Gesetzgeber vorgesehene und in den politischen Gremien erreichbaren Grenzen auszudehnen und selbst die letzten Kräfte an Normalität der Normativität zu liquidieren, so ist im Fall des RA Temming die Intention der abgelehnten Richter besonders deutlich und krass zutage getreten. Als nämlich RA Temming zur Zeit seiner Referendarsausbildung nicht mehr amtlich bestellter Vertreter von RA Riedel war, sondern Vertreter von RAin Becker geworden war und in der Hauptverhandlung vom 28.10.75 erklärte, in seiner neuen Vertretereigenschaft von RAin Becker nunmehr an der Verteidigung von deren Mandantin, nämlich Gudrun Ensslin, mitwirken zu wollen, beanstandete die B. Anwaltschaft dies und beantragte, Referendar Temming wegen § 146 StPO zurückzuweisen. Die abge- [8057] lehnten Richter zogen sich damals zur Beratung, um eben über diese Auslegung des § 146 StPO zu beraten, zurück und erschienen mit dem Beschluß, daß § 146 StPO der Verteidigung durch Referendar Temming als Vertreter der RAin Becker nicht entgegenstehe, obgleich derselbe Referendar als amtlich bestellter Vertreter eines anderen Rechtsanwalts, nämlich des RA Riedel, zuvor der Verteidigung von Ulrike Meinhof mitgewirkt hatte.[14]

Dies - und heute hört sich dies wie ein Trick mit Langzeitwirkung an - begründeten die abgelehnten Richter damit, daß Referendar Temming eben nicht eigenständig zunächst Ulrike Meinhof und sodann Gudrun Ensslin verteidige, sondern jeweils nur als Vertreter der Rechtsanwälte tätig werde und nur darum Verteidigungstätigkeit für § 146 StPO maßgeblich sei. Schon in der Hauptverhandlung vom 10.3.1976 zeigten die abgelehnten Richter, wie sie das Recht und Gesetz, an welches sie ja nach der Verfassung gebunden sein sollen, je nach der jeweiligen Situation für ihre Intention instrumentalisieren. Plötzlich treten die abgelehnten Richter nach dem Motto: „Was interessiert uns das Gerede von vorher“ einen juristischen Salto-mortale und erklärten eingedenk der - wie ausgeführt - in keiner Weise einschlägigen Entscheidung des BVerfGs:

Temming könne, weil er als Referendar und amtlich bestellter Vertreter an der Verteidigung von Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin mitgewirkt habe, nochmals, nur als Vertreter von jeweiligen verschiedenen Rechtsanwälten, nunmehr [b] Andreas Baader nicht eigenständig als Rechtsanwalt verteidigen. Das gleiche trübe Spiel fand hinsichtlich der Verteidigung von Gudrun Ensslin durch Temming als Rechtsanwalt statt: Damals, also am 10.3.76, kamen die abgelehnten Richter noch um die gleichlautende Entscheidung über die eigenständige Verteidigung von Ulrike Meinhof durch Temming als Rechtsanwalt herum, weil am 10.3.1976 Ulrike Meinhof bereits drei Wahlverteidiger hatte.[15] Aber die Zielsetzung, Temming auf jeden Fall und um jeden Preis von der Verteidigung fernzuhalten und damit als eigentliches Ziel den Gefangenen einen Anwalt ihres Vertrauens, der Repression des Vorsitzenden, der B. Anwalt- [8058] schaft, den Versuchen, ihn gar nicht erst zum Anwalt werden zu lassen, widerstanden hatte, vorzuenthalten, also die Isolation der Gefangenen auch auf der Ebene der Verteidigung fortzusetzen, wäre damals schon durch den zeitlichen Zusammenhang für jeden, der nicht an der Staatsschutzstrategie interessiert ist, deutlich geworden.

Wie immer werden die abgelehnten Richter diese sich aus den Tatsachen als einzige Erklärung aufzwingende Beurteilung weit von sich weisen. Sie werden aber nicht erklären können, weshalb sie, selbst wenn das BVerfG die Auslegung des § 146 StPO so festgelegt hätte, wie sie behaupten, nicht berücksichtigt haben, daß selbst dann die rechtliche Situation von Temming nicht anders gewesen wäre als diejenige der Verteidiger, die vor Inkrafttreten des neuen § 146 StPO mehrere Angeklagte vertraten. Der Gesetzgeber sah damals vor, daß die Verteidiger der neuen rechtlichen Situation derart Rechnung tragen konnten, daß sie wählen konnten, welchen der bereits vertretenen Gefangenen sie nunmehr ausschließlich verteidigen wollten - also Art. 17 des Überleitungsgesetzes.[16]

Wäre man also trotz aller kaum noch überschaubaren Maßnahmen der abgelehnten Richter zur Zerschlagung der Verteidigung geneigt, an deren gutem Willen nicht zu zweifeln, so hätten gutwillige, nicht voreingenommene Richter die von ihnen durch ihren Beschluß vom 28.10.1975 selbst herbeigeführte Situation so gelöst, daß sie, wenn sich durch das BVerfG die Auslegung des § 146 StPO entgegen dem damaligen Beschluß geändert hätte, den Rechtsgedanken dieser Überleitungsvorschrift angewandt hätte. Die Parallelität dieser Interessenlage fällt ja jedem, der sich auch nur mit Jura beschäftigt, ins Auge; nicht so den abgelehnten Richtern. Das läßt nur den Schluß zu, daß sie eine am Interesse der Gefangenen Meinhof orientierte, dem Jahrhunderte alten Grundsatz der freien Advokatur entsprechende Lösung des von ihnen ohnehin nur behaupteten Dilemmas gar nicht wollten, sondern die Gelegenheit beim Schopf ergriffen. Das qualitativ Neue, welches den Beschluß vom 22.3.1976 auszeichnet, besteht also darin, daß die abgelehnten Richter die angebliche von ihnen früher geleugnete fiktive Interessenkollision auf einen Vorgang stützen, den sie selbst für rechtens erklärt hatten; auf Deutsch und im Klartext:

[8059] Entweder:

Die abgelehnten Richter ließen Temming als Vertreter von RAin Becker damals zur Verteidigung von Gudrun Ensslin zu, damit sie ihn jetzt als Rechtsanwalt gänzlich aus dem Verfahren katapultieren können;

oder:

Die abgelehnten Richter widersetzten sich damals den Interessen der B. Anwaltschaft, Temming von der Verteidigung fernzuhalten, solange er Referendar war, geben jetzt aber der B. Anwaltschaft nach, nachdem Temming Rechtsanwalt geworden und die zusätzlichen Repressionsmittel, die gegenüber Temming als Referendar ausgeübt wurden, nicht mehr zur Verfügung stehen.

Entweder also waren die abgelehnten Richter schon damals weitsichtiger als die B. Anwaltschaft oder aber ihre Vorstellung, Temming werde in diesem Verfahren, wenn er als Referendar sich exponiere, also sich B. Anwaltschaft und Gericht nicht unterwerfe, gar nicht erst Rechtsanwalt werden, hat sich als falsch erwiesen, so daß die abgelehnten Richter jetzt die Interessen der B. Anwaltschaft direkt und offensichtlich sich[c] zu den eigenen machen.

Der Angeklagte Baader erscheint um 9.18 Uhr im Sitzungssaal.

Falls die abgelehnten Richter diese Ablehnung wieder einmal als durchsichtiges Manöver zur Prozeßverschleppung, als Hirngespinste mißtrauischer Gefangener und ihrer Anwälte darstellen wollen, sei gesagt:

Der Beschluß 22.3.76 hat wieder einmal Richtlinienfunktion für alle anderen politischen Verfahren; denn die B. Anwaltschaft hat im Verfahren gegen die Gefangenen aus den Kommando Holger Meins[17] beim OLG Düsseldorf, das den Stockholmer Befreiungsversuch[18] aburteilen soll, den Antrag angekündigt, RA Oberwinder von der Verteidigung Bernhard Rössners auszuschließen.

RA Oberwinder war als Referendar amtlich bestellter Vertreter von RA Dr. Croissant, der seinerseits einen anderen Ge- [8060] fangenen aus diesem Kommando, nämlich Karl-Heinz Dellwo, vertritt. In seiner Eigenschaft als amtlich bestellter Vertreter von RA Dr. Croissant hat RA Oberwinder auch Karl-Heinz Dellwo besucht.

Die gleiche Sachlage also und die gleiche Strategie der B. Anwaltschaft. Der zeitliche Zusammenhang der Entscheidung der abgelehnten Richter vom 22.3.1976 mit dem angekündigten Antrag der B. Anwaltschaft beim OLG Düsseldorf macht nun aber vollends deutlich, wie sicher sich die B. Anwaltschaft war, daß die abgelehnten Richter ihren Wünschen entsprechend ihre übliche Vorreiterfunktion zur völligen Überspannung der Verteidiger-Beschränkungsgesetze auch hier erfüllen würden.

Zur Glaubhaftmachung[19] beziehe ich mich auf das Protokoll des Verhandlungstages vom 28.10.1975 - da ist die Entscheidung des Senats auf Bl. 3161 der Tonbandniederschrift abgedruckt - sowie das Protokoll des Verhandlungstages vom 10.3.1976; des weiteren auf die dienstlichen Erklärungen der abgelehnten Richter.

Vors.:

Sonstige Wortmeldungen?

Herr Baader.

Angekl. Baa[der]:

Naja, das mag Ihnen zwar schmeicheln, daß man hier feststellt - denn Sie grinsen ja auch ganz geschmeichelt, wenn das hier festgestellt wird -, daß dieses Gericht Richtlinienfunktion hat für die politischen Verfahren, d. h., daß Ihre ...

Vors.:

Herr Baader, Frage:

Was wollen Sie?

Angekl. [Baa]der:

Einen Ablehnungsantrag ...

Vors.:

Und außerdem darf ich Sie jetzt ...

Angekl. [Baa]der:

Ich möchte mich dem Ablehnungsantrag anschließen.

Vors.:

Augenblick, Herr Baader. Noch eines:

Diese Bewertungen, ob wir grinsen und wie Sie das dann auslegen, die sollten Sie unterlassen. Das Gericht nimmt das nicht hin, daß Sie sofort das Gericht wieder attackieren, bevor Sie überhaupt erklären, was Sie überhaupt erklären, was Sie jetzt im Augenblick wollen.

Angekl. [Baa]der:

Naja, das ist doch auffällig, wenn hier mal konstatiert wird, ...

[8061] Vors.:

Erklären Sie jetzt bitte, was Sie ...

Angekl. [Baa]der:

... daß Sie ... hier Richtlinienfunktion haben für andere politische Verfahren, dann nehmen Sie eine geschmeichelte Gestik an. Aber schön.

Ich möchte einen Ablehnungsantrag gegen Sie stellen oder ich möchte mich dem Ablehnungsantrag anschließen, und dazu zähle ich nochmals kurz auf die Maßnahmen, die unmittelbar Ihnen zuzuschreiben sind, um die Verteidigung hier zu eliminieren, das heißt: Sie haben angeregt Ausschlußverfahren gegen Anwälte nach der Sondergesetzgebung;[20] Sie haben Ehrengerichtsverfahren[21] angedreht, d. h., man findet - die Panne ist Ihnen ja mal passiert - in den Protokollen angestrichene Stellen des Gerichts bei Äußerungen der Verteidiger, die dann direkt wieder auftauchen in den Anklageschriften vor den Ehrengerichten vor[d] den regionalen Staatsanwaltschaften. Das heißt:

Dieser Richter hier stellt fest, was ihm nicht paßt; das geht zur Staatsanwaltschaft in Frankfurt oder in Hamburg oder wo immer, und die Staatsanwaltschaften eröffnen dann Ehrengerichtsverfahren gegen die Anwälte und das nicht nur etwa einmal, sondern er bringt das immer auf den neuesten Stand; er schiebt also immer jeweils das, was ihm unbequem erscheint oder nicht opportun, schiebt er nach in Anträgen. Das läuft natürlich. Die Schaltstelle dabei ist natürlich mit Sicherheit die B. Anwaltschaft. Aber die Tatsache, daß das in Protokollen angestrichen war, das weist eigentlich auf Sie; denn es ist nicht anzunehmen, daß wir Kopien von Protokollen bekommen, die vorher die B. Anwaltschaft hatte; das muß schon das Gericht selbst unmittelbar gewesen sein.

Sie haben als erstes Gericht in der B. Republik das Sukzessivverbot exzessiv ausgelegt - auch wieder mit Richtlinienfunktion -, um hier der Verteidigung Knüppel zwischen die Beine zu werfen, d. h., die Verteidigerbank hier leerzuräumen. Sie haben als erstes Gericht in der B. Republik Referendaren verboten, hier zu verteidigen in Vertretung der Rechtsanwälte.[22] Sie haben Plottnitz entpflichtet[23] und Sie haben jetzt - das würden wir mal sagen - einen reinen Willkürbeschluß gefaßt, indem Sie Ihren eigenen ... also indem Sie - die wörtliche Formulierung, ich zitiere nochmals aus Ihrem Beschluß, ist:

[8062] Weder RA Dr. Temming noch die Angeklagte Meinhof können hieraus, nämlich aus der Tatsache Ihres früheren Beschlusses, in dem Sie festgestellt haben, daß ein amtlich bestell... daß das Sukzessivverbot auf einen amtlich bestellten Vertreter nicht zutreffen kann, weil er praktisch in das Verfahren geschickt worden wäre und nicht selbständiges ... kein selbständiges Mandatsverhältnis bestehen würde. Indem Sie also diesen Beschluß widerrufen, können hieraus einen irgendwie gearteten Vertrauensschutz herleiten. Beide veranlaßten damals die Zustimmung zur Verteidigung der Angeklagten Ensslin in voller Kenntnis - also das ist interessant:

Die Angeklagte Meinhof veranlaßte die Zustimmung zur Verteidigung der Angeklagten Ensslin - in voller Kenntnis der auf § 146 StPO sich ergebenden Bedenken. Das ist natürlich falsch, und für jeden, der diese Verhandlung verfolgt hat, einfach falsch. Man konnte annehmen nach der Art, wie Sie hier Beschlüsse fassen, wie Sie jede Gelegenheit wahrnehmen, und zwar jede gesetzliche und ungesetzliche Verteidigung zu verhindern, daß, wenn Sie schon mal was zulassen, daß es dann tatsächlich dabei bleibt. Davon mußte wirklich jeder ausgehen. Aber Sie sagen: Gut.

Wir hatten davon auszugehen, daß es natürlich nicht dabei bleibt - und dann kommt es wörtlich:

„Dies umso mehr, als die B. Anwaltschaft zuvor eine der damaligen Entscheidungen des Senats entgegen gesetzte Rechtsauffassung äußerte,

mit der sich Temming auseinandersetzen mußte. Weder die Angeklagten noch er konnten davon ausgehen, die Entscheidung des Senats, Dr. Temming die sukzessive Verteidigung als amtlich bestellter Vertreter zu gestatten, bedeute, bei einem späteren Auftreten von Dr. Temming als Rechtsanwalt werde diese sukzessive Verteidigung als nicht geschehen behandelt.“

Naja, dazu ist nun einfach festzustellen - und das ist der Kern des, weiß der Teufel, 45. Ablehnungsantrags -, daß natürlich niemand davon ausgehen konnte, daß Sie sich in einer Rechtsauffassung oder wie immer in irgendeiner Frage, die[e] dieses Verfahren angeht, gegen die B. Anwaltschaft durchsetzen können oder behaupten können. Sie sprechen hier einfach aus, was [8063] Sache ist. Man hat sich in diesem ... grundsätzlich in diesem Raum nach dem zu richten, was die B. Anwaltschaft anordnet, empfiehlt und Ihnen befiehlt; und das ist wirklich, ich würd’ schon sagen, das ist ein wirklich willkürlicher Beschluß gegen Maßstäbe oder Richtlinien, wie Sie sie selbst gesetzt haben in diesem Verfahren jetzt, und niemand konnte vorher davon wissen.

Der Zweck ist nochmals klar:

Sie versuchen, nach wie vor zu verhindern, daß die Verteidigung, die Sie aufgeräumt haben mit allen Mitteln, hier in diesem Verfahren rekonstruiert werden kann. Die [f] Situation der Verteidigung - das kann ja niemand entgangen sein - ist tatsächlich die, daß sie in der Agonie ist, daß sie nicht mehr in der Lage ist, auch nur prozessual gebotene Anträge zu stellen, also mal auf ihrer Ebene des Strafverfahrens oder daß es da jedenfalls enorme Schwierigkeiten gibt. Und dieser Krieg, den Sie hier führen gegen die Verteidigung, dieser dauernde Versuch, sie aufzureiben, den möchten Sie natürlich die Verteidigung ... halten, d. h. auf einem Niveau halten, d. h., in dem sie zwar noch vorhanden ist, aber real ihre Funktion, das, was hier an Rechtsbrüchen läuft, an Willkür läuft, nicht mehr artikulieren kann und schon gar nicht mehr öffentlich machen kann.

Und dagegen werden wir in nächster Zeit was unternehmen müssen. Jetzt bin ich erst mal fertig.

Vors.:

Sonstige Wortmeldungen zu dem Antrag?

Ich sehe, nicht.

Will sich die B. Anwaltschaft äußern?

Bitte, Herr B. Anwalt Dr. Wunder.

BA. Dr. Wu[nder]:

Ich beantrage,

die Ablehnungsanträge zu verwerfen.

Sie sind nicht nur unbegründet, sondern auch unzulässig. Die Entscheidung des Senats vom 22. März 1976, die zum Gegenstand des Ablehnungsgesuchs gemacht wird, ist zu Recht ergangen. Sie deckt sich nicht nur mit den schon wiederholt hier erörterten Leitlinien aus der Entscheidung des BVerfGs zu § 146 StPO, sondern steht auch völlig im Einklang mit der neuen [8064] Grundsatzentscheidung des 3. Strafsenats des BGHs vom 27. Februar 1976.[24] Es ist genau die Rechtslage, zu der ich bereits kürzlich hier in der Hauptverhandlung Stellung genommen habe. Nur folgendes möchte ich dem noch hinzufügen:

Die Neufassung des § 146 StPO besagt, daß mehr als ein Angeklagter aus einem und demselben Komplex von einem Anwalt nicht mehr verteidigt werden kann. D.h. in der Regel, daß die Übernahme einer zweiten späteren Verteidigung nicht zulässig wäre. Ist diese zweite spätere Verteidigung aber nicht nur formell übernommen worden, ist nicht nur etwa Vollmacht erteilt, sondern auch verteidigt worden i.S. dieser Bestimmung, so kann weder die erste noch die zweite Verteidigung fortgeführt werden.

So ist es hier:

Denn der Interessenwiderstreit ist mit der zur Kenntnisnahme aus Internas aus der Verteidigung der beiden Mandanten anders nicht mehr aus der Welt zu schaffen.

Auch RA Oberwinder weiß, daß die Überleitungsbestimmung des Art. 17 nur diejenigen Verfahren betrifft, bei denen die Hauptverhandlung zum 1.1.1975 bereits eröffnet war. Daran ist der Senat gebunden. [g]

Der Beschluß vom 22.3.1976 ist im übrigen eine Kollegialentscheidung, die ohnedies nicht ohne weiteres zum Gegenstand einer Richterablehnung gemacht werden kann;[25] im übrigen ist dieser Beschluß vom 22.3. nur von den Richtern Dr. Prinzing, Foth und Berroth unterzeichnet worden, so daß die Ablehnung der Richter Breucker und Maier überhaupt unverständlich ist. Dies alles zeigt, daß die Richterablehnungen hier zur Übung gemacht werden und es bleiben soll, mithin nicht anderem, als der Verfahrensverschleppung dienen soll.

Der Antrag ist unzulässig nach § 26a Abs. 1 Ziff. 3 StPO.[26]

Der Angeklagte Raspe erscheint um 9.30 Uhr im Sitzungssaal.

Auf die weitschweifigen Ausführungen des Angeklagten Baader noch einzugehen, ist nicht nötig, weil sie keinen sachlichen Gehalt haben.

[8065] Vors.:

Ich bitte, in zehn Minuten wieder anwesend zu sein.

Angekl. [Baa]der:

Ich möchte aber noch erwidern.

Vors.:

Nein.

Pause von 9.31 Uhr bis 9.41 Uhr.

Bei Fortsetzung der Hauptverhandlung um 9.41 Uhr ist der Sachverständige Angermayer wieder anwesend[h];
RA Schily ist nunmehr auch anwesend[i].
Die RAe Pfaff und Linke sind nicht mehr anwesend[j].
Die Angeklagten Baader und Raspe sind nicht mehr[k] anwesend.

Der Senat hat folgendes beschlossen:

Die Ablehnung der Richter des Senats wird einstimmig als unzulässig verworfen.

Gründe:

Die Ablehnung der Richter am OLG Maier und Dr. Breucker ist schon deshalb unzulässig, weil sie am beanstandeten Beschluß nicht beteiligt waren, der geltend gemachte Ablehnungsgrund auf sie daher überhaupt nicht zutrifft.

RA Pfaff erscheint um 9.42 Uhr wieder[l] im Sitzungssaal.

Im übrigen beruht die zum Gegenstand der Ablehnung genommene Nichtzulassung des RA Dr. Temming zum Verteidiger der Angeklagten Meinhof auf der rechtmäßigen Anwendung des § 146 StPO unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung, insbesondere der des BVerfGs, wie sie im beanstandeten Beschluß zitiert ist. Diese neue Rechtsprechung datiert nach dem Beschluß des Senats vom 28.10.75, mit dem einer Verteidigung der Angeklagten Ensslin durch RA Dr. Temming zugestimmt wurde. Mit Befangenheit hat das schlechterdings nichts zu tun; das wissen auch die Angeklagten und die Verteidiger. Die für die Ablehnung vorgetragenen Gründe decken daher einmal mehr keine Befangenheit der abgelehnten Richter auf. Die Ablehnung dient allein der Prozeßverschleppung.

[8066] Der Sachverständige Angermayer macht folgende Angaben zur Person:

Sachverst. Ang[ermayer]:

Franz Angermayer, 58 Jahre, verh.,
Sachverständiger f. Urkundenuntersuchung;
ladungsfähige Anschrift: München, Maillinger Str. 15;

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert;

wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Herr Angermayer, dieses Sachgebiet, das Sie eben angedeutet haben, können Sie das noch etwas näher beschreiben, mit was Sie speziell befaßt sind und seit wann Sie praktische Erfahrungen haben.

Sachverst. Ang[ermayer]:

Ich arbeite in diesem Sachgebiet seit etwa 14 Jahren und habe das Sachgebiet einige Jahre als Sachgebietsleiter geführt, bin dann ins Ausland versetzt worden und kam wieder zurück nach Bayern - wieder in die gleiche kriminaltechnische Abteilung - und bin jetzt wieder in dem gleichen Sachgebiet - Urkundenuntersuchung - beschäftigt.

Vors.:

Ist Ihnen ein Kfz-Kennzeichen „FFB-UW 31“ ein Begriff?

Sachverst. Ang[ermayer]:

Ja.

RA Linke erscheint um 9.43 Uhr wieder[m] im Sitzungssaal.

Vors.:

Bitte, wenn Sie dazu ein Gutachten zu erstatten hatten, dann sollten Sie uns das jetzt vortragen.

Dem Sachverständigen wird hierzu[n] das Asservat B 49 Pos. 1 vorgelegt.

Sachverst. Ang[ermayer]:

Ja, dieses Kennzeichenschild kenne ich. Es wurde der kriminaltechnischen Abteilung am 16.5.1972 zur Untersuchung übergeben. Es sollte geprüft werden, ob die auf diesem Kennzeichnungsschild befindliche Zulassungsplakette, die sich unterhalb des Bindestriches zwischen dem Ortskennzeichen und dem Zulassungs-Unterkennzeichen befindet, ob sich diese Zulassungsplakette im originären Zustand befand, d. h., ob es eine originäre Plakette war oder eine Nachahmung darstellt, ob diese Plakette zuerst auf einem anderen Gegenstand aufgeklebt war und nachträglich von diesem Gegenstand abgelöst und auf das vorliegende Kennzeichen übertragen wurde. [8067] Ich darf vielleicht gleich das Ergebnis der Untersuchung vortragen und dann zu anfallenden Fragen Stellung nehmen. Aufgrund der durchgeführten Untersuchung kann gesagt werden, daß keine Merkmale gefunden werden konnten, die darauf hindeuten, daß die vorliegende oder die abgelöste Zulassungsplakette nachgeahmt worden ist. Damit ist allerdings nicht mit Sicherheit gesagt, daß es eine originäre ist, denn es ist nicht mit Sicherheit auszuschließen, daß man eine Plakette so nachahmen kann, daß man sie nicht unterscheiden kann.

Die Frage zwei:

Es waren keine Spuren vorhanden, die mit hinreichender Sicherheit den Schluß rechtfertigen, daß diese Plakette zuerst auf einen Gegenstand aufgeklebt, von dort abgelöst und auf das vorliegende Kennzeichen nachträglich übertragen wurde. Es ist dabei zu berücksichtigen, daß erstens einmal ein bestimmter Personenkreis mit dieser Spezialfrage, nämlich mit dem Ablösen von Kfz-Kennzeichen, speziell beschäftigt hat - das ist uns bekannt. Wir müssen voraussetzen, daß da erhebliche Fachkenntnisse vorlagen, wenn man so was gemacht hat; zweitens einmal müßten wir das Spurenfeld, das sich uns nach dieser Explosion dargeboten hat, von dem Spurenfeld unterscheiden, was vor der Explosion vorhanden war und das ist äußerst schwierig. Diese Differenzierung dieser beiden Merkmalsgruppen ist praktisch bei Einzelspuren gar nicht durchzuführen.

Vors.:

Haben Sie sich im Zusammenhang mit dieser Untersuchung nun noch mit der weiteren Frage befaßt, ob man solche Zulassungsplaketten ohne besondere Spuren von einem Träger auf einen anderen Träger, also von einem Kennzeichen auf ein anderes übertragen könnte?

Sachverst. Ang[ermayer]:

Ja, wir haben diese Frage geprüft, und wir haben natürlich dabei berücksichtigt, daß auch andere Gruppen sich mit dieser Frage beschäftigt haben und darüber eine Art Unterrichtsmaterial herausgegeben haben - wir haben also auch diese Erkenntnisse berücksichtigt. Aber unabhängig davon haben wir unsere eigenen Versuche gemacht, und ich habe hier ein Lichtbild.

Der Sachverständige hat ein Lichtbild vor sich und zeigt es vor (vergrößerte Prüfplakette).

[8068] Das zeigt eine zuerst aufgeklebte Etikette, die wir abgelöst haben und wieder aufgeklebt haben, ohne Verwendung eines fremden Klebestoffes. Und das Ergebnis ist so, daß man also, wenn man diesen Zustand dieses Trägers berücksichtigt, keinesfalls sagen könnte, daß diese Plakette, die ein solches Exemplar zeigt, das von uns abgelöst worden ist und wieder aufgeklebt, daß man also, wenn man diese Plakette hier drauf finden würde, man keineswegs sagen könnte, daß diese Plakette abgelöst war. Wir wissen nur konkret: Wir haben es gemacht, ...

Vors.:

... so daß man wohl zu dem Ergebnis kommen dürfte, daß Ihre Untersuchungen keinen Anhaltspunkt dafür gegeben haben, daß es sich bei der Plakette nicht um ein Originalstück gehandelt hat?

Sachverst. Ang[ermayer]:

Ja.

Vors.:

Und das zweite,

daß Sie durch Versuche feststellen konnten, daß man eine Plakette von einem Kennzeichen ohne Entstehen von kennzeichnenden Spuren übertragen kann auf einen anderen Träger?

Sachverst. Ang[ermayer]:

Ja.

Vors.:

Danke.

Sonstige Fragen an den Herrn Sachverständigen?

Herr Berichterstatter, bitte schön.

Richter Mai[er]:

Herr Angermayer, Sie haben - in den Akten ist das in

Ordner 108 Bl. 18 -

zu der ersten Frage damals kurz und bündig am 17. Mai 1972 gesagt:

„Die fragliche Zulassungsplakette ist ein Originalstück“;

heute sagen Sie, wenn ich Sie recht verstehe,

Sie haben keine Anhaltspunkte dafür, daß es eine Nachahmung ist.

Umgekehrt können Sie aber auch nicht positiv sagen, daß es ein Originalstück ist.

Sachverst. Ang[ermayer]:

Ja, Herr Richter, aus der Überschrift dieses Ergebnisses ergibt sich schon, es war ein Untersuchungsbericht, d. h. also, wir waren in Zeitnot; wir mußten also das möglichst schnell untersuchen. Nach diesem Untersuchungsbericht, was also zunächst für uns kein Gutachten darstellt - es ist [8069] nur ein Bericht für die Ermittlungen zunächst gedacht gewesen - stellte sich die Sache so dar - da wußten wir aber noch nicht, weil wir noch nicht diese breiten Versuche ablaufen lassen konnten -, daß das tatsächlich möglich ist. Es ist zwar nicht sehr wahrscheinlich, aber wir können es nicht ausschließen, und deshalb haben wir dann im Untersuchungsergebnis, das wir dann am 28.9.1973 erstellt haben, im Gutachten dann dahin zusammengefaßt, daß wir gesagt haben, wir können letztlich nicht mit Sicherheit ausschließen, daß diese Plakette nicht doch abgelöst worden ist.

Richter Mai[er]:

Nur haben Sie dafür keinerlei Anhaltspunkte.

Sachverst. Ang[ermayer]:

Ja.

Richter Mai[er]:

Dankeschön, Herr Angermayer.

Vors.:

Weitere Fragen an den Herrn Sachverständigen?

Beim Gericht nicht.

Herr B. Anw. Holland.

OStA Ho[lland]:

Herr Angermayer, Ihren Ausführungen habe ich entnommen, daß man bei Ihren Untersuchungen es hätte ohne weiteres feststellen können, wenn hier nun zur Neubefestigung einer derartigen Plakette, wie sie hier in Rede steht, wenn man zur Neubefestigung einer derartigen Plakette einen fremden Klebstoff - einen artfremden oder fremdartigen Klebstoff - genommen hätte.

Ist das richtig?

Sachverst. Ang[ermayer]:

Das ist richtig, ja.

OStA Ho[lland]:

Meine Anschlußfrage nun an Sie, Herr Angermayer:

Hätte man diese Manipulation, dieses nachträgliche Anbringen von weiterem Klebstoff auch dann feststellen können, wenn man jetzt nochmals einen gleichartigen Klebstoff aufgetragen hätte?

Sachverst. Ang[ermayer]:

Das Aufbringen eines solchen Klebestoffes ist so schwierig, daß man es fast ausschließen kann; das ist ein spezieller Klebestoff, der eigentlich von Amerika stammt und hier nur in Lizenz nachgemacht wird von einer Firma, womit die andern deutschen Firmen beliefert werden. Es handelt sich um einen Klebestoff, der also thermoplastische Eigenschaften hat, und ich glaube nicht, daß man das kann, einen gleichen Klebestoff - man müßte ihn nämlich von der Marke trennen und das ist deshalb sehr schwierig, weil die Marke zerfällt. Sobald [8070] etwas mechanische Kraft angesetzt wird, zerfällt die Marke in Bestandteile, und zwar nicht nur in diese eingestanzten runden Segmente, sondern auch in sich. Der Farbträger hat eine körnige Substanz.

OStA Ho[lland]:

Dann noch eine Anschlußfrage, Herr Sachverständiger:

Nehmen wir mal an, so eine Kfz.-Plakette wird abgelöst.

Wie lange kann man dann - wenn Sie soweit Erkenntnisse darüber haben - noch mit dem originären Klebestoff wieder aufkleben;

mit anderen Worten:

Herr Sachverständiger, wann etwa trocknet dieser originäre Klebestoff aus oder findet überhaupt eine Austrocknung statt?

Sachverst. Ang[ermayer]:

Also wir haben Versuche gemacht, und da waren[o] zwischen Ablösen und Wiederaufkleben etwa drei Wochen gelegen, und es war immer noch möglich, die Plakette mit dem eigenen Klebestoff auf einen Gegenstand, auf eine feste Oberfläche aufzukleben.

OStA Ho[lland]:

Vielen Dank, Herr Sachverständiger.

Vors.:

Weitere Fragen?

Ich sehe, keine.

Wird Antrag auf Vereidigung des Herrn Sachverständigen gestellt? Auch nicht.

Ein Antrag auf Vereidigung des Sachverständigen wird nicht gestellt.

Der Sachverständige Angermayer bleibt gemäß § 79 StPO[27] unbeeidigt und wird im allseitigen Einvernehmen um 9.52 Uhr entlassen.

Herrn Bachmaier jetzt, bitte.

Ende von Band 447.

[8071] Der Zeuge Bachmaier erscheint um 9.53 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge Bachmaier macht folgende Angaben zur Person:

Zeuge Ba[chmaier]:

Thomas B a c h m a i e r,
geb. [Tag].[Monat].1932, Pfarrer,
Fürstenfeldbruck;
mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert; wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Haben Sie im Jahre 1972 einen PKW gefahren, bei dem eines Tages am Kennzeichen ein Schaden eingetreten ist?

Zeuge Ba[chmaier]:

Ja.

Vors.:

Wenn Sie uns schildern wollten was für ein Kennzeichen das gewesen ist und was für ein Schaden eingetreten ist.

Zeuge Ba[chmaier]:

Ja das Kennzeichen war, glaube ich, vorne hat es die Nummer gehabt „FFB-KE 90“, wenn ich mich recht erinnere. Ich habe inzwischen ein anderes. Aber jedenfalls war, es war am Samstagabend, am 15.4. war das, 72, zwischen 20.00 und 2.00 Uhr muß also das passiert sein. Ich kam so um halb Zehn, Zehn, das ist mir nicht mehr ganz in Erinnerung, in die Garage und bemerkte, daß vorne am vorderen Kennzeichen das Nummernschild beschädigt war, insofern, daß der amtliche Stempel, der runde Stempel „Fürstenfeldbruck“ herausgeschnitten war. Ich habe dann zum Kaplan Frania hinübergeschaut, dessen Wagen stand unmittelbar neben dem meinen da war dasselbe vorne rausgeschnitten. Ich ging um’s Fahrzeug herum. Auf der Rückseite, auf dem großen Nummernschild war zu Schneiden angefangen. Es war also nicht mehr[p] ganz rausgeschnitten man hat gemerkt, das Nummernschild war mit derselben Absicht also beschädigt worden, diesen Stempel „Fürstenfeldbruck“ herauszuschneiden. Wahrscheinlich ist der Täter durch irgendein Geräusch oder durch sonst etwas gestört worden. Die Garage war offen, das heißt also, eine Tür dieser Garage war offen, man konnte durch diese eine Tür zu beiden Fahrzeugen gelangen. Ich wollte dann die Garage zumachen und dabei ist mir eben das aufgefallen.

Vors.:

Ist sonst irgendetwas abhandengekommen?

Zeuge Ba[chmaier]:

Nein.

Vors.:

Nicht.

[8072] Dem Zeugen wird das Asservat
B 49 Pos. 2
- KFZ-Kennzeichen FFB-KE 90 -
mit der Bitte um Besichtigung und Erklärung vorgelegt, ob es sich bei diesen Kennzeichen um seine eigenen gehandelt haben könnte.

Zeuge Ba[chmaier]:

Also wenn ich mich recht erinnere, das große Kennzeichen kann es kaum gewesen sein. Ich habe also das Empfinden, daß der „Bayern- und Fürstenfeldbruckstempel“ in der Mitte war und daß von der Mitte her, hier also, zu schneiden begonnen worden ist.

Vors.:

Sie meinen jetzt, das eher rechteckige, nicht das lange Kennzeichen, also das, das im Zweifelsfall auf der Rückseite angebracht war?

Zeuge Ba[chmaier]:

Ja. Das scheint mir also etwas fraglich zu sein, während das durchaus möglich ist, daß das an meinem Fahrzeug gewesen ist.

Das Gericht nimmt das Asservat B 49 Pos. 2 in Augenschein.[28]

Der Vorsitzende stellt fest, daß diese Kennzeichen die Aufschrift „FFB - KE 90“ tragen.

Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit, am Augenschein teilzunehmen.

Vors.:

Haben Sie das Datum angegeben? Die Uhrzeit habe ich gehört, wissen Sie noch, wann das gewesen ist?

Zeuge Ba[chmaier]:

Das Datum war am Samstag, 15.4.1972. Es wurde ja Anzeige erstattet, das hat der Kaplan Frania gemacht, ein oder zwei Tage später, und nachdem ich mich vergewissert habe, wann die Anzeige erstattet worden ist, konnte ich auch feststellen, daß das genau dieser Tag war. Erinnert hätte ich mich natürlich so nicht mehr daran.

Vors.:

Der Herr Zeuge meinte also, die Zulassungsplakette bei diesem Kennzeichen (rechteckiges Kennzeichen) sei nach seiner Erinnerung mehr in der Mitte gewesen, so daß der Schnitt eigentlich hätte hierauf erfolgen müssen. Er erinnert sich nicht daran, daß das links oben war. Bedeutet das ...

Zeuge Ba[chmaier]:

Ich erinnere mich, also mit ... natürlich immer mit Einschränkung, glaube ich schon ziemlich sicher daran, daß von unten her zu schneiden begonnen worden ist. Das heißt, daß [q] in der Mitte zwischen „KE“ und der Zahl dieser Stempel gewesen ist.

[8073] Vors.:

Sie sagen, Sie erinnern sich mit Sicherheit daran, Bleibt da auch ein gewisser Rest von ...

Zeuge Ba[chmaier]:

Ja, sicher.

Vors.:

... Unsicherheit drin. Also die Möglichkeit, daß es doch so geschnitten worden wäre, wäre letztlich nicht auszuschließen, aber Ihrer Meinung nach müßte es von unten gekommen sein.

Zeuge Ba[chmaier]:

Ja, ich weiß sicher, daß dieser Stempel nicht herausgeschnitten wurde, sondern daß begonnen worden ist mit dem Schneiden, das ist mir sicher, aber ob der Stempel jetzt in der Mitte war oder doch oben, das ist mir nicht ganz sicher.

Vors.:

Dankeschön. Es ist in Ihrer Vernehmung ein Hinweis gegeben, das halte ich Ihnen aus dem Ordner 108 Bl. 5 vor, es sei vermutlich mit einer Blechschere gearbeitet worden. Ist das Ihre Meinung gewesen, die Sie selbst kund taten oder wie kommen Sie ...

Zeuge Ba[chmaier]:

Ich glaube, daß ich das damals schon gesagt habe, aber ich könnte mir nicht vorstellen, daß man mit etwas anderem dieses Nummernschild beschädigt.

Vors.:

So glatt schneidet. Dankeschön. Weitere Fragen? Herr Berichterstatter.

Richter Mai[er]:

Herr Bachmeier, die Kennzeichen sind offenbar von Ihrem Fahrzeug abmontiert worden. Wem haben Sie sie übergeben?

Zeuge Ba[chmaier]:

Den Herren[r] vom Bundeskriminalamt.

Richter Mai[er]:

Namen wissen Sie nicht mehr?

Zeuge Ba[chmaier]:

Nein, das waren zwei oder drei ...

Richter Mai[er]:

Danke.

Vors.:

Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Herr Bundesanwalt Holland.

OStA Holl[and]:

Herr Pfarrer, darf ich davon ausgehen, daß Ihnen die Örtlichkeiten im Bereich der Hauptstraße in Fürstenfeldbruck vertraut sind?

Zeuge Ba[chmaier]:

Natürlich.

OStA Holl[and]:

Herr Pfarrer, jetzt die weitere Frage, können Sie mit dem Anwesen Hauptstraße 1 irgendetwas verbinden, irgendeine Vorstellung verbinden? ... Übrigens, die Befragung erfolgt aufgrund der Skizze in Bl. 28 des Sonderordners 108.

Zeuge Ba[chmaier]:

Inwiefern soll ich da etwas besonderes verbinden damit?

OStA Holl[and]:

Wissen Sie, Herr Pfarrer, um welches Haus es sich handelt?

Zeuge Ba[chmaier]:

Ja.

OStA Holl[and]:

Wo das liegt, können Sie sagen, wo das liegt?

Zeuge Ba[chmaier]:

Hauptstraße 1 ist an der Amperbrücke, wenn man rauffährt, [8074] also von der Münchener Seite kommt, zum Zentrum rein, auf der linken Seite.

OStA Holl[and]:

Jetzt meine Frage an Sie, auf die es mir ankommt, Herr Pfarrer. Wie weit ist es von diesem Haus an, Hauptstraße 1, bis zu dem Pfarrhaus beziehungsweise zu der Garage Ihres Pfarrhauses, geschätzt in Luftlinie, sagen wir mal.

Zeuge Ba[chmaier]:

Luftlinie?

OStA Holl[and]:

Ja.

Zeuge Ba[chmaier]:

Ja, vielleicht sind’s 100 Meter, ich glaube nicht, Luftlinie.

OStA.Holl:

Eher weniger Ihrer Auffassung ...

Zeuge Ba[chmaier]:

Eher weniger, ja.

OStA Holl[and]:

Eher weniger, Dankeschön.

Vors.:

Weitere Fragen bitte? Ich sehe nicht.

Der Zeuge Bachmaier bleibt bis zu der später erfolgenden Vereidigung in Sitzungssaal.

Der Zeuge Frania erscheint um 10.02 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge Frania macht folgende Angaben zur Person:

Zeuge Fra[nia]:

Rupert F r a n i a, 35 Jahre, Priester,
Wohnort: Reit b. Bad Tölz:
mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert; wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Ist es richtig, daß Sie 1972 einen PKW mit dem Kennzeichen FFB - RY 56 gefahren haben?

Zeuge Fr[ania]:

Ja.

Vors.:

Was ist mit diesem Kennzeichen geschehen?

Zeuge Fr[ania]:

Am 16. April habe ich festgestellt, daß das Kennzeichen beschädigt war in der Weise, daß der Zulassungsstempel herausgeschnitten war. Und ich habe damals einen Bekannten gefragt, was man da unternimmt. Der Bekannte ist Beamter bei der Polizeistation in Fürstenfeldbruck gewesen, er hat mir gesagt, ich muß das Kennzeichen also[s] komplett [t] ... sonst werde ich möglicherweise belangt und hat mir dann geraten, eine Anzeige gegen Unbekannt zu erstatten wegen Beschädigung dieses Kennzeichens.

Vors.:

Würden Sie noch die Uhrzeit angeben können, in der nach Ihrer Rekonstruktion vielleicht diese Beschädigung am Kennzeichen erfolgt sein könnte?

Zeuge Fr[ania]:

Ich war damals der Meinung, ich bin es heute noch, daß das in der Nacht davor geschehen sein muß, denn ... ja ich bin den [8075] Wagen so häufig gefahren, daß ich es also nicht anders vermuten kann.

Vors.:

Ist es richtig, daß Ihnen damals Herr Bachmaier mitgeteilt hat, daß er schon am Vorabend gegen 22.00 Uhr den Schaden entdeckt habe bei dem Versuch ... bei der Absicht, die Garage zu verschließen? Oder wissen Sie davon nichts mehr?

Zeuge Fr[ania]:

Das kann ich jetzt im Moment ... mich nicht dran erinnern.

Vors.:

Können Sie nicht mehr sagen. Haben Sie irgendwelche Hinweise, mit was eventuell hier gearbeitet worden ist, um diesen Schnitt durchzuführen?

Zeuge Fr[ania]:

Also ich habe damals vermutet, so eine Art Blechschere oder so etwas.

Vors.:

Blechschere. War also Ihre eigene Vermutung?

Zeuge Fr[ania]:

Ja.

Vors.:

Dieses Kennzeichen selber haben Sie ausgetauscht, um ein korrektes zu haben und das beschädigte ist, glaube ich, dann vernichtet worden.

Zeuge Fr[ania]:

Das ist dann ... ja, das ist weggekommen beim Auswechseln, da haben wir es gleich weggeschmissen.

Vors.:

Und das Kennzeichen, diese Zulassungsplakette war also für Fürstenfeldbruck ausgestellt?

Zeuge Fr[ania]:

Ja.

Vors.:

Danke. Weitere Fragen? Bitte.

Richter Mai[er]:

Wissen Sie heute noch, ob diese Zulassungsplakette an dem vorderen Kennzeichen in der Mitte des Kennzeichens oder in einer der vier Ecken angebracht war?

Zeuge Fr[ania]:

Bei mir hat man das hintere Kennzeichen entfernt.

Richter Mai[er]:

Das andere wars, Entschuldigung, ja.

Zeuge Fr[ania]:

Beim vorderen meine ich, daß es in der Mitte war.

Richter Mai[er]:

Und beim hinteren?

Zeuge Fr[ania]:

Wenn ich mich daran erinnere ... nein das ist ... im Moment nicht mehr.

Richter Mai[er]:

Wissen Sie nicht mehr ... danke.

Vors.:

Weitere Fragen, bitte? Ich sehe nicht. Können wir die Herren Zeugen vereidigen? Keine Einwendungen.

Die Zeugen Bachmaier und Frania werden einzeln vorschriftsmäßig vereidigt und im allseitigen Einvernehmen um 10.06 Uhr entlassen.

[8076] Der Zeuge Friesl erscheint um 10.07 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge Friesl macht folgende Angaben zur Person:

Zeuge Fri[esl]:

Franz F r i e s l, 43 Jahre,
Kriminalhauptmeister beim LKA in Stuttgart; mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert; wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Herr Friesl, ist Ihnen die Wohnung Stuttgart, Seidenstraße 71 ein Begriff?

Zeuge Fri[esl]:

Ja, die Wohnung ist mir ein Begriff, und zwar ich habe sie im Juni 1972 durchsucht.

Vors.:

Wir legen Ihnen hier vor ein Beweismittel E 29 Pos. 28. Wenn Sie uns erklären ob bei der Durchsuchung der Wohnung ein solches Beweismittel, möglicherweise gar dieses Beweismittel gefunden worden ist und ob Sie es selber damals registriert und asserviert haben.

Dem Zeugen wird das Asservat
E 29 Pos. 28
vorgelegt.

Zeuge Fri[esl]:

Das ist ein Werkzeug, das ich im Flur gefunden habe, und zwar wenn ich mich recht erinnere, im Schrank, in dem eingebauten Schrank. Ob das das gleiche Werkzeug ist, kann ich nicht sagen, aber ich kann mich erinnern, daß solch eine Zange bei diesem Werkzeug dabei war. Die Schrift auf der Hülle, und zwar die Bezeichnung „E 29 Pos. 28“ ist meine Handschrift. Die Zange selbst, es war eine gleichartige Zange.

Vors.:[u]

Für was haben Sie’s damals gehalten?

Zeuge Fri[esl]:

Als harmloses Werkzeug, ich weiß heute noch nicht, was ich damit soll.

Vors.:

In Ihrem ... in einem Verzeichnis über die Fundstücke, wir werden gleich klären, ob das von Ihnen stammt, ist unter der Pos. 28 eingetragen: eine kleine Schneidezange. Das ist Blatt 97 des Ordners 54.

Zeuge Fri[esl]:

Also hier habe ich auch selbst 28 ... Pos. 28 bezeichnet also ich nehme an, daß es[v] diese Zange ist. Also es müßte diese Zange sein.

Das Gericht nimmt das Asservat
E 29 Pos. 28
in Augenschein.
Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit, am Augenschein teilzunehmen.

[8077] Vors.:

Es ist gerade schon erwähnt worden, daß hier eine Liste vorhanden ist, die die Beweismittel, die man in der Wohnung sichergestellt hat, aufzeigt. Wer hat diese Liste erstellt?

Zeuge Fri[esl]:

Die Liste wurde von mir erstellt und zwar ich hab die Durchsuchung gemacht und ich habe auch die Sachen aufgeschlüsselt. Ich weiß es nicht mehr, es war ein Kollege sicher dabei, dem ich die Sache angegeben habe, aber die Sachen wurden von mir aus dem Regal oder vom Fundort weggenommen, aufgegliedert und dann zusammengepackt.

Dem Zeugen wird die Liste aus
O. 54 Bl. 95 - 104
vorgelegt mit der Bitte zu erklären, ob es sich um diese Liste handelt und ob es sich um seine Unterschrift handelt.

Zeuge Fri[esl]:

Ja, es handelt sich um die Liste, die Unterschrift ist von mir.

Vors.:

Es werden Ihnen nun aus dieser Liste einige Positionen vorgehalten, ob Sie daran noch eine Erinnerung haben. Bitte, Herr Berichterstatter.

Richter Mai[er]:

Herr Friesl, was sind Ihnen sonst noch für Beweisstücke in Erinnerung, die Sie in der Wohnung angetroffen haben?

Zeuge Fri[esl]:

Ich darf vielleicht anfangen, und zwar in der Reihenfolge, wie ich die Durchsuchung durchgeführt habe. Ich habe begonnen im Flur. Im Flur wurden Werkzeuge gefunden und zwar relativ neue Werkzeuge unter anderem ein Hammer, dann so Schrauben. Dann im Wohnzimmer auf einem Tapeziertisch, so Retuschierpult, ein Fernsehgerät, ein kleines tragbares Fernsehgerät, ein Radio. Auf dem Regal ...

Richter Mai[er]:

Entschuldigung, können Sie zu dem Radio vielleicht etwas besonderes sagen?

Zeuge Fri[esl]:

Ja, bei dem Radio war es so, das Radio wurde eingeschaltet, ohne daß man zuerst die Skala verändert wurde und dabei war der Polizeifunk von Stuttgart, und zwar von „Uran“, hörbar.

Richter Mai[er]:

Kann es auch „Dora“ gewesen sein? Ist nicht so wichtig, Sie müssen ...

Zeuge Fri[esl]:

Ich glaube, es war „Uran“.

Richter Mai[er]:

Sie haben an irgendeiner Stelle später etwas möglicherweise von „Dora“ gesagt, aber Sie meinen jedenfalls, eine ...

Zeuge Fri[esl]:

Soviel ich mich erinnern kann, ich kann mich aber da nicht mehr genau ... auf alle Fälle es war der Polizeifunk.

[8078] Richter Mai[er]:

Dann, was noch, Herr Friesl?

Zeuge Fri[esl]:

Dann war eine Zeitschrift, der „Stern“ und zwar wir konnten ... ich kann mich deswegen erinnern, weil wir aufgrund der Seiten des Fernsehprogramms, das aufgeschlagen war, haben wir recherchiert, wann die Wohnung etwa eventuell aufgegeben worden sein könnte und zwar, wenn ich mich recht erinnere, glaube ich, war das Fernsehprogramm aufgeschlagen vom 1. Juni.

Richter Mai[er]:

In dieser Liste, die Ihnen gerade gezeigt wurde, Herr Friesl, ist auf O. 54 [w] Bl. 98 unter den Positionen 49 - 52 sind Zeitungen angegeben, wenn ich’s Ihnen kurz vorhalten darf. Ein „Spiegel“ Nr. 23 vom 29.5.72, aufgeschlagen war die Seite 153 mit dem Fernsehprogramm vom 29.5. ...

Zeuge Fri[esl]:

Das kann sein, es kann sein ...

Richter Mai[er]:

... bis 31.5., das ist möglicherweise das, was Sie gerade meinten.

Zeuge Fri[esl]:

Das kann sein, daß ich jetzt die Zeitschriften verwechselt ...

Richter Mai[er]:

Dann in der Pos. 50: 3 Zeitschriften „Konkret“ vom 10.4.72, 18.5.72 und 31.5.72. Unter Nr. 51 einmal „Pardon“ Nr. 5 vom Juni 72, unter Nr. 52 eine Zeitschrift der „Stern“ vom 4.6.72.

Zeuge Fri[esl]:

Das ... ich muß hier einräumen, daß ich mich wahrscheinlich dann bei der ... daß nicht der „Stern“ aufgeschlagen war, sondern die andere Zeitschrift mit dem Fernsehprogramm.

Richter Mai[er]:

Ja, aber Sie können sich noch erinnern an Zeitungen, Zeitschriften aus den Monaten April, Mai 72 etwa.

Zeuge Fri[esl]:

Ja.

Richter Mai[er]:

Dann, was noch, Herr Friesl?

Zeuge Fri[esl]:

Dann war auf dem Regal, das war im Wohnzimmer, war ein Regal, da war ein ... da waren zwei, ein Notizblock mit einem Alphabet, waren aber keine Eintragungen drinnen, dann ein Notizblock, ein hellgrüner Notizblock, beziehungsweise ... ja, so mehrere Blätter zusammengeheftet. Ich habe das deswegen in Erinnerung, und zwar ... kurze Zeit später bei der Festnahme des Herrn Konieczny[29] dann ist mir aufgefallen, daß dieser einen gleichfarbigen Zettel bei sich trug mit der Aufschrift: „Deutsches Waffenjournal“ irgendwie, und wir ... ich hatte dann vermutet, daß das, weil das von der Beschaffenheit, von der Farbe gleich aussah, daß das das gleiche war. Der Herr Konieczny hat dann angegeben, daß er diesen Zettel von der Irmgard Möller[30] bekommen hat. Dann war eine ... mehrere [x] Taschen mit verschiedenen Kleidungsstücken.

[8079] Richter Mai[er]:

Waren in einer der Taschen auch schriftliche Aufzeichnungen?

Zeuge Fri[esl]:

Ja, und zwar mehrere Blätter mit handschriftlichen Aufzeichnungen, bei denen offensichtlich irgendwie der Polizeifunk ... Aufzeichnungen über den Polizeifunk gemacht waren. Es war ziemlich große Schrift, ziemlich große Handschrift.

Richter Mai[er]:

Haben Sie irgendwelche Fachliteratur über technische Spezialgebiete gefunden?

Zeuge Fri[esl]:

Ja, ich glaube, daß Funkhefte und zwar über den Funk- oder Morselehrgang, irgendwie sowas.

Richter Mai[er]:

Unter Position 103 sind neun Funkfachhefte verzeichnet.

Zeuge Fri[esl]:

Ja.

Richter Mai[er]:

Haben Sie sonst irgendwie noch besondere Werkzeuge, die man vielleicht nicht gerade in jeder Wohnung antrifft, gefunden?

Eventuell zum Löten?

Zeuge Fri[esl]:

Lötspitzen, glaube ich, also wenn ich mich recht erinnern kann, war kein Lötapparat da, aber Lötspitzen.

Richter Mai[er]:

Ja, in der Pos. 174 sind 2 Lötspitzen, die noch auf ein Karton befestigt sind, verzeichnet.

Zeuge Fri[esl]:

Ja, die waren noch verpackt.

Richter Mai[er]:

Das entspricht Ihrer Vorstellung. Sie sagten schon, Sie haben sich dafür interessiert, ob die Wohnung auch benutzt worden ist, und bis wann haben Sie sonst Anhaltspunkte für die Benutzung der Wohnung gehabt?

Zeuge Fri[esl]:

Ja, und zwar an derl... wie wir den Briefkasten gelehrt haben. Und da war das Wochenblatt im Briefkasten und dann war ein Blumenstock, der, wo man etwa die Zeit eingrenzen konnte, wann der abgestellt worden ist vor der Wohnung, so daß wir[y] darauf geschlossen haben, insgesamt, daß die Wohnung so um den 1.6. herum aufgegeben worden ist.

Richter Mai[er]:

War eine Schlafgelegenheit vorhanden?

[z] Zeuge Fri[esl]:

Es waren ... im Wohnzimmer waren zwei nebeneinander liegende Matratzen auf dem Boden, da war ein Leintuch drüber und Decken, und im Schlafzimmer, Schlafzimmer, also ich bezeichne es als Schlafzimmer, wobei ich nicht weiß, was das ... wie das also von der Räumlichkeit der Wohnung bezeichnet ist. Das Zimmer, das was größer war von den Fenstern her, wie es ich normalerweise als Wohnzimmer einräumen würde. In dem zweiten Raum da war auch, war ein Matratzenlager auf dem Boden, dann war noch eine ... im Wohnzimmer war noch ein Safaristuhl, ein sogenannter Safaristuhl, der von, wie er bei der Firma „Möbel-Mann“ im Handel ist ...

[8080] Richter Mai[er]:

So im einzelnen interessiert es, glaube ich, nicht, Herr Friesl, Sie sagen, es waren verschiedene Matratzen zum Beispiel vorhanden. Wie war es denn mit dem Wohnungstürschloß? Haben Sie dort etwas besonderes festgestellt?

Zeuge Fri[esl]:

Ja, und zwar, wir fanden in der Küche, wenn ich mich recht erinnere, ich glaube, es war in der Küche oder im Gang im Schrank, ich weiß es nicht mehr genau, auf alle Fälle fanden wir ein Schloß und die Schlüssel dazu und aufgrund des Einbaus ... man konnte merken ... man konnte feststellen, daß das Schloß, das bei ... zu dem Zeitpunkt als wir die Wohnung betreten haben, daß das ein neueres Schloß war.

Richter Mai[er]:

Also das Wohnungstürschloß war zu irgendeinem Zeitpunkt ausgewechselt worden.

Zeuge Fri[esl]:

So daß wir vermutet haben, daß das ehemalige Schloß ausgebaut war und daß das in der Wohnung gefundene Schloß, daß das ausgebaut wurde.

Richter Mai[er]:

Haben Sie das Wohnungstürschloß, das jetzt vorhanden war an der Wohnungstüre, habe Sie das ausgebaut und gesichert?

Zeuge Fri[esl]:

Das Schloß, das dann in der Wohnung war hatten wir, ich glaube, einige Tage später dann erst ausgebaut. Also nicht am gleichen Tage, sondern einige Tage später wurde das ... habe ich dann das Schloß ausgebaut.

Richter Mai[er]:

Was war denn an der Wohnungstür für ein Name verzeichnet? Wer lief denn nach außen hin als Mieter dieser Wohnung?

Zeuge Fri[esl]:

An der Wohnungstür, glaube ich, also an der Haustür unten, glaube ich, war der Name Mc Leod[31] und an der Wohnungstür war der Name Zerbel.

Richter Mai[er]:

Zerbel.

Zeuge Fri[esl]:

Zerbel, ja.

Richter Mai[er]:

Können Sie sich heute noch erinnern, ich weiß es nicht, Herr Friesl, welchen Telefonanschluß diese Wohnung hatte?

Zeuge Fri[esl]:

Das war etwas mit 29 60 00 oder so ungefähr, so ähnlich lautete die Nummer.

Richter Mai[er]:

In den Akten ist an ein er Stelle, ich kann’s jetzt ... O. 54 Bl. 91 ff. über die Telefonnummer 29 69 00 angeben.

Zeuge Fri[esl]:

69 00, ja.

Richter Mai[er]:

29 69 00, danke.

Vors.:

Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Herr Dr. Breucker bitteschön.

Richter Dr. Br[eucker].:

Herr Friesl, ist Ihnen noch in Erinnerung, ob in der Wohnung Bücher gefunden wurden mit Titeln, die sich auf Revolution beziehen?

[8081] Zeuge Fri[esl]:

Ja, es wurden einige Bücher gefunden und zwar eines auch mit handschriftlichen Eintragungen. Aber ich kann mich jetzt an den Titel ... an die einzelnen Titel nicht erinnern. Ich könnte eventuell, wenn ich das Protokoll wieder ...

Richter Dr. Br[eucker]:

Ich möchte Ihnen vorhalten aus Bl. 99 des O. 54: [aa] „Reihe Hauser, Guerilleros, Partisanen, Theorie und Praxis von Joachim Schickel“.

Zeuge Fri[esl]:

Mir sind diese Bücher bekannt. Ich kann mich aber jetzt nicht mehr im einzelnen festlegen, denn ich hatte mehrere Durchsuchungen gemacht, bei denen ähnliche Schriften gefunden wurden, so daß ich jetzt nicht mehr im einzelnen die Bücher aus dem Kopf raus den einzelnen Objekten zuordnen kann.

Richter Dr. Br[eucker]:

Es sind noch wenige Bücher, deren Titel ich Ihnen noch vorhalten möchte. Sie können sich dann kurz dazu äußern: „Der totale Widerstand“.

Zeuge Fri[esl]:

Ja, und zwar deswegen, weil da war eine Seite irgendwie aufgeschlagen oder angemerkt, deswegen kann ich mich speziell an dieses Buch noch erinnern.

Richter Dr. Br[eucker]:

Das war die Ziffer 114. Unter Ziffer 115 dieses Verzeichnisses: 2 als Kursbücher deklarierte Revolutionsschriften.

Zeuge Fri[esl]:

Ja, ich kann mich an die Schriften erinnern.

Richter Dr. Br[eucker]:

Ein Buch „Guerillakrieg in den USA“.

Zeuge Fri[esl]:

Ich muß hierbei nochmals das sagen, was ich vorhin gesagt habe. Ich kann aus dem Kopf ... wenn es im Protokoll drinnen ... muß es zweifellos der Wahrheit entsprechen, denn ich habe nichts ins Protokoll reingeschrieben, was nicht ...

Richter Dr. Br[eucker]:

Aber keine konkrete Erinnerung an diesen Titel?

Zeuge Fri[esl]:

Keine konkrete ... ich kenne die Bücher und weiß, daß ich sie irgendwo sichergestellt hab, aber ich weiß jetzt nicht mehr genau, welches Buch in welchem Objekt also aus dem Kopf ...

Richter Dr. Br[eucker]:

Dann unter Ziff. 122: 2 Bücher „Stadtguerilla“.

Zeuge Fri[esl]:

Ich kenne die Bücher.

Richter Dr. Br[eucker]:

Ja, aber Sie wissen es nicht konkret. Dann schließlich noch: „Aspekte der algerischen Revolution“.

Zeuge Fri[esl]:

Ich muß dasselbe dazu sagen.

Richter Dr. Br[eucker]:

Auch da keine konkrete Erinnerung. „Lenin über die Pariser Kommunen“.

Wissen Sie nicht, danke.

Vors.:

Weitere Fragen? Herr Bundesanwalt Holland.

OStA Holl[and]:

Herr Friesl, könnten Sie uns sagen, was eigentlich Anlaß für die Durchsuchung dieser Wohnung, von der Sie [8082] eben gesprochen haben, war?

Zeuge Fri[esl]:

Ja. und zwar wir hatten vom Bundeskriminalamt die Mitteilung bekommen, daß über dem Telefonanschluß, über dem vorhin erwähnten Telefonanschluß, daß das eine Kontaktadresse ist für Mitglieder der Baader-Meinhof-Bande und daß ... über diese Telefonnummer dort soll sich eine Gabi melden an diesem Telefon und die vermittelt dann weiter in eine weitere Wohnung. In dem Zusammenhang wurden dann ... also wurde das Objekt Obere Weinsteige und das Objekt im Asemwald dann ausgelotet, also die Ermittlungen haben ergeben, daß es sich ... daß diese drei Objekte eine Rolle spielen und dann hat man sich entschlossen, daß man die drei Objekte gleichzeitig durchsucht. Ich wurde dann beauftragt mit der Durchsuchung Seidenstraße.

OStA Holl[and]:

Herr Friesl, haben Sie im Lauf Ihrer Ermittlungstätigkeit einmal erfahren, wer sich hinter der von Ihnen erwähnten Gabi verbarg?

Zeuge Fri[esl]:

Ja, und zwar ich habe die Ermittlungen also so, wie ich es beurteile, handelte es sich um die Irmgard Möller und zwar das ... ich stütze meine Annahme insoweit, daß es a) nach der Festnahme den Aussagen des Konieczny, dann nach der Gegenüberstellung zwischen der Irmgard Möller und dem Herrn Wollmann, wobei ich dazu sagen muß, daß der Herr Wollmann nicht sagen hat können, daß das die Gabi ist, sondern daß das die Bewohnerin ist, die er unter dem Namen Zerbel kennt und bei der es sich um die Irmgard Möller gehandelt hat.

OStA Holl[and]:

Dann Herr Friesl, noch eine letzte Frage. Herr Friesl, haben Sie die polizeilichen Ermittlungsvorgänge, die heute Gegenstand ihrer Befragung war oder waren, sich in der letzten Zeit mal wieder angesehen?

Zeuge Fri[esl]:

Ja und zwar deswegen, auf meiner Zeugenladung da stand oben, ich werde gehört zu E 28 Pos. 29, und mir war ... oder ja, oder umgekehrt, und ich konnte mich natürlich nicht an die einzelnen Positionen erinnern, und für mich war das etwas unverständlich. Ich hab gesagt das muß ein Fehler sein, denn ich habe gerechnet, daß ich gehört werde entweder zu den grünen Zetteln oder zu dem Retuschierpult oder zu den Schrauben ... für mich und ich war deswegen gestern noch einmal auf der Dienststelle und habe mir die Positionen durchgeguckt und habe dabei festgestellt, daß es sich um eine Zange handelt.

OStA Holl[and]:

Haben Sie alle Positionen sich angesehen in der Asservatenliste oder nur die näheren Angaben zu speziell [8083] diesem von Ihnen genannten Asservat.

Zeuge Fri[esl]:

Ich habe speziell auf diese Position geguckt und dann in meinem, in dem von mir gefertigten Auswertungsbericht Positionen überflogen, von denen ich geglaubt habe, die eventuell hier von Bedeutung sein könnten, wie zum Beispiel gerade das Retuschierpult, der grüne Zettel.

Vors.:

Weitere Fragen bitte an den Herrn Zeugen? Herr Rechtsanwalt Schily, bitte.

RA Schi[ly]:

Herr Zeuge, was waren denn das für zwei als Kursbücher deklarierte Revolutionsschriften?

Zeuge Fri[esl]:

Das waren Schriften, wo irgendwie von, nach meiner Meinung, linksextreme Auffassung vertreten wurden, oder ich bezeichne normalerweise als Kursbuch ein Fahrplanbuch. Und sicher, man kann auch irgendwie einen politischen Kurs meinen, aber das ging etwas von meiner Vorstellung ab, und nachdem ich gelesen habe „Kursbuch“, gab das ja ... Fahrplan und ich habe aber irgendwie keine Zugabfahrten gefunden, sondern irgendwie ... es waren praktisch wie man eventuell die Revolution machen kann.

RA Schi[ly]:

Stand das da drin, ja?

Zeuge Fri[esl]:

Ich habe das Buch nicht ausführlich gelesen, ich habe es überflogen.

RA Schi[ly]:

Kennen Sie die Zeitschrift „Kursbuch“? Ist das vielleicht die Zeitschrift „Kursbuch“ gewesen, Herr Zeuge?

Zeuge Fri[esl]:

Die Zeit... eine Zeitschrift, also ich weiß nicht, ich kann mich nur jetzt an den Titel erinnern, ich glaube, das war irgendwie ein braunes Buch, weil’s ...

RA Schi[ly]:

Es waren zwei, nicht?

Zeuge Fri[esl]:

Oder zwei, ja.

RA Schi[ly]:

Waren die verschiedenfarbig, die Umschläge?

Zeuge Fri[esl]:

Das kann ich heute nicht mehr mit Sicherheit sagen.

RA Schi[ly]:

Herr Zeuge, müßten Sie eigentlich korrekter Weise sagen, Sie sagten immer nach meiner Erinnerung, oder soweit ich mich heute erinnere, ist es nicht korrekterweise, eigentlich müßten Sie sich[bb] korrekterweise so ausdrücken, daß Sie nur eine Erinnerung an Ihre gestrige Lektüre haben?

Zeuge Fri[esl]:

Nein, das auf keinen Fall. Ich hätte Ihnen im wesentlichen das, was ich jetzt gesagt habe, bereits am Samstag sagen können, und ich habe mich lediglich ... ich hätte normalerweise das Protokoll überhaupt nicht nachgesehen, wenn nicht auf meiner Zeugenladung gestanden wäre Pos. soundso und deswegen wollte ich schauen, was ist das überhaupt für ein Gegenstand, zu dem ich hier gehört werden sollte.

[8084] RA Schi[ly]:

Also die Einzelheiten, die Sie heute mitgeteilt haben, die hatten Sie auch ohne diese Lektüre noch im Gedächtnis?

Zeuge Fri[esl]:

Im wesentlichen, ja.

RA Schi[ly]:

Nach vier Jahren, ja?

Zeuge Fri[esl]:

Ja, es sind nicht ganz vier Jahre.

RA Schi[ly]:

Ich beglückwünsche Sie, Herr Zeuge, danke.

Zeuge Fri[esl]:

Vielen Dank.

Vors.:

Wir wollen Ihnen jetzt noch ein paar Bilder ... das hießt, Herr Rechtsanwalt Pfaff, Verzeihung.

RA Pf[aff]:

Herr Zeuge, Sie sprachen von einem Objekt „Asemwald“. Können Sie das noch einmal näher beschreiben?

Zeuge Fri[esl]:

Ja, ich kann das Objekt „Asemwald“ ... ich war[cc] selbst nicht dort, es wurde damals bei der Besprechung wurden verschiedene Durchsuchungstrupps gemacht, wenn ich mich ... es war so, daß der „Asemwald“ wurde vom ... vom damaligen Polizeipräsidium Stuttgart übernommen. Das LKA hat mit unterstellten Kräften das Objekt „Seidenstraße“ und „Obere Weinsteige“ übernommen. Ich hatte also die untergeordnete Funktion. Ich war zuständig für die „Seidenstraße“ und ich kannte weder das Objekt „Asemwald“, ich wußte zwar im großen und ganzen um was es ging, warum das durchsucht werden sollte, aber es war nicht meine Aufgabe.

RA Pf[aff]:

Wissen Sie vom Hörensagen, was dort gefunden worden ist?

Zeuge Fri[esl]:

Im Asemwald?

RA Pf[aff]:

Ja.

Zeuge Fri[esl]:

Für mich war es praktisch ... das einzige, was ich vom Asemwald weiß, daß dort ein Bewohner um’s Leben gekommen ist,[32] das habe ich während der Durchsuchung etwa gegen 9.00 Uhr in der Seidenstraße erfahren. Aber was dort gefunden worden ist, oder sonst was, kann ich keine Angaben machen.

RA Pf[aff]:

Es handelte sich um den Schotten Mc Leod?

Zeuge Fri[esl]:

Ja.

Vors.:

Keine Fragen mehr. Herr Berichterstatter.

Richter Mai[er]:

Nur noch eines Herr Friesl, ist Ihnen noch ein Handspiegel in Erinnerung?

Zeuge Fri[esl]

Ja, und zwar ein Spiegel wurde gesichert. Auf dem war deutlich sichtbar, also mit bloßem Auge sichtbar, ein Fingerabdruck und deswegen haben wir den Spiegel gleich gesondert verpackt, und als Beobachter war damals der Herr Laufenberg oder Laufenburg vom BKA dabei, der hat den Spiegel übernommen, so daß wir den zur kriminaltechnischen Untersuchung gleich [8085] nach Wiesbaden weitergeleitet haben.

Richter Mai[er]:

Dankeschön.

Die Lichtbilder aus O. 54 Bl. 118 - 123 werden vom Gericht in Augenschein genommen.

Dem Zeugen werden die Lichtbilder aus O. 54 Bl. 118 - 123 mit der Bitte um Erläuterung - beginnend bei Bild 118 unten - vorgelegt.
Der Text der die Bilder beschreibt, ist abgedeckt.

Zeuge Fri[esl]:

Und zwar das untere Bild, das ist der Flur. Die Tür, die hinten sichtbar ist, also hinten rechts, das ist der Eingang [dd] zu dem von mir bezeichneten Wohnzimmer. Auf der rechten Seite des Bildes ist der rote Einbauschrank, in dem verschiedene Kleidungsstücke und auch die bezeichneten Werkzeuge gefunden wurden.

Vors.:

Danke. Bitte das nächste Bild[ee]. Bitte die Seitenzahl [ff] angeben und jeweils bezeichnen oben und unten ...

Zeuge Fri[esl]:

119 das obere Bild und zwar das ist fotografiert praktisch von dem von mir als Wohnzimmer bezeichneten Zimmer aus in den Gang hinein in Richtung der Eingangstür zur Wohnung.

Vors.:

Weiter. Fahren Sie bitte selbständig fort. Sobald Sie Ihre Erklärung gegeben haben immer fortfahren.

Zeuge Fri[esl]:

Ja, das darunterliegende Bild ist praktisch die geöffnete Eingangstüre zur Wohnung. Oben ist sichtbar, und zwar etwa in der Bildmitte oben, daß an der Wand so ein kleines Kästchen ist, wo ein Kabel runtergeht und zwar dazu wäre vielleicht folgendes zu sagen: Da oben wurde die Klingel[gg] runtergemacht. Die wurde dann verlängert, da ging ein Verlängerungskabel rein ins Wohnzimmer und die lag dann dort auf dem Boden.

Das ist die Waschecke und zwar vom Flur aus. Das Bild ist also Seite 120 das obere Bild. Da wurden im wesentlichen Toilettensachen ... waren, ich weiß nicht sicher, ob ich ... ob an dieser Ecke der Spiegel sichergestellt wurde, das weiß ich jetzt nicht mehr mit Sicherheit, aber von hier aus, von dieser Waschecke aus ist dann der Gang raus ins Bad. Dann das darunter liegende Bild, das ist eine Aufnahme von der Küche auf der ... auf dem Küchenschrank beziehungsweise auf dem Ofen. Und auf dem Küchenkasten da waren mehrere Lebensmittel, die zum größten Teil verdorben waren, angeschimmelt waren und verdorben waren.

Das ist praktisch eine Aufnahme vom Flur aus in die Küche rein, [8086] also die Küche liegt gleich wenn man reinkommt in dem Flur auf der linken Seite. Bei 121, das ist eine Aufnahme, und zwar von der Seite, wo die Eingangstüre ist, in das Wohnzimmer. Auf der rechten Bildseite ist der Tapeziertisch, auf dem das Retuschierpult war und eine sogenannte „Spiegelbirne“, dann links sehen wir das von mir bezeichnete Matratzenlager. Neben dem Matratzenlager auf dem Boden ist das, auf der rechten Seite, das Radiogerat, bei dem ich vorhin gesagt habe, daß hier der Polizeifunk hörbar war, und dann auf dem Boden auch das Fernsehgerät. Die Aufnahmen wurden von ... mir waren 2 Beamte vom Erkennungsdienst zugeteilt, - wurden von dem Erkennungsdienstbeamten gemacht. Dann darunterliegend, das ist ebenfalls das Wohnzimmer, und zwar das Regal ist hier sichtbar, auf dem unter anderem der grüne Block gefunden wurde. Dann der Safaristuhl, der von mir als Safaristuhl bezeichnete Stuhl und dann am Boden hier liegen die ... hier am Boden die Bücher und auch im Regal die von mir dann aufgeschlüsselten Bücher.

Auf Seite 122 das ist eine Aufnahme von dem Tapeziertisch. Hier ist auch das Telefon sichtbar. Das Telefon war mit roten Filzschreiben angekratzt, angezeichnet. Das Telefon wurde mit einem Verlängerungskabel offensichtlich reingelegt ins Wohnzimmer, zu welchem Zweck, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Ich kann eventuell nur vermuten, daß man eventuell das Telefon auch neben dem Schlaflager gehabt hat oder das ... kann ich nur Vermutungen drüber anstellen, das weiß ich also nicht. Dann hier auf 122 unten, da ist das Bad, hierbei gibt es nichts besonderes eigentlich ... Auf Seite 123 ist dann das von mir als Schlafzimmer bezeichnete ... der von mir als Schlafzimmer bezeichnete Raum, wo ebenfalls am Boden dann ein Matratzenlager war und die Tasche, das stand mit den ... wo ja ... die Kleidung war. Und das untere Bild ebenfalls nur von dem von mir als Schlafzimmer bezeichneten Raum aus einer anderen Perspektive und zwar von der Fensterseite her in Richtung Wohnungsinneres.

Vors.:

Danke. Sind weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Ich sehe nicht. Können wir den Herrn Zeugen vereidigen und dann entlassen? Keine Einwendungen.

[8087] Der Zeuge Friesl wird vorschriftsmäßig vereidigt und im allseitigen Einvernehmen um 10.37 Uhr entlassen.

Ende von Band 448.

[8088] Der Zeuge KHK Mauritz erscheint um 10.37 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge KHK Mauritz wird gem. § 57 StPO belehrt.

Das Einverständnis zur Aufnahme seiner Aussage auf das Gerichtstonband liegt vor.

Vors.:

Ich bitte Sie jetzt um die Angaben Ihrer Personalien.

Der Zeuge machte folgende Angaben zur Person

Zeuge Mauritz

Siegfried Mauritz, 42 Jahre alt,
Kriminalhauptkommissar, BKA Wiesbaden,
mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert, wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Herr Mauritz, ist Ihnen die Wohnung in Frankfurt, Inheidenerstraße 69 ein Begriff?

Zeuge Mau[ritz]:

Die ist mir ein Begriff.

Vors.:

Wir haben Grund zu der Annahme, daß Sie bei der Sicherstellung bzw. Asservierung in dieser Wohnung beteiligt gewesen sind.

Zeuge Mau[ritz]:

Das ist richtig.

Vors.:

Es interessiert hier im Zusammenhang folgendes: Wir haben hier ein Asservat E 23 V 5/ 326 Pos. 1-5. Wir wollen Ihnen diese Asservate übergeben. Es sind hier sogar nur 1 und 2 vorhanden, mit der Bitte, daß Sie erklären: 1. Ob Sie selbst solche Gegenstände in dieser Wohnung gesehen und gesichtet haben? Ob Sie selber an der Sicherstellung bzw. Asservierung beteiligt waren, und was nach Ihrer Auffassung das gewesen ist.

Dem Zeugen wird das Asservat E 23 V 5/326 1 u. 2 übergeben.

Zeuge Mau[ritz]:

Also zu diesen Asservaten muß ich folgendes sagen: Ich bin, wie ich schon eben sagte, an der Asservierung beteiligt gewesen, allerdings es waren dort mehrere Kollegen beteiligt und wir haben eine Raumaufteilung gemacht. Und der Raum 5 wurde von mir nicht aufgenommen. Das hat Herr Eimecke gemacht von Godesberg, so daß ich also diese speziellen Dinge nicht sichergestellt habe. Allerdings habe ich die Dinge dann später, so wie es ja hier im Gesamtbereich ist, daß ich mich mit den Beweismitteln befasse, habe ich die auf [8089] der Dienststelle nachher aufgelistet und auch gesehen.

Vors.:

Ja. Dann werden Ihnen übergeben die Beweisstücke B 49 Pos. 2, mit der Bitte, daß Sie uns dazu erklären, ob solche Stücke gefunden worden sind und insbesondere, ob Zulassungsplaketten, die etwa aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck stammten, unter den dort in der Wohnung gefundenen Stücken gewesen sind?

Dem Zeugen wird das Asservat B 49 Pos. 2 übergeben.

Zeuge Mau[ritz]:

Ja, das ist richtig. Dieses eine Kennzeichen hier, das längliche, habe ich selbst sichergestellt in Fürstenfeldbruck, in einer Pfarrei bei Herrn Bachmaier. Und die entsprechenden Vergleichsstücke sind dann später von mir ausgesucht worden und auch zusammengeführt worden.

Vors.:

Was heißt das, die entsprechenden Vergleichsstücke?

Zeuge Mau[ritz]:

Also diese hier vorliegenden beiden Asservate.

Vors.:

Meinen Sie jetzt mit Vergleichsstücken Stücke, die zu dem passen oder die nur zum Vergleich hergestellt worden wären?

Zeuge Mau[ritz]:

Nun, ich bin ja kein Techniker, ich kann das natürlich nicht beurteilen. Nur wir haben ja in der Inheidenerstraße Stücke gefunden, die offensichtlich Fürstenfeldbruck zuzuordnen sind und deswegen wurden entsprechende kriminaltechnische Untersuchungsanträge gestellt und eben die dann an die Technik abgegeben.

Vors.:

Ja. Die Frage ist eben, was Sie unter dem Begriff Vergleichsstücke meinen. Vergleichsstücke versteht man an sich, daß man zu einem Originalstück ein zusätzliches Stück herstellt, um Vergleiche ziehen zu können. War es so gemeint?

Zeuge Mau[ritz]:

Nein, das ist vielleicht nicht korrekt gewesen. Ich meinte dazu Passtücke dann.

Vors.:

Passtücke, also Stücke, die nach dem Anschein zu dem Schild, das Sie in Fürstenfeldbruck sichergestellt haben, passen könnten.

Zeuge Mau[ritz]:

Jawohl.

Vors.:

Ist das richtig?

Zeuge Mau[ritz]:

Das ist richtig.

[8090] Vors.:

Und haben Sie nun zu diesen Fragen irgendwelche Ermittlungen angestellt? Etwa nachgefragt in Fürstenfeldbruck, wie kommt es dazu, daß das Kennzeichen so aussieht, und daraus irgendwelche Ermittlungsergebnisse gewonnen?

Zeuge Mau[ritz]:

Die Ermittlungen in Fürstenfeldbruck geschahen ja unmittelbar nach den beiden Sprengstoffanschlägen in München und Augsburg.[33] Ich selbst war seinerzeit abgeordnet, also Mitglied einer Sonderkommission des Bundeskriminalamtes und bekam, da ja das Kennzeichen feststand, den Auftrag, in Fürstenfeldbruck entsprechende Ermittlungen nach diesen Plaketten anzustellen. Und das habe ich dann getan, indem ich zunächst zu der Polizeidienststelle hinging, um mich zu erkundigen, ob eventuell irgendwo Plaketten entwendet wurden.

Vors.:

Man ist also durch den Fund in der Wohnung Inheidenerstraße aufmerksam geworden, daß man in Fürstenfeldbruck solche Ermittlungen anstellen sollte?

Zeuge Mau[ritz]:

Nein. Zu dem Zeitpunkt, als die Sachen in der Inheidenerstraße sich befanden, wußte ich noch nichts von der Existenz dieser konspirativen Wohnung. Ich war ja sofort nach dem Anschlag, also am 13. Mai 1972 schon in München und habe dann unmittelbar danach den Auftrag bekommen, Ermittlungen in Fürstenfeldbruck zu tun, weil ja ein Kennzeichen, das Kennzeichen des Tatfahrzeugs FFB-UW 31 ja gefunden wurde. Und das war der Anlaß, warum ich überhaupt nach Fürstenfeldbruck gekommen bin. Von der Existenz dieser Dinge wußte ich zu dem Zeitpunkt überhaupt noch nichts.

Vors.:

Ja. Also der Anstoß zu den Ermittlungen in Fürstenfeldbruck kam über das Kennzeichen, das bekannt geworden ist und erst später ist man der Frage nachgegangen, ob zwischen diesen in der Inheidenerstraße möglicherweise gefundenen Stücken ein Zusammenhang bestehen könnte zu den Kennzeichen.

Zeuge Mau[ritz]:

Ganz recht, so ist es gewesen.

Vors.:

Sind zu diesem Punkt weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Bitte, Herr Berichterstatter.

Richter Ma[ier]:

Herr Mauritz, Sie sagen, Sie haben also dieses Kennzeichen bei dem Pfarrer Bachmaier sichergestellt und Sie haben sich dann auch im übrigen den für Diebstahlsanzeigen betreffend Zulassungsplaketten Fürstenfeldbruck interessiert. Mit welchem Ergebnis, Herr Mauritz?

Zeuge Mau[ritz]:

Ja, ich habe da eine ziemlich umfangreiche Arbeit getan. Und zwar soweit wie ich, also[hh] über einen größeren Zeitraum habe ich die Unterlagen [8091] bei der Polizeistation und sogar in der benachbarten Gegend nachgeforscht, ob irgendwie solche Plaketten gestohlen wurden. Und das war nicht der Fall.

Richter Ma[ier]:

Dankeschön.

Vors.:

Weitere Fragen, in dem Zusammenhang? Wir haben ja dann an den Zeugen noch weitere Fragen im Zusammenhang mit Asservierungen. Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, bitte.

BA Dr. W[under]:

Herr Zeuge Mauritz, dieses größere Kennzeichen, daß auf der rechten Seite drüben liegt, wenn Sie das mal anschauen wollen. Ist das das Ihnen bekannte?

Zeuge Mau[ritz]:

Ja, ich kann mich nur daran erinnern, daß das Kennzeichen, was sich am gleichen Fahrzeug befand wie dieses, es war ein VW-Käfer, daß das nur eingeschnitten war. Es war nicht die Plakette herausgeschnitten. Und das war an und für sich auch der Grund, warum ich dieses Kennzeichen zunächst nicht mitgenommen habe.

BA Dr. W[under]:

Waren die Einschnitte an den Stellen, an denen sie jetzt zu sehen sind? Herr Zeuge, ich frage deswegen, ich kann das ruhig sagen, weil ein vorher vernommener Zeuge sich nicht ganz darüber im Klaren war, ob die Einschnitte an diesen Stellen waren. Es geht mir jetzt darum, von Ihnen zu erfahren etwas über die Identität dieser Kennzeichen.

Zeuge Mau[ritz]:

Also ich kann dazu nur folgendes sagen: Das Kennzeichen ist ja von Herrn Kalny, der hier ja schon vernommen wurde, sichergestellt worden. Wenn es das Kennzeichen ist, was Herr Kalny sichergestellt hat, dann wird sich das ... Ich kann mich jedenfalls konkret nicht daran erinnern, daß sich die Schnitte an dieser Stelle befanden.

BA Dr. W[under]:

Ich bedanke mich.

Vors.:

Weitere Fragen an den Herrn Zeugen in dem Zusammenhang sehe ich nicht. Herr Mauritz, ist es richtig, wenn wir annehmen, daß Sie an der Asservierung der Beweisstücke nach dem Sprengstoffanschlag München beteiligt gewesen sind?

Zeuge Mau[ritz]:

Ja, das ist nur insoweit richtig, als ich die entsprechenden Beweismittel zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt erst nach Wiesbaden in die Asservatenstelle bekommen habe.

Vors.:

Ja. Kann man davon ausgehen, daß Sie selbst daraufhin eine Liste der vorgelegten Gegenstände angefertigt haben.

Zeuge Mau[ritz]:

Das ist richtig.

[8092] Vors.:

Wir legen Ihnen aus Ordner 107 Blatt 28 und 29 vor. Die Seiten tragen keine Unterschrift, mit der Bitte, daß Sie uns erklären, ob das möglicherweise die Liste ist, die Sie damals erstellt haben.

Dem Zeugen wird die Liste aus Ordner 107 Blatt 28 und 29 vorgelegt.

Zeuge Mau[ritz]:

Ja, das ist die Liste, die ich erstellt habe. Das ist richtig.

Vors.:

Sie erkennen sie ohne weiteres wieder?

Zeuge Mau[ritz]:

Ja.

Vors.:

Wir gehen davon aus, daß Sie im einzelnen wohl diese Positionen wohl nicht mehr hersagen könnten.

Zeuge Mau[ritz]:

Nicht im einzelnen, nein.

Vors.:

Können Sie sich dafür verbürgen, daß die Gegenstände, die in dieser Liste verzeichnet sind, Ihnen auch vorgelegen haben und vollständig und richtig aufgenommen worden sind?

Zeuge Mau[ritz]:

Dafür kann ich mich verbürgen.

Gem. § 249 StPO[34] wird die Liste aus Ordner 107 Blatt 28 und 29 verlesen.

Vors.:

Sie haben gerade vorhin schon im voraus bestätigt, alles sorgfältig und korrekt aufgenommen zu haben. Jetzt sind Ihnen die Einzelheiten durch die Verlesung bekanntgeworden. Können Sie bei dieser Aussage bleiben?

Zeuge Mau[ritz]:

Ich bleibe bei dieser Aussage.

Vors.:

Sind zur Asservierungsliste München B 49 weitere Fragen? Vielleicht die Frage, wer hat die Nummer B 49? ...

Zeuge Mau[ritz]:

Diese sogenannten Komplexbezeichnungen sind von unserer koordinierenden Stelle in Godesberg herausgegeben worden.

Vors.:

Ich sehe dazu keine Fragen. Kann man davon ausgehen, Herr Mauritz, daß Sie in derselben Eigenschaft tätig gewesen sind, nach dem Sprengstoffanschlag in Augsburg?

Zeuge Mau[ritz]:

Das trifft genauso zu.

Vors.:

Auch dort haben Sie eine Liste erstellt.

Dem Zeugen wird die Liste aus Ordner 99 Blatt 33/ 3-5 vorgelegt mit der Bitte zu erklären, ob es sich um diese Liste gehandelt hat.

[8093] Zeuge Mau[ritz]:

Also hier trifft das gleiche zu, daß ich diese Liste auch erst etwa 1 ½ Jahre später erstellt habe, da die Beweismittel von der Kriminaltechnik an uns übergeben wurden. Angelehnt habe ich mich natürlich dann an die Unterlagen, die durch die Polizeidirektion Augsburg bzw. durch das LKA München erstellt wurden. Und das sind diese Listen, die ich auch erstellt habe.

Vors.:

Können Sie aber zu dieser Liste angeben, daß jeder Gegenstand, der hier verzeichnet ist, Ihnen auch vorgelegen hat und vollständig und richtig aufgenommen worden ist?

Zeuge Mau[ritz]:

Ich kenne jedes Teil persönlich.

Vors.:

Ja, dankeschön.

Gem. § 249 StPO wird die Liste aus Ordner 99 Blatt 33/ 3-5 verlesen.

Vors.:

Auch hier, nachdem Sie den Inhalt wieder erfahren haben, die Bestätigung, daß das, was Sie vorhin gesagt haben, aufrechterhalten werden kann?

Zeuge Mau[ritz]:

Das ist so richtig, was ich gesagt habe.

Vors.:

Dankeschön. Fragen zu dieser Liste? Ich sehe nicht. Bitte, Herr Rechtsanwalt Schnabel?

RA Schn[abel]:

Herr Zeuge, auf dieser Liste ist zuweilen vermerkt 3. oder 4. Stock. Woher haben Sie das übernommen oder waren Sie selber im 3. und 4. Stock?

Zeuge Mau[ritz]:

Ich kenne zwar den Tatort, aber ich sagte eben schon, daß ich diese Dinge aus den Unterlagen der Polizeidirektion Augsburg, also von den Leuten, die den Tatort aufgenommen haben bzw. später von den Leuten von der Kriminaltechnik, die entsprechende Untersuchungen gemacht haben, übernommen habe.

RA Schn[abel]:

Und wo sind diese Unterlagen?

Zeuge Mau[ritz]:

Ich nehme an, daß diese Dinge wohl auch in den Sonderordnern zu finden sind.

RA Schn[abel]:

Wer hat die unterschrieben? Wissen Sie das?

Zeuge Mau[ritz]:

Soweit ich weiß, sind beteiligt gewesen der Herr Lutz und Herr Hemm in Augsburg und in ... Und es gibt eine Liste von der Kriminaltechnik, wo diese Dinge auch genannt sind, die den Anschlag in München betreffen. Soweit ich mich erinnere, hat das, Herr Finkbeiner so eine Liste erstellt.

RA Schn[abel]:

Haben Sie selbst das Verzeichnis der Gegenstände unterschrieben?

[8094] Zeuge Mau[ritz]:

Nein. Sie meinen jetzt ...

RA Schn[abel]:

Diese zwei, die jetzt vorgelesen wurden?

Zeuge Mau[ritz]:

Von München und Augsburg?

RA Schn[abel]:

Nein, nur diese zwei Blätter, die im Moment verlesen wurden?

Zeuge Mau[ritz]:

Die habe ich nicht unterschrieben.

RA Schn[abel]:

Woran haben Sie sie dann erkannt, daß es dieselben Blätter waren, die Sie ausgefüllt haben und die Ihnen jetzt vorgelegt wurden?

Zeuge Mau[ritz]:

Das sind Formulare, die von unserer Dienststelle ureigens für diese Sache verfaßt worden sind, und ich war nur an der Erstellung derartiger Dinge beteiligt, verantwortlich.

RA Schn[abel]:

Was, diese gesamten Formulare wurden nur in diesem Verfahren verwandt und sonst in keinem?

Zeuge Mau[ritz]:

Ja, ganz recht und zwar weil die Dienststelle AGS, so war die Bezeichnung damals unserer Dienststelle, bis zu dem Zeitpunkt ja nicht existiert hatte.

RA Schn[abel]:

Wo steht da ... Ach dieses Arbeitsgruppe Sprengstoff, meinen Sie, das ausgeschrieben ist oben?

Zeuge Mau[ritz]:

Ganz recht, ganz recht.

RA Schn[abel]:

Damit haben Sie gesehen, daß also dieses Protokoll und die Zettel da oder Blätter, wie man es nennen will, von Ihnen sind?

Zeuge Mau[ritz]:

Ja.

RA Schn[abel]:

Woher wissen Sie dann aber auch, daß diese einzelnen Nummern, daß das auch dasselbe ist noch?

Zeuge Mau[ritz]:

Die Nummern sind ja von mir, also in der Reihenfolge, wie sich das aus den Unterlagen des Landeskriminalamtes München zum Anschlag München und eben bei der Polizeidirektion Augsburg ergeben hat, von mir festgelegt worden und entsprechend bezeichnet worden.

RA Schn[abel]:

Ja ich mein, hier sind doch Nummer 1 bis 26, und das geht ganz normal den Zahlen nach, da ist doch nichts festgelegt. Sie werden doch also auch 7 vor 8 schreiben und 12 vor 13?

Zeuge Mau[ritz]:

Ja, das ist richtig. Ich bekam ja, ich sagte ja eben schon, die ganzen Beweismittel etwa 1 ½ Jahre später nach Wiesbaden. Und zu dem Zeitpunkt habe ich dann die Asservate bezeichnet. Und ich habe mich dann eben angelehnt an die Asservierungsergebnisse der Kollegen aus Augsburg und München. Aber die eigentliche Bezeichnung, jetzt die Reihenfolge hier 1 bis 28, die Sie gerade ansprechen, die stammt von mir.

RA Schn[abel]:

1 bis wieviel?

[8095] Zeuge Mau[ritz]:

Also Sie sagten, glaube ich, 1 bis 28.

RA Schn[abel]:

Das sagte ich nicht, das sagten Sie eben. Aber ich finde nur bis zur Nummer 26.

Zeuge Mau[ritz]:

Oder 26 ...

RA Schn[abel]:

Naja, oder 22 oder 17... Jetzt damit die nächste Frage. Nachdem Sie jetzt im Moment gerade 28 gesagt haben und hier aber nur 26 sind, ich fand es sehr erstaunlich, wie Sie mit einem Blick erkennen können, daß der Verzeichnis der Gegenstände, das Ihnen hier vorgelegt wurde, identisch ist mit dem Verzeichnis, das Sie ausgefüllt haben?

Zeuge Mau[ritz]:

Nun, das ist nicht so schwer zu erklären. Ich gehe seit vier Jahren tagtäglich mit diesen Dingen hier um. Ich bin noch einer der wenigen, die nur noch mit diesen Beweismitteln seit vier Jahren umgeht.

RA Schn[abel]:

Ja, wann haben Sie denn dieses Verzeichnis der Gegenstände Band 99 Blatt 33 / 1 zum letzten Mal gesehen?

Zeuge Mau[ritz]:

In der vergangenen Woche.

RA Schn[abel]:

Wo?

Zeuge Mau[ritz]:

Hier im Hause.

RA Schn[abel]:

Danke.

Vors.:

Sonstige Fragen zu ... Herr Bundesanwalt Dr. Wunder?

BA Dr. W[under]:

Eine Ergänzungsfrage, Herr Vorsitzender, vielleicht habe ich es auch überhört. Auf Blatt 3 dieses Verzeichnisses kommen in der Tat noch Ergänzungen zu den Positionen 23-26 und zusätzlich 27-28. Ich weiß nicht, ob es vorgelesen wurde, ich glaube nicht.

Vors.:

Also wir haben 33/ 3-5 vorgelesen. Das ist bis zur Nummer 26 und es gibt dann ...

BA Dr. W[under]:

Ergänzung auf Blatt 3. Und da sind nämlich die vom Zeugen jetzt gerade noch genannten Positionen 27 und 28 mitenthalten. Die gibt es in der Tat.

RA Schn[abel]:

Dürfte ich den Herrn Bundesanwalt einmal bitten, mir einmal diese Blattziffer mitzuteilen. Ich finde es in meinem Ordner nicht.

BA Dr. W[under]:

33/ 3.

RA Schn[abel]:

Den gibt es bei mir nicht.

Vors.:

Was gibt es bei Ihnen nicht?

RA Schn[abel]:

Da gibt es nur 33/1, 33/2 und dann kommt 34 bei mir.

BA Dr. W[under]:

Herr Rechtsanwalt, die sind nachgeliefert worden. Vielleicht ist es in Ihrer Kanzlei übersehen worden, sie an der richtigen Stelle nachzufügen. Vielleicht, ich weiß es nicht.

[8096] Vors.:

Diese Ergänzungslieferungen sind damals gekommen und ich könnte mir denken, daß nicht jeder die Zeit fand, die alle auch einzuordnen in diese große Liste.

RA Schn[abel]:

Vielleicht sind sie an der falschen Stelle eingeordnet.

Gem. § 249 StPO werden aus[ii] der Liste SO 99, Bl. 33/3 (mit rotem Strich) zusätzlich noch die Positionen 27 (Stoffrest) und 28 (Metallsplitter) verlesen.

Rechtsanwalt Oberwinder verläßt um 11 Uhr für ½ Minute den Sitzungssaal.

Vors.:

Nun zu dieser Liste noch Fragen? Ich sehe keine Fragen mehr. Herr Mauritz, ist es richtig, daß Sie auch in dieser Funktion, die Sie jetzt mehrfach geschildert haben, in Heidelberg[35] tätig geworden sind?

Zeuge Mau[ritz]:

Das ist die gleiche Situation.

Vors.:

Haben Sie dort auch eine Liste erstellt?

Zeuge Mau[ritz]:

Auch da habe ich eine Liste erstellt.

Dem Zeugen wird die Liste aus Ordner 103 Blatt 47-51 mit der Bitte vorgelegt, sie darauf anzusehen, ob es sich um diese Liste gehandelt habe.

Zeuge Mau[ritz]:

Diese Liste, die mir jetzt hier vorgelegt wurde, stammt nicht von mir. Die ist zwar Grundlage gewesen der Asservatenliste, die ich erstellt habe, aber diese Liste ist von den Kollegen aus Heidelberg erstellt worden.

Rechtsanwalt Künzel verläßt um 11.01 Uhr den Sitzungssaal.

Vors.:

Haben Sie damals zu den Unterlagen eine eigene Liste gegeben, die erstellt worden ist?

Zeuge Mau[ritz]:

Jawohl.

Vors.:

Wieder auf dem Formular, das Sie erwähnt haben?

Zeuge Mau[ritz]:

Ganz recht.

Dem Zeugen wird die Liste aus Ordner 103 Blatt 51/2-14 vorgelegt.

Zeuge Mau[ritz]:

Ja, das ist richtig. Auch diese Liste ist von mir erstellt worden.

[8097] Vors.:

Und gilt auch hier Ihre vorherige Aussage, daß jeder Gegenstand, der in der Liste Aufnahme gefunden hat, Ihnen selbst vorgelegen und von Ihnen gesehen worden ist?

Zeuge Mau[ritz]:

Ich habe jedes Teil persönlich in der Hand gehabt und gesehen.

Gem. § 249 StPO wird die Liste aus Ordner 103 Bl. 51/2-14 verlesen.

Vors.:

Sind zu dieser Liste Fragen zu stellen? Ich sehe nicht. Sind an den Herrn Zeugen weitere Fragen? Keine Fragen. Herr Mauritz, Sie haben schon bei der letzten Anhörung einen Eid abgelegt, wenn Sie die Richtigkeit der heutigen Aussagen versichern unter Bezugnahme auf diesen Eid, dann gilt das als neue Vereidigung. Geben Sie die Versicherung ab?

Der Zeuge KHK Mauritz versichert die Richtigkeit seiner Aussage unter Berufung auf seinen bereits geleisteten Eid (§ 67 StPO).
Der Zeuge KHK Mauritz wird um 11.16 Uhr entlassen.

Wir setzen heute Nachmittag 14.00 Uhr mit dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Grooß und Anhörung des Zeugen Reischig fort. Bis dahin Unterbrechung.

Pause von 11.17 Uhr bis 14.03 Uhr

[8098] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 14.03 Uhr

Der Zeuge Reischig ist anwesend.

Der Sachverständige Dr. Grooß ist anwesend.

Rechtsanwälte Schlaegel und Künzel sind anwesend.

Rechtsanwalt Oberwinder ist nicht mehr anwesend[jj].

Vors.:

Wir können die Sitzung fortsetzen.

Entschuldigt ist für heute Nachmittag Herr Rechtsanwalt Künzel ab 15.00 Uhr.

Wir haben heute Nachmittag nur noch den Herrn Sachverständigen Dr. Grooß und Herrn Reischig als Zeugen.

Der Zeuge Reischig wird gem. § 57 StPO belehrt.

Der Sachverständige Dr. Grooß wird gem. §§ 72, 57 und 79 StPO belehrt.

Der Zeuge Reischig und der Sachverständige Dr. Grooß sind mit der Aufnahme ihrer Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.

Der Zeuge Reischig wird um 14.05 Uhr in Abstand verwiesen.

Der Sachverständige Dr. Grooß macht folgende Angaben zur Person:

Dr. Klaus Dieter Grooß, 40 Jahre alt,
Diplomphysiker, wissenschaftlicher Oberrat am Bundeskriminalamt, Wiesbaden,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert.

Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Dem Sachverständigen Dr. Grooß werden die Asservate

B 49 Pos. 2 und
E 23 V/5 Pos. 326.1. u. 2.

zur Besichtigung und Erstattung eines Gutachtens vorgelegt.

[8099] Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Das sind die Beweisstücke, die mir vorgelegen haben.

Vors.:

Ich darf Sie dabei auf das Gutachten vom 19. Juli 1972 hinweisen, Ihre Nr. 48 41/72 bzw. 4842/72.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Und zwar sind[kk] zur Untersuchung übersandt worden zwei Kennzeichenschilder FFB - KE 90, die laut Untersuchungsantrag an einem Kraftfahrzeug in Fürstenfeldbruck sichergestellt worden sind. Und außerdem 5 Kennzeichenfragmente, die laut Untersuchungsantrag in der Wohnung Frankfurt am Main, Inheidener Straße 69, Raum 5 sichergestellt worden sind. Es sollte festgestellt werden, ob die Kennzeichenfragmente Paßstücke zu den sichergestellten Kennzeichen FFB - KE 90 sind oder ob sie zu irgendwelchen anderen Kennzeichenschildern gehören, die in dieser Ermittlungssache sichergestellt worden sind. Außerdem war die Frage gestellt nach dem Werkzeug mit dem die Kennzeichenfragmente herausgetrennt worden sind.

Die hier zur Untersuchung vorgelegenen Blechstücke sind mit großer Wahrscheinlichkeit mit einer Blechschere aus einem Kraftfahrzeugkennzeichenschild herausgeschnitten worden. Sie lassen bedingt auswertbare Schnittspuren erkennen, die sehr wahrscheinlich ausreichen, ein Werkzeug zu identifizieren. Die damals vorgelegenen Kennzeichenschilder FFB - KE 90 weisen Beschädigungen auf, die von einem fraglichen Schneidwerkzeug, vermutlich einer Blechschere herrühren. Aus dem vorderen Kennzeichenschild 4842/1 war ein Teil herausgetrennt worden von einer Größe von ungefähr 45 x 45 mm. Am hinteren Kennzeichen war eine Schnittspur mit einer Länge von rund 55 mm erkennbar, die in der Nähe des Stempel, Zulassungsstempels, sich befand.

Bei den vergleichenden Untersuchungen wurde festgestellt, daß das Kennzeichenfragment, gekennzeichnet mit 326/1, in den vorderen Ausschnitt des Kennzeichenschildes 4842/1 passt, diese beiden Teile sind Passstücke zueinander. Die übrigen 5 Kennzeichenfragmente oder die übrigen 4 Kennzeichenfragmente konnten hier nicht als Passtücke identifiziert werden, da lag kein anderes Material vor. Auf einem dieser Kennzeichenfragmente befand sich eine Stempelmarke des Landratsamts Fürstenfeldbruck.

Vors.:

Kann man daraus den sicheren Schluß ziehen, daß dieses Fragment 326.1 ursprünglich zu dem Kennzeichen, dem länglichen Kennzeichen FFB - KE 90 gehört hat?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja.

[8100] Vors.:

Läßt sich das hier sogar noch demonstrieren oder ist ..., sind Veränderungen vorgenommen worden bei der Untersuchung?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Moment mal ..., da muß ich erst mal gucken.

Der Sachverständige Dr Grooß demonstriert am Richtertisch, wie das Fragment 326.1 zu dem Kennzeichen FFB - KE 90 gehört.

Da die Sachen sehr stark verbogen sind, ist es nicht ganz einfach, weil es nicht rundum passt. Ich habe also ein Kennzeichen mit, wobei beim Schneiden klar wird, daß diese Materialverwirkungen passieren. Es ist also ... unter der[ll] Lupe betrachtet sind diese beiden Teile eindeutig Passtücke.

Vors.:

Ist es richtig, Herr Dr. Grooß, daß Sie damals Fotografien gemacht haben?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja.

Vors.:

Können wir diese Fotografien vielleicht besichtigen; wir haben sie hier nur in[mm] Ablichtungen und zwar in schlechten Ablichtungen, so daß das Bildmaterial noch in Augenschein genommen werden kann.

Der Sachverständige Dr. Grooß übergibt dem Gericht Fotografien und erläutert anhand dieser Fotografien.
Die Fotografien werden in Augenschein genommen.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja, das geht nun hier ..., das ist mit dem Lichtbildmaterial etwas kombiniert. Das hier ist also der Einschnitt in das hintere Kennzeichen von beiden Seiten.

Der Sachverständige Dr. Grooß zeigt eine Fotografie des mehr dem Rechteck zuneigenden kürzeren Kennzeichens, das auf der Rückseite eines Volkswagen angebracht war.

Vors.:

Ist das der Originalzustand, wie der Schnitt damals geführt wurde?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Das ist der Zustand, wie es uns übersandt worden ist.

Vors.:

So daß daraus auch klar ersichtlich ist, wo ursprünglich der Zulassungsstempel angebracht gewesen ist, nämlich in der linken oberen Ecke.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Das sind die Kennzeichenfragmente, die uns vorgelegen haben, und das ist das als vorderes Kennzeichen anzusprechende.

Die vom Sachverständigen vorgelegte Lichtbildtafel 3 wird in Augenschein genommen.

Der Vorsitzende stellt fest, daß diese Fotografie das vordere längliche Kennzeichen FFB - KE 90 trägt, dem dieses herausgeschnittene Teil zur Demonstration eingefügt ist.
Nach Auffassung des Sachverständigen muß dieser Teil dort ursprünglich eingefügt gewesen sein.

[8101] Vors.:

Danke, das war eigentlich die Demonstration.

Richter Dr. Fo[th]:

Herr Dr. Grooß, haben Sie das größere Stück rausgeschnitten ...?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Wir haben, um die Tatspur untersuchen zu können oder um die Schnittspur untersuchen zu können, all diese Spurenträger herausgeschnitten. Das war notwendig für die vergleichsmikroskopischen Arbeiten.

Vors.:

Wenn im Zusammenhang mit diesem Gutachten Fragen an den Herrn Sachverständigen sind? Bitte, Herr Berichterstatter. Ich sehe keine Fragen beim Gericht zu diesem Gutachten. Herr Bundesanwalt Holland.

OStA Hol[land]:

Herr Sachverständiger, können Sie uns irgendetwas sagen über Besonderheiten der Stempelmarken, die sich möglicherweise oder mit Sicherheit auf diesen Kennzeichenfragmenten befunden haben, besondere Eigenarten?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Nein, also nicht das, was ich als Sachverständiger dazu sagen kann. Ich weiß im Prinzip, wie diese Kennzeichen gearbeitet sind, aber ...

OStA Hol[land]:

Herr Sachverständiger, ich darf Ihnen da mal vorhalten, was Sie niedergelegt haben in dem eben angesprochenen Gutachten - und zwar ist es Vorhalt aus So.ord. 108, Bl. 34 -; da heißt es, zunächst fängt es mit dem an, was Sie eben bekundet haben:

„Ein Fragment trägt noch die Stempelmarke des Landesratsamtes Fürstenfeldbruck, alle übrigen besitzen keine Stempelmarken mehr,“ dann geht es weiter: „Die Kennzeichenfragmente hatten thermoplastische Stempelmarken, deren Umrisse und Klebestoffe auf den Blechstücken noch feststellbar sind.“

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja, das ...

OStA Hol[land]:

Meine Frage nun, ist das gewöhnlich oder gibt es auch andere als thermoplastische Stempelmarken?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Dazu müsste man einen Urkundensachverständigen fragen.

OStA Hol[land]:

Gut, dann habe ich keine Fragen mehr, danke.

Vors.:

Fragen der Herrn Verteidiger zu dem Gutachten? Ich sehe nicht. Jetzt haben Sie bereits erwähnt, daß Sie aufgrund der Schnittstelle bei dem Kennzeichen die Vermutung hegten, das müsse mit großer Wahrscheinlichkeit mit einer Blechschere gearbeitet worden sein.

Dem Sachverständigen Dr. Grooß wird das Beweisstück E 29, Pos. 28 mit der Bitte vorgelegt, sich dieses Werkzeug anzusehen und zu erklären, ob er sich dazu auch schon gutachtlich geäußert habe.

[8102] Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Jawohl, das ist die ..., nach der Kennzeichnung die Schere, die uns zur Untersuchung vorgelegen hat. Wir bekamen damals 3 Scheren zur Untersuchung und nochmal die in Frage stehenden Kennzeichenschilder mit der Fragestellung, ob eine dieser 3 Scheren als Werkzeug dafür benutzt wurde, die Schnitte in die Kennzeichen zu legen. Wir haben mit den Scheren Vergleichsschnitte reproduziert, und diese Vergleichsschnitte mit den Tatschnitten, die, wie ich schon vorhin sagte, aus den Spurenträgern herausgeschnitten worden sind, verglichen. Es handelt sich hierbei um eine Kombinationsschere, diese Schere ist handelsüblich; sie hat einen Kunststoffgriff und eine Druckfeder, das Scherenblatt ist leicht verformt; diese Verformung beeinträchtigt aber nicht die Funktionsfähigkeit der Schere. Bei dieser Schere entstehen beim Schneiden charakteristische bogenförmige Eindrucksspuren mit individuellen Spurenkomplexen, die eine Identifizierung des spurenverursachenden Werkzeuges ermöglichen. Diese charakteristischen Eindrucksspuren konnten auf den Kraftfahrzeugkennzeichen FFB - KE 90 und den Kennzeichenfragmenten E 23 V/5 326.1 u. 2. festgestellt werden.

Vors.:

Und die Schlußfolgerung?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Die Schlußfolgerung ist, daß mit dieser Schere herausgeschnitten worden ist aus dem vorderen Kennzeichen, daß die plakettentragende Teil, und der Einschnitt auf dem hinteren Kennzeichen gemacht worden ist. Es war noch ein dritter Spurenträger da, und zwar das Kraftfahrzeugkennzeichenfragment E 23 V/5 326.2[nn]. Da waren diese charakteristischen Spuren, die durch diesen Wellenschliff entstehen, auch vorhanden. Aber die Spuren waren dort derartig beeinträchtigt, daß da eine Identifizierung nicht erfolgen konnte.

Vors.:

Was wird von Ihnen nun als eine solche individuelle Spur angesehen, nur der bogenförmige Schnitt ...?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Nein, das sind individuelle Merkmale in den Schnitten selbst drin.

Der Sachverständige Dr. Grooß übergibt weitere Fotografien und Vergleichsstücke von Scherenblättern, die in Augenschein genommen werden.

Der Sachverständige gibt anhand dieser Fotografien und Vergleichsstücke Erklärungen ab. Die Verfahrensbeteiligten haben die Möglichkeit, den Ausführungen des Sachverständigen am Richtertisch mit zu verfolgen.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Generell erstmal zur Schere als solches. Das hier ist die Schere, die zur Untersuchung uns vorliegt. Hier ist der metallene Teil der Schere in dem Zustand vor dem Schleifen im geschmiedeten [8103] Zustand. Die Schere wird oder das Metall wird dann gerommelt und hier geschliffen.

Vors.:

Gerommelt, habe ich recht verstanden?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja, das ist also eine Oberflächenbehandlung, um den Glanz zu bekommen. Das ist hier also ein Edelstahl, und der wird also rotierend in einer Trommel bearbeitet, dann wird hier der Schliff von Hand gemacht, und anschließend, hier haben wir jetzt wieder die komplette Schere, wird hier dieser Wellenschliff angebracht. Auch der wird in Handführung hergestellt. Und die Spur entsteht dadurch, daß auf dieses Teil der Schere gedrückt wird. Wenn man dazu jetzt die mikroskopischen Aufnahmen sich betrachtet. Das hier ist also erstmal in einer etwas vergrößerten Darstellung, diese Charakteristische Form dieser Einschliffe, dieser bogenförmigen Spuren. Hier nochmal das gleiche; das hier ist die Schere, hier ist noch mal hier dieser Wellenschliff. Und das ist die vergleichsmikroskopische Aufnahme. Ich müßte jetzt nachgucken, von welchem der Spurenträger. Dann ist hier von einem der anderen, und zwar hier von dem Fragment, dann muß das hier die Einschnittspur sein, hier von dem Fragment. Die Gegenüberstellung Tat gegen Vergleich und nochmal hier an einer anderen Stelle, da ist eine Übereinstimmung der individuellen Merkmale. Hier sind am Rande diese bogenförmigen Spuren auch erkennbar, aber da sind keine individuellen Merkmale erkennbar drin.

Vors.:

So daß man davon ausgehen kann, daß durch diesen Schnitt eine Vielzahl von solchen individuellen Merkmalen entsteht ...

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja.

Vors.:

... und gibt es da irgendwie eine Wahrscheinlichkeitsgrad, daß sich sowas durch Zufall wiederholen könnte?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Das ist bei ... von Hand geschliffenen Gegenständen ausgeschlossen.

Vors.:

Ausgeschlossen, sagten Sie. Danke.

Weitere Fragen an Herrn Dr. Grooß? Ich sehe beim Gericht sind keine Fragen mehr offen. Bei der Bundesanwaltschaft? Auch nicht. Herr Rechtsanwalt Schnabel.

RA Schn[abel]:

Herr Sachverständiger, wenn jemand es von Hand schleift und schleift mehrere Instrumente an einem Tag und vielleicht mehrere hunderte im Lauf von Wochen, ist das vollkommen ausgeschlossen, daß dieser Mann - der ja wohl Fachmann ist - den gleichen Schliff macht?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Wir haben uns, glaube ich, das letzte und vorletzte Mal schon [8104] darüber unterhalten, daß[oo] Sie beim Schleifen keinen Einfluß haben auf die mikroskopische Gestaltung der Oberfläche.

RA Schn[abel]:

Herr Sachverständiger, ich hatte doch eine Frage gestellt und Sie nicht gefragt, worüber wir uns schon mal unterhalten hatten.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Das Spurenbild beim Schleifen wird sich ..., ändert sich von Mal zu Mal. Sie können es nicht erreichen, daß das mikroskopische Bild auf der Metalloberfläche gleich werden könnte, das ist nicht machbar.

RA Schn[abel]:

Das ist nicht machbar. Ist es aber durch Zufall möglich, daß es passiert?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja, wenn Sie mehrere Gegenstände an einem Schleifstein schleifen, werden Sie nicht das gleiche mikroskopische Bild auf dem geschliffenen Gegenstand erhalten.

RA Schn[abel]:

Sie wollen also den Zufall ausschließen, daß zwei Gegenstände identisch sein können?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Im Fall von geschliffenen Oberflächen, ja. Und wenn die Oberfläche eine gewisse Größe hat.

RA Schn[abel]:

Bei tausenden und abertausenden von Instrumenten?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja.

RA Schn[abel]:

Und wie können Sie das erklären?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Dadurch, daß sich der Schleifstein in seiner Struktur ständig durch einem ... Abrieb einem Änderungsprozeß unterliegt.

RA Schn[abel]:

Gut. Ist dann die Möglichkeit vorhanden, daß zwei Schleifsteine im selben Urzustand, die ja noch nicht abgerieben sind, dann das gleiche Bild erzeugen?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Auch das ist auszuschließen, weil sie auch auf die Zusammensetzung des Schleifsteines bei der Herstellung keinen Einfluß haben wie die Körnerverteilung im Schleifstein ist.

RA Schn[abel]:

Herr Sachverständiger, deswegen habe ich gesagt, zwei Schleifsteine im selben Urzustand oder schließen Sie auch aus, daß es das gibt?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Das habe ich damit eben gesagt. Wenn Sie keinen Einfluß haben darauf, wie ein Schleifstein entsteht, wie die Körnerverteilung auf der Oberfläche ist, dann gibt es im Urzustand auch keine zwei gleichen Schleifsteine.

RA Schn[abel]:

Sind Sie naturwissenschaftlicher Sachverständiger?

Vors.:

Sie haben doch danach gefragt, Herr[pp] Rechtsanwalt. Wenn jetzt der Herr ...

RA Schn[abel]:

Ja, ich frage[qq] jetzt auch danach, ob er naturwissenschaftlicher Sachverständiger ist.

[8105] Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ich bin Physiker.

RA Schn[abel]:

Haben Sie noch nie von einer Identität in der Natur durch Zufall gehört, Herr Sachverständiger?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Was verstehen unter Identität in der Natur?

RA Schn[abel]:

Ja, ich spreche deutsch.

Vors.:

Wenn der Herr Sachverständige Ihre Frage offenbar nicht richtig beantworten kann, weil er nicht glaubt, das richtige Verständnis zu der Frage gefunden zu[rr] haben, wäre es vielleicht gut, Herr Rechtsanwalt, wenn Sie es ihm verdeutlichten, was Sie beantworten wissen wollen.

RA Schn[abel]:

Ich spreche von einer Identität in der Natur. Was identisch ist, ergibt sich aus dem Sprachbegriff. Im übrigen steht der Duden zur Verfügung, sofern es nicht möglich ist, das zu übersetzen. Was die Natur ist, werden Sie auch wissen, meine Frage ist klar und deutlich.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Habe ich noch nichts von gehört, in dem Zusammenhang.

RA Schn[abel]:

Ich habe nicht gesagt, in dem Zusammenhang. Ich habe klar und deutlich gefragt, ob Sie noch nichts von einer Identität in der Natur durch Zufall gehört haben, nicht in diesem Zusammenhang.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich glaube, wir sollten uns über das klar sein, daß der Herr Sachverständige zu diesem Zusammenhang hier an sich berufen ist, Auskunft zu geben. Wenn Sie sonstige Zusammenhänge sehen, dann sollten Sie die klarmachen, damit der Herr Sachverständige hier angeben kann, ob er sich kompetent fühlt, so was zu beantworten oder nicht.

RA Schn[abel]:

Herr Vorsitzender, ich glaube, daß ich auch die Möglichkeit habe, durch Sachfragen den Sachverstand des Herrn Sachverständigen zu prüfen.

Vors.:

Sicher, nur der Herr Sachverständige sieht sich eben im Augenblick nicht dazu in der Lage außerhalb des Zusammenhangs, wo[ss] sein Sachverstand hinreicht, Ihnen Antwort zu geben. Deswegen sollten Sie das vielleicht etwas präzisieren. Ich habe gegen die Frage selbst nichts.

RA Schn[abel]:

Ja, die Frage ist ganz präzis. Herr Sachverständiger als Physiker, sind Sie Sachverständiger, sind Sie Sachverständiger für Mühlsteine?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Nein, aber für die Spurenauswertung.

RA Schn[abel]:

Und für die Zusammensetzung und kristalline Zusammensetzung von Schleifsteinen sind Sie auch Sachverständiger?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ich habe eben schon gesagt, wir sind ..., oder ich bin [8106] Sachverständiger auf dem Gebiet der Spurenauswertung.

RA Schn[abel]:

Ja gut, woher wissen Sie dann, die Angabe haben Sie ja vorher gemacht, daß es nicht zwei identische Schleifsteine gibt? Das würde ja dann gar nicht in Ihr Sachgebiet fallen, dann hätten Sie ja wohl Ihre Kompetenzen überschritten, in dem Sie diese Aussage machten.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Das glaube ich nicht, daß ich meine Kompetenzen damit überschritten habe.

RA Schn[abel]:

Ja, dann könnten Sie mir sagen ...

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Wenn vom Spurenbild ... Ich sagte eingangs und mehrfach, daß es nicht möglich ist, eine Schleifspur zu reproduzieren, die Struktur einer geschliffenen Fläche, und daß die Ursache dafür oder eine der Ursachen dafür ist, daß der Schleifkörper sich im Schleifprozeß verändert durch Abrieb. Und das sind Erfahrungen, die auf dem ..., langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Kriminaltechnik.

RA Schn[abel]:

Herr Sachverständiger, es geht mir nicht um die Reproduzierbarkeit von Vorgängen, sondern es geht mir darum, ob die Wahrscheinlichkeit besteht und ob Sie einen Zufall ausschließen können, daß von vornherein Schleifsteine identisch sind. Und da haben Sie gesagt ...

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Es geht ja nicht ...

RA Schn[abel]:

... ausschließen. Und da frage ich Sie, wo haben Sie denn diesen Sachverstand her, daß Sie über die Zusammensetzung von Schleifsteinen in Details in der Kristallinzusammensetzung was alles noch dazu kommt, Bescheid wissen. Das hat ja nichts mit Spurensicherung zu tun.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Mit Spurensicherung hat das sowieso nichts zu tun, sondern mit Auswertung ...

RASchn.:

Und das hat auch nichts mit Spurenauswertung zu tun.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

... und die... Ja selbstverständlich.

RA Schn[abel]:

Ja, Herr Sachverständiger, ich glaube, wir können uns doch darüber wohl einigen oder sind Sie hier anderer Meinung, daß eine Zusammensetzung chemisch-physikalisch-technischer Art eines Schleifsteines nichts mit einer Spurensicherung zu tun hat.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Das habe ich auch nie gesagt.

RA Schn[abel]:

Also dann komme ich wieder zu dem Punkt zurück, woher können Sie dann aber sagen, daß eine Identität von Schleifsteinen ausgeschlossen ist, denn das ist nicht Ihr Sachgebiet? Das geben Sie [8107] ja selbst zu, daß es nicht Ihr Sachgebiet ist. Wie kommen Sie dann zu dieser Aussage, aufgrund wessen Sachverstandes?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Es geht um die Änderung des Spurenbildes beim Schleifprozeß. Und das ist das Wesentliche[tt] was hier anliegt.

RA Schn[abel]:

Herr Sachverständiger, es geht mir nicht darum, sondern es geht mir darum - und diese Aussage haben Sie vorher gemacht, daß Sie eine Identität von Schleifsteinen ausgeschlossen haben. Und ich frage Sie, wie kommen Sie dazu das auszuschließen, wo haben Sie diesen Sachverstand her? Das hat mal vorläufig mit einer Spurensicherung überhaupt nichts zu tun, das ist erst die zweite Stufe.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Durch die Veränderung der Schleifsteinoberfläche wird die unterschiedliche Struktur der Metalloberfläche bewirkt, die mit dem Schleifstein behandelt wird.

RA Schn[abel]:

Herr Sachverständiger, Sie sind immer bei der zweiten Stufe und ich bin in der ersten Stufe. Die erste Stufe ist diejenige, ob es zwei identische Schleifsteine geben kann oder nicht, und da haben Sie ...

Vors.:

Ungebrauchte, wollen wir mal zur Vereinfachung des Verständnisses sagen, ungebrauchte, so daß keine Veränderung eingetreten sein kann.

RA Schn[abel]:

Ich lasse mich nicht beschränken. Ich spreche im Moment von zwei identischen Schleifsteinen, die im Moment auf dem Tisch liegen, wo die noch gar nicht gebraucht[uu] worden sind, und da hat vorhin der Sachverständige gesagt: „Das kann es nicht geben“, und da frage ich, wo kommt dieser Sachverstand her.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Wenn Sie diese Schleifsteine unter dem Mikroskop untersuchen, werden Sie feststellen, daß diese Schleifsteine nicht identisch sind, an der Oberfläche.

RA Schn[abel]:

Wieviele Schleifsteine haben Sie denn schon untersucht, Herr Sachverständiger?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Diese Aussage kommt aus der Erfahrung der Spurenuntersuchung.

RA Schn[abel]:

Herr Sachverständiger, ich habe klar gefragt, wie viele Schleifsteine Sie untersucht haben. Und ich möchte keine allgemeine Antwort, die daneben liegt.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Die Anzahl kann ich Ihnen im Augenblick nicht nennen, einige.

RA Schn[abel]:

Das ist also ..., Herr Sachverständiger, Sie sind doch sonst immer so präzise, warum können Sie dann nicht in etwa sagen wie viele Schleifsteine Sie schon untersucht haben? Einige ist überhaupt nichts. Geben Sie doch mal einen Anhaltspunkt, 5, 10, [8108] 100, 1000, was weiß ich wie.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Das kann ich im Augenblick nicht so sagen.

RA Schn[abel]:

Herr Sachverständiger, wollen Sie nichts sagen?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ich kann Ihnen die Zahl wirklich nicht nennen, wie viele ich untersucht hab, weil diese Untersuchung bei uns sekundär ist, primär ist das Spurenbild auf den Metallkörpern oder auf den Oberflächen.

RA Schn[abel]:

Herr Sachverständiger, wie lange sind Sie als solcher tätig?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Die Frage ist im 1. Prozeß am 4. Dezember beantwortet worden.

RA Schn[abel]:

Ja, also ich stelle heute diese Frage.

Vors.:

Sie ist deswegen trotzdem beantwortet, aber zur Erleichterung zurück ...

RA Schn[abel]:

Nein, die ist nicht beantwortet und zwar deswegen nicht beantwortet, weil Sie noch nicht gefragt wurden, wielang Sie als Sachverständiger für Schleifsteine tätig sind.

[vv]

Vors.:

Gut, wenn Sie es auf diesen Punkt beschränken, ja.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Als Sachverständiger für Schleifsteine bin ich nicht tätig.

RA Schn[abel]:

Warum können Sie dann Sachangaben dazu im Sachverständigermanier machen?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Weil wir uns täglich mit den Spuren beschäftigen, die von den Schleifsteinen hergestellt werden.

RA Schn[abel]:

Herr Sachverständiger, ich ging bislang davon aus, daß ein Sachverständiger darüber Angaben macht, was zu seinem Sachgebiet gehört. Und Schleifsteine sind ja wohl nicht Ihr Sachgebiet.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Aber die Spuren, die von den Schleifsteinen erzeugt werden.

RA Schn[abel]:

Ich spreche im Moment von Schleifsteinen, nicht von den Spuren ...

- Gelächter im Sitzungssaal -

RA Schn[abel]:

... ich lasse mich nicht von Ihnen immer auf die zweite ...

Vors.:

Ich bitte im Saal um Ruhe.

RA Schn[abel]:

... Stufe hier emporhieven. Wieviel haben Sie im Lauf der letzten Tage Schleifsteine zu begutachten gehabt?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Im Lauf der letzten ...

Reg. Dir. Wi[dera]:

Ich beanstande diese Frage.

Vors.:

Bitte, Herr Bundesanwalt Widera.

Reg. Dir. Wi[dera]:

Ich beanstande die Frage. Der Herr Sachverständige hat wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß er für Schleifsteine nicht [8109] zuständig ist und hat auch gesagt, auch das wiederholt - mindestens ¼ Stunde lang jetzt - wieso er trotzdem eine Aussage zu der Ursprungsfrage des Rechtsanwalt Schnabel machen konnte. Ich bitte Fragen dieser Art nicht mehr zuzulassen.

Vors.:

Ja, aber jetzt ist die Frage eben dahingestellt ... (Rechtsanwalt Schnabel spricht unverständlich dazwischen) ... Herr Rechtsanwalt Schnabel, die Frage geht ja dahin, ob der Herr Sachverständige in den letzten Tagen sich mit Schleifsteinen im Zusammenhang mit seinem üblichen Aufgabenkreis befaßt hat, die Frage kann gestellt und beantwortet werden.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ich habe in den letzten Tagen keinen Schleifstein untersucht.

RA Schn[abel]:

Haben Sie in den letzten Wochen einen untersucht?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

In den letzten Wochen habe ich mit Sicherheit einen Schleifstein unter der[ww] Lupe gesehen.

RA Schn[abel]:

Einen?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Vielleicht auch zwei. Ich kann die Frage wirklich nicht beantworten. Zumal es, und das möchte ich wieder betonen, nicht auf den Schleifstein als Spurenverursacher kommt ..., ankommt, sondern auf das durch den Schleifstein erzeugte Spurenbild.

RA Schn[abel]:

Herr Sachverständiger, Sie haben immer noch nicht erklärt, obwohl der Herr Bundesanwalt glaubt, diese Erklärung sei gegeben worden, aufgrund wessen Sachverstand Sie die Frage, die ich ursprünglich gestellt habe, ob es zwei identische Schleifsteine gibt, mit nein beantworten können. Ich sehe im Moment Ihre Sachkompetenz noch nicht, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir die etwas näher erläutern würden und zwar ...

Reg. Dir. Wi[dera]:

Ich beanstande die Frage.

Vors.:

Herr Bundesanwalt Widera.

Reg. Dir. Wi[dera]:

Ich beanstande auch diese Frage. Der Herr Sachverständige hat wiederholt immer wieder gerade diese Frage beantwortet, auch jetzt zuletzt in seinen letzten Sätzen. Ich[xx] bitte, diese Frage nicht mehr zuzulassen.

RA Schn[abel]:

Herr Vorsitzender, der Sachverständige hat sie nicht beantwortet und zwar schon damit nicht, daß er nicht einmal sagen konnte, wieviele Schleifsteine er[yy] jemals betrachtet hat unter der Lupe. Er spricht immer von einigen, das reicht mir also noch nicht aus. Wenn er vielleicht dort etwas präzisieren könnte[zz], kämen wir eine Stufe weiter ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schnabel ...

[8110] RA Schn[abel]:

Im übrigen wird der Herr Sachverständige ja auch einigermaßen darüber orientiert sein, was er in seinem Beruf in den letzten Wochen, Monaten oder Jahren getan hat. Und mir kommt es sehr merkwürdig vor, daß er gerade auf diese Frage keine Antwort präziser Art geben kann, weil er ansonsten doch[aaa] sehr präzis ist in seinen Aussagen.

Vors.:

Gut, aber ich habe aber bisher den Antworten des Herr Sachverständigen entnommen, daß er keine spezielle Sachkunde zu Schleifsteinen habe, daß er im Zusammenhang mit der Feststellung von Spuren, auch den Spurenverursacher von Schleifsteinen mit in seinen Gesichtskreis miteinzieht ohne daß es darauf näher ankomme. Und ich meine, damit hat doch der Herr Sachverständige die Antwort gegeben, daß er keine spezielle Sachkenntnisse für Schleifsteine habe. Was wollen Sie noch weiter von ihm wissen?

RA Schn[abel]:

Ja, dann steht immer noch seine Antwort im Raum, wenn er keinen Sachverstand auf diesem Gebiet hat, weshalb er dann hier vor Gericht im Brustton der Überzeugung behaupten kann, es gibt keine zwei identische Schleifsteine.

Vors.:

Ja, diese Frage kann gestellt und beantwortet werden ...

RA Schn[abel]:

Die stelle ich jetzt schon mehrfach.

Vors.:

... ich weiß nicht, ob sie beantwortet werden kann, aber Herr Dr. Grooß, können Sie dazu eine Antwort geben?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Soweit sich diese Schleifsteine in der Struktur der Oberfläche unterscheiden und dazu braucht man nicht Sachverständiger für Schleifsteine zu sein. Das bin ich auch nicht.

RA Schn[abel]:

Ja, woher wissen Sie das? Ich weiß es z. B. nicht.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja, auch wenn Sie ein Stück Sandpapier unter der Lupe sich betrachten, auch diese Papiere unterscheiden sich, obwohl in beiden Fällen, sowohl der Schleifstein wie das Schleifpapier als nicht[bbb] identifizierbares Werkzeug anzusprechen ist.

RA Schn[abel]:

Ja, wenn ich meinetwegen 3 oder 4 Schleifsteine oder Papiere betrachte, dann mag das stimmen was Sie sagen. Aber damit kann ich doch immer noch nicht in der Vielzahl der Möglichkeiten ausschließen, daß nicht eine Identität vorhanden sein könnte, einmal. Wenn ich nicht Sachverständiger bin, und das sind Sie ja nicht, wie Sie sagen.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ich bin nur Sachverständiger in der Spurenauswertung.

RA Schn[abel]:

Ja, also. Ich stelle nochmals die Frage, aufgrund wessen können Sie dann diese Behauptung in den Raum stellen, es gibt keine [8111] zwei identischen Schleifsteine, das ist auszuschließen? Oder möchten Sie sich insofern revidieren?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja, die Sache korrespondiert direkt mit der Frage, daß mit Schleifsteinen nicht die gleiche Oberfläche zu reproduzieren ist.

RA Schn[abel]:

Das verstehe ich nicht, was Sie damit meinen.

Vors.:

Das ist nun doch an sich klar verständlich. Der Herr Sachverständige ohne besondere Sachkenntnisse zu Schleifsteinen, schließt daraus, daß er die Erfahrung gemacht hat, daß man keine selbe Spur verursachen könne mit Schleifsteinen, daß es auch keine gleichen Schleifsteinen gäbe.

RA Schn[abel]:

Das ist eine sehr kühne Behauptung, nach dem ...

Vors.:

Gut. Wie Sie es bewerten, ist eine andere Frage. Aber der Herr Sachverständige hat Ihnen doch jetzt aufgezeigt, wieso er zu diesem Schluß kommt.

RA Schn[abel]:

Ja, Herr Vorsitzender, ich ging an sich bislang davon aus, daß Sachverständige immer das nur sagen, soweit ihr Sachverstand reicht, und wenn es dann die Grenzen überschreitet, daß sie das deutlich machen und diesen deutlich machen vermisse ich bei diesem Sachverständigen. Heute nicht zum ersten Mal, nach dem er ja mich auch darauf angesprochen hat, wir hätten schon einmal darüber gesprochen.

Vors.:

Ja, Herr Rechtsanwalt Schnabel, das mag sein. Der Herr Sachverständige hat jetzt aber Ihre Fragen wohl beantwortet, und Sie haben offenbar wohl die letzte Antwort nicht richtig verstanden. Ich versuchte zu erläutern, was ich verstanden habe von der Angabe. Und ich glaube, es war richtig, Herr Dr. Grooß.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja.

Vors.:

Wollen Sie weitere Fragen stellen?

RA Schn[abel]:

Ja. Können Sie ausschließen, wenn es zwei identische Schleifsteine gäbe, daß dann diese zwei identischen Schleifsteine auch identische Spuren erzeugen könnten?

Vors.:

Das ist ja an sich ...

Reg. Dir. Wi[dera]:

Ich beanstande die Frage. Sie ist bereits beantwortet. Ich könnte auch die Antwort wiederholen ...

RA Schn[abel]:

Bitte, gern.

Reg. Dir. Wi[dera]:

... aber ich weiß, daß Herr Rechtsanwalt Schnabel doch sicherlich zuhört und deswegen tue ich es nicht. Ich beanstande allerdings ausdrücklich die Zulässigkeit dieser Frage.

[8112] Vors.:

Aber ich glaube, die rein theoretische Frage, ob zwei identische Schleifsteine identische Spuren erzeugen würden, kann man den Herrn Sachverständigen beantworten lassen.

Reg. Dir. Wi[dera]:

Herr Vorsitzender, der Herr Sachverständige hat doch gesagt, aus seiner Erfahrung, aus seiner Spurenauswertung hat es das noch nie ..., aus seiner Erfahrung hat es das noch nie gegeben und er hat ..., folge dessen gibt es das auch nicht, so habe er ..., diese Lehre habe er aus seiner Arbeit gezogen.

Vors.:

Nun wollen wir uns aber in diese hypothetische Fragestellung des Herrn Rechtsanwalt Schnabel nicht zu viel hineingeheimnissen, es ist eine neue und zusätzliche Frage. Er gibt sich eben in der Erfahrung des Herrn Sachverständigen nicht zufrieden, sondern will dazu noch rein hypothetisch gefragt haben. Wenn die Voraussetzung trotzdem gegeben wäre, daß zwei identische Schleifsteine existierten, ob sie dann dieselbe Spur verursachen würden. Ich meine, man braucht eigentlich kein Sachverständiger zu sein, um darauf die Antwort zu geben. Sind Sie imstande eine solche hypothetische Frage zu beantworten?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja, wenn ein Schleifstein schon ein unterschiedliches Spurenbild hinterläßt und gesetzt den Fall, es gäbe zwei Schleifsteine, dann würden diese beiden Schleifsteine natürlich auch keine gleichen Spuren hinterlassen.

RA Schn[abel]:

Herr Sachverständiger, das ist eine unlogische Antwort und zwar deswegen. Wenn zwei Schleifsteine identisch sind, dann müssen sie ja wohl auch die identischen Spuren hinterlassen, während was Sie sagen, wenn ein Schleifstein einmal geschliffen ist, dann ist er ja nicht mehr identisch mit dem Urzustand oder sind Sie anderer Meinung?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Das erzeugte Spurenbild ist abhängig von der Verteilung des Schleifenmaterials auf der Schleifsteinoberfläche.

RA Schn[abel]:

Eben, und wenn das identisch ist?

Vors.:

Ich weiß nicht, ob Sie sich kompetent fühlen, das zu beantworten, wenn ja, also ich würde mich ...

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Das ist eine rein hypothetische Frage.

Vors.:

Ja, eben, aber die kann auch ein Laie beantworten. Wenn es identische Oberflächenstrukturen gibt.

RA Schn[abel]:

Herr Sachverständiger, Sie haben sich doch auch dafür kompetent gefühlt zu behaupten, es gäbe nicht zwei identische Schleifsteine. Warum zieren Sie sich denn jetzt kompetent zu sein?

[8113] Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ich sagte eben oder wiederholt schon, daß Sie mit einem Schleifstein eine Oberfläche nicht reproduzieren können in ihrem Schliffbild.

RA Schn[abel]:

Ja, und mit zwei identischen? Das ist eine Frage der Logik, Herr Sachverständiger, nicht des Sachverstandes.

Vors.:

Nein, es ist keine Frage der Logik, Herr Rechtsanwalt Schnabel, wenn Sie gehört haben, was der Herr Sachverständige sagt, daß jeder Bearbeitungsvorgang sofort zu Veränderungen führt, und es ist ja nicht denkbar, daß Schleifspuren ohne Bearbeitungsvorgang entstehen, dann kann Ihnen der Herr Sachverständige das nicht logisch, sondern nur noch aufgrund seiner Erfahrung beantworten. Es wäre logisch dann, wenn ein Bearbeitungsvorgang denkbar wäre, der keine Bearbeitung voraussetzte, dann hätten Sie Recht. Aber so ist es eben nicht, denn Sie haben überhört, daß der Herr Sachverständige ausdrücklich erklärt hat, jeder Bearbeitungsvorgang verändert sofort die Oberfläche.

RA Schn[abel]:

Ja, ...

Vors.:

... Und damit entstehen auch verschiedene Schleifsteine.

RA Schn[abel]:

Könnte es nicht zwei identische Schleifsteine und zwei identische Arbeitsvorgänge geben?

Vors.:

Dazu ist der Herr Sachverständige nicht da, um diese hypothetischen Frage, die unter Mißachtung seiner bisherigen Antworten gestellt werden, hier als Sachverständiger zu beantworten. Sie können sich vielleicht mal privat mit ihm über dieses Problem unterhalten.

RA Schn[abel]:

Nein, nein, nein. Also, Herr Vorsitzender, so nicht. Das ist erstens keine Mißachtung.

2. hat der Herr Sachverständige bislang immer noch nicht gesagt, worauf sein Sachverstand beruht, nachdem er nämlich nicht einmal sagen kann, wieviel Schleifsteine er bislang gehabt hat. Man gibt sich doch ansonsten auch nicht damit zufrieden, daß ein Sachverständiger sagt, er hätte schon einige Dinge untersucht. Das ist einfach keine Aussage eines Sachverständigen ...,

Vors.:

Herr Rechtsanwalt ...

RA Schn[abel]:

... daß ich sage, ich habe es[ccc] schon einige Male gemacht. Jeder andere Sachverständige wurde hier im Gerichtssaal darauf angehalten, daß er sagt, wielang ist er in diesem Gebiet tätig, wieviele Untersuchungen haben Sie schon gemacht. Dieser Herr Sachverständige ist nicht in der Lage, eine präzise Angabe zu machen, und niemand bemüht sich, ihm dieses „einige“ endlich einmal so [8114] klar zu legen, daß er wenigstens eine etwaige Angabe macht.

Vors.:

Es ist gut, daß Sie ja diese Bemühungen den anderen Prozeßbeteiligten sehr ausgiebig abnehmen, Herr Rechtsanwalt Schnabel ...

RA Schn[abel]:

Ohne Unterstützung zu bekommen.

Vors.:

Ich darf Sie aber auf ... Nein, es ist auch nicht ersichtlich, warum das weiterer Unterstützung bedürfte, so wie Sie das Fragerecht ausüben. Ich glaube das ist ausreichend genug. Aber, Herr Rechtsanwalt Schnabel, der Herr Sachverständige hat, im Gegensatz zu Ihrer Behauptung, wiederholt dargelegt, woraus er den Schluß zieht, daß es keine identischen Schleifsteine gebe. Er hat aber auch ganz klar[ddd] gestellt, daß er kein Sachverständiger für Schleifsteine ist. Sie haben also die Frage nach seiner Sachkunde von ihm [eee] in jeder Richtung voll beantwortet bekommen.

Ende Band 450

[8115] Vors.:

Es ist einfach nicht richtig, was Sie hier als Frage, Voraussetzung stellen. Denn diese Voraussetzungen treffen nicht zu, so wie der Herr Sachverständige geantwortet hat.

RA Schn[abel]:

Na, dann darf ich feststellen, daß der Herr Sachverständige Angaben dazu gemacht hat, Nichtsachverständiger zu sein und dennoch Fragen beantwortet hat, die einen Sachverstand voraussetzt.

Vors.:

Stellen Sie das fest: Das ist an sich eine Erklärungssache nach [§ ]257[ StPO].[36] Keine Frage mehr. Haben Sie weitere Fragen an den Herrn Sachverständigen. Herr Rechtsanwalt Schily hat sich zu Wort gemeldet, bitte.

RA Schi[ly]:

Herr Dr. Grooß, bei der Befragung durch den Herrn Vorsitzenden haben Sie zunächst erklärt, Sie können ausschließen, daß dieser Schneidevorgang also dieselben Spuren hinterläßt, bei verschiedenen Werkzeugen, wenn dieses Werkzeug von Hand geschliffen ist. Habe ich diesen Akzent in Ihrer Erklärung richtig mitbekommen, daß es darauf ankommt, daß der Schleifvorgang von Hand vorgenommen wurde ...

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Darauf kommt es nicht unbedingt an ...

Vors.:

Halt, die Frage ist noch nicht zu Ende gestellt.

RA Schi[ly]:

Würde Ihre Antwort anders lauten, wenn es maschinell, das Werkzeug, geschliffen ist.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Die würde sich nicht wesentlich ändern, die Antwort. Nur, wenn der Körper von Hand angesetzt wird, ist auszuschließen, daß er, daß die Stelle, mit der er [fff] letztes Mal Berührung hatte, mit dem Schleifstein, die gleiche ist.

RA Schi[ly]:

Ja, nun die Frage also, wie ist es bei einem maschinellen, wenn das Werkzeug maschinell geschliffen wird.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Auch bei maschinell geschliffenen Werkzeugen haben wir individuelle Spuren bisher immer gefunden, keine Systemspuren.

RA Schi[ly]:

Also ist das eigentlich ohne Bedeutung ob von Hand oder ...

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Das ist ...

RA Schi[ly]:

Warum haben Sie es dann erwähnt.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Es ist eigentlich ohne Bedeutung, nur das ...

RA Schi[ly]:

Und uneigentlich?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Hier bei dieser Schere wird angebracht dieser Wellenschliff auch von Hand und er liegt damit auch in den Ab- [8116] ständen zur Schneide etwas anders, so daß also auch in diesem Bereich individuelle Merkmale oder zumindest mal stark charakteristische Merkmale in Abhängigkeit von der Lage zum Werkzeug entsteht.

RA Schi[ly]:

Ja, soll ich das so verstehen, daß [ggg] zusätzliche individuelle Merkmale entstehen.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Zumindest nicht zu ... ja, man kann auch sagen zusätzlich.

RA Schi[ly]:

Wie bitte?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Der Abstand der Einschliffe[hhh] variiert damit auch auf der Schere.

RA Schi[ly]:

Geht es dabei nur um die Abstände bei diesen individuellen Merkmalen?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Beim Schleifen entstehen individuelle Merkmale ...

RA Schi[ly]:

In Form von Schleifspuren kann man das so sagen?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Besteht die Individualität darin, daß die Abstände zwischen den Schleifspuren festgestellt werden?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Nein, es geht hier, ich spreche von dem Wellenschliff, der auf dieser noch aufgebracht ist. Und wenn dieser Wellenschliff in dem Fall, entsteht dadurch, daß das Werkzeug von Hand gegen einen schleifenden Gegenstand gehalten wird, sind diese Abstände unterschiedlich, von Anfang in der Geometrie auf der Klinge.

RA Schi[ly]:

Ich möchte Sie nochmal fragen, wegen des Erkenntniswertes[iii] Ihrer Feststellung, wenn ich das richtig mitbekommen habe, bitte berichtigen Sie mich, wenn ich es falsch verstanden habe. Es ist also nicht so, daß Sie sagen wollen, es ist ein Naturgesetz, daß also solche Übereinstimmungen nicht auftreten, sondern das ist eine Erfahrungssatz[jjj]?

Sachverst. Dr. Grooß:

Ein Erfahrungssatz.

RA Schi[ly]:

Aufgrund der Erfahrung. Nun wissen Sie ja sicherlich, daß Erfahrungssätze eigentlich aufgrund eines bestimmten statistischen Wiederholungsgrades, könnte man sagen, aufgestellt werden können. Sind an sich ... also Erfahrungssätze haben immer was mit Statistik eigentlich zu tun und nun frage ich Sie: aufgrund welcher Statistik haben Sie diesen Erfahrungssatz feststellen können?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Es gibt auf diesem Gebiet keine Statistik.

[8117] RA Schi[ly]:

Ja, wie können Sie dann eigentlich einen Erfahrungswert hier festlegen. Ist das Ihre individuelle Statistik, also auf Ihre persönlichen Erfahrungen zurückzuführen, da würde ich sagen, ist der Erfahrungssatz natürlich nicht sehr verbindlich.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Es sind im Rahmen der kriminaltechnischen Untersuchungen, wie[kkk] sie[lll] seit Jahrzehnten durchgeführt werden, nicht nur im Bundeskriminalamt, sondern auch auf anderen Dienststellen, nie aufgetreten, daß unterschiedliche Spurenerzeuger gleiche Spurenbilder erzeugen, sofern es sich um Werkzeuge handelt, die ...

RA Schi[ly]:

Ja, wir müssen da ja unterscheiden. Sie haben ja zwei Dinge doch zusammengebracht, Herr Dr. Grooß. Einmal, jetzt sprechen Sie von unterschiedlichen Spurenerzeugern, da setzen Sie ja voraus, daß es unterschiedliche Spurenerzeuger sind, und dann haben Sie gleichzeitig mir einen Erfahrungssatz, dem Gericht mitgeteilt, daß der gleiche Spurenerzeuger, also der Schleifstein, üblicherweise durch Abrieb oder irgendwelche anderen Ursachen nie das gleiche Spurenbild erzeugt.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Und das sind also zwei Erfahrungssätze, die, also nebeneinanderzustellen, ... die nicht unbedingt identisch sind und die der Überprüfung bedürfen. Und da frage ich Sie, aufgrund welcher Untersuchung und welcher Statistiken, Statistik sagen Sie ja, haben Sie schon beantwortet, gibt es darüber, nicht. Dann frage ich Sie, aufgrund welcher Untersuchungen sind Sie zu solchen Erfahrungssätzen gelangt? Gibt es da Literatur darüber oder wenn Sie jetzt sagen seit Jahrzehnten, - wissen Sie, das klingt mir so ungefähr wie: seit einem Jahrhundert wird im Gerichtssaal eine Robe getragen, aber das ist vielleicht, das mag[mmm] sogar noch ein verbindlicher Erfahrungssatz sein, aber vielleicht gibt es da dann auch Ausnahmen von der Regel mitunter.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ausnahmen von der Regel sind bisher mir nicht bekannt geworden und es sind also, wie gesagt, das unterschiedliche Gegenstände gleiche Spurenbilder[nnn] erzeugen, ist genauso wenig bekannt geworden.

RA Schi[ly]:

Wie bitte?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Daß unterschiedliche Gegenstände, daß zum Beispiel [8118] zwei Scheren dieser Art das gleiche Spurenbild erzeugen, das ist auch nicht bekannt geworden. Und dabei ist es in dem Fall uninteressant, um welche Art des Spurenverursachers es sich handelt, ob es sich um eine Schere, um eine Zange[ooo] oder um einen Auszieher einer Waffe handelt. Es geht darum, daß diese geschliffenen Oberflächen, wenn eine auswertbare Spur erkennbar ist, bisher keine Identität aufgetreten ist.

RA Schi[ly]:

Herr Dr. Grooß, wie ist es denn mit Ähnlichkeit. Können ähnliche Spurenbilder erzeugt werden?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ähnlichkeiten gibt es natürlich.

RA Schi[ly]:

Ja, und können dann nicht doch diese Ähnlichkeiten dazu führen, daß man gar nicht unterscheiden kann das eine oder das andere Spurenbild, auch wenn man sich daran hält, daß vielleicht das Material, auf dem das Spurenbild erscheint, unterschiedlich ist?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Hier im vorliegenden Fall ist dies Spurenbild über eine doch erhebliche Strecke übereinstimmend. Ähnlichkeiten wird es im Teilbereichen immer geben, das ist klar.

RA Schi[ly]:

Ja, nun nochmals zu meiner Frage zurück. Welche Untersuchungen liegen darüber vor? Also wenn Sie nochmal an meine Frage denken, [ppp] daß eigentlich ein Erfahrungssatz immer nur aufgestellt werden kann aufgrund einer bestimmten Statistik.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Eine Statistik in ...

RA Schi[ly]:

... Ja, das haben wir ja geklärt. Also Sie können doch eigentlich einen Erfahrungssatz nur aufstellen aufgrund der bestimmten Untersuchungsreihe.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja, diese ...

RA Schi[ly]:

... medizinische Erklärungen sind ja mitunter reine Erfahrungssätze, weil man die Ursachenkette gar nicht genau feststellen kann. Reine Erfahrungssätze, Anwendungen der Therapie, medikamentösen Therapie, reine Erfahrungssätze mitunter. Aber da gibt es dann eben Versuchsreihen, vielleicht in dem Bereich sowieso noch komplizierter, aber nehmen Sie irgendwelche anderen Erfahrungssätze. Sie sind ja Physiker, es ist Ihnen ja geläufiger als mir. Man kann doch nicht einen Erfahrungssatz, sonst ist es eine reine Hypothese. Es unterscheidet ja den Erfahrungssatz von der [8119] Hypothese, daß der Erfahrungssatz durch Untersuchung verifiziert[qqq] sein muß, sonst ist er kein Erfahrungssatz. Und da frage ich Sie ja, wo sind diese verifizierenden [rrr] Untersuchungen. Können Sie dazu Angaben machen?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Das ist letzten Endes, was ich vorhin schon angesprochen habe, die Erfahrung auf dem Gebiet der Spurenuntersuchung, die seit ... in etwa der Jahrhundertwende auf diesem Gebiet betrieben wird.

RA Schi[ly]:

[sss] Ja, das die Tatsache, daß da solche Untersuchungen, daß da also so eine Wissenschaft besteht und daß die tätig ist. Aber das sagt doch nun gar nichts aus. Das sagt[ttt] doch noch gar nichts aus. Sie müssen doch die konkreten Untersuchungen[uuu] angeben, die einen speziellen Erfahrungssatz stützen, sonst ist es doch, ist es doch, gibt es da nichts dafür her.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Diese Untersuchung von Schleifvorgängen sind von, in den ...

RA Schi[ly]:

Sehen Sie mal, wenn Sie daran denken, wir haben ...

Vors.:

Entschuldigung, darf vielleicht der Sachverständige ...

RA Schi[ly]:

Nein, wenn ich nur einen Moment unterbrechen darf. Weil ich den Hinweis vielleicht doch für nützlich auch für die Antwort, damit wird es dann vielleicht abkürzen.

Vors.:

Bitte.

RA Schi[ly]:

Im Bereich der Schußspuren haben wir uns doch schonmal ziemlich ausgiebig unterhalten. Und da haben Sie darauf hingewiesen, es werden also Vergleiche vorgenommen und es gibt auch eine Sammlung, nun, es werden also Vergleiche vorgenommen und es ist eine ziemlich umfangreiche Sammlung. Gibt es denn etwas Vergleichbares auch für derartige Untersuchungen.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Es gibt auch Werkzeugspurensammlungen.

RA Schi[ly]:

Und haben Sie da auch entsprechende Vergleiche vorgenommen?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Nein. Das Bundeskriminalamt unterhält keine Werkzeugspurensammlung.

RA Schi[ly]:

Ja, nun ist eben die Frage, ob, ich meine damals haben Sie mir nämlich das erklärt, daß sozusagen die Individualität der Schußspuren, daß die gewährleistet sei, das haben Sie mir versucht, deutlich zu machen an der Tatsache, daß man eben Vergleiche angestellt hat, innerhalb der, mit einer immer stärkeren Eingrenzung innerhalb dieser Sammlung [8120] da im Bundeskriminalamt, und daß da eben seit eigentlich allen denkbaren Zeiten oder jedenfalls der Zeit, in der Sie tätig waren, beziehungsweise Sie haben sich da noch vermitteln lassen von Ihren Vorgängern sozusagen das frühere Wissen, da niemals identische Spuren bei einem Vergleich aufgetreten seien.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Gut, da könnte man ja sagen, das ist also ein Erfahrungssatz, der vielleicht auf Statistik beruht, möglicherweise. Eine Frage, die noch offen ist, die sicherlich der Überprüfung bedarf. Aber jetzt mal hier nun Ihre Überlegung auf[vvv] Ihr heutiges Gutachten projiziert, da sehe ich das nicht.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Es kommt ja nicht darauf an, auf den Spurenträger und Spurenverursacher im einzelnen. Es kommt auf den Entstehungsprozeß der Spuren und des Entstehungsprozesses des spurentragenden, spurenverursachenden Teiles darauf an. Ich sagte vorhin schon, der Auszieher einer Waffe wird bei uns in sehr viel Fällen für die Untersuchung und für die Identifizierung mitverwendet. Desgleichen der Auswerfer. Auch hier handelts sich um Teile, die spanabhebend und im Regelfall schleifend bearbeitet sind. Die Identifizierung der Schußwaffen ist so gesehen nur ein Teil des größeren Gebietes der Identifizierung von Werkzeugspuren, mit dem Satz dazu, daß in dem Fall die Schußwaffe das Werkzeug ist.

RA Schi[ly]:

Na ja, ich würde Ihnen insoweit folgen, wenn Sie sagen, es gibt also mehrere Faktoren, die zu den, die sozusagen auf das Spurenbild einwirken, also ich meinte am Stärke des Schleifvorganges, Eigenschaften des Werkzeuges, maschinell oder nicht maschinell. Aber das würde doch meiner Meinung nach immer nur ein Wahrscheinlichkeitsurteil begründen, daß ein übereinstimmendes Spurenbild eine besondere Seltenheitswert vielleicht besitzt. Also vielleicht daß die Zahl des Auftretens übereinstimmender Spurenbilder beeinflussen würde. Aber ein Erfahrungssatz in der Richtung ist damit doch noch nicht gewährleistet, daß kein übereinstimmendes Spurenbild auftreten kann, daß Sie das ausschließen können.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Es ist bisher nicht beobachtet worden, trotz [8121] auch größerer Reihenuntersuchung vor längerer Zeit im Reichskriminalpolizeiamt.

RA Schi[ly]:

Ja das hatten wir, glaube ich, auch schonmal das ... Wie heißt das?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Reichskriminalpolizeiamt.

RA [Schily]:

Danke, dann habe ich vorläufig keine Frage mehr.

Vors.:

Sind weitere Fragen gewünscht an den Herrn Sachverständigen? Ich sehe nicht. Wird ein Antrag auf Vereidigung des Herrn Sachverständigen gestellt?

Ein Antrag auf Vereidigung des Sachverständigen wird nicht gestellt.

Der Sachverständige Dr. Grooß bleibt gem. § 79 StPO unbeeidigt und wird im allseitigen Einvernehmen um 15.03 Uhr entlassen.

RA. Künzel verläßt um 15.03 Uhr den Sitzungssaal.

Das Ass. E 23 V/5 Pos. 326 1/und 2 wird vom Gericht in Augenschein genommen.

Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit, am Augenschein teilzunehmen.

Der Zeuge Reischig erscheint um 15.03 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge Reischig macht folgende Angaben zur Person:

Paul Heinrich Reischig,'
30 Jahre alt,
Versicherungskaufmann,
Fürstenfeldbruck,
[Anschrift].

Mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert.

Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Herr Reischig, wissen Sie noch, welches Fahrzeug, Fabrikat und vielleicht auch die Farbe, Sie im Jahr 1972, im Frühjahr, Mai 72 gefahren haben?

Zeuge Rei[schig]:

Das war ein Taunus 1300, Farbe blaumetallic.

Vors.:

Würden Sie heute noch das Kennzeichen uns angeben können?

Zeuge Rei[schig]:

Fürstenfeldbruck - UW 31.

Vors.:

Ist Ihnen dieses Kennzeichen damals irgendwie abhanden ge- [8122] kommen oder haben Sie irgendwelche Wahrnehmungen gemacht, daß jemand versucht hat, dieses Kennzeichen mal loszuschrauben?

Zeuge Rei[schig]:

Nein.

Vors.:

Nichts dergleichen. Erinnern Sie sich noch daran, daß es in Augsburg eines Tages zu einem Sprengstoffanschlag gekommen ist?

Zeuge Rei[schig]:

Das habe ich in München gehört.

Vors.:

Sind Sie in München irgendwie direkt oder indirekt Zeuge geworden von einem solchen Anschlag?

Zeuge Rei[schig]:

Indirekt.

Vors.:

Nämlich, durch welchen Vorgang?

Zeuge Reisch[ig]:

Ich fuhr vom Büro Richtung Arnoldstraße und bog dann vorher auf einer Parallelstraße zum LKA ab und da ist dann diese Bombe in die Luft geflogen.

Vors.:

Haben Sie das selber wahrgenommen?

Zeuge Rei[schig]:

Ja, ich[www] habe dann gehalten und hab halt zugeschaut, wie andere Leute auch, und bin dann weitergefahren.

Vors.:

Können Sie sagen, daß Sie an diesem Tag, als Sie diese Beobachtungen gemacht haben, Ihr Kennzeichen Fürstenfeldbruck - UW 31 unverändert an Ihrem Fahrzeug getragen hat?

Zeuge Rei[schig]:

Ja.

Vors.:

Danke. Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Herr Berichterstatter, bitte.

Richter Ma[ier]:

Ja, Sie haben gerade geschildert Ihren Aufenthalt in München. Sind Sie am selben Tag auch in Augsburg gewesen?

Zeuge Rei[schig]:

Nein.

Richter Ma[ier]:

Sind Sie überhaupt im Mai 72 in Augsburg gewesen?

Zeuge Rei[schig]:

Nein.

Richter Ma[ier]:

Sind Sie sich dessen sicher?

Zeuge Rei[schig]:

Ganz sicher.

Richter Ma[ier]:

Danke.

Vors.:

Sonstige Fragen an den Herrn Zeugen? Beim Gericht nicht. Die Herren der Bundesanwaltschaft? Die Herren Verteidiger? Auch nicht. Dann können wir den Herrn Zeugen vereidigen.

Der Zeuge Reischig wird vorschriftsgemäß vereidigt und im allseitigen Einvernehmen um 15.06 Uhr entlassen.

Vors.:

Wir wären am Ende des heutigen Sitzungsprogrammes. Morgen stehen bevor die Vernehmung der Zeugen Pflug, Fernstädt und [8123] Gutka. Der Zeuge Pschorn, der aufgezählt ist, ist ja umgeladen auf den 7.4. Es scheinen notwendig die Ordner 75 und 76. Morgen früh um 9.00 Uhr Fortsetzung.

Ende der Sitzung um 15.07 Uhr.

Ende des Bandes 451.


[1] Ulrike Meinhof wurde am 86. Verhandlungstag wegen ordnungswidrigen Benehmens nach § 177 GVG i.V.m. § 231b Abs. 1 StPO für die Dauer von einem Monat von der Hauptverhandlung ausgeschlossen (S. 7739 des Protokolls der Hauptverhandlung, 86. Verhandlungstag). Die anderen Angeklagten hätten an der Hauptverhandlung teilnehmen können. Die Strafprozessordnung sieht grundsätzlich eine Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - Az.: 1 StE 1/74 - StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[2] § 57 StPO a.F. schrieb für die Belehrung von Zeug/innen vor: „Vor der Vernehmung sind Zeugen zur Wahrheit zu Ermahnen und darauf hinzuweisen, daß sie ihre Aussage zu beeidigen haben, wenn keine im Gesetz bestimmte oder zugelassene Ausnahme vorliegt. Hierbei sind sie über die Bedeutung des Eides, die Möglichkeit der Wahl zwischen dem Eid mit religiöser oder ohne religiöse Beteuerung sowie über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren.“ Im Unterschied dazu ist die Vereidigung von Zeug/innen heute nur noch die Ausnahme (§ 59 StPO).

[3] § 72 StPO erklärt die Vorschriften für Zeug/innen auch für Sachverständige anwendbar, wenn nicht in den nachfolgenden Vorschriften Abweichendes geregelt ist. § 79 StPO enthält eine solche Abweichung im Vergleich zu § 57 StPO a.F. im Hinblick auf die Vereidigung: Während die Vereidigung für Zeug/innen im Regelfall vorgesehen war, findet die Vereidigung von Sachverständigen nach dem Ermessen des Gerichts statt; die Regel ist hier die Nichtvereidigung.

[4] Mit dem Gesetz zur Ergänzung des Ersten Strafverfahrensreformgesetzes vom 20.12.1974 (BGBl. I, S. 3686) wurde mit Wirkung zum 1.1.1975 das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) eingeführt. Dies hatte zur Folge, dass die zuvor zugelassene Blockverteidigung - die gemeinsame Verteidigung aller Angeklagten durch mehrere Verteidiger/innen - unzulässig wurde und die Verteidigung neu sortiert werden musste.

[5] Die amtliche Bestellung allgemeiner Vertreter/innen erfolgt nach § 53 BRAO in Fällen längerer Abwesenheit oder im Voraus für alle Verhinderungsfälle in einem bestimmten Zeitraum. Dem/der amtlich bestellten Vertreter/in stehen nach § 53 Abs. 7 BRAO die gleichen anwaltlichen Befugnisse wie der vertretenen Person zu. Nach § 53 Abs. 3 Satz 2 BRAO a.F. konnte die Landesjustizverwaltung auch Referendar/innen, die seit mindestens 12 Monaten im Vorbereitungsdienst beschäftigt waren, zu allgemeinen Vertreter/innen bestellen (heute § 53 Abs. 4 Satz 2, wobei die Bestellung inzwischen nicht mehr durch die Landesjustizverwaltung erfolgt, sondern durch die Rechtsanwaltskammer).

[6] Die Zulässigkeit des damaligen Auftretens als Vertreter für Rechtsanwältin Becker (nach voriger Stellvertretung des Rechtsanwalts Riedel) begründete der Senat mit der besonderen Stellung als Vertreter: Ein Mandatswechsel habe nicht vorgelegen, „[d]a sich das Recht des Vertreters von der Vertretenen herleitet“ (so der Vorsitzende Dr. Prinzing am 41. Verhandlungstag, S. 3161 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[7] Die Neuregelung des § 146 StPO wurde nach ihrem Inkrafttreten durch die Rechtsprechung - nicht zuletzt durch den 2. Strafsenat des OLG Stuttgart - gleich in mehrfacher Hinsicht weit ausgelegt. So wurde etwa die sog. sukzessive Mehrfachverteidigung nach Beendigung eines Mandatsverhältnisses untersagt (OLG München, Beschl. v. 28.11.1975 - Az.: 1 Ws 1304/75, NJW 1976, S. 252, 253 f.; später bestätigt durch BGH, Beschl. v. 23.3.1977 - Az.: 1 BJs 55/75; StB 52/77, BGHSt 27, S. 154, 155 f.); zudem wurde das Verbot auch auf die Vertretung von Beschuldigten in anderen Verfahren ausgedehnt (s. dazu den in diesem Verfahren ergangenen Beschluss des OLG Stuttgart v. 4.11.1975 - Az.: 2 StE 1/74, NJW 1776, S. 157; so kurz darauf auch BGH, Beschl. vom 27.2.1976 - 1 BJs 25/75, StB 8/76, BGHSt 26, S. 291, 293 f.). Da die umstrittenen Auslegungen auch auf den nicht eindeutigen Wortlaut zurückzuführen waren, wurde die Vorschrift durch das StrVÄG 1987 vom 27. Januar 1987 (BGBl. I, S. 475) neugefasst. Der heutige Wortlaut umfasst explizit auch das Verbot, Beschuldigte in Parallelverfahren zu verteidigen, wenn sie wegen derselben Tat beschuldigt sind (s. zur Neuregelung auch Meyer-Goßner, NJW 1987, S. 1161, 1163; Nestler-Tremel, NStZ 1988, S. 103 f.), nicht jedoch das Verbot der sukzessiven Verteidigung (BGH, Beschl. v. 15.1.2003 - Az.: 5 StR 251/02, BGHSt 48, S. 170, 173; Dahs, Handbuch des Strafverteidigers, 8. Aufl. 2015, Rn. 124; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 146 Rn. 18 ff.).

[8] Die Kommentierung lautete: „Auch die sukzessive gemeinschaftliche Verteidigung mehrerer Beschuldigter, die wegen derselben Tat belangt werden, ist nach dem Sinn des § 146 nicht statthaft“ (Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 32. Aufl. 1975, § 146 Anm. 1).

[9] Der 1. Strafsenat des OLG Stuttgart war zuständig für die Entscheidungen über den Ausschluss der Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele wegen des Verdachts der Tatbeteiligung (§ 231a StPO), der noch vor Beginn der Hauptverhandlung erfolgte. Mit Beschluss vom 3.6.1975 lehnte er zudem die Durchführung eines (erneuten) Ausschlussverfahrens gegen sie ab, nachdem sich alle drei Rechtsanwälte am 1. Verhandlungstag für je eine/n andere/n Angeklagte/n legitimiert hatten. Der 1. Senat argumentierte, die drei Verteidiger seien bereits durch die ergangenen Ausschlussentscheidungen in Bezug auf den von ihnen damals vertretenen Angeklagten Baader für das vollständige Verfahren, also auch in Bezug auf die übrigen Angeklagten, von der Mitwirkung im Verfahren ausgeschlossen. Die Verfassungsbeschwerde des Rechtsanwalts Dr. Croissant gegen seinen Ausschluss nahm das Bundesverfassungsgericht wegen nicht hinreichender Erfolgsaussichten gar nicht erst zur Entscheidung an (BVerfG [Vorprüfungsausschuss], Beschl. v. 4.7.1975 - Az.: 2 BvR 482/75, NJW 1975, S. 2341).

[10] Bis zu diesem Zeitpunkt hatte das Bundesverfassungsgericht sich schon mehrfach mit Beschlüssen und Verfügungen des 2. Strafsenats bzw. des Vorsitzenden Dr. Prinzing (und den bestätigenden BGH-Entscheidungen) befasst. Mit Beschluss vom 8.4.1975 (Az.: 2 BvR 207/75, BVerfGE 39, S. 238, 241 ff.) verwarf das BVerfG die Verfassungsbeschwerde der Angeklagten sowie des Rechtsanwalts Dr. Croissant gegen den Widerruf der Pflichtverteidigerbestellung für die Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele. Die Verfassungsbeschwerde des Angeklagten Baader gegen die Ablehnung einer zehntägigen Unterbrechung der Hauptverhandlung zwecks Einarbeitung seines neuen Vertrauensverteidigers Dr. Heldmann (der sich nach den Ausschlüssen seiner früheren Verteidiger am 4. Verhandlungstag für ihn legitimierte) wurde mangels dringenden schutzwürdigen Interesses nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG [Vorprüfungsausschuss], Beschl. v. 23.7.1975 - Az.: 2 BvR 557/75, s. Anlage 1 zum Protokoll vom 16. Juli 1975, 17. Verhandlungstag, S. 1342 des Protokolls der Hauptverhandlung). Nicht zur Entscheidung angenommen wurde auch die Verfassungsbeschwerde des Rechtsanwalts Köncke, der - wie seine Kollegen Golzem und Spangenberg - wegen des Verbots der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) ausgeschlossen worden war (BVerfG [Vorprüfungsausschuss], Beschl. v. 13.1.1976 - Az.: 2 BvR 1001/75, abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 46 f.). Schließlich wurde die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss, die Hauptverhandlung aufgrund vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführter Verhandlungsunfähigkeit der Angeklagten in deren Abwesenheit fortzuführen, mit Beschluss vom 21.1.1976 als offensichtlich unbegründet verworfen (BVerfG, Beschl. v. 21.1.1976 - Az.: 2 BvR 941/75, BVerfGE 41, S. 246).

[11] Das Bundesverfassungsgericht befasste sich in dieser Entscheidung mit der Frage, ob eine Auslegung des § 146 StPO, nach der auch die Verteidigung mehrerer (Mit-)Beschuldigter in verschiedenen Verfahren unzulässig sei, mit Art. 12 Abs. 1 GG (freie Berufsausübung) vereinbar sei. Das Gericht bejahte dies. In diesem Beschluss machte das Gericht auch Ausführungen zur sukzessiven Verteidigung und zur Unterbevollmächtigung: „Im Falle der sog. sukzessiven gemeinschaftlichen Verteidigung, die § 146 StPO nach Auffassung der Bundesanwaltschaft ebenfalls verbietet, ist eine Interessenkollision in der Person des Verteidigers z.B. dann denkbar, wenn der frühere Mandant den späteren belastet [...]. Daß bei gemeinschaftlicher Verteidigung ein Interessenkonflikt auch in der Person des unterbevollmächtigten Anwalts auftreten kann, liegt auf der Hand“ (BVerfG [Vorprüfungsausschuss], Beschl. v. 26.11.1975 - Az.: 2 BvR 883/75, NJW 1976, S. 231).

[12] Der Umfang der Bindungswirkung von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nach § 31 Abs. 1 BVerfGG ist durchaus umstritten (näher Ungern-Sternberg, in Walter/Grünewald [Hrsg.], Beck’scher Online-Kommentar BVerfGG, 9. Edition, Stand 1.7.2020, § 31 Rn. 25 ff.). In jedem Fall ist aber die Bindungswirkung inhaltlich auf die Auslegung von Verfassungsrecht beschränkt. Das Gericht kann daher zwar negativ eine bestimmte Auslegung einfachgesetzlicher Regelungen (mit Bindungswirkung) für verfassungswidrig erklären; bestätigt es jedoch die zu beurteilende Auslegung als mit dem Grundgesetz vereinbar, so folgt daraus nicht, dass dies die einzig „richtige“ Auslegung sei. Die Auslegung einfachen Rechts bleibt Aufgabe der Fachgerichte (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.6.1975 - Az.: 2 BvR 1018/74, BVerfGE 40, S. 88, 94).

[13] Am 1. Januar 1975 traten das Erste Strafverfahrensreformgesetz vom 9. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3393) sowie das Ergänzungsgesetz hierzu vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3686) in Kraft. Hierdurch wurden u.a. die Möglichkeit des Verteidiger/innenausschlusses (§ 138a StPO), die Beschränkung auf drei Wahlverteidiger/innen pro Beschuldigte/n (§ 137 Abs. 1 Satz 2 StPO), das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO), sowie die Möglichkeit, den Prozess im Falle vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführter Verhandlungsunfähigkeit bis zum Abschluss der Vernehmung der Angeklagten zur Sache auch in ihrer Abwesenheit durchzuführen (§ 231a StPO), eingeführt. Durch diese und weitere Reformen während der Hauptverhandlung wurden die Rechte der Angeklagten sowie der Verteidigung erheblich eingeschränkt (Tenfelde, Die Rote Armee Fraktion und die Strafjustiz, 2009, S. 72 ff.). Da viele der Vorschriften im Hinblick auf das anstehende Stammheimer Verfahren beschlossen wurden, wurden sie u.a. als „lex RAF“ kritisiert (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 132 ff.). Sie sind überwiegend noch heute in Kraft.

[14] Fn. 6.

[15] Mit dem Ergänzungsgesetz zum Ersten Strafverfahrensreformgesetz vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3686) wurde mit Wirkung zum 1.1.1975 u.a. eine Beschränkung der Zahl der Wahlverteidiger/innen auf drei eingeführt (§ 137 Abs. 1 Satz 2 StPO).

[16] Art. 17 Abs. 3 des Ergänzungsgesetzes vom 20. Dezember 1974, mit dem das Verbot der Mehrfachverteidigung eingeführt wurde, lautet: „Ist bei Inkrafttreten dieses Gesetzes ein Verteidiger in demselben Verfahren für mehrere Beschuldigte tätig, so hat er auf Aufforderung des Vorsitzenden des Gerichts oder vor Erhebung der öffentlichen Klage der Staatsanwaltschaft binnen zwei Wochen zu erklären, welchen der Beschuldigten er verteidigen will. Macht er von seinem Auswahlrecht keinen Gebrauch, so kann er keinen der Beschuldigten verteidigen.“

[17] Holger Meins war ursprünglich Mitangeschuldigter im Stammheim-Prozess, starb aber noch vor Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) am 9. November 1974 in Untersuchungshaft in Wittlich an den Folgen des dritten Hungerstreiks. Für seinen Tod machten die Angeklagten staatliche Akteure, u.a. den Vorsitzenden Dr. Prinzing sowie die Bundesanwaltschaft verantwortlich (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 117 ff.).

[18] Am 24. April 1975 überfiel das RAF-Kommando „Holger Meins“ die deutsche Botschaft in Stockholm und forderte die Freilassung von 26 inhaftierten RAF-Mitgliedern, darunter von Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof. Dem Kommando gehörten Karl-Heinz Dellwo, Siegfried Hausner, Hanna Krabbe, Bernhard Rössner, Lutz Taufer und Ulrich Wessel an. Zur Durchsetzung ihrer Forderungen nahmen sie zwölf Geiseln, von denen sie zwei erschossen. Anders als zwei Monate zuvor bei der Lorenz-Entführung durch die Bewegung 2. Juni lehnte die Bundesregierung nun Verhandlungen mit den Geiselnehmer/innen ab. Ihr Ende fand die Geiselnahme durch eine nicht geklärte Sprengstoffexplosion im Inneren des Botschaftsgebäudes, die sich noch vor dem Zugriff schwedischer Sicherheitskräfte ereignete. Bei der Explosion wurde Ulrich Wessel tödlich verletzt. Siegfried Hausner erlag seinen Verletzungen Anfang Mai 1975 in der JVA Stuttgart-Stammheim. Die übrigen vier Geiselnehmer/innen wurden verhaftet und am 20. Juli 1977 zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt (Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 361 ff.; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 69).

[19] Der Grund, aus welchem Richter/innen abgelehnt werden, muss nach § 26 Abs. 2 Satz 1 StPO glaubhaft gemacht werden. Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht sie für überwiegend wahrscheinlich hält (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 26 Rn. 7). Die Glaubhaftmachung erfordert damit eine geringere Form der Überzeugung als der sog. Vollbeweis. Die Glaubhaftmachung genügt nur dort, wo das Gesetz sie ausdrücklich zulässt. Mittel der Glaubhaftmachung kann auch das Zeugnis des/der abgelehnten Richter/in sein (§ 26 Abs. 2 Satz 3 StPO).

[20] Noch vor Beginn der Hauptverhandlung wurden die früheren Verteidiger Baaders, die Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele, durch den 1. Strafsenat des OLG Stuttgart auf Grundlage des neu eingeführten 138a StPO wegen des Verdachts der Tatbeteiligung von der Mitwirkung im Verfahren ausgeschlossen (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 156 ff.). Nach Vorlage durch den 2. Strafsenat bestätigte der 1. Senat später die Wirkung dieser Ausschlussentscheidungen auch für die übrigen Angeklagten. Tatsächlich durch den 2. Strafsenat des OLG Stuttgart ausgeschlossen wurden die Rechtsanwälte Golzem, Köncke und Spangenberg aufgrund des Verbots der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO), da diese in einem Parallelverfahren vor dem LG Kaiserslautern die dort Angeklagten Grashof, Grundmann und Jünschke vertraten (der Beschluss des 2. Strafsenats ist abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 44 ff.; diese weite Auslegung des § 146 StPO war Anlass für einige Diskussionen, s. dazu die Kritik der Verteidigung am 43. Verhandlungstag, S. 3320 f., 3338 ff., 3354 ff. und 3394 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[21] Ehrengerichtsverfahren (heute: anwaltsgerichtliche Verfahren) können im Falle einer Verletzung berufsrechtlicher Pflichten von Anwält/innen durch die Staatsanwaltschaft vor speziellen Anwaltsgerichten, früher „Ehrengerichte“ eingeleitet werden (§ 121 BRAO). Diese können verschiedene Maßnahmen gegen den Rechtsanwalt/die Rechtsanwältin verhängen; diese reichen - je nach Schwere des Verstoßes - von einer Warnung (§ 114 Abs. 1 Nr. 1 BRAO) bis zum Ausschluss aus der Rechtsanwaltschaft (§ 114 Abs. 1 Nr. 4 BRAO a.F.; heute: § 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO). Gegen die Verteidiger/innen in den RAF-Prozessen wurden zahlreiche solcher Ehrengerichtsverfahren eingeleitet (s. dazu etwa das Interview mit von Plottnitz, in Diewald-Kerkmann/Holtey [Hrsg.], Zwischen den Fronten, 2013, S. 91, 95 f.; s. auch die Dokumentation von Ehrengerichtsverfahren von Spangenberg, Kritische Justiz 1976, S. 202).

[22] Diese Problematik ergab sich am 32. Verhandlungstag, als Rechtsreferendar Düx als amtlich bestellter Vertreter für Rechtsanwalt von Plottnitz auftrat. Der Vorsitzende Dr. Prinzing war der Auffassung, dies sei grundsätzlich nicht zulässig, genehmigte es jedoch für den Einzelfall (s. S. 2570 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung; s. zu den Ausführungen der Verteidigung hierzu auch S. 2591 ff., jeweils 32. Verhandlungstag). Dass Referendar/innen grundsätzlich nicht als Pflichtverteidiger/innen vor dem LG oder OLG auftreten konnten, folgte aus § 142 Abs. 2 StPO a.F., der abschließend diejenigen Fälle der notwendigen Verteidigung nach § 140 StPO aufzählte, in denen Referendar/innen als (Pflicht-)Verteidiger/innen bestellt werden konnten. Ein Verweis auf § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO, der u.a. die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem OLG als einen solchen Fall der notwendigen Verteidigung benennt, war in § 142 Abs. 2 StPO nicht enthalten. Für amtlich bestellte Stellvertreter/innen sieht allerdings § 53 Abs. 7 BRAO vor, dass ihnen alle Befugnisse der vertretenen Person zustehen. Der BGH entschied noch am selben Tag in einem anderen Verfahren, dass die aus den §§ 140, 142 StPO a.F. folgenden Einschränkungen für Referendar/innen bezüglich des Auftretens vor (Land- und) Oberlandesgerichten in den Fällen der amtlich bestellten Stellvertretung keine Anwendung fänden; Gründe, aus denen den §§ 140, 142 StPO Vorrang vor der Wertung des § 53 Abs. 7 BRAO eingeräumt werden sollte, seien nicht ersichtlich (BGH, Urt. v. 2.9.1975 - Az.: 1 StR 380/75, NJW 1975, S. 2351, 2352). Mit dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 (BGBl. I, S. 2128) wurde die Möglichkeit, Rechtsreferendar/innen in den Fällen der notwendigen Verteidigung zu bestellen, allerdings gänzlich gestrichen. Ob die Gesetzesbegründung, die sich u.a. auf europarechtliche Qualitätsanforderungen stützt (BT-Drs. 19/13829, S. 25, 40), Auswirkungen auf diese Auslegung haben wird, bleibt abzuwarten.

[23] Mit Verfügung vom 7.11.1975 wurde die Bestellung des Rechtsanwalts von Plottnitz zum Pflichtverteidiger für Jan-Carl Raspe aufgehoben (die Verfügung ist abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 70 ff.). S. hierzu auch die auf diese Verfügung gestützte und am 43. Verhandlungstag im Namen des Angeklagten Raspe von Rechtsanwalt Mairgünther vorgetragene Ablehnung des Vorsitzenden Dr. Prinzing wegen Besorgnis der Befangenheit (S. 3308 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Die Zurücknahme der Bestellung als Pflichtverteidiger/in (Entpflichtung) wegen pflichtwidrigen Verhaltens war gesetzlich nicht vorgesehen, allerdings im Falle eines Fehlverhaltens von besonderem Gewicht und nach voriger Abmahnung ausnahmsweise anerkannt (Willnow, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 143 Rn. 4). Bloßes prozessordnungswidriges oder unzweckmäßiges Verhalten reicht hingegen nicht aus, da es nicht Aufgabe des Gerichts ist, die ordnungsgemäße Erfüllung der Verteidigungspflichten zu überwachen (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 143a Rn. 25 ff.; s auch Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 32. Aufl. 1975, § 143 Anm. 3). Seit dem 13.12.2019 enthält § 143a Abs. 2 Nr. 3 StPO (eingeführt durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019, BGBl. I, S. 2128) ausdrücklich die Möglichkeit der Entpflichtung, wenn „aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Beschuldigten gewährleistet ist“. Darunter wird auch der Fall der groben Pflichtverletzung gefasst (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 143a Rn. 26).

[24] Der BGH hatte sich in dieser Entscheidung mit der Frage zu befassen, ob die Unzulässigkeit einer § 146 StPO widersprechenden Verteidigung bereits von Gesetzes wegen zur Unzulässigkeit der Verteidigung führe, oder es hierfür einer gerichtlichen Entscheidung bedürfe (und was daraus im Hinblick auf die Zulässigkeit von bereits vorgenommenen Prozesshandlungen folge). Das Gericht führte aus, dass eine unmittelbar aus dem Gesetz folgende Unwirksamkeit der Verteidigung „Verwirrung und Unklarheit“ in das laufende Verfahren tragen würde, sodass die Unzulässigkeit der Verteidigung grundsätzlich erst mit dem entsprechenden Gerichtsbeschluss wirksam werde. § 146 StPO sei daher, „damit der Zweck seiner Neufassung, von vornherein Klarheit im Prozeß zu schaffen, nicht verfehlt und in sein Gegenteil verkehrt wird, dahin auszulegen, daß er das Gericht berechtigt und verpflichtet, auf Antrag oder von Amts wegen einen gewählten Verteidiger zurückzuweisen, sobald es erkennt, daß die Voraussetzungen der Vorschrift vorliegen“(BGH, Beschl. v. 27.2.1976 - Az.: 1 BJs 25/75, StB 8/76, BGHSt 26, S. 291, 294).

[25] Grundsätzlich ist es unzulässig ein Kollegialgericht im Ganzen abzulehnen; zulässig ist es aber, alle Mitglieder eines Spruchkörpers gemeinsam abzulehnen, wobei die Ablehnungsgründe in Bezug auf jedes Mitglied einzeln darzulegen sind (s. bereits Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 32. Aufl. 1975, § 24 Anm 3). Zunächst ist daher aus dem Inhalt des Ablehnungsgesuches zu ermitteln, ob das Kollegialgericht als Einheit oder die Richter/innen in ihren Einzelpersönlichkeiten gemeint sein könnten (BGH, Urt. v. 16.12.1969 - Az.:5 StR 468/69, BGHSt, 30, 200, 202; Peters, Juristische Rundschau, 1970, 268, 269). Bei einem Gerichtsbeschluss, der seinem Wesen nach ein Beschluss des Gesamtkollegiums ist, gehen manche davon aus, dass sich die Ablehnung nur auf das Gericht als Ganzes beziehen könne, das Gesuch folglich unzulässig sei (Peters, Juristische Rundschau, 1970, 268, 269; Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 32. Aufl. 1975, § 24 Anm 3). Der BGH hingegen hält ein Ablehnungsgesuch auch in diesen Fällen für möglich (BGH, Urt. v. 16.12.1969 - Az.:5 StR 468/69, BGHSt, 30, 200, 202; kritisch mit Blick auf das Beratungsgeheimnis Peters, Juristische Rundschau, 1970, 268, 269).

[26] Die Ablehnung ist nach § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO als unzulässig zu verwerfen, wenn „durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen“.

[27] Sachverständige können nach dem Ermessen des Gerichts vereidigt werden (§ 79 StPO), wobei der Regelfall die Nichtvereidigung darstellt. Nach damaliger Rechtslage war die Vereidigung allerdings zwingend, wenn dies durch die Staatsanwaltschaft, Angeklagte oder die Verteidigung beantragt wurde (§ 79 Abs. 1 Satz 2 StPO a.F.).

[28] Die Inaugenscheinnahme gehört zu den zulässigen Beweismitteln im sog. Strengbeweisverfahren, welches zum Beweis von Tatsachen Anwendung findet, die die Straf- und Schuldfrage betreffen, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe. Sie erfolgt durch eine unmittelbare sinnliche Wahrnehmung. Anders als der Wortlaut vermuten lässt, ist diese nicht auf die Wahrnehmung durch Sehen beschränkt, sondern umfasst mit den Wahrnehmungen durch Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen auch alle anderen Sinneswahrnehmungen (BGH, Urt. v. 28.9.1962 - Az.: 4 StR 301/62, BGHSt 18, S. 51, 53).

[29] Hans-Peter Konieczny gelangte im Februar 1972 über seinen Anwalt Jörg Lang zur RAF. Als Druckerlehrling fälschte er für die Gruppe Dokumente und Schreiben. Nach seiner Festnahme am 7. Juli 1972 half er den Behörden bei weiteren Verhaftungen und sagte als Zeuge aus (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 370 ff., 411 f.; Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 250 f.).

[30] Irmgard Möller schloss sich im Sommer 1971 der RAF an. Zuvor lebte sie in der Münchner Kommune Wacker Einstein, hatte 1969 als Teil der „Rechtshilfe der APO“ zum „Knastcamp“ aufgerufen und war Mitglied der Tupamaros München. Am 8. Juli 1972 wurde sie verhaftet, am 30. Juni 1975 begann das Verfahren gegen sie und Gerhard Müller vor dem Landgericht Hamburg. Irmgard Möller wurde mit Urteil vom 16.3.1976 u.a. wegen Urkundenfälschung und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von viereinhalb Jahren verurteilt. 1976 erfolgte ihre Verlegung zu den Angeklagten Baader, Ensslin und Raspe nach Stammheim. Dort überlebte sie als Einzige die sogenannte Todesnacht von Stammheim (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 68; Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 111 ff.; Sturm, in Weinhauer/Requate/Haupt [Hrsg.], Terrorismus in der Bundesrepublik, 2006, S. 99, 100 f.).

[31] Bei seinem Auszug aus der Wohnung in der Seidenstraße vergaß Ian MacLeod wohl die Entfernung des Türschildes; auch eine Ummeldung erfolgte nicht. Nachdem Ermittlungsergebnisse auf die Nutzung der Wohnung durch Mitglieder der RAF hinwiesen, entstand wohl auch ein Verdacht gegen MacLeod. Am 25. Juni 1972 wurde er in seiner (neuen) Stuttgarter Wohnung im Asemwald von einer Polizeieinheit erschossen. Ein Polizeibeamter gab zwei Schüsse durch die geschlossene Schlafzimmertür ab, einer traf den unbewaffneten MacLeod tödlich. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart erhob gegen den Schützen Anklage wegen fahrlässiger Tötung, die zuständige Strafkammer lehnte jedoch die Eröffnung des Hauptverfahrens ab (Birkenmeier, Tod durch die Tür, DIE ZEIT, Ausgabe 26/1972 vom 30.6.1972; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 34; Rech, Südwest Presse, 24.6.2017).

[32] S. Fn. 31.

[33] Am 12. Mai 1972 detonierten drei Sprengkörper in der Polizeidirektion Augsburg. Mehrere Personen wurden hierbei verletzt (Feststellungen des OLG Stuttgart, Urt. v. 28.4.1977 - Az.: 2 StE 1/74, S. 6 ff.). Am selben Tag explodierte in München auf dem Parkplatz des Bayrischen Landeskriminalamts eine mit Sprengstoff gefüllte Gasflasche. Auch hierbei wurden mehrere Personen verletzt, es entstand zudem ein erheblicher Sachschaden (Feststellungen des OLG Stuttgart, Urt. v. 28.4.1977 - Az.: 2 StE 1/74, S. 9 ff.). Beide Vorgänge waren Bestandteil des Anklagevorwurfs in diesem Verfahren und ab dem 85. Verhandlungstag (München) bzw. 87. Verhandlungstag (Augsburg) Gegenstand der Beweisaufnahme.

[34] § 249 StPO enthält Vorschriften über den Urkundenbeweis. Diese werden durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt (heute ebenfalls möglich: Einführung im Selbstleseverfahren, § 249 Abs. 2 StPO).

[35] Am 24. Mai 1972 explodierten in Heidelberg auf dem Gelände des Hauptquartiers der 7. US-Armee und der US-Landstreitkräfte in Europa (USAREUR) zwei zuvor dorthin verbrachte Kraftfahrzeuge. Hierbei kamen drei amerikanische Soldaten ums Leben, weitere Personen gerieten in Lebensgefahr oder wurden verletzt (Feststellungen des OLG Stuttgart, Urt. v. 28.4.1977 - Az.: 2 StE 1/74, S. 28 ff.). Dieser Vorgang war ab dem 74. Verhandlungstag Gegenstand der Beweisaufnahme.

[36] Der Verteidigung ist auf Verlangen - ebenso wie der Staatsanwaltschaft - nach § 257 Abs. 2 StPO nach jeder einzelnen Beweiserhebung die Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären.


[a] Maschinell eingefügt: mehr

[b] Handschriftlich durchgestrichen: nicht

[c] Handschriftlich ersetzt: nicht durch sich

[d] Handschriftlich ersetzt: von durch vor

[e] Handschriftlich eingefügt: die

[f] Maschinell durchgestrichen: Ver

[g] Maschinell durchgestrichen: Der Senat vom

[h] Maschinell ersetzt: anwesend durch wieder anwesend

[i] Maschinell ersetzt: anwesend durch nunmehr auch anwesend

[j] Maschinell ersetzt: anwesend durch mehr anwesend

[k] Maschinell eingefügt: mehr

[l] Maschinell eingefügt: wieder

[m] Maschinell eingefügt: wieder

[n] Maschinell eingefügt: hierzu

[o] Maschinell ersetzt: war durch waren

[p] Maschinell eingefügt: mehr

[q] Handschriftlich durchgestrichen: er das

[r] Maschinell ergänzt: Herren

[s] Maschinell eingefügt: also

[t] Maschinell durchgestrichen: also

[u] Maschinell eingefügt: V.:

[v] Maschinell eingefügt: es

[w] Maschinell durchgestrichen: unter

[x] Maschinell durchgestrichen: Etagen

[y] Maschinell eingefügt: wir

[z] Maschinell durchgestrichen: Ri.Ma

[aa] Maschinell durchgestrichen: Guerileros,

[bb] Handschriftlich ersetzt: nicht durch sich

[cc] Maschinell eingefügt: war

[dd] Maschinell durchgestrichen: des Bi

[ee] Maschinell ersetzt: ... durch Bild

[ff] Maschinell durchgestrichen: bezeichnen

[gg] Handschriftlich ersetzt: Klingen durch Klingel

[hh] Maschinell eingefügt: also

[ii] Maschinell eingefügt: aus

[jj] Maschinell ersetzt: anwesend durch mehr anwesend

[kk] Maschinell eingefügt: sind

[ll] Handschriftlich eingefügt: der

[mm] Handschriftlich eingefügt: in

[nn] Handschriftlich ergänzt: E 23 V/5 326.2

[oo] Handschriftlich ergänzt: daß

[pp] Maschinell eingefügt: Herr

[qq] Maschinell eingefügt: frage

[rr] Maschinell eingefügt: zu

[ss] Maschinell eingefügt: wo

[tt] Handschriftlich ersetzt: wesentlich durch Wesentliche

[uu] Handschriftlich ergänzt: gebraucht

[vv] Maschinell durchgestrichen: SV Dr.

[ww] Handschriftlich eingefügt: der

[xx] Maschinell eingefügt: Ich

[yy] Handschriftlich eingefügt: er

[zz] Handschriftlich durchgestrichen: könnten

[aaa] Maschinell eingefügt: doch

[bbb] Maschinell eingefügt: nicht

[ccc] Handschriftlich eingefügt: es

[ddd] Maschinell eingefügt: klar

[eee] Maschinell durchgestrichen: Ihnen

[fff] Handschriftlich durchgestrichen: es

[ggg] Handschriftlich durchgestrichen: es

[hhh] Maschinell ersetzt: einschließlich durch der Einschliffe

[iii] Maschinell ergänzt: Erkenntniswertes

[jjj] Maschinell ersetzt: Erfahrungssache durch Erfahrungssatz

[kkk] Handschriftlich ersetzt: die durch wie

[lll] Handschriftlich ersetzt: sich durch sie

[mmm] Maschinell ersetzt: macht durch mag

[nnn] Maschinell ersetzt: gleichspurenbilder durch gleiche Spurenbilder

[ooo] Maschinell ersetzt: Pfanne durch Zange

[ppp] Maschinell durchgestrichen: ist

[qqq] Maschinell ersetzt: verifiert durch verifiziert

[rrr] Maschinell ersetzt: verifierenden durch verifizierenden

[sss] Maschinell durchgestrichen: Da

[ttt] Maschinell eingefügt: sagt

[uuu] Handschriftlich ergänzt: Untersuchungen

[vvv] Maschinell eingefügt: auf

[www] Maschinell ersetzt: das durch ich