[5645] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Mittwoch, 14. Jan. 1976, 9.10 Uhr
(64. Verhandlungstag)
Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.
Als Urkundsbeamte sind anwesend:
JOS Janetzko
JAss. Clemens
Die Angeklagten Raspe und Ensslin sind anwesend mit ihren Verteidigern
Prof. Dr. Azzola, RAe Schily, von Plottnitz, Eggler, Runzel, Schnabel, Schwarz, Schlaegel, König, Linke und Grigat.
Vors.:
Wir können die Sitzung fortsetzen. Die Angeklagten haben weiter das Wort.
Die Angeklagte Ensslin verläßt um 9.10 Uhr den Sitzungssaal.
Angekl. Ra[spe]: (In der Annahme, der Angekl. Raspe würde sofort zur Sache sprechen, wurde der Anfang der folgenden Erklärung nicht auf das Gerichtstonband aufgezeichnet[1])
... Marx[2] distanziert hätten und das ist nun derartig grotesk, daß man da eben doch nur eigentlich nochmal das Gleiche feststellen kann, was wir gestern auch hier entwickelt haben und auch gesagt haben, daß das natürlich vollkommen unmöglich ist, mit Worten und mit einer Erklärung die vorgestanzten Muster psychologischer Kriegsführung hier durchbrechen zu wollen. Das ist vollkommen ausgeschlossen. Das ist einfach deswegen so grotesk, weil das nun wirklich Sachen sind, die sich in jedem Punkt, in jedem einzelnen Detail der Ableitung präzise auf Marx beziehen, marxistische Ableitungen sind. Und das so zu rezipieren und zu verwerten und zu verramschen, das zeigt eben genau das, daß es unmöglich auf diesem Weg, diese Muster zu durchbrechen.
[5646] Die Angeklagte Ensslin erscheint um 9.11 Uhr in Sitzungssaal.
Und der 2. Punkt ist, daß das Ganze natürlich eine kollektive Sache ist, kollektiv erarbeitet. Und innerhalb dieser kollektiven Erarbeitung ist es allerdings so, daß die wesentlichen Bestimmungen von Andreas stammen, also ganz und gar nicht etwa von mir, wie es auch[a] entsprechend hier irgendwo in irgendwelchen Zeitungen stand. Das ist also auch völlig unsinnig. Das ist kollektiv und in diesem Kollektiv ist es genauso erarbeitet, wie ich es gesagt hab. Das sind die 2. Punkte vorweg zur Frage der Rezeption. Aber wir machen jetzt weiter in der Sache selbst.
Vors.:
Gut, Herr Raspe, ich will nur darauf hinweisen, es war also eine Abweichung. Sie haben sie nicht gekennzeichnet und wir haben sie zu Protokoll genommen. Ich bitte Sie jetzt, das Tonband wieder abzustellen.
Das Gerichtstonband wird daraufhin abgestellt.
Der Angekl. Raspe setzt nunmehr um 9.12 Uhr seine Erklärung zur Sache fort.
RA Dr. Heldmann erscheint um 9.13 Uhr im Sitzungssaal.
Die Angekl. Ensslin fährt um 9.13 Uhr mit der Erklärung zur Sache fort.
Die Angekl. Meinhof erscheint um 9.14 Uhr im Sitzungssaal.
Die Angekl. Meinhof fährt um 9.17 Uhr mit der Erklärung zur Sache fort.
Der Angekl. Baader erscheint von 9.19 Uhr - 9.21 Uhr im Sitzungssaal.
Die Angekl. Ensslin fährt um 9.22 Uhr mit der Erklärung zur Sache fort.
Die Angekl. Meinhof verläßt um 9.22 Uhr den Sitzungssaal.
Der Angekl. Raspe setzt um 9.38 Uhr die Erklärung zur Sache fort.
[5647] Die Angeklagte Ensslin setzt um 9.55 Uhr die Erklärung zur Sache fort.
Der Angeklagte Raspe verlässt von 9.58 - 10.00 Uhr den Sitzungssaal.
Um 10.07 Uhr RA von Plottnitz:
Herr Raspe bittet um eine Pause von 10 Minuten.
Vors.:
... darauf hinzuweisen, daß man sich Gedanken machen muß für den Fall, daß der heutige Tag nicht ausreichen sollte für die Erklärung der Angeklagten. Ich weise nochmals darauf hin, daß wir schon den 19. und 30., zur Verfügung gestellt hatten, nein 23. und 30., jetzt diese drei Tage in dieser Woche, davon ist der 1. Tag, der 12., gänzlich entfallen, so daß die Angeklagten ihn nicht nutzen konnten. Wir würden vorschlagen, wenn die Angeklagten nicht fertig werden würden und den Zusammenhang gewahrt haben wollen, daß man morgen noch Gelegenheit gegeben wird, d. h. es hängt hier von den Herrn Verteidigern ab, ob morgen ... wir haben ja morgen keine Sitzung vorgesehen. Die Möglichkeit wäre ... das können Sie auch über mittag besprechen. Das muß jetzt nicht geklärt sein. Ich möchte es nur mal angedeutet haben. Wenn morgen der Tag nicht klappen würde, würde der übernächste Donnerstag in Betracht kommen, weil durch die Zurückverlegung der Aussage des Herrn Hoff dieser 22. freigeworden ist.
10 Minuten Pause.
BA Dr. Wu[nder]:
Herr Vorsitzender, werden wir auch gefragt?
Vors.:
Ja, Sie können dazu Stellung nehmen, gefragt werden Sie nicht, aber Stellung gerne, Herr BuAnw. Dr. Wunder.
BA Dr. Wu[nder]:
Wir können auch für morgen andere Verpflichtungen haben und ...
Vors.:
Ich habe ja das nur als Erwägung in den Raum gestellt, damit später, d. h. nach der Mittagspause, wenn die Angeklagten nicht fertig werden sollten, darüber gesprochen werden kann.
BA Dr. Wu[nder]:
Dankeschön.
[5648] Vors.:
Wenn einer der Prozeßbeteiligten das nicht ermöglichen kann, ist es ganz selbstverständlich, daß wir dieses Programm dann nicht in dieser Weise durchführen können. Das ist klar, daß Sie natürlich bei der Bestimmung des Termins nicht übergangen werden.
Pause von 10.09 - 10.30 Uhr
Bundesanwalt Dr. Wunder ist nicht mehr anwesend.
Rechtsanwälte Schily, Dr. Heldmann, von Plottnitz und Prof. Dr. Azzola sind nicht mehr anwesend.
Die Angeklagte Meinhof ist wieder anwesend.
Der Angeklagte Raspe ist nicht mehr anwesend.
Die Angeklagte Meinhof fährt um 10.30 Uhr mit der Erklärung zur Sache fort.
Der Angeklagte Raspe erscheint von 10.32 - 10.33 Uhr im Sitzungssaal.
OStA Holland verlässt um 10.39 Uhr den Sitzungssaal.
RAe Schily und von Plottnitz erscheinen um 10.40 Uhr im Sitzungssaal.
Die Angeklagte Ensslin fährt um 10.47 Uhr mit der Erklärung zur Sache fort.
Die Angeklagte Meinhof fährt um 10.55 Uhr mit der Erklärung zur Sache fort.
BA Dr. Wunder erscheint um 10.56 Uhr im Sitzungssaal.
Reg. Dir. Widera verlässt um 10.58 Uhr den Sitzungssaal.
RA Dr. Heldmann erscheint um 11.02 Uhr im Sitzungssaal.
Prof. Dr. Azzola erscheint um 11.12 Uhr im Sitzungssaal.
[5649] Die Angeklagte Ensslin fährt um 11.17 Uhr mit der Erklärung zur Sache fort.
OStA Holland erscheint um 11.23 Uhr im Sitzungssaal.
Die Angekl. Meinhof fährt um 11.24 Uhr mit der Erklärung zur Sache fort.
OStA Zeis verläßt um 11.25 Uhr den Sitzungssaal.
Die Angeklagte Meinhof wurde bei beleidigenden Äußerungen, z.B. Verbrecherisch ist die Politik, die in Bonn gemacht wird, vom Vorsitzenden wie folgt unterbrochen:
Vors.:
... hier erhalten haben, davon absehen wollten, zu intervenieren, wenn Sie hier sprechen ...
Angekl. Meinh[of]:
... Ausbeutung und Entrechtung. Ich bin noch beim Reden.
Vors.:
Ich warne Sie. Bitte, Sie haben ...
Angekl. Meinh[of]:
Ja, ja ...
Vors.:
... sich bisher an die Form gehalten. Tun Sie das auch in Zukunft und Sie können sicher sein ...
Angekl. Meinh[of]:
Ja, halt doch ... Sei doch mal still ...
Vors.:
... daß dann keine Unterbrechungen mehr stattfinden.
Angekl. Meinh[of]:
... ich will ja den Text weiterbringen.
Vors.:
Hören Sie bitte zu, wenn ich mit Ihnen im Augenblick spreche. Ich bitte Sie also, in der Form angemessene Ausdruckweisen anzuwenden ...
Unverständlicher Zwischenruf der Angekl. Meinhof
... dann erfolgen keine weiteren Unterbrechungen. Sonst bestehen echte Gefahren für Ihre weiteren Ausführungen.
Bitte, Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, was wollten Sie.
RA v[on ]Pl[ottnitz]:
Haben Sie die Beanstandung oder Anlaß zu[b] Beanstandungen an der Äußerung genommen „Verbrecherisch ist die Politik Bonns“.
Vors.:
Und „die Bundesregierung“ usw. usf. Sie haben das alles auf ... mit angehört. Es sind sehr viele hier als verbrecherische [5650] Handlanger usw. bezeichnet worden. Es sind sehr viele davon betroffen, die in diesem Kreis eingeschlossen waren. Ich habe es als Vorwarnung gegeben. Es ist keine Beanstandung noch. Ich möchte bloß verhindern, daß das Konzept, die Angeklagten hier das sagen zu lassen, was sie vortragen wollen, durch ihre eigene Verhaltensweise gestört würde, wenn sie nämlich mit ihrer Ausdruckweise beleidigen und eben dann in einem Gerichtssaal nicht mehr tragbar wären.[3]
RA v[on ]Pl[ottnitz]:
Herr Vorsitzender, nun wissen Sie ja, deswegen äußere ich mich dazu, daß der Herr Raspe sich hier zu eigen macht auch die Ausführungen, die nicht von ihm unmittelbar selbst vorgetragen werden. Und deshalb meine ich, daß die Form, die Beanstandung, die Sie jetzt angebracht haben, also ein ganz manifester Eingriff a) in das Erklärungsrecht ist b) allerdings auch wirklich in das Verteidigungsrecht in sehr unmittelbarer Weise der Gefangenen. Denn angesichts der Anklagevorwürfe ist es doch sehr wesentlich, was ein Angeklagter zu sagen hat etwa über die Politik eines Landes gegenüber einem Land wie der USA oder gegenüber anderen Ländern. Und es ist natürlich das Recht eines Gefangenen in einem Verfahren wie diesem, seine Überzeugung, wenn es sie ist, daß die Politik der Regierung der Bundesrepublik verbrecherisch ist, hier kundzutun. Das ist sogar sehr bedeutsam für einen Senat, so etwas zu hören, weil er daraus ja bestimmte Rückschlüsse ziehen könnte.
Vors.:
Ja, wir nehmen das zur Kenntnis. Bitte nehmen Sie auch ...
RA v[on ]Pl[ottnitz]:
Ich verbinde das mit der Beanstandung, Ihrer Beanstandung und bitte also insoweit um eine Senatsentscheidung[4]
Unverständlicher Zwischenruf der Angekl. Meinhof
Vors.:
Über was? Über was wollen Sie eine Senatsentscheidung?
Angekl. Meinh[of]:
(zunächst unverständlich) ... mit so einem Schwein wie Nixon ...
Vors.:
Frau Meinhof, Sie haben im Augenblick nicht das Wort. Bitte lassen Sie den Herrn Rechtsanwalt von Plottnitz, der das Wort hat, jetzt weitersprechen.
Angekl. Meinh[of]:
Wir haben das Wort denke ich.
Vors.:
Nein, jetzt im Augenblick hat das Wort Herr Rechtsanwalt von Plottnitz erhalten.
[5651] Was wollen Sie beanstandet haben?
RA v[on ]Pl[ottnitz]:
Ich würde beanstanden die Tatsache, daß Sie hier eingegriffen haben in das, in die Erklärung, und angedroht haben auch, daß es hier zu Konsequenzen führen könnte, wenn Äußerungen, wie etwa die Äußerung „Die Politik der Regierung der Bundesrepublik ist verbrecherisch“. Das sehe ich als sachleitende Maßnahme an.
Prof. Dr. Azz[ola]:
Nimms zurück.
RA v[on ]Pl[ottnitz]:
Das würd’ ich selbst entscheiden.
Vors.:
Es ist gesagt worden, Sie würden es beanstanden.
RA v[on ]Pl[ottnitz]:
Ich beanstande es. Ich beanstande es und bitte um eine Senatsentscheidung.
Vors.:
Sie wollen’s beanstanden. Also meinen Hinweis wollen Sie beanstanden.
RA v[on ]Pl[ottnitz]:
Den Hinweis möchte ich beanstanden.
Angekl. Enss[lin]:
Also wir erinnern mal daran, daß wir gesagt haben, daß, wenn Sie unterbrechen, daß für uns dann die Erklärung zu Ende ist. Also wenn ...
Vors. (nach geheimer Umfrage):
Der Senat hat beschlossen:
Der Hinweis war zulässig, richtig und begründet.
Jetzt haben die Angeklagten weiterhin die Möglichkeit, Ausführungen zu machen.
Ich bitte Sie aber nochmals zur Kenntnis zu nehmen: Es kommt nur auf die Form an, nicht auf den Inhalt. Sie können inhaltlich vortragen was Sie wollen.
Angekl. Meinh[of]:
Ach ja, ach ja.
Vors.:
Aber Sie sollen sich in der Form an das halten, was in einem Gerichtssaal notwendig und üblich ist.
Angekl. Enss[lin]:
Erinnern Sie sich daran, daß wir gesagt haben, daß, wenn Sie eine Ihrer Formen, mit denen Sie hier Ihren Terror ausüben, während dieser Erklärung anwenden, daß für uns damit die Klärung beendet ist, durch Sie.
Angekl. Meinh[of]:
Na ja, das ist doch ganz schön, was Sie hier [5652] machen, weil das ist genau die Sozialdemokratie. Es kommt nur auf die Form an. Der Inhalt, der Inhalt die Vernichtungsstrategie, und es muß nur nach außen so aussehen, als wär es Kooperation. Das ist doch gut. Natürlich sind ...
Die Angekl. Ensslin fährt um 11.32 Uhr mit der Erklärung zur Sache wie folgt fort:
Verbrecherisch ist die Politik Bonns, in dem sie die Ausbeutung ...
Bei weiteren beleidigenden Äußerungen, wie z.B. ... daß die Bundesregierung integriert sei in die Völkermordstrategie, wurde die Angekl. Ensslin vom Vorsitzenden wie folgt unterbrochen:
Vors.:
Ich unterbreche die Sitzung für einen Augenblick, damit die Verteidiger Gelegenheit haben, mit den Mandanten das zu besprechen. Es würden weitere Ausführungen dieser Art zu einer Wortentziehung zwangsläufig führen müssen.
Die Angeklagte Ensslin spricht unverständlich dazwischen.
Vors.:
Ich möchte es vermieden haben.
Ich mache dazu 10 Minuten Pause.
RA von Plottnitz spricht unverständlich.
Pause von 11.33 - 11.48 Uhr
Bei Fortsetzung der Hauptverhandlung ist OStA Zeis wieder anwesend.
Vors.:
Wir können mit der Sitzung fortfahren.
Die Angeklagten haben das Wort.
Die Angeklagte Meinhof fährt um 11.48 Uhr mit der Erklärung zur Sache fort.
Reg. Dir. Widera erscheint um 11.49 Uhr im Sitzungssaal.
[5653] Die Angekl. Ensslin fährt um 11.53 Uhr mit der Erklärung zur Sache fort.
Wegen eines Journalisten (blonde Haare, gelber Pullover, karierter Blazer) in der ersten Reihe, der seine Füße auf die Abschrankung Gericht/Zuschauerraum stützte, wurde die Angekl. Ensslin vom Vorsitzenden wie folgt unterbrochen:
Vors.:
... Ich würde Sie bitten, sich in geordneten Formen im Saale aufzuhalten, sonst gefährden Sie Ihren weiteren Aufenthalt. Nehmen Sie die Füße runter.
Ich bitte um Entschuldigung. Fahren Sie bitte fort, Frau Ensslin.
Die Angeklagte Ensslin fährt daraufhin mit der Erklärung zur Sache fort.
Vors.:
Die gewünschte Mittagspause wird gemacht wie lang?
Können wir um 14.00 Uhr fortfahren.
RA Schi[ly]:
14.30 Uhr.
Angekl. Meinh[of]:
Ja, 14.30 Uhr.
Vors.:
Ja nun, Sie müssen aber selbst wissen, daß Sie ja mit Ihrer Zeit haushalten sollten. Ich würde vorschlagen 14.15 Uhr. Der Umschluß ist genehmigt, aber er endet mit Sitzungsende.
Pause von 12.10 - 14.20 Uhr
Bei Fortsetzung der Hauptverhandlung sind RAe Schily, von Plottnitz, Prof. Dr. Azzola, König, Künzel und Schlaegel nicht mehr anwesend.
Die Angeklagten Baader und Raspe sind wieder anwesend.
Die Angeklagte Ensslin ist nicht mehr anwesend.
Vors.:
Ich bitte Platz zu nehmen.
Die Herren Pflichtverteidiger,[5] die fehlen - die Verteidigung [5654] ist gleichwohl gewährleistet[6] - haben sich mit Ausnahme von Herrn Rechtsanwalt Schily bei mir erklärt und entschuldigt. Herr Rechtsanwalt Schily dürfte demnächst kommen, nehme ich an.
RA Dr. He[ldmann]:
Herr von Plottnitz und Herr Schily werden sofort kommen.
Vors.:
Ja, bevor wir fortfahren, möchte ich doch die Frage stellen: Bestehen Aussichten, daß die Erklärungen heute noch zu Ende geführt werden können oder müssen wir uns jetzt Gedanken machen, wie es sonst weitergeht? Wir müßten dann den Tag, der dafür in Betracht käme, jetzt festlegen. Also das Gericht ist bereit, auch notfalls über die übliche Zeit hinaus zuzuhören, die Sitzung durchzuführen. Es kommt auf die Angeklagten an. Kann ich dazu eine Erklärung bekommen. Herr Baader, bitte.
Angekl. Ba[ader]:
Zuzuhören oder hier zu sitzen. Naja, ich kann Ihnen das jetzt nicht sagen, also wir können das, glaub ich, ohne Weiteres heute fertig machen.
Vors.:
Heute noch fertig, ja.
Angekl. Ba[ader]:
Aber das Problem ist, daß, soviel ich weiß, die Verteidigung Anträge hat unmittelbar zu dieser Erklärung.
Vors.:
Ja nun, das kann möglicherweise dann heute noch geschehen, es kommt darauf an. Jetzt wollen wir mal zunächst fortfahren. Wenn Sie heute fertig werden, dann zeigt sich ja das Weitere. Vor allem ist das Problem eines weiteren Prozeßtages für die Erklärung dann zunächst vom Tisch.
Ich gebe Ihnen hiermit wieder das Wort zum Fortfahren mit den Erklärungen.
Der Angeklagte Baader fährt um 14.23 Uhr mit der Erklärung zur Sache fort.
OStA Zeis verläßt um 14.23 Uhr den Sitzungssaal.
RA von Plottnitz erscheint um 14.25 Uhr im Sitzungssaal.
[5655] OStA Zeis und RA König erscheinen um 14.28 Uhr im Sitzungssaal.
RA Schily erscheint um 14.29 Uhr im Sitzungssaal.
Der Angeklagte Raspe fährt um 14.48 Uhr mit der Erklärung zur Sache fort.
Der Angekl. Baader fährt um 14.50 Uhr mit der Erklärung zur Sache fort.
Angekl. Ba[ader]:
Machen Sie jetzt mal eine Pause?
Vors.:
Sollte das eine Aufforderung sein oder was?
Angekl. Ba[ader]:
Eine Frage.
Vors.:
Eine Frage. Herr Baader, wollen Sie jetzt weiter fortfahren, oder kann jemand anders den Vortrag übernehmen.
Angekl. Ba[ader]:
Ich will da noch weiterlesen.
Vors.:
Bitte?
Angekl. Ba[ader]:
Ja, ich will noch weitermachen. Deswegen hätte ich gern ne Pause.
Vors.:
Ja, ich habe an sich grundsätzlich nichts dagegen, da wir Rücksicht auf Ihre Wünsche nehmen in dieser Prozeßphase. Bloß, Herr Baader, mit der Zeit müssen wir haushalten. Sie wissen das. Gut, 10 Minuten Pause.
Pause von 15.00 - 15.25 Uhr
Die Angeklagte Ensslin ist wieder anwesend.
Der Angeklagte Raspe ist nicht mehr anwesend.
Vors.:
So, wir würden, nachdem die 10-minütige Pause aufs Doppelte sich ausgedehnt hat, jetzt gerne fortfahren.
Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, hat es schon zu irgendwelchen Ergebnissen geführt das Gespräch im Anschluß an das, was wir eben besprochen haben?
RA Dr. He[ldmann]:
Wir werden versuchen, fertig zu werden.
Vors.:
Gut, dann darf ich ...
RA Dr. He[ldmann]:
Und wenn nicht, dann würden wir Dienstagvormittag noch eine kleine Zeit brauchen.
[5656] Die Angeklagte Meinhof verläßt um 15.26 Uhr den Sitzungssaal.
Vors.:
Ich habe Ihnen gesagt, am Dienstag wird es nicht gehen aus den besagten Gründen. Es kommt also dann allenfalls in Frage der morgige Tag oder der Donnerstag, 22.1. Ich bitte das also ernst zu nehmen, es ist am Dienstag keine Ausweichmöglichkeit. Es war darauf hingewiesen, am Dienstag, und zwar schon in der Terminsverfügung, am Dienstag, 20.1., wird mit der Beweisaufnahme fortgefahren. Wir haben deswegen ausdrücklich ursprünglich 5 Tage zur Verfügung gestellt, die nicht genutzt wurden.
RA Dr. He[ldmann]:
Ja nun, Herr Vorsitzender, wahrscheinlich hat es wenig Sinn, daß wir jetzt hin- und her debattieren. Nur, der 1. dieser drei Tage, werden wir jedenfalls, hätten ja auch jedenfalls gereicht. Der ist uns für die Erklärung zur Sache verlorengegangen, weil die Bundesanwaltschaft uns mit ihrem - nennen wir ihn mal Kronzeugen[7] - überrascht hat und der Herr Vorsitzende uns überrascht hat mit einer Änderung des Terminsplans, ohne die Verteidiger dazu auch nur gehört zu haben, nicht. So war es wohl.
Vors.:
Wir wollen also zur Frage der Überraschung nicht nochmals debattieren.
Die Angeklagte Ensslin verläßt um 15.27 Uhr den Sitzungssaal.
Dazu hat der Senat bereits etwas gesagt ...
RA Dr. He[ldmann]:
Dann sprechen wir vielleicht nochmals ...
Vors.:
... aber in Ordnung, das wird auch akzeptiert, deswegen stellt der Senat nun noch einen 6. Tag zur Verfügung. Aber es läßt sich eben jetzt nicht anders machen als entweder morgen oder am Donnerstag, 22.1. Am besten, wir würden heute fertig werden.
Herr Baader, bitte, Sie haben nun weiter das Wort.
Angekl. Ba[ader]:
Ja, ich höre gerade, daß die Verteidiger morgen nicht können, Termine haben. Und es hieß doch auch, daß die Bundesanwaltschaft morgen nicht kann.
Vors.:
Die Sorge sollten Sie sich nicht machen.
Angekl. Ba[ader]:
Doch, das bekümmert mich enorm. Die Sache ist nur, warum wollen Sie jetzt die Erklärung auseinanderreißen in der Mitte.
Vors.:
Herr Baader, ich will nichts auseinanderreißen. Ich habe bereits am 1. Tag darauf hingewiesen im Interesse der Wahrung des Zusammenhangs, daß uns Zeit verloren geht. Sie wissen noch, was die Konsequenzen davon waren. Ich würde Sie jetzt bitten, [5657] fortzufahren. Es nützt nichts, wenn wir das Gespräch, das ich gerade mit Herrn Rechtsanwalt Dr. Heldmann geführt habe, fortsetzen. Es geht Ihnen wieder als Zeit nur ab.
Angekl. Ba[ader]:
Na ja, dann wird Ihnen ein Teil der Erklärung entgehen mit Sicherheit, den Sie sowieso nicht verstehen.
Der Angekl. Baader fährt um 15.28 Uhr mit der Erklärung zur Sache fort.
Die Angekl. Meinhof erscheint um 15.28 Uhr im Sitzungssaal.
OStAe Zeis und Holland, Reg. Dir. Widera verlassen um 15.30 Uhr den Sitzungssaal.
Die Angekl. Meinhof fährt um 15.48 Uhr mit der Erklärung zur Sache fort.
Der Angekl. Baader verläßt um 15.49 Uhr den Sitzungssaal.
Die Angekl. Ensslin erscheint um 15.54 Uhr im Sitzungssaal.
Die Angekl. Ensslin fährt um 15.54 Uhr mit der Erklärung zur Sache fort.
OStA Zeis erscheint um 15.56 Uhr im Sitzungssaal.
Die Angekl. Meinhof verläßt um 16.07 Uhr den Sitzungssaal.
Der Angekl. Raspe erscheint um 16.12 Uhr im Sitzungssaal.
RA Künzel erscheint um 16.14 Uhr im Sitzungssaal
[5658] RA Eggler verläßt um 16.14 Uhr den Sitzungssaal.
Die Angekl. Ensslin beendet um 16.23 Uhr die Erklärung zur Sache.
RA v[on ]Pl[ottnitz]:
Damit ist die Erklärung beendet.
Vors.:
Gut, wir sind also doch gut zu Ende gekommen. Darf ich nunmal zunächst fragen: Wie steht es mit dem Manuskript?
Herr Raspe und Frau Ensslin, wollen Sie nicht mehr anwesend sein jetzt. Wir hätten noch zwei Fragen an Sie gehabt. Nicht mehr, gut, Sie müssen nicht.[8]
Die Angekl. Raspe und Ensslin verlassen um 16.23 Uhr den Sitzungssaal.
Vors.:
Wie steht es nun mit dem Manuskript? Herr Dr. Heldmann.
RA Dr. He[ldmann]:
Es soll von den Bändern abgeschrieben werden.
Vors.:
Von den von Ihnen selbst hergestellten Bändern. Nun ist uns an sich ja zugesagt worden, daß das Manuskript zumindest mal als Durchschrift uns gleich zugänglich gemacht werden könnte.
RA Dr. He[ldmann]:
Dienstag.
Vors.:
Gut. Es ist die Rede davon gewesen, daß noch Anträge angeknüpft werden sollen an die Erklärung. Wollen Sie das heute vortragen. Ich weise wieder drauf hin natürlich, daß wir am 20. dann wieder ein Beweisprogramm haben. Sie kennen, welche Schwierigkeiten dabei - Antragstellung u. U., es kommt auf den Charakter der Anträge an - entstehen könnten. Frage aber an die Herrn Verteidiger: Beabsichtigen die Angeklagten, sich noch zur Anklage selbst zu äußern. Wir würden uns also interessieren und hätten gern den Angeklagten die Frage gestellt, was sie nun konkret zu den Anklagevorwürfen sagen wollen. Ob sie sich dazu äußern wollen zu den Fragen, die die Anklage aufwirft, daß sie Bomben gelegt haben, bei denen Menschen gestorben, bei deren Explosion Menschen gestorben sind; ob sie sich äußern wollen zur Frage, ob sie an Banküberfällen in irgend einer Form beteiligt gewesen seien, [5659] ob dabei auch auf Menschen geschossen worden ist u.dgl. usf. Kann man da eine Antwort bekommen.
RA Dr. He[ldmann]:
Das wird von uns im Anschluß an die heutige Erklärung noch zu klären sein.
Vors.:
Ja, gut, also Sie wollen heute keine Anträge mehr stellen. Dann wären wir am Ende.
RA Dr. He[ldmann]:
Wir sind für unsere Anträge auf das Manuskript dieser Erklärung angewiesen.
Vors.:
Dann sind wir am Ende des heutigen Sitzungstages und fahren am kommenden Dienstag, 20.1., fort. Geladen sind auf diesen Tag die Zeugen Krug, Möller, Heinze und Mauritz. Maßgeblich für die Vernehmung dieser Zeugen sind die O. 71/1 und 2, wenn ich es recht sehe.
Unterbrechung bis zum Dienstag.
- Ende der Sitzung um 16.25 Uhr -
Ende des Bandes 312
[1] Die Angeklagten beantragten, die gerichtliche Tonbandaufzeichnung für die Dauer ihrer Erklärung zur Sache auszusetzen (S. 5636 des Protokolls der Hauptverhandlung, 63. Verhandlungstag). Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Nach der damaligen Rechtsprechung bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung stets der Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 - Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 - Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 339). Heute wird die gerichtliche Tonbandaufnahme z.T. auch ohne Zustimmung der Beteiligten für zulässig erachtet (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 35; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 13).
[2] Karl Marx (1818-1883) war ein deutscher Philosoph und Ökonom. Er gehört bis heute zu den einflussreichsten Theoretiker*innen der politökonomischen Ideengeschichte. Unter seiner Leitung wurde 1847 der „Bund der Kommunisten“ in Brüssel gegründet. In enger Zusammenarbeit mit Engels verfasste er zahlreiche Schriften. Sein Hauptwerk „Das Kapital“ umfasst drei Bände, von denen er allerdings nur den ersten 1867 selbst herausbringen konnte; Band zwei und drei veröffentlichte Engels posthum 1884 und 1885 auf Grundlage seiner Aufzeichnungen. Marx und Engels gelten als Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus (Wächter, in Ders. [Hrsg.], Ökonomen auf einen Blick, 2017, S. 170 ff.).
[3] § 177 GVG eröffnet die Möglichkeit, Angeklagte wegen ordnungswidrigen Benehmens aus dem Sitzungszimmer zu entfernen. Nach § 231b Abs. 1 StPO kann die Hauptverhandlung sodann in Abwesenheit der Angeklagten fortgeführt werden, wenn das Gericht ihre Anwesenheit nicht für unerlässlich hält und solange weitere schwerwiegende Störungen zu befürchten sind.
[4] Sachleitungsbezogene Anordnungen des/der Vorsitzenden können als unzulässig beanstandet werden (§ 238 Abs. 2 StPO). Über die Beanstandung entscheidet sodann das Gericht, in diesem Fall der Senat in voller Besetzung.
[5] In den Fällen der notwendigen Verteidigung ist die Mitwirkung eines Verteidigers oder einer Verteidigerin gesetzlich vorgeschrieben (§ 141 StPO a.F.; seit dem 13.12.2019 [Gesetz zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019, BGBl. I, S. 2128] ist die Bestellung in manchen Fällen von einem Antrag des/der Beschuldigten abhängig, § 141 Abs. 1 StPO). Die notwendige Verteidigung ergab sich in diesem Verfahren daraus, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht stattfand (§ 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO) und dem Vorwurf eines Verbrechens (§ 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO; ein Verbrechen liegt vor bei einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr, § 1 Abs. 1 StGB a.F.; heute: § 12 Abs. 1 StGB), sowie der Inhaftierung der Beschuldigten für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten (§ 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO a.F.; heute ist die zeitliche Vorgabe entfallen). Auch zuvor gewählte Verteidiger/innen können als Pflichtverteidiger/innen bestellt werden. Für einige der sog. Vertrauensverteidiger/innen war dies geschehen. Nach zwischenzeitlichen Entpflichtungen traf das zu diesem Zeitpunkt noch auf die Rechtsanwälte Dr. Heldmann (Andreas Baader) und Schily (Gudrun Ensslin) zu.
[6] Da den Angeklagten neben ihren Vertrauensverteidiger/innen je zwei weitere Verteidiger zur Sicherung des Verfahrens (gegen ihren Willen) beigeordnet worden waren, konnte die Hauptverhandlung trotz zwischenzeitlicher Abwesenheit der Vertrauensverteidiger/innen fortgesetzt werden. Die Angeklagten weigerten sich jedoch, mit den von ihnen sog. Zwangsverteidigern zu reden. Ulrike Meinhof führte am 1. Verhandlungstag aus: „Es handelt sich bei diesen Verteidigern um Zwangsverteidiger, die als Instrumente der B. Anwaltschaft ohne jede Kompetenz, abhängige Staatsschutzverteidiger sind, d. h. ihrer Funktion in diesem Prozeß nach Vertreter der Anklagebehörden und der Staatsschutzabteilung“ (S. 85 des Protokolls der Hauptverhandlung).
[7] Gemeint ist der Zeuge Dierk Hoff, der als einer der Hauptbelastungszeugen ab dem 68. Verhandlungstag vernommen wurde. Zur Diskussion um seine Ladung s. insbes. die Anträge der Verteidigung am 62. Verhandlungstag, S. 5574 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, die Stellungnahme der Bundesanwaltschaft auf S. 5604 ff. des Protokolls, sowie den Senatsbeschluss auf S. 5632 f. des Protokolls, ebenfalls 62. Verhandlungstag. Die Schaffung einer speziellen gesetzlichen Kronzeugenregelung wurde zum damaligen Zeitpunkt zwar diskutiert, erfolgte aber zunächst nicht. Während bereits mit Gesetz vom 28.7.1981 (BGBl. I, S. 681) eine Kronzeugenregelung für Betäubungsmitteldelikte geschaffen wurde (§ 31 BtMG), geschah dies erst 1989 auch für terroristische Straftaten (BGBl. I, S. 1059, 1061). Diese Regelung trat jedoch zum 1.12.1999 wieder außer Kraft. Erst seit dem 1.9.2009 gibt es im deutschen Strafrecht mit § 46b StGB eine allgemeine Kronzeugenregelung (eingeführt durch das 43. Strafrechtsänderungsgesetz vom 29.7.2009, BGBl. I, S. 2288).
[8] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - Az.: 1 StE 1/74 - StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).
[a] Maschinell eingefügt: auch
[b] Maschinell ersetzt: ... durch Anlaß zu