5. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 12. Juni 1975, 9.12 Uhr



[351] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 12. Juni 1975, 9.12 Uhr.

(5. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am ersten Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte waren anwesend: Just. Sekr. Janetzko, Just. Ass. z. A. Scholze.

Sämtliche Angeklagten mit ihren Verteidigern sind wie zu Beginn der Sitzung vom 11.6.1975 anwesend -mit Ausnahme von RA Eggler-

Der Sachverständige Dr. Henck war anwesend.

Vors.:

Wir setzen die Verhandlung fort. In Anwesenheit der gestern anwesenden Prozeßbeteiligten, mit Ausnahme von Herrn Rechtsanwalt Eggler, er hat sich entschuldigt. Herr Dr. Henck, ich werde dann auf Sie noch zukommen. Zunächst ist zu bemerken, daß gestern offenbar die Meinung vertreten worden ist, wir hätten hier ein verbindliches Sitzungsende um 16 Uhr festgesetzt. Davon kann keine Rede sein. Der Senat hat aus Entgegenkommen, weil er weiß, daß zahlreiche Prozeßbeteiligte Auswärtige sind, die hier sich immer jeweils wieder in Unterkünfte zurückverfügen müssen, und sich dort einrichten müssen, erklärt, er werde bemüht sein, das Sitzungsende, wenn es sich mit dem Prozeßablauf vereinbaren lasse, um 16 Uhr ungefähr einzuhalten. Selbstverständlich entstehen daraus nicht die geringsten Rechte und der Senat wird sich das Recht, die Sitzung so lange fortzusetzen, wie es nach dem Verlauf erforderlich ist, in keiner Weise verkürzen zu lassen. Sollte es sich wiederholen, wie gestern, daß Pflichtverteidiger[1] (bei drei der Herrn, die sich gestern entfernt haben, handelt es sich um Pflichtverteidiger) sich pflichtwidrig entfernen,[2] so muß der Senat darauf hinweisen, daß er sich dann die möglichen Konsequenzen, die [352] sich aus der Pflichtverteidigerbestellung ergeben, zu überlegen hat.[3] Damit soll der Vorgang von gestern nicht weiter behandelt werden. Es lag noch ein Antrag vor von Herrn Rechtsanwalt von Plottnitz, wegen dieser Schreibmaschine. Das wird genehmigt. Die Haftanstalt hat nichts dagegen. Allerdings muß die Schreibmaschine jeweils beim Gebrauch eben kurz einem der Beamten zum äußeren Bericht übergeben werden.

BA Zeis:

Herr Vorsitzender, darf die Bundesanwaltschaft ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Heldmann, bitte.

Verzeihen Sie bitte, ich habe gedacht, weil Sie gerade dort rüberreden, Sie seien es gewesen. Das Mikrofon verzerrt die Stimme.

Bitte, Herr Bundesanwalt.

BA Zeis:

Darf die Bundesanwaltschaft bitte erfahren, um was für einen Antrag es handelt.

Vors.:

Es handelt sich darum, daß die Anträge, die hier gestellt werden sollen, möglichst mit der Schreibmaschine abgesetzt werden sollen. Diese Schreibmaschine steht im Zimmer der Herrn Verteidiger und soll Herrn Raspe überlassen werden zum Absetzen dann dieser Anträge. Das dient uns allen, wenn wir das klarer haben. Das ist eine Sache, die mit den Haftbedingungen unmittelbar wohl eher zu tun hat und nicht groß in der Hauptverhandlung[4] ausgebreitet zu werden braucht.

Wir haben gestern nicht, was natürlich angenehm gewesen wäre, gleich auf den behandelnden Arzt der Vollzugsanstalt zurückgreifen können. Er befindet sich im Urlaub. Wir haben gestern die Unterbrechung um 16 Uhr dazu benützt, um es in die Wege zu leiten, daß man Herrn Oberregierungsmedizinaldirektor Dr. Henck aus seinem Urlaubsort in Norddeutschland mit einem Hubschrauber hier einfliegt. Das ist soeben geschehen. Wir danken Ihnen, Herr [353] Dr. Henck, daß Sie erschienen sind. Es ist mir gesagt worden, daß Sie größten Wert darauf legen, rasch sich äußern zu können, wegen der Möglichkeit der Rückkehr. Möglichst noch mit diesem Hubschrauber. Das haben wir uns heute früh durchüberlegt und zu unserem großen Bedauern müssen wir Ihnen sagen, es wird sich nicht so rasch abwickeln lassen können, denn es ist noch ein Antrag seitens der Verteidigung im Gange, der nicht vollkommen gestellt ist, der erst gestellt werden muß. Wir meinen, Sie als Sachverständiger müßten diesen Antrag, soweit wie er jetzt noch vorgetragen wird, mitanhören. Und dann erst können wir der Bundesanwaltschaft Gelegenheit geben, sich dazu zu äußern zu diesen Fragen und im Grunde dann auch erst Sie als Sachverständigen bitten, sich zu äußern. Es müssen zunächst mal alle Beteiligten die Gelegenheit gehabt haben, zu diesem Antrag Stellung zu nehmen. Da der Antrag jetzt, wie er jetzt noch vorgetragen werden soll, 26 Seiten noch umfaßt, insgesamt 50 Seiten, ist es wahrscheinlich, daß die Bundesanwaltschaft nicht imstande sein wird, aus dem Stehgreif dazu die Stellungnahme abzugeben. Das heißt, es kann sich einige Zeit hinziehen. Wir würden Ihnen, da vielleicht die Hubschrauberbesatzung darauf wartet, daß sie Bescheid bekommt, ob sie ohne Sie zurückfliegen muß oder kann, gerne Gelegenheit geben, daß Sie jetzt die weiteren Schritte unternehmen, denen mitzuteilen[a], daß [b] also die Gewähr, daß Sie vor, sagen wir heute nachmittag 15 Uhr schon entlassen werden könnten, nicht gegeben ist. So leid es mir tut. Sie sind im Urlaub und Sie haben ihn wohlverdient, nach den vergangenen Monaten, aber wir könnens nicht ändern. Wollen Sie die Gelegenheit benützten, diese Hubschrauberbesatzung zu verständigen und sich vielleicht auch gleich mit Ihrem Urlaubsort in Verbindung zu setzen, so daß klar ist, daß Sie möglicherweise verspätet kommen, daß man sich dort keine Sorgen macht? Danke.

Wollen Sie das über jemanden erledigen lassen. Uns wäre es natürlich lieb, wenn Sie während des Antrags hier anwesend wären. Es geschieht, ich sehe gerade, Herr Regierungsdirektor Nusser erledigt das.

[354] Frau Rechtsanwältin Becker, dann darf ich Sie bitten, den Antrag weiter vorzutragen.

RA’in B[ecker]:

Also es geht in dem Antrag darum, daß festgestellt werden soll, ob die Gefangenen haft- und verhandlungsunfähig[5] sind. Ich fahre jetzt fort in der Begründung dieses Antrages.

Frau Rechtsanwältin Becker verlas nunmehr den Rest der Begründung Ihres Antrags vom 11.6.1975.

Vors.:

... Frau Rechtsanwältin, zum Protokoll geben.

RA’in B[ecker]:

Ja.

Vors.:

Wie wir annehmen, kann das gleich geschehen.

RA’in B[ecker]:

Ja.

Frau Rechtsanwältin Becker übergibt nunmehr den Antrag als Anlage zum Protokoll.

Der Antrag wird als Anlage 1 zum Protokoll gegeben. [c]

Vors.:

Damit der Antrag vervielfältigt werden kann. Es wird sich die Frage erheben, ob wir Herrn Dr. Henck vor Ihrer Stellungnahme anhören sollen. Wir wollen Ihnen das gerne überlassen, was Sie für Ihre Stellungnahme für erforderlich halten.

BA Dr. W[under]:

Das dürfte sich empfehlen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, bitte.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Zunächst mal habe ich mich für den Herrn Raspe dem gestellten Antrag anzuschließen. Ich kann mich zur Begründung auf das beziehen, was gesagt worden ist. Mir scheint allerdings ein Gesichtspunkt besonders bedeutsam. Die Illegalität der Haftbedingungen, von denen [355] hier die Rede war, wird etwa im Fall von Herrn Raspe besonders deutlich, wenn man sich die Vorschrift vor Augen führt, - des Strafgesetzbuches -, die zitiert worden ist, wonach bei Strafhaft die Dauer der Isolierhaft 3 Jahre nicht überschreiten darf.[6] Und wenn man sich den Grundsatz vor Augen führt, der auch zitiert worden ist, daß Untersuchungshaft nie als Strafe vollzogen werden darf.[7] Ginge es danach, hätte Herr Raspe, der, wie man weiß, sich seit über 3 Jahren in Untersuchungshaft befindet, längst in den normalen Vollzug integriert werden müssen.

Vors.:

Darf ich fragen, welche Vorschrift Sie im Auge haben mit dieser Dreijahresgrenze.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ich meine §[§ ]21, 22 StGB.

RA R[iedel]:

Herr Vorsitzender, ich schließe mich für meine Mandantin Ulrike Meinhof ebenfalls dem gestellten Antrag und der gegebenen Begründung an. Und weise nochmals darauf hin, daß für Frau Meinhof, genauso wie für Herrn Raspe, es zutrifft, daß die Untersuchungshaft mittlerweile die genannte Grenze von 3 Jahren erreicht und überschritten hat. Die Vorschrift war, auf die sich der Kollege Plottnitz bezogen hat, in der alten Fassung [§ ]21 StGB, ich glaube, das ist jetzt [§ ]22[ StGB].[8]

Vors.:

Danke. Weitere Anträge seitens der Verteidigung?

Herr Rechtsanwalt Heldmann, bitte.

RA H[eldmann]:

Ich schließe mich für Herrn Baader dem Antrag und seiner Begründung an.

Vors.:

Ich darf darauf hinweisen, daß Herr Baader jetzt ungefähr 8 Monate dann in Untersuchungshaft ist.

Das ist bekannt.

Herr Rechtsanwalt Heldmann.

[356] Er ist meines Wissens am 2.11.1974 in Untersuchungshaft gekommen. Bis dahin war er zwar, das kann man nicht übersehen, auch im Freiheitsentzug, aber aus anderen Gründen,[9] die also nicht das Gericht hier treffen.

RA H[eldmann]:

Es kommt nach dem Antragsziel und nach der Antragbegründung nicht darauf an, ob man die Behandlung, die Herr Baader während der letzten 3 Jahre erfahren hat, nun als Strafhaft oder als Untersuchungshaft deklariert. Es kommt hier allein darauf an, welche gesundheitlichen Schädigungen er aus dieser, aus jener Behandlung erfahren hat, mit der Folge, ob und inwieweit er heute verhandlungsfähig ist.

Vors.:

Sonst noch einen Antrag. Ich sehe nicht. Herr Dr. Henck. Sind Sie jetzt imstande oder wollen wir Ihnen eine kurze Pause gönnen. Sie können sie gerne beanspruchen, für den Fall, daß Sie sich das überlegen müssen. Sie haben ja einiges jetzt im Augenblick gehört, wobei allerdings besonderes Gewicht darauf zu legen ist, daß das Interesse, wie Herr Rechtsanwalt Heldmann eben richtig gesagt hat, sich darauf richtet, wie sich der heutige Zustand dann darstellt. Wollen Sie eine Pause haben.

Oberregierungsmedizinaldirektor Dr. Henck:

Ich bitte um eine kurze Pause.

Vors.:

Wie lange beanspruchen Sie sie.

Dr. H[enck]:

Vielleicht eine viertel Stunde.

Vors.:

Viertel Stunde. Gut, dann würden wir vorschlagen, daß wir uns um dreiviertel Elf im Saal wieder treffen. Einverstanden allerseits. 10.45 Uhr. Herr Rechtsanwalt von Plottnitz.

RA Sch[ily]:

... weil es ja für uns auch eine Situation ist, daß gemeinsam mit den Verteidigern die Angeklagten sprechen [357] können, in der Pause.

Vors.:

Also Verteidigergespräche im Augenblick einzeln. Die Angeklagten können zusammen sein, aber soweit Verteidigergespräche geführt werden sollen, bitte einzeln prozeßordnungsgemäß.[10]

RA R[iedel]:

Das weiß ich, Herr Vorsitzender, dazu ist die Zeit zu knapp.

RA Sch[ily]:

Eine viertel Stunde. Auf die Frage zu Dr. Henck. Wir wollen ja nun auch nicht die Pause ausdehnen.

Vors.:

Sie können doch ja jeder zu jedem gehen.

Also wir können nun keine Regel daraus machen, daß wir nun gemeinschaftliche Verteidigerberatung zulassen.

Wir wollen auch diese Regel nicht einführen.

RA R[iedel]:

Dann lassen Sie doch in der Pause zu, daß wir im Saal bleiben mit den Mandanten.

Vors.:

Ist das für Sie bei einer viertel Stunde machbar.

Nein, ich meine jetzt insbesondere die Herrn von der Vollzugsanstalt. Wir selbst hätten da nichts dagegen.

Gut, dann bleiben Sie im Saal.

Pause von 10.30 Uhr bis 10.50 Uhr.

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort. Und zwar mit der Anhörung von Ihnen, Herr Dr. Henck. Zunächst, es handelt sich um eine Anhörung im Freibeweisverfahren,[11] eine Vereidigung wird nicht in Betracht kommen. Ich möchte aber nicht unterlassen, Sie darauf hinzuweisen, was Sie aus langjähriger Praxis wissen, daß Sie als Gutachter verpflichtet sind, unparteiisch nach bestem Wissen und Gewissen Ihr Gutachten abzugeben.

Ich darf Sie nun zunächst um Ihre Personalien bitten. (Halt, ich stelle Sie gleich ein. Entschuldigen Sie bitte, [358] jetzt klappts wohl.)

Dr. H[enck]:

Regierungsmedizinaldirektor Dr. med. Helmut Henck, Facharzt für Nerven- und Gemütskrankheiten, Anstaltsarzt in der Vollzugsanstalt in Stuttgart-Stammheim. Mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert, im übrigen[12] verneinend.

Vors.:

Das Alter, weiß ich nicht, ist das gekommen. Ihr Alter?

Dr. H[enck]:

55 Jahre.

Vors.:

Es ist schwer, das immer nachzurechnen.

Herr Dr. Henck, ist es richtig, daß Sie die Angeklagten, seit sie sich in Stammheim befunden haben, betreuten und beobachteten.

Dr. H[enck]:

Ja, das ist insoweit richtig, daß ich mich um alle vier Angeklagten und zeitweise auch um die fünfte, damals Strafgefangene, gekümmert habe. Allerdings ohne die Möglichkeit gehabt zu haben, irgendwelche Untersuchungen durchzuführen. Abgesehen von zwei Blutentnahmen, und zwar bei Frau Ensslin und Herrn Raspe während des Hungerstreiks,[13] wo eine vitale Gefährdung mir da am naheliegendsten erschien, demzufolge dann gegen Willen mit Zwang und unter Anwendung von Gewalt eben nun diese Blutentnahmen durchgeführt wurden. Ich glaube es war im November. Ich muß das im Einzelnen nachschauen. Ich glaube aber es war November. Und diese einzigen Ergebnisse, die dann vorlagen, die brachten keine krankhaften Veränderungen, abgesehen von einer Erhöhung der sogenannten Kaliumwerte bei Herrn Raspe. Die schon etwas besorgniserregend waren. Die konnten aber nachher auch abgefangen werden, durch einen gewissen Zusatz, eine andere Kost, in Form von Enzymen[d], wo also eine andere Verdauung, eine bessere Verdauung vonstatten geht, so daß anzunehmen ist, daß dieser Kaliumwert, der damals erhöht war, nun wieder zur Norm zurückgekehrt ist. Ich kann das aber nicht sagen, weil keine Untersuchungen durchgeführt werden konnten.

[359] Vors.:

Wir müssen also, soweit ich die Situation hier ansehe, nicht dem ganzen Verlauf der gesundheitlichen Entwicklung folgen, es kommt ja zentral darauf an, festzustellen, wie es heute um die Verhandlungsfähigkeit bestellt ist. Deswegen jetzt die Frage, wann haben Sie denn die letzte Gelegenheit gehabt, die Angeklagten zu beobachten.

Dr. H[enck]:

Den Herrn Baader habe ich zum letzten Mal gesehen am 22. Mai, Herrn Raspe am 16. Mai und Frau Ensslin und Frau Meinhof am 6. Mai. Das liegt daran, je nach dem, wenn mich einer zu sprechen wünschte. Dann bin ich hingegangen und habe mich mit Herrn Baader oder Herrn Raspe, dabei zumeist hintereinander, unterhalten oder mit ihnen gesprochen. Und bei Frau Ensslin und Frau Meinhof mußte ich von mir aus schon hinkommen und mich nach dem Befinden erkundigen, wobei die Antworten allerdings nur immer sehr kurz ausfielen, so daß man ein überschauendes Bild selbstverständlich dadurch nicht erhalten konnte, vom Eindrucksmäßigen doch noch sagen konnte, daß eine allmähliche, sehr langsame Besserung im Allgemeinbefinden zu vermuten war, seit Abbruch des Eß- und Trinkstreiks.

Vors.:

Wenn Sie auf diesen Zeitpunkt abheben, hier nur kurz die Frage. Hat man von Seiten der Anstalt aus alles getan, was medizinisch erforderlich erschien, um diese Besserung herbeizuführen durch, sagen wir, Zusatzverpflegung und Heilmittel und dergleichen und so fort.

Dr. H[enck]:

Ja, das ist gemacht worden. Es ist auch ein Gutachten erstellt worden, daß ist etwa zum Ende des Eß- und Durststreiks eingetroffen von Herrn Professor Holdmeier, der, ich kann das nur abschließend sagen, „ich möchte mitteilen, daß nach meiner Überzeugung die durchgeführte künstliche Ernährung und die Zufuhr der Flüssigkeit beim Durststreik“, heißt es hier, „den modernen ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen im vollem Umfang entspricht. Auch die technische Einrichtung ließ keine Mängel erkennen, daß die von Ihnen verwendete[e] Nährpulver“, das war also Isorbin der [360] Firma Pfrimmer aus Erlangen, „gehört zu den kostspieligsten Nährsubstanzen, und wird auch[f] in unseren Universitätskliniken, und Krankenhäusern verwendet“. Dies bestätigte auf der gemeinsamen Sitzung im Justizministerium auch Herr Professor Dr. Pfeifer, Direktor des Zentrums für innere Medizin der Universität Ulm, und Herr Professor Dr. Ditscheneit, Leiter der Abteilung für Ernährung- und Stoffwechselkrankheiten der Universität Ulm. Dieses Gutachten oder dieses Ergebnis dieser ernährungswissenschaftlichen Beratung ist erstellt worden von Herrn Professor Dr. Holdmeier von Hohenheim hier, vom 12.2.1975, also kurz nach Abbruch dieses Hungerstreiks.

Vors.:

Das fixierte also den Endpunkt des Hungerstreiks. Und nachträglich?

Dr. H[enck]:

Nun nach Abbruch dieses Durst- und Eßstreiks, müßte es richtigerweise heißen, wurde selbstverständlich erst einmal eine Aufbaukost gegeben, die nicht bei Null anzufangen brauchte, weil ja alle vier oder alle fünf gar[g] nicht kalorienmäßig auf Null gewesen waren. Wir konnten also schon etwas mutiger herangehen, an Zulagen, an Essensverteilungen. Ich habe da nur die Dinge zunächst noch weggelassen, die noch nicht vertragen wurden. Es fing an mit Haferflocken, Milch, also langsam allmähliche Aufbaukost mit Zulagen, die dann recht erheblich doch gesteigert wurden. Kann aber nun wiederum nicht sagen, wie weit eine Gewichtszunahme hierdurch eingetreten war. Es wurde also auch eine Wunschkost - am Anfang frei zusammengestellt - besorgt. Selbstverständlich aus psychologischen Gründen schon.

Vors.:

Würden Sie vielleicht anfügen, warum Sie diese Gewichtsfeststellungen nicht treffen konnten.

Dr. H[enck]:

Ich wollte nicht das noch mit Zwang weiter durchführen.

Vors.:

Also, das wäre nur mit Zwang gegangen.

Dr. H[enck]:

Ja. Ich wollte das nicht tun.

[361] Vors.:

Freiwillig ist’s nicht geschehen.

Dr. H[enck]:

Nein, daß sie sich wiegen ließen.

Ich hätte es getan, wenn ich irgendwelche besorgniserregende Dinge angetroffen hätte, oder vermutet hätte. Selbstverständlich. So hielt ich aber das für nicht erforderlich. Es gab auch gewisse Schwankungen, so wurde mir von Herrn Baader und auch von Herrn Raspe berichtet, daß es[h] einmal etwas zu einer Gewebsflüssigkeitsansammlung kam in den Unterschenkeln. Daß auch einmal über Schwindelerscheinung geklagt wurde. Vermutlich wegen eines niedrigen Blutdrucks, über Sehstörungen wurde auch von Frau Ensslin und von Frau Meinhof gesagt. Worauf alle nun auch getönte Brillen bekommen hatten, die Herr Baader übrigens schon beim ersten Mal in Schwalmstadt bekommen hatte.

Die war kaputt, deswegen mußte sie erneuert werden.

Die Aufbaukost, die wurde nachher, sie ging in die Normalkost über mit gewissen Zusatznahrungsmittel noch. Die wiederum im freien Ermessungsstand wirklich auch korrekt auf Angaben gemacht wurden. Daß man jetzt beispielsweise nicht das teurere Fleisch haben will, sondern den billigeren Quark, als Joghurt. Solche Dinge, die ja nun doch darauf hinweisen, daß es nicht darauf ankommt, hier nun mit aller Gewalt alles zu haben, sondern daß [i] es eben offenbar[j] von dem[k] inneren Bedürfnis her notwendig war, was vom ärztlichen Standpunkt aus vertreten werden konnte. Und deswegen wurde es auch, bis ich gestern in Urlaub ging, so in dieser Form durchgeführt.

Vors.:

Entsprach die Verköstigung, das interessiert eben, weil wir sehen wollen, ob der Zustand bis heute sich tatsächlich nun verbessern konnte, denn der Zustand beim Abbruch des Hungerstreikes war natürlich desolat, entsprach diese Kost der normalen Verpflegung, oder sind da deutliche Zuschläge gegeben worden?

Dr. H[enck]:

Am Anfang deutliche. Auch mit Butterzulage, Fleisch, Käse, Ei, Joghurt, Quark je nach dem, was im einzelnen verlangt, [362] oder darum gebeten wurde und Weißbrot. Das wurde dann wieder abbestellt, dann war Knäckebrot, es wurde auch ein gewisses körperliches Training empfohlen. Wir haben also diese Gummibänder besorgt, zum Training, Kaugummi, daß der Kaumuskel wieder in Aktion tritt, und trainiert wird. Diese Dinge liegen sicherlich richtig in der Anwendung, in der Verordnung und auch im Erfolg.

Vors.:

Gut. Dann kämen wir jetzt zu der Frage, ob Sie im Zeitpunkt Ihrer letzten Beobachtungsmöglichkeiten irgendwelche konkreten Beobachtungen gemacht haben, die Ihnen ein Urteil erlauben[l], zu der Frage, ob die Angeklagten damals nach Ihrer Auffassung, als verhandlungsfähig zu bezeichnen gewesen wären. Das heißt also, ob Sie fähig gewesen wären, sich in der Verhandlung vernünftig zu verteidigen, selbst zu verteidigen. Wahrzunehmen, was in der Verhandlung vorgeht. Und die Erklärungen, die in der Verhandlung abgegeben werden, zu verstehen und sich selbst zu erklären.

Dr. H[enck]:

Also nur aufgrund der Beobachtungen habe ich, bei Gesprächen[m], keine Hinweise dafür finden können, daß eine Verhandlungsunfähigkeit vorliegt. Letztmals am 22.5. beim Herrn Baader, am 16.5. beim Herrn Raspe und am 6.5. bei Frau Ensslin und Frau Meinhof. Es haben sich keine Hinweise ergeben, daß eine Verhandlungsunfähigkeit vorliegt. Ich habe nun natürlich auch während der Vorlesung dieses Antrags die Herrn Baader, Frau Meinhof, Frau Ensslin und Herrn Raspe beobachten können. Sie waren also sehr intensiv mit sich beschäftigt, und haben sich unterhalten. Es fand sich in der Mimik, in der Gestik, in der Unterhaltsamkeit, in der Kommunikation der Vier untereinander, zum Teil auch mit den Herrn Verteidigern, keine Hinweise dafür, die eine Verhandlungsunfähigkeit rechtfertigen konnten.

Vors.:

Glauben Sie, daß dieses Urteil für heute nun noch einer Ergänzung von Ihrer Seite bedürfte, durch eine spezielle [363] Untersuchung. Oder läßt sich das aus medizinischer Sicht aufgrund der heutigen Beobachtung beantworten, daß sich am Zustand, wie Sie Ihn zuletzt beobachtet hatten, also Beispielsweise 22.5. bis heute offensichtlich nichts geändert habe.

Dr. H[enck]:

Also vom äußeren Erscheinungsbild her, von der Verhaltensweise, von der Wesensmäßigkeit kann ich sicher sagen, daß eine Verhandlungsfähigkeit vorliegt. Ich finde keine Veränderung ...

Vors.:

Augenblick, Fragen werden jetzt gestellt. Fragen werden gestellt, aber in der üblichen Reihenfolge, Herr Baader.

Dr. H[enck]:

Ich finde keine relevanten Veränderungen, gegenüber diesen letzten Gesprächen oder Besuchen und Visiten bei Herrn Baader, Raspe, Ensslin und Meinhof.

Vors.:

Sind beim Gericht weitere Fragen zu stellen. Ich sehe nein. Die Herrn von der Bundesanwaltschaft, bitte. Keine Fragen. Die Herrn Verteidiger. Herrn Rechtsanwalt Schily, bitte.

RA Sch[ily]:

Herr Dr. Henck, war Ihnen eigentlich bekannt, was das Ziel des Hungerstreiks war.

Dr. H[enck]:

Das Ziel?

RA Sch[ily]:

Ja.

Dr. H[enck]:

Das Ziel des Hungerstreiks soweit ich informiert wurde, war, Hafterleichterung zu erhalten.

RA Sch[ily]:

Können Sie das vielleicht noch ein bißchen konkretisieren.

Dr. H[enck]:

Größeren Zusammenschluß. Mehr Hofgang. Eine verbesserte Kommunikation. Letztlich dann auch noch, wenn ich richtig informiert worden bin, ich kann das nicht sagen, ob das stimmt, daß die Untersuchungshaft sich mitsamt den anderen Untersuchungsgefangenen so abspielen soll. Ob das stimmt, [364] weiß ich natürlich nicht. Das sind Mutmaßungen, das sind zum Teil Weiterentwicklungen, gedankliche Weiterentwicklungen meinerseits aus dem Gehörten, dem Gesagten[n]. Es wird aber das Ziel eben sein, das eben zu erreichen.

RA Sch[ily]:

Haben Sies vom medizinischen Standpunkt aus für notwendig gehalten, daß diese Forderungen erfüllt werden.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt ... (ich darf bitten, daß das Mikrofon nicht immer so kurz gestellt wird. Ich weiß dann nicht, ob es da ist). Herr Rechtsanwalt, wir haben natürlich nicht über die Haftbedingungen zu debattieren mit dem Herrn Sachverständigen. Er ist ausschließlich zu der Frage der Verhandlungsfähigkeit, bzw. -unfähigkeit hier vorgeladen worden.

RA Sch[ily]:

Über diese Erklärung bin ich außerordentlich überrascht, Herr Vorsitzender. Ich dachte, das sei Ihnen bekannt, daß gerade die Haftbedingungen für den Gesundheitszustand von Gefangenen von ausschlaggebender Bedeutung sind.

Vors.:

Meinen Sie die Haftbedingungen, wie sie in dem letzten maßgeblichen, würde ich sagen, halben Jahr, nach Abbruch des Hungerstreiks bestanden haben.

RA Sch[ily]:

Nein, nicht nur die. Ein Gesundheitszustand entwickelt sich ja doch über Jahre, möglicherweise, oder über Monate.

Und das ist hier eingehend dargestellt worden. Das ist doch eine medizinische Binsenweisheit, daß also gerade eine längerdauernde Isolation eben zu bestimmten psychischen und physischen Folgen führt. Und da kann es womöglich eben auf einen längeren Zeitpunkt ankommen.

Das ist ja hier eingehend dargestellt worden. Und darüber glaube ich, habe ich eine Fragerecht an Herrn Dr. Henck.

Vors.:

Wir wollen Ihnen Ihr Fragerecht in keiner Weise beschneiden. Wir wollen lediglich sehen, daß es im Rahmen dessen bleibt, was der Herr Sachverständige beantworten [365] kann. Es wäre also zunächst die Vorfrage zu klären, ob der Herr Sachverständige zu seinem Urteil, das er hier abgegeben hat, diese Vorgeschichte benötigt, oder ob sie ihm heute noch irgend etwas bringt, denn - zu Dr. Henck -[o] Sie gehen ja vom Jetztzustand aus und nicht von dem, was früher einmal geschehen sein soll.

Dr. H[enck]:

Selbstverständlich.

Vors.:

Bringt das irgend etwas. Ändert das an Ihrem Urteil, wenn Sie beispielsweise erfahren würden, daß Frau Meinhof im Jahre 1973 streng isoliert gewesen ist.

Dr. H[enck]:

Sicherlich, wenn man aus dieser Position heraus nun plötzlich in einen großen Raum gestellt wird, von der sogenannten totalen Isolation her nach Monaten und wird nun mit Problemen konfrontiert, Hauptverhandlung oder was nun eben sein mag, dann ist natürlich die Ausgangsposition für den Betroffenen sicherlich schlechter, als wie es jetzt nun hier der Fall gewesen ist, zum Schluß. Denn es ist ja keine totale Isolation mehr vorhanden gewesen.

Vors.:

Gut. Wir wollen also jetzt auch nicht auf meine Fragen auf die Haftbedingungen einzeln eingehen. Die Frage ist nur die, ob es für Sie zur Beurteilung der Verhandlungsfähigkeit wesentlich ist, daß man nun den Haftbedingungen früheren Zeiten nachgeht, oder sind die nicht schon eingewoben in dieses Gutachten, daß sie ...

Dr. H[enck]:

Das ist schon mit beinhaltet und zwar mit der Begründung, daß auch solche Deprivationserscheinungen reversibel sind, d.h. also, daß sie wieder rückläufig sind, sich rückläufig entwickeln, weil der Mensch an sich eine ungeheure Umweltanpassungsfähigkeit besitzt.

Vors.:

Verzeihen Sie, Herr Verteidiger, daß ich da eingegriffen habe ... Bitte, Herr Rechtsanwalt Schily, ergibt das irgendeine Änderung in[p] Ihrer Fragestellung[q]?

[366] RA Sch[ily]:

Nein, es gibt, ich hatte es gerade mit Herrn Baader besprochen, daß er jetzt zunächst einmal eine Frage zwischendurch stellen kann.

Vors.:

An sich sind jetzt im Augenblick die Herrn Verteidiger dran. Ich bitte, die Herrn Verteidiger zu fragen, es ist ...

RA Sch[ily]:

Aber Herr Vorsitzender, es kann doch wohl möglich sein, daß jetzt Herr Baader eine vielleicht auch logisch vorausgehende Frage zwischendurch einmal stellt. Wenn ich mich mit ihm verständige, das habe ich ...

Vors.:

Wenn Sie mich dazwischenrein ausreden lassen. Was Sie mit Herrn Baader verabredet haben, ist ja nicht maßgeblich gegenüber den anderen Herrn Verteidiger. Ich wollte die Herrn Verteidiger fragen, ob sie einverstanden sind, daß ihr Fragerecht im Augenblick nicht eingeräumt wird, sondern Herr Baader den Vortritt hat.

Gut, Herr Baader.

Angekl. B[aader]:

Es wäre vielleicht ganz gut, Herr Henck, wenn Sie zunächst mal so pauschal im ... bleiben, wegen Ihrer ganzen Äußerungen bisher.

Dr. Henck:

Ich habe kein Wort verstanden.

Angekl. B[aader]:

Naja, wenn Sie so pauschal im ... bleiben, wie in Ihrer ganzen Äußerung bisher. Dann wär’s doch einmal ganz gut, Sie würden sich auf die Gespräche beziehen, die stattgefunden haben, zwischen Ihnen und den Gefangenen. Während des Hungerstreiks über die Haftbedingungen. Das heißt, über die Folgen der Isolation. Wenn Sie hier Ihren Standpunkt, den Sie den Gefangenen dazu geäußert haben, wenn Sie den hier reproduzieren würden. Außerdem würde ich Sie bitten, zu beantworten, warum Sie einer Untersuchung durch Ärzte unseres Vertrauens zugestimmt haben. Auch mit einer gewissen Dringlichkeit, bevor Sie in Urlaub gefahren [367] sind. Wenn Sie der Ansicht sind, wie das hier zum Ausdruck kommt, daß eine Untersuchung gar nicht notwendig ist.

Vors.:

Herr ... Ich darf vielleicht noch Folgendes sagen. Das, was ich eben mit Herrn Rechtsanwalt Schily gesprochen habe, und das ich dann auf Sie übertrug, gilt natürlich hier auch. Sie sollen nur zu der Frage der gegenwärtigen Verhandlungsfähigkeit sich äußern. Wir wollen also beileibe nicht in eine Debatte über diese ganzen Vorträge der Haftbedingungen einsteigen, nachdem die Auffassung hier existiert, daß es bei der Frage der Verhandlungsfähigkeit auf den gegenwärtigen Zeitpunkt ankommt und nichts anderes. Wenn das also mit eingearbeitet ist, dürfen Sie’s tun. Wenn Sie’s benötigen, um Ihr Urteil zu bestätigen, dann ist es selbstverständlich möglich, daß Sie die Frage beantworten.

Dr. H[enck]:

Das hat damit weniger zu tun. Mit der Frage der Verhandlungsfähigkeit, sondern damit, daß alle Vier monatelang durch einen monatelangen Hungerstreik hindurch, nicht untersucht worden sind. Es ist meine ärztliche Pflicht im Grunde genommen, dafür zu sorgen, diese Dinge nun nachzuuntersuchen, um festzustellen, ob dadurch irgendwelche psychischen Schäden hier insbesondere zurückgeblieben sind. Das kann ich aber nur durch Untersuchung feststellen und nicht durch Befragung alleine. Denn ich habe genug gefragt in der Richtung und ich habe auch insbesondere von Herrn Baader und Herrn Raspe Antworten erhalten in der Richtung, welche gesundheitlichen Beschwerden, es wurden nicht im Einzelnen alle aufgeführt, aber die wesentlichen doch wurden angegeben. Und es wurde quasi etwas so mit der Stange im Nebel herumgefahren, auch was Entsprechendes dann verordnet. Aber eine exakte Diagnosestellung war überhaupt nicht möglich bis jetzt.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, bitte.

RA Sch[ily]:

Eine Diagnosestellung war nicht möglich. So haben Sie gesagt.

[368] Dr. H[enck]:

Im physischen[r] Bereich.

RA Sch[ily]:

Im physischen[s] Bereich.

Dr. H[enck]:

Im psychischen Bereich brauche ich im Grunde genommen keine Apparaturen, das kann man vom Psychiatrischen her sehr gut erkennen, ob irgendwelche Schäden eingetreten sind oder nicht.

RA Sch[ily]:

Sie können aber nicht die Frage beantworten, ob Sie also während oder vor oder zu welchem Zeitpunkt immer des Hungerstreiks erklärt haben, daß diese Haftbedingungen so nicht weiter vertretbar sind.

Dr. H[enck]:

Das muß man vielleicht im Zusammenhang mit dem Eßstreik sehen, daß das nicht weiter vertretbar ist. Sondern daß der Eßstreik baldmöglichst zu Ende gebracht wird. Und das ist ja schließlich auch am Februar endlich erfolgt nach 140 Tagen oder was weiß ich 147 Tagen.

RA Sch[ily]:

Darf ich bitten, etwas lauter zu sprechen, er ist sehr schwer zu verstehen.

Vors.:

Ja, das ist natürlich die Frage, wie weit die Aussteuerung hier mehrere Mikrofone verträgt. Ich bitte daher alle, die im Augenblick nicht fragen, die Mikrofone abzustellen. Dann läßt sich’s besser aussteuern.

Danke.

War die Antwort verstanden worden. Soll sie wiederholt werden.

RA Sch[ily]:

Sie soll bitte nochmals wiederholt werden.

Dr. H[enck]:

Das muß im Zusammenhang gesehen werden mit dem Eßstreik, daß das so nicht weitergeht. Und endlich ist dann dieser Eßstreik am 4. Februar abgebrochen worden, so daß an sich diese Situation der ständigen vitalen Gefährdung doch zu einem wesentlichen Teil beseitigt gewesen ist.

[369] Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, bitte.

RA Sch[ily]:

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann haben Sie also sich hier über die Zwangsernährung und über die Notwendigkeit der Zwangsernährung usw. auch Lebensgefahr mit einem lateinischen Ausdruck geäußert. Ist es nicht eine medizinische Regel, daß eigentlich zur Abstellung einer Gesundheitsgefahr immer das mildeste Mittel gewählt werden muß. Also in einem plastischen Beispiel: Wenn man also noch durch Medikamente etwas erreichen kann, dann keine Amputation zu vollziehen. War es nicht nach Ihren medizinischen Kenntnissen so, daß die[t] Aufhebung der Isolation das weitaus mildere Mittel gewesen wäre, als eine Zwangsernährung.

Reg. Dir. Widera:

Ich bitte die Frage nicht zuzulassen, sie gehört nicht zum Thema.

Vors.:

Danke. Herr Rechtsanwalt, ich befürchte dasselbe. Wenn Sie uns begründen können, was das jetzt mit dem Gutachten über die Frage der gegenwärtigen Verhandlungsfähigkeit zu tun hat.

RA Sch[ily]:

Das kann ich Ihnen sehr schnell begründen. Das hat was mit der medizinischen Kompetenz des Herrn Dr. Henck zu tun. Und das ist wohl auch zulässig, daß ein Verfahrensbeteiligter sich nach diesen Dingen erkundigen darf.

Vors.:

Was heißt nach der Kompetenz. Darf er ... meinen Sie jetzt die fachliche Vorbildung.

RA Sch[ily]:

Ich frage nach der medizinischen Kompetenz. Das heißt, ob sich eigentlich da Herr Dr. Henck auf dem richtigen medizinischen Weg befindet. Gerade wenn er mit einer solchen Frage konfrontiert wird.

Vors.:

Sind Sie sachverständig genug, um aus irgendwelchen medizinischen Behandlungsweisen Rückschlüsse auf die Kompetenz eines Mediziners zu ziehen.

RA Sch[ily]:

Herr Dr. Prinzing. Ich, wissen Sie, manchmal verschlägt [370] es einem wirklich die Sprache. Wenn Sie meinen ... -manchmal verschlägt es mir wirklich die Sprache, was Sie hier an Erklärung produzieren. - Wenn es so wird, daß Sie mir bei jeder Frage bei einem Sachverständigen, den ich vielleicht nach seiner fachlichen Kompetenz frage, mir dann erst sagen, ja haben Sie die Ausbildung, vielleicht zum Beispiel bei Handschriftenvergleichung oder ähnlichem, wenn Sie mir das noch nicht mal erlauben wollen, das kommt ja da in Ihrer Erklärung zum Vorschein, ja wissen Sie da weiß ich überhaupt nicht mehr, was Sie für ein Verständnis hier von dem Prozeß haben. Wie gesagt, ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, die Sprache hat es Ihnen ersichtlich ...

RA Sch[ily]:

Das ist doch keine Frage mehr. Also das meine ich, ist doch das ureigenste Recht eines Verteidigers, daß er nachfragen darf, was hier an medizinischen Grundlagen und vielleicht mal nur mit der unmittelbaren Logik verbunden, vielleicht brauche ich dazu gar keine medizinische Vorbildung.

Reg. Dir. W[idera]:

Allenfalls dann, Herr Rechtsanwalt Schily, wenn Sie Anlaß hatten, an der Kompetenz des Herrn Sachverständigen zu zweifeln und das müßten Sie dann damit zunächst einmal sagen.

Vors.:

Nein, ich wollte mich jetzt im Augenblick noch mit [u] Herrn Rechtsanwalt Schily zu dieser Frage auseinandersetzen.

RA Sch[ily]:

Herr Regierungsdirektor Widera, auch das ist falsch was Sie sagen. Ich frage ja erst. Und dann habe ich vielleicht Zweifel. Wir werden erst mal feststellen, ich bin gar nicht so voreingenommen wie Sie. Nicht, ich will erst mal fragen und dann will ich hören, was der medizinische Sachverständige sagt, dann werden wir sehen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich darf zunächst einmal feststellen, die Sprache hat es Ihnen sicher nicht verschlagen. Aber es ist Ihr gutes Recht, sich dagegen zu wehren, wenn ich ver- [371] suche zu klären, ob Ihre Frage im Sachzusammenhang steht. Mehr wollte ich nicht. Ich werde Ihnen keine Frage während des Prozesses beschneiden, die im Sachzusammenhang steht. Ich bat Sie um eine Aufklärung. Tatsache ist, daß es Ihr Recht ist, nach der Kompetenz eines Sachverständigen zu fragen. Da[v] Sie aber Fragen stellen, die nach außen jedenfalls nicht erkennbar im Zusammenhang mit der Kompetenz stehen, sondern ein Ausschnitt sind aus Behandlungsmethoden, die ein Arzt angewendet hat, so daß ich mich wohl zurückerkundigen kann, ob Sie imstande sind, aus bestimmten Teilbehandlungsmethoden Rückschlüsse auf die Kompetenz zu ziehen. Das müssen Sie doch nun umgekehrt mir einräumen.

RA Sch[ily]:

Bleibe ich bei meinem Beispiel, wenn ich einen Sachverständigen fragen würde, ob er es nicht aus medizinischen Erkenntnissen für das mildere Mittel gehalten hätte, jemand ein Medikament zu verabreichen, als ihm das Bein abzuschneiden, ich weiß nicht, ob Ihnen daß nicht auch deutlich ist. Aber ...

Vors.:

Nein, das geht ja über das hinaus. Ich meine, da muß ich nun zu Recht das sagen, was bereits von der Bundesanwaltschaft gesagt worden ist. Da müßten Sie dann schon sagen, daß Sie derart begründete Zweifel an der Kompetenz haben, um mit einem so beinahe plumpen Beispiel, das gilt nicht für Sie, sondern das gilt[w] von der Sache her gesehen, dann die Kompetenz festzustellen. Natürlich kann ich einen Arzt dadurch prüfen, daß ich Ihn frage, glauben sie bei einem Durchfall muß man das Bein abschneiden. Aber das sind doch keine Sachfragen mehr.

(Angekl. B[aader] spricht im Hintergrund, nicht verständlich).

Vors.:

Herr Baader, im Augenblick bin ich jetzt dabei, nein Herr Baader, bitte abzustellen.

Herr Baader, im Augenblick bin ich dabei die Zulässigkeit der Frage mit Herrn Rechtsanwalt Schily zu besprechen. Ich bin durchaus bereit, wenn Sie nach wie vor der Auffassung sind, daß diese Frage zur Prüfung [372] der Kompetenz wirklich erforderlich ist, sie zuzulassen.

RA Sch[ily]:

Ja, dann bitte ich die Frage zu beantworten.

Vors.:

Die Frage ging also, soweit ich Sie verstanden habe, dahin, ob Sie nicht die Aufhebung der Isolation für das mildere Mittel gehalten hatten, gegenüber was.

RA Sch[ily]:

Gegenüber der Zwangsernährung. Und sogar gehalten, nicht hätten, sondern haben. Insoweit ist er sogar Zeuge.[14]

Dr. H[enck]:

Insoweit versteht sich die Antwort von selbst. Natürlich ist es die Art, es gibt ja auch noch andere Dinge die nicht in mein Ressort fallen. Demzufolge nun diese sogenannte Isolationsmaßnahme aufrechterhalten wurden. Ich persönlich bin natürlich der Meinung, alles was zusammenfließt, das kann sich besser unterhalten. Aber die mildesten Mittel, die mir zur Verfügung stehen als Arzt, sind ja diejenigen gewesen, auf die schonendste Art und Weise eine Zwangsernährung durchzuführen.

RA Sch[ily]:

Herr Dr. Henck, wenn ich das richtig jetzt mitbekommen habe, Sie haben gesagt das das medizinisch mildere Mittel, die Aufhebung der Isolation, das lag [x] nicht in Ihrer Kompetenz, sondern [y] praktisch bei[z] anderen Entscheidungsgremien, die dafür zuständig waren, und Sie waren mit der Situation konfrontiert und haben deshalb die Zwangsernährung durchgeführt.

Haben Sie aus Ihrer medizinischen Verantwortung irgendwelche Vorstoße unternommen, um nun doch vielleicht eine Entscheidung derjenigen Gremien, die dafür zuständig waren, herbeizuführen, um die Anwendung des milderen Mittels zu erreichen.

Vors.:

Ich bitte um Erklärung des Sachzusammenhangs zur Frage der Verhandlungsfähigkeit.

RA Sch[ily]:

Es gehört immer noch in die Frage der Kompetenz dieses Sachverständigen.

[373] Vors.:

Das hat doch aber mit seinem medizinischen Sachverstand nicht das Mindeste zu tun. Ob er sich nun an uns mit irgendwelchen Fragen oder Vorstellungen gewandt hat, denn das zielt ja wohl doch auf uns[15] ab.

RA Sch[ily]:

Das ist die Frage, ob Sie dafür letzten Endes, aber das will ich jetzt hier nicht vertiefen.

Vors.:

Darf ich sagen, ich habe nichts dagegen, daß Sie jetzt das Wort ergreifen, nur müßte mir Herr Rechtsanwalt Schily sagen, daß er nichts dagegen hat, daß jetzt seine Frage nicht weiterverfolgt wird.

RA Sch[ily]:

Nein. Wissen Sie, wir können ein bißchen mehr die Sache doch spontaner handhaben. Sie können davon ausgehen, wenn der Kollege Heldmann mal zwischendurch das Wort nimmt, daß ich damit einverstanden bin.

Vors.:

In Ordnung. Herr Rechtsanwalt Heldmann.

RA H[eldmann]:

... die Frage des Kollegen Schily, wie auch die zu erwartende Antwort hierauf, für ganz wesentlich. Wenn ich nämlich den Herrn Dr. Henck richtig verstanden habe, hat er Herrn Schily’s erste Frage beantwortet, - um in der medizinischen Terminologie zu sprechen: Die Aufhebung der Isolation wäre zu jenem Zeitpunkt das Mittel der Wahl gewesen. Hatte ich Sie da richtig verstanden.

Dr. H[enck]:

Das ist das Ziel des Eßstreiks wohl gewesen, des Durststreiks. Und der wäre[aa] sicherlich, wenn also andere Haftbedingungen, erleichterte Haftbedingungen geschaffen worden wären, vielleicht auch schon früher abgebrochen worden.

Das vermag ich nicht zu beantworten, daß man sich nicht in die Zielsetzung derjenigen hineinversetzen kann, die diesen Eßstreik durchgeführt haben.

Vors.:

Ich bin überzeugt, Herr Rechtsanwalt, wenn die Frage so gestellt worden wäre, ob nicht auch die Haftentlassung aus medizinischer Sicht das geeignetere Mittel gewesen [374] wäre, um dann die Lebensgefahr durch den Hungerstreik zu vermindern, müßte der Herr Sachverständige Ihnen auch ja sagen. Da gibt’s doch keinen Zweifel.

RA H[eldmann]:

Das, Verzeihung, Herr Vorsitzender ...

RA Sch[ily]:

... überbieten lassen. Sie machen sich da was zu eigen, was wirklich in einer lügenhaften Form in vielen Medien hier propagiert worden ist, daß nämlich mit dem Hungerstreik die Haftentlassung erreicht werden soll. Wir haben doch nun wirklich uns bemüht, das Ihnen mehrfach, - und das muß Ihnen doch auch zur Kenntnis gelangt sein, ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie das übersehen haben - wir haben mehrfach also wirklich, ich weiß nicht in wieviel Pressekonferenzen immer wieder erklärt, der Hungerstreik ist von einem Tag auf den anderen zu Ende, wenn die Isolation aufgehoben wird. Und es ist nie, aber auch nie mit einem Jota erklärt worden, daß der Hungerstreik dazu dient, die Haftentlassung zu erreichen. Man kann doch mal zur Kenntnis nehmen, man kann doch nicht immer an diesem Wort vorbeigehen. Das kann man doch wirklich nicht.

Vors.:

Verzeihen Sie, Sie engagieren sich jetzt.

RA Sch[ily]:

Ja, ich engagiere mich jetzt.

Vors.:

Aber umsonst.

RA Sch[ily]:

Weil es mir um die Wahrheit zu tun ist.

Vors.:

Ja, mir auch.

RA Sch[ily]:

Selbstverständlich, Herr Vorsitzender, darum geht es mir.

Und wir wollen auch nicht von dem Punkt ablenken. Ich darf noch mal an die Frage des Kollegen Heldmann anknüpfen.

[375] Vors.:

Nein, darf ich Ihnen zuerst vor der Frage, Sie dürfen sie sofort stellen, bloß mochte ich Ihnen sagen, ich habe niemals damit behaupten wollen, daß das, was Sie jetzt im Augenblick darstellten, Sinn meiner Frage gewesen wäre. Mir ging es lediglich darum, Herrn Rechtsanwalt Heldmann klarzumachen, daß die Frage, die gestellt worden ist, eigentlich keine medizinische Frage ist. Die könnten wir auch beantworten. Natürlich wäre alles ein milderes Mittel gewesen, aus medizinischer Sicht, was die gesamte Haftmisere hätte für den Mediziner einfacher dargestellt, um das geht’s doch.

RA H[eldmann]:

... gesagt haben, demonstrieren Sie, daß Sie im Inhalt des Antrags, der gestern und heute verlesen worden ist, offenbar nicht gefolgt sind, denn dieser Inhalt war in seiner Essenz, die handelte in seiner Essenz von der unmittelbar pathogenen Wirkung der Isolation. Und darum geht es hier, und das ist eine medizinische Frage. Nur stelle ich jetzt zum wiederholten Male fest, daß Herr Dr. Henck offenbar entweder dieser medizinischen Frage nicht zu folgen vermag oder ihr aber ausweichen will.

Vors.:

Nein, das hat er bestimmt nicht getan.

Jetzt bitte, Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Sch[ily]:

Herr Dr. Henck. Ich würde auch verschlagen, daß also die Beurteilung dann des [bb] Gutachtens von Dr. Henck eigentlich dann der späteren Beratung vorbehalten bleibt und nicht vorweg irgendwie[cc] eine Erklärung abgegeben wird, das hat er getan, oder[dd] das hat er nicht getan.

Vors.:

Es wurde Ihm eben vorgeworfen, er wolle ausweichen.

RA Sch[ily]:

Ja eben, und das ist die Frage, ob Sie das nicht lieber Ihrer Beratung vorbehalten, wie Sie das beurteilen wollen oder ob Sie das vorweg schon hier, sozusagen in einer Art Vorwegbeurteilung.

Vors.:

Das müssen Sie dann schon dem einzelnen Richter überlassen, [376] wie weit er glaubt, sich äußern zu können.

RA Sch[ily]:

Nein, nein, Herr Vorsitzender, das überlasse ich ihm in der Tat nicht. Sondern darauf lege ich Wert, daß Sie das erst in der Beratung dann klären, wie Sie ein Gutachten beurteilen und nicht also hier vorweg.

Vors.:

Es ging nicht um das Gutachten. Es ging nur um die Behauptung, daß der Herr Sachverständige hier Fragen ausweichen wolle.

RA Sch[ily]:

Genau. Und das ist eine Frage der Beurteilung dieses Gutachtens. Das werden Sie nämlich in der Beratung zu klären haben, inwieweit Sie sich auf[ee] ein solches Gutachten dann[ff] verlassen wollen. Da spielt auch die Frage eine Rolle, ob der Sachverständige einer Frage ausweicht und da würde ich doch meinen, daß nach guten Gepflogenheiten man da keine Urteile vorwegnimmt.

Vors.:

Und ich würde meinen, daß es gut wäre, nicht gleich nach wenigen Fragen einen Sachverständigen so zu beurteilen von Ihrer Seite. Sie sollten mal sich überzeugen, ob dieses Urteil, was hier gesagt worden ist, zutrifft. Aber bitte, stellen Sie jetzt Ihre Fragen.

RA Sch[ily]:

Aber Herr Vorsitzender, ...

Vors.:

Ich habe die Pflicht, dafür zu sorgen, daß ein Zeuge und Sachverständiger hier vor Gericht nicht unnötig angegriffen wird. Sie waren eben dabei, das zu tun. Deswegen bin ich dem entgegengetreten.

RA Sch[ily]:

Aber ich bitte Sie, wo habe ich den ein Wort darüber verloren, daß irgendwas, ich habe nicht ein einziges Urteil zu der bisherigen Erklärung von Herrn Dr. Henck abgegeben.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt nicht Sie. Herr Rechtsanwalt Heldmann hat doch meine Antwort provoziert, daß der Zeuge nicht, der Sachverständige nicht ausweichen wolle, um das gehts. [377] Bitte, das ist klar, daß es Sie nicht waren. Sondern daß Herr Rechtsanwalt Heldmann im Augenblick den Vorwurf des Versuchs des Ausweichens erhoben hat. Den wollte ich zurückweisen.

RA Sch[ily]:

Im übrigen sind wir in einer anderen Position vielleicht. Vielleicht ist Ihnen das auch noch mal in Erinnerung zurückzurufen. Wir sind als Verteidiger in einer anderen Position als Sie.

Vors.:

Das weiß ich sehr wohl.

RA Sch[ily]:

Ja. Wir können vielleicht schon ein vorweggenommenes Urteil präsentieren. Das könnten wir. Ob das richtig ist, das ist eine andere Frage. Aber Sie können es auf jeden Fall als Richter nicht. Das ist eine ganz andere, da sind Sie in einer ganz anderen Situation als wir.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich danke Ihnen für diese Belehrung. Sie ist unnötig. Ich sage Ihnen nochmals, es ging lediglich darum, zu verhindern, daß ein Sachverständiger, kaum daß er hier drei Fragen beantwortet hat, schon mit dem Vorwurf überhäuft wird, er weiche aus.

Dr. H[enck]:

Ich kann die Frage noch einmal konkret beantworten, in einem Satz. Es ist richtig, daß mildere Haftbedingungen zu einem besseren Befinden führen.

RA Sch[ily]:

Ja, Herr Dr. Henck. Ist es aber nicht so, aus Ihrer medizinischen Erkenntnis, daß Aufhebung der Isolation möglicherweise, oder nicht möglicherweise, sondern notwendigerweise vorgenommen werden muß, um den Gesundheitszustand zu erhalten bzw. die Gefangenen nicht gesundheitlich zu ruinieren.

Reg. Dir. W[idera]:

Ich bitte, die Frage nicht zuzulassen.

[378] Vors.:

Können Sie den Sachzusammenhang zu der Frage, ob heute Verhandlungsunfähigkeit besteht, erläutern.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, also wenn es mir darum geht, die Verhandlungsunfähigkeit oder -fähigkeit zu überprüfen, dann finde ich, ist, was man im medizinischen Ausdruck die Anamnese nennt, oder auch deutsch ausgedrückt, Krankheitsgeschichte, vielleicht doch ein ganz wesentliches Faktum. Aus medizinischen Gutachten kenne ich das. Insoweit bin ich auch medizinischen vorgebildet. Ich habe im übrigen zwei Brüder als Ärzte, so bißchen kenne ich auch medizinische Fragen.

Vors.:

Was hat das mit der Anamnese zu tun.

RA Sch[ily]:

Nein, das hat damit zu tun, weil Sie doch irgendwann einmal bemerkt haben, was wissen Sie eigentlich von Medizin.

Vors.:

Nein. Das interessiert mich nicht.

RA Sch[ily]:

Nein, Moment, Moment, ich bin noch nicht zu Ende, darf ich zu Ende ...

Vors.:

Bitte sehr.

RA Sch[ily]:

Danke sehr. Zu der Anamnese gehören alle Ereignisse, und dazu gehören zum Beispiel Erkrankungen, Umweltbedingungen, z. B. Infektionskrankheit. Und nach meiner Auffassung gehört auch dazu, vielleicht wärs ganz nett, wenn Sie da zuhören, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Ich höre sehr wohl zu, dabei.

RA Sch[ily]:

Dazu gehört es auch, eben Bedingungen einer Isolation, die hier als Folter bezeichnet worden ist, und wenn Sie es nicht mehr begreifen können, daß Folterung von Gefangenen - etwa[gg] eine Tatsache ist, ein Indiz sein kann - und [379] muß - für die Beurteilung ihres heutigen körperlichen und psychischen Zustands, ja dann weiß ich nicht mehr. Wissen Sie, Sie kennen ja in der Tat offenbar nur die konventionellen Foltermethoden. Ich glaube nicht, wenn ich den Sachverständigen gefragt hätte, ob vielleicht für die Beurteilung der Verhandlungsfähigkeit der Gefangenen am heutigen Tage die Tatsache eine Rolle spielen kann, oder ob er die berücksichtigt hat, daß die Gefangenen mit Elektroschocks gefoltert worden sind, daß Sie da überhaupt nur sich rühren würden und fragen, ja was hat das mit der Sache zu tun. Sondern die, und da ist der Vergleich zu suchen und da setzt die Frage an, und wenn Sie das nicht begreifen wollen, ja dann müssen Sie Sich einfach mal mit diesen Dingen vertraut machen. Insofern wärs vielleicht doch vernünftiger, wir brechen jetzt die Vernehmung von Herr Dr. Henck erst mal ab und die Verfahrensbeteiligten beschäftigen sich erst mal mit dem Antrag und dem was an Unterlagen hier vorgelegt worden ist.

Reg. Dir. W[idera]:

Jetzt wird der letzten Frage erst recht widersprochen. Denn die Voraussetzungen, die Herr Rechtsanwalt Schily dargelegt hatte, sind falsch. Die Gefangenen sind im Sinne seiner Ausführung niemals gefoltert worden.

RA Sch[ily]:

Das wird so apodiktisch[hh] hier festgestellt, damit ist die Sache dann erledigt, oder wie?

Vors.:

Halt, halt, Herr Rechtsanwalt von Plottnitz. - Schalten Sie bitte das Mikrofon ab. -

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ich darf doch wohl ein Wort dazu sagen, zudem was hier vorgetragen worden ist.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, Sie sind jetzt im Augenblick doch nicht am Reden. Sie müssen doch hier mindestens bekanntgeben, daß Sie das Wort ergreifen wollen, damit ich es Ihnen zuteile.

[380] RA v[on ]P[lottnitz]:

... ist es eigentlich in der Hauptverhandlung üblich, daß auch Verfahrensbeteiligte auch mal spontan etwas äußern ...

Vors.:

Sicher, dann gehen Sie aber immer das Risiko ein, daß Ihre Worte nicht festgehalten werden für die Zukunft.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Dieses Risiko muß ich dann tragen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, das müssen Sie dann tragen. Herr Rechtsanwalt, ich kann trotz Ihrer Ausführungen nicht erkennen, welchen Zusammenhang die Frage hatte. Vielleicht habe ich die Frage falsch verstanden. Sie war doch an Herrn Dr. Henck in dem Sinne gerichtet, ob er nicht eine bestimmte Maßnahme für richtiger gehalten hätte. Oder täusche ich mich.

RA Sch[ily]:

Ich habe gefragt unter anderem, nach den Auswirkungen der Isolation und welche Rolle das gespielt hat, für die Beurteilung, seine Beurteilung, sofern sie Ihm überhaupt möglich ist, weil er ja keinerlei Untersuchungen durchgeführt hat, des körperlichen und psychischen Zustandes.

Aber ich stelle im Moment meine Frage zurück ...

Vors.:

Nein, diese Frage in dieser Form gestellt, ist doch absolut korrekt. Sie ist aber nicht gestellt worden, da wäre Ihnen nie ein Wort der Beanstandung gesprochen worden.

RA Sch[ily]:

Doch in der Form. Das hat in der Relation auch auf die Frage des milderen Mittels, spielt das auch eine Rolle natürlich.

Vors.:

Also, wenn Sie’s in dieser Form gestellt haben. Herr Sachverständiger, haben Sie die Frage verstanden, wie sie gemeint ist. Die Auswirkungen der vom Herrn Verteidiger als Isolation bezeichneten Haftbedingungen auf den[ii] psychischen und physischen Zustand - natürlich in Bezug auf die Frage der heutigen Verhandlungsfähigkeit. - [381] Das ist eine zulässige Frage.

Dr. H[enck]:

Das ist alles an sich vorher schon vorgetragen worden, in dem Antrag selbst. Das hat aber nicht in diesem Umfang vorgelegen im konkreten Fall, jedenfalls nicht in Stammheim. Ich kann mich nicht äußern über Ossendorf[16], Essen[17] oder wo[jj] noch alle gewesen waren. Sondern hier war ja gerade, auch während der Zeit des Hungerstreiks eine tägliche Kommunikation mit dem Arzt, mit Personal usw. gegeben. Es war ja nachher sogar so, daß aus anderen Gründen ein dauernder Zusammenschluß gewesen war zwischen Herrn Raspe und Herrn Baader aus anderen Gründen. Die aber dann selbstverständlich auch dazu führten, daß keine totale Trennung mehr gewesen ist. Das sind dann die Nebenerscheinungen, die sich dann ja auch abzeichnen, so daß also von dieser Isolation gerade zum Ende des Hungerstreiks oder des Eßstreiks keine Rede mehr gewesen sein kann.

RA Sch[ily]:

Sie haben die Frage nicht beantwortet. Ich stelle aber meine weiteren Fragen zunächst zurück, weil der Kollege Heldmann ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Heldmann, bitte.

RA H[eldmann]:

Ich bitte Sie, vor mir den Herrn Baader zu Wort kommen zu lassen mit einer Frage.

Vors.:

Bitte, Herr Baader.

Angekl. B[aader]:

Zunächst stelle ich einmal fest zu Widura.

Vors.:

Konnten Sie sich mal daran gewöhnen, Herr Baader, daß der Herr Widera heißt.

Angekl. B[aader]:

Oder Widera. Ich stelle jedenfalls fest, daß die Gefangenen gefoltert worden sind. Wir werden das belegen. Insofern gefoltert, ...

[382] Reg. Dir. Widera:

Herr Vorsitzender, der ...

(Lautes Durcheinandergerede)

Angekl. B[aader]:

Lassen Sie mich doch ausreden. Sie haben doch vorher auch Fragen gestellt.

Vors.:

Also Augenblick, es wird jetzt schon wieder etwas turbulent. Soviel müssen wir wohl, Herr Baader, Augenblick, es geht jetzt im Augenblick um Ihr Fragerecht. Wir müssen natürlich einem nicht rechtsbewanderten Angeklagten die Möglichkeit einräumen, Fragen vielleicht etwas langwieriger einzukleiden. Er ist nicht imstande, das Fragerecht so abzugrenzen.

Bitte Herr Baader.

Angekl. B[aader]:

Sie haben eine Methode andauernd, oder wann immer man mitten im Satz ist, über die Technik, über die Knöpfe da unter dem Pult den Ton abzudrehen. Das ist wirklich unglaublich, was Sie da machen.

Vors.:

Ich habe eben gefragt ... Herr Baader.

Angekl. B[aader]:

Darin findet nur ein Ausdruck, was wir hier überhaupt machen. Daß Sie also versuchen, permanent durch Ihr dummes Gequatsche und Verfahrensfragen ...

Vors.:

Herr Baader, Sie haben jetzt die Möglichkeit Fragen zu stellen.

Angekl. B[aader]:

... die Inhalte, die hier vermittelt werden sollen, zum Teil von uns, und zum Teil auch von den Verteidigern vermittelt werden [kk], kaputtzureden.

Reg. Dir. Widera:

Das dürfte keine Einleitung [ll] für eine Frage an den Herrn Sachverständigen sein.

Vors.:

Herr Baader ...

Angekl. B[aader]:

Aber ich wollte sagen, zu Widura, zu der Feststellung von Widura ...

[383] Vors.:

Bitte das Mikrofon abstellen.

Herr Baader, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, Sie haben jetzt die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Ich habe Ihnen gerade im Gegensatz zum Widerspruch der Bundesanwaltschaft erklärt, daß Sie Ihre Fragen länger formulieren dürften, als das üblicherweise ist. Aber Erklärungen, die sich mit mir befassen, die können mit Sicherheit keine Fragen an den Sachverständigen werden. Ich bitte Sie jetzt, Ihre Frage an den Herrn Sachverständigen zu formulieren.

Angekl. B[aader]:

Also schön. Herr Henck, Sie haben gesagt, daß es richtig sei, daß mildere Haftbedingungen zu besserem Befinden führen.

Dr. H[enck]:

Ja.

Angekl. B[aader]:

Würden Sie auch sagen, daß man diesen Satz umdrehen kann.

Dr. H[enck]:

Das letzte habe ich nicht verstanden, die Frage.

Angekl. B[aader]:

Naja, daß man diesen Satz umkehren kann nach Möglichkeit.

Vors.:

Also daß schlechtere Haftbedingungen zu schlechtem Befinden ...

Angekl. B[aader]:

Daß besonders scharfe Haftbedingungen, Haftbedingungen, zu denen ich Sie auch fragen will, ob Sie sie in Ihrer Praxis als Gefängnisarzt, ich glaube Sie sind seit 20 Jahren Gefängnisarzt, jemals irgendwo beobachtet haben, in einer Haftanstalt.

Dr. H[enck]:

Ich hab den Zusammenhang nicht verstehen können, es ist akustisch so schlecht ...

Angekl. B[aader]:

Ich wollte Sie fragen, ob das möglich ist, den Satz, den Sie gesagt haben, daß mildere Haftbedingungen zu besserem [384] Befinden führen, ob man die noch umkehren kann. Insofern, daß besonders verschärfte Haftbedingungen zu einer Zerstörung der Gesundheit der Gefangenen führt.

Dr. H[enck]:

Das versteht sich von selbst. Daß das umgekehrt auch gilt.

Angekl. B[aader]:

Und dann wollte ich Sie fragen, ob Sie in Ihrer Praxis, in Ihrer Erfahrung als Gefängnisarzt in 20 Jahren eine ähnliche Unterbringung von Gefangenen irgendwo beobachtet haben oder erlebt haben, wie dieser Gefangenen in Stuttgart im siebten Stock.

Dr. H[enck]:

Ist mir nicht bekannt. Nein.

Angekl. B[aader]:

Und dann wollte ich Sie fragen wie, also ich weiß ja nicht wie das ist, die Prozedur, aber das sollte man Ihnen vielleicht freistellen, ob Sie darauf antworten wollen:

Ob Sie Versuche unternommen haben, konkret, das, was Schily bezeichnet hat als das[mm] mildere Mittel, also ob Sie konkret Versuche unternommen haben, die Isolation im siebten Stock in Stammheim aufzuheben. Aus ärztlicher Sicht und zwar nicht nur im Zusammenhang des Hungerstreiks, sondern wohl auch möglicherweise noch danach, weil Sie aus der Kenntnis der Haftbedingungen und sagen wir mal, Ihrer medizinischen Einsicht als Psychiater, zu der Ansicht gekommen sind, diese Haftbedingungen vielleicht nicht eine unmittelbare vitale Gefährdung sind, wie Sie gesagt haben. Also unmittelbar lebensgefährlich sind, daß sie aber auf die Dauer die psychische und physische Gesundheit der Gefangenen zerstört.

Vors.:

Im Teil 1 hat die Frage wohl keinen Zusammenhang mit ... was Sie selbst getan haben, beim Senat beispielsweise. Oder an anderen Stellen nichtwahr, hat kein Zusammenhang mit der Frage, der Verhandlungsunfähigkeit. Wogegen der Teil 2 wieder auf die Frage hinauslaufen dürfte, ob diese Haftbedingungen, wie Sie hier in Stammheim praktiziert worden sind, zur Untergrabung der Gesundheit geführt haben. Was vielleicht Rückschlüsse zur [385] heutigen Verhandlungsunfähigkeit ...

RA H[eldmann]:

Zu was geführt haben?

Vors.:

Ob die Haftbedingungen wie sie in Stammheim praktiziert wurden, ob die Rückschlüsse ... oder zu einer solchen gesundheitlichen Schädigung geführt haben, daß Rückschlüsse daraus zu ziehen waren, zu der Verhandlungsunfähigkeit.

Angekl. B[aader]:

Dazu würde ich ausdrücklich sagen, „werden“. Das ist sehr wesentlich. Die minimalen Lockerungen, die Herr Henck beobachten konnte gegen Ende, oder sagen wir mal durchsetzen konnte, in einem unbeschreiblichen Kampf, würde ich schon mal sagen, weil er natürlich die Zwangsernährung loswerden wollte oder die Gefahr, daß Gefangene sterben, und daß ihm sozusagen die Verantwortung aufgeladen wird.

Vors.:

Herr Baader, jetzt kommen Sie wieder in die Feststellungen hinein.

Angekl. B[aader]:

Ich komme also zurück zu der Feststellung, die Haftbedingungen sind wieder verschärft worden. Sie werden so praktiziert ...

Vors.:

Sie sind jetzt im Augenblick nur dran, Fragen zu stellen. Ich bitte abzustellen. Herr Sachverständiger beantworten Sie diesen zweiten Teil der Frage.

Herr Rechtsanwalt Schily, bitte.

RA Sch[ily]:

... zu Teil 1. Ich glaube ich habe selber auch eine ähnliche Frage gestellt, und wenn Sie die nicht zulassen, dann ...

Vors.:

Darf dann zunächst Teil 2 beantwortet werden.

RA Sch[ily]:

Ich glaube, daß der nicht zu trennen ist, diese beiden. Das steht nämlich im unmittelbaren Zusammenhang. Ich darf vielleicht auch noch mal zur Begründung sagen, warum die [386] von Bedeutung ist. Weil das natürlich in die ganze ... das gehört in den gesamten Zusammenhang der medizinischen Haltung, des Herrn Dr. Henck. Das ist doch ganz klar. Wenn ein Sachverständiger sagt, das muß aus medizinischer Sicht geschehen, und da bestimmte Vorstöße unternimmt, dann gehört das doch in die Beurteilung, in den Beurteilungszusammenhang. Das versteht sich doch von selbst. Man kann doch das eine nicht von dem anderen trennen.

Vors.:

In welchen Beurteilungszusammenhang der Verhandlungsunfähigkeit?

RA Sch[ily]:

Fragen, die in den Auswirkungen der Haftbedingungen auf die Gesundheit, auf den körperlichen und psychischen Zustand des Gefangenen und damit weiter in der Bewertung, Auswirkung auf die Verhandlungsfähigkeit. Das ist doch, da muß man doch den logischen Zusammenhang sehen.

Vors.:

Nein. Soweit reicht dann meine Logik nicht, Herr Rechtsanwalt. Ich weiß nicht recht, warum Sie den Zusammenhang dauernd aufdecken wollen. Natürlich können Sie sich vielleicht erhoffen, daß der Eindruck entstünde, als wäre das Gericht nicht willens, solche Dinge aufzudecken. Wir sind willens. Sie können im geordneten Zusammenhang jederzeit dargelegt werden. Da besteht gar kein Grund, die zu verheimlichen. Aber hier, wo ein Sachverständiger geholt wird, um die Frage der Verhandlungsfähigkeit oder -unfähigkeit zu beurteilen, hat das keinen Sachzusammenhang. Deswegen kann ich die Frage nicht zulassen.

RA H[eldmann]:

Der Sachverhalt scheint mir wirklich nicht zu übersehen zu sein. Wenn der Sachverständige gesagt hat, die Aufhebung der verschärfenden Unterbringungsmaßnahmen, wie wir es genannt haben, der Isolationshaft mit den krankmachenden Wirkungen, die vorhin ausdrücklich durch Gutachten beschrieben und belegt worden sind, dann schließt sich daran folgerichtig die Frage, wo der Sachverständige das - als damals zuständiger Arzt - das erkannt hat. Was hat er getan, um diese pathogenen Umstände zu beseitigen. Und [387] wenn er diese Frage, und so scheint mir das ja nun nach dieser Anhörung zu verlaufen, wenn er diese Frage hat, eine unbeantwortete Frage, für sich sein lassen, dann erhebt sich für uns auf der Verteidigerbank allerdings die Frage nach der Kompetenz des Herrn Henck für diese gutachterlichen Aussagen, um die es hier geht.

Vors.:

Ja, Herr Rechtsanwalt, im Zusammenhang mit der Frage nach der Kompetenz anerkenne ich Ihre Begründung. Aber Herr Rechtsanwalt Schily wollte das ja dahin begründet wissen, daß es was mit der Frage, direkte Verbindung zu[nn] der Frage, der Verhandlungsfähigkeit zu tun habe. Im Rahmen der Kompetenz ...

RA H[eldmann]:

Damit hat er völlig recht, wenn ich das noch anfügen darf. Wo der Sachverständige sich nämlich als inkompetent aufgrund seines früheren Handelns oder Unterlassens hier herausstellt, dann ist er auch inkompetent für die Verantwortung der ganz wesentlichen Fragen, ob diese Gefangenen hier heute 1. überhaupt und 2. wenn ja, in welchem Umfang verhandlungsfähig sind. Und es fällt mir auch auf, und es wird eine meiner Fragen sein, daß Herr Henck nämlich zu der ebenfalls wesentlichen Frage überhaupt nicht geantwortet hat, ob nämlich die Gefangenen in vollem Umfang verhandlungsfähig sind, oder ob sie partiell, zeitlich beschränkt, verhandlungsfähig sind.

Und das ist die Frage, um die es in erster Linie der Verteidigung gegangen ist.

Vors.:

Die Frage nach der Kompetenz ist zulässig. Das ist selbstverständlich und im weiteren Zusammenhang wird man auch diese Frage, ob Sie den Zwang gesehen haben, irgendwelche Maßnahmen einzuleiten, um[oo] die Haftbedingungen zur Erhaltung der Gesundheit zu verbessern, zulassen. Ich bitte Sie also, in dieser Richtung die Antwort zu geben.

Dr. H[enck]:

Ich habe selbstverständlich darauf hingewiesen, daß das, was ich vorhin schon einmal gesagt habe an ver- [388] schiedenen Stellen, daß mildere Mittel, also mildere Haftbedingungen zu einem besseren Befinden führen. Selbstverständlich habe ich das getan. Das habe ich nun schon zum dritten Mal jetzt gesagt. Wie es ja umgekehrt so ist, daß strengere Haftbedingungen eben zu einem schlechteren Befinden führen. Das liegt mit drin auch im ärztlichen Konzept selbstverständlich, zu tun, wenn sich da nichts abzeichnet, dann muß ich mich eben mit dieser Situation auseinandersetzen, die gegeben ist und eben diese Zwangsernährung weiterführen. Ich kann ja nicht das herbeizaubern. Dafür bin ich nun wieder nicht mehr kompetent.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt.

RA Sch[ily]:

... und haben da entsprechende Vorstöße unternommen, Herr Dr. Henck?

Dr. H[enck]:

Ja, ich bin auch dort gewesen.

RA Sch[ily]:

Was haben Sie dort erklärt?

Dr. He[nck]:

Ich habe die Situation geschildert, wie der Gesundheitszustand ist. Wie man unter Umständen hier dazu beitragen könnte, den Hungerstreik abzuschwächen, aufzuheben, daß er aufhört oder sonst etwas.

RA Sch[ily]:

Welche Vorschläge haben Sie gemacht?

Dr. H[enck]:

Das kann ich im einzelnen jetzt nicht mehr sagen.

RA Sch[ily]:

So etwa.

Dr. H[enck]:

Etwa in dem Sinne des größeren Umschlusses. Ich kann es aber bitte nicht genau jetzt mehr sagen, weil ich das nur gedächtnismäßig wiedergeben kann. Daß man mehr zusammenkommt, vielleicht, oder daß, jetzt fällts mir noch ein, da war auch noch die Rede davon, das kam von Herrn Baader glaube ich aus, daß man aus anderen Anstalten wohl noch [389] welche Leute hier her verlegen wollte.

Vors.:

Grundmann[18], Jünschke[19] usw.

Dr. H[enck]:

Ja.

RA Sch[ily]:

Haben Sie das befürwortet? Aus medizinischer Sicht.

Dr. H[enck]:

Nein, es muß ja nicht Grundmann und Jünschke sein, sondern ...

RA Sch[ily]:

Nein, nein, ich meine, sicher die Personen spielen jetzt zunächst mal keine Rolle. Wie bitte.

Dr. H[enck]:

Ich meine, ich kenne die Art der Gruppe, die hier untergebracht ist. Herr Baader, Herr Raspe, Frau Ensslin und Frau Meinhof und bin mir schon im Laufe der Monate darüber im klaren geworden, daß alles besprochen werden soll. Man gibt kein Momentan-Entscheid. So hatte ich wenigstens den Eindruck. Sondern man nimmt das zur Kenntnis und spricht darüber gemeinsam, um[pp] dann erst nach einiger Zeit zu einem Resultat zu gelangen. Könnte ich mir vorstellen, daß, je größer die Gruppe ist, so habe ich es mir wenigstens vorgestellt, daß auch auf einer breiteren Ebene verstreut nun besprochen wird und dann zu einem Ergebnis führt, daß dann wiederum mitgeteilt wird.

RA Sch[ily]:

Das ist doch die Frage nicht, was Sie, ob Sie vorgeschlagen haben, eine größere Gruppe zu bilden, wie immer die zusammengesetzt sein soll, die dann eine ausreichende Kommunikation ... haben Sie da vielleicht sogar eine Mindestgrenze genannt, die also erforderlich ist, um sozusagen aus medizinischer Sicht die notwendige Kommunikation zu ermöglichen.

Dr. H[enck]:

Das kann sein. Das kann ich nicht genau sagen.

RA Sch[ily]:

Kann es sein, daß Sie die Mindestzahl zehn genannt haben, in dem Zusammenhang.

Dr. H[enck]:

Das kann sein, daß Herr Baader mir diese Zahl genannt hat.

[390] Vors.:

Darf ich dazu, Herr Rechtsanwalt, vielleicht die Aufklärung geben, weil das ist sicher auch bei Ihnen bekannt. Ich habe auch mit Herrn Dr. Henck selbstverständlich Gespräche geführt über die Möglichkeiten, wie man den Hungerstreik in eine Richtung lenken kann, die das Leben und die Gesundheit der Angeklagten nicht gefährdet, und das ist die Pflicht selbstverständlich.

RA Sch[ily]:

Es geht ja jetzt nicht um den Hungerstreik, sondern die Isolation.

Vors.:

Ich wollte jetzt nur, ja nun, es ging doch nur um den Hungerstreik. Es ging doch, Herr Dr. Henck ...

RA Sch[ily]:

Der Hungerstreik war ein, sozusagen ein Mittel für sich selbst, sondern das war kein ...[qq] oder wie Sie das dann vielleicht verstehen wollen. Sondern der Hungerstreik hatte ein konkretes Ziel.

Vors.:

Mit dem hatte aber der Mediziner überhaupt nichts zu tun.

RA Sch[ily]:

Vielleicht mal die Frage vorweg, Herr Dr. Henck, haben Sie denn vor Beginn des Hungerstreiks überhaupt einmal die Überlegungen angestellt darüber, welche gesundheitsschädigenden Auswirkungen die Isolation hat.

Reg. Dir. Widera:

Ich bitte wiederum, Herr Vorsitzender, diese Frage nicht zuzulassen und stelle auch ausdrücklich den Antrag.

Vors.:

Wird nicht zugelassen. Kein Sachzusammenhang zu der heutigen Frage der Verhandlungsfähigkeit.

RA Sch[ily]:

Dann bitte ich um einen Gerichtsbeschluß.[20] Dann beantrage ich einen Gerichtsbeschluß.

Vors.: (nach geheimer Umfrage)

Der Senat weist die Frage zurück, es besteht kein Sachzusammenhang zur heutigen Frage an den Herrn Sachverständigen, ob die Angeklagten verhandlungsfähig sind oder nicht.

[391] Herr Rechtsanwalt Heldmann

RA H[eldmann]:

Herr Dr. Henck, Sie sind Facharzt für Psychiatrie.

Dr. H[enck]:

Ja.

RA H[eldmann]:

Sind Sie auch Neurologe. Sind Sie auch Facharzt für Neurologie.

Dr. H[enck]:

Jawohl.

RA H[eldmann]:

Sind Sie auch Facharzt für innere Medizin.

Dr. H[enck]:

Nein.

RA H[eldmann]:

Sind Sie auch Facharzt für Urologie

Dr. H[enck]:

Ich bin ausschließlich Facharzt für Nervenheilkunde und Gemütskrankheiten.

RA H[eldmann]:

Haben Sie bei den hier angeklagten Damen und Herrn Untergewicht, und zwar aktuell, hier und heute oder gestern oder übermorgen festgestellt.

OStA Zeis:

Ich bitte die Frage nicht zuzulassen. Die Frage ist schon beantwortet und damit unzulässig.

RA H[eldmann]:

Verzeihung, ich habe nicht registriert, daß diese Frage 1. schon gestellt worden ist, und 2. daß sie als unzulässig zurückgewiesen worden wäre.

OStA Zeis:

Das habe ich auch nicht behauptet, Herr Rechtsanwalt Heldmann, Sie müssen sich auch hier daran gewöhnen, zuzuhören.

RA H[eldmann]:

Was haben Sie denn behauptet?

Vors.:

Es ist gesagt worden, die Frage sei schon gestellt und beantwortet worden. Soweit ich mich erinnere, haben Sie im Zusammenhang der Darstellung der Verhältnisse am Schluß [392] des Hungerstreiks erwähnt, daß Sie Untergewicht festgestellt hätten.

Dr. H[enck]:

Erhebliches Untergewicht.

Vors.:

Ja, erhebliches Untergewicht.

RA H[eldmann]:

Darf ich Ihnen zurückgeben, vielleicht hören Sie mal zu. Ich habe gefragt, ob jetzt zum Zeitpunkt dieser Hauptverhandlung der Arzt Dr. Henck bei den Angeklagten Untergewicht festgestellt hat.

Reg. Dir. W[idera]:

Auch diese Frage ist beantwortet worden.

OStA Zeis:

Herr Dr. Henck hat vorher geantwortet, daß er keine Möglichkeit hat ...

RA H[eldmann]:

Darf ich nun bitten, die Herrn darauf hinzuweisen, daß Sie nicht dauernd dazwischenreden.

Vors.:

Die Frage soll eben beantwortet werden. Herr Bundesanwalt wollen Sie noch irgendwie erwidern im Augenblick oder soll die Frage jetzt beantwortet werden.

OStA Zeis:

Ich widerspreche der Frage, der Zulässigkeit der Frage.

Ich habe vorhin schon ausgeführt, daß die Frage beantwortet ist und damit unzulässig. Der Herr Sachverständige hat vorhin ausgeführt, daß er in der letzten Zeit keine Möglichkeit gehabt hat, die Angeklagten zu wiegen.

Vors.:

Schön.

OStA Zeis:

Und mit Gewalt wollte er es nicht vornehmen. Damit ist die Frage eindeutig beantwortet und auch eindeutig unzulässig, Herr Rechtsanwalt Heldmann.

RA H[eldmann]:

Meine Frage ist natürlich nicht beantwortet, ob anläßlich, es geht hier darum, ob in diesen Tagen, dieser Hauptverhandlung, ärztliche Erkenntnisse vorliegen.

[393] Reg. Dir. W[idera]:

Der Herr Vorsitzende hat erklärt, daß Herr Dr. Henck in Urlaub war und heute aus dem selbigen hergeholt wurde.

Vors.:

Soviel ist doch wohl klar, Herr Rechtsanwalt Heldmann, daß Herr Dr. Henck nicht imstande war, in den letzten Tagen in denen er sich auswärts befand, irgendwelche Untersuchungen vorzunehmen. Wenn die Frage dahingeht, ob er etwa aus dem heutigen äußeren Eindruck irgendein Untergewicht feststellen kann, in dieser Form würde man die Frage zulassen können.

RA H[eldmann]:

1. Herr Vorsitzender, und damit der Herr Bundesanwalt es endlich begreift. 1. hat der Sachverständige gesagt, er hat die Angeklagten nach Beginn der Hauptverhandlung nämlich am 22., 23., und 26.5. zwar nicht untersucht, doch zumindest konsultiert.

2. Ist es nicht zwingend eine Aufgabe eines approbierten Arztes, Gewichte festzustellen, das macht in der Arztpraxis normalerweise die Krankenschwester. Also meine Frage bleibt, ist durch Sie oder einer Ihrer Gehilfen bei den Angeklagten zu den letzten Behandlungszeitpunkten, nämlich 22. bis 26.5. Untergewicht festgestellt worden.

Vors.:

Ich bitte um Beantwortung.

Dr. H[enck]:

Es konnte nicht gewogen werden. Normalerweise läßt sich jeder Patient wiegen. Aber das war ja hier nicht möglich.

RA H[eldmann]:

Also nein.

Dr. H[enck]:

Nein.

RA H[eldmann]:

Meine nächste Frage gilt für denselben Zeitraum. Haben Sie Blutdruckwerte genommen.

Dr. H[enck]:

Nein. Es wurde also jede Untersuchung verweigert, bisher.

Es wurde auch schon darüber gesprochen, daß man eventuell bereit sei, so sagte es mir Herr Baader wiederholt, er wolle [394] sich das noch überlegen, vereinzelte Untersuchungen, die eben notwendig erscheinen, bei sich vornehmen zulassen. Blutdruckmessung beispielsweise.

RA H[eldmann]:

Haben Sie, Herr Sachverständiger im fraglichen Zeitraum ...

Dr. H[enck]:

Nein, es war ja noch nicht entschieden von Herrn Baader darüber, ob diese Blutdruckmessung von ihm zugelassen werden wird.

RA H[eldmann]:

Diese Frage haben Sie beantwortet. Ich bin bei der nächsten. Haben Sie in dem fraglichen Zeitraum 22. bis 26.5. Feststellungen über die Kreislaufbeschaffenheit machen können.

Dr. H[enck]:

Ich habe diese Frage schon dreimal beantwortet, daß keine Untersuchungsmöglichkeiten gegeben waren. Wegen der Weigerung seitens des Herrn Baader, Raspe, Ensslin und Frau Meinhof.

RA H[eldmann]:

Das heißt also, auch nicht über Herzbefund, auch nicht über die Frage einer hochgradigen vegetativen Dystonie.

Reg. Dir. W[idera]:

Wie oft soll er das noch sagen.

RA H[eldmann]:

Meine nächste Frage ist die, welche medizinischen Feststellungen haben Sie über das Nierenleiden des Herrn Baader.

Dr. H[enck]:

Ich habe Ihm wenigstens die Möglichkeit gegeben, sich selbst zu kontrollieren, durch Teststreifen. Im Hinblick auf diese Urinuntersuchungen. Ich selbst konnte keine Untersuchung vornehmen lassen. Den Urin unter Zwang zu entnehmen, das kann man nicht tun. Und deswegen sind mir auch hier, die Wege versperrt gewesen, Untersuchungen vorzunehmen.

RA H[eldmann]:

Können Sie eine Urämie[rr] ausschließen.

Dr. H[enck]:

Die kann ich bei der derzeitigen Ernährungslage mit fast an die Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließen. Aber [ss] das Allgemeinbefinden kann nämlich sehr rapide [395] schlechter werden, so wie eben bei Flüssigkeitsentzug, das sehr schnell auch der Fall ist.

RA H[eldmann]:

Haben Sie mit den hier angeklagten Damen und Herrn während der Zeit, in der Sie sie kennen, längere Gespräche geführt?

Dr. H[enck]:

Es sind auch längere Gespräche geführt worden. Wobei länger ein sehr gedehnter Begriff ist, es hat auch mal 20-Minuten-Gespräche gegeben, warum nicht.

RA H[eldmann]:

Meinen Sie damit, daß 20-Minuten-Gespräche die Gespräche von der längsten Dauer waren?

Dr. H[enck]:

Bitte, was?

RA H[eldmann]:

Meinen Sie, daß die 20 Minuten die längsten Gespräche waren?

Dr. H[enck]:

Nein, es kann auch länger gewesen sein.

Eine halbe Stunde oder auch 40 Minuten. Das weiß ich nicht, ich habe das nicht gemessen. Ich kann das nur schätzen, aus dem Gedächtnis her.

RA H[eldmann]:

Aber Sie haben nun spezifische Feststellungen treffen können zur Konzentrationsfähigkeit der Angeklagten.

Dr. H[enck]:

Konzentrationsstörungen habe ich nie feststellen können. Echte Konzentrationsstörungen nachhaltiger Art.

RA Sch[ily]:

Haben Sie darüber gezielte Untersuchungen angestellt?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, übernehmen Sie jetzt das Fragerecht? Gut zum Protokoll.

RA Sch[ily]:

Nein, Herr Vorsitzender, wenn das dann der Sinn der Mikrofonanlage ist, daß wir also nicht mal so zwischendurch eine Frage stellen können, das geht nun nicht.

[396]Vors.:

Herr Rechtsanwalt, das ist nicht der Sinn.

RA Sch[ily]:

Ich mein, ich versuche mich hier irgendwie durch Mimik, aber ich kann natürlich nicht immer, Herr Lehrer, also bitte, das geht nun wirklich nicht. Ich versuche mich durch Mimik einigermaßen klar hier verständlich zu machen, daß ich mich zu Wort melde.

Vors.:

Sie müssen bedenken, es sind Schreibkräfte, die Sie nicht kennen, die das Protokoll schreiben. D.h., es ist notwendig, daß ich sage, wer nun im Augenblick spricht. Ich glaube nicht, daß die schon imstande sind, alle Stimmen auseinanderzuhalten. Das ist der einzige Grund. Das ist nicht Sinn der Mikrofonanlage, sondern bloß Sinn, daß das Protokoll ordnungsgemäß geschrieben werden kann.

Bitte.

Angekl. B[aader]:

Ist es nicht vielleicht auch der Sinn, daß Sie die Möglichkeit haben, uns hier das Wort abzuschneiden ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, bitte.

Angekl. B[aader]:

Es ist doch Tatsache, daß wir uns das Wort sozusagen nicht nehmen können, weder zu Erklärungen noch zu Fragen ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, wollen Sie jetzt die Frage stellen ...

Angekl. B[aader]:

Weder zu Erklärungen noch zu Fragen ...

Vors.:

Herr Baader, Sie sind ...

Angekl. B[aader]:

Daß die Bundesanwaltschaft aber die Möglichkeit hat, über einen eigenen Knopf unter dem Pult sich jederzeit mit Erklärungen, die nicht zur Sache gehören, wie vorhin Widera, in die Verhandlung einzuschalten. Dann stellen Sie das doch mal ab.

Vors.:

Herr Baader ...

[397] Angekl. B[aader]:

Dann stellen Sie insofern die Verteidigung der Bundesanwaltschaft gleich und die Angeklagten auch, insofern sie sich selbst verteidigen.

Vors.:

Ihr Verhalten in der Verhandlung hat bisher bewiesen, daß es notwendig ist, Ihnen gelegentlich das Wort auf diese Weise zu dämpfen, abzuschneiden ist bisher noch nicht gelungen.

RA Sch[ily]:

Herr Dr. Henck, halten Sie es nicht, oder welche Untersuchungen haben Sie angestellt, um irgendwelche Ergebnisse erzielen zu können, oder Beurteilungen vornehmen zu können, hinsichtlich der Konzentrationsfähigkeit.

Finden Sie die Frage lächerlich, Herr Dr. Henck.

Dr. H[enck]:

Nur auf Grund von ...

RA Sch[ily]:

Herr Dr. Henck, ich habe noch eine Zwischenfrage. Finden Sie diese Frage lächerlich.

Dr. H[enck]:

Was, bitte.

RA Sch[ily]:

Ob Sie die Frage lächerlich finden.

Weil Sie eben darüber so in ein kleines Lachen ausgebrochen sind.

Dr. H[enck]:

Nein, nein, nein. Ich würde sagen, ich konnte nur aufgrund von explorativ[tt] gewonnenen Erkenntnissen, kann ich sagen, ...

RA Sch[ily]:

Auf was? Jetzt habe ich das akustisch nicht verstanden.

Dr. H[enck]:

Aufgrund von explorativ gewonnenen Erkenntnissen[uu], aufgrund der mit Herrn Baader und anderen geführten Gesprächen.

Angekl. B[aader]:

Das war doch keine Exploration. Das können Sie doch nun wirklich nicht sagen, daß das explorative Gespräche waren.

[398] Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, darf ich Sie bitten, vielleicht Ihre Frage zu verfolgen. Vielleicht könnten Sie sich selbst dagegen, wenn Sie’s wollen, wehren, daß man Ihr Fragerecht hier immer unterbricht.

RA Sch[ily]:

Ich finde es mitunter sinnvoll, daß auch durchaus ein anderer Verteidiger und auch einer der Angeklagten, der das ja aus unmittelbarer Kenntnis weiß, ich war ja bei diesen Gesprächen nicht zugegen, vielleicht doch dazu beisteuert, daß wir hier zu einer richtigen Beurteilung des Sachverhalts kommen.

Vors.:

Mag ja sein, aber Sie werden mir zugeben, so könnte die Verhandlung leicht in ein Palaver ausarten, das wollen wir nicht haben.

RA Sch[ily]:

Nein, ein Palaver, das wollen wir auch nicht. Sondern wir wollen die Klärung der Wahrheit.

Vors.:

Ja, ja.

RA Sch[ily]:

Die Klärung der Wahrheit.

Vors.:

Jetzt, Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, Ihre Frage.

RA Sch[ily]:

Was heißt ja ja?

Vors.:

Bitte?

RA Sch[ily]:

Was heißt ja ja?

Vors.:

Ja, ja wir auch.

RA Sch[ily]:

Herr Dr. Henck, welche Untersuchungen ... wollen Sie denn die Gespräche, die Sie beiläufig geführt haben, als Exploration bezeichnen?

Dr. H[enck]:

Das ist mißverstanden von Ihnen, Herr Verteidiger.

[399] RA Sch[ily]:

Sondern?

Dr. H[enck]:

Ich habe keine Explorationen durchgeführt, sondern aufgrund von explorativ gewonnenen Erkenntnissen, das ist ein glatter Unterschied. Explorativ gewonnene Erkenntnisse heißt, gesprächshalber gewonnene Erkenntnisse, das ist keine gezielte Exploration, sondern ein Gespräch. Das meine ich hier mit den explorativ gewonnenen Erkenntnissen.

RA Sch[ily]:

Also, explorativ gewonnene Erkenntnisse sind zwar nicht aufgrund von Explorationen zustande gekommen, aber sie sind gleichwohl explorativ gewonnen.

Dr. H[enck]:

Wenn Sie so wollen, ja.

Vors.:

Ich bitte im Gerichtssaal Ruhe zu bewahren. Ich habe es bis jetzt jeden Tag sagen müssen. Soviel Verständnis müssen Sie haben, daß Sie zuhören können, aber daß Sie nicht durch Miß- oder Beifallskundgebungen hier den Ablauf stören dürfen.

RA Sch[ily]:

Was heißt denn dann das Wort „Explorativ“ überhaupt, neu in dem Zusammenhang?

Dr. H[enck]:

Lassen wir es weg, und nennen wir es gesprächshalber gewonnene Erkenntnisse, Herr Verteidiger.

RA Sch[ily]:

Nein, nein. Sie haben doch vorher gesagt, explorativ gewonnene Erkenntnisse.

Dr. H[enck]:

Lassen wir es weg. Ich korrigiere mich und sage gesprächshalber gewonnene Erkenntnisse.

RA Sch[ily]:

Ja. Und ist es nicht so, daß eigentlich verläßliche medizinische Erkenntnisse nur aufgrund exakter Untersuchungen gewonnen werden können?

Dr. H[enck]:

Ich erlaube mir, das Ihnen gegenüber noch weiter einzuschränken und zu sagen, Teilerkenntnisse. Natürlich ist es [400] nicht vollkommen, weil ich keine Tests machen konnte.

RA Sch[ily]:

Ist also nicht vollkommen.

Dr. H[enck]:

Beileibe nicht. Ich kann ja keine Konzentrationstests durchführen.

RA Sch[ily]:

Ja.

Dr. H[enck]:

Ich konnte überhaupt keine Untersuchungen durchführen.

RA Sch[ily]:

Sie konnten überhaupt keine Untersuchungen durchführen.

Dr. H[enck]:

Nein. Bis auf Zwangswiegen und Zwangsernähren, weiter konnte ich nichts tun.

RA Sch[ily]:

Haben Sie aus diesem Grunde befürwortet, Herr Dr. Henck, daß die Gefangenen durch Ärzte ihres[vv] Vertrauen untersucht werden.

Dr. H[enck]:

Die Vorschläge wurden mir nicht unterbreitet. Davon habe ich nur Kenntnis bekommen, daß Ärzte des[ww] Vertrauen genannt worden war.

RA Sch[ily]:

Haben Sie das befürwortet?

Dr. H[enck]:

Das ist, glaube ich, in den letzten Tagen gerade von mir befürwortet worden, wo ich in Urlaub gegangen war, in der Form, daß pathologische Untersuchungsbefunde dem behandelnden Arzt mitgeteilt werden sollen. Und zwar nach den Hamburger Modellen. Bitte, nach dem Hamburger Modell, da wird es genauso gehandhabt.

RA Sch[ily]:

Würden Sie der Meinung sein, daß eine verläßliche, vom medizinischen Standpunkt, verläßliche Urteilsbildung aufgrund solcher Untersuchungen durch Ärzte des Vertrauens besser möglich ist oder überhaupt erst möglich ist.

OStA Zeis:

Was hat diese Frage mit der Verhandlungsfähigkeit der [401] Angeklagten zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu tun, Herr Rechtsanwalt Schily aus Berlin, lassen Sie mich bitte ausreden.

RA Sch[ily]:

Ja, gerne. Bitte.

OStA Zeis:

Wenn Sie’s nicht erklären können, dann beantrage ich die Frage als unzulässig zurückzuweisen.

RA v[on ]P[lottnitz]:

... immer gesagt, und wir sollten doch möglichst unsere Fingerchen zeigen und höflichst darum bitten. Herr Dr. Zeis kann hier dazwischen schreien, so wie es ihm gerade paßt, oder wie.

Angekl. B[aader]:

Naja, er hat doch illustriert, was ich gerade gesagt habe ... die Herrn des Verfahrens, das ist die Bundesanwaltschaft, und es[xx] gibt den Herrn die Mikrofone, das ist Herr Prinzing.

Vors.:

Ach lassen Sie doch Ihre dummen[yy] Witzchen, Herr Baader. Ich bitte, da keine Antwort darauf zu geben. Das hat keinen Sinn. Selbstverständlich gehe ich davon aus, und ich weise auch darauf hin, daß auch die Bundesanwaltschaft angemeldet sein muß im Protokoll. Hier ist es auch nicht möglich, daß die Schreibkräfte unterscheiden können, wer sich im Augenblick meldet. Aber es ist klar, daß die Möglichkeit, den Antrag zu stellen, Fragen nicht zuzulassen, relativ rasch gestellt werden muß. Ich wäre allerdings dankbar, wenn man auch ganz kurz eine Anrede ... machen würde.

Reg. Dir. W[idera]:

Herr Vorsitzender, das geht leider ...

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, darf ich ums Wort bitten.

Reg. Dir. W[idera]:

Herr Vorsitzender, ich habe jetzt angefangen zu reden ...

RA Sch[ily]:

Zu dieser Frage, zu dieser technischen Frage ...

Vors.:

Das wird wunderbar für das Protokoll dieses gegenseitige Gespräch.

[402] RA Sch[ily]:

Ich hab versucht, hier mit der Hand zu winken.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich glaube im Ernst, man muß hier schon die Priorität wahren und die lag nun in der Tat bei der Bundesanwaltschaft. Hier wurde zuerst begonnen mit dem Reden. Ich, es tut mir leid, ich habe Ihr Handzeichen nicht gesehen. Ich dachte nicht, daß Sie annehmen könnten, ich wollte damit Ihre Rede beschneiden.

Reg. Dir. W[idera]:

Herr Vorsitzender, es ist leider nicht möglich, vorher ein Zeichen zu geben, und zwar deshalb nicht, weil der Herr Sachverständige sich hinwendet zu den Herrn Rechtsanwälten dort drüben, und sofort antwortet, ohne daß eine Kontrolle durch Sie vorher geschehen kann und dann müssen wir so dazwischen gehen, daß geht leider nicht anders.

Vors.:

Ich will also sehen, daß ich mein Verfahren ...

RA v[on ]P[lottnitz]:

... wünschen Sie eine Kontrolle der Zeugen hier, durch den Vorsitzenden.

Reg. Dir. W[idera]:

Nicht der Zeugen ... und hier sitzt ein Sachverständiger nicht Sachverständigen durch den Vorsitzenden, sondern ich wünsche eine Kontrolle ...

Vors.:

Bitte, Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Sch[ily]:

Jetzt müßte man vielleicht sagen ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, damit das ...

Vors.:[zz]

... Habe ich gesagt.

RA Sch[ily]:

Vielen Dank.

Vors.:

Es ist Ihnen entgangen ...

RA Sch[ily]:

Ja, das ist mir dann entgangen. Es fällt auf, das muß man [403] einfach mal deutlich aussprechen, daß mehrfach Herr Bundesanwalt Zeis, Herr Regierungsdirektor Widera und auch die anderen Herrn von der Bundesanwaltschaft sich das Wort genommen haben und noch in keinem Fall, in keinem Fall, wir haben jetzt den vierten, oder fünften Verhandlungstag, noch in keinem einzigen Fall gesagt worden ist, ja, ich möchte Sie doch bitten und das Protokoll, ich weiß nicht, ob vielleicht da die Protokollführer vielleicht vorher Sprechproben der Bundesanwälte bekommen haben, daß Sie vielleicht insoweit das Unterscheidungsvermögen haben. Aber sonst bin ich bereit, hier auch eine halbe Stunde zu opfern und die Herrn Protokollführer mit meiner Stimme vertraut zu machen.

Reg. Dir. W[idera]:

Herr Vorsitzender, darf ich Herrn Rechtsanwalt Schily sagen, es ist nicht so, daß die Protokollführer unsere Stimmen auseinanderhalten können. Es hätte Ihnen auffallen müssen, daß die von Herrn Zeis abgegebenen Erklärung im Protokoll läuft unter der Überschrift, die sei von Herrn Dr. Wunder abgegeben.

Vors.:

Ich darf aber[aaa] vielleicht noch auf Eines hinweisen, Herr Rechtsanwalt. Sie haben ja eben beanstandet, noch nicht einmal sei die Bundesanwaltschaft in ähnlicher Weise wie die Verteidigung gerügt worden. Wenn die Verteidigung sich bisher in so bescheidenem Maße durch Zwischenrufe an Verhandlungen beteiligt hatten, wie es bisher die Bundesanwaltschaft gemacht hat. Sie können es im Protokoll, wenn Sie wollen mal nachzählen, dann hätte ich nie Grund gehabt, bei Ihnen einzugreifen. Selbstverständlich ist es mir selbst unangenehm, immer wieder darauf hinweisen zu müssen. Aber bei Ihnen war es doch so, daß zunächst mal alle Vier hintereinander oft kamen. Da mußte die Unterscheidung strenger durchgeführt werden.

Bitte, Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Sch[ily]:

Die hatte vielleicht keinen[bbb] Anlaß zu diesen Zwischenrufen.

Das ist der Punkt. Aber vielleicht können wir doch wieder zu der Frage zurückkehren ...

Vors.:

Ich bin gerne bereit, bloß Herr Rechtsanwalt von Plottnitz will im Augenblick noch eine Frage stellen.

[404] RA v[on ]P[lottnitz]:

Ich möchte auch noch mal die Frage stellen, die von dem Herrn Baader bereits gestellt worden ist:

Ist es denn richtig, daß die Herrn von der Bundesanwaltschaft über so etwas, wie eine eigene Mikrofonanlage hier verfügen. Das ist also im Gegensatz etwa zu dem, was mit den Gefangenen möglich ist, bei denen der Satz „abstellen!“, ohne Erfolg bleiben würde.

Vors.:

Ich kenne die technische Einrichtung nicht.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ich sehe, die Herrn greifen manchmal elegant unter den Tisch und ich vermute, daß läßt auf eine selbständige Mikrofonanlage hindeuten.

Vors.:

Sie haben doch auch einen[ccc] Drücker wohl.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ja. Aber nicht unterm Tisch.

Vors.:

Naja, gut also, aber Sie haben einen.

Darf ich Sie, Herr Rechtsanwalt um folgendes bitten jetzt. Wir wollen jetzt möglichst die Vernehmung von Herrn Dr. Henck weiterführen. Sie sind selbstverständlich berechtigt, nachher auf diese Frage zurückzukommen, aber jetzt sind wir in der Vernehmung von Herrn Dr. Henck. Ich bitte, das zu berücksichtigen, auch der Herr Sachverständige der sich in Urlaub befindet, hat wohl ein Recht darauf, daß er zügig, jetzt verwende ich das Wort schon wieder, das da offenbar mißfallen erregt, gefragt wird.

RA Sch[ily]:

... es ist um 12 die Mittagspause eingetreten. Ich glaube nicht, daß wir vor der ... Ich weiß nicht, wie Sie das heute handhaben wollen, wir haben, glaube ich, noch eine ganze Reihe Fragen an Herrn Dr. Henck.

Vors.:

Können Sie ungefähr beurteilen, wie lange Sie noch Zeit benötigen, denn davon hängt’s nun ab, ob wir jetzt in die Mittagspause eintreten oder nicht.

RA Sch[ily]:

Also ich würde sagen, noch mindestens eine halbe Stunde, [405] soweit ich auch hier die ... vielleicht sogar noch länger. Ich höre gerade, daß die Angeklagten auch noch Fragen haben.

Vors.:

Es ist aber so, wir müssen ja ...

RA Sch[ily]:

Und der Kollege Heldmann, Sie haben Ja diesen Zeitpunkt genannt, 15 Uhr, wenn ich das richtig jetzt noch von heute Morgen im Kopf habe, also ich nehme an, daß man bis dahin sicherlich ...

Vors.:

Da war noch an etwas anderes dabei gedacht, nämlich, daß unter Umständen Herr Henck hier länger bleiben müßte, um auch die Angeklagten in Ihren Bewegungen und Handlungen hier zu beobachten, deswegen sprach ich von 15 Uhr, um da eine gewisse Zeitspanne einzuräumen. Ich glaube, es wäre doch notwendig, denn wir haben nachher noch die Stellungnahme der Bundesanwaltschaft zu erwarten. Es wäre sehr günstig, wenn wir in die Mittagspause gehen könnten und dann anschließend die Stellungnahme von Ihnen bekämen, zu den Anträgen. Da müssen wir ja ohnehin warten wahrscheinlich, so daß eine lange Mittagspause zustande kommt, auch wenn Sie später beginnt. Ich würde also bitten, jetzt mit der Befragung fortzufahren.

RA Sch[ily]:

Also ich will diese eine Frage auf jeden Fall noch vorwegstellen, aber ich fürchte, daß wir sonst nicht zu Rande kommen.

Ende von Band 14

[406-482][21] [483] Aber vielleicht können wir ... Bei der Frage würde ich ganz gerne nochmal bleiben, die jetzt gerade der Herr Bundesanwalt Zeis beanstandet hat. Jetzt ist das leider ein bißchen untergegangen. Wenn Sie so nett sind, Herr Bundesanwalt Zeis, das nochmal zu wiederholen, was Sie nun eigentlich für Entrüstungen da produzieren, zu dieser Frage.

Vors.:

Darf ich nochmals die Frage erfahren, dann kann ich gleich sagen, ob wir sie wohl für zulässig ansehen können.

RA Sch[ily]:

Die Frage lautete so: Ob nicht nach Meinung von Herrn Dr. Henck, der ja die Untersuchung der Gefangenen durch Ärzte ihres Vertrauens befürwortet, wenn diese Ergebnisse dieser Untersuchungen vorliegen, eine verläßlichere Beurteilung des Gesundheitszustandes für möglich hält, die also dann auch zu verläßlicheren Kriterien hinsichtlich der Beurteilung der Verhandlungsfähigkeit oder der begrenzten Verhandlungsfähigkeit führen würden.

Vors.:

In[ddd] der Form zulässig, bitte.

Dr. Henck:

Die würden bestenfalls, soweit es sich um die Verhandlungsfähigkeit handelt, meine Annahme bestätigen können.

RA Sch[ily]:

Wie bitte? Können sie bestenfalls bestätigen? Was soll denn das, also ...

Dr. H[enck]:

Die Verhandlungsfähigkeit bestätigen. Die kann man auch verfestigen durch Tests, durch Konzentrationstests und was weiß ich, vielleicht was für Untersuchungen. Es gibt[eee] auch eine Erfahrungswissenschaft in der Medizin. Erfahrungswissenschaftliche Dinge, die eine ganz erhebliche Rolle spielen und nicht nur die Testuntersuchungen, die der Psychologe durchführt, um sagen zu können, ob eine Verhandlungs- [484] fähigkeit gegeben ist oder nicht.

RA Sch[ily]:

Ja ...

Dr. H[enck]:

Im vorliegenden Falle - verzeihen Sie - ich würde sagen, daß die Tests, also irgendwelche Tests, Untersuchungen also echt durchgeführt und echt beantwortet werden - also der Betreffende mitmacht aktiv - um wirklich den Sinn seiner Wesensmäßigkeit richtig zu erfassen, daß dann bestätigt würde, was ich aufgrund der erfahrungswissenschaftlichen Erkenntnisse dazu zu sagen habe, nämlich, daß eine Verhandlungsfähigkeit gegeben ist.

RA Sch[ily]:

Ja, daß ... Können Sie denn ... Ist das ... Entspricht das Ihren medizinischen Kenntnissen, daß Sie sozusagen eine prophetische Vorhersage machen, bevor Sie die Untersuchung durchgeführt haben?

Dr. H[enck]:

Das ist kein Prophetentum, das ist eine Erfahrungswissenschaft, Herr Verteidiger.

RA Sch[ily]:

Erfahrungswissenschaft. Sagen Sie mal, das nennen Sie eine exakte Wissenschaft?

Dr. H[enck]:

Die Medizin ist ausschließlich Erfahrungswissenschaft, Herr Verteidiger. Sie haben ...

RA. Sch.:

Ja, ja sicher ...

Dr. H[enck]:

... die Ärzte sind.

RA Sch[ily]:

Ja.

Und wofür gibt es dann die Tests?

Dr. H[enck]:

Um das zu bestätigen, die Frage zu beantworten ...

[485] RA Sch[ily]:

Was heißt denn in dem Zusammenhang eigentlich bestenfalls oder schlimmstenfalls? Was soll ich aus Ihrer Antwort da entnehmen?

Dr. H[enck]:

Das kann ich nicht wissen, was Sie aus meiner Antwort entnehmen.

RA Sch[ily]:

Nein, ich wollte Sie bitten, das zu erläutern, was Sie in dem Zusammenhang mit bestenfalls meinen.

Dr. H[enck]:

Bitte was?

RA Sch[ily]:

Sie sagten doch bestenfalls, kann das meine ...

Dr. H[enck]:

Bestätigen, bestätigen.

RA Sch[ily]:

Ja, eben und was meinen Sie mit dem Ausdruck bestenfalls?

Wie wär’s denn schlimmstenfalls?

Dr. H[enck]:

Das kommt auf den Standpunkt an. Ich kann auch schlimmstenfalls sagen, wenn Sie wollen.

RA Sch[ily]:

Ja, welchen Standpunkt nehmen Sie denn ein Herr Doktor?

Dr. H[enck]:

Dann laß ich das Wort wieder weg und sage es könne das [fff] bestätigen, und lassen das „bestenfalls“ weg.

RA Sch[ily]:

Na, so was kommt doch nicht zufällig. Sie werden doch Ihre Worte, daß ... Sie können es doch nicht einfach wegwischen Herr Doktor.

Dr. H[enck]:

Ich werde in Zukunft mich bemühen, meine Worte immer ... in Zukunft ...

RA Sch[ily]:

Ja, aber ich würde Sie dann doch bitten, daß Sie zunächst mal erläutern und daß Sie es nicht einfach unter den Tisch fallen lassen, was Sie mit den Worten „bestenfalls“ meinen.

[486] Reg. Dir. W[idera]:

Herr Vorsitzender, der Herr Sachverständige hat erläutert, er hat dann das Wort zurückgenommen ... (RA Schily ruft etwas dazwischen) ... ich bitte die Frage nicht zuzulassen.

Vors.:

Herr Bundesanwalt, es tritt jetzt wieder das alte Problem ein. Ich räume ein, ich weiß selbst nicht wie ich das[ggg] steuern soll. Ich kann natürlich nicht dauernd[hhh] mit dem Kopf hin und her streifen, um zu sehen, ob irgendwelche Einwände bestehen.

(Reg. Dir. Widera erwidert etwas, aber das Mikrophon ist abgeschaltet)

RA Sch[ily]:

Och, Sie haben eine ganz volltönende Stimme, Herr Widera.

Vors.:

Herr Sachverständiger, wenn Sie weitere Antwort darauf geben wollen, auf diese Frage, und können, wenn Sie sich auf den Standpunkt stellen[iii], ich habe tatsächlich alles beantwortet, ich kann nichts mehr dazu sagen ...

Dr. H[enck]:

Ich kann das[jjj] nicht ... Ich nehme das „bestenfalls“ zurück um keine Werte ... um keine Werturteile hier abzugeben.

RA Sch[ily]:

Ja wie sind Sie ... aber ich ... Nein, nein darauf beharre ich. Sie können nicht einfach so ein Werturteil jetzt wieder in der Tasche verschwinden lassen. Sie haben es ja nun auf den Tisch gelegt. Ich verharre darauf, daß Sie das erläutern.

Dr. H[enck]:

Herr Verteidiger, ich habe es auch wieder vom Tisch weggenommen.

RA Sch[ily]:

Naja, das geht eben nicht, das geht eben nicht. Wenn Sie so eine Formulierung wählen, dann möchte ich wissen, was Sie damit meinen.

Dr. H[enck]:

Ich habe keine Meinung dazu, weil ich es wieder weggenommen habe.

RA Sch[ily]:

Wollen Sie diese Meinung damit verstecken?

[487] Dr. H[enck]:

Ich will damit nichts verstecken, ich habe das Wort zurückgenommen, weil es unter Umständen zu falschen Schlüssen bei Ihnen führen konnte.

RA Sch[ily]:

Oder bei jemand anders, ja.

Dr. H[enck]:

Das mag auch sein.

(Zwischenruf)

RA Sch[ily]:

Also ich hab vorläufig keine Fragen mehr. Der Kollege Heldmann oder ich glaube ...

Vors.:

Ja nun, wer die Fragen stellt im Augenblick Herr Rechtsanwalt, noch muß ich das wohl bestimmen?

RA Sch[ily]:

Ja natürlich, ich wollte nur zum Ausdruck bringen, daß ich Moment keine Fragen habe.

Vors.:

Ja, aber Sie wollten schon weitere Fragerechte erteilen, das geht ja nun nicht ...

RA Sch[ily]:

Nein, ich hab nur darauf aufmerksam machen wollen, daß Herr Kollege Heldmann Fragen hat, damit nicht ...

Vors.:

Schön. Herr Rechtsanwalt Heldmann bitte.

RA H[eldmann]:

Wenn Sie erlauben, daß zunächst, bevor ich meine letzten vier Fragen stelle, Herr Baader eine Frage stellt.

Keine Bedenken. Herr Baader.

Angekl. B[aader]:

Herr Henck, könnte das sein, daß Ihre Wahrnehmungsfähigkeit sozusagen beeinflußt ist, durch Ihre Funktion des Angestelltenverhältnisses, in dem Sie sich befinden?

Dr. H[enck]:

Ich habe kein Wort über Beamtenverhältnis, Angestelltenverhältnis verstanden, sondern Fähigkeiten.

[488] Angekl. B[aader]:

Ja, nochmal. Das ist sehr schade.

Dr. H[enck]:

Vielleicht gehen Sie etwas ...

Angekl. B[aader]:

Ich wollte Sie fragen, ob es sein kann, daß Ihre Wahrnehmungsfähigkeit sozusagen beeinflußt ist, durch das Beamtenverhältnis. Das kann schon sein, oder bzw. das Angestelltenverhältnis, bzw. ...

BA W[under]:

Die Bundesanwaltschaft bittet ums Wort.

Vors.:

Der Herr Bundesanwalt, bitte.

BA W[under]:

Ich beantrage

diese Frage nicht zuzulassen;

sie hat[kkk] wirklich, sie hat[lll] nun wirklich keine Berechtigung, an sich.

Angekl. B[aader]:

Ja dann erklären Sie ... dann erklären Sie doch bitte zunächst ...

Vors.:

Augenblick Herr Baader, Herr Baader lassen Sie doch. Es wird ja jetzt sofort entschieden.

Angekl. B[aader]:

Ja, das ist ja nur ein Teil davon.

Vors.:

Die Frage wird für zulässig erachtet und zwar einfach deswegen, weil sie sich auch an die Kompetenz richtet, es kommt darauf an. Die Frage lautet im Grunde genommen, ob sich etwa Herr Dr. Henck durch sein Verhältnis innerhalb des Staatsdienstes verpflichtet fühlt, in einer bestimmten Richtung, sein Gutachten abzugeben. Die Frage darf gestellt werden.

Dr. H[enck]:

Das ist selbstverständlich, daß das überhaupt keinen[mmm] Einfluß darauf hat. Ich bin primär Arzt und sonst nichts.

[489] Vors.:

Herr Baader, bitte.

Angekl. B[aader]:

Aber da ... das ignoriere ... ja. Aber Herr Henck, ist es richtig, daß das, daß Sie gewissermaßen doch in dem Angestelltenverhältnis, oder in dem Beamtenverhältnis, in dem Sie sind, in eine Situation kommen und zwar permanent kommen, in die Ärzte im Allgemeinen nicht kommen? Nämlich, in ein besonderes Verhältnis, also ... ja würde ich mal sagen, ein besonderes Zwangsverhältnis zum Gefangenen.

Denn das ist doch im Allgemeinen üblich, kann man sagen ...

Dr. H[enck]:

Die jetzigen Entscheidungen werden vom Arzt getroffen, auch im Beamtenverhältnis oder im Angestelltenverhältnis.

Angekl. B[aader]:

Aber im Allgemeinen ist es doch üblich, daß ein Arzt, einen Patienten nicht gegen dessen Willen behandeln darf, bzw. traktieren darf.

Dr. H[enck]:

Kann das sein, daß ...

Angekl. B[aader]:

Bei Ihnen ist aber doch Tatsache, daß Sie fünf Monate lang mit Ihren Schläuchen die Gefangenen gegen deren Willen traktiert haben.

Vors.:

Die Frage ist nicht zulässig, die ...

Angekl. B[aader]:

Und darin drückt sich doch ein besonderes Zwangsverhältnis aus, daß sozusagen von dem üblichen Arzt-Patientenverhältnis wesentlich unterschieden ist.

Vors.:

Die Fragen, über die ärztlichen Pflichten haben nichts zu tun mit der Frage der Verhandlungsfähigkeit.

Angekl. B[aader]:

Und das würde ich wiederrum sagen, könnten doch[nnn] vielleicht auf den ... ein Licht werfen, auf die Beurteilung die Herr Henck hier abgibt.

Vors.:

Ja, nicht zulässig die Frage, ich habe es eben begründet. Sie haben nicht zugehört Herr Baader. Herr Rechtsanwalt [490] Heldmann bitte.

RA H[eldmann]:

Herr Dr. Henck, über Ihre Gespräche, die Sie zu dem[ooo] Ziel geführt haben, wie ich Sie verstanden habe, die Konzentrationsfähigkeit der Angeklagten festzustellen, die Sie auch gelegentlich als Exploration bezeichnet hatten. Haben Sie über diese Gespräche Aufzeichnungen gemacht?

Dr. H[enck]:

Ob ich davon Aufzeichnungen gemacht habe?

RA H[eldmann]:

Ob Sie Aufzeichnungen darüber gemacht haben?

Dr. H[enck]:

Im Krankenblatt sind keine Aufzeichnungen darüber enthalten, das halte ich auch nicht für notwendig, denn das gehörte nicht zum Zentralproblem des Führens eines allgemeinen Krankenblatts. Wenn solche Fragen nachher auftauchen, dann werde ich als Sachverständiger schon Stellung zu nehmen wissen.

RA H[eldmann]:

Meine nächste Frage. Haben Sie eventuell in Ihrer langjährigen Anstaltsarztzeit eigene Forschungen zu der medizinischen Problematik sensorischer[ppp] Deprivation[qqq] angestellt?

Dr. H[enck]:

Selbstverständlich, aber noch nichts publiziert, aber auch sehr viel darüber gelesen gerade jetzt im Zusammenhang mit dem Problem, was aufgeworfen worden ist mit der sensorischen Deprivation[rrr] im Zusammenhang dieses gesamten Verfahrens überhaupt. Das ist ganz klar. Und zwar angefangen vom Bürgerhospital in Stuttgart bis Nürnberg, es sind ja verschiedene Arbeiten erschienen ... Holland, mit denen habe ich mich selbstverständlich auseinandergesetzt und das Ergebnis hatte ich ja schon vorhin unterbreitet, was für eine Meinung ich mir daraus eben gebildet habe, daß eben mildere Haftbedingungen ein besseres Befinden nach sich führen, nach sich ziehen.

[491] RA H[eldmann]:

Hab ich Sie jetzt richtig verstanden, was eigentlich erst meine nächste Frage sein sollte. Sie kennen die Forschungsarbeiten zu diesem Problemkreis, zu diesem medizinischen Problemkreis?

Dr. H[enck]:

Ja. Also sicherlich nicht alle.

RA H[eldmann]:

Kennen Sie diejenigen, die Frau Kollegin Becker heute in ihrem hier verlesenen Antrag zitiert hat?

Dr. H[enck]:

Das ist mir zu schnell, ich kann ... ich konnte eben nicht allen Namen folgen. Ich muß das wieder nachschlagen. Ich habe eine riesen Registratur zu Hause, um[sss] das nachzusehen, ob ich das schon gelesen habe. Das kann ich nicht alles im Kopf behalten. Ich lese dafür sehr viel und kann deswegen diese Frage, ob ich einen bestimmten Autor schon einmal gelesen habe, gar nicht beantworten im Moment.

RA H[eldmann]:

Aber nach ...

RA Sch[ily]:

... Herr Rechtsanwalt vorschlagen, daß [ttt] eine[uuu] Kopie des Antrages hergestellt wird, Herrn Dr. Henck zur Verfügung gestellt wird, und daß die Frage dann zurückgestellt wird, und dann beantwortet, nachdem er die ... den Antrag in vollem Wortlaut schriftlich vor sich hat.

Vors.:

Ja bitte, zunächst mal die Fragen, wir werden dann auf das nochmals zurückkommen.

RA H[eldmann]:

Meine nächste Frage. Nachdem Sie diese Literatur, von der Sie eben gesprochen haben, zur Kenntnis genommen haben, sind Sie nicht, etwa dieser Literatur folgend, zu der medizinischen Erkenntnis gekommen, daß Umweltbedingungen, die solche sensorische Deprivation[vvv] ausschließlich monokausal bedingen, daß solche Umweltbedingungen pathogen sind.

Dr. H[enck]:

Sie können pathogen werden, selbstverständlich.

[492] RA H[eldmann]:

Und haben Sie nun in den konkreten Fällen, nicht die ... der ... Sind Sie in den konkreten Fällen hier nicht der Frage nachgegangen, ob pathogene Wirkungen, bei den hier vier angeklagten Damen und Herren dadurch eingetreten sind?

Dr. H[enck]:

Das sind ... Das muß man ja nicht ... das so ... so mono... kann man das gar nicht nach meiner Auffassung sehen, sondern das können sehr viele Faktoren zugleich ... zu einer gleichen ähnlichen Symptomatik führen. Das muß nicht eine sensorische Deprivation[www] sein, die beispielsweise zu einem Autismus, oder zu einem, zu Wahnvorstellungen führt, oder daß der ... wie Frau Meinhof das ausdrückt, der Kopf platze, das Gehirn wegrutscht oder irgend etwas. Es sind ja auch[xxx] immerhin eine ganze Reihe von subjektiven Empfindungen da drin zu erblicken, daß während des Vorgangs, während dieses Erlebnisses, sogenannte Assoziationen erfolgen. Zu früheren Erlebnissen, die nun in einem verschärften Maße wahrgenommen werden und je weniger Sinnesreize in einem Moment einwirken oder längere Zeit, um so mehr werden diese kleinen Sinneseindrücke verstärkt nun erlebt, gefühlt, je nachdem wie man das formulieren will und das kann auch zu ...

Angekl. B[aader]:

... weil das genau ... Gehirnwäsche hält, was Sie hier ausbreiten.

Vors.:

Sie haben jetzt ... Sie haben ... Herr Baader, Herr Baader ...

Angekl. B[aader]:

Das genau ist die Wissenschaft ...

Vors.:

... wenn Sie weiterhin unterbrechen, werden Sie ausgeschlossen werden müssen. Herr Baader ich verwarne Sie, wenn Sie weiterhin unterbrechen, werden Sie ausgeschlossen werden müssen. Ich glaube aber, Sie haben ein Interesse zuzuhören, was gesagt wird.

Dr. H[enck]:

Es ist aber auch gesagt worden, daß wenn man die zweite Reihe schreibt schon die erste vergessen hat, umgekehrt aber auch sagt, daß man beispielsweise, wenn man irgend- [493] welche Musik hört, die schon als Tresat gelte oder als Gehirnwäsche. Das geht also so weit auseinander, nach beiden Richtungen, was vorgetragen wurde, daß man abschließend sagen muß, daß eben ein multifaktorielles Bündel, also viele Ursachen zu ähnlichen Symptomatiken[yyy] führen können, selbstverständlich.

RA H[eldmann]:

Ich möchte in diesem Moment mit Ihrem Einverständnis nicht weiter fragen, sondern ich möchte die Frage stellen, um deren Beantwortung, um die ich Dr. Henck[zzz] nach Ende dieser Pause bitten werde, nämlich welche Spezialliteratur zu dem Problemkreis, sensorischer Deprivation[aaaa], er gelesen und verarbeitet hat.

Vors.:

Ja, wir werden uns mal überlegen, ob das erforderlich ist, aber vorsichtshalber wird Herr Dr. Henck einen Durchschlag bekommen, eine Ablichtung von diesen Werken, die aufgezählt worden sind, oder Frau Rechtsanwältin Becker, Sie haben’s vorgetragen. Sind Ihnen die Werke geläufig? Ist jemand der Herrn Verteidiger irgendwie diese Aufzählung geläufig?

RA’in B[ecker]:

Die sind im Text drin, ich hab ...

Vors.:

Haben Sie sie denn selbst ... Naja das hat mit der Sache nichts zu tun. Herr Dr. Henck, wir müssen Sie aufgrund dieser Frage, die möglicherweise noch an Sie gestellt werden soll, bitten, daß Sie doch nach der Mittagspause noch zur Verfügung stehen. Ich bedauere es sehr, daß wir Ihre Urlaubszeit so beschneiden müssen.

Sind keine Fragen im Augenblick mehr?

RA v[on] P[lottnitz]:

Doch ja, daß sichergestellt ist, daß nachmittags noch Fragen gestellt werden können, sonst müßten wir jetzt ... Ich hätte auch noch Fragen zu stellen.

Vors.:

Es war eben von einer Frage, die Herr Rechtsanwalt Heldmann noch stellen wollte, die Rede.

RA v[on] P[lottnitz]:

Nein, ich hätte noch Fragen.

[494] RA H[eldmann]:

Nein, ich habe gesagt, daß ich mit dieser Frage, die selbstverständlich nicht sofort beantwortet werden kann, meine Befragung unterbreche, um uns allen eine Mittagspause zu gewährleisten.

Vors.:

Ich hatte es anders verstanden. Ich dachte es so, daß Sie meinen, Sie wollten dann nach der Mittagspause mit dieser Frage nochmals kommen, weil Herr Dr. Henck im Augenblick nicht imstande ist[bbbb], die Werke zu erkennen, auf die Sie sich beziehen.

RA H[eldmann]:

Noch kann ich jetzt im Moment noch nicht erkennen, ob sich was von den beiden Antworten von Herrn Dr. Henck nicht etwa weitere Fragen ergeben könnten. Ich habe noch eine Bitte an das Gericht, daß den Gefangenen für die zweite Stunde der Mittagspause, der Umschluß gewährt wird.

Vors.:

Wobei wir uns darüber im Klaren sind, gestern ist es ja schiefgelaufen, daß das eine Rückführung hierher bedeutet und daß das[cccc] dann hier geschieht im Vorraum, nicht? Das war gestern nicht die Absicht des Gerichts, daß das nun geschehen ist und andererseits der Umschluß nicht gewährt wurde. Das ging ja irgendwie ein bißchen durcheinander, aber es ist ja auch nicht so schlimm.

Läßt sich das von Seiten der Haftanstalt machen? Das wäre also eine Rückführung, wenn wir jetzt eine Mittagspause bis um 14.30 Uhr einlegen. Oder könnten wir um 14.00 Uhr schon fortfahren? Oder sollen jetzt Fragen noch gestellt werden?

RA H[eldmann]:

Nein, 14.30 Uhr bitte.

RA v[on] P[lottnitz]:

... des Sachverständigen ...

Vors.:

Ja, es ist bei uns so, wir können natürlich so viel Zeit nicht mehr an die Befragung anhangen. Sie müssen begreifen, daß wir heute zumindest die Stellungnahme der Bundesanwaltschaft [495] brauchen.

Und ich sehe also schon hier zeitlich jetzt schwarz, deswegen wenn Sie Fragen haben, warum nicht jetzt noch stellen?

RA v[on] P[lottnitz]:

... Mandanten, bereits seit 9.00 Uhr wird jetzt wieder verhandelt, weil die Mandanten das Bedürfnis und das Interesse daran haben, jetzt Mittag zu essen.

Vors.:

Sowohl das Bedürfnis, wie das Interesse teilen wir, aber hier sind eben die Aufgaben, die zu erledigen sind, doch vorrangig.

RA v[on] P[lottnitz]:

Ja, Herr Vorsitzender, Herr Dr. Henck muß doch ohnedies wiederkommen, wir haben’s doch gehört.

Vors.:

Ja, aber wir wollen nicht die Zeit verlieren. Wir wollen ja nicht nachher, wenn wir nach der Mittagspause wieder zusammenkommen, zunächst wieder uns[dddd] mit Herrn Dr. Henck ... nun ewig lang ist übertrieben, aber zu lang ...

RA v[on] P[lottnitz]:

Aber wir können uns doch nicht daran ... wir können nicht hier einen abstrakten Zeitvorstellungen orientieren, wir müssen uns ...

Vors.:

Ja heißt das, mit anderen Worten, Sie ...

RA v[on] P[lottnitz]:

Von dem ... vom sachlichen, von dem was wir sachlich zu fragen haben hier orientieren, wieviel Zeit es auch in Anspruch nehmen mag, das ist es ...

Vors.:

Haben Sie jetzt sachliche Fragen?

RA v[on] P[lottnitz]:

Ich habe jetzt sachliche Fragen, die ich dann nach Tisch stellen werde.

Vors.:

Nein, die stellen Sie jetzt. Wir unterbrechen jetzt noch nicht.

RA Sch[ily]:

... die Zeit reicht nicht, aber ob wir‘s jetzt vorweg machen, oder nachher, die Zeit ist doch immer dieselbe.

[496] Vors.:

Nein Herr Rechtsanwalt deswegen nicht. Ich würde Ihnen rechtgeben, wenn ich nicht absolut Willens wäre um 14.30 Uhr auf jeden Fall fortzufahren, ...

RA Sch[ily]:

Gut, Ja.

Vors.:

... d. h. wenn wir jetzt noch Fragen haben, dann gewinnen wir die Zeit durch eine Verkürzung der Mittagspause. Deswegen wäre es eben doch besser ...

RA Sch[ily]:

Ja sicherlich, nur ich muß Ihnen, ich darf Ihnen das ruhig ankündigen, daß die Verteidigung beabsichtigt, hinsichtlich Herrn Dr. Henck, einen bestimmten Antrag zu stellen und ...

Vors.:

Gut, wenn Sie etwas ausarbeiten müssen, das war ja die Frage, aber Herr Rechtsanwalt von Plottnitz sagte doch er habe Fragen. Die könnten zumindest erledigt werden. Bitte stellen Sie die Fragen noch, die Sie jetzt sachlich haben.

RA v[on] P[lottnitz]:

Also zunächst wollte Herr Raspe etwas sagen zur Frage.

Vors.:

Ja, Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, Sie haben im Augenblick das Fragerecht ...

RA v[on] P[lottnitz]:

Ja, ich bitte, dem Herrn Raspe Gelegenheit zu geben etwas zu sagen.

Vors.:

An Ihrer Stelle, oder ...?

RA v[on] P[lottnitz]:

Nicht an meiner Stelle. In seinem eigenen Namen.

Angekl. R[aspe]:

Ja, ich wollte nur sagen, daß ich ein Interesse habe, aufgrund der Tatsache, daß das seit 9.00 Uhr bereits läuft hier und zwar ist es das Interesse von uns allen, daß jetzt die Unterbrechung gemacht wird ...

Vors.:

Ich bestätige Ihnen das Interesse, aber wir haben eben im Augenblick die Zeit nicht, wenn Herr Rechtsanwalt von Plottnitz [497] seine Fragen noch stellen wollte.

Angekl. R[aspe]:

... und daß er die Fragen natürlich in meinem und unserem Interesse nachher dann stellen würde.

Angekl. B[aader]:

Hören Sie nochmal ein Gegensatz, also zu dem was Herr Henck sieht ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz hat im Augenblick das Fragerecht.

Angekl. B[aader]:

... lassen Sie mich doch mal ... Es betrifft unmittelbar die ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, Sie haben das Fragerecht im Augenblick.

RA v[on] P[lottnitz]:

Ich ziehe es vor, die Fragen[eeee] heute nachmittag zu stellen, wenn ich ... weil sich der Inhalt auch ergeben wird, aus dem was der Professor ... Dr. Henck sagen wird, zu der Frage die Dr. ... die Heldmann gestellt hat.

Vors.:

Dann bedauere ich, dann müssen wir um 14.00 Uhr fortsetzen. Wir unterbrechen dann die Sitzung bis 14.00 Uhr. Die Angeklagten sind, sobald sie es wünschen, wieder zurückzubringen hierher, nach der Verpflegung drüben[ffff] und können sich hier aufhalten.

RA v[on] P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, das ist wieder[gggg] die Praxis der Prozeßstrafen hier, was Sie machen. Das ist die Praxis der Prozeßstrafen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, das weise ich zurück. Es ist die Notwendigkeit, daß wir unsere Verhandlungszeit ausnützen.

Beamter der VA:

Es muß also mindestens eine Stunde Pause sein.

Vors.:

Ja sicher.

Beamter der VA:

... es geht also nicht früher.

[498] Vors.:

Geht nicht früher. Es tut mir leid nicht wahr, also mir wäre es lieb gewesen, wir hätten das noch vorziehen können. So müssen wir um 14.00 Uhr fortsetzen und die Zeit, die Sie haben Herr Bubeck ... Herr Bubeck, die Zeit, die Sie nach der Verpflegung haben, die kann man dann hier zusammen zu bringen lassen. So eine halbe Stunde vorher.

- Ende der Vormittagssitzung[hhhh] um 12.27 Uhr. -

Ende Band 15

[499] Fortsetzung der Verhandlung nachmittags 14.10 Uhr.

Besetzung: Wie heute morgen.

Vors.:

Können wir die Anhörung des Herrn Sachverständigen fortsetzen, es waren ja noch Fragen von Ihnen gewünscht, Herr RA v[on ]P[lottnitz].

RA v[on ]P[lottnitz]:

... Herrn Baader dahingehend geeinigt, daß Herr Baader zunächst eine Frage stellt an den Herrn Dr. Henck.

Vors.:

Bittesehr.

Angekl. B[aader]:

Ja, das ist eine Frage an Herrn Henck, also zu seiner Qualifikation. Herr Henck, Sie haben den Gefangenen gegenüber, das war sozusagen, das war sozusagen (er wiederholte sich) Ihr Credo, mit dem Sie immer wieder versucht haben, zu einer Untersuchung der Gefangenen zu kommen. Sie würden, falls ein Gefangener haft- bzw. verhandlungsunfähig ist, würden Sie das sozusagen auch gutachtlich äußern, und Sie würden natürlich auch dafür Sorge tragen, daß Ihrem Gutachten entsprochen wird. Ist das richtig?

Dr. Henck:

Wenn von mir eine Haftunfähigkeit, eine Verhandlungsunfähigkeit festgestellt wird, dann wird von mir automatisch die Sache dem Vorstand mitgeteilt, der das an die zuständige Stelle weiterleitet.

Angekl. B[aader]:

Na ja, dann ist aber die Tatsache doch, Herr Henck, daß Siegfried Hausner, oder ich formuliere es besser als Frage: Würden Sie sagen, daß Siegfried Hausner, der hier vor kurzem in der Haftanstalt in Stuttgart-Stammheim in Ihrer Behandlung gestorben ist,[22] daß der haftfähig war?

Dr. H[enck]:

Er war weder haft- noch transportfähig.

Angekl. B[aader]:

Ja, wieso war er denn dann in Haft?

Dr. H[enck]:

Er war noch nicht mal vernehmungsfähig. Das habe ich auch [500] mitgeteilt.

Angekl. B[aader]:

Wieso war er denn nicht in einem Krankenhaus. Wieso war er in ...

Vors.:

Das hat mit der Frage, Herr Baader, Ihrer Verhandlungsfähigkeit nichts zu tun.

Angekl. B[aader]:

Das hat aber mit der Frage der Qualifikation von Herrn Henck zu tun.

Vors.:

Das hat es nicht.

Angekl. B[aader]:

Denn wenn er ... Aber ohne Zweifel. Wenn Herr Henck sagt ... Herr Henck hat hier unsere Haft- und Verhandlungsfähigkeit festzustellen. Das heißt, er behauptet sie zunächst. Das steht doch in einem unmittelbaren Zusammenhang. Das sind die[iiii] Kriterien der Haftfähigkeit für Herrn Henck, werden daran transparent ... Haftunfähigkeit ...

Vors.:

Es geht doch um ... Es geht doch um Ihre Verhandlung ...

Angekl. B[aader]:

... ist offensichtlich entweder für Herrn Henck oder sozusagen für seine Funktion, für seine Zuständigkeit nur gegeben, oder erst gegeben, wenn der Gefangene tot ist.

Vors.:

Die Frage, ob Hausner verhandlungsfähig gewesen wäre, ist nie aufgetaucht, weil es zu keiner Verhandlung kommen konnte.

Angekl. B[aader]:

Aber es ist doch die Frage der Haftfähigkeit, um die es hier zunächst konkret auch geht.

Vors.:

Es geht aber hier um die Frage der Verhandlungsfähigkeit.

Angekl. B[aader]:

Würden Sie sagen, würden Sie vielleicht doch annehmen, oder mal unterstellen, daß Haft, also daß die Bedingung von Verhandlungsfähigkeit Haftfähigkeit ist.

[501] Dr. H[enck]:

Das sind zwei verschiedene Dinge.

Angekl. B[aader]:

Oder umgekehrt.

Dr. H[enck]:

Das sind zwei verschiedene Dinge. Es kann einer akut erkrankt sein, ist deswegen nicht verhandlungsfähig.

Angekl. B[aader]:

Er ist dann aber noch haftfähig.

Vors.:

Der kann ... Verzeihung, Sie wollten ...

Angekl. B[aader]:

Ja, aber jemand der nicht mehr haftfähig ist, würden Sie sagen, der ist verhandlungsfähig.

Dr. H[enck]:

Ich bei Siegfried Hausner lediglich gesagt, ...

Angekl. B[aader]:

Er kann verhandlungsfähig sein.

Dr. H[enck]:

Daß er vernehmungsunfähig ist, verhandlungsunfähig ist.

Deswegen ist auch keine richtige ...

Angekl. B[aader]:

Na ja also, das ist doch identisch in dem Fall.

Vors.:

Es ist sicher nicht identisch, aber die Frage ist von Herrn Sachverständigen ...

Angekl. B[aader]:

In der Beziehung, in der es hier gesetzt wird von dem Gegenstand der Verhandlung, ist es identisch.

Dr. H[enck]:

Ich habe die Frage nicht verstanden.

Angekl. B[aader]:

Dann wollte ich noch fragen, Herr Henck. Na ja, ich frage also nochmal ... na ja, ich frage nochmal, Herr Henck. Würden Sie sagen, daß Siegfried Hausner haft- oder ver- [502] handlungsfähig war.

Dr. H[enck]:

Ich brauchte zunächst erst mal festzustellen in einem konkreten Zusammenhang, daß er nicht vernehmungsfähig ist.

Das ist geschehen, das ist zu Protokoll genommen worden, und damit war die Sache insoweit erledigt. Nach der Haftfähigkeit bin ich nicht gefragt worden. Ich muß aber gleich sagen, nach meiner Auffassung ist er nicht haftfähig, aber auch nicht transportfähig gewesen. Infolgedessen mußte er ohnehin dort erst mal verbleiben zur weiteren Behandlung.

Angekl. B[aader]:

Also das wäre dann nicht sozusagen Ihre Aufgabe als Arzt gewesen, die Aufnahme in eine, also in eine Haftanstalt die noch nicht mal Haftkrankenhaus ist, in eine Haftanstalt abzulehnen und dafür Sorge zu tragen, daß er in ein Krankenhaus kommt, nachdem er nicht haftfähig war, Ihrer Einschätzung nach.

Vors.:

Kein Zusammenhang mit der Frage nach Ihrer Verhandlungsfähigkeit (Angekl. B[aader] redet dazwischen), deswegen wird die Frage nicht zugelassen.

Angekl. B[aader]:

Herr Prinzing, das ist doch eine Frage (verbessert sich).

Es geht nicht um die Frage der Verhandlungsfähigkeit, es geht hier jetzt um die Frage der Qualifikation dieses Gutachters.

Vors.:

Nein, es geht im Augenblick darum, daß Sie ihn[jjjj] gewisse Pflichten abfragen wollen und die Fragen ...

Angekl. B[aader]:

... Ich möchte hier, ich möchte hier klarstellen, daß die Kriterien, nach denen Herr Henck Haft- oder Verhandlungsfähigkeit beurteilt, offenbar keine medizinischen sind.

Vors.:

Es kommt nur darauf an, welche Beurteilungsmaßstäbe ein Sachverständiger hat, wenn man seine Kompetenz klären will, [503] welches Wissen er besitzt, nicht in welcher Form er dieses Wissen in Pflichten umsetzt. Sie fragen ständig nach Pflichten. Herr Rechtsanwalt Heldmann bitte.

RA H[eldmann]:

Wenn Sie erlauben. Es kommt darauf an, wie er als Arzt ärztlich handelt. Das ist der Sinn von Herrn Baaders Frage.

Vors.:

Es wäre etwas anderes, wenn Sie sagen wollten, daß Herr, daß der Herr Sachverständige ein verantwortungsloser Arzt ist und deswegen nicht imstande sei, beispielsweise hier, ein verantwortliches Gutachten abzugeben.

RA H[eldmann]:

Wie käme ich dazu, so etwas zu sagen.

Vors.:

Eben ...

RA H[eldmann]:

... möglicherweise war die Antwort auf Herrn Baaders Frage, eine solche Erkenntnis zutage fördern, und darauf kommt es an.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Herr V., das, was Sie sagen, würde darauf hinauslaufen, auf die Feststellung, daß die Sachkunde eines Arztes nur nach diagnostischen, nicht nach therapeutischen Fähigkeiten zu bestimmen ist. Das ist zweifellos unrichtig. Beide Fähigkeiten, also auch die Anwendung von Wissen, das hat nichts mit Pflichten zu tun, die Anwendung von Wissen im Sinne von Therapien gehören zur Sachkunde eines Sachverständigen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily bitte.

RA Sch[ily]:

Ja ...

Vors.:

Ja, ich kann jetzt wiederum ... habe ich Schwierigkeiten, ich muß es, wie gesagt, wegen des Protokolls doch zuteilen. Rechtsanwalt Schily bitte.

RA Sch[ily]:

Ja, Sie übersehen meiner Meinung nach Herr Vorsitzender, [504] daß wir gar nicht immer vorweg eine Behauptung aufstellen, sondern wir stellen eine Frage, und ich glaube klarer, wie es der Kollege von Plottnitz ausgedrückt hat, kann man es nicht mehr ausdrücken. Natürlich, die Kompetenz [kkkk] eines Sachverständigen hängt auch davon ab, nicht nur von seinen theoretischen Kenntnissen, sondern auch wie er therapeutisch tätig geworden ist. Nicht wahr, was er mit seinen Kenntnissen nun eigentlich, wie er danach verfährt oder nicht verfährt. Das ist doch eigentlich ganz eindeutig. Die Frage von Herrn Baader richtete sich eben nach diesem Punkt, auf diesen Punkt.

Vors.:

Es geht hier um die Erkenntnismöglichkeiten[llll] eines Sachverständigen. Es geht nicht um seinen Pflichtenkreis und wie er ihn betrachtet, Herr Rechtanwalt.

RA Sch[ily]:

Aber Herr Vorsitzender, es geht doch nur sicherlich darum [mmmm]. Also ein [nnnn] Sachverständiger hat vielleicht die glänzenden Erkenntnismöglichkeiten, aber er verfährt danach nicht. Und ich glaube, das ist also dann sicherlich eine wichtige, (verbessert sich) ein wichtiger Punkt für die Beurteilung der Kompetenz eines Sachverständigen, wie er sich dann therapeutisch verhält.

Vors.:

Würden Sie meinen, daß es möglich wäre, die Kompetenz eines Sachverständigen dadurch zu überprüfen, die Kompetenz zur Beurteilung einer Verhandlungsfähigkeit, daß Sie die Behandlungsmethoden aller Ihnen greifbaren Fälle nachprüften und ihn abfragten, warum er da nicht das oder jenes gemacht habe.

RA Sch[ily]:

Wir können sicher, (verbessert sich) das würde ich für zulässig halten, daß man bestimmte Beispiele nennt und ihn danach befragt, wenn man also Anhaltspunkte dafür zu haben glaubt, daß da vielleicht die Therapie nicht richtig angewandt worden ist. Das glaube ich schon, ja.

Vors.:

Will die Bundesanwaltschaft zu dieser Frage sich äußern.

[505] Reg. Dir. W[idera]:

Ich hätte, wenn ich nicht der Auffassung wäre, daß die Frage von Herrn Baader längst beantwortet ist, beantragt, die Frage nicht zuzulassen. Aber der Sachverständige hat bereits gesagt, er hat Hausner nicht nur für haftunfähig sondern auch für transportunfähig gehalten. Und wenn jemand für transportunfähig gehalten wird, dann ist die Frage von Herrn Baader meines Erachtens beantwortet.

Vors.:

Gut, wir konnten jetzt fortfahren. Herr Baader.

Angekl. B[aader]:

Er ist ja in dieses Gefängnis in die ...

Reg. Dr. W[idera]:

Das wiederum lag nicht im Bereich des Herrn Sachverständigen, den Sie vor sich haben.

Angekl. B[aader]:

Unverständlich.[23]

Vors.:

Schön, aber wir werden ...

Reg. Dir. W[idera]:

Das ist Ihre Auffassung.

RA Sch[ily]:

... gar nicht gefragt worden.

Vors.:

Sicherlich werden Sie aber die Kompetenz des Sachverständigen nicht dadurch feststellen können, daß sie sich jetzt nach dem Verhalten der Bundesanwaltschaft, so wie es aussieht, erkundigen wollen. Bitte Herr Baader, weitere Fragen.

Angekl. B[aader]:

Kann ich dazu. Es ist sehr einfach, wir wollen hier feststellen, oder wir möchten mit den Fragen darauf aus, daß Herr Henck möglicherweise Zwängen unterliegt, die eben nicht Zwänge sind seines medizinischen Fachwissens.

Vors.:

Das Recht haben Sie ...

Angekl. B[aader]:

... sondern die in seiner Funktion begründet sind. In seiner [506] explizierten Funktion als Gefängnisarzt in einem nochmal, (verbessert sich) in einer nochmal besonderen Situation dadurch, daß er Gefangene zu behandeln hat, die, wie er vorhin selbst ausdrücklich gesagt hat, in Haftbedingungen gehalten werden, die er in seiner zwanzigjährigen Praxis als Gefängnisarzt nirgendwo kennengelernt hat.

Vors.:

Herr Baader, Sie haben das Recht, wenn Sie glauben, Anhaltspunkte dafür zu haben, daß der Sachverständige hier kein freies Gutachten abgeben kann, sich danach zu erkundigen.

Wir wollen mal sehen ...

Angekl. B[aader]:

Ja, das ist ja meine Bemühung.

Vors.:

Bitte, fragen Sie weiter.

Angekl. B[aader]:

Ich habe im Moment keine Fragen.

Vors.:

Sind weitere Fragen, Herr Rechtsanwalt Heldmann, bitte.

RA H[eldmann]:

Die Verteidigung hat im Moment keine weiteren Fragen. Die Verteidigung bittet, einen Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen Dr. Henck zu Protokoll geben zu dürfen.

Vors.:

Darf ich nur noch sagen, es war heute früh mal das Gespräch davon, ob Sie abklären wollen, welche Literatur aus der von Ihnen zitierten Literatur sich der Sachverständige angeeignet habe. Sind Sie an dem im Augenblick nicht mehr interessiert?

RA H[eldmann]:

Doch, wenn der[oooo] Herr Sachverständige mittlerweile sich einen Überblick hat verschaffen können, wäre ich sehr daran interessiert.

Dr. H[enck]:

Die[pppp] können natürlich jetzt nicht vollständig, in der Kürze der Zeit, sein. Es ist kein Mensch zu Hause gewesen. Also jedenfalls, ich habe einiges zusammengetragen hier.

Vors.:

Bitte entschuldigen Sie[qqqq], Herr Rechtsanwalt Schily.

[507] RA Sch[ily]:

Ich kann das akustisch nicht verstehen.

Dr. H[enck]:

Jetzt geht es vielleicht besser, ja. So besser ... etwas leise.

Vors.:

Ihr Mikrophon anstellen, abstellen, das ist sehr wichtig, denn das Mikrophon, die Anlage verträgt nicht mehr als 3 oder 4 nebeneinander eingeschaltete Mikrophone, sonst wird es schlecht.

Dr. H[enck]:

Ich habe also einen wesentlichen Teil dieser Literatur zusammengestellt eben, in der Kürze der Zeit. Es erstreckt sich einmal auf ... Isolation und sensorische Deprivation, die programmierte Folter. Sie wissen, wo das gedruckt steht. Von Ulrich Preuss: Antrag auf Abschaffung des toten Trakts;[24] Brief einer Gefangenen aus dem toten Trakt, alles in einer einzigen Zeitschrift, in einem einzigen Exemplar veröffentlicht, in einer gewissen Dokumentation. Der tote Trakt ist ein Folterinstrument. Das sind also auch verschiedene Beiträge zu, (verbessert sich) niedergelegt. Dann zum zweiten, ... muß sehen, daß das jetzt nicht doppelt ist. Ja das habe ich nämlich nochmal hier auch ... als Foltermethode.

Von dem holländischen Facharzt für Psychiatrie ist es nochmal ausführlicher hier wiedergegeben. Dann als nächstes, zunächst erst mal über ... 32 mit verschiedenen Ausführungen da drinnen. Dann vom Folterlexikon von hier, dann den Kampf gegen die Vernichtungs... Kampf gegen die Vernichtungskraft, Kraft heißt das wohl. Ich kann das nicht mehr genau, jetzt hier, Sie kennen das Buch, was ich meine. Wo eine Reihe von Veröffentlichungen sind, auch vom medizinischen her, im Zusammenhang mit der sensorischen Deprivation hinzukommen, dann verschiedene Bücher von ... über Aggression und Anpassung, über Krankheit als Konflikt Band 1, Band 2, dann Massenpsychologie oder ohne Ressentiments, dann von Moser viele Bücher, Gespräche mit Eingeschlossenen. Repressive Kriminalpsychiatrie, dann Memminger [508] aus Amerika, aus den Staaten, Strafe ein Verbrechen ...

Vors.:

Sind Sie an einer weiteren Aufzählung interessiert. Es sind also offensichtlich nicht die speziellen Titel, oder zum Teil mindestens nicht, die[rrrr] hier verwendet werden.

RA H[eldmann]:

Der Herr Sachverständige hat zu meiner Verwunderung ein einziges medizinisches Werk genannt, das eines holländischen Facharztes, das aber, wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Henck, nicht im Original kennengelernt hat ... [ssss], sondern per Sekundärliteratur.

Ist das richtig?

Dr. H[enck]:

Dies ist insoweit richtig, daß ... Meinen Sie jetzt Memminger, ja?

RA H[eldmann]:

Nein.

Memminger ist der amerikanische Schriftsteller, der über die Fragwürdigkeit der Kriminalstrafe, aber nicht über sensorische Deprivation[tttt] geschrieben hat. Und meine Frage ging auch dahin, welche Spezialliteratur, wie sie beispielsweise in dem heute übergebenen Antragsschriftsatz zitiert ist, welche medizinische und psychologische Spezialliteratur zu diesem Krankheitssyndrom.

Dr. H[enck]:

Ich kann Ihnen dazu nur sagen, was ich Ihnen eben vorgelesen habe, ...

RA H[eldmann]:

Ulrich Preuss ist sicher kein Mediziner ...

[509] Dr. H[enck]:

Nein, es ist ja auch nicht nur ein psychiatrisches oder ein medizinisches Problem. Es ist ja ein gemischtes Problem. Das geht ja bis in das Psychologische oder gar Tiefenpsychologische[uuuu] hinein, wie Sie selbst schon feststellten. Und so kommts eben, daß eben auch psychologische Literatur mit hineingenommen wird in die Arbeit des Gesamtstoffes.

Vors.:

Darf ich fragen, welche Seite, Herr Rechtsanwalt, ist denn das im Antrag. Ich kanns im Augenblick nicht finden, wo die Literatur zusammengestellt ist.

Also da ist Preuss erwähnt, Seite 22.

RA’in Becker:

Seite 23 oder 24.

Vors.:

Soll die Frage weiter vertieft werden.

RA H[eldmann]:

Nein, das wäre ja sinnlos, da der Herr Sachverständige nunmehr bekannt[vvvv] hat, die Spezialliteratur hierzu nicht zu kennen, und zwar die Spezialliteratur nicht zu kennen. Aber Herr Baader hat dazu eine Frage. Wenn Sie ihm die erlaubten, bitte.

Vors.:

Herr Baader, bitte.

Angekl. Baader:

Na ja, ich hab nicht richtig verstanden, ungefähr zu sagen, diese Disposition, diese Haftform, die wir Folter nennen, die Folter ist, sei ein gemischtes Problem. Das war doch Ihre Formulierung.

[510] Dr. H[enck]:

Ja.

Angekl. Baader:

Ja, könnten Sie das uns ein bißchen genauer erklären.

Und wenn ...

Dr. H[enck]:

Eine ...

Angekl. Baader:

... nicht mal, zunächst mal, und welche Rolle würden Sie der Medizin bzw. Psychiatrie, bzw. der Gefängnispsychiatrie in diesem Zusammenhang geben.

Dr. H[enck]:

Das ist ein, so betrachtet, ein medizinisch, psychologisches Problem, also ein philosophisches und ein ... ein erfahrungswissenschaftliches Problem.

Angekl. Baader:

Wieso denn wissenschaftliches, das ist mir ...

Dr. H[enck]:

Erfahrungswissenschaftliches und ein philosophisches Problem ... in diesen Wurzeln.

Angekl. B[aader]:

Also Sie meinen, Sie wollen mit anderen Worten sagen, daß diese Disposition wissenschaftlich entwickelt werden, oder ich kann ... Also ich hab Sie nicht ganz verstanden, wieso es ein ...

Dr. H[enck]:

Die Medizin ist eine Erfahrungswissenschaft, keine ...

[511] Angekl. B[aader]:

Ach so, eine Erfahrungswissenschaft, dann hab ich Sie falsch verstanden.

Dr. H[enck]:

Ja, keine Naturwissenschaft, keine streng naturwissenschaftliche Disziplin. Das wäre beispielsweise Mathematik, Physik usw.

Angekl. B[aader]:

Naja, ich hab Sie nur falsch verstanden.

Dr. H[enck]:

Die Medizin ist eine Erfahrungswissenschaft, und das ist die eine Seite, und die andere Seite ist eben in tiefsten Wurzeln ein philosophisches Problem, aus dem ja ...[wwww], auch die Psychologie, mit all ihren Abzweigungen.

Angekl. B[aader]:

Ja, nun hören Sie einmal genauer zu, beide Seiten ...

Ich meine von Seiten ... die eine Seite, von der Sie sagen, es ist eine Seite der Erfahrung.

Was hat das zu bedeuten in diesem Zusammenhang [xxxx] d. h. daß diese ... die eingerichtet worden sind in verschiedenen Gefängnissen, in diesem ... gefunden haben, wie Sie in Stammheim sind.

Auf Grund welcher Erfahrung sind Sie eingerichtet worden. Das ist doch ... Das wär doch dann die Antwort auf die Frage.

Vors.:

Es hat wohl keinen Zusammenhang zu hier.

[512] Angekl. B[aader]:

Wie verhält sich die Gefängnispsychiatrie dazu.

Vors.:

Ja, mit Ihrer speziellen Frage, die hier aufgeworfen ist, hat es wohl nichts zu tun, ob Sie verhandlungsfähig sind oder nicht. Unter welchem Gesichtspunkt ...

Angekl. B[aader]:

Es ist noch immer die Frage ...

Ich meine ... Ich würde mal sagen, daß es so eine unglaubliche Unverschämtheit ist, wie Sie das machen. Wir sitzen in diesen Dingern seit 3 Jahren, und Sie sagen, das tut hier nichts zur Sache. Das war[yyyy] ja was zur Sache, aber das ist nicht der Punkt.

Im Moment geht es hier um die Qualifikation des Sachverständigen, immer noch.

Vors.:

Genau, insoweit kann man noch ...

Angekl. B[aader]:

... [zzzz] Disposition, aus Architektur, die der Trakt ist, Psychiatrie, Medizin und brutalen Zwang, eine Rolle spielt, legen wir einfach Wert darauf, eine unmittelbare Rolle gespielt hat - es waren eineinhalb Jahre - legen wir einfach Wert darauf, daß er seine Vorstellung davon hier klar legt, damit man tatsächlich zum Eindruck seiner Qualifikation kommen kann. [aaaaa]

Vors.:

Als erstes, wenn Sie Wert darauf legen, ist es immer noch keine Frage, ob das nach der Prozeßordnung eine im Zusammenhang stehende Frage ist, und das zweite ...

[513] Angekl. B[aader]:

Das ist doch[bbbbb] Ihre Methode hier, Prinzing, Sie zerhacken die Inhalte, Sie zerhacken die Bemühungen der Verteidigung und der Gefangenen, bestimmte Vorgänge zu vermitteln, und zwar an das Publikum und an den Rest[ccccc] Öffentlichkeit, der sich hier befindet. Sie zerhacken sie ... Sie zerhacken sie permanent mit Mätzchen, mit Säckchen, mit prozessualer Spitzfindigkeit, das kann doch hier nicht der Punkt sein.

Vors.:

Aber die Frage wäre an Sie, Herr Sachverständiger: Läßt sich aus der Art, wie Herr Baader nun Fragen formuliert - auch auf mein Verhalten reagiert - etwas auf seine Verhandlungsfähigkeit schließen?

Dr. H[enck]:

An sich nicht.

Vors.:

Ich meine spricht das für die Verhandlungsunfähigkeit?

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Die Frage beanstande ich. Ich ... Dieser Versuch ... Dieser Versuch, aus einer klargestellten Frage, die durchaus im Zusammenhang mit der Frage der Qualifikation des Sachverständigen steht, jetzt hier zu einer Art Psychiatrierung des Herrn Baader zu schreiten, der ist durch nichts legitimiert, der soll ... allein dem Interesse des Ansehens des Herr Baader herabzuwürdigen, derart nichts mit der Sache zu tun. Diese Frage beanstande ich.

Vors.:

Das muß erst der Senat entscheiden, ob die Frage zulässig ist oder nicht.

[514] OStA Zeis:

Herr Vorsitzender, die Bundesanwaltschaft bittet dazu um ’ne kurze Stellungnahme.

Vors.:

Bitte.

OStA Zeis:

1. Die Ausführungen[ddddd] des Herrn Rechtsanwalts von Plottnitz sind unzulässig. Er ist Verteidiger des Angeklagten Raspe und nicht des Herr Baader, und hat eben wieder ausschließlich für Herrn Baader plädiert.

RA H[eldmann]:

Der Herr von Plottnitz hat dafür gesorgt, daß Verteidigerrechte hier gewahrt[eeeee] bleiben, gleich, ob der Angeklagte Baader oder Raspe heißt.

Reg. Dir. Widera:

Das ist die unzulässige Blockverteidigung.[25]

RA H[eldmann]:

Das ist die Funktion der Verteidigung, der Verteidiger.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Heldmann, ich schließe aus diesen Formulierungen, Sie machen sich das, was Herr von Plottnitz gesagt hat, zu eigen, so daß der Senat entscheiden kann.

RA H[eldmann]:

Ich mach es mir zu eigen, ohne daß es rechtlich, prozessual rechtlich darauf ankäme. Der Herr von Plottnitz hat seine Stellungnahme abgegeben, zu der Zulässigkeit Ihrer Frage. Sie betrifft uns alle.

[515] Nach geheimer Umfrage verkündet der Vorsitzende den Beschluß:

Die Frage ist zulässig.

Es kann vom Herrn Sachverständigen beantwortet werden.

Die Frage ging schlicht dahin: Daß für die Frage der Verhandlungsfähigkeit auch von Bedeutung ist, ob ein Angeklagter imstande ist, hier vernünftig der Verhandlung zu folgen, sich zu erklären, Anträge zu stellen und alles mögliche. Und es ist eben jetzt die Frage an Sie, ob Sie aus dem Verhalten der Angeklagten in der Sitzung Rückschlüsse ziehen können, ob er tatsächlich verhandlungsunfähig oder verhandlungsfähig ist.

Dr. H[enck]:

Wenn sich daraus erkennen läßt, wie das der Fall ist, daß er der Verhandlung folgen kann, dann ist er auch verhandlungsfähig. Das ist ohne weiteres erkennbar aus dem Verhalten, aus den Aussagen, aus dem, was er denkt oder was er sagt, und wie er sich im allgemeinen verhalt, seine Aufmerksamkeitszuwendung. All diese Dinge sind mitbestimmend für die Erkenntnisse, die dazu legitimieren, eine Verhandlungsfähigkeit anzunehmen.

Angekl. B[aader]:

Kann ich dazu etwas fragen?

Vors.:

Bitte, Herr Baader.

Angekl. Ba[ader]:

Sie sagen, Herr Henck, man muß der Verhandlung, man muß Objekt der Verhandlung sein, insofern, daß man ihr folgen muß. Naja, nun gibt es diesen Subjektstatus des Angeklagten. Haben Sie schon mal davon gehört?

[516] Vors.:

Das ist wieder eine Frage, die nicht im Zusammenhang mit dem Beweisthema steht.

Angekl. B[aader]:

Naja, ich meine doch, daß das im Zusammenhang mit dem Beweisthema wesentlich steht, denn ich würde sagen, daß meine ... naja, daß meine Möglichkeit, mich in diesem Verfahren zu äußern, konzentriert an der Verteidigung des Verfahrens zu arbeiten, daß die Zeitweise gestört ist, und nicht nur für mich, sondern für alle, nicht nur für mich, sondern für alle 4 Angeklagten ...

Vors.:

Diese Frage ist zulässig natürlich, ob der Sachverständige Beobachtungen in[fffff] dieser Richtung gemacht hat, aber Sie sprachen vom Rechtsstatus oder hab ich das mißverstanden.

Angekl. B[aader]:

Ich sprach nicht vom Rechtsstatus, sondern vom Subjektstatus.

Vors.:

Da bitte ich um Entschuldigung, das hab ich also mißverstanden. Es war nicht so deutlich zu hören.

Angekl. B[aader]:

Naja, also was er sagt, daß der Gefangene Objekt der Verhandlung zu sein hat, dann ist er verhandlungsfähig, und worauf wir hier beharren, das ist hier etwas deutlich geworden. Das ist auch unsere Subjektivität, d. h. unser Subjektstatus, und da sagen wir, es ist unsere Fähigkeit, uns zu verteidigen, wesentlich eingeschränkt, das ist unser Gesundheitszustand.

[517] Vors.:

Das ist die Frage an Herrn Sachverständigen, das ist sicher.

Angekl. B[aader]:

Das schon, man kann es in Frageform formulieren.

Vors.:

Ich meine, die Frage ist beantwortet, aber wir wollen’s, nachdem Herr Baader die Frage nochmals gestellt hat, Ihnen ruhig gestatten, sich[ggggg] nochmals zu dieser Frage zu äußern.

Dr. H[enck]:

Ich habe diese Frage schon einmal beantwortet, daß ich der Auffassung bin, daß sämtliche 4 Angeklagten verhandlungsfähig sind.

Ich kann mich nur wiederholen.

Vors.:

Sind weitere Fragen …

RA H[eldmann]:

Es ist wohl nichts anderes, als nun endlich den Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen, Herrn Dr. Henck, zu formulieren. Es war uns in der knappen Mittagspause, Herr Vorsitzender, Sie wissen es selbst, nicht möglich, den Antrag drucken zu lassen. Ich bitte darum, daß ich ihn so verlese, daß er zu Protokoll genommen werden kann. Ich beantrage für Herrn Baader,

Herrn Obermizinaldirektor Dr. Henck als Sachverständigen für die Frage der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, Gesetzesgrundlage § 74 StPO[26].

Begründung:

1. Der Sachverständige hat die Frage nach der Verhandlungsfähigkeit der 4 Angeklagten ohne jegliche Einschränkung bejaht, obgleich er die Angeklagten nicht untersucht hat, insbesondere auch über Untergewicht, Blutdruckwerte, Kreislaufzustand, Herzbefund - und hinsichtlich des Angeklagten Baader ferner - Nierenerkrankung, keinerlei medizinische Daten genommen, noch sich verschafft hat.

2. Der Sachverständige hat - und zwar völlig unsubstantiiert - behauptet, Gespräche mit Angeklagten hätten ihm die Gewißheit von deren Konzentrationsfähigkeit vermittelt. Dabei hat er die jeweilige Gesprächsdauer mit abwechselnd einmal 20 und abwechselnd einmal möglicherweise auch 40 Minuten beziffert. Dabei hat er seine Tätigkeit abwechselnd ... seine Tätigkeit insoweit abwechselnd als Exploration ... exploratorisches Gespräch und schließlich nur noch als Gespräch bezeichnet. Über die hier ... Frage, ob die Angeklagten hier über die Dauer eines Tages, mit einer zweistündigen Mittagspause, verhandlungsfähig sind, hat er nichts gesagt, weil er hat nichts sagen können, und hat jedoch diese Unfähigkeit, darüber etwas zu sagen, durch seine pauschale unsubstantiierte Behauptung zum Nachteil der Angeklagten verschleiert.

3. Anschließend hat er auf Befragen einräumen müssen, daß es wissenschaftliche Testmethoden zur Prüfung von Konzentrationsfähigkeit und der Fähigkeit, Verhandlungen über längere Zeitdauer hinweg zu folgen, gäbe, zugleich aber, daß er sich solcher Methoden hier nicht bedient habe, vollends ließ er seine Voreingenommenheit gegen die Angeklagten erkennen, als er sagte; er bedürfe solcher Testmethoden nicht. Diese hätten hier bestenfalls, so wörtlich, bestenfalls sein Ergebnis bestätigen können.

4. Der Sachverständige hat beharrlich unterlassen, die pathogene Wirkung sensorischer Deprivation durch lang dauernde Isolierung unter verschärften Haftbedingungen in seine medizinische Beurteilung einzubeziehen, obgleich er auf Frage behauptet hat, er kenne die medizinisch-empirische Spezialliteratur zu diesem Syndrom. Und hier muß ich einfügen, daß er hier eine falsche Aussage gemacht hat, denn was er hier an Literatur aufgezählt hat, ist [519] alles andere, nur nicht medizinisch-empirische Spezialliteratur zu diesem Syndrom: sensorische Deprivation. Und wo er ausnahmsweise einmal von den etwa 10 Literaturfundstellen eine medizinische angegeben hatte, so hatte er gleich zugeben müssen, daß er die gar nicht selbst kennengelernt habe, sondern aus zweiter Hand davon gelesen habe. Er hat also das Gericht mit dieser Behauptung, er kenne diese Literatur, und vorher gar mit der Behauptung, er selbst habe auf diesem Gebiet geforscht, getäuscht. Damit hat er zum Nachteil der Angeklagten sein Gutachten bewußt verkürzt, und ich bemühe mich bewußt um diese sehr zurückhaltende Formulierung. Damit hat er zum Nachteil der Angeklagten sein Gutachten bewußt verkürzt. Das wiegt um so schwerer, als er auf Befragen zugeben mußte, vergleichbaren Haftbedingungen, wie sie diesen Angeklagten hier zuteil geworden sind - und zwar über mindestens 1 ½ Jahre hinweg - in seiner 20jährigen Anstaltsarzttätigkeit nicht begegnet zu sein.

Ergebnis:

Daraus hat der Angeklagte Baader begründete Besorgnis, daß der Sachverständige eigenen Einsichten in ärztliche Handlungspflichten und in Gutachterpflichten nicht folgt, und insbesondere mit seinem Gutachten auf die ihm hier gestellte Frage zum Nachteil des Angeklagten Baader gehandelt hat.

RA Schily:

Namens der Angeklagten Ensslin schließe ich mich dem Ablehnungsgesuch an,

auch Frau Ensslin lehnt den Sachverständigen Dr. Henck ab, wegen mangelnder Sachkunde und wegen Voreingenommenheit. Ich will nur einen Gesichtspunkt, der mir besonders bedeutsam erscheint, hier unterstützen, und das ist die Erklärung des Herrn Dr. Henck, daß er sagt:

Wenn hier medizinische Untersuchungen vorgenommen würden, mit den notwendigen Tests und weiteren Explorationen, dann würden diese Untersuchungen bestenfalls, so hat er sich [520] ausgedrückt, sein vorweggenommenes Ergebnis bestätigen. Jeder Laie weiß, daß eine medizinische Diagnose immer der Absicherung bedarf durch Untersuchungen, und es ist vollkommen unmöglich, wenn sich ein Sachverständiger hinstellt und sagt: Nur durch bloßes Anhören von einer Stunde Verhandlung oder durch Hinsehen oder irgend etwas anderes könnte er irgendeine verläßliche Aussage machen über Verhandlungsfähigkeit oder Verhandlungsunfähigkeit oder beschränkte Verhandlungsfähigkeit oder unbeschränkte Verhandlungsfähigkeit. Und dabei ist nun dem Herrn Dr. Henck noch etwas unterlaufen, daß er hier den Ausdruck produziert hat: „bestenfalls“. Und durch die Wahl eines solchen Ausdrucks kommt doch ganz unzweifelhaft zum Vorschein, daß in die Überlegungen, die der Herr Dr. Henck hier zum besten gibt, verinnerlichte Erwartungen einfließen, verinnerlichte Erwartungen, die nämlich die Vollzugsbehörden, in deren Dienst er steht, an ihn stellt und daß er auf diese Weise zu einem vorgefaßten Urteil kommt, und die Dreistigkeit besitzt, uns auch noch hier zu erzählen, daß ein solches vorgefaßtes Urteil bestätigt werden wird, wofür er nicht die geringste ... nicht die geringsten Anhaltspunkte aus medizinischer Sicht[hhhhh] hier geltend machen kann.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Ich habe mich dem gestellten Antrag für den Herrn Raspe anzuschließen. Auch Herr Raspe lehnt den Sachverständigen

Dr. Henck wegen der Besorgnis der Befangenheit ab.

Das, was bereits gesagt worden ist, ist in einer Richtung noch zu ergänzen:

Die mangelnde Sachkunde des Sachverständigen würde unmittelbar wohl nicht ausreichen, um [521] hier die Tatbestandsmerkmale des § 74[ StPO] zu erfüllen. Mittelbar tut sie das sehr wohl, denn der Sachverständige hat folgendes gemacht: Er hat sich in einen Widerspruch befunden und diesen Widerspruch entgegen dem, wie er ihn zu lösen hätte, falsch gelöst. Der Widerspruch besteht auf der einen Seite zwischen seiner Verpflichtung, als Arzt in der JVA Stuttgart-Stammheim in jeder Beziehung und jeder Bedingung und jeder Situation für die körperliche Unversehrtheit und das Leben der Gefangenen zu sorgen. Das ist die eine Seite. Auf der andren Seite Sicherheit ... Vollzugsbedürfnisse. Das ist die andere Seite dieses Widerspruchs.

Der Sachverständige hat sich nicht dazu verstehen können, hier Vorrang zu geben den Kriterien seiner Wissenschaft. Er hat hier, und in der Tat, insoweit spielt, mittelbar, [iiiii] die Sachkunde eine große Rolle, er hat zu erkennen gegeben, daß er die Verhandlungsfähigkeit bejaht, ohne daß hier auch nur irgendwelche Untersuchungen durchgeführt worden sind. Er hat dadurch Parteilichkeit für die Strafverfolgungsinteressen gezeigt[jjjjj], und indem er das getan hat, hat er Voreingenommenheit gegen die Gefangenen zu erkennen gegeben.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Riedel!

RA R[iedel]:

Ich schließe mich dem Antrag für die Mandantin Ulrike Meinhof ebenfalls an und meine, daß ein Sachverständiger, der quasi sein Gutachten damit einleitet, daß er das Ergebnis vorab verkündet, und dann Versuche macht, die allgemein nur als untauglich angesehen werden können, dieses Ergebnis noch irgendwie im[kkkkk] nachhinein zu fundieren, tatsächlich den Eindruck bei den Betroffenen erwecken muß, er sei nicht unbefangen. Ein Sachverständiger, dessen [lllll] medizinisches Fachgebiet die Psychiatrie ist, und der hier ausdrücklich [522] erklärt, daß er exakte Diagnosestellungen im physischen Bereich nicht machen kann, daß ihm das unmöglich sei, der aber gleichwohl zu dem Ergebnis kommt, das er wiederholt auch noch zum Schluß einmal untermauert hat, eine Verhandlungsfähigkeit sei nicht eingeschränkt, der bekundet dadurch ganz offenkundig, daß er Verpflichtungen unterliegt, die eine ärztliche Beurteilung der Betroffenen voll und ganz - von seiner Warte aus - jedenfalls ausschließt, also daß er in ganz gravierender Weise voreingenommen ist.

Vors.:

Danke.

(zu Dr. Henck): Es ist im Gesetz nicht vorgesehen, daß der Abgelehnte eine dienstliche Stellungnahme abgibt, wenn es nicht aus rechtlichen Gründen erforderlich ist. Wir sind der Auffassung, daß wir die gesamten Vorgänge, die hier zu beurteilen sind, alle miterlebt haben, so daß es keiner Stellungnahme Ihrerseits bedarf, oder wünschen Sie das Wort? Nein. Dann frage ich die Bundesanwaltschaft: Sind Sie imstande, sofort Stellung zu nehmen?

BA Dr. W[under]:

Herr Vorsitzender, auf die Frage zur Ablehnung des Antrags ... Auf die Frage der Ablehnung des Sachverständigen wollen wir in unserer Stellungnahme zu dem von Frau Becker verlesenen 46seitigen Antrag miteingehen.

Sie hatten bereits zur Erkenntnis gebracht, daß Sie eine sofortige Stellungnahme der Bundesanwaltschaft nicht erwarten. Ich denke aber, daß wir schon relativ bald mit unserer Stellungnahme fertig sein werden. Wir wollen damit mit dazu beitragen, daß möglichst heute noch die Entscheidung ergehen kann.

[523] Vors.:

Wie lange werden Sie etwa brauchen?

BA Dr. W[under]:

Ich schätze, daß wir in einer dreiviertel Stunde wohl spätestens fertig sein werden. Falls es eine Verzögerung geben sollte, würden wir uns dann melden.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, bitte.

RA Sch[ily]:

Herr Rechtsanwalt Heldmann hatte sich zuerst gemeldet.

RA H[eldmann]:

Ich habe diesen Ablehnungsantrag für die gesamte Verteidigung um einen Satz zu ergänzen, nämlich: Zur Glaubhaftmachung[27] für die Ablehnungsgründe berufen wir uns erstens auf das stenographische Protokoll der Anhörung[mmmmm] des Herrn Sachverständigen und zweitens auf das Tonband, soweit es die Anhörung des Herrn Sachverständigen aufgenommen hat.

Vors.:

Ist ein stenographisches Protokoll geführt worden?

Nein, es ist also voll auf dem Tonband drauf, das ist selbstverständlich.

Können wir an Hand des Tonbandes erfahren, welche Seitenzahlen da wichtig sind, so daß wir notfalls, wenn es auf einzelne Formulierungen ankäme, das abhören könnten.

Das ist das eine, ich meine jetzt aber auch den Antrag, notfalls würden wir ihn anfordern.

Dann machen wir jetzt eine Pause bis halb 4 Uhr. Sollte sich die Pause verzögern, werden wir rechtzeitig Bescheid geben.

[524] Ich darf einen Augenblick noch bitten.

Heute nachmittag war der Umschluß nun für das Personal einfach nicht zumutbar. Die Herren kommen zu keiner geordneten Mittagspause mehr, wenn wir dem Wunsch nach Umschluß stattgeben, ich meine die Herrn vom Vollzug. Wir haben die Zeiten durchgegeben bekommen, das ist also nicht zu machen. Die Regel können wir daraus nicht machen, daß wir hier diesen Umschluß gewähren.

Ich habe allerdings jetzt zu dieser Zeit keine Bedenken dagegen, wenn man es von der Haftanstalt aus machen kann, daß wir sie im Vorraum vor den Vorführzellen beieinander lassen, sofern Verteidigergespräche geführt werden sollen, Einzelgespräche. Einverstanden?

Gut.

Pause von 14.50 Uhr bis 16.08 Uhr

Ende dieses Bandes

[525] - Fortsetzung der Hauptverhandlung um 16.08 Uhr -

Vors.:

Ich glaube wir können fortsetzen, in der vollen Besetzung sind wir.

Herr Rechtsanwalt Künzel, bitte.

(RA Künzel spricht in das Mikrophon, aber es ist zu leise eingestellt)

Lauter einstellen bitte. Haben Sie den Knopf betätigt?

(Die Angeklagten Baader und Raspe sprechen trotz der abgestellten Mikrophone)

<Vors.:

Herr Baader und Herr Raspe, ob Sie rausgehen können, können Sie nicht bestimmen. Sie wissen ganz genau, wie die Mittel sind, Sie müssen halt entsprechend gestört haben.[28] Ich würde Ihnen den Vorschlag machen, daß Sie sich insbesondere genau das anhören, was dann jetzt weitergesprochen wird. Das ist doch wichtig für Ihren Antrag den Sie gestellt haben, wie sich die Bundesanwaltschaft dazu äußert.>

Angekl. B[aader]:

Was wollen Sie denn, daß wir hier Krach machen sollen?

Vors.:

Es stört mich nicht, wenn Sie hier stehen.

Angekl. B[aader]:

Verdammt noch, ich will raus hier.

(Angekl. Baader wirft einen Gegenstand auf seinen Sprechpult)

BA Dr. W[under]:

Herr Vorsitzender, ich würde doch anregen, daß die Bundesanwaltschaft Stellung nehmen kann.

RA K[ünzel]:

Darf ich zu bedenken geben, daß es eine Ergänzung eines Antrags sein wird, daß es wesentlich ist, diesen Antrag vielleicht zunächst zu verlesen, weil die Bundesanwaltschaft ...

Reg. Dir. W[idera]:

Herr Baader, gefallen Sie sich in dieser Rolle?

[526] (Die Angeklagten schreien unverständlich durcheinander)

Vors.:

Bitte, hören Sie ...

RA R[iedel]:

Was soll denn das hier, Herr Vorsitzender?

Vors.:

Also ...

Angekl. B[aader]:

Hören Sie mich doch mal an hier.

Vors.:

Augenblick, Herr Baader, hören Sie mal jetzt ruhig zu. Wir stellen also fest, daß Sie nicht bereit sind, hier im Saale die Ordnung einzuhalten ...

Angekl. R[aspe]:

Wenn einer von denen[29] redet, gehen wir.

Vors.:

... die Ordnung einzuhalten.

Angekl. B[aader]:

Sollen wir uns hier schinden lassen, weil Sie uns nicht ausschließen wollen, wenn diese Arschlöcher da drüben reden. Dann schließen Sie uns doch aus, wenn wir Ihnen das sagen.

Vors.:

Ich stelle fest, daß die Angeklagten eben die Pflichtverteidiger mit ...

Angekl. R[aspe]:

Als Arschlöcher bezeichnet haben.

Vors.:

... Arschlöcher bezeichnet haben, daß sie[nnnnn] sich hier laut störend benehmen, was aus dem Protokoll hervorgeht[ooooo]. Ich drohe Ihnen hiermit an, daß Sie ausgeschlossen werden müssen, wenn Sie dieses störende Verhalten fortsetzen.

Herr Rechtsanwalt Künzel, bitte.

Angekl. B[aader]:

Was heißt hier fortsetzen, verdammt nochmal?

RA K[ünzel]:

Das Institut ...

(Die Angeklagten randalieren auf der Anklagebank und wollen [527] den Sitzungssaal verlassen. Dabei entsteht ein Gerangel mit den Vollzugsbeamten.)

Vors.:

Ich stelle fest, daß die Angeklagten ihr Verhalten fortgesetzt haben ...

Angekl. E[nsslin]:

Das ist klar, daß wir rausgehen.

Angekl. B[aader]:

Sie sind doch wirklich ein Schwein, Prinzing, was Sie hier machen. Sie sehen doch in was für einem Zustand wir hier sind. Sie sehen genau die Reaktion ...

Vors.: (nach geheimer Umfrage)

Es ist der Beschluß zu verkünden:

Die Angeklagten sind wegen fortgesetzter Störung der Verhandlung für den Rest des Verhandlungstages ausgeschlossen.

Sie haben die Verteidiger mit Beleidigungen, den Vorsitzenden mit Beleidigungen bedacht und sie haben außerdem durch Gedränge und Rufen die Verhandlung gestört.

Bitte die Angeklagten abführen.

- Die Angeklagten werden um 16.11 Uhr aus dem Verhandlungssaal abgeführt -

RA H[eldmann]:

Herr Vorsitzender, die Verteidigung bittet um eine Pause.

Vors.:

Darf ich zunächst feststellen, daß im Augenblick das Wort noch Herr Rechtsanwalt Künzel hat. Ich gehe nicht davon aus, daß er das im Augenblick abgeben möchte, oder, Herr Rechtsanwalt, wie steht’s?

RA K[ünzel]:

Nein, ich würd’s kurz verlesen, es sind nur ganz wenige Sätze.

[528] (Herr RA Heldmann stellt eine Frage an den Vorsitzenden. Das Mikrophon ist aber abgestellt)

Vors.:

Nein, Herr Rechtsanwalt Heldmann, jetzt hat der Herr Rechtsanwalt Künzel das Wort. Bitte, Herr Rechtsanwalt Künzel.

RA K[ünzel]:

Das Institut ...

(Mehrere Rechtsanwälte reden durcheinander)

Vors.:

Sie haben das Recht. Die Pause ist abgelehnt.

(nach geheimer Befragung) Es ist seitens des Senats abgelehnt, daß eine Pause eingelegt wird. Herr Rechtsanwalt Künzel, bitte.

RA K[ünzel]:

Das Institut für gerichtliche Medizin an der Universität Tübingen arbeitet seit längerer Zeit insbesondere auch auf dem Gebiet der Haft, der Isolation und ihres Einflusses auf die Betroffenen. Seit Beginn dieses Prozesses, hat das Institut durch Angehörige aus wissenschaftlichem Interesse diesen Prozeß beobachten lassen. Aufgrund ihrer Beobachtungen haben die Angehörigen dieses Instituts begründeten Anlaß, die Verhandlungsunfähigkeit aller Angeklagten anzunehmen. Der Herr Sachverständige hat bei seiner Anhörung zu erkennen gegeben, daß er die neueren medizinischen Veröffentlichungen auf dem Gebiet der Haft, der Isolation und ihren Folgen, auf die ... und ihre Folgen auf die Betroffenen, nicht beobachtet hat. Und dafür zum Beweis, Zeugnis - Sachverständigenzeugnis des Dr. Wilhelm Rais, 74 Tübingen, Auf der Wanne 14.

Vors.:

Darf ich fragen, soll das nun die Stellungnahme sein, zu den gestellten Ablehnungsanträgen der Angeklagten, oder wollten Sie einen eigenen Antrag stellen?

RA K[ünzel]:

Das ist ein eigener Antrag.

Vors.:

Auf Feststellung der Verhandlungsunfähigkeit.

[529] RA K[ünzel]:

Durch die ... ist an sich ein präsentes Beweismittel, ob er nun allerdings im Augenblick noch hier ist, der Dr. Reis, das weiß ich nicht. Aber jedenfalls hat er den Prozeß selbst, oder durch Angehörige seines Instituts, von Anfang an beobachtet und diese Behauptungen aufgestellt.

Vors.:

Sie sind aber ... möglicherweise oder wahrscheinlich damit einverstanden, daß wir zunächst jetzt diese Befangenheitsanträge gegen den Herrn Sachverständigen, zumindest mal in Wege der Anhörung, der Stellungnahme der Bundesanwaltschaft, weiterverfolgen. Wir werden dann diesem Antrag, den Sie gestellt haben, nachgehen. Es wäre uns lieb, wenn Sie uns schriftlich ganz kurz Adresse und Namen festlegen[ppppp], damit wir da nicht falsch gehen.

Will jemand im Augenblick unmittelbar zum Antrag von Herrn Rechtsanwalt Künzel Stellung nehmen? Ich sehe nicht.

RA Sch[ily]:

Ich möchte dazu um eine Pause bitten, weil ich mir das ... den Antrag kenne ich nicht, ich habe ihn jetzt zum ersten Mal gehört. Ich möchte eine Pause haben.

Vors.:

Das mag sein. Die Pause wird von mir jedenfalls jetzt nicht eingelegt.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, wie soll das weitergehen? Wenn hier von uns ein Antrag gestellt wird, dann bekommt die Bundesanwaltschaft eine Pause, sie bekommt sogar eine Verlängerung einer Pause. Wenn wir mit einem Antrag überrascht werden, dann bekommen wir keine Pause. Wie soll denn das weitergehen? Ich möchte im übrigen jetzt mal, bevor wir überhaupt weiterverhandeln, die Frage stellen, ob es richtig ist[qqqqq], daß die Bundesanwaltschaft über eine eigene Mikrophonanlage verfügt, hier im Saal?

Vors.:

Wir werden dieser Frage auch nachgehen, wenn Sie wollen, aber jetzt zu diesem Zeitpunkt nicht. Aber eines darf ich [530] Ihnen sagen. Die Pause, die eingelegt worden ist, ist eingelegt worden[rrrrr] aufgrund eines 46 Seiten umfassenden Antrags.

Reg. Dir. W[idera]:

Und eines Antrages, der mündlich gestellt war.

RA Sch[ily]:

Genau. Ein Ablehnungsgesuch, was wir auch hier ... nicht wahr? Und vorher war ja noch der Antrag von Frau Kollegin Becker, der ist ja heute vormittag verlesen worden, heute vormittag.

Vors.:

Ganz gewiß, aber dazu ist jetzt erst Stellung genommen worden, dazu war jetzt erst Gelegenheit. Sie werden doch diesen Antrag, den eben Herr Rechtsanwalt Künzel gestellt hat, nicht vergleichen was die zeitlichen Anforderungen anlangt, mit dem, was heute früh von Ihnen ...

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, ich habe ja gar nicht beantragt ...

Vors.:

... und jetzt im Zusammenhang ...

RA Sch[ily]:

... ich habe ja gar nicht zwei Stunden Pausen beantragt. Ich hab um eine Pause gebeten. Kann möglicherweise nur 5-10 Minuten dauern.

Vors.:

Sie haben die Möglichkeit, das, daß ich gesagt habe, wir werden keine Pause im Augenblick einlegen, zu beanstanden. Das ist Ihr prozessuales Recht.[30]

RA v[on] P[lottnitz]:

Ich möchte vorher auch Stellung nehmen, zu dem was der Kollege Schily gesagt hat. Ich beantrage auch eine Pause.

Vors.:

Wird auch abgelehnt.

RA v[on] P[lottnitz]:

Ich gebe dazu zu bedenken, daß der Antrag des Rechtsanwalts Künzel nicht sehr lang war, aber der Tatsache, daß Rechtsanwalt Künzel überhaupt hier ein Antrag gestellt hat,[31] schon ein eigener Stellenwert zukommt, der ... den wir zu beraten haben. Im übrigen habe ich dem Senat folgendes zur Kenntnis [531] bringen. Wenn der Senat hier[sssss] meint, mit der Brechstange statt mit der Strafprozeßordnung gegen die Verteidigung vorgehen zu können, dann wird der Senat wieder erleben müssen, daß wir so etwas wie prozessuale Notwehrrechte geltend machen.

Vors.:

Sie kriegen die Pause sehr gerne nachher, wenn die Bundesanwalt ihre Stellungnahme abgegeben hat. Sie ergibt sich zwangsläufig dadurch, daß wir ja dann uns ...

RA R[iedel]:

Was heißt nachher, Herr Vorsitzender, wie lange Sie gedenken ...

Vors.:

... mutmaßlich mit einer Beratung befassen müssen.

RA R[iedel]:

... die Verhandlung heute[ttttt] zu führen? Was heißt nachher? Ich mein die Zeit ...

Vors.:

Jedenfalls denke ich nicht daran, daß ich im Augenblick verhindern lasse, daß die Bundesanwaltschaft noch Stellung nehmen kann.

RA v[on] P[lottnitz]:

Uns geht es doch nicht um Verhinderung, Hier geht’s doch nicht darum, die Bundesanwaltschaft daran zu hindern. Wir wollen eine Pause haben aufgrund der Tatsache, daß hier ein Antrag gestellt worden ist.

Vors.:

Nein. Sie bekommen nicht aufgrund jedes Antrags, der gestellt worden ist, wenn er so kurzgefaßt ist, wie das hier und[uuuuu] keine akuten Probleme aufwirft ...

RA v[on] P[lottnitz]:

Aber die Bundesanwaltschaft braucht nur zu flüstern, daß sie gerne eine Pause von zwei Stunden hätte und sie wird ihr bewilligt.

Vors.:

Ich habe der Bundesanwaltschaft gestern gesagt, ich vermute, daß sie nicht imstande sein würde, auf einen 46-seitigen Antrag hin, sofort Stellung zu nehmen. Das hat sich verwirklicht.

RA v[on] P[lottnitz]:

Ich sage Ihnen, so wie Sie sich der Verteidigung gegenüber [532] verhalten, ist eine Unzumutbarkeit und eine Unverfrorenheit.

Vors.:

Ich glaube, daß Sie das behaupten.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, ...

RA v[on] P[lottnitz]:

Das sage ich Ihnen.

Vors.:

Ich könnte es umdrehen, wie die Verteidigung sich[vvvvv] verhält.

RA v[on] P[lottnitz]:

Ich sage Ihnen das.

RA Sch[ily]:

... der Herr Kollege Künzel hier zunächst mal das Wort bekommt. Wie kommt denn das?

Vors.:

Weil er sich zuerst gemeldet hat.

RA Sch[ily]:

Aha, aha.

Vors.:

Wollen Sie nun von Ihrem Recht Gebrauch machen?

RA Sch[ily]:

Es war doch jetzt nach der Pause vorgesehen, daß die Bundesanwaltschaft Stellung nimmt. Im übrigen hatte ich auch den Eindruck, daß Sie sogar schon Kenntnis davon hatten vorher, denn Sie sagten ja ... das ist ja vielleicht noch ... in dem Zusammenhang gehört das ja. Woher wußten Sie das eigentlich?

Vors.:

Wissen Sie Herr Rechtsanwalt ...

RA Sch[ily]:

Woher wußten Sie das?

Vors.:

... Sie haben die Möglichkeit, als Verteidiger zu reden und zu behaupten, ohne zu überlegen, was Sie sagen. Sie wissen ganz genau, in welcher schlechten Situation das Gericht ist. Das kann sich nicht mit denselben Worten wehren. Wenn ich so ein Wort verwendet hätte, ohne jeden Anlaß, dann wäre bei Ihnen jetzt das[wwwww] Wort Unverschämtheit fällig. Ich kann mir [533] das nicht erlauben.

RA Sch[ily]:

Ich kann natürlich auch in Konditionalsätzen sprechen, wie Sie wollen, nicht. Aber Sie haben gesagt, hier zu den Angeklagten, das hab ich sehr gut gehört: „Das gehört auch in dem Zusammenhang, den Sie hier geltend machen, der auch für Sie von Interesse ist“. Das haben Sie doch gesagt.

Vors.:

Ich kann Ihnen nur sagen, daß ...

RA Sch[ily]:

Das haben Sie selber gesagt und wenn Sie’s jetzt wieder wegwischen wollen, bitteschön.

Vors.:

Es ist nichts wegzuwischen. Der Antrag war für mich genauso überraschend, wie für Sie. Ich hatte keine Kenntnis davon.

RA Sch[ily]:

Wie kommen Sie dann dazu, vorweg zu erklären, was der für eine Bedeutung hat?

Vors.:

Ich hatte keine Vorwegerklärung gegeben und im übrigen ... Ich gebe Ihnen jetzt keine Antwort mehr darauf.

RA Sch[ily]:

Was? Dann bitte ich jetzt das Protokoll zurückzuspulen. Was Sie gesagt haben, jetzt bitte ich das Protokoll zu wiederholen, was Sie gesagt haben, als der Kollege Künzel hier das Wort genommen hat. Das bitte ich jetzt sofort ...

Vors.:

Das wird im Anschluß daran geschehen können.

RA Sch[ily]:

Nein, sonst muß ich wörtliche Protokollierung beantragen.[32]

Vors.:

Sie können das beantragen, dann bin ich gezwungen allerdings das Band zurückzuspulen. Bitte lassen wir es zurücklaufen.

- Das Band wird auf die entsprechende Stelle (Bl. 525 < >) zurückgespult und die Äußerung des Vorsitzenden nochmals vorgespielt. -

RA v[on] P[lottnitz]:

... zu glauben, daß der Senat hier irgendeine andere Entscheidung jetzt treffen würde, deswegen verzichte ich darauf, den Senat noch anzurufen. (wegen einer Pause).

[534] Vors.:

Dann darf ich jetzt die Bundesanwaltschaft bitten.

BA Dr. W[under]:

Die Bundesanwaltschaft beantragt,

die Ablehnung des Sachverständigen Dr. Henck wegen Besorgnis der Befangenheit als unbegründet zurückzuweisen.

Die Vernehmung des Sachverständigen hat keine Umstände erbracht, die vernünftige Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit rechtfertigen konnten. Die Behauptung der Verteidiger, Rechtsanwälte Schily, Heldmann, Riedel und von Plottnitz, der Sachverständige habe dem Gericht nicht vorhandene Sachkunde vorgetäuscht, ist durch nichts belegt. Vielmehr hat der Sachverständige die Sachkunde in einer jedem verständlichen Weise dargetan. Daß der Sachverständige sein Sachwissen, seinem Studium, seiner Fachausbildung, seiner langjährigen praktischen Erfahrung und ständigen Fortbildung, nicht aber der von den Verteidigern angeführten Literatur entnimmt, vermag die Besorgnis der Befangenheit nicht zu rechtfertigen. Es ist zwar richtig, daß der Sachverständige auf die Frage, ob weitere Untersuchungen zu einem anderen Ergebnis führen könnten, geantwortet hat, sie würden sein Gutachten bestenfalls bestätigen. Aber auch daraus kann keine Befangenheit hergeleitet werden, denn der Sachverständige hat damit für jeden erkennbar, lediglich zum Ausdruck bringen wollen, daß solche Untersuchungen hier wegen ausreichender anderer Erkenntnisquellen, insbesondere auch wegen des von dem Sachverständigen in[xxxxx] der heutigen Hauptverhandlung beobachteten Verhaltens der Angeklagten, entbehrlich sind.

Es ist deshalb geradezu[yyyyy] abwegig, aus der Verwendung des Wortes „bestenfalls“ auf eine Voreingenommenheit oder innere Abhängigkeit des Sachverständigen zu schließen. Auf das übrige Vorbringen der Verteidiger in diesem Zusammenhang einzugehen, erübrigt sich, weil hieraus keine Befangenheit des Sachverständigen hergeleitet werden kann. Sie stellen nur haltlose Angriffe gegen seine Person dar. Die Bundesanwaltschaft beantragt ferner,

die übereinstimmenden Anträge auf Einstellung des Verfahrens und Haftentlassung der Angeklagten abzulehnen.

[535] Die Angeklagten sind verhandlungsfähig, denn sie können ihre Interessen in vernünftiger Weise wahrnehmen und sind deshalb in der Lage, die Verteidigung in verständiger und verständlicher Weise zu führen. Das sind die Voraussetzungen, auf die nach ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs[33] allein abzustellen ist. Auf die Frage, ob die Angeklagten vor Beginn des letzten Hungerstreiks, 13. September 1974 bis 5. Februar 1975, verhandlungsunfähig gewesen sein könnten, kommt es nicht an. Nur dann käme diesem Umstand Bedeutung zu, wenn die Angeklagten derzeit verhandlungsunfähig wären und die Frage ihres Verschuldens[34] hieran, geprüft werden müßte. Nach den unmißverständlichen und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, ist die Frage der Verhandlungs- und Haftfähigkeit uneingeschränkt zu bejahen. Der Sachverständige hat die Angeklagten zwar weder körperlich untersuchen noch explorieren können, er hat sich aber dennoch eine sichere Grundlage geschaffen, die diese Beurteilung zuläßt und rechtfertigt. Die weiblichen Angeklagten befinden sich seit Frühjahr 1974, die männlichen Angeklagten seit Herbst 1974 in der Vollzugsanstalt, deren ärztlicher Leiter der Sachverständige ist. Deshalb hat der Sachverständige eine gleichwertige Möglichkeit, die Angeklagten kennenzulernen und sich ein umfassendes Bild über ihre jeweilige körperliche und geistige Verfassung zu verschaffen. Hinzukommt, daß er in der heutigen Hauptverhandlung ausgezeichnete Möglichkeiten zur Beobachtung von beispielsweise Mimik, Gestik und der Reaktion der Angeklagten hatte. Er hat damit nichts anderes ausgesprochen, als das, was für jeden vernünftigen Prozeßbeteiligten offenliegt. Es wirkt geradezu lächerlich und berührt die Grenzen des zumutbaren, wenn angesichts des heute gezeigten Verhaltens der Angeklagten, insbesondere aber des Angeklagten Baader, die Frage nach der Verhandlungsfähigkeit überhaupt gestellt wird. Bei der offensichtlich vorhandenen Verhandlungsfähigkeit erübrigt es sich, weitere Sachverständige zu hören. Die Bundesanwaltschaft erspart es sich, auf die weiteren Ausführungen der Frau Rechtsanwältin Becker einzugehen. Soweit diese nicht generell neben der Sache liegen und bereits durch [536] Beschlüsse des Ermittlungsrichters, des Untersuchungsrichters oder des erkennenden Senats zurückgewiesen wurden, stellen sie nur Polemik und auf Publikumswirkung bedachte Agitation dar, mit dem Ziel, den Prozeß, unter allen Umständen zu verschleppen. Wie schon die Angeklagte Meinhof anläßlich des Proll-Prozesses[35] gefordert hat, aus der angeblichen Krankheit eine Waffe zu machen, soll auch hier versucht werden, durch Vortäuschen von Verhandlungs- und Haftunfähigkeit, die Haftentlassung zu erzwingen. Daß die heute gestellten Anträge insbesondere nur wegen der Wirkung in die Öffentlichkeit gestellt worden sind, wird auch an dem gestern von Rechtsanwalt Heldmann gestellten Antrag[36] deutlich. Die von ihm geforderte Prozeßunterbrechung von zehn Tagen mag auf den ersten Blick zwar maßvoll klingen, dem aufmerksamen Zuhörer wird aber nicht entgangen sein, daß diese zehn Tage lediglich der Vorbereitung des Verteidigerverhältnisses dienen könnte[zzzzz], das heißt, hätte der Senat dem Antrag stattgegeben, wäre Rechtsanwalt Heldmann mit Sicherheit mit weiteren Unterbrechungens- oder Aussetzungsanträgen gekommen. Und dieses den Prozeß um Monate hinausschiebende Spiel hätte durch Beauftragung weiterer Verteidiger, durch Niederlegung bereits gewählter Verteidiger und durch Bestellung wiederum neuer Verteidiger endlos fortgesetzt werden können, um den Prozeß scheitern zu lassen. Das am Schluß der Verhandlung vorhin gezeigte Bild auf der Gegenseite gäbe an sich Anlaß für Ausführungen, allein die fortgeschrittene Stunde bewegt mich, hiervon abzusehen.

Da ein Antrag auf Haftentlassung vorliegt, bitte ich im Rahmen des Möglichen, alsbald zu entscheiden.

Vors.:

Danke. Liegt der Antrag möglicherweise schriftlich vor? So daß wir ihn ...

BA Dr. W[under]: (Anfang unverständlich)

... liegt teils maschinenschriftlich ergänzt durch handschriftliche Korrekturen vor. Ich bin in der Lage, dem Antrag, der allerdings nur in einer Fertigung vorhanden ist, dem Senat für die Beratung zur Verfügung zu stellen.

Vors.:

Danke. Nun die Frage an die Herren Verteidiger. Es war im Zusammenhang mit dem Antrag von Herrn Rechtsanwalt Künzel [537] eine Pause beantragt worden. Es könnte Grund sein, daß Sie sich jetzt aufgrund dessen, was Herr Rechtsanwalt Künzel gesagt hat, überlegen wollen, wie Sie darauf reagieren, auf die Stellungnahme. Dazu bekommen Sie, wenn Sie es wünschen die Pause.

RA Sch[ily]: (Anfang unverständlich)

Da ... daß Sie jetzt die Verhandlung ohnehin abbrechen und dann wird also im nächsten Verhandlungstag dazu Stellung nehmen. Wir werden auch zu dem uns äußern wollen, was die Bundesanwaltschaft jetzt hier vorgetragen hat.

Vors.:

Das ist ein Irrtum. Das Gericht beabsichtigt, zumindest über den Befangenheitsantrag betreffend den Herr Sachverständigen noch zu entscheiden, damit wir heute mit der Anhörung des Herrn Sachverständigen zu Ende kommen.

RA Sch[ily]:

Ja, ich weiß nicht, ob Sie das ... ob das durchführbar ist, aber wir stellen Ihnen anheim, zunächst mal über den Befangenheitsgesuch zu entscheiden.

Vors.:

Wollen Sie ...

RA Sch[ily]:

... Sie haben heute jetzt 16.30 Uhr, wie Sie das eigentlich ... wie das nun eigentlich ... wie wir uns einrichten sollen. Dann würde ich doch bitten, daß Sie uns wenigstens sagen, mal irgendeine äußerste Grenze, denn ich sage Ihnen ganz offen, ich habe heute gebucht, eine Maschine nach Berlin zurück. Ich habe ja auch noch eine andere Praxis als Baader-Meinhof, und ich kann das nicht verantworten und hier schon wieder eine Nacht dransetzen und dann morgen früh womöglich rüber zufliegen. Dann muß ich schon wenigsten dann, irgendwo müssen wir ja wissen, wo ist dann die äußerste Grenze ist. Das mal sich eine Verschiebung ergeben kann, bitte das ... dafür hat auch die Verteidigung Verständnis. Soweit nicht also unterschiedliche Auffassung hinsichtlich der Verhandlungsfähigkeit, die spielt ja jetzt im Moment keine Rolle, aber sonst müßte man da schon irgendwie ein Agreement finden, wo da die äußerste Grenze ist, denn ich kann ja auch noch nicht auf die ...

[538] Vors.:

Aber ich darf Sie bitten, daß wir uns über diesen Punkt vielleicht mal außerhalb der Hauptverhandlung unterhalten, nochmals, nicht wahr. Ich habe Ihnen zugesagt. 16.00 Uhr soll so ungefähr die Idealvorstellung sein, aber ich sagte Ihnen von vornherein, das wird sich nicht immer einhalten lassen können. Wir werden auch Zeugen haben, die wieder zurückkehren müssen, die wir nicht am nächsten Tag wieder verladen können, und so weiter und so fort.

RA Sch[ily]:

Ja sicherlich, ich meine das ist mir klar, aber vielleicht kann man [aaaaaa] da mal irgendwie eine Regelung treffen, daß man sagt, na das ist dann die äußerste Grenze, oder was.

Vors.:

Wir sprechen mal über diesen Punkt.

RA Sch[ily]:

Ja, gut.

Vors.:

Also, wir beabsichtigen lediglich noch, zu diesem Befangenheitsantrag unsere Entscheidung zu fällen. Wir werden beraten. Ich hoffe, daß die Beratung nicht allzulange dauert. Ich bitte, daß Sie sich möglichst hier im Saale zur Verfügung halten, damit es nachher nicht[bbbbbb] nochmals Zeit kostet, bis alles beieinander ist.

Das Gericht zieht sich von 16.24 Uhr bis 17.00 Uhr zur Beratung zurück.

Vors.:

Der Senat hat beschlossen,

der gegen den Sachverständigen Dr. Henck gerichtete Ablehnungsantrag wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Begründung:

Nach den Darlegungen[cccccc] des Sachverständigen hat er keine Anhaltspunkte für eine Verhandlungsunfähigkeit der Angeklagten gefunden. Deshalb konnte er die Frage nach der Verhandlungsfähigkeit, aus seiner Sicht, ohne Einschränkung bejahen, ohne daß er eine weitergehende Untersuchung, die im übrigen von den An- [539] geklagten immer verweigert worden ist, für erforderlich zu halten brauchte. Ebensowenig mußte er unter diesen Voraussetzungen auf die Frage einer eingeschränkten Haftfähigkeit (verbessert sich), Verhandlungsfähigkeit eingehen. Gespräche mit Patienten sind für den Fachmann anerkannte Erkenntnismöglichkeiten, um Auffälligkeiten festzustellen. Ihre Häufigkeit und Dauer bleibt seiner eigenen Beurteilung überlassen. Daß der Sachverständige keine vergleichbaren Haftfälle miterlebt und sich dennoch ein Urteil gebildet hat, besagt noch nichts über eine Voreingenommenheit gegenüber den Angeklagten. Der Sachverständige hat einschlägige Literatur benannt, es ist nicht erkennbar, daß er diese, aus seiner Sicht, nicht als geeignetes Material betrachtet hätte. Ob das Material aus erster oder aus zweiter Hand stammt, war nicht gefragt, auch Sekundärliteratur vermag[dddddd] ein zuverlässiges Erkenntnismittel zu sein. Für eine beabsichtige Täuschung des Gerichts spricht nichts. Allem nach läßt das Auftreten des Sachverständigen keine Voreingenommenheit erkennen, auch nicht in der Verwendung des Wortes „bestenfalls“. Hier handelt es sich offensichtlich nur um eine sprachliche Verstärkung seiner Meinung, daß zusätzliche Tests, die, wenn sie nützlich sein sollten, die Mitarbeit der Angeklagten vorausgesetzt hätten, an seiner Beurteilung hier nichts zu ändern vermocht hätten. Auch vom Standpunkt der Angeklagten aus ist bei vernünftiger Betrachtungsweise kein Anhaltspunkt für die Annahme der Voreingenommenheit des Sachverständigen gegeben.

Herr Dr. Henck, wir danken Ihnen, daß Sie erschienen sind. Sie haben Ihren Urlaub unterbrochen, wir hoffen, daß Sie sich von den heutigen Strapazen gut erholen. Ich glaube, wir können Sie, wenn keine Bedenken bestehen, jetzt entlassen.

Keine Bedenken.

Vielen Dank und guten Heimflug.

Der Sachverständige Dr. Henck verläßt um 17.07 Uhr die Hauptverhandlung.

Ich darf noch verkünden, Herr Rechtsanwalt Künzel, Sie hatten den Antrag gestellt, hier einen Dr. Wilhelm Rais zu hören, da er sich über die Frage der Verhandlungsunfähigkeit äußern könne. Es ist in der Beratungspause Rückfrage [540] gehalten worden bei dem von Ihnen benannten Tübinger Institut. Es gibt dort keinen Dr. Wilhelm Reis, und der Leiter dieses Instituts hat auch mitgeteilt, daß er niemandem den Auftrag gegeben hätte, hier den Prozeß zu beobachten.

RA K[ünzel]:

Ich werde der Sache natürlich nachgehen. Dieser Informant, hat sich nun also durch Sachkunde ausgewiesen, er hat erklärt, daß nicht nur er, sondern auch andere Angehörige des Instituts hiergewesen wären und er hat sich weiter, an sich legitimiert möchte ich sagen, durch genaue Kenntnisse der Verhältnisse der Medizin auf dem Asperg. Er hat auch behauptet, daß er dort als Mediziner tätig gewesen wäre, aber ich werde selbstverständlich der Sache nachgehen.

Vors.:

Da wir ja über diesen Antrag, den 46-seitigen Antrag erst befinden zum Beginn der nächsten Verhandlung, bleibt Zeit; wenn Sie uns irgendeinen Hinweis bis dahin geben können, uns wäre es lieb.

Ich glaube damit sind wir am Ende des heutigen Verhandlungstages. Fortsetzung am kommenden Mittwoch 9.00 Uhr.

- Ende der Sitzung um 17.10 Uhr -

Ende Band 17


[1] In den Fällen der notwendigen Verteidigung ist die Mitwirkung eines Verteidigers oder einer Verteidigerin gesetzlich vorgeschrieben (§ 141 StPO a.F.; seit dem 13.12.2019 [Gesetz zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019, BGBl. I, S. 2128] ist die Bestellung in manchen Fällen von einem Antrag des/der Beschuldigten abhängig, § 141 Abs. 1 StPO). Die notwendige Verteidigung ergab sich in diesem Verfahren daraus, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht stattfand (§ 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO) und dem Vorwurf eines Verbrechens (§ 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO; ein Verbrechen liegt vor bei einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr, § 1 Abs. 1 StGB a.F.; heute: § 12 Abs. 1 StGB), sowie der Inhaftierung der Beschuldigten für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten (§ 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO a.F.; heute ist die zeitliche Vorgabe entfallen). Auch zuvor gewählte Verteidiger/innen können als Pflichtverteidiger/innen bestellt werden. Für einige der sog. Vertrauensverteidiger/innen war dies geschehen, und zwar: Rechtsanwalt Schily und Rechtsanwältin Becker für die Angeklagte Ensslin, Rechtsanwalt Riedel für die Angeklagte Meinhof und Rechtsanwalt von Plottnitz für den Angeklagten Raspe. Zusätzlich wurden ihnen je zwei Verteidiger (gegen ihren Willen) durch das Gericht zur Sicherung des Verfahrens beigeordnet.

[2] Da die Beiordnung als Pflichtverteidiger/in dem öffentlichen Interesse dient, dafür zu sorgen, dass Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhalten und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird (BVerfG, Beschl. v. 8.4.1975 - Az.: 2 BvR 207/75, BVerfGE 39, S. 238, 242), gehen mit ihr besondere Pflichten einher. Darunter fällt auch die Anwesenheitspflicht während der Hauptverhandlung, und zwar unabhängig davon, ob weitere (Pflicht-)Verteidiger/innen anwesend sind (OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.12.2015 - Az: 2 Ws 203/15, NStZ 2017, S. 436, 437 f.).

[3] Eine mögliche Konsequenz pflichtwidrigen Verhaltens ist die Zurücknahme der Bestellung als Pflichtverteidiger/in (Entpflichtung). Diese war zwar als Reaktion auf pflichtwidriges Verhalten gesetzlich nicht vorgesehen, es war allerdings in Literatur und Rechtsprechung anerkannt, dass dies im Falle eines Fehlverhaltens von besonderem Gewicht und nach voriger Abmahnung ausnahmsweise zulässig ist (Willnow, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 143 Rn. 4). Bloßes prozessordnungswidriges oder unzweckmäßiges Verhalten reicht hingegen nicht aus, da es nicht Aufgabe des Gerichts ist, die ordnungsgemäße Erfüllung der Verteidigungspflichten zu überwachen (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 143a Rn. 25 ff.; s auch Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 32. Aufl. 1975, § 143 Anm. 3). Seit dem 13.12.2019 enthält § 143a Abs. 2 Nr. 3 StPO (eingeführt durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019, BGBl. I, S. 2128) ausdrücklich die Möglichkeit der Entpflichtung, wenn „aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Beschuldigten gewährleistet ist“. Darunter wird auch der Fall der groben Pflichtverletzung gefasst (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 143a Rn. 26).

[4] Notwendigerweise Gegenstand der Hauptverhandlung ist alles, was der Beantwortung der Schuld- und Straffrage dient, d.h. der Tathergang, die Schuld der Angeklagten sowie die Höhe der Strafe, da nur solche Tatsachen zur Begründung des Urteils herangezogen werden dürfen, die (prozessordnungsgemäß) in die Hauptverhandlung eingeführt wurden (§ 261 StPO). Für den Vollzug der Untersuchungshaft und damit auch für die Haftbedingungen liegt die gerichtliche Zuständigkeit zwar auch beim Gericht der Hauptsache (§ 126 Abs. 2 StPO); allerdings erfolgt eine Erörterung der Fragen üblicherweise außerhalb der Hauptverhandlung, weil sie zur Beantwortung der Schuld- und Straffrage nicht von Belang sind.

[5] Verhandlungsfähigkeit ist die Fähigkeit „in und außerhalb der Verhandlung seine Interessen vernünftig wahrzunehmen, die Verteidigung in verständiger und verständlicher Weise zu führen sowie Prozesserklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen“ (BGH, Beschl. v. 8.2.1995 - Az.: 5 StR 434/94, BGHSt 41, S. 16, 18). Die Verhandlungsunfähigkeit bildet ein vorübergehendes oder dauerndes Verfahrenshindernis (§§ 205, 206a StPO). Eingeschränkter Verhandlungsfähigkeit kann durch die Anordnung besonderer Maßnahmen (ärztliche Unterstützung, Einlegung von Erholungspausen o.ä.) begegnet werden (s. dazu auch Rechtsanwalt Dr. Heldmann auf S. 1255 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 15. Verhandlungstag). Bei vorsätzlicher und schuldhafter Herbeiführung der Verhandlungsunfähigkeit kann die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Angeklagten durchgeführt werden (§ 231a StPO).

[6] Nach Art. 316 Abs. 3 Satz 2 EGStGB a.F. durfte Einzelhaft - bezogen allerdings auf die Strafhaft, nicht auf Untersuchungshaft - ohne Einwilligung der inhaftierten Person die Dauer von insgesamt drei Jahren nicht übersteigen.

[7] Für den Vollzug von Untersuchungshaft und Strafhaft gelten unterschiedliche Vorschriften (Untersuchungshaft: zum damaligen Zeitpunkt Abs. 3 StPO a.F. i.V.m. der Untersuchungshaftvollzugsordnung; heute: Landesgesetze; Strafhaft: damals noch geregelt durch die Dienst- und Vollzugsordnung von 1961, die durch das Bundesverfassungsgericht allerdings nicht als ausreichende Rechtsgrundlage angesehen wurde [BVerfG, Beschl. v. 14.3.1972 - Az.: 2 BvR 41/71, BVerfGE 33, S. 1]; ab dem 1.1.1977 daher: Strafvollzugsgesetz; seit der Föderalismusreform 2006 zu einem großen Teil ersetzt durch Landesgesetze). Im Unterschied zur Strafhaft gibt es bei der Untersuchungshaft gerade noch kein rechtskräftiges Urteil, sodass weiterhin die Unschuldsvermutung gilt. Aus diesem Grund ist die Anordnung von Untersuchungshaft als Ausnahmeregelung an strenge Voraussetzungen geknüpft und muss stets mit dem Zweck der Sicherung des Strafverfahrens abgewogen werden (BVerfG, Beschl. v. 15.12.1965 - Az.: 1 BvR 513/65, BVerfGE 19, S. 342, 347; Kühne, Strafprozessrecht, 9. Aufl. 2015, Rn. 425 ff.).

[8] § 21 Abs. 3 Satz 2 StGB a.F. lautete: Die Einzelhaft darf ohne Zustimmung des Gefangenen die Dauer von insgesamt drei Jahren nicht übersteigen. Die mit Art. 316 Abs. 3 Satz 2 EGStGB a.F. wortlgeiche Vorschrift wurde durch das Zweite Strafrechtsreformgesetz vom 4. Juli 1969 (BGBl. I, S. 717) mit Wirkung zum 1.1.1975 im Rahmen einer Neustrukturierung des Allgemeinen Teils des StGB gestrichen; eine vergleichbare Vorschrift wurde nicht mehr in das StGB aufgenommen. § 22 StGB enthält seither eine Vorschrift über die Versuchsstrafbarkeit.

[9] Nicht alle Angeklagten verbrachten die gesamte Haftdauer seit ihrer Verhaftung im Juni 1972 in Untersuchungshaft. Andreas Baader saß noch bis zum 1. November 1974, Gudrun Ensslin bis zum 1. August 1974 in Strafhaft. Sie verbüßten jeweils den Rest einer dreijährigen Haftstrafe, zu der sie im sog. Frankfurter Kaufhausbrandstiftungsprozess verurteilt wurden (s. S. 2378 des Protokolls der Hauptverhandlung, 29. Verhandlungstag). Ulrike Meinhof wurde vom LG Berlin mit Urteil vom 29.11.1974 wegen ihrer Beteiligung an der Befreiung von Andreas Baader aus der Haft am 14. Mai 1970 zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von acht Jahren verurteilt (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 95 ff.), wobei die Haftstrafe wohl erst ab dem 29.1.1976 vollstreckt wurde (s. den entsprechenden Hinweis des Vorsitzenden Dr. Prinzing am 71. Verhandlungstag, S. 6396 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[10] Während bis zum 31.12.1974 die sog. Blockverteidigung - die kollektive Verteidigung mehrerer Angeklagter bei gleicher Interessenlage - zulässig war, wurde durch das Ergänzungsgesetz zum Ersten Strafverfahrensreformgesetz vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3686) mit Wirkung zum 1.1.1975 das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) eingeführt. Jede/r Verteidiger/in durfte fortan nur noch eine/n Angeklagte/n vertreten, mithin auch nur für eine/n Angeklagte/n anwaltlich tätig werden. Auf die Einhaltung dieser Vorgaben achtete der Vorsitzende Dr. Prinzing in der Regel sehr genau (s. dazu etwa die Diskussion am 4. Verhandlungstag, S. 279 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, sowie am 12. Verhandlungstag, S. 928 f. des Protokolls).

[11] Das Freibeweisverfahren findet Anwendung zum Beweis von Tatsachen, die nicht die Straf- oder Schuldfrage, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe, betreffen. Im Unterschied zum dort anzuwendenden Strengbeweisverfahren ist das Gericht im Freibeweisverfahren nicht auf die Wahl bestimmter Beweismittel beschränkt, sondern kann grundsätzlich alle verfügbaren Erkenntnisquellen nutzen; auch an die im Strengbeweisverfahren vorgeschriebene Form ist es nicht gebunden (BGH, Urt. v. 28.6.1961 - Az.: 2 StR 154/61, BGHSt 16, S. 164, 166).

[12] „Im Übrigen“ bezieht sich auf die Frage nach einer Vorstrafe wegen Eidesverletzung.

[13] Von September 1974 bis Februar 1975 führten insgesamt 40 Gefangene, darunter die Angeklagten, den insgesamt dritten und längsten Hungerstreik durch, um gegen die Haftbedingungen zu protestieren, die sie als Isolationsfolter bezeichneten (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 117; die Hungerstreikerklärung ist abgedruckt in Komitees gegen Folter an politischen Gefangenen in der BRD, Der Kampf gegen die Vernichtungshaft, S. 14 ff.; zum Vorwurf der Isolationsfolter s. Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 103 ff.; Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 270 ff.).

[14] Die Aufgabe von Zeug/innen ist es, eine persönliche Wahrnehmung über einen in der Vergangenheit liegenden Vorgang zu bekunden (BGH, Urt. v. 12.03.1969 - Az.: 2 StR 33/69, BGHSt 22, S. 347, 348), wobei es nur auf Tatsachen ankommt. Dazu gehören auch sog. innere Tatsachen, wie die eigene Überzeugung, bestimmte Motive etc. (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, Vor § 48 Rn. 2). Im Unterschied dazu vermitteln Sachverständige Sachkunde oder wenden diese bei der Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts an. Bei der Bekundung von Tatsachen ist zu unterscheiden: Wurde die bekundete Tatsache im Rahmen eines behördlichen Auftrages aufgrund der besonderen Sachkunde wahrgenommen, fällt auch die Tatsachenbekundung in den Aufgabenbereich der Sachverständigen. Wurde die Tatsache hingegen ohne Auftrag, aber dennoch aufgrund einer gewissen Sachkunde wahrgenommen, sind die Regeln für den Zeugenbeweis anwendbar (sog. sachverständiger Zeuge, § 85 StPO; zur Abgrenzung s. Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 85 Rn. 2 f.).

[15] Der Senat war ab dem Zeitpunkt der Erhebung der öffentlichen Klage als Gericht der Hauptsache auch zuständig für den Vollzug der Untersuchungshaft und damit auch für Entscheidungen über die Haftbedingungen (§ 126 Abs. 2 StPO).

[16] Ulrike Meinhof saß nach ihrer Verhaftung am15. Juni 1972 zunächst in Köln-Ossendorf in Untersuchungshaft, bevor sie im April 1974 nach Stuttgart-Stammheim verlegt wurde. In Ossendorf befand sich der von den Angeklagten so bezeichnete „Tote Trakt“, ein vom regulären JVA-Betrieb isolierter Bereich in der psychiatrischen Frauenabteilung der JVA (s. zu den dortigen Haftbedingungen Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 95 ff.). Dort war Ulrike Meinhof für ca. 8 Monate untergebracht, bevor sie zunächst in eine andere Abteilung und später nach Stuttgart-Stammheim verlegt wurde (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 97 ff.).

[17] Gudrun Ensslin wurde am 7. Juni 1972 in Hamburg festgenommen und war bis Februar 1974 in der JVA Essen untergebracht, bevor sie im Februar 1974 für zwei Monate nach Köln-Ossendorf und im April 1974 zusammen mit Ulrike Meinhof nach Stammheim verlegt wurde (Bressan/Jander, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 398, 417; Tenfelde, Die Rote Armee Fraktion und die Strafjustiz, 2009, S. 123).

[18] Wolfgang Grundmann gehörte der ersten Generation der RAF an. Er wurde am 2. März 1972 in einer Hamburger Wohnung zusammen mit Manfred Grashof verhaftet. Mit Urteil vom 2.6.1977 wurde er wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von vier Jahren verurteilt (Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 258 f.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 31 f.; s. zum Prozess vor dem LG Kaiserslautern auch DER SPIEGEL, Ausgabe 24/1977 vom 6.6.1977, S. 104).

[19] Klaus Jünschke war Psychologiestudent und ehemaliges Mitglied des Sozialistischen Patientenkollektivs (SPK). In der RAF überfiel er 1971 mit anderen eine Bank in Kaiserslautern. Im Verlaufe des Geschehens wurde der Beamte Herbert Schoner erschossen. Jünschke wurde am 9. Juli 1972 zusammen mit Irmgard Möller in Offenbach verhaftet. Ihm wurde neben den Straftaten im Zusammenhang mit dem Banküberfall auch die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung sowie die Beteiligung an der Herbeiführung der Sprengstoffexplosion in Frankfurt a.M. am 11. Mai 1972 vorgeworfen. Im Hinblick auf die Sprengstoffexplosion wurde er zwar freigesprochen; das LG Kaiserslautern verurteilte ihn am 2.6.1977 aber u.a. wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe (Overath, Drachenzähne, 1991, S. 89 ff.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 257, 761 Anm. 59; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 30 ff.; DER SPIEGEL, Ausgabe 24/1977 vom 6.6.1977, S. 104).

[20] Die/Der Vorsitzende kann ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen nach § 241 Abs. 2 StPO zurückweisen. Wird dies durch eine/n Prozessbeteiligte/n beanstandet, so entscheidet das Gericht (§ 238 Abs. 2 StPO), in diesem Fall der Senat in voller Besetzung.

[21] Anlage 1 zum Protokoll vom 12.06.1975: Antrag auf Bestellung von Sachverständigen zur Begutachtung der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten sowie auf Einstellung des Verfahrens und Entlassung der Angeklagten aus der Untersuchungshaft nebst Anlagen.

[22] Siegfried Hausner war Mitglied der RAF und Teil des „Kommando Holger Meins“, das am 24. April 1975 bei dem Überfall auf die deutsche Botschaft in Stockholm zwölf Geiseln nahm, zwei Menschen tötete und die Freilassung von 26 Gefangenen, darunter der Angeklagten Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof, forderte. Aus weiterhin unbekannten Gründen explodierte kurz vor der Stürmung des Gebäudes durch schwedische Spezialkräfte im Inneren der Botschaft ein Sprengsatz, infolgedessen Hausner schwer verletzt wurde. Trotz dieser Verletzungen wurde Hausner wenige Tage später in die Bundesrepublik ausgeliefert und auf die Intensivstation der JVA Stammheim verlegt, wo er Anfang Mai 1975 verstarb (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 512. 515 f.; Forsbach, Die 68er und die Medizin, 2011, S. 95 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 766 Anm. 80).

[23] Jan-Carl Raspe trug am 16. Verhandlungstag vor, das Protokoll sei an dieser Stelle verfälscht worden. Hier hätte statt „unverständlich“ stehen müssen: „... sondern in der Verantwortung der B. Anwaltschaft, die damit hier offen erklärt, daß sie Siegfried Hausner durch den Transport nach Stammheim ermordet hat“ (so der Angeklagte Raspe auf S. 1307 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[24] Mit „Trakt“, auch „Toter Trakt“, bezeichneten die Angeklagten einen isolierten Trakt innerhalb einer JVA. In der JVA Köln-Ossendorf befand sich ein solcher Trakt in der psychiatrischen Frauenabteilung, in der zunächst Astrid Proll untergebracht war, später auch Ulrike Meinhof, bevor sie im April 1974 nach Stuttgart-Stammheim verlegt wurde. Im Februar 1974 wurde auch Gudrun Ensslin für zwei Monate nach Köln-Ossendorf verlegt (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 97 ff.). Meinhof beschrieb den Zustand im Trakt mit den Worten: „Das Gefühl, es explodiert einem der Kopf (das Gefühl, die Schädeldecke müsste eigentlich zerreißen, abplatzen) - das Gefühl, es würde einem das Rückenmark ins Gehirn gepresst [...]. das Gefühl, die Zelle fährt [...] rasende Aggressivität, für die es kein Ventil gibt. Das ist das Schlimmste. Klares Bewußtsein, daß man keine Überlebenschance hat [...]“ (Erklärung von Ulrike Meinhof, abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 103 ff.; s. auch die Ausführungen im Antrag der Angeklagten am 5. Verhandlungstag, Anlage 1 zum Protokoll vom 12.6.1975, insbes. die S. 425 ff. des Protokolls bzw. 20 ff. der Anlage; s. zu den Haftbedingungen in Köln-Ossendorf aber auch Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 95 ff.).

[25] S. bereits Fn. 10.

[26] Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 StPO können Sachverständige aus denselben Gründen abgelehnt werden, wie Richter/innen, also auch wegen Besorgnis der Befangenheit (§ 24 StPO). Im Falle einer erfolgreichen Ablehnung kann das Gericht nach § 83 Abs. 2 StPO ein Gutachten durch eine/n andere/n Sachverständige/n einholen.

[27] Der Grund, aus welchem der/die Sachverständige abgelehnt wird, muss glaubhaft gemacht werden (§ 74 Abs. 3 StPO). Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht sie für überwiegend wahrscheinlich hält (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 26 Rn. 7). Die Glaubhaftmachung erfordert damit eine geringere Form der Überzeugung als der sog. Vollbeweis. Die Glaubhaftmachung genügt nur dort, wo das Gesetz sie ausdrücklich zulässt.

[28] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). § 177 GVG eröffnet aber die Möglichkeit, Angeklagte wegen ordnungswidrigen Benehmens aus dem Sitzungszimmer zu entfernen. Nach § 231b Abs. 1 StPO kann die Hauptverhandlung sodann in Abwesenheit der Angeklagten fortgeführt werden, wenn das Gericht ihre Anwesenheit nicht für unerlässlich hält und solange weitere schwerwiegende Störungen zu befürchten sind.

[29] Den Angeklagten waren neben ihren Vertrauensverteidiger/innen je zwei weitere Pflichtverteidiger (gegen ihren Willen) zur Sicherung des Verfahrens beigeordnet, zu denen auch Rechtsanwalt König gehörte. Die Angeklagten lehnten die von ihnen sog. Zwangsverteidiger vehement ab und weigerten sich, mit ihnen zu reden. Ulrike Meinhof führte am 1. Verhandlungstag aus: „Es handelt sich bei diesen Verteidigern um Zwangsverteidiger, die als Instrumente der B. Anwaltschaft ohne jede Kompetenz, abhängige Staatsschutzverteidiger sind, d. h. ihrer Funktion in diesem Prozeß nach Vertreter der Anklagebehörden und der Staatsschutzabteilung“ (S. 85 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[30] Sachleitungsbezogene Anordnungen des/der Vorsitzenden können als unzulässig beanstandet werden (§ 238 Abs. 2 StPO). Über die Beanstandung entscheidet sodann das Gericht, in diesem Fall der Senat in voller Besetzung.

[31] In der Literatur war diese Vorgehensweise - die Beiordnung von Pflichtverteidiger/innen gegen den Willen der Angeklagten neben vorhandenen (Wahl-)Verteidiger/innen - lange umstritten (s. dazu Thomas/Kämpfer, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, § 141 Rn. 6). Die Rechtsprechung ließ diese sog. Sicherungsverteidigung zu (BVerfG, Beschl. v. 28.3.1984 - Az.: 2 BvR 275/83, BVerfGE 66, S. 313, 321; BGH, Urt. v. 11.12.1952 - Az.: 3 StR 396/51, BGHSt 3, S. 395, 398; s. auch EGMR, Urt. v. 25.9.1992 - Az.: 62/1991/314/385, EuGRZ 1992, S. 542, 545 f.). Erst mit dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 (BGBl. I, S. 2128) wurde hierfür in § 144 StPO auch eine gesetzliche Regelung geschaffen.

[32] Zu den Besonderheiten dieses Verfahrens gehörte es, dass sich die Prozessbeteiligten darauf einigten, ein gerichtliches Wortprotokoll als Arbeitsgrundlage anzufertigen (s. dazu S. 4 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Gesetzlich vorgeschrieben ist aber lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Sie wird durch den/die Vorsitzende/n auf Antrag oder von Amts wegen angeordnet; die protokollierte Stelle ist im Anschluss zu verlesen. Das Verhältnis der wörtlichen Protokollierung gem. § 273 Abs. 3 StPO zum ständig mitlaufenden Tonband sorgte für manche Diskussionen (so etwa am 31. Verhandlungstag, S. 2495 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung; s. auch S. 221 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 3. Verhandlungstag).

[33] S. bereits RG, Urt. v. 27. Juni 1906 - Az. I 59/06, RGZ 64, S. 14; BGH, Urt. v. 8. Oktober 1957 - Az. 5 StR 366/57, BGHSt 15, S. 18, bei Dallinger, MDR 58, 141.

[34] Nach § 231a StPO kann die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Angeklagten fortgeführt werden, wenn diese noch nicht zur Anklage vernommen wurden, sie sich vorsätzlich und schuldhaft in den Zustand der Verhandlungsunfähigkeit versetzt haben und das Gericht ihre Anwesenheit nicht für unerlässlich hält.

[35] Die Fotografin Astrid Proll hatte bereits im Oktober 1967 im Zuge der Vietnam-Demonstration versucht, mit Baader einen Sprengstoff-Anschlag auf das Berliner Amerikahaus durchzuführen, der jedoch scheiterte. Zusammen mit Baader und Ensslin ging sie 1969 in den Untergrund. Anfang Mai 1971 wurde sie in Hamburg verhaftet. Während ihrer Einzelhaft in der JVA Köln-Ossendorf verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand, sodass das Verfahren gegen sie vor dem LG Frankfurt im Herbst 1973 unterbrochen und sie im Februar 1974 schließlich wegen Haftunfähigkeit entlassen werden musste. Anschließend tauchte sie unter. Im September 1978 wurde sie schließlich in London verhaftet und im Sommer 1979 in die die Bundesrepublik ausgeliefert, wo sie zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von fünfeinhalb Jahren verurteilt wurde. Da Proll bereits längere Zeit in Untersuchungshaft gesessen hatte, wurde ihr diese Zeit angerechnet und sie wurde auf Bewährung entlassen (Edschmid, Frau mit Waffe, 3. Aufl. 2014, S. 171 f.; Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 41; Kraushaar, Die blinden Flecken der RAF, 2017, S. 47, 150; Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 125 f.).

[36] Nachdem Andreas Baader zu Beginn der Hauptverhandlung ohne Verteidiger/in seines Vertrauens dastand (s. hierzu S. 838 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 11. Verhandlungstag), übernahm ab dem 4. Verhandlungstag Rechtsanwalt Dr. Heldmann die Verteidigung Baaders. Hierzu beantragte er eine 10tägige Verhandlungsunterbrechung, um sich in die umfangreichen Akten des Verfahrens einzuarbeiten (S. 274 des Protokolls der Hauptverhandlung, 4. Verhandlungstag). Der Antrag wurde abgelehnt (S. 292 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).


[a] Handschriftlich ergänzt: mitzuteilen

[b] Handschriftlich durchgestrichen: er

[c] Handschriftlicher Vermerk: (S. 406)

[d] Handschriftlich ersetzt: Entsagen durch Enzymen

[e] Handschriftlich ersetzt: verwandte durch verwendete

[f] Handschriftlich ersetzt: wie gesagt durch wird auch

[g] Handschriftlich durchgestrichen: sogar

[h] Handschriftlich eingefügt: es

[i] Handschriftlich durchgestrichen: wir

[j] Maschinell eingefügt: offenbar

[k] Maschinell eingefügt: dem

[l] Handschriftlich ersetzt: erlaubt durch erlauben

[m] Handschriftlich ersetzt: der Gespräche durch bei Gesprächen

[n] Handschriftlich ersetzt: den Behörden, den besagten durch dem Gehörten, dem Gesagten

[o] Handschriftlich eingefügt: - zu Dr. Henck -

[p] Handschriftlich eingefügt: in

[q] Handschriftlich durchgestrichen: Fragestellungen

[r] Handschriftlich ersetzt: psychischen durch physischen

[s] Handschriftlich ersetzt: psychischen durch physischen

[t] Handschriftlich durchgestrichen: diesen

[u] Maschinell durchgestrichen: der

[v] Handschriftlich durchgestrichen: Das

[w] Maschinell eingefügt: sondern das gilt

[x] Handschriftlich durchgestrichen: aber

[y] Handschriftlich durchgestrichen: Sie

[z] Handschriftlich eingefügt: bei

[aa] Handschriftlich ersetzt: das hätte durch der wäre

[bb] Maschinell durchgestrichen: Landes

[cc] Maschinell eingefügt: irgendwie

[dd] Maschinell eingefügt: oder

[ee] Maschinell eingefügt: sich auf

[ff] Maschinell eingefügt: dann

[gg] Handschriftlich durchgestrichen: etwas

[hh] Handschriftlich ersetzt: abonetisch durch apodiktisch

[ii] Handschriftlich eingefügt: den

[jj] Handschriftlich ersetzt: was durch wo

[kk] Maschinell durchgestrichen: sollen

[ll] Handschriftlich durchgestrichen: sein

[mm] Handschriftlich ersetzt: etwas durch als das

[nn] Maschinell eingefügt: zu

[oo] Maschinell eingefügt: um

[pp] Handschriftlich ersetzt: und durch um

[qq] Handschriftlich ersetzt: lapola durch ...

[rr] Handschriftlich ersetzt: Urenie durch Uraemi

[ss] Maschinell durchgestrichen: ich kann

[tt] Handschriftlich durchgestrichen: explorativgründen

[uu] Maschinell ergänzt: Erkenntnissen

[vv] Maschinell ersetzt: ärztliches durch Ärzte ihres

[ww] Maschinell ersetzt: ärztliches durch Ärzte des

[xx] Handschriftlich ersetzt: über durch und es

[yy] Maschinell eingefügt: dummen

[zz] Handschriftlich eingefügt: Vors.:

[aaa] Maschinell eingefügt: aber

[bbb] Handschriftlich ergänzt: keinen

[ccc] Handschriftlich ergänzt: einen

[ddd] Handschriftlich eingefügt: In

[eee] Handschriftlich ersetzt: ist durch gibt

[fff] Handschriftlich durchgestrichen: es

[ggg] Maschinell eingefügt: das

[hhh] Maschinell eingefügt: nicht dauernd

[iii] Maschinell eingefügt: stellen

[jjj] Maschinell eingefügt: das

[kkk] Handschriftlich durchgestrichen: hatten

[lll] Handschriftlich durchgestrichen: hatten

[mmm] Handschriftlich ergänzt: keinen

[nnn] Maschinell eingefügt: doch

[ooo] Handschriftlich eingefügt: dem

[ppp] Handschriftlich ergänzt: sensorischer

[qqq] Handschriftlich ersetzt: Demprevation durch Deprivation

[rrr] Handschriftlich ersetzt: Demprevation durch Deprivation

[sss] Handschriftlich ersetzt: und durch um

[ttt] Handschriftlich durchgestrichen: der

[uuu] Maschinell ersetzt: ... durch eine

[vvv] Handschriftlich ersetzt: Demprevation durch Deprivation

[www] Handschriftlich ersetzt: Demprevation durch Deprivation

[xxx] Maschinell eingefügt: auch

[yyy] Maschinell ergänzt: Symptomatiken

[zzz] Maschinell eingefügt: Dr. Henck

[aaaa] Handschriftlich ersetzt: Demprevation durch Deprivation

[bbbb] Maschinell eingefügt: ist

[cccc] Maschinell eingefügt: das

[dddd] Maschinell eingefügt: uns

[eeee] Maschinell eingefügt: die Fragen

[ffff] Maschinell eingefügt: drüben

[gggg] Handschriftlich ersetzt: Text unleserlich durch wieder

[hhhh] Maschinell ergänzt: Vormittagssitzung

[iiii] Maschinell eingefügt: die

[jjjj] Handschriftlich ersetzt: ihm durch ihn

[kkkk] Handschriftlich durchgestrichen: und

[llll] Maschinell ergänzt: Erkenntnismöglichkeiten

[mmmm] Handschriftlich durchgestrichen: wenn

[nnnn] Handschriftlich durchgestrichen: einen

[oooo] Maschinell eingefügt: der

[pppp] Handschriftlich ersetzt: War durch Die

[qqqq] Maschinell eingefügt: Sie

[rrrr] Handschriftlich eingefügt: die

[ssss] Handschriftlich durchgestrichen: haben

[tttt] Handschriftlich ersetzt: Demprevation durch Deprivation

[uuuu] Handschriftlich ergänzt: Tiefenpsychologische

[vvvv] Handschriftlich ersetzt: erkannt durch bekannt

[wwww] Handschriftlich ersetzt: als einziger Kinder geboren wurde durch ...

[xxxx] Handschriftlich durchgestrichen: vom Sehen

[yyyy] Maschinell eingefügt: war

[zzzz] Handschriftlich durchgestrichen: diesen

[aaaaa] Handschriftlich durchgestrichen: Als Folterer, nach Bestandteil dieser Methode.

[bbbbb] Maschinell eingefügt: doch

[ccccc] Maschinell eingefügt: Rest

[ddddd] Handschriftlich ergänzt: Ausführungen

[eeeee] Handschriftlich ersetzt: bewahrt durch gewahrt

[fffff] Handschriftlich eingefügt: in

[ggggg] Handschriftlich eingefügt: sich

[hhhhh] Handschriftlich durchgestrichen: Hinsicht

[iiiii] Handschriftlich durchgestrichen: in

[jjjjj] Handschriftlich ersetzt: gegeben durch gezeigt

[kkkkk] Handschriftlich eingefügt: im

[lllll] Handschriftlich durchgestrichen: wir sagen,

[mmmmm] Handschriftlich durchgestrichen: Anhörungen

[nnnnn] Maschinell eingefügt: sie

[ooooo] Maschinell ergänzt: hervorgeht

[ppppp] Handschriftlich durchgestrichen: festlegten

[qqqqq] Handschriftlich eingefügt: ist

[rrrrr] Maschinell eingefügt: worden

[sssss] Maschinell eingefügt: hier

[ttttt] Maschinell eingefügt: heute

[uuuuu] Maschinell eingefügt: und

[vvvvv] Maschinell eingefügt: sich

[wwwww] Maschinell eingefügt: das

[xxxxx] Maschinell eingefügt: in

[yyyyy] Maschinell ergänzt: geradezu

[zzzzz] Maschinell eingefügt: könnte

[aaaaaa] Handschriftlich durchgestrichen: das

[bbbbbb] Maschinell eingefügt: nicht

[cccccc] Handschriftlich ergänzt: Darlegungen

[dddddd] Maschinell ergänzt: vermag