32. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 2. September 1975, um 9.05 Uhr



[2570] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 2. September 1975, um 9.05 Uhr.

(32. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte sind anwesend:

Just. Sekr. Janetzko,

Just. Ass. z. A. Clemens.

Die Angeklagten sind anwesend mit ihren Verteidigern:

Rechtsanwälte Schily, Becker, Rogge, Dr. Heldmann, Riedel, Rechtsreferendar Düx (als amtlich bestellter Vertreter von Rechtsanwalt von Plottnitz), Künzel, Schnabel, Schwarz, König, Linke, Grigat.

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort.

Zur Anwesenheit ist zunächst zu sagen:

Herr RA Eggler und Herr RA Schlaegel haben sich entschuldigt;

Herr RA Schlaegel wird etwas später erscheinen.

Für Herrn RA v[on] Plottnitz ist als amtlich bestellter Vertreter Herr Rechtsreferendar Düx anwesend. Das wirft ein Problem auf.

- Siehe Anlage 1 und 2 zum Protokoll -

Wie die Herrn wissen, ist im 1. Rechtszug vor dem OLG oder LG ein Auftreten von Referendaren als Verteidiger nicht möglich.[1] Diese Vorschriften stehen in Kollision mit der amtlichen Bestellung.[2] Wir haben seinerzeit mit den Herrn Verteidiger besprochen, daß eine Vertretung durch die amtlich bestellten Vertreter insbesondere möglich sei; gingen aber dabei selbstverständlich davon aus, daß es sich um Anwälte handelt, d. h. zumindest also um Juristen, Volljuristen mit beiden Examinas.

Das hat nun mit Ihnen, Herr Referendar Düx, natürlich nicht das Mindeste zu tun. Wir kennen Sie gar nicht. Aber wir wollen grundsätzlich festhalten: [2571] Eine Verteidigung durch Referendare kann - auch wenn sie amtlich bestellte Vertreter sind - nur im Einzelfall ausnahmsweise mal in Betracht kommen.[3] Es kann also keineswegs daraus eine Regel gemacht werden, so daß, Herr Referendar, für heute die Bestellung ausgesprochen wird,

RA Eggler erscheint um 9.07 Uhr.

genehmigt wird, daß Sie anstelle von Herrn RA v[on] Plottnitz auftreten. Das gilt aber nur und ausschließlich für den heutigen Tag.

Dann darf ich die Frage an die Beteiligten richten:

Ich hatte bei der vorletzten Sitzung wohl angedeutet, wie wir es halten wollen mit der freien Woche im September. Können wir uns dahin einigen, daß der letzte Sitzungstag am Freitag ist und daß fortgefahren wird am Dienstag, also Freitag, 12, vormittags nochmals verhandelt wird und fortgefahren wird am Dienstag, dem 23.9.[a]

Herr RA Linke, bitte schön.

RA Li[nke]:

Herr Vorsitzender, wäre da vorgesehen, dann am Donnerstag statt des Montags zu verhandeln?

Vors.:

Ja. Das wäre eine Verschiebung. Also wir müßten den Block Montag, Dienstag, Mittwoch einfach um einen Tag verschieben auf Dienstag, Mittwoch, Donnerstag.

RA Li[nke]:

Also ich habe für diesen Donnerstag, weil ja die Planung langfristig war, anderweitig disponiert. Ich bin also an diesem Donnerstag verhindert.

Vors.:

Das würde sich ja nun verkraften lassen, sofern einer der übrigen Herrn Verteidiger anwesend ist.

RA Li[nke]:

Aber Herr König auch.

Könnten wir nicht vielleicht in dieser Woche dann nur zwei Verhandlungstage machen?

Vors.:

Das möchte ich möglichst vermeiden. Wir haben also hier in dem Prozeß natürlich keine Möglichkeit mehr, irgendwelche Sitzungstage zu vergeben.

RA Li[nke]:

Also ich habe, weil ich den Plan vor mir habe, speziell auf den Tag Sitzung legen lassen.

[2572][4] [2573][5] [2574] Vors.:

Meine Herrn, darf ich vielleicht folgendes vorschlagen:

Überprüfen Sie’s selbst nochmals, ob die Verteidigung gewährleistet ist unter Berücksichtigung Ihrer Verhinderungsfälle, und wir können dann zum Schluß der heutigen Sitzung die Frage nochmals stellen. Ich bitte, es aber bis dahin endgültig zu klären.

Herr RA Riedel.

RA Rie[del]:

Darf ich Sie fragen, welche Sitzungstage? Ich hab das nicht richtig mitbekommen akustisch.

Vors.

Welche Tage?

RA Rie[del]:

Ja, die in Frage kommen jetzt als ...

Vors.:

Die Vertretung durch Herrn ...

RA Rie[del]:

Nein, Sitzungstage in der Woche, die Sie jetzt erwähnt hatten.

Vors.:

Ach so. Jetzt geht’s wieder noch um diese freie Woche.

Ja. Wir würden also verhandeln am 12.9. letztmals - das ist der Freitag. Wir hätten dann in dieser Woche vier Tage, würden am Freitag allerdings nach Möglichkeit kurz verhandeln. Dann wäre die Fortsetzung am Dienstag, 23. bis zum Donnerstag, 25.9. Aber das war vor zwei Sitzungstagen bereits mal zum Thema gemacht worden.

RA Rie[del]:

Dann, Herr Vorsitzender, noch zu der Frage des amtlich bestellten Vertreters: Es überrascht, daß das Gericht jetzt derartig eng ausgelegte Zulassungen für amtlich bestellte Vertreter, die keine Anwälte sind, hier erwähnt. Ich kann nur sagen, daß der Kollege Plottnitz im Anschluß daran, daß ja Vertretungen dieser Art auch z. B. bei mir bis jetzt nicht beanstandet worden sind, sich darauf eingerichtet hat, daß der Kollege Düx hier nicht nur heute, sondern zumindest auch am morgigen Verhandlungstag die Vertretung übernimmt. Es ist jetzt nicht ... Es liegt nicht daran, daß der Kollege v[on] Plottnitz das so aus Gutdünken tut, sondern es sind einfach die Termine, die ihn dazu zwingen, nicht wahr, die er außerdem hat.

Vors.:

Gewiß. Aber ich empfehle Ihnen nochmals die Lektüre von §§ 142 Abs. 2 und 140 Abs. 1 S. 1[ StPO]. Es ist der Wille des [2575] Gesetzgebers aus gutem Grunde, daß bei bedeutenderen Verfahren nicht durch Referendare verteidigt werden kann.

Das liegt in der Natur der Sache, richtet sich nicht gegen den einzelnen ...

RA Rie[del]:

Ja allerdings, wenn eine amtlich bestellte Vertretung erfolgt ist, ist damit ja zumindest von der ... dem Organ, das die amt... amtliche Vertretung gewährt hat, angeordnet hat, zum Ausdruck gebracht worden, daß es sich um einen vollwertigen Vertreter handelt, der natürlich dann auch ... Gesetz nicht scheitern kann, nicht wahr?

Vors.:

Er bleibt im Status des Referendars, und außerdem ...

RA Rie[del]:

Ja, sicher.

Vors.:

... die Voraussetzungen sind hier schon ganz andere.

So werden Sie z. B., wenn Sie’s überprüfen, feststellen, daß man amtlicher Vertreter nach zwölf Monaten Referendarstätigkeit werden kann, wogegen man überhaupt als Verteidiger erst auftreten kann nach fünfzehn Monaten Ausbildungszeit.[6] Das heißt, es sind hier andere Voraussetzungen, andere Gesichtspunkte. Also das sind keine Willkürmaßnahmen. Soweit wir gesagt haben, Sie können sich durch amtlich bestellte Vertreter hier - natürlich im Verhinderungsfalle - vertreten lassen, war Voraussetzung, daß es sich um Volljuristen handelt. Wir haben nichts dagegen mal in dem einen oder andern Fall; aber das kann nicht dazu führen, daß nun ein Referendar hier als Verteidiger auftritt, und Sie dadurch gleichzeitig instandgesetzt werden, irgendwo anders dann, sagen wir mal, eine länger dauernde Verteidigung zu übernehmen. Das ist nicht möglich.

Referendar Düx:

Ja. Wenn ich nochmals um das Wort bitten dürfte, und zwar, also unseres Wissens nach, unseres Wissens nach tritt sehr wohl der amtlich bestellte Vertreter voll in die Rechtsfunktion des Vertretenen ein, egal, ob er nun Referendar ist oder nicht.

Also ich würde doch jetzt auch mal darum bitten, daß es [2576] insoweit eine Präzisierung gibt, was Sie ja vorhin auch sagten. Heißt es also nun, daß für den heutigen Tag die Zulassung erfolgt, ansonsten nicht?

Das ist mir auch noch nicht ganz klar: Wird denn willkürlich gesagt, an einem bestimmten Tag ist die Vertretung möglich, zwei Tage nicht möglich, oder wie wird das gehandhabt?

Vors.:

Das wird so gehandhabt, daß die Vertretung als Ausnahmefall denkbar ist; im übrigen aber, wo es sich zu einer länger dauernden Einrichtung ausdehnt bzw. entwickeln könnte, der Grundsatz, der im Gesetz verankert ist, Vorrang haben wird. Auch bei einem amtlich bestellten Vertreter ist für den Fall der Pflichtverteidigung die jeweilige Bestellung bzw. Genehmigung des Gerichts notwendig.[7] Sie wird aus diesen Gesichtspunkten nicht erteilt werden über diese Ausnahmsfälle hinaus.

Damit ist dieser Punkt besprochen.

Wir können jetzt noch ...

Referendar Düx:

Eine letzte Frage bitte noch, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, wir machen’s dann vielleicht außerhalb der Hauptverhandlung, wollen dem jetzt die Zeit nicht widmen.

Wir haben noch bekanntzugeben, da ja Herr RA Ströbele bislang als Verteidiger von Herrn Baader hier geführt worden ist, daß das Ausschlußverfahren gegen ihn[8] seit dem Beschluß des B. Gerichtshofs vom 26. August 1975 rechtskräftig geworden ist.

RA Sch[ily]:

Das bezieht sich ja aber nur auf die Verteidigung Baaders, nicht?

Vors.:

Nur auf die Verteidigung von Herrn Baader. Jaja, er war ja nur als Verteidiger von Herrn Baader gemeldet.

RA Sch[ily]:

Nein, nein. Er ist ja später dann auch gemeldet für einen andern Angeklagten, und da läuft ja auch noch die Beschwerde.[9]

[2577] Vors.:

Das ist richtig. Das handelt sich nur um die Sache in der Vertretung für Herrn Baader.

RA Sch[ily]:

Und die zweite Entscheidung sozusagen, die steht, da ist das Beschwerdeverfahren noch offen.

Vors.:

Immer noch, ja.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, weil wir also bei dem ... bei diesen Vorgesprächen sind. Ich darf daran erinnern, daß ich mehrere Rügen erhoben habe hinsichtlich der Öffentlichkeit, und wenn ich das richtig in Erinnerung behalten habe, dann haben Sie mir zugesagt, daß Sie der Sache nachgehen wollten. Mich würde das Ergebnis interessieren.

Vors.:

Es handelt sich um die Rüge, daß ein Zuschauer zwischen andere hingesetzt worden sei und ...

RA Sch[ily]:

Nicht zwischen andere gesetzt worden sei, sondern - das haben Sie also nicht gut im Gedächtnis - sondern, daß sich ein Zuschauer auf einen freien Platz setzt, und daß sich dann also gezielt andere Leute dazusetzen, um seine Gespräche und seine Aufzeichnungen, nicht, sich darüber zu informieren. Das war das erste.

Und das zweite war, daß das Schreibpapier rationiert wird, d. h. also ...

Vors.:

Da hab ich ja bereits gesagt, Herr Rechtsanwalt, und das ist auch so mitgeteilt worden, daß wir gegen die Mitführung von Schreibpapier nichts haben. Ich kann an sich den Grundsatz der Öffentlichkeit[10] dadurch überhaupt nicht verletzt sehen. Aber die Polizei ist angewiesen, diesen Punkt großzügig zu handhaben. Es ist natürlich nicht notwendig, daß jemand hier pfundweise mit Papier reinkommt. Aber im vernünftigen Rahmen bestehen überhaupt keine Bedenken.

RA Sch[ily]:

Bleibt es dann dem Ermessen der kontrollierenden Beamten überlassen, also nun zu sagen, was ist großzügig? Also wenn, also wenn also ... den Fall, den ich Ihnen genannt habe u. a.: Da war ein junger Mann, der ... dem wurden also nur zwei kleine Stückchen Papier gelassen.

[2578] Vors.:

Das halte ich also nicht für großzügig.

RA Sch[ily]:

Das würde ich doch wohl auch ...

Vors.:

Ich meine also, man kann mehr beschreiben im Laufe eines Vormittags oder Nachmittags.

RA Sch[ily]:

Nicht, nicht? Ja.

Vors.:

Das ist inzwischen auch in dieser Richtung geregelt.

Ich hoffe, daß diese Beanstandung sich erübrigt.

Im übrigen: Also hinsichtlich der Einkeilung des Zuschauers zu dem Zwecke, den Sie hier angeben, hat sich nichts klären lassen. Es ist nicht bekannt, wer diejenigen gewesen sein sollten, die zu diesem Zwecke neben ihm gesessen sind. Ich habe in dieser Richtung keine Feststellung treffen können. Da wäre es notwendig, daß Sie uns dann da etwas genauere Angaben machen könnten, möglichst. Das kann auch ein Irrtum des Zuschauers sein.

RA Sch[ily]:

Also nach dem, was mir gesagt worden ist, ist es kein Irrtum. Aber ...

Vors.:

Gut. Also ich bin der Sache nachgegangen. Ich kann Ihnen nur dazu sagen, das habe ich nicht näher überprüfen können, weil einfach ein Anhaltspunkt fehlt, wer die Leute gewesen sein sollen, die sich neben den Herrn setzten.

Herr RA Dr. Heldmann, Sie waren bei der Antragstellung ...

Bitte schön, Frau RAin Rogge.

RA’in Ro[gge]:

Herr Baader wollte zu der Frage des Ausschließens oder Behinderung der Verteidigung noch etwas sagen, was Sie eben angesprochen haben.

Vors.:

Nein. Darüber werden wir jetzt nicht weiter debattieren. Ich habe das angedeutet, was ... Gesetz hat ...

Angekl. Baa[der]:

Darüber werden Sie auf jeden Fall debattieren hier.

Vors.:

Herr Baader, ...

Angekl. Baa[der]:

Ganz sicher.

Vors.:

Herr Baader, ...

[2579] Angekl. Baa[der]:

Wenn Sie hier erneut Anwälte ausschließen ...

Vors.:

Herr Baader, Herr Baader, ...

Angekl. Baa[der]:

... als eine Willkürmaßnahme, werden Sie uns wohl die Gelegenheit geben, dazu etwas zu sagen.

Vors.:

Herr Baader, das ist geradezu lächerlich, was Sie sagen. Lesen Sie das Gesetz.

Angekl. Baa[der]:

Sie haben ...

Vors.:

Lesen Sie das Gesetz. Sagen Sie dann nicht, daß das Willkürmaßnahmen sind. Es sind Gründe, die im Gesetz verankert sind.

Angekl. Baa[der]:

Das schließt sich doch an, an Ihre Maßnahme, an Ihre Drohung...

Vors.:

Herr Baader hat jetzt das Wort nicht. Herr Baader, ich lasse mir auch von Ihnen jetzt nicht in die Verhandlungsführung eingreifen. Bitte, ich muß Sie verwarnen. Sie haben nicht das Recht, dagegen in dieser Form jetzt zu reklamieren.

Herr RA Dr. Heldmann, Sie waren beim Vortrag...

Angekl. Baa[der]:

Vielleicht verschaffst Du für Deine Mandantin mal das Wort. (zu RA Riedel)

RA Rie[del]:

... Frau Meinhof das Wort zu erteilen.

Es handelt sich auch schließlich darum, daß offensichtlich, was ich also jetzt nicht sagen kann, weil ich das Protokoll vom letzten Sitzungstag noch nicht kenne, darum, daß im Hinblick darauf, daß ich hier vertreten worden bin von Herrn Temming, offensichtlich jetzt auch das Gericht gedenkt, anders zu verfahren als bisher.

Vors.:

Nein, nein. Wir haben gerade deswegen, weil Herr Dr. Temming nun an einem Stück da war, die Bedenken, die von vornherein ...

RA Rie[del]:

Aber zwei Tage hintereinander ...

Vors.:

Augenblick. Darf ich zu Ende reden?

... die Bedenken gegen sein wiederholtes Auftreten hier nicht geltend gemacht, damit nicht der Eindruck [2580] entstehen konnte, es gelte seiner Person. Deswegen wurde geschwiegen, als Herr Dr. Temming kam. Jetzt ist die Gelegenheit gegeben, wo ein neuer Kollege kommt.

Im übrigen: Es ist nicht Gegenstand der Hauptverhandlung.[11] Wir können darüber über diese Frage uns außerhalb der Hauptverhandlung unterhalten.

Angekl. Baa[der]:

Wir werden über diesen Punkt sprechen.

RA Rie[del]:

Aber Herr Vorsitzender, es geht doch darum, es geht doch darum ...

Vors.:

Herr RA Riedel, wir werden jetzt über diesen Punkt nicht mehr sprechen.

RA Rie[del]:

Herr Vorsitzender, bitte ein Wort ...

Vors.:

Ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen. Es wird jetzt darüber nicht mehr gesprochen.

RA Rie[del]:

Aber ich will doch nur ein Wort dazu sagen, und zwar folgendes:

Der Kollege Plottnitz hat sich im Hinblick darauf, daß das Gericht in der letzten Woche anders verfahren ist, darauf eingestellt, und es geht doch jetzt darum, zu klären, wie das ist. Er muß doch zumindest, wir müssen zumindest wissen, ob nun morgen die Vertretung weiterhin gewährt wird oder nicht.

Vors.:

Das ist ein Gesichtspunkt, der durchaus Beachtung verdient. Wir werden es klären. Ich bin auch gerne bereit, mit Ihnen und Herrn Kollegen Düx nachher darüber zu sprechen in einer Pause, in der Mittagspause oder nach der Sitzung.

Herr RA Dr. Heldmann, darf ich Ihnen jetzt das Wort erteilen zur Fortsetzung Ihrer Antragstellung?

RA Rie[del]:

Im Augenblick habe ich das Wort, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Nein, weil über diesen Punkt jetzt nicht mehr gesprochen wird in der Hauptverhandlung.

Angekl. Baa[der]:

Aber ganz sicher wird über diesen Punkt gesprochen.

Vors.:

Herr Baader, Herr Baader, wenn Sie weiterhin durch diese Art die Verhandlung stören, dann hat das die üblichen Konsequenzen.[12]

[2581] Angekl. Me[inhof]:

Es ist so, Sie haben eben selbst gesagt, daß Sie auf die Gelegenheit gewartet haben ...

Vors.:

Ich habe gesagt, wir können außerhalb der Hauptverhandlung drüber reden. Sie können Ihrem Herrn Verteidiger mitteilen, was Sie vortragen lassen wollen. Hier gibt’s keine Diskussion über diesen Punkt, der übrigens im Gesetz geregelt ist.

Angekl. Ra[spe]:

Sie wollen es aus der Hauptverhandlung heraustun.

Vors.:

Herr RA Dr. Heldmann, Sie haben jetzt Gelegenheit, Ihren Antrag weiter vorzutragen.

RA Rie[del]:

Ich bitte dann um einen Gerichtsbeschluß.

Herr Vorsitzender, ich bitte um einen Gerichtsbeschluß[13] dahingehend, daß Frau Meinhof das Wort erhält.

Vors.:

Also, daß wir uns klar sind, zu der Frage der weiteren Zulassung des Referendars.

RA Rie[del]:

Zu der Frage der weiteren Vertretungsmöglichkeit, ja.

Vors.: (nach geheimer Umfrage):

Der Senat bestätigt meine Entscheidung:

Es wird jetzt über diesen Punkt nicht weiterverhandelt.

Herr RA Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich halte diesen Punkt natürlich auch nicht für abgeschlossen. Ich kann Ihnen keine Diskussion aufzwingen. Aber Frage:

Hat sich der Senat mit dem § 139 StPO[14] auseinandergesetzt?

Vors.:

Wir haben uns mit allem auseinandergesetzt ...

RA Dr. He[ldmann]:

Mit allem?

Vors.:

... was in dem Zusammenhang in Betracht kommt.

Bitte kommen Sie jetzt weiterhin zur Begründung Ihres Ablehnungsantrags wohl gegen Herrn Prof. Dr. Mende.[15]

RA Dr. He[ldmann]:

Eine Frage:

Wie lange denken Sie, Herrn Düx hier verteidigen zu lassen?

[2582] Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich spreche jetzt darüber mit Ihnen im Augenblick nicht, denn ich wüßte nicht, was Sie damit im Augenblick zu tun hätten. Als Verteidiger von Herrn Baader kann das für Sie keine Frage sein, die für Ihre Antragstellung von Bedeutung sein könnte.

RA Dr. He[ldmann]:

Das wissen Sie doch nicht, Herr Vorsitzender.

Ich[b] kann mich morgen durch nen Gerichtsreferendar vertreten lassen wollen, nicht?

Vors.:

Darüber sprechen wir außerhalb der Hauptverhandlung.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, es ist aber nicht ganz zu begreifen, daß Sie ...

Vors.:

Herr RA Schily, ich möchte jetzt betont haben ...

RA Sch[ily]:

Moment.

Vors.:

... dieser Punkt ist jetzt hier in der Hauptverhandlung ausdiskutiert. Wir werden darüber außerhalb der Hauptverhandlung sprechen.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, wenn Sie gestatten ...

Vors.:

Ich lasse die Zeit der Hauptverhandlung nicht durch dieses Ereignis, daß nämlich ein Referendar hier auftritt, weiter belasten.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, Sie haben ja selbst eine Erklärung abgegeben innerhalb der Hauptverhandlung, und ich verstehe nun nicht, aus welchen Gründen Sie die Verteidigung auf irgendwelche Erörterungen außerhalb der Hauptverhandlung verweisen.

Vors.:

Aus Zeitgründen, allein aus Zeitgründen.

RA Sch[ily]:

Moment, Moment.

Vors.:

Wir haben drei Stunden[16] ...

RA Sch[ily]:

Na, aber Herr Vorsitzender, Sie können nicht aus Zeitgründen selber ...

Vors.:

Herr RA Schily, Herr RA Schily ...

RA Sch[ily]:

... wenn Sie aus Zeitgründen auch in der Hauptverhandlung darauf nicht zurückkommen würden.

Vors.:

Herr RA Schily, darf ich Sie darauf hinweisen, daß wir diesen Punkt jetzt nicht weiterbesprechen.

[2583] Ich bitte Sie, sich daran zu halten.

Herr RA Dr. Heldmann hat jetzt das Wort, seinen Antrag vorzutragen.

Referendar Düx:

Ich bitte noch um das Wort für meinen Mandanten.

Vors.:

Es hat jetzt das Wort Herr RA Dr. Heldmann. Es kommt kein weiteres Wort dazwischen.

Referendar Düx:

Ich bitte jetzt um das Wort für meinen Mandanten.

Vors.:

Nein. Es hat jetzt das Wort Herr RA Dr. Heldmann.

Referendar Düx:

Es betrifft eine Situation, die mich sehr wohl angeht hier.

Vors.:

Das macht nichts aus. Jetzt hat das Wort.

Referendar Düx:

... deswegen bitte ich um das Wort für meinen Mandanten zu dieser Frage.

Vors.:

Ich bitte, wenn Sie sich jetzt nicht an die Anordnung halten, daß Herr RA Dr. Heldmann den begonnenen Antrag fortsetzen kann und dann erst alles Weitere erörtert wird, dann mach ich eine Pause, damit Sie sich überlegen können, ob Sie sich an die Ordnung halten wollen. Ich verhandle so nicht weiter.

Herr RA Dr. Heldmann, Sie haben jetzt die Möglichkeit, Ihren Antrag fortzusetzen.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich bitte um Pause, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Zu welchem Zweck?

RA Dr. He[ldmann]:

Ich bitte um Pause, zu dem Zweck ...

RA Sch[ily]:

... daß es für die Verteidigung ein ganz elementarer Punkt ist, daß ein Angeklagter hier ausreichend verteidigt ist. Wenn Sie also einem der anwesenden Verteidiger des Vertrauens sozusagen eine mindere Qualität zuschreiben, sozusagen nur auf Abruf oder nur auf eine bestimmte Zeit reduziert, dann werden Sie verstehen, daß, bevor überhaupt in irgendeiner Weise in der Verhandlung fortgeschritten wird - auch in einer Antragsbegründung -, daß das eine Frage ist, die dem vorauszugehen hat, die Klärung dieser Frage.

[2584] Vors.:

Das können wir dann, wie gesagt, Herr Rechtsanwalt, außerhalb.

RA Sch[ily]:

Ja, Sie selber, Herr Vorsitzender, Sie selber haben ...

Vors.:

Augenblick. Ich unterbreche hiermit die Hauptverhandlung. Die Zeit, die jetzt verloren geht, wird nicht nicht eingerechnet.

Herr Rechtsanwalt Schily, bitte schön.

RA Sch[ily]:

Was ist denn das jetzt? Ne Prozeßstrafe oder was? Ist das ne Prozeßstrafe?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich darf Ihnen folgendes Angebot machen:

Wir machen jetzt eine Pause, und Sie können mir Ihre Anliegen im Zusammenhang mit dem Auftreten von Referendaren, und ich kann Ihnen unsere Anliegen im Zusammenhang mit der Wahrung des gesetzgeberischen Willens klarmachen in dieser Pause. Die Hauptverhandlung wird für diesen Punkt nicht verschwendet.

Ich mache die Pause. Ich erwarte Sie.

RA Sch[ily]:

Verschwendet, Herr Vorsitzender? Also ich ...

Pause von 9.24 Uhr bis 9.28 Uhr.

Ende von Band 136.

[2585] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 9.28 Uhr

Vors.:

Ich bitte Platz zu behalten. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, Sie haben das Wort.

RA Sch[ily]:

Darf ich mal vorweg die Frage an Sie stellen ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, ich habe Ihnen das Wort nicht erteilt. Ich beabsichtige das, wenn es sich wieder um das bereits abgeschlossene Thema handeln sollte, auch nicht zu tun.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, Sie müssen zur Kenntnis nehmen, daß die Verteidigung natürlich Wert darauf legt, Ihre eigenartige Differenzierung zwischen Vorgängen in der Hauptverhandlung, mit denen Zeit verschwendet wird, und solchen mit denen Zeit nicht verschwendet wird, daß diese Differenzierung natürlich für die Verteidigung einen[c] unhaltbaren Zustand schafft.

Vors.:

Gut, Herr Rechtsanwalt, ich entziehe ...

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, nein ich laß mir das Wort ...

Vors.:

... Ihnen ausdrücklich das Wort. Ich habe Ihnen gesagt, ich bin bereit außerhalb der Hauptverhandlung mit Ihnen darüber zu reden. Ich habe auch dazu die Pause eingelegt, ich bitte das zur Kenntnis zu nehmen. Ich darf Sie weiter darauf hinweisen, Herr Rechtsanwalt, daß das ständige eigenmächtige Wortergreifen eine so schwerwiegende Störung der Verhandlung sein kann, auch durch einen Rechtsanwalt, daß auch daran sich allmählich nach dem sich das bei Ihnen nun schon so oft wiederholt, Konsequenzen[17] geknüpft werden könnten. Ich bitte Sie, das endgültig zur Kenntnis zu nehmen.

RA Sch[ily]:

Wollen Sie mir drohen?

Vors.:

Ich will Ihnen nicht drohen, ich habe die Pflicht ...

RA Sch[ily]:

Doch, das ist eine ganz klare unmißverständlich Drohung.

Vors.:

... Sie auf die Möglichkeiten hinzuweisen. Herr Rechtsanwalt ...

RA Sch[ily]:

Eine ganz klare und unmißverständliche Drohung und wenn Sie nicht gestatten ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, Sie sind ein Anwalt ...

RA Sch[ily]:

... Herr Vorsitzender, ... zu sprechen, daß Sie sagen, es wird Zeit verschwendet, wenn Sie also heute ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, Sie haben jetzt das Wort nicht ...

[2586] RA Sch[ily]:

... Verhandlung ...

Vors.:

Sie haben jetzt das Wort nicht, haben Sie das zur Kenntnis genommen? Haben Sie das zur Kenntnis genommen?

(RA Schily ist nicht zu verstehen)

Vors.: (Vorsitzender mahnt mit der Klingel)

Haben Sie es jetzt zur Kenntnis genommen, daß Sie das Wort nicht haben?

(RA Schily redet unverständlich ins abgeschaltene Mikrophon)

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, Sie haben das Wort.

RA Sch[ily]:

Dann bitte ich den Kollegen Dr. Heldmann zunächst auf seine Wortmeldung zurückzustellen und mir Gelegenheit zu geben, jetzt hier zu diesem Verfahrensvorgang Stellung zu nehmen.

RA Dr. H[eldmann]:

Gerne, ich wollte nämlich auch dazu Stellung nehmen.

Vors.:

Zu welchen Verfahren?

RA Dr. H[eldmann]:

Zu dem Thema, an dem wir eben diskutieren.

Vors.:

Nein ...

RA Dr. H[eldmann]:

So, Herr Vorsitzender, ...

Vors.:

... zudem habe ich Ihnen bereits gesagt, daß darüber nicht verhandelt wird in der Verhandlung. Ich war bereit in der Pause, ich wiederhole es nochmals, mit Ihnen darüber zu sprechen.

RA Dr. H[eldmann]:

So, Herr Vorsitzender, laß ich mit mir als Verteidiger auch von Ihnen nicht umgehen. Sie degradieren hier, einer von der Verteidigerbank sei bloß, als Verteidiger, eine halbe Portion. In jeder Zeit säße er hier auf ...

Vors.:

Ich unterbreche erneut die Verhandlung und gebe Ihnen nochmals Gelegenheit, daß wir uns außerhalb der Hauptverhandlung darüber unterhalten. Ich stehe Ihnen in meinem Zimmer zur Verfügung. Wollen Sie das nicht tun?

RA Sch[ily]:

(Anfang unverständlich) ... Hauptverhandlung über diese Themen. Sie verkünden Entscheidungen, Sie verkünden Entscheidungen des Bundesgerichtshofes über ein Ausschlußverfahren, Sie verkünden hier Entscheidungen aus, aus US ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, das ist nicht wahr, was Sie sagen. Ich habe lediglich, weil die Frage, ob Herr Rechtsanwalt Ströbele hier auftreten kann oder nicht, gelegentlich eine Rolle gespielt hat, bekanntgegeben, daß das Ausschlußverfahren rechtskräftig ge- [2587] worden ist. Es ist kein Grund bekanntgegeben worden, kein Satz aus der Begründung.

RA Sch[ily]:

Ja, zum Beispiel. Ja, Sie haben Entscheidungen der Menschenrechts... Sie haben ...

Vors.:

Aber meine Herren, meine Herren hören Sie zu.

RA Sch[ily]:

... Sie haben ... Sie nehmen sich ständig das Recht irgendwelche Entscheidungen bekanntzugeben oder irgend etwas zu Beginn zu sagen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, und Sie nehmen sich ständig das Recht, hier das Wort zu ergreifen, auch wenn Sie es nicht haben. Sie müssen sich daran gewöhnen, wenn das Verfahren noch von uns hier gegenseitig weitergeführt wird, daß der Verhandlungsführer der Vorsitzende[d] ist und nicht Sie. Und ich bestimme darüber, wann über was gesprochen werden kann, es sei denn, es seien unaufschiebbare Anträge. Ich habe Ihnen durch Unterbrechung der Sitzung Gelegenheit gegeben, ich sage es Ihnen zum letzten Mal, ich bin bereit es nochmals zu tun, hier in der Hauptverhandlung wird jetzt zunächst vorgetragen das, was noch vorzutragen ist zur Ablehnung der Sachverständigen. Eine andere Reihenfolge lasse ich nicht zu, auch wenn es Ihnen nicht behagt, Herr Rechtsanwalt Schily. Und wenn Sie sich daran nicht halten wollen, ich sage Ihnen nochmals und das ist keine Drohung, dann ist das eine eklatante Störung und Behinderung der Verhandlung und das kann Konsequenzen haben.

RA Sch[ily]:

Sie werden doch wohl nicht ...

Vors.:

Ich werde nicht ...

RA Sch[ily]:

... Moment ...

Vors.:

Ich habe Ihnen jetzt mein letztes Wort dazu gesagt. Ich bitte Sie jetzt, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, in dem Antrag, in der Begründung des Ablehnungsantrags fortzufahren.

(RA Dr. Heldmann schweigt.)[e]

Ich unterbreche erneut die Sitzung.

RA Sch[ily]:

(Anfang unverständlich) ... Wortmeldung. Das ist doch unglaublich.

Reg. Dir. W[idera]:

Das Betragen ist unmöglich.

- Pause von 9.34 Uhr bis 10.09 Uhr -

[2588] Vors.:

Wir setzen die Verhandlung fort.

Die Pause hat dazu gedient, einige Rechtsfragen zu überlegen.

Ich möchte Ihnen nun, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, das Wort zur Fortsetzung Ihres Antrags geben.

RA Dr. H[eldmann]:

Sie meinen, bevor Sie Rechtsfragen weiter überlegen?

Vors.:

Bitte?

RA Dr. H[eldmann]:

Bevor Sie ... Sie sprachen eben, es seien Rechtsfragen zu überlegen.

Vors.:

Nein, ich sprach davon, daß einige Rechtsfragen überlegt worden seien, um die Dauer der Pause zu begründen; die sind nicht hier zu veröffentlichen.

RA Dr. H[eldmann]:

Ja, das haben wir nämlich auch getan, Herr Vorsitzender und Ihre Rechtsauffassung, daß Herr Referendar Düx als amtlich ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich darf darauf hinweisen, das Thema ...

RA Dr. H[eldmann]:

... bestellter ...

Vors.:

... ist die von Ihnen bereits begonnene Ablehnung der Herren Sachverständigen.

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Vorsitzender ...

Vors.:

Wir wollen dieses Thema, ich habe es Ihnen gesagt, ich habe Ihnen auch Gelegenheit gegeben es außerhalb der Hauptverhandlung weiterzuerörtern, jetzt hier nicht fortspinnen.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich hab’s nicht in die Hauptverhandlung gebracht, sondern Sie.

Vors.:

Ich mußte bei der Feststellung der Anwesenheit selbstverständlich darauf hinweisen. Es ist kein Thema, das hier rechtlich erörtert werden sollte, ich wollte Ihnen nur den Hinweis geben.

RA Dr. H[eldmann]:

Das mindeste aber, wo zwei Rechtsauffassungen gegenüberstehen, ist das Rechtsgespräch ...

Vors.:

Zu dem Sie Gelegenheit hatten, Herr Rechtsanwalt, genügend.

Ich hatte es Ihnen wiederholt ...

RA Dr. H[eldmann]:

In Ihrem Kämmerlein.

Vors.:

Ja, ich verfüge ja schließlich darüber, ob jemand als Pflichtverteidiger mit eintreten kann oder nicht ...

RA Dr. H[eldmann]:

Ich weiß.

Vors.:

... deswegen konnten wir darüber sprechen.

RA Dr. H[eldmann]:

Sie verfügen hier über alles. Sie verfügen vor allem über die Strafprozeßordnung.

[2589] Vors.:

Herr Rechtsanwalt, diese Bemerkung können Sie sich sparen;

bis jetzt scheint es jedenfalls, daß ich nicht in einer Weise verfügt habe, bei der Sie zu kurz gekommen wären.

RA. Dr. H[eldmann]:

Na, dann müssen die Protokolle lügen. Jedenfalls ich bin der Auffassung, daß diese Frage hier geklärt werden muß die Sie hier angeschnitten haben, daß der Senat ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich darf Sie nochmals darauf hinweisen, das ist ein Irrtum ...

RA. Dr. H[eldmann]:

Was der Senat verwechselt ...

Vors.:

Es geht jetzt nicht, daß Sie fortfahren das, was Herr Rechtsanwalt Schily begonnen hatte, wo ich ihn gebeten habe, jetzt dazu nicht mehr zu sprechen. Ich sage Ihnen nochmals, jetzt haben Sie das Wort zur Begründung Ihrer Ablehnung der Herren Sachverständigen. Im übrigen darf ich Sie darauf hinweisen, daß die Situation, die hier zur Debatte stand, für Sie überhaupt im Augenblick nicht von Bedeutung ist. Sie sind ja hier.

RA. Dr. H[eldmann]:

Betrifft die Verteidigerbank, ist doch selbstverständlich.

Herr Vorsitzender, ich halte ein solches Verfahren, in dem Sie sich immer wieder auf Ihre sitzungspolizeiliche Machtbefugnisse berufen, für ziemlich willkürlich. Sie dekretieren hier, daß Herr Düx kein vollwertiger Verteidiger sei ... hier vorige Woche Herrn ...

Vors.:

Bitte, dann beanstanden Sie, Herr Rechtsanwalt, daß ich Ihnen ...

RA. Dr. H[eldmann]:

... und ... eine Entgegnung nicht zu ...

Vors.:

... das Wort ... Bitte, Herr Rechtsanwalt, nein. Wir wollen hier das Verfahren in dem Rahmen halten, den ich mir jetzt vorstelle.

RA. Dr. H[eldmann]:

Ja, ja, das ...

Vors.:

Sie sollten dann beanstanden ...

RA. Dr. H[eldmann]:

Das ist es ja ...

Vors.:

... daß ich Ihnen das Wort nicht weiterhin gebe zur Ausführung, die die Frage, ob ein Verteidiger hier durch ein Referendar repräsentiert werden kann, betreffen. Das können Sie beanstanden. Der Senat würde dann darüber entscheiden, darüber zu entscheiden haben.

RA. Dr. H[eldmann]:

Das ist ja Ihre Methode.

(RA Schily spricht unverständlich ins abgeschaltene Mikrophon)

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, im Augenblick hat das Wort Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann. Ich bitte das zur Kenntnis zu nehmen, [2590] oder ...

RA Schi[ly]:

Nur vielleicht der klarheitshalber, weil Sie mich ja nicht haben zu Ende reden lassen, genau das war mein Bemühen, Ihnen zur Kenntnis zu bringen, daß ich beanstande, daß Sie mir nicht das Wort zu dieser Frage erteilen.

Vors.:

Gut.

RA Schi[ly]:

Und dazu hätten Sie ja dann freundlicherweise auch mir Gelegenheit geben müssen, mich dazu zu äußern. Ich darf das dann vielleicht jetzt der Klarheit halber nochmal feststellen, daß es auch darum geht. Vielleicht ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, Sie schließen sich dieser Beanstandung - wie ich sehe - an.

RA Dr. H[eldmann}:

Aber sicher.

RA Schi[ly]:

Ich darf diese Beanstandung auch begründen, Herr Vorsitzender.

RA Dr. H[eldmann]:

Und ich auch.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, wenn Sie gestatten, daß ich meine Beanstandung begründe, nicht durch eine geheime Umfrage, die hier schon ...

Vors.:

Bitte, ich muß geschwind mit den Senatskollegen ...

Herr Rechtsanwalt Schily, Sie wollten das begründen. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, wie ist das, gilt die Begründung, die Herr Rechtsanwalt Schily dann sagt, dann auch für Sie, oder ...

RA Dr. H[eldmann]:

(Anfang unverständlich) ... haben öfter leicht divergierende Rechtsauffassungen oder der eine die, der andere jene die sich aneinander ergänzen. So kann ich also noch gar nicht sagen, ob Herr Schily jetzt auch hinsichtlich seiner rechtlichen Argumentation strikt in meinem Sinne sprechen wird.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, bitte.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, ich glaube wir haben, weil Sie nun ja immer gern auf den Zeitfaktor achtnehmen, leider jetzt sehr viel Zeit verloren mit dieser Frage und es hätte sich, das darf ich feststellen, sehr viel weniger zeitraubend erörtern lassen. Für die Verteidigung ist es eine elementare Frage, ob ein Verteidiger hier mitwirkt auf dieser Seite, der als voll- [2591] wertiger Verteidiger anerkannt wird und daß jegliche Willkür dabei unterbleibt. Und wenn wir also die Meinung vertreten, daß es, bevor diese Antragsbegründung weiter fortgesetzt wird, auf diese Frage ankommt, dann hat das eben etwas mit dieser Frage zu tun, ob alle Angeklagten ordnungsgemäß verteidigt sind. Und ich finde, daß wir da keine Unterscheidung treffen. Ich sehe also auch beim besten Willen nicht, welche sachlichen Unterschiede da vorhanden sein sollten. Ich sehe nicht, wie hier sozusagen, eine Verteidigungsbefugnis zeitlich begrenzt werden soll, zumal ja Sie wohl, wenn ich Sie richtig verstanden habe, bei Herr Düx eine Zeit von einem Verhandlungstag unterstellen, bei Herrn Dr. Temming, nach der bisherigen Praxis, zwei Verhandlungstage ... Habe ich Sie da falsch verstanden, weil Sie da ...

Vors.:

Es ist richtig verstanden, ja.

RA Sch[ily]:

Wenn Sie also bei Herrn Dr. Temming zwei Verhandlungstage und vielleicht gibt es dann noch einen Referendar bei dem dann vielleicht nur noch 1/2 halber Verhandlungstag oder ein anderer Referendar der eine Woche mitwirken darf. Das aber solche Zulassungen von Referendaren nicht dem Belieben des Senats überlassen sind, das folgt schon aus ihrer Stellung als amtliche bestellte Vertreter, wobei sie nach unserer Auffassung in das, in den vollen Rang des Vertretenden einrücken, also die Beschränkung, die normalerweise also bei der Untervollmacht vorliegen, nicht vorliegen.[18]

Sie werden jetzt natürlich wieder ...

Vors.:

Verzeihen Sie, Herr Rechtsanwalt, Sie wollten beanstanden ...

RA Sch[ily]:

... einwenden, daß Sie sagen, das ist eine inhaltliche Begründung zu der Frage, die es, um die es geht, nur Sie werden verstehen, wenn ich Ihnen deutlich machen soll, um was es bei Wortmeldung geht und daß wir Wert darauf legen, daß auch innerhalb der Hauptverhandlung hier darzustellen, dann muß eben diese mindestens kurze inhaltliche Begründung damit eingebracht werden. Ich bin damit eigentlich schon auch Ende. Ich meine also, daß Sie Anlaß haben, das hier mit in die Hauptverhandlung, in die Erörterung der Hauptverhandlung einzubeziehen, weil ja es sich um eine notwendige Verteidigung[19] handelt und wobei eben diese Frage eine große Rolle spielt und ich darf abschließend noch sagen, daß Sie natürlich bei aller Anerkennung Ihrer sitzungs- [2592] polizeilichen Befugnisse und Verhandlungsleitung, meiner Meinung nach nicht das Recht haben, bestimmte Rechtsfragen nur sozusagen „ex cathedra“ hier zu verkünden, Ihre Rechtsmeinung und dann, was sozusagen die Diskussion unter den Verfahrensbeteiligten anbelangt, dann zu erklären, ja, das kann dann außerhalb der Hauptverhandlung erörtert werden. Das würde ich für eine völlig unzulässige Verfahrensweise halten.

Vors.:

Herr Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

Ganz kurz. Die Erklärung des Senats - offenbar verkündet durch den Herrn Vorsitzenden oder die Erklärung des Herrn Vorsitzenden - eine der hier sitzenden und als Verteidiger amtierenden Verteidiger sei als Verteidiger nicht vollwertig, ist zumindest eine Schädigung der Verteidigung in optischer Hinsicht, zumindest.

2. Die absolute ... Das absolute Abschneiden rechtlicher Einwendungen gegen eine solche Rechtsmeinung, die ich im übrigen für verkehrt halte, ist ungewöhnlich für das Verfahren vor einem Gericht, in dem das Rechtsgespräch zu suchen ist und das Recht zu finden. Wo Sie sich beziehen kurzerhand und wie mir scheint ohne weitere juristische Reflektion auf die beiden Urteile des BGH, in denen gesagt wird, die Stellvertretung des bestellten Verteidigers durch Referendare ist grundsätzlich unzulässig,[20] übersehen Sie den wesentlichen Unterschied, und der ist der, daß der Kollege Düx amtlich bestellter Vertreter des Kollegen von Plottnitz ist und zwar wie es in der Verfügung des Präsidenten des Landgericht Frankfurt heißt „in dessen Rechtsanwaltsgeschäften“ - d. h. in allen dessen Rechtsanwaltsgeschäften -. Somit gilt das, was der BGH in zwei Entscheidungen zur Frage der Pflichtverteidigung durch Referendare ausgeführt hat, nicht in unseren Fällen, nämlich[f] der Kollegen Düx und Dr. Temming, weil diese beiden Kollegen amtlich bestellte Vertreter sind, d. h. also voll in die Funktion und in die Rechtsposition des Rechtsanwalts festgestellt sind.[21] Und darauf kommt es an, und das ist auch der Grund gewesen, warum wir darauf beharrt [2593] haben, daß nicht unangefochten Ihre Behauptungen im Raum stehen bleibt, der Herr Raspe sei heute in Wahrheit unzureichend verteidigt oder die Verteidigerbank unzureichend besetzt.

Vors.:

Herr Raspe.

Angekl. R[aspe]:

Ja, ich will dazu noch kurz sagen, daß die Methode, die Sie hier versucht haben heute früh, nämlich die Frage aus der Hauptverhandlung rauszuverlagern, wirklich zusammenlaufend identisch ist. Wie das also auch in der ganzen letzten Zeit deutlich geworden ist, also Ihr Versuch genau diejenigen Punkte aus der Hauptverhandlung rauszuverlagern, die zu erörtern in der Öffentlichkeit dem Senat offensichtlich unangenehm ist, was der Senat offensichtlich mit allen, mit allen Mitteln verhindern will. Das bezieht sich in allen Punkten auf die Fragen der Haftbedingung, die grundsätzlich mit irgendeinen formalen Begründung aus der Hauptverhandlung rausverlagert werden, um dann einfach nicht entschieden zu werden oder um außerhalb der Öffentlichkeit gegen die Gefangenen entschieden zu werden. Und das bezieht sich hier ganz konkret auf den Versuch des Senats, ganz offensichtlich im Rahmen der Bemühungen, die Sie ja auch seit ½ Jahr forciert befolgen, uns verteidigungsunfähig zu machen, hier einen der Verteidiger auszuschließen. Das ist dazu zu sagen und genau ...

Vors.:

Ja ...

Angekl. R[aspe]:

... deswegen ist es in der Hauptverhandlung zu diskutieren.

Vors.:

Ja, die Bundesanwaltschaft hat Gelegenheit sich zu äußern.

BA Dr. W[under]:

Herr Vorsitzender, die Bundesanwaltschaft ist, wie bereits früher dargelegt, der Ansicht, daß die Angeklagten schon durch Ihre Pflichtverteidiger, die sie nicht gewählt haben,[22] ausreichend verteidigt[23] sind. An dieser Auffassung halten wir fest. Sowohl Senat wie Bundesanwaltschaft waren aber immer wieder bestrebt, daß selbstverständlich auch gewählte Verteidiger hier vertreten sind und bei der Beurteilung ...

Angekl. B[aader]:

Ach ja, wie gnädig.

[2594] BA Dr. W[under]:

... mancher Fragen in diesem Zusammenhang war weder der Senat noch die Bundesanwaltschaft kleinlich. Wir sind der Auffassung, daß die Frage, ob der für Herrn Rechtsanwalt bestellte, Herr Rechtsanwalt von Plottnitz bestellte Vertreter länger als heute auftreten kann, ohne weiteres außerhalb der Hauptverhandlung geklärt werden kann. Eine Entscheidung hierüber kann auch heute noch ergehen und wir würden dies unterstützten.

Vors.: (nach geheimer Umfrage)

Der Senat hat jetzt entschieden, nach dem er das angehört hat,

die Beanstandung führt nicht zum Erfolg.

Der Senat erteilt das Wort nicht.

Es kann außerhalb der Hauptverhandlung diese Frage besprochen werden.

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich habe am ... in der Sitzung vom 27. August bereits grundsätzliche Ausführungen darüber gemacht zur Begründung der Ablehnung der Herren Ehrhardt und Mende als Sachverständige durch den Angeklagten Baader.

Ende Band 137

[2595] RA Dr. H[eldmann]:

Und ich möchte diese Ausführungen, die ich generell für beide Herren geltend gemacht habe, nicht wiederholen. Ich denke, sie sind in Erinnerung und im übrigen müßten sie auf dem allerdings noch nicht vorliegenden, schriftlich vorliegenden, Tonbandprotokoll vom 27.8. enthalten sein. Ich hatte dann nach diesem allgemeinen Teil insbesondere Herrn Ehrhardt als Fachwissenschaftler an Hand einer Blütenlese aus seinen fachwissenschaftlichen Schriften dargestellt. Ich lehne ausdrücklich für Herrn Baader auch Herrn Mende als psychiatrischen Sachverständigen ab, und auch hierfür beziehe ich mich zu einem ersten Teil auf fünf Stellen aus Publikationen des Herrn Mende, so zum Beispiel aus seiner Schrift: „Schwangerschaftsabbruch und Sterilisation aus nervenärztlicher Sicht.“

Ich schiebe ein, oder ich gebe Ihnen das Zitat, das ist sehr viel stärker, veröffentlicht 1968, München. Da empfiehlt der vom Gericht berufene Sachverständige Mende die Zwangssterilisation bei Schwachsinnigen, nicht jedoch der Schwachsinn sei ausschlaggebend für die Entscheidung einer Zwangssterilisation, sondern verstärkte Triebhaftigkeit und Verwahrlosungstendenzen. Vor allem in derartigen Fällen, schreibt Herr Mende, stellt sich die Frage, ob an dem Prinzip der Freiwilligkeit grundsätzlich festgehalten werden soll. Das hatten wir zuletzt im NS-Gesetz, das mit der sogenannten Erbgesundheit zu tun hatte;[24] diese Schrift stammt aus dem Jahre 1968. Ich habe besonderen Nachdruck auf diejenigen Belege gelegt, in denen die beiden vom Gericht berufenen Sachverständigen Ehrhardt und Mende deutlich, überdeutlich, erkennen lassen, daß sie die eigenen fachwissenschaftlichen Einsichten gegenüber den Interessen, Zielvorstellungen der Justiz zurückstellen, d.h. also, daß sie, wo sie in fotro oder für die Justiz tätig sind, ihr eigenes ärztliches Wissen auch zu verleugnen bereit sind, um von der Justiz angestrebten Ergebnissen dienen zu können. Dafür gibt nach meiner Beurteilung für den Sachverständigen Mende einiges Material seine Schrift „Aufweichtendenzen in der Neurosebegutachtung“, die in der Zeitschrift „Der medizinische Sachverständige“ Heft 1, Januar 1960, auf den Seiten 5, 6. ff. veröffentlicht worden ist. Ich zitiere von Seite 9 dieser Schrift. Dazu eine Vorbemerkung: Der Professor Mende geht in dieser Schrift aus von der Untersuchung, d.h. [2596] hier von der psychiatrischen ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, verzeihen Sie. Darf ich dazwischen fragen, können wir diese Zitatstellen von Ihnen bekommen.

RA Dr. H[eldmann]:

Ja, selbstverständlich.

Vors.:

Liegen die Schriften selbst vor?

RA Dr. H[eldmann]:

Ja, ja, ich zitiere hier von Fotokopien ...

Vors.:

Nein, wir meinen, haben Sie die ganze Schrift, so daß wir den Zusammenhang unter Umständen dann übersehen.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich habe jeweils das Buch über die Sterilisation, das ist ein ganzes Buch. Das habe ich nicht insgesamt, sondern da habe ich lediglich einige Seiten. Wo ich Aufsätze zitiere, habe ich die komplett.

Vors.:

Und wie ist es mit der Festschrift für Bürger-Prinz zum 70?

Da ist der Herausgeber nicht benannt gewesen.

RA Sch[ily]:

Das läßt sich durch die Bibliothek, wir können also gerne die Fundstellen ... Aber das sind an sich gängige Werke, die also in den Bibliotheken vorhanden sind.

Vors.:

Ich versichere Ihnen, sie sind gar nicht so gängig. Die bibliographischen Angaben waren hier etwas dünn, so daß es ganz schwierig war, zum Teil, zu beschaffen. Aber jedenfalls, noch fehlt uns die Festschrift für Bürger-Prinz. Da sollten wir den Herausgeber erfahren.

RA Dr. H[eldmann]:

Das ist „Festschrift zum 70. Geburtstag von Bürger-Prinz“.

„Vitalität“ heißt die Festschrift. Erschienen in Stuttgart 1968. Den Verlag kann ich Ihnen nicht nennen. Ich vermute jedoch, daß es Enke in Stuttgart ist.

Richter Dr. Foth:

Wir brauchen den Herausgeber, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, den Herausgeber braucht man.

RA Dr. H[eldmann]:

Kann ich hier nicht feststellen. Aber „Festschrift für Bürger-Prinz zum 70. Geburtstag“, 1968, in Stuttgart. Das läßt sich sicher leicht, oder sagen wir unschwer, finden.

Herr Professor Mende geht in dieser Schrift „Aufweichtendenzen in der Neurosebegutachtung“ aus von der Untersuchung von ehemaligen KZ-Insassen, die besonders schwere KZ-Schicksale hinter sich gebracht hatten und aus jener Zeit nun bis in ihr späteres bürgerliches Dasein, und das ist nun der Anlaß für die Untersuchungen im Jahre 1959 gewesen; die an den Folgen, in der Form im wesentlichen schwerer Angstneurosen, so stark litten, daß ihre Vitalsubstanz nahe zu Null reduziert war. Jetzt beruft [2597] sich bei der Frage, ob hier nicht nach dem Entschädigungsgesetz eine Entschädigungspflicht zu bejahen sei, der Herr Professor Mende auf den heutigen Krankheitsbegriff in der Psychiatrie, und, hier wörtlich, ist vor allem durch Kurt Schneider definiert worden; seelische Abnormitäten sind nur dann als krankhaft zu bezeichnen, wenn sie auf krankhaften Organprozessen beruhen. Das ist also das, was ich mehrfach an dem Wissenschaftsverständnis dieser beiden Professoren bemängelt habe, d.h. der psychische Krankheitsbegriff, der existiert für sie nur dann, wenn sie organische Schäden als deren Ursache etwa nachweisen können. Von Seite 12 dieser Schrift zitiere ich weiter: „Soll in den herausdifferenzierten Sonderfällen“ - so schreibt Herr Professor Mende, und es sind die Fälle, von denen ich also diese besonders schweren KZ-Schicksale ganz kurz skizzierend gesprochen habe - „Soll in den herausdifferenzierten Sonderfällen, in denen durch langdauernden extremen Erlebnisdruck eine Änderung des Erlebnisgrundes, eine Verbiegung des Persönlichkeitsgefüges eingetreten ist, eine Rente gewährt werden“. Herr Professor Mende verneint diese Frage und sagt:

„Von ärztlicher Seite kann der Richter lediglich darauf hingewiesen werden, daß bei psychisch reaktiven Störungen, welcher Provenienz auch immer, aus therapeutischen Gründen eine laufende Rentenzahlung abzuraten ist, da durch Schaffung einer solchen Rechtsposition der Weg für eine psychotherapeutische Beeinflussung erschwert oder sogar endgültig verbaut würde. Durch eine laufende Rentenzahlung würde die Fixierung der Fehlhaltung nur noch gefördert werden.“ Um das Unglaubliche einer solchen ärztlichen Äußerung erfassen zu können, allerdings, müßte ich Sie, um Zeit zu sparen, die brauchen wir hier alle, verzichte ich darauf, die Fallbeschreibungen hier wörtlich zu zitieren.

Da ich aber annehme, daß Sie sich für die Übergabe dieses Manuskripts interessieren, weise ich Sie also hin, damit Sie ermessen können, was Herr Mende als Arzt hier gesagt hat, auf die Fallbeschreibungen in dieser Arbeit auf Seite 8. Sind Sie einverstanden, daß ich sie vorlese?

Vors.:

Es wäre natürlich, wenn Sie das uns ohnedies übergeben und die Fallbeschreibungen dort enthalten sind, nicht erforderlich, das zu tun. Wenn’s nicht zu viel Zeit in Anspruch nimmt, könnten Sie’s vielleicht, damit die Bundesanwaltschaft auch gleich einen Eindruck bekommt, was hier ...

[2598] RA Dr. H[eldmann]:

Ich lese also nicht vom ersten bis zum letzten Wort, sondern fasse es etwas kurz: 44jähriger Mann zur Begutachtung, Mischling ersten Grades, Vater Jude, Mutter Arierin, in September 43, 30 Jahre, Berlin, gestapoinhaftiert - Nach einigen Zwischenstationen, KZ-Sachsenhausen, endete er dort schließlich im sogenannten Falschmünzerblock, wo man englische Pfundnoten und Dollars herstellte. Zwar hatte er hier keine körperlichen Mißhandlungen mehr zu erdulden, aber der seelische Druck war dafür um so stärker. Die Bewachung war besonders scharf, jeglicher Kontakt zu den Häftlingen des übrigen Lagers war unterbunden. Die Bewachungsmannschaften gaben den Häftlingen dieses Blocks immer wieder zu verstehen, daß wegen der zu leistenden Arbeit niemand den Block lebend verlassen würde. Herr L. bekam schwerste Angstzustände, bei denen er am ganzen Körper zitterte. Krankmeldung kam nicht in Frage, er hätte sofortige Liquidierung zur Folge gehabt. Dann, kurz vor Torschluß, unter dramatischen Umständen zu entfliehen, obwohl Bewachungsposten hinter ihm herschossen, entkam er. Seit 47 Berlin, Fotograf, keine finanziellen Sorgen. Bis heute leidet er unter ähnlichen Angstzuständen wie im KZ. Sie zeigen sich bei irgendwelchen unvorhergesehenen, auch belanglosen Situationen. Er zittert dann am ganzen Körper und schwitzt sehr stark. Immer wieder, auch seit der KZ-Haft, kommt es zu depressiven Stimmungsschwankungen, gelegentlich bis zur tiefen Traurigkeit, Trostlosigkeit, häufige Träume, stets den gleichen Inhalt, Flucht aus dem KZ, hinter ihm wird hergeschossen, sein Fluchtweg endet dann doch wieder im KZ. Nach solchen Träumen erwacht Herr L. regelmäßig in panischer Angst, schweißgebadet, Schlaf überhaupt sehr unruhig, macht sich Sorgen um seine berufliche Existenz, da das Zittern der Hände ihn als Fotograf ziemlich behindert. Trotzdem hat er einen Arzt noch nicht aufgesucht, da er seit den KZ-Erlebnissen Ärzten gegenüber mißtrauisch ist. Auch Befürchtungen hinsichtlich eines Wiederauflebens antisemitischer Strömungen in Deutschland geben seinen Angstvorstellungen immer von neuem Nahrung. Der Untersuchungsbefund: Körperliche Untersuchung: kein krankhafter Organbefund, deutlich vaso[g] vegetative Störungen, die werden im einzelnen beschrieben. Der zweite Fall: Heute 30 Jahre, besucht bis 42 die jüdische Schule in München, Vater verstarb kurz [2599] nach seiner Geburt, Mutter floh 38 nach England. Sie ließ ihn bei den Großeltern in Berlin zurück. 43 wurde er als 13jähriger zusammen mit Schwestern und Großeltern ins KZ Theresienstadt abtransportiert. Von dort alle zusammen in das Vernichtungslager Auschwitz. Fast täglich dort Selektionen, um die zur Vergasung bestimmten abzusondern[h]. Bei diesen Selektionen durchlebte er jedesmal Stunden grauenvoller Todesangst. Die Großeltern und Schwestern verschwanden nacheinander zur Vergasung. Er blieb schließlich ganz allein zurück. Nach seiner Befreiung gelangte er zu seiner Mutter, die in England lebte. Er bot dort zunächst schwere psychische Auffälligkeiten. Saß stumpf herum, stierte vor sich hin, schrie nachts auf, weinte viel, war sehr mißtrauisch, ängstlich. Dann von 48 an Störungen soweit zurückgegangen, so daß Tätigkeit als Gehilfe bei einem Optiker möglich war. Jedoch immer wieder auftretende Angstzustände.

- Oberstaatsanwalt Zeis verläßt um 10.35 Uhr den Sitzungssaal. -

RA Dr. H[eldmann]:

Auch heute noch oftmals störend bemerkbar. Er errötet leicht, Schweißausbrüche, schreit nachts, leicht erregt, bei jeder ungewohnten Situation, Angstgefühl. In seinen Träumen Schreckensbilder aus seiner Lagerzeit. Klagt über Herzstiche, häufige Kopfschmerzen, unruhigen Schlaf. Es fällt ihm schwer, sich zu konzentrieren. Das Fahren im Bus verursacht ihm Übelkeit. Die körperliche Untersuchung ergibt vegetative Stigmata [i]. Der psychische Befund ist gekennzeichnet durch[j] eine ausgesprochene ängstliche Gehemmtheit. Stimmungslage subdepressiv. Wirkt bei der Exploration sehr unkonzentriert und hastig erregt. Psychotische Anzeichen fehlen. Zweckgerichtete Tendenzen lassen sich nicht aufdecken. Das sind also die beiden Schulfälle, von denen Herr Mende ausgegangen ist, als er[k] vier Seiten später schreibt: „In diesen Fällen ist eine Rentenzahlung abzuraten, da durch die Schaffung einer solchen Rechtsposition der Weg für eine psychotherapeutische Beeinflussung erschwert oder sogar endgültig verbaut werde. Durch eine laufende Rentenzahlung würde die Fixierung der Fehlhaltung nur noch gefördert werden.“ Verstehen Sie jetzt, daß ich das als eine unglaubliche [2600] ärztliche Äußerung bezeichnet habe, und auf der nächsten Seite, auf Seite 13, geht es in diesem Stil, ärztlichem Stil, weiter:

Der Gutachter kann selbstverständlich seine Beurteilung nicht von dem Erfolg der Heilbehandlung abhängig machen. Auch wird die Behandlungsdauer bei psychotherapeutischen Maßnahmen etwa immer zu begrenzen und auf ein halbes bis höchstens ein Jahr zu bemessen sein. Die Behandlungsdauer psychotherapeutischer Maßnahmen ein halbes bis höchstens ein Jahr. Da liegt natürlich nahe, diesen sogenannten Sachverständigen jeglichen Sachverstand abzusprechen, wenn er solches als Fachschrifttum publiziert. Behandlung, und nun, bitte, darf ich um Ihre besondere Aufmerksamkeit bitten: Behandlungsversager zeigen dann nur auf, daß bei dem Betreffenden eben doch eine von Haus aus abartige Persönlichkeitsstruktur vorgegeben oder gewisse Strebungen und bestimmte Zweckrichtungen bereits vorhanden waren, bzw. neu hinzugekommen sind. Für die weit überwiegende Mehrzahl der psychogenen Reaktionen und neurotischen Fehlentwicklungen nach Unfällen oder sonstigen schädigenden Ereignissen ist nach wie vor Entschädigungspflicht abzulehnen, denn der so Reagierende hat seine auf einen bestimmten Zweck hin ausgerichtete, oder aus einer psychopathischen Charakterstruktur sich herleitende Fehleinstellung selbst zu verantworten. Aber auch in den seltenen Fällen, deren Verantwortlichkeit der Sachverständige nicht bejahen kann, ist in der Regel einer laufenden[l] Rentenzahlung zu wiederraten, um der notwendigen Psychotherapie die Erfolgsaussichten nicht zu verbauen.

Entschuldigen Sie bitte einen Moment, ich muß gerade ...

In einer weiteren Schrift ... Mende Gutachterliche Probleme bei der Beurteilung erlebnisreaktiver Schädigungen in dem Sammelwerk: „Psychiatrische Spätschäden nach politischer Verfolgung“, Basel, New York - es ist also Springerverlag - 2. Auflage, 1967, heißt es dann in dem Stil, den ich Ihnen soeben illustriert habe. „Die Grenzen der menschlichen Anpassungsfähigkeit lassen sich heute noch nicht genau festlegen. Gewisse Kriterien ermöglichen aber doch, sie annähernd abzustecken. Zentrale Bedeutung erlangt dabei die Frage nach der Verantwortlichkeit. Ist der Betroffene dafür verantwortlich, daß er in diese seelische Fehlhaltung hineingeriet, bzw., was noch entscheidender ist, sie noch nicht überwunden hat, obwohl die [2601] seelischen Belastungen vor Jahren schon ihr Ende fanden; könnte er nicht schon längst frei von Störungen sein, wenn er nur den Willen dazu hätte.“ Ende dieses Zitats. Zum Schluß noch einige, zur Frage der Ablehnung des Sachverständigen Mende, noch einige spezielle Hinweise des Mandanten, des Herrn Baader, aus einer persönlichen Begegnung mit Herrn Mende. Herr Mende ist am 11.8. zu einem Gespräch mit den hier angeklagten Damen und Herrn gewesen. Er hat den Hinweis, er sei gerade seinen besonderen Kenntnisse wegen auf dem Gebiet der Isolationsforschung gewählt worden, vom Gericht, den hat er abgewehrt und bescheiden bemerkt, das sei wohl ein bißchen übertrieben. Tatsächlich findet sich im Schriftenverzeichnis von Mende auch keine Spezialschrift zur Isolationsforschung. Dafür beziehe ich mich auf den Kürschner, Ausgabe 1970.

Ende von Band 138

[2602] RA Dr. H[eldmann]:

Dann hat er in einem Gespräch mit den Gefangenen, und das begründet insbesondere weiter die Ablehnung, ausdrücklich sich[m] geweigert, die Tatsachen, der jahrelangen Isolierungshaft in die Voraussetzungen für seine Beurteilung überhaupt nur einzubeziehen. Er hat ferner erklärt, daß er[n] sich gegenüber dem Gericht nicht an seine Schweigepflicht gebunden fühlt. Er hat das erklärt, obgleich ihm damals ja schon bekannt war, daß das Gericht nur das Ergebnis von ihm erwartet, verhandlungsfähig, verhandlungsunfähig, teilweise verhandlungsfähig.[25] Und im Hinblick etwa auf die Ursachen der Verhandlungsunfähigkeit oder teilweisen Verhandlungsunfähigkeit bestimmte Umstände. Er jedoch erklärt, jedenfalls gegenüber meinem Mandanten, generell sei er, gebe es für ihn gegenüber dem Gericht keine Schweigepflicht. Das sind im einzelnen die Ablehnungsgründe hinsichtlich des von ihnen als Sachverständigen benannten Professor Mende. Für meine Behauptung, daß zu angebliche zur sogenannten Isolationsforschung[o] von Mende keine Publikationen jedenfalls bis Ende 1970 vorliegen, beziehe ich mich auf die Fotokopie, aus Kirschners Deutschem Gelehrtenkalender 1970, 11. Ausgabe.

Vielen Dank.

Vors.:

Will sich jemand der Herren Verteidiger, Herr Rechtsanwalt Schily, Sie wollen sich anschließen.

RA Sch[ily]:

Ich schließe mich den Ablehnungsgesuchen des Kollegen Dr. Heldmann an und möchte dazu auch kurz ergänzend noch etwas ausführen. Bevor ich da zu der eigentlichen, den einen paar Sätzen, die ich da noch zu ergänzen habe, komme, möchte ich doch nicht versäumen, daß mir heute morgen, eine Zuschrift übergeben worden ist, die offenbar von einem Gottesfürchtigen Braunschweiger Bürger verfaßt worden ist und die folgenden Wortlaut hat. Und das ist doch ... verdient glaube ich das Interesse des Gerichts. Ich zitiere diese Zuschrift: „Oh Herr, gib uns den Hitler wieder, der weiß wohin mit euch, den Abschaum der Menschheit, in den Ofen“. Das ist nur mal so ein Beispiel, was die Verteidiger hier an Post erhalten und ein, vielleicht eine zweite Zuschrift vom 24.8.75.

Vors.

Herr Rechtsanwalt ich würde bitten, das außerhalb der Sitzung, wenn Sie meinen, daß das Gericht interessieren könnte, zu tun, Wir bekommen auch die Post vielfältigster Art und verlesen die [2603] hier nicht.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, ich bin gleich damit am Ende, ich glaube das ...

Vors.:

Hat das einen Zusammenhang mit ihrem Antrag.

RA Sch[ily]:

Das hat jetzt mit dem ...

Angekl. B[aader]:

Ja unmittelbar. Kann man den Zusammenhang mal herstellen, Herr Prinzing?

RA Sch[ily]:

... hat einen unmittelbaren ...

Vors.:

Nein, Sie nicht Herr Baader. Jetzt hat Herr Rechtsanwalt Schily das Wort.

RA Sch[ily]:

Ich glaube, daß der einen Zusammenhang hat und ich möchte jetzt also da fortfahren. Es handelt sich um eine Zuschrift, die von Herrn Dr. Breucker, wenn ich diese Paraphe richtig sehe, auch anstandslos durch die Post hat gehen lassen, von einer Akademikersfrau in Würzburg, die folgendes schreibt, unter anderem: „Schade, daß es die Todesstrafe nicht mehr gibt, wäre auch viel zu human. Sie sollen langsam verrecken und die Prügelstrafe sollten Sie erleben, Sie Schweinehunde, für jedes unflätige Wort, mit dem Ochsenziemer traktiert werden, den Männern auf ihr schamloses Maul und den Penis, den Weibern auf die Brüste und Scham, sie würden dabei wieder das Tanzen lernen und kirre werden, Sie Helden der Nation. Im Mittelalter wurden die Bösewichte gerädert, gevierteilt und geköpft. Sie sind in einer falschen Zeit geboren“. Soweit die Akademikerfrau aus Würzburg.

Vors.

Es würde mich aber dann interessieren, Herr Rechtsanwalt, daß Sie den Zusammenhang noch erläutern, zum Antrag. Wir wollen doch für die Zukunft wissen, ob wir solchen Zusagen, daß ein[p] Zusammenhang gegeben ist, auch wirklich zuverlässig folgen können. Bis jetzt sehe ich ihn nicht.

RA Sch[ily]:

Das können Sie ja dann vielleicht mal Ihren ...

Vors.:

Im übrigen ist es ganz selbstverständlich, daß bei der Postzensur keine Briefe angehalten werden können, dieser Art.

RA Sch[ily]:

Ja aber

Angekl. R[aspe]:

Aber politische ...

Angekl. B[aader]:

Aber politische Briefe können Sie anhalten, grundsätzlich jeden.

Vors.:

Herr Baader bitte, wenn Sie hier stören, kennen Sie die Konsequenzen. Lassen Sie es, in Ihrem Interesse. Herr Rechtsan- [2604] walt, bitte.

RA Sch[ily]:

Ich darf nun also noch einmal auf die beiden Sachverständigen hier eingehen. Ich glaube, es war so eindrucksvoll, was der Kollege Dr. Heldmann über den Sachverständigen Professor Mende hier vorgetragen hat, daß es eigentlich fast überflüssig ist, hier noch eine kurze Ergänzung anzufügen, aber der Vollständigkeit halber will ich ruhig auf diese, auf diesen Hinweis noch eingehen. In der Süddeutschen Zeitung vom 21. August 1975 auf Seite 24 ist der Leserbrief eines Facharztes für Innere Medizin, eines Psychoanalytikers Dr. Winkelmann veröffentlicht, der sich mit Herrn Professor Mende befaßt und der darauf hinweist, auf die erstaunliche Nonchalance mit der sich Herr Professor Mende über die Psychopathologie eines Angeklagten hinweggesetzt hatte und davon spricht, daß Herr Professor Mende antiquierte Positionen einnimmt. Wie gesagt, das sagt etwas darüber aus, über die wissenschaftliche Befähigung von Herrn Professor Mende einerseits, aber auch über seine Haltung, nämlich Nonchalance, ist ja bekanntlich etwas, was ein ... im Wiederspruch steht zur ärztlichen Sorgfalt. Und auch diese beiden Gesichtspunkte sollte man also nicht übersehen. Und nun noch einige Worte zu Herrn Professor Ehrhardt. Dazu habe ich drei Punkte noch hier Ihnen vorzutragen. Der Kollege Dr. Heldmann hatte ja bereits erwähnt, die Schrift, die in einer Schriftenreihe „Juristische Studiengesellschaft Karlsruhe“ erschienen ist mit dem Titel „Chemische und psychische Aussagebeeinflussung“, in dieser Schrift glaube ich ist notwendig, einmal zwei Passagen gegenüber zu stellen und in einen Zusammenhang zu bringen und zwar auf Seite 33 und Seite 6. Auf Seite 33 heißt es, in dieser, in dieser Schrift, beziehungsweise, das ist ein Abdruck eines Vortrages von Herrn Professor Ehrhardt: „Wenn also die Vorschrift über die verbotenen Vernehmungsmethoden[26] auch für die ärztliche Begutachtung gem. § 81 der Strafprozeßordnung[27] gelten würde, wäre praktisch jede psychologische Untersuchung ausgeschlossen“. Und das nun mal, also wenn man das richtig bitte hört, heißt das nichts anderes, daß Herr Professor Ehrhardt die Auffassung vertritt, daß er seinen ärztlichen „Aufgaben“ nur nachgehen kann, wenn er nicht die Schranke des § 136a[ StPO], verbotene Vernehmungsmethoden, berücksichtigen muß. Und nun, damit Sie auch wissen, was er damit meint, mit [2605] diesen verbotenen Methoden, die er also nicht zu beachten hat, ist es interessant, also die Liste auf Seite 6 dieser Veröffentlichung zu sehen. Da steht, wir müssen uns in diesem Zusammenhang zunächst fragen: „Welche Methoden der Aussagebeeinflussung sind nach der gegenwärtigen Rechtslage“, also ein[q] sehr euphemistisches[r] Wort Aussagebeeinflussung, „sind nach der gegenwärtigen Rechtslage in Deutschland nicht zulässig. Ich zähle kurz auf: Mißhandlung, Ermüdung, körperliche Eingriffe, Verabreichung von Mitteln, Quälerei, Täuschung, Hypnose, Drohung, falsche Versprechungen, suggestive Maßnahmen und schließlich Zwang. Diese Liste von 11 Punkten kennzeichnet Methoden der rein psychischen[s] oder der psychosomatischen Aussagebeeinflussung, wobei wir die Verabreichung von Mitteln etwa im Rahmen einer Narkoanalyse zu den letzeren rechnen wollen“. Das ist die Liste, und daran will sich Herr Professor Ehrhardt nicht halten. Und was da für eine Aussage in einer solchen Erklärung steckt, ich glaube, das braucht man nicht näher auszuführen. Ein weiteres Zitat verdient besonderes Interesse, weil es wiederum etwas über das Vorverständnis aussagt, das Herr Professor Ehrhardt einbringt. Herr Professor Ehrhardt hat in der Monatsschrift für Krimonologien aus dem Jahre 1963 in Heft 6, ein Aufsatz veröffentlicht, unter dem Titel „Zur Frage der strafrechtlichen Behandlung von Psychopathen.“ Und dieser Aufsatz schließt mit folgender Passage. Ich zitiere. Ist die Zitatstelle nicht, ich kann es gerne noch einmal wiederholen.

Richter Dr. F[oth]:

Da wär ich Ihnen dankbar.

RA Sch[ily]:

Also „Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform“, das ist der volle Titel, Juli 1907, ne Moment, ja Juli 1967, ne Moment, ne 63, es ist 1963, Heft 6. Heft 6. Ja so ist es richtig, Heft 6, 1963, 46. Jahrgang, unter dem Titel „Zur Frage der strafrechtlichen Behandlung von Psychopathen“ und dieser Aufsatz schließt mit folgender Passage: „Ich gebe aber gern zu, daß wir aus der Tierverhaltensforschung so manches für die sozialpädagogische Behandlung asozialer und krimineller Psychopathen lernen könnten“.

Aus der Tierverhaltensforschung will Herr Professor Ehrhardt [2606] seine Erkenntnisse für die sozialpädagogische Behandlung asozialer und krimineller Psychopathen gewinnen Das finde ich einen außerordentlichen aufschlußreichen Satz. Wissen Sie, ich habe die Assoziation da manchmal so Äußerungen, die ja von hohen Politikern manchmal geäußert werden, abgegeben werden, daß die menschlichen Gesetze für bestimmte politische Täter nicht gemacht seien. Die dann gerne die Tiervergleiche wählen, rote Ratten, oder was dann so gerne dafür benutzt wird. Sie werden sicherlich die Äußerungen kennen von Franz Josef Strauß. Es gibt da merkwürdige Beziehungspunkte. Und das letzte, was ich zu Herrn Professor Ehrhardt zu zitieren habe, ist ein Titel einer Schrift, der Titel heißt: „Die biologisch-psychologische Erforschung der Verbrechensursachen und ihre kriminalpolitische Bedeutung.“ Erschienen im Jahre 1959. Bedauerlicherweise hatte ich noch keine Gelegenheit mehr, diese Schrift zu beschaffen und ich bin zunächst einmal nur darauf angewiesen, schon aus dem Titel eine Bewertung zu gewinnen, was da für Ausgangspunkte gewählt sein könnten. Ich würde schon denken, daß, wenn einer hier einen Psychiater von biologischer Erforschung, von Verbrechensursachen spricht, daß das eine merkwürdige Ausgangsposition ist. Wie gesagt, ich kenne den Inhalt dieser Schrift noch nicht, und ich bin bemüht darum, das mir noch zu beschaffen, um eventuell noch einmal auf die Angelegenheit zurückzukommen. Daß ich diese Schrift heute bereits zitiere hat eigentlich nur folgenden Grund, und damit möchte ich schließen: Diese Schrift ist herausgegeben, vom Bundeskriminalamt und das finde ich doch immerhin ganz interessant, daß Herr Professor Ehrhardt offenbar in so engen Beziehungen zum Bundeskriminalamt steht, daß er dort als Autor, als Autor beauftragt wird und das sagt vielleicht doch etwas aus, über die ihm in diesem Verfahren zugedachte Funktion.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Riedel bitte.

RA R[iedel]:

Ich möchte mich für Frau Meinhof[t] den gestellten Ablehnungsantragen und den gegeben[u] Begründüngen anschließen. Die Frage die sich hier aufdrängt, ist, ob es von ungefähr kommt, daß das Gericht, daß der Senat Sachverständige dieser Qualität, wie sie hier beschrieben worden ist, anhand der Zitate, ausgewählt hat. Es drängt sich dabei die Vermutung auf, das Gericht hat ja durch Hinweise zu erkennen gegeben, daß sehr wohl Überlegungen da- [2607] hinterstanden, gerade diese beiden Sachverständigen auszuwählen. Und die Verteidigung hat zu dieser Frage der Auswahl früher ja auch schon Stellung genommen, daß das Gericht damit bestimmte Tendenzen verfolgt, die nämlich, daß Ergebnisse der Art zu erwarten sind, wie sie die wissenschaftlichen Methoden, die die Sachverständigen vertreten, vermuten lassen. Nämlich Ergebnisse, die in das Bild passen, daß das Gericht sich unter Umständen schon gemacht hat, und in das Schema passen, in denen das Gericht hier zu verfahren gedenkt. Dabei wird natürlich die Frage der Entscheidung des Senats über die Befangenheit der Sachverständigen eine völlig neue Qualität bekommen, denn der Senat hat damit natürlich gleichzeitig auch seine Methoden zu überprüfen, die der Auswahl zugrunde lagen.

Vors.

Will sich sonst noch jemand anschließen, Herr ...

Referendar D[üx]:

Ja, ich schließe mich auch ebenfalls dem gestellten Antrag an, möchte aber die Besorgnis der Befangenheit noch auf einen anderen Punkt stützen, nämlich auf den institutionellen Charakter, der der Gutachter in diesem Verfahren. Und zwar, die Frage stellen, daß die strafprozessuale Zuweisung der Gutachter eben vorsieht, daß Gutachter der Gehilfe der Substitut des Gerichtes ist.

Was Herr Kollege Riedel eben ausgeführt hat, so ist hier zu befürchten, daß die Psychiatrisierung einer politischen Position, die in der Öffentlichkeit längst vorgenommen wurde, auch nachhaltig sich auf das Gericht auswirkt. Das heißt, was über den § 73 Strafprozeßordnung[28] über die Auswahlkriterien es sich vollzieht, wird das Gericht sicherlich mit der Antwort uns zufriedenstellen wollen, zu sagen, es geht hier um die Feststellung der Verhandlungsfähigkeit. Das ist die abstrakte Dimension der Gesetzlichkeit, aber es gehen natürlich zugleich konkrete Vorverständnisse dieses Gerichtes in eine solche Entscheidung ein. Und hierbei ist eben die Gefahr nicht auszuschließen, daß das Gericht sich sehr wohl eben von solchen Überlegungen der Zwangspsychiatrisierung, einer politischen Position auch leiten läßt. Das heißt, daß der Sachverständige in dem Maße eine bestimmte spezifische Funktion in diesem Verfahren erhält, nämlich dabei, Gehilfenpositionen dem Gericht gegenüber ausführt. Aus diesem Grunde ist zu dem, [2608] bezüglich, der institutionellen Bedeutung des Sachverständigen hier, die Besorgnis der Befangenheit begründet.

Vors.:

Die Bundesanwaltschaft kann sofort Stellung nehmen, wie ich gesehen habe. Ja, Sie können nicht erwarten, daß ich jedesmal warte, ob sich jemand noch meldet. Bis jetzt hat sich niemand mehr gemeldet gehabt. Das muß ich ja zuerst sehen, nicht. Und so selbstverständlich ist es nicht, daß ich jetzt wieder das Wort der Bundesanwaltschaft etwa entziehen werde. Herr Bundesanwalt, sind Sie bereit, wenn wir die Angeklagten vorher noch reden lassen. Nein, Sie haben dann zunächst das Wort.

BA Dr. W[under]:

Nein.

Vors.:

Nein, Sie haben dann zunächst das Wort.

RA Sch[ily]:

Entschuldigen Sie, aber Herr Baader hat sich vorher, Herr Baader, das habe ich nun wirklich festgestellt, er hatte sich gemeldet vorher zu Wort. Und es ist doch nicht sinnvoll, jetzt die Begründung der Verteidiger. Und es ist letzten Endes ja doch etwas, was im Interesse der Angeklagten ja erfolgt, also ist es deren Sache. Und wenn also die Gefangenen nun ihre, die Begründung ergänzen wollen, das ist doch wohl ihr gutes Recht, Und es wäre doch wenig sinnvoll, das auseinanderzureißen.

Vors.:

Sie rennen ja offene Türen ein, deswegen habe ich gefragt. Aber es scheint mir so zu sein, daß die Bundesanwaltschaft etwas zu sagen hat, das damit nicht zusammenhängt, unmittelbar, was die Angeklagten wohl noch als Anschlußbegründung geben könnten. Deswegen belasse ich es bei der Worterteilung bitte, Herr Bundesanwalt.

BA Dr. Wu[nder]:

Herr Vorsitzender. In der Tat ist es so, wir möchten unsere Überlegungen, die wir nach der letzten Sitzung bereits angestellt haben, auf Grund der heutigen Ausführungen, insbesondere bezüglich des Herrn Dr. Mende, überprüfen und insoweit auch ergänzen. Ich würde dann, wenn die rechtlichen Äußerungen hier abgegeben wurden, vielleicht um eine ganz kurze Pause von etwa einer Viertelstunde, bitten.

Vors.:

Bitteschön. Wer ist nun der erste, der sich gemeldet hat, Herr Baader hörte ich.

Angekl. B[aader]:

Ja, ich wollte sagen, daß es vielleicht besser ist, wenn wir die Mittagspause jetzt machen, denn die Begründung, die wir vorhaben, wird etwas länger dauern und ist ziemlich [2609] Komplex. Und es wäre also besser, weil Sie[v] ja jetzt schon mindestens 1 ½ oder 2 Stunden, verhandeln, 2 Stunden verhandeln, wenn Sie jetzt die Mittagspause einlegen könnten.

Ende von Band 139

[2610] Vors.:

Herr Baader, Sie haben jetzt Gelegenheit, mit der Begründung zumindest zu beginnen. Wir verhandeln nun also insgesamt etwa eine Stunde und 20 Minuten. Wir können’s Ihnen also noch zumuten.

Angekl. Baa[der]:

Naja, meinetwegen. Aber die Tatsache ist natürlich, daß ich die Begründung in der Mitte, mindestens in der Mitte ... Und es ist auch so, daß ich nicht vorhab, also die ganze Begründung zu bringen, sondern daß, daß wir das zusammen machen wollen. Es wäre also vielleicht ganz günstig, wenn Sie da nicht so kleinlich wären, auseinanderzuhalten, wer grade das Wort hat von uns.

Vors.:

Naja. Also gut, beginnen Sie mal.

Angekl. Baa[der]:

Und ich wollte Sie auch bitten - das ist nämlich sehr wesentlich - uns nicht zu unterbrechen, denn das ist für dieses Verfahren und für unsere ganze Situation ne zentrale Frage, der Versuch, uns zu psychiatrisieren. D. h., die Argumentation, die wir dazu dagegen entwickelt haben, ist entsprechend komplex, und sie ist von der der Verteidiger qualitativ verschieden, weil sie eine politische Argumentation ist, d. h., weil sie nicht an die ritualisierte Form hier, wie die Justiz mit ihren Objekten verfährt, gebunden ist ...

Vors.:

Herr Baader,

Angekl. Baa[der]:

... und ... Ja?

Vors.:

dazu zwei Bemerkungen:

Ich habe Ihnen schon beim letzten Mal, als Sie dieselbe Bitte äußerten, gesagt, sofern Sie sich an die Formen halten, die üblich sind, werden Sie nicht Gefahr laufen, unterbrochen zu werden ...

Angekl. Baa[der]:

Also Sie meinen, daß Sie diesmal die Inhalte nicht zensieren?

Vors.:

Nein, das ist das letzte Mal geschehen. Bloß weise ich Sie darauf hin:

[2611] Auf Ihren Antrag hin ist eine Ärztekommission zusammengestellt worden,[29] auf Ihren ständigen Antrag hin, daß Sie hinsichtlich der Verhandlungsfähigkeit zu untersuchen seien. Es könnte natürlich sein, wenn Sie hier argumentieren, Sie sollten - wie Sie sagen - psychiatrisiert werden, daß das auf lange Sicht als eine Abschweifung vom Thema betrachtet wird ...

Angekl. Baa[der]:

Nein, nein. Das ist falsch. Also ich würde sagen, dann haben Sie Herrn Heldmann nicht zugehört, denn Herr Heldmann hat evident hier eben entwickelt, inwiefern z. B. der Krankheitsbegriff Mendes, falls Verhandlungsunfähigkeit festgestellt wird, nur zwingend zuläßt den Schluß, daß diese Verhandlungsunfähigkeit in einer Abnormität der Persönlichkeit begründet ist, und das bedeutet, der Hiebe zur Psychiatrisierung[w] der Gefangenen. Das ist wirklich zwingend. Insofern ist die Psychiatrisierung der Gefangenen unmittelbares Thema dieser Feststellung, dieser ganzen Frage der Verhandlungsfähigkeit. Sie können nicht sagen, daß das nicht zum Thema gehört, und vor allen Dingen ist natürlich wesentlich, daß dieser Versuch als Projekt der B. Anwaltschaft, dieser Versuch der Psychiatrisierung, ja eine ziemlich reiche Geschichte hat in diesen drei Jahren. Und ich würde sagen, das gehört unmittelbar zur Ablehnung dieser Psychiater; denn grade diese beiden Psychiater, das habe ich schon mal angerissen, sind besonders profiliert. Die sind unserer Ansicht nach auch ausgesucht worden bzw. in dieses Verfahren geschoben worden, nicht etwa, um die Frage der Verhandlungsfähigkeit zu liquidieren, sondern um vorzubereiten die Psychiatrisierung der Gefangenen, d. h. auf der Linie des Versuchs, dieses Verfahren hier zu entpolitisieren durch die Pathologisierung einer Politik, unserer Politik. Also ich würde[x] schon sagen, daß das ne zentrale Frage ist. [2612] Es ist auch ne zentrale Frage für die ...

1. für die Entwicklung des Verfahrens;

und es ist eine zentrale Frage

2. möglicherweise für unsere weitere Existenz, auch außerhalb Ihrer Hauptverhandlung hier.

Aber ... Fang doch mal an.

Vors.:

Also jetzt offenbar, Herr Raspe, sollen Sie zunächst beginnen. Gut.

Angekl. Ra[spe]:

Ja. Also wir werden im Folgenden argumentativ entwickeln und begründen, warum wir Ehrhardt und Mende als Gutachter ablehnen, d. h., wir werden den Zusammenhang darstellen, in dem ihre Befangenheit in diesem und in jedem politischen Prozeß begründet ist, und wir werden hier darstellen, daß nach den Erfahrungen von 3 ½ Jahren Staatsschutzjustiz - besonders nach der Erfahrung mit diesem Gericht - grundsätzlich jede Begutachtung durch Psychiater, die der Senat zuläßt, schon aus der Funktion abzulehnen ist, die die Psychiatrie im demagogischen Konzept der Entpolitisierung dieses Verfahrens hat.

Aber zunächst gegen die vom OLG an die Presse gelangten Meldungen, in denen unsere Befragung von Mende in eine Exploration umgefälscht worden ist, stellen wir nochmals fest:

Wir haben von vornherein Ehrhardt und Mende ausdrücklich abgelehnt, weil sie die Witter Exponenten der explizit faschistischen Schule der Psychiatrie sind, die die Kontinuität der nationalsozialistischen Staatspsychiatrie nicht nur in ihrer gesellschaftlichen Funktion, sondern auch ideologisch, methodisch und rechtlich propagiert. Wir werden das aus ihren eigenen Veröffentlichungen belegen.

Richtig ist, daß wir Mende begutachtet haben, um etwas über die Intension der Auswahl und des Gutach- [2613] tens selbst zu erfahren. Dabei kam raus, daß die Frage der Verhandlungsfähigkeit für Mende allenfalls ein sekundärer Zweck ist. Er wollte sich bei dieser Untersuchung umfassend engagieren - das ist seine wörtliche Formulierung - um zu einer Exploration revolutionärer Identität zu kommen, und zwar mit dem Interesse, sich ein karikaristisches Vehikel zu verschaffen, um in der Konjunktur der Aggressionsforschung mitzuschwimmen. Aggressionsforschung ist der ideologische Terminus unter dem Programme und Strategien zur verwissenschaftlichten Unterdrückung der Psychiatrisierung der Insurrektion entwickelt werden; ein imperialistisches Forschungsprojekt gegen innerstaatliche Opposition, das das Pentagon als Reaktion auf die Aufstände in den Ghettos[30] und die Vietnamopposition seit 67[31] mit ca. 14 Milliarden Dollar aufgebläht hat, d. h., da ist also tatsächlich für Leute wie Mende was zu holen.

Und Maihofer - da möcht ich mal drauf hinweisen - hat die Übernahme dieser Forschungsprojekte für die B. Republik im B. Tag öffentlich angekündigt. Er sagt - ich zitiere den mal:

„Hier müssen wir darüber hinaus zu einer geistigen Durchdringung der Erscheinungsformen des politischen Extremismus gelangen. Dazu haben wir im Bereich des Bundesinnenministeriums eine großangelegte empirische Untersuchung eingeleitet, müssen wir nach den politischen Motivationen forschen, die eigentlich dahin führen, daß ein junger Mensch heute dieser oder jener extremistischen Organisation beitritt oder in ihr verbleibt.“

Das ist aus seiner Rede nach Lorenz[32] am 15. März 75 im B. Tag. Und soweit Maihofer.

Aber wir werden noch zeigen, daß hinter dieser zunächst harmlos erscheinenden Formulierung der Erforschung politischer Motivation tatsächlich das ganze Arsenal menschenfeindlicher Zwangsuntersuchun- [2614] gen und Zwangstherapien steckt, indem [y] die Psychiatrie das Kontinuum staatlich gelenkter[z] Vernichtungsmethodik bewahrt.

Wir erinnern weiter nochmals daran, daß Prinzing jeden von der Verteidigung benannten Spezialisten bisher abgelehnt hat; auch Rasch ist nicht von uns benannt worden, sondern er stand auf der Liste des Senats, und zwar, weil er einen der drei Lehrstühle für forensische Psychiatrie in der B. Republik hat.

Wir haben Rasch in dieser Konstellation - mit Ehrhardt und Mende - zweimal abgelehnt. Unsere Bedingung einer psychiatrischen Begutachtung war ein Konsilium von Rasch mit einem der von der Verteidigung benannten Spezialisten, nämlich Teuns, Chellis, Debor, Frankfurt, Kisker, Rosson. Das war eine Bedingung, weil der Senat keinen Arzt zugelassen hat, der qualifiziert ist, die Frage der Verhandlungsfä... die Frage der Verhandlungsunfähigkeit als Folge sozialer und sensorischer Deprivation über 3 ½ Jahre zu begutachten. Der Senat hat sogar den Besuch, den normalen Besuch solcher Ärzte bei den Gefangenen abgelehnt, und er hat bisher jede Behandlung durch Ärzte unserer Wahl verhindert.

Angekl. Baa[der]:

Ich stelle nun mal den Antrag in diesem Zusammenhang:

hier genau jetzt nochmals unmittelbar darüber zu befinden, in der Hauptverhandlung zu entscheiden, daß Ärzte unserer Wahl, die Ärzte, die wir benannt haben, zur Behandlung

- denn wir sind krank, das stellt[aa] ja ein Chefarzt selbst fest, was man an den Medikamenten sieht, mit denen Ihr uns überflutet -

zuzulassen.

Vors.:

Herr Baader, wir nehmen jetzt ...

Angekl. Baa[der]:

Dieser Antrag ist zuletzt gestellt worden. Sie haben über den Antrag ...

[2615] Vors.:

Ich bitte, Herrn Baader das Wort abzustellen.

Herr Baader, Sie haben jetzt keine Möglichkeit, einen weiteren Antrag zu stellen. Anträge sind jetzt bei der Begründung, der Anschlußbegründung zum Ablehnungsantrag nicht zweckmäßig.

Bitte, Herr Raspe, fahren Sie fort.

Angekl. Baa[der]:

Dann nehmen Sie den Antrag zur Kenntnis oder vielleicht nimmt die Öffentlichkeit zur Kenntnis, daß die Entscheidung über diesen Antrag seit sechs Wochen verschleppt wird.

Vors.:

Herr Baader, Sie haben jetzt für diesen Antrag nicht das Wort. Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis.

Herr Raspe, fahren Sie fort.

Angekl. Ra[spe]:

Naja, das ist auch ein Beispiel dafür. Prinzing verhindert den Kontakt mit Ärzten unserer Wahl und bestellt Gerichtspsychiater, weil sie allein die Sicherheit bieten, die er für das Projekt, die Gefangenen zu psychiatrisieren, braucht. Den Widerspruch, den er selbst durch die Anordnung der Isolation entwickelt hat unter dem Zwang, uns verteidigungsunfähig machen zu müssen, uns verhandlungsunfähig gemacht zu haben, diesen Widerspruch soll jetzt für und den Senat die faschistische Psychiatrie lösen. Diese beiden Psychiater, Ehrhardt und Mende, haben hier den Job

1. Anamnese und Diagnose so zu fassen, daß die Isolation als Ursache unseres Zustands nicht thematisiert wird. Sie sollen damit verhindern, daß Prinzings Anordnungen der Haftbedingungen begutachtet werden, d. h., daß seine Verantwortlichkeit für den Zustand der Gefangenen in der Öffentlichkeit festgestellt wird.

Diese Gutachter haben

2. die Funktion, durch die behauptete Objektivität, also Unabhängigkeit ihrer Untersuchung,

- scheinbar legitimiert - die Ursache der durch [2616] die Isolation unmittelbar und gezielt erzeugten Krankheit in die Persönlichkeit des Gefangenen zurückzuverlegen.

Prinzings propagandistisches Kalkül bei der Bestellung von Ehrhardt und Mende ist entweder:

die Gefangenen als Simulanten darzustellen oder sie zu psychiatrisieren. Das ist im Krankheitsbegriff von Ehrhardt und Mende evident. Sie können Verhandlungsunfähigkeit nur als Folge von Unzurechnungsfähigkeit feststellen oder sie behaupten Verhandlungsfähigkeit.

Dann kann Prinzing nach ihrem Begriffsapparat den schlechten körperlichen Zustand der Gefangenen, der für jeden sichtbar ist, wo er sein zügiges Verfahren behindert, als von den Gefangenen selbst verschuldet, ausräumen.

Dazu wurde ein Gesetz erlassen, das den Widerspruch zwischen Folter und öffentlicher Verhandlung rechtlich löst - § 231a[ StPO] - indem es den Staatsschutzgerichten erlaubt, ohne von der Justiz verhandlungsunfähig gemachte Gefangene zu verhandeln.[33] Nach diesem Gesetz wird Prinzing - und der Zwang bildet sich im inhaltlichen Defizit des Gerichts jeden Tag deutlicher ab - den Prozeß ohne uns in seiner zwanghaften Behauptung als normales Strafverfahren durchziehen.

Vogel- der Justizminister - empfiehlt ihm das seit Wochen und in fast täglichen Interviews, und die terminierte Veröffentlichung gestern einer drei Jahre alten Beschwerde bei der Menschenrechtskonven... - kommission in Straßburg[34] - was soll das hier schon - verbraten.

Als Entpolitisierungsversuch ist die Bestellung dieser Psychiater ein Angriff auf unsere politische Identität, der in die Gesamtstrategie des Staatsschutzes gehört. Es ist ein An- [2617] griff aus Prinzings Einbildung, er könnte uns vor die Alternative stellen, entweder: den Kampf gegen die Isolation auch, wenn er hier nur verbal geführt werden kann, aufzugeben oder uns dem Psychiatrisierungsprojekt des Staatsschutzes auszuliefern; entweder über die Isolation entweder zu schweigen oder psychiatrisch zum Schweigen gebracht zu werden. Sowenig das laufen wird - es ist unserer Entscheidung nach 3 ½ Jahren Isolation längst entzogen - so sicher ist, daß dieser Versuch auf ihn selbst zurückfallen wird und jetzt auch durch[bb] die Staatspsychiatrie nicht mehr zu verschleiernden Widerspruch, der das ganze Verfahren gegen die RAF - nicht nur hier - auf den im Zusammenfallen der propagandistischen Fassade sichtbar werden Begriff der staatlich angeordneten Vernichtung und der juristischen Vollstreckung bringt. Ja.

Vors.:

Herr Baader will fortfahren. Bitte schön.

Angekl. Baa[der]:

Ja ich sage jetzt mal:

Wir lehnen diese Psychiater ab aus der Tatsache, daß sie als Staatspsychiater - und beide sind explizit, also sind wirklich exponiert in ihrer staatlichen Funktion: Ehrhardt als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und in seinen zahllosen Veröffentlichungen; und Mende als Sekretär dieser Gesellschaft; das ist vielleicht hier ganz interessant, daß der Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie den Präsidenten in dieses Verfahren empfohlen hat und den Sekretär, naja - aber jedenfalls lehnen wir sie ab, und das wird im Folgenden auch mindestens so gefaßt sein - ich werd’s zumindest versuchen - :

[2618] ...aus ihrer allgemeinen politischen Funktion, d. h. aus der allgemeinen politischen Funktion der Psychiatrie, die sich in der Kontinuität ihrer politischen Struktur als faschistische Staatspsychiatrie zeigt und

2. aus dem faschistisch-biologischen Krankheitsbegriff dieser beiden Psychiater und

3. aus der besonderen politischen Funktion und der direkten Verfügbarkeit für die militärtaktischen Methoden der Informationsbeschaffung durch psychiatrisch-pharmakologische Aussageerpressung.

Vors.:

Herr Baader, ich vermute, daß das etwas länger dauert die drei Punkte, bis Sie die abgehandelt haben. Deswegen könnte es sich empfehlen, jetzt abzubrechen.

Angekl. Baa[der]:

Ja.

Vors.:

Ich würde davon ausgehen, da wir ja ohnedies wohl nur etwa noch ne starke Stunde heute Verhandlungszeit haben, daß wir die Verhandlung erst um halb drei fortsetzen, und zwar deswegen, weil ich bis 14.00 Uhr den Herrn Verteidigern Gelegenheit geben möchte, sich zu der Frage des Auftretens von amtlich bestellten Vertretern in Gestalt von Referendaren in dieser Sitzung zu äußern. Ich halte mich auch zwischen - sagen wir 13.45 Uhr und 14.00 Uhr - zu einer Besprechung, wenn Sie Wert darauf legen, dieses Punktes bereit.

Da wäre ich in meinem Dienstzimmer für Sie jederzeit erreichbar.

Frau RAin Rogge.

RA’in Ro[gge]:[cc]

Ich möchte zu zwei Punkten noch Stellung nehmen:

Das eine ist der Antrag auf Zulassung unabhängiger Ärzte. Ich will ihn nicht wiederholen ...

[2619] Vors.:

Frau Rechtsanwältin, jetzt geht’s aber nicht.

RA’in Ro[gge]:

Moment, Herr Vorsitzender, ich will ihn nicht wiederholen, weil Sie jetzt bereits gesagt haben, daß Sie ihn außerhalb der Hauptverhandlung entscheiden, sondern ich will ihn jetzt stellen, wenn Sie die Verhandlung unterbrechen, damit er jetzt außerhalb der Hauptverhandlung entschieden wird.

Vors.:

Gut. Wir nehmen also das Protokoll jetzt weg. Das Protokoll kann abgestellt werden.

Wir befinden uns nicht mehr in der Sitzung.

Ich nehme den Antrag hier nicht im Saale entgegen, sondern der ist bei der Geschäftsstelle zu deponieren. Die Sitzung ist unterbrochen. Fortsetzung um halb drei.

RA’in Ro[gge]:

Moment, Moment, Herr Vorsitzender. Ich habe zwei Punkte angesprochen.

Vors.:

Nein, Frau Rechtsanwältin, außerhalb der Hauptverhandlung...

RA’in Ro[gge]:

Nein, Herr Vorsitzender, ich habe mich gemeldet für zwei Punkte, um sie zu ergänzen.

Pause von 11.26 Uhr bis 14.37 Uhr.

Ende von Band 140.

[2620] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 14.37 Uhr

Die Bundesanwaltschaft ist nunmehr in folgender Besetzung anwesend: Bundesanwalt Dr. Wunder, Oberstaatsanwalt Zeis, Staatsanwalt Holland.

Vors.:

Wir wollen fortsetzen. Zunächst ist darauf hinzuweisen Herr Kollege Düx, Sie haben die Genehmigung auch morgen aufzutreten. Am Donnerstag erwarten wir wieder Herrn Rechtsanwalt von Plottnitz. Es hat über die grundsätzliche Frage in der Mittagspause ein Gespräch stattgefunden. Über das Gespräch wird ein Aktenvermerk angefertigt werden, den sämtliche Beteiligten dann ausgehändigt bekommen.

-siehe Anlage 2a des Protokolls-[dd]

Herr Baader, Sie haben das Wort.

Angekl. B[aader]:

Ja, also ich habe gesagt, daß wir die Psychiater, die Strafpsychiater, die der Senat benannt hat, ablehnen in den drei Funktionen, die sie in dieses Verfahren bringen und die sie gleichzeitig, die gleichzeitig ihre Befangenheit begründen. Und das war 1. aus der allgemeinen politischen Funktion der Psychiatrie, die sie in der Kontinuität ihrer politischen Strukturen als faschistische Staatspsychiatrie zeigt. Und das werden wir mit Zitaten, genau dieser beiden Gutachter, belegen.

2. Aus dem faschistisch-biologischen Krankheitsbegriff explizit dieser beiden Gutachter.

Und 3. Aus der besonderen politischen Funktion der direkten Verfügbarkeit für militärtaktische Methoden der Folter und Informationsbeschaffung durch die Psychiatrie auch in diesem Verfahren. Und auch das werden wir explizit belegen, an den ... an der Rolle die Psychiater in diesem Verfahren bereits gespielt haben und dem grundsätzlichen Einverständnis, das diese beiden Gutachter, die hier benannt worden sind, nach ihren Veröffentlichungen dieser Methodik haben. Zur allgemeinen Funktion - und das würde ich sagen - ist relativ kurz und da der Psychiatrie ist zu sagen, daß in der Krise, d.h. als Reaktion [2620a][35] [2621] des Systems auf seine Krise, die Bedeutung der Psychiatrie als Polizeiwissenschaft für das, was Herold die gesellschaftssanitäre Aufgabe der Polizei genannt hat, zwangsläufig zu.

Wenn Massenloyalität sich immer weniger über die Konsumentenkultur, deren Bedingungen wachsender Konsum ist, herstellt, muß der Staat versuchen, diese Strategie der totalen polizeilichen Kontrolle und Durchdringung der Gesellschaft zu ersetzen. Die soziale Psychiatrie, die Sie, Herr Prinzing, offenbar gegen die forensische Psychiatrie absetzen wollen, das haben Sie ja hier getan, ist die Wissenschaft, jedenfalls nach den Intensionen von Herr Ehrhardt und Herrn Mende, die Entfremdung als Bedingung der gesellschaftlichen Reproduktion des Kapitals in ihren vereinzelten und einzeln belangten Objekten gegen jeden ungekonnten oder bewußten Widerstand, der versucht zu sich zu kommen, zementiert. In ihrer Geschichte, als traditionell staatskonforme, als staatlich institutionalisierte und operationelle eingesetzte Scheinwissenschaft, ist die Funktion der Psychiatrie, seit es sie gibt, Kritik oder Rebellion, die sich gegen oder jenseits der herrschenden Vernunft dem Kapitalismus immer die Vernunft der Herrschaft ist, artikuliert in der Gewalt ihrer Institution, in der Gewalt ihrer Behandlung und Ideologie, zu brechen. Ehrhardts zentraler Begriff ist Bewußtseinsstörung. Der Begriffsapparat der Psychiatrie selektiert Widerstand als Störung. Sie selektiert Unangepaßtes, egal durch welche Vermittlung, sich auflehnendes Verhalten von der Sektion des Normalen; das letztlich ist, und immer ist. dem kapitalistischen Produktionsprozeß unterworfenes Verhalten. Und sie selektiert es, um es im imperialistischen Milieu anzupassen. Wo das nicht funktioniert, und es funktioniert sehr selten, das beweisen 600 000 Internierte, von der Psychiatrie Internierte, in der Bundesrepublik, zerstört sie es in der Maschinerie ihrer Asyle. Die Psychiatrie, ihr institutionell und administrativ bestimmter Krankheitsbegriff, liefert die Ideologie einer massenhaften Ausschließung. Die ganze Psychiatrie, kann man sagen, hat praktisch kein therapeutisches Alibi. Und das wenige Wissen, das überhaupt besteht, auf wissenschaftlicher Ebene dient dazu, repressive Taktiken zu rechtfertigen. Die Psychiatrie ist dabei, und das ist wesentlich, ist eigentlich die [2622] Entwicklung der Counter-Strategie in den letzten 15 Jahren, eines der perfektioniertesten Kontroll- und Erfassungssysteme zu werden, daß es dem Staat erlaubt, jede kritische Aktivität in der Gesellschaft zu neutralisieren und zu entwaffnen. Das ist die Intension von Ehrhardt’s sozialer Psychiatrie, nachzulesen, zu begreifen, an den Protokollen des Sonderausschusses „Strafrecht“ des deutschen Bundestags und in seiner Veröffentlichkeit ... in seiner Veröffentlichung „forensische und administrative Psychiatrie“. Wir wollten auch nochmal, weil mit Moser hier sehr viel argumentiert ist, kurz sagen, daß Moser als Beispiel, und wir würden vielleicht auch sagen, Rasch, obwohl wir über[ee] Rasch relativ[ff] wenig wissen, daß sie nicht harmloser sind. Sie vertreten mit anderen durch ihre Funktion differenziert zwar eine Position gegen die Staatspsychiatrie in ihrer Determiniertheit durch den Sühne- und Rachegedanken, die traditionell unmittelbar repressive Funktionalisierung der Psychiatrie für die Klassenjustiz, aber sie tun das nur, um dem Staat effektivere Manipulationsmethoden anzudienen. Rasch z. B. hat diese Modellanstalt in Düren entworfen, konzipiert, die natürlich scheitert, also die natürlich als Modell und in ihrer ganzen Intension inzwischen gescheitert ist; das ist ein Gefängnis in Düren. Der Begriff der Behandlung: Moser, als explizites Beispiel, ist völlige Selbstaufgabe des Psychiatrierten und seine freiwillige Kolonisierung, d. h. er wird gezwungen, nach seiner Freiheit auch noch die Interpretation seiner Erfahrung, sein Bewußtsein an den Psychiater zu delegieren, sich dem Psychiater abzutreten. Es geht, dieser progressistischen Linie - Moser - nicht um Therapie durch soziale Emanzipation, denn das bedeutet immer kritische Praxis, es geht ihr darum, ihre Objekte effektiver zu entmündigen um sie einer Normalität, deren Kriterium der Norm, der Kapitalverwertungsprozesses ist[gg] zuzuführen. Wir lehnen diesen Reformismus, der noch dazu dauernd scheitert, weil er zu kostspielig ist, und weil sein Konzept der Herrschaftssicherung, der Integration im Widerspruch steht zu der Struktur der Apparate, die sie durchzusetzen haben, natürlich ab. Das psychiatrische System zu verbessern, heißt eine veraltete und verkommene Institution umzustrukturieren und zu verjüngen, um sie durch eine moderne Technik zu ersetzen, die ihre [2623] Rolle besser erfüllt. Und Sie können[hh] auch nicht sagen, daß diese Ausführungen nicht zur Sache gehören, ich sage das mal vorsichtshalber, weil das ein politischer Antagonismus ist zwischen Psychiatern der progressistischen und natürlich explizit der faschistischen Linie, aus dem heraus hier[ii] uns gegenüber befangen sein müssen. Denn einer der Praxisbereiche, der sozialen Bewegung, die wir vertreten oder die auch in uns angeklagt wird, war zum Beispiel in der Form des sozialistischen Patientenkolletivs explizite Kritik an der Psychiatrie und der Kampf gegen die Psychiatrie.[36] Das ist also von Bedeutung hier. Es ist überdies auch von Bedeutung ganz konkret, weil Ehrhardt z. B. einer der Leute ist, die 1971, 70/71 die Zerschlagung des sozialistischen Patientenkollektivs gefordert haben, d. h. die dabei ... unmittelbar daran beteiligt waren, seine Zerschlagung auf der Ebene der organisierten Psychiatrie durchzusetzen. Ich werde da aber noch darauf zurückkommen. Die Lösung, das ist hier vielleicht noch zu sagen, der meisten seelischen oder Bewußtseinsstörung der psychischen Verelendung im Imperialismus ist nie Behandlung, sondern revolutionäres Handeln. Das heißt, die radikale Vernichtung aller institutionellen Strukturen, die die Aufhebung ökonomischer und sozialer Bedingungen verhindern, die Ursache dieser psychischen Störungen sind. Es ist also die Frage revolutionärer Politik, die Frage einer revolutionären Entwicklung, die auch das psychiatrische System als Institution imperialistischer Politik zerschlagen wird, denn die Psychiatrie ist viel weniger, das haben wir schon gesagt, eine Funktion des gesamten kapitalistischen Gesundheitswesens. Sie ist wesentlich eine Institution der Reproduktion von Arbeits... also eine Institution der Reproduktion von Arbeitskraft, also der Ausbeutung. Psychiatrie ist viel wesentlicher unmittelbar staatliche Funktion der Kontrolle und Repression gegen die explosiv zunehmende Form der bewußtlosen Verweigerung zur Subversion, so letzten Endes der Form bewußtlosen Widerstands, in der der Widerspruch, der Entfremdung, der sozialen Zerstörung, der Unmenschlichkeit des Systems als Krankheit vermittelt ist. Ich habe da ein kurzes Beispiel für die Dimension der ganzen Sache. Also ich rede nicht mal über die Psychopharmaka-Therapie, die ja[jj] auch von der Psychiatrie [2624] entwickelt und propagiert wird, also dieses zentrale strategische Projekt der Medizin, das durch massenhafte Verbreitung von Psychodrogen (Tranquilizer) auf den Komplexen strukturellen, auf die Komplexe, Komplexen strukturellen des Integrationsprozesses des Systems reagiert, in dem die interpsychische Verelendung intraphysisch versucht wird, durch Drogen aufzufangen. Oder anders, in dem versucht wird, in den vereinzelten Objekten der Psychiatrie medikamentös Anpassung und Verfügbarkeit für die kapitalistische Produktion zu erzwingen, die sich sozial als gesellschaftlicher Konsensus nicht mehr herstellt. Die Dimension der Psychiatrisierung der Gesellschaft, ist inzwischen wirklich gigantisch. Es gibt da ein paar Zahlen aus der „Neuen Züricher Zeitung“ vom 6. August. Danach wird für die Bundesrepublik für das Jahr 72 eine Kostennutzenrechnung aufgemacht - Gesamtrechnung -, in der die Kosten für den Einsatz von Tranquilizern, also von Psychopharmaka, von Drogen, aufgerechnet werden, gegen die Kosten einer alternativen, psychotherapeutischen Behandlung. Das sind nur die Zahlen für das Jahr 72. Danach betrugen die Kosten der Verordnung von Tranquilizern 631,7 Millionen Mark, betrugen die Kosten, die durch Tranquilizern eingespart wurden, die durch ... ja, die Kosten der Einsparung psychotherapeutischer Behandlung durch Tranquilizern und zusätzliche ärztliche Gespräche, d.h. betrugen die Kosten der durch Vermeidung zusätzlicher Psychotherapie und durch Vermeidung ärztlicher Gespräche - Moment -, also, verdammt, was eingespart wurde, konkret, die Zahlen dadurch, daß keine psychotherapeutische Behandlung stattfand und psychische Störungen unterdrückt wurde, durch Drogen, sind 2, 478 Milliarden DM gespart worden.

Ger. W. Bietz übergibt ungeöffnete Postsendungen an RA.in Kogge und RA Dr. Heldmann

Angekl. B[aader]:

Das ist tatsächlich ein nackt quantifizierter und in Geld umgerechneter Beleg für die Dimension der psychischen Verelendung im Imperialismus. Ihre Zunahme ist der Ausdruck eines wirklich komplexen gesellschaftlichen Prozesses, den Sie mich hier wahrscheinlich nicht erklären lassen, weil es auch zu lange dauern würde, obwohl es inzwischen tatsächlich schon so aussieht, als [2625] ging es Sie selbst eine ganze Menge an. Es läßt sich aber an dem Satz von Ehrhardt „jeder zweite ist Psychopath“ aus den Protokollen des Sonderausschusses, so wissenschaftlich obskur dieser Satz ist, kurz über beide Seiten der Sache was sagen, das heißt, die revolutionäre und die reaktionäre Seite. Für uns, das heißt, die revolutionäre Lösung vom Standpunkt revolutionärer Identität mit den untersten Massen, den am meisten Entrechteten, den Besitzlosen, und da ist wirklich zu fragen, wer mehr entrechtet ist und wer besitzloser ist, als der durch die Psychiatrie Entmündigte. Für uns ist psychische Verelendung, bedingt in dem Antagonismus, den das Kapital durch eine immer umfassendere Programmierung und Prodeterminierung des Einzelnen gegen jedes individuelle Bedürfnis und gegen jede menschliche Dimension zu lösen versucht.

Vors.:

Entschuldigung, ich muß ganz kurz dazwischen eingreifen, Herr Baader, es gilt nicht Ihnen. Es wurden eben offenbar irgendwelche Postsendungen übergeben, die, soweit wir beobachten können, ungeöffnet weitergegeben worden sind. Ist die Beobachtung richtig, Frau Rechtsanwältin Rogge? Würden Sie das wieder an sich nehmen und zunächst mal kontrollieren, um was für einen Inhalt es sich handelt, oder wissen Sie das schon?

RA’in Rogge:

Ich weiß, um welchen Inhalt es sich handelt.

Vors.:

Um was handelt sich’s denn, wenn das ... oder ...

RA’in Ro[gge]:

Es handelt sich um Verteidigerpost.

Vors.:

Sie kennen also den Inhalt, ja?

RA’in R[ogge]:

Ich weiß den Inhalt, ja.

Vors.:

Gut, sprechen Sie bitte weiter.

Angekl. B[aader]:

Es ist, glaube ich, dieser Text hier zum Fotokopieren jetzt dran.

Also wir sagen für uns, psychische Verelendung, bedingt in dem Antagonismus, den das Kapital durch eine immer umfassendere Programmierung und Prodeterminierung des Einzelnen gegen jedes individuelle Bedürfnis und gegen jede menschliche Dimension zu lösen versucht. Sie wird entwickelt in der Zange aus den Kontroll- und Unterwerfungsprozessen der Verstaatlichung der Gesellschaft, der immer offeneren Herrschaft des Monopols über die Gesellschaft, durch die re- [2626] pressiven und ideologischen Staatsapparate und durch die Konsumspirale, die Konsumhierarchie, als eine der kulturellen und psychologischen Vermittlungen, entfremdeter Produktion. Unsere Lösung, die Therapie für alle Unterdrückten, und das ist der Antagonismus auch in[kk] diesem Verfahren zwischen Psychiatern, unsere Lösung für alle in diesem Widerspruch Kranken ist die endliche Eroberung der Produktionsmittel und der menschlichen Dimension durch die Zerstörung des kapitalistischen Produktionsverhältnis.

Sanon hat erklärt, daß Gesundheit nur faßbar ist als dieser Prozeß, wie der Begriff der Gesundheit nur denkbar wird[ll] als kritische Praxis, nur in der Möglichkeit das[mm] Klassensystem zu bekämpfen und schließlich zu zerbrechen. Psychische Krankheit ist der verzweifelte Ausdruck des Widerspruchs, den das System mit der Logik des Profit selbst hervorbringt. Daß auch darin eine gewaltige progressive revolutionäre Potenz liegt, ist den Politikern von der reaktionären konformistischen Psychiatrie klargemacht worden. Und das ist wirklich der Grund, warum das sozialistische Patientenkollektiv trotz seiner offenbaren Hilflosigkeit mit dieser Brutalität von der etablierten Staatspsychiatrie verfolgt und dann natürlich von der Polizei, vom Staat, zerschlagen worden ist und schließlich von der Justiz kriminalisiert.

Ehrhardt hat 71 die Kriminalisierung des SPK gefordert, die Kriminalisierung. Und er muß das aus seiner politischen Funktion, die die Kontrolle und Unterdrückung genau dieser Potenz ist.

Dazu entwickelt Ehrhardt, und ich zitiere jetzt die Protokolle nicht, administrative und juristische Strategien, die explizit politisch sind. Ehrhardts Sache, der Aspekt der reaktionären Lösung dieser Frage, der massenhaften psychischen Verelendung, die Lösung der Staatspsychiatrie für das ... ist, ja, für das psychische Elend und seiner[nn] revolutionären Möglichkeit, ist der Ausbau ihres Apparats, ist eine institutionelle Strategie auf dieser Ebene, und das heißt, die Gesellschaft mit einem Netz psychiatrischer Kontroll- und Repressionsorgane und Normen zu überziehen und einem juristischen Krankheitsbegriff, die in Symbiose[oo] mit der Justiz, Polizei, Werkschutz, Verfassungsschutz sich ergänzen. Ehrhardt repräsentiert diesen institutionellen Macht- [2627] anspruch der Psychiatrie. Er war damit Vorsitzender der Funktionärsorganisation des größten und am wenigsten bekannten bewußten Systems staatlicher Zwangsanstalten, die Asyle. Ein System, in dem 600 000 Menschen, wie ich gesagt hab, erfaßt und interniert sind. Aus dieser Funktion müssen wir ihn ablehnen;

1. weil sie konkret eine politische Funktion ist, in der er gegen uns Befangen sein muß.

Zum 2. Punkt lehnen wir Ehrhardt ah, weil er diese Funktion hat und das ist jetzt die Frage des Krankheitsbegriffs aufgrund seiner juristischen und staatshörigen, administrativ determinierten Bestimmung von Krankheit, die im Widerspruch steht zum Krankheitsbegriff, wie hier entwickelt worden ist, der Weltgesundheitsorganisation. Ganz konkret: Er kann aus seinem biologisch faschistischen Krankheitsbegriff, der jede soziale Determiniertheit von psychischer Krankheit bestreitet, gar nicht zum Begriff einer Verhandlungsunfähigkeit kommen, die durch den wissenschaftlich geplanten Vollzug eines sozialen Vakuums verursacht worden ist, und das ist die Isolation. Für ihn gibt es Krankheit überhaupt nur aus der Biologie. Andere, als biologische Indikatoren hat Ehrhardt[pp] überhaupt nicht. Und so ist in[qq] seiner Schule, wie das Gericht das genannt hat, für diesen besonderen Fall hier schon angelegt, daß er Verhandlungsunfähigkeit als Folge sozialer Isolation überhaupt nicht feststellen kann. Zum Krankheitsbegriff der Psychiatrie erklärt Ehrhardt in „forensische und administrative Psychiatrie“ auf Seite 182: „Die psychiatrische Begriffsbildung ist nur partiell naturwissenschaftlich. In einem weitem Bereich sind Motivations- und Sinnzusammenhänge bestimmend“, und weiter: „Psychologie und Psychopathologie sind zwei empirische Wissenschaften, das Postulat von der Psychologie als Naturwissenschaft ist aber eine Fiktion. Scheinbar allgemein verständliche Begriffe, wie Norm und Abnorm, Gesundheit und Krankheit sind in der Medizin umstritten. Es gibt weder einen verbindlichen Gesundheits- noch Krankheitsbegriff.“ Was eigentlich nur ausdrückt, daß der Krankheitsbegriff ein politischer Begriff ist. Er sagt weiter: „Der Jurist hat aber aus den verschiedenen und wechselnden Auffassungen der Mediziner über das Wesen der Krankheit, einen rechts- [2628] erheblichen Krankheitsbegriff abstrahiert, weil die Überlegung des Mediziners juristisch weitgehend ohne Belang sind. Juristisch kommt es wesentlich darauf an, ob eine Krankheit im Sinne einer Normabweichung vorliegt und insbesondere, ob die Krankheit einen solchen Grad, ein solches Ausmaß erreicht hat, daß sich daraus irgendwelche rechtlichen Konsequenzen ableiten lassen.“

- Ende Band 141

[2629] Angekl. B[aader]:

[rr] „Im Sozialrecht“, sagt er, „geht es z.B. entscheidend darum, welchen objektivierbaren Grad eine Minderung der Erwerbsfähigkeit die Krankheit bedingt.“ Also ich bring jetzt mal dieses[ss] Zitat hintereinander und werd[tt] es dann explizieren. Also sie sprechen schon für sich. „Im Grenzgebiet von Psychiatrie und Recht war es von jeher schwierig, zu einer Verständigung zwischen Arzt und Richter zu kommen“, sagt Ehrhardt. Diese Verständigung aber redete das Wort, indem man den juristischen, normativen Krankheitsbegriff für die Psychiatrie reklamiert. Er proklamiert. Der Sachverständige muß wissen, daß der normative Schuldgedanke Grundlage unseres geltenden, wie auch kommenden Strafrechts, ist[37] und verurteilt deswegen, wörtliches Zitat: „im psychiatrischen Bereich die Neigung zu[uu] grundsätzlicher Kritik und damit zur Relativierung anerkannter und bewährter und tatsächlich im dritten Reich bewährter Prinzipien der forensischen Begutachtung, lediglich auf Grund meist sehr privater Hypothesen, deren mögliche Auswirkungen in der forensischen Praxis nicht hinreichend durchdacht sind.“ Ich glaub, daß das wesentlich ist, denn er disqualifiziert oder er versucht es auf dieser banalen Ebene, tatsächlich die gesamte Psychoanalyse, die ja wesentlich mehr Wissenschaft ist, als die Psychiatrie selbst. Und er berücksichtigt natürlich auch nicht, naja, die gesamte Ontologie, der gesamte ontologische Begriff des Menschen durch die Psychoanalyse verändert worden ist in den letzten 20 Jahren. Naja, daß sie hinreichend durchdacht sein sollten, diese Hypothesen, das ist nicht in seinem Interesse.

Der hat kein Interesse an Wissenschaftlichkeit zur Psychiatrie, sondern daran, hier die Kontinuität ihrer Funktion für die Justiz, d.h. für den Staat zu garantieren. Er sagt, Gesetze werden in der Regel, in der Regel, so soll es wenigstens sein, für[vv] längere Zeiträume geschaffen. Deswegen darf der Gesetzestext niemals an wechselnden wissenschaftlichen Hypothesen orientiert sein. Das ist natürlich in sich absurd, weil Wissenschaft hat Prozeßcharakter. Also was er ... Er selbst hat das mal beschrieben als seinen[ww] Konservatismus. Was er da propagiert, ist explizit bereits in sich unwissenschaftlich. Und das kennzeichnet überhaupt jede Äußerung von Ehrhardt, ihre Unwissenschaftlichkeit. Der normative[xx] Krankheitsbegriff der Justiz, den Ehrhardt für die Psychiatrie propagiert, entspricht seinem Wissenschaftsbegriff, wörtlich: „im Gerichtssaal ist die Psychiatrie immer nur eine Hilfswissenschaft [2630] im Dienst der Wahrheitsfindung“. Daraus ergibt sich, daß er sagen muß, der[yy] Sachverständige müsse[zz] sich also über die psychologischen Merkmale äußern, weil es rein sachlich gar nicht anders möglich ist, weil für die normative Tätigkeit des Richters erst durch die Klärung der biologisch-psychologischen Voraussetzung der erforderliche Raum geschaffen werden muß. Wir zeigen einfach hier nur, daß die Psychiatrie eine Afterwissenschaft, der den[aaa] Staat und seinen Herrschaftsanspruch gegen das Volk stützenden, legitimierenden[bbb], ideologisch absichernden[ccc] und vollstreckendenden Klassenjustiz ist, und daß sie sich dazu offen bekennt. Ehrhardt läßt sich in diesem Zusammenhang auch noch viel deutlicher aus. Z.B. in der „Festschrift für Bürger-Prinz“, die der Rechtsanwalt Heldmann heute morgen zitiert hat, trägt übrigens den bezeichnenden Titel „Vitalität“, womit die Psychiater, die da drin schreiben, vermutlich auch die Vitalität dieser Vernichtungsdisziplin seit dem 3. Reich meinen, die ungebrochene Vitalität. Aber aus Vitalität, aus ... Naja, er sagt da zum Beispiel, je mehr sich die Erkenntnis durchsetzt, daß die Begriffe von Schuld und Verantwortung de[ddd] Lege lata Exerenta in unserem Kulturkreis weitgehend stabile Prinzipien einer weltanschaulichen, neutralen Sozialethik und Sozialpädagogik beinhalten, desto eher wird auch der von allzu üppiger Theorienbildung gespeiste Zweifel an diesen[eee] Grundlagen aus dem Gerichtssaal verschwinden. Oder er sagt: Die neue Fassung der Vorschrift für die Feststellung der Schuldfähigkeit, die neue Fassung der Vorschrift legt[fff] in Übereinstimmung mit dem bisherigen Recht und allen deutschen Entwürfen seit 1909 die sogenannte biologische[ggg] Methoden zugrunde. Nach ihr sind Ausschluß oder Verminderung der Schuldfähigkeit nur dann anzunehmen, wenn bei dem Täter gewisse, im Gesetz genannte, biologische Voraussetzungen vorliegen und sich in bestimmter Weise auf seinen Tatentschluß ausgewirkt haben. Die hier gemeinten Zustände bedeuten stets eine tiefgreifende Störung der Persönlichkeit. Das ist noch einmal wichtig, um das festzustellen, weil es wirklich impliziert, daß Ehrhardt - mal vorgestellt, er käme tatsächlich zu einer Untersuchung - nur Verhandlungsfähigkeit feststellen kann, hier, oder feststellen kann, wir wären verrückt. Beziehungsweise, daß dann wahrscheinlich noch - und das werde ich später belegen - biologisch determinieren wird. Das ist eine Initiative der Bundesanwaltschaft bereits gewesen. Wir würden sagen, daß sein Engagement von Ehrhardt im Bundestags- [2631] ausschuß für Strafrechtsreform bezweckt die Identität zwischen juristischen und psychiatrischen Krankheitsbegriff in der Neufassung des § 51[ StGB][38] eindeutig zu verankern. Um, und das ist wiederum ein Zitat, „um dem[hhh] durchschnittlichen Staatsbürger als Adressat jeder Rechtsordnung den Strafanspruch des Staates verständlich zu machen.“ Für Ehrhardt, die faschistische Staatspsychiatrie überhaupt, ist die Schuldfähigkeit identisch mit strafrechtlicher Verantwortlichkeit bzw. Zurechnungsfähigkeit und diese Gleichung gilt eben auch für das Gegenteil. Ein unmenschliches Menschenverständnis, das die Bevölkerung in Analogie zu faschistischen Rassentheorien in Täter und Staatsbürger aufteilt, muß dahin kommen. Schuldunfähig[iii] kann nur sein, wer[jjj] unzurechnungsfähig ist, damit er unmittelbar und zwangsläufig zum Objekt des Psychiaters wird, der[kkk] den Strafanspruch des Staates dann mit anderen Mitteln, denen der Psychiatrie, durchsetzt. Dieses System schließt[lll] jede andere Ursache, jede Ursache von Krankheit außerhalb der biologistisch determinierten aus. Ich hab da noch ein Zitat. Ehrhardt sagt: „Ob die krankhafte Störung der Geistestätigkeit im psychiatrischen Sinn verursacht, ob sie organisch-somatisch begründet, ob sie krankhaft im medizinischen Sinn ist, wurde durch die Rechtsprechung § 51 StGB zunehmend relativiert. Mit der engeren und präzisierten Weiterverwendung des Begriffs Krankhaft bemüht sich die Neuregelung auch an dieser Stelle um eine Übereinstimmung des juristischen und medizinischen Sprachgebrauchs. Krankhaftigkeit ist in diesem Zusammenhang ein empirisch klinischer, und auf leibliches Geschehen eingeengter Seinsbegriff, der dem[mmm] psychiatrischen Sachverständigen aus seiner klinischen Erfahrung und seiner Gutachtertätigkeit geläufig ist. Krankhaftigkeit ist insoweit ein Oberbegriff der Krankheiten im Sinn von krankhaften Vorgängen, um in einem oder mehreren Organen Mißbildungen z.B. des Gehirns, im Sinn von angeborenen Abnormitäten der Organstruktur oder der Organfunktionen, z. B. metabolisch bedingten Schwachsinns, Verletzung im Sinn einer traumatischen Schädigung der Organstruktur und Intoxikationen der verschiedensten Art und mit der Folge einer toxisch gestörten Organfunktion umfaßt“. Zur verminderten Schuldfähigkeit erklärt er: „Die Notwendigkeit, diese[nnn] Zwischenstufe der verminderten Schuldfähigkeit für die Fälle, in denen die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist, mit einem milderen Strafrahmen zu erfassen, ergibt[ooo] [2632] sich namentlich daraus, daß sonst die vermindert schuldfähigen entweder als voll schuldfähige oder als schuldunfähige und deshalb unangemessen behandelt werden müßten. Eine Vermehrung der Freisprüche gerade bei Kapital, Trieb- und Hangverbrechern wäre zu erwarten. Der Richter hätte über die Berücksichtigung einer Verminderung der Schuldfähigkeit im normalen Strafrahmen vielfach ohne sorgfältige Nachprüfung zu entscheiden. Der Gesetzgeber müßte, um wenigstens die unerträglichen Härten auszuschließen, besondere[ppp] Milderungsmöglichkeiten gerade auch für solche Tatbestände vorsehen, für die er[qqq] bisher aus kriminalpolitischen Gründen keine vorgesehen hat. Und die praktische Bedeutung der verminderten Schuldfähigkeit liegt in der Möglichkeit der Anwendung des milderen Strafrahmens und der Anstaltsunterbringung. Hinter dem Begriff der Einsicht und Steuerungsfähigkeit steht für Ehrhardt natürlich die Möglichkeit und Notwendigkeit der Kontrolle und Steuerung des Verhaltens Einzelner durch den Staat. Die Psychiatrie verfolgt in ihrer Funktion der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs jeden Ausdruck von Entscheidungs- und Sinnesfreiheit und sie liefert Legitimationsideologien. Ehrhardt erklärt, die Tatsache, daß ein normaler Staatsbürger vor der auf rot geschalteten Verkehrsampel anhalten kann, daß er ein Stopsignal keineswegs ignorieren muß, kennzeichnet völlig ausreichend diejenige Freiheit eines Staatsbürgers, die unerläßliche und wissenschaftlich unangreifbare Voraussetzung jeder Rechtsordnung ist. Ich weiß nicht, diese groteske Formel, in der er sein Verfassungsverständnis tatsächlich belegt, erübrigt wirklich jedes weitere Wort. Das ist Faschismus. Das ist tatsächlich das ungebrochene faschistische Staatsverständnis durch die psychiatrische Funktion der Herrschaftssicherung hier vermittelt. Man kann das also beliebig weiter belegen. Es gibt, glaube ich, von den Schriften von Ehrhardt, die wir gelesen haben wir haben nicht eine einzige gefunden, aus der sich das nicht belegen läßt in der es nicht offen propagiert wird. Und ein Mangel ist, daß wir nicht Zugang hatten bisher zu Veröffentlichungen Ehrhardts vor 45. Aber es ist ganz sicher, daß Ehrhardt vor 45 veröffentlicht hat. Sie sind nur. Wir haben nur bisher diese Veröffentlichungen nicht. Aber das kann man ja möglicherweise noch nachschieben. Aber aus der Tatsache, wie offen er diese Kontinuität propagiert, ergibt sich also mit Sicherheit, daß er auch vor 45 nicht in [2633] Opposition dazu war, sondern auch in diesem Sinn publiziert hat, das ist sehr wahrscheinlich. Aber ich will das noch einmal belegen, Verfassungsverständnis. Er sagt: „Wie wäre es mit der Freiheit von Staaten und Völkern bestellt, wenn der einzelne Staatsbürger nicht einmal über so viel freiheitliche Selbstbestimmung verfügte, daß er Eigentum und Leben seines Nachbarn respektieren kann. Daß der Staat dieses Sozialverhalten fordern darf und gegebenenfalls erzwingen muß. Mit welchem Recht kann man von einem Staatsbürger als konditionierter und beliebig konditionierbarem Automat erwarten, oder gar verlangen, daß er sich in der Wahl der Staatsform verantwortungsbewußt für die Freiheit und gegen die Tyrannis entscheidet.“ Diesen Fragenkatalog könnte man noch über Seiten fortsetzen, ohne beim Utopisten auch nur eine vernünftige, realistische und praktikable Antwort zu finden. Und die Konsequenz für die Strafrechtsreform, man sollte sich energischer um die Verbesserung unseres Schuldstrafrechts, um die Verbesserung der Schuldfähigkeitsbeurteilung und vor allem um die Verbesserung des Maßregelsystems[39], sowie des Vollzugs von Strafen und Maßregeln bemühen. In Ehrhardts Veröffentlichungen ist auch transparent, daß ein Begriff von Verhandlungsfähigkeit nicht korrekt, also ein Begriff der Verhandlungsfähigkeit, nicht korrekt also am Subjektstatus der Verfassung gebunden sein kann. Ich bring auch noch mal Zitate, das ist tatsächlich sehr wichtig, zum Recht der Unversehrtheit der Persönlichkeit, Grundgesetz Artikel 2. Und zum Subjektstatus des Angeklagten erklärt Ehrhardt in der Schrift „zur chemischen und psychologischen Beeinflussung der Aussagewilligkeit“: „Die Willensentschließungsfreiheit bzw. die Prozeßsubjekteigenschaft des Beschuldigten ist bei allen psychodiagnostischen Methoden einschließlich der gezielten psychiatrischen Exploration mehr oder weniger eingeschränkt.“ Und das ist ja schon gekommen. Bei der Begutachtung im Rahmen des § 81[ StPO] sagt er: „Es geht nicht um die Prozeßsubjekteigenschaft eines Beschuldigten, weil nicht nach seiner strafbaren Handlung, sondern nach seiner Persönlichkeit, seines Geisteszustand, seiner Zurechnungsfähigkeit gefragt ist“. Oder weiter kommt er also grundsätzlich zu dem Schluß in diesem Zusammenhang, und zwar ist das der Zusammenhang der Frage der Narkoanalyse, d.h. der Narkotisierung des Verhörs, bzw. der psychiatrischen Exploration unter Narkotika. Er kommt dann, was also hier sozusagen auch von Bedeutung ist, weil [2634] ja in einem Stadium dieses Verfahrens Zwangsnarkose wesentlich war, erstens, und zweitens, weil es ja tatsächlich in diesem Zusammenhang Versuche des Staatsschutz gegeben hat und nicht nur Versuche, es sind Zwangsnarkosen durchgeführt worden. Zum Beispiel ist, ich bring das hier mal kurz, Carmen Roll in Aichach narkotisiert worden[40] und wir würden sagen, aus den Protokollen dieser Narkotisierung ergibt sich, daß es ein Versuch war der Polizei mit Hilfe eines Anstaltsarztes, sie in der Narkose zu verhören. Es wurde gesagt, sie hätte narkotisiert werden müssen, um ihr Fingerabdrücke abzunehmen. Tatsache ist also, daß diese Narkose eineinhalb Stunden gedauert hat, das ist ganz wesentlich, eineinhalb Stunden gedauert hat, und daß dazu ein halber Liter Äther verbraucht wurde. Ich rede jetzt mal nicht davon, daß diese Methode der Äthernarkose, die da angewandt wurde, absolut lebensgefährlich ist. Und daß es also Gutachten gibt von Frey und von einem Stuttgarter Anästhesisten und von einem...inzwischen von einem Augsburger Anästhesisten, die sagen, daß es medizinisch absoluter Wahnsinn ist, und daß man es tatsächlich nur charakterisieren kann als einen versuchten Mord. Ich weiß nicht, ob das hier dem Gericht zur Verfügung steht, das ist aber vielleicht doch wichtig. Es ist also so ... Die Narkose dauerte von 9.10 Uhr bis 10.45 Uhr. Und verbraucht wurden 300 Milliliter Äther. Es existiert kein Narkoseprotokoll und es waren Polizisten anwesend.

Vors.:

Herr Baader, lassen Sie sich nicht zu sehr vom Thema ablenken, bisher haben ...

Angekl. B[aader]:

Ich würd schon sagen, daß das zum Thema gehört. Das werde ich Ihnen jetzt gleich belegen, weil der Psychiater, den Sie benannt haben, diese Vorgehensweise rechtfertigt, explizit. Aber wir waren eben bei der Frage der Prozeßsubjekteigenschaft, die ja wohl im Zustand der Befragungen in der Narkose total ... dem Gefangenen auch tatsächlich total genommen ist. Er sagt, in diesem Zusammenhang noch mal, wenn also die Vorschrift, und das ist heute vormittag gekommen, aber ich sag das noch mal, wenn also die Vorschrift über die verbotenen Vernehmungsmethoden auch für die ärztliche Begutachtung gem. § 81[ StPO][41] gelten würde, wäre praktisch jede psychologische Untersuchung ausgeschlossen. Und unter die verbotenen Vernehmungsmethoden fällt eben auch die [2635] Narkoanalyse und das, was Schily heute morgen hier aufgezählt hat. Und der Punkt ist hier eben jetzt, in diesem konkreten Zusammenhang der Prozeßeigenschaft wesentlich, daß Ehrhardt sich praktisch anbietet, in diesen Formulierungen, die Schwelle, die gesetzlich sozusagen besteht in dieser Fassung der ungesetzlichen Untersuchungsmethoden, daß er sie anbietet sozusagen auf psychiatrischer Ebene zu überspringen oder zu unterschleichen und der Justiz damit sozusagen ungesetzliche Vernehmungsmethoden anbietet zu denen auch explizit natürlich der Trakt gehört. Ich mach da aber nochmal weiter jetzt, er sagt: „Als verständliche Reaktion auf die nationalsozialistische Ära herrscht noch heute eine ängstliche Scheu vor jedem Eingriff in die grundgesetzlich garantierte Sphäre des Persönlichen auf fast allen Rechtsgebieten. Die in der Rechtsprechung verbreitete Tendenz zur Verabsolutierung des Persönlichkeitsrechts, die Unterschätzung seiner Relativität und seiner notwendigen Limitierung, dürfte ein zeitgebunden typischer Ausdruck der allgemeinen Unsicherheit im Bereich des ethischen und des weltanschaulich religiösen sein.“ Inzwischen, würde ich ja sagen, hat sich diese Scheu allerdings etwas gelegt. Zu Ende gedacht heißt das, ja, „Eine nähere Betrachtung zeigt aber, daß auch das Persönlichkeitsrecht kein absoluter Wert ist. Zu Ende gedachtes Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit bedeutet das Chaos. Also auch das Selbstbestimmungsrecht des Kranken hat seine Grenzen, die der Arzt in der Regel besser überschaut, als der Patient“. Naja, ich mein, das sind jetzt einfach Zitate, die jetzt hier bruchstückhaft sozusagen eine Struktur belegen, in der das Objekt der Psychiatrie für die Justiz verfügbar gemacht wird, durch seine totale Entmündigung. Bei Mende lassen sich tatsächlich ähnliche Zitate und ähnliche Problematik in seinen Veröffentlichungen nachweisen.

Vors.:

Das Wort übernehmen Sie jetzt also, Herr Raspe.

Angekl. Raspe]:

Ja.

Ende von Band 142.

[2636] Angekl. B[aader]:

Also ich mach das jetzt zu Ende noch.

Vors.:

Also, bleibt es bei Herrn Baader.

Angekl. B[aader]:

... das Problem ist einfach für uns, das merken Sie ja auch, das Problem ist, daß wir, na ja, Schwierigkeiten haben, länger als eine halbe Stunde zu reden. Aber ich mache das jetzt zu Ende. Wer jede soziale Ursache von Krankheit bestreitet, ist eigentlich ziemlich wahrscheinlich, daß er wie Witter schon die marxistische Bestimmung ihrer Bedingtheit im Produktionsverhältnis als Wahn der überwertigen Persönlichkeit kategorisieren wird, aus dem uns dann Zwangshaft oder die Isolation nicht als Privileg erscheint.

Ganz natürlich wäre, daß Sie zur Frage der Behandlungsbedürftigkeit, die das besorgte Gericht hier gestellt hat, auch hier der stereotaktische Eingriff ins Gehirn einfällt, den er in seinen Schriften propagiert und zu dem sicher, zu dem sich der zweite Mann dieser Clique, das ist Witter, schon angedient hatte. Aber, um das nochmal zusammenzufassen, auf diesen beiden Ebenen des Krankheitsbegriffs und der allgemeinen Funktion begründet die politische Funktion Ehrhardts, seine Klassenfunktion und der ihr entsprechende reaktionäre Begriffsapparat, seine Ablehnung als befangen. Es gibt aber noch einen dritten Grund.

Vors.:

Herr Raspe Sie fahren fort.

Angekl. R[aspe]:

Ja, für Mende gilt das gleiche, was wir also hier schon für Ehrhardt aus seinen Schriften belegt haben, nur durch seinen Versuch neulich, mit uns ein Gespräch zu führen, das er als Exploration, als den ersten Schritt der Psychiatrisierung geplant hatte. Und daß es so war, das drückt also sein ganzer schmieriger Auftritt hier aus. Durch diesen Versuch hat der ...

Vors.:

Ich würde Sie bitten, Herr Raspe, daß Sie sich nicht der Gefahr aussetzen, daß solche Beanstandungen zum Wortentzug führen müssen. Sie haben kein Recht, das Verhalten eines Sachverständigen so zu qualifizieren. Bitte, denken Sie daran.

Angekl. R[aspe]:

Wir belegen das auch noch, ich komm darauf noch zurück. Das wird sich dann ganz zwangsläufig zeigen, daß das eine richtige Formulierung war. Er hat also auch noch selbst die Begründung seiner Befangenheit geliefert. Grund: Er war, wie Ehrhardt, von vornherein als Gutachter disqualifiziert. [2637] Ich zähle hier die Befangenheitsgründe kurz auf. Sie sind so offensichtlich, daß sich jede Ableitung aus komplexen Zusammenhängen erübrigt. 1. lehnen wir Mende ab, aus dem Wissenschaftsbegriff, den er da drüben propagiert hat. Der explizit seine Inkompetenz begründet und den er nicht nur in diesem Gespräch erläutert hat, sondern der sich also, das heute vormittag auch von Heldmann schon belegt worden ist, eindeutig aus seinen Schriften ergibt. Mende reklamiert für die Wissenschaft, und im besonderen auch für die Psychiatrie, Methodenneutralität und damit die grundsätzlich Unabhängigkeit ihrer Ergebnisse. Dabei geht es hier gar nicht um das Problem der Bestimmung jeder Wissenschaft aus den historischen und konkreten Herrschaftszusammenhängen einer Gesellschaft und nicht um die Objektabhängigkeit wissenschaftlicher Methoden. Das ist eine Behauptung der Neutralität, gerade der Psychiatrie, das ist einfach Unsinn. Sie ist keine Naturwissenschaft, sondern, wie wir das hier entwickelt haben, auch nach Ihrer Geschichte im Dienst des Staates und in ihrer aktuellen staatlichen Funktion explizit eine Herrschaftswissenschaft. Mendes Behauptung erweist sich als Eskamotage, als Taschenspielertrick. Er benutzt ihn nur, um seiner eigenen Praxis den Anschein von Objektivität zu verschaffen. Und er konnte allerdings diesen schon grotesken Versuch bei einer Befragung hier, könnte er diesen Versuch nicht durchhalten, und er konnte ihn auch dort drüben nicht durchhalten. Wir lehnen Mende zweitens ab, aus den in seinen Schriften entwickelten Krankheitsbegriff. Mende bestimmt Krankheit nach dem Opportunitätsprinzip, das heißt, nach der in der Psychiatrie herrschenden Meinung. So erklärt er hier, die offen reaktionär faschistische Begründung von psychischer Krankheit, einzig aus organischen Störungen, biologischen, biologisch angeborenen Störungen, also Ehrhardts Krankheitsbegriff, diese Begründung sei nicht mehr die herrschende Meinung in der Psychiatrie, dieser Krankheitsbegriff entspräche auch nicht mehr den Erfahrungen. Für Mende sind soziale Zusammenhänge als Ursache psychischer Krankheit allenfalls, und das ist ein wirkliches Zitat: „Mögliche Faktoren unter anderen“. Er weigert sich und er weigerte sich bei seiner Befragung, eine konkrete Bestimmung des Krankheitsbegriffes, der seiner Praxis zugrundeliegt, vorzunehmen. Er gab diese Bestimmung [2638] aber implizit, indem er sich auch an dieser Stelle auf den konkreten Einzelfall zurückgezogen hat. Damit bestimmt sich Mendes Krankheitsbegriff, ebenso wie sein Wissenschaftsbegriff, nach der staatlichen Opportunität und das heißt, nach staatlich gesetzten Zwecken. Denn die Äußerung, der biologistisch-faschistische Krankheitsbegriff entspräche nicht mehr den Erfahrungen, heißt in Mendes Funktion als Psychiater, der sich mit der Rehabilitation von Strafgefangenen, wie er das verschleiernd formuliert hat, befaßt und der als Gutachter für Renten- und Krankenversicherungen tätig ist, das heißt, in dieser Funktion nichts anderes, als daß dieser Krankheitsbegriff staatlich nicht mehr funktional ist, und dagegen charakterisiert der Rückgriff auf Ehrhardt, durch seine Bestellung durch diesen Senat, dieses Verfahren nochmal als eine militärische Maßnahme, als Vollstreckung. Mende ist drittens abzulehnen aus einem besonderen Interesse. Er hat hier erklärt: „Sicher sei er mit aus dem Grund vom Senat bestellt worden, nur weil er sich im Zusammenhang mit Lengede[42], mit den Problemen der Isolation beschäftigt habe“. Und dann hat er wörtlich gesagt: „Das ist ein bißchen übertrieben“. Aber tatsächlich zielt er seine Beschäftigung mit Isolation darauf ab, und das ist sein Interesse, die psychische Belastbarkeit des einzelnen Menschen zu untersuchen, um rauszufinden, wo ihre Grenzen liegen, das heißt, unter welchen Bedingungen sie in physische und psychische Krankheit umschlägt. Diese Fragestellung nach den Grenzen der psychischen Belastbarkeit kann unmöglich von einem therapeutischen Interesse bestimmt sein, im Gegenteil, sie hat kein therapeutisches Alibi. Vielmehr stellt sich in dieser scheinwissenschaftlich verschleiernden Fragestellung genau das Muster der unmenschlichen Wissenschaft dar, das Muster von Wissenschaft gegen den Menschen, in der Tradition der KZ-Psychiatrie des dritten Reiches und bestimmt an den US-Projekten Interpsychisch, das heißt, sozial bedingte Konflikte, intrapsychisch, also im vereinzelten Objekt der Psychiatrie zu eliminieren. Auf die vorsichtige Frage von uns, ob er die Zwecke dieser Fragestellung jemals reflektiert hätte, hat er es überhaupt erst bestritten, daß im Zwecke, daß hinter seinem Interesse Zwecke stehen, und dann kam seine, in diesem Zusammenhang tatsächlich schweinische [2639] Antwort von der Wertfreiheit der Wissenschaft, ein Indiz dafür, daß es der Zweck von Mendes Erforschung, der Grenzen menschlicher Leidensfähigkeit ist, diese Grenzen gegen den Menschen verwertbar zu machen. In dieser Funktion taucht er hier auf und will er sich, das haben wir schon mal gesagt, in dieser Untersuchung engagieren.

Und das ist sein Interesse an dieser Untersuchung.

Vors.:

Kommen weitere Stellungnahmen.

Angekl. R[aspe]:

Können wir vielleicht fünf Minuten Pause haben.

Vors.:

Fünf Minuten Pause, Herr Raspe, grundsätzlich nichts dagegen. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß wir nicht mehr sehr viele Verhandlungszeit haben. Ich wäre dankbar, wenn die Stellungnahmen konzentriert würden, so daß wir sie heute noch entgegennehmen könnten. Gut, fünf Minuten Pause.

Angekl. B[aader]:

Ja, das ...

Vors.:

Fünf Minuten Pause wollten Sie, denke ich.

Angekl. B[aader]:

Ja, aber das ist definitiv mit Sicherheit nicht möglich. Also wir werden damit heute nicht fertig.

Vors.:

Wie lange haben Sie denn jetzt noch vorgesehen?

Angekl. B[aader]:

Das kann ich nicht sagen, weil ich nicht genau einschätzen kann, wie lange die, auf der einen Seite die Zitate, die wir schon weitgehend rausgelassen haben, weil es sonst viel zu lange wird, wie lange das dauert, die Zitate hier zu verlesen. Also wir sind im Grunde der Ansicht, daß es Schriften zum Beispiel von Ehrhardt gibt, und auch eine Schrift von Mende, die jetzt voll verlesen werden müßten in diesem Zusammenhang, weil, weil na ja, wenn man nur die Zitate rauszieht, eben das Problem auch ist, daß der ganze Zusammenhang sich nicht richtig darstellen kann, auch wenn das später aus den Protokollen wieder rausgezogen wird. Aber wir haben die Zitate...

Vors.:

Wir wollen es mal abkürzen, damit 5 Minuten Pause, dann wollen wir sehen wie es weitergeht.

Pause von 15.37 Uhr bis 15.52 Uhr.

Bei Fortsetzung der HV:

BA. Dr. Wunder ist nicht mehr anwesend.

Vors.:

So, wir wollen fortfahren. Wer hat nun im Augenblick ... Herr [2640] Baader, ich glaube, Sie haben das Wort, oder wer will fortfahren Herr Raspe, bitte.

Angekl. R[aspe]:

Ja, weiter mit der Begründung für die Ablehnung Mendes. Kein anderer Zweck, als der, die Grenzen der menschlichen Leidensfähigkeit zu erforschen, stand hinter Mendes Untersuchungen in Lengede, unter den Untersuchungen, die also der Senat hier für seine Bestellung unter anderem angeführt hat. Tatsächlich ist es sein Interesse, die Ergebnisse [rrr] seiner Untersuchung fungibel zu machen, für seine hauptsächliche Tätigkeit als Psychiater, nämlich die Ausarbeitung, Durchführung und Kontrolle von Rehabilitationsprogrammen für, das heißt, gegen Strafgefangene und für seine Gutachtertätigkeit, für Renten- und Krankenversicherungen, das heißt, gegen Arbeiter, das heißt, gegen das Volk. Mende befürwortet, das hat Heldmann heute vormittag schon dargestellt, Mende befürwortet die Zwangssterilisation von[sss] Subproletariern. Wörtlich, Zitat: „Von erblich Schwachsinnigen, die durch Triebhaftigkeit und Verwahrlosungstendenzen auffällig geworden sind“. Auffällig geworden heißt, von ...

Vors.:

Herr Raspe, das ist eine Wiederholung, wir haben das heute früh bereits in den Anträgen gehört. Ich bitte also jetzt bei dieser langen Dauer der Begründung Wiederholungen wenigstens zu vermeiden.

Angekl. R[aspe]:

Das wird also, ich kann Ihnen das jedenfalls sagen, wenn Sie mich unterbrechen und wenn Sie uns unterbrechen, das also genau den gegenteiligen Effekt hat, das wird nämlich dann noch länger dauern, weil die Begründung ...

Vors.:

Diese Androhung, Herr Raspe ...

Angekl. R[aspe]:

... weil die Begründung ...

Vors.:

... diese Androhung nehmen wir zur Kenntnis. Sie interessiert uns durchaus, aber ich versichere Ihnen nochmals, Wiederholungen können wir nicht zulassen.

Angekl. R[aspe]:

Es ist eine Feststellung und im übrigen handelt es sich hier überhaupt nicht um eine Wiederholung, wenn ich ein Zitat von einer Zeile Länge, noch einmal wiederhole und Sie mich sofort unterbrechen ...

Vors.:

Ja, ich wollte nur dafür sorgen, daß Sie nicht weitere Ausführungen daran knüpfen.

Angekl. R[aspe]:

... sondern es geht darum und daß wir hier ...

[2641] Vors.:

Jetzt Bitte fahren Sie fort.

Angekl. R[aspe]:

Ja schön, wenn Sie mich das nächstemal unterbrechen, werde ich das nochmal genauer entwickeln.

Auffällig geworden heißt, von den staatlichen Zwangssozialisationsagenturen, Jugendamt und Fürsorge erfaßt. Und was diese Institutionen unter Triebhaftigkeit und Verwahrlosung verstehen, weiß man, nämlich jeden aus dem Widerstand und Protest[ttt] gegen die Ämter, gegen diejenigen, die sie erfaßt haben, durch Kontrolle, durch Erfassung des staatlichen Terror zu schikanieren. Es gibt eine bürgerliche Sozialisationstheorie, den Begriff der sozialen Vererbung. Diesen Begriff negiert Mende, wenn er vom erblichen Schwachsinn, den es nicht gibt, spricht. Das heißt sein Vorschlag zur Lösung des Obdachlosen und Hilfschulproblems ist die Zwangssterilisation dieser Gruppe, das heißt, identisch, die Maßnahme, die die alten Faschisten angewendet haben, um Leute zu vernichten, die sich in dem Arbeitsprozeß nach der großen Rezession von 1929 nicht wieder eingliedern konnten. Da ordnet Mende auch seine Ratschläge an, an das Parlament, Zwangssterilisation als bevölkerungspolitische, als ökonomische Maßnahme, um die industrielle Reservearmee in der Krise zu dezimieren.

Angekl. B[aader]:

Das ist einfach unmöglich, was Sie hier machen. Sie merken doch, daß er nicht mehr kann, als Beispiel, daß er nicht mehr sprechen kann, das ist hier objektiv nicht möglich. Sie können jetzt hier nicht weiterverhandeln. Wir müssen ihn morgen seine Begründung weiter entwickeln lassen.

Vors.

Haben Sie im Augenblick das Wort gehabt?

Angekl. B[aader]:

Ich habe es festgestellt, daß er nicht mehr sprechen konnte.

Vors.:

Haben Sie festgestellt; dann übernehmen Sie den Vortrag, Sie haben doch...

Angekl. B[aader]:

Ich kann den Vortrag nicht übernehmen weil, hören Sie, das ist kein Manuskript, das ist nur teilweise Manuskript, das sehen Sie doch auch.

Vors.:

Wollen Sie jetzt, nachdem wir noch 15 Minuten haben ...

[2642] Angekl. B[aader]:

Hören Sie, ich erinnere Sie nochmal an den Satz der beiden Gutachter, und nicht der psychiatrischen Gutachter ...

Vors.:

Herr Baader, Sie haben jetzt nicht ...

Angekl. B[aader]:

... sie möchten ...

Vors.:

Herr Baader, Sie haben jetzt nicht das Wort. Darf ich bitten, abzustellen. Diese nicht kleinliche Auslegung, ich sage Ihnen nochmals, ist ein Satz, den auch wir uns zu Eigen machen, der gilt nämlich Ihnen.

Angekl. B[aader] (schreit):

So sind Sie sicher, ja!

Vors.:

Wenn jetzt, wenn ... Augenblick ... jetzt geht das wieder los. Wenn Sie jetzt nicht weiterhin die Zeit ausnützen, die Viertelstunde, dann haben Sie keine Gelegenheit, weiter mehr vorzutragen, damit wir uns einig sind. Wir lassen uns nicht regelmäßig von der Verhandlungszeit, die uns die Ärzte bescheinigt haben, daß sie möglich ist, zum Schluß eine halbe oder eine Viertelstunde abzwicken, und zwar auch nicht in der Form, daß jetzt Anträge oder sonstige Dinge gestellt werden, sich die Herren Verteidiger bereit machen, wohl vielleicht diese Zeit durch ähnliche Anträge auf Unterbrechung auszufüllen. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, oder sehe ich etwas anderes?

RA Dr. H[eldmann]:

Ich bin doch hier nicht der Unterhalter für leere Viertelstunden. Die Angeklagten sind verhandlungsunfähig im Moment, Sie sehen selbst, Sie hören selbst, daß Sie nicht weiter vortragen können. Folglich können wir nicht weitermachen.

Vors.:

Alle miteinander auf einen Schlag.

RA Dr. H[eldmann]:

Prüfen Sie doch selbst die Frage. Sie kennen doch auch die Schreiben der Ärzte. Sie kennen doch auch das Schreiben des Herrn Professors ...

Vors.:

Also, Herr Rechtsanwalt, nehmen Sie bitte zur Kenntnis. Die Angeklagten haben jetzt die Gelegenheit, diese Viertelstunde noch auszufüllen. Wo nicht, wird diese Gelegenheit nicht wiedergegeben. Dann wird morgen mit der Stellungnahme der Bundesanwaltschaft fortgesetzt. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis.

RA Dr. H[eldmann]:

Das ist doch wieder ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, bitteschön.

[2643] RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, ich begreife eigentlich nicht, wie Sie eigentlich eine solche Auffassung, wie Sie sie eben kundgetan haben, wirklich ernsthaft vertreten wollen. Herr Raspe hat soeben einen auf der Grundlage einer bestimmten, offenbar Stichwort - und Zitatenverzeichnisses, seine Ausführung machen wollen, und konnte sie nicht weiterführen, weil in der Tat offenbar er nicht mehr in der Lage ist. Herr Dr. Henck[43] hat ja mal früher gesagt, wenn Pausen sind, oder was, dann möge man sich melden.[44] Der hat ... der Herr Professor Dr. Müller hat in dem Schreiben, in dem es heißt, da heißt es wörtlich: „Wir würden es sehr begrüßen, wenn diese unsere gutachtliche vorläufige Stellungnahme in vernünftiger und einsichtiger und nicht kleinerlicher Weise verwertet und gehandhabt werden könnte.“[45] Es besteht ja seitens der ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt ... daß die Viertelstunde jetzt vorbeigeht.

RA Sch[ily]:

... Moment, noch ein Schreiben von Herrn Professor Schröder, das ich bisher noch nicht kannte, vom 28.8.75, in dem es heißt: - Es kommt uns vor allem auf den letzten Satz an, da schreibt der Professor Schröder ...

Vors.:

Die Schreiben kennen wir alle.

RA Sch[ily]:

Ja sicher, sicherlich, aber ich möchte sie nochmal in Erinnerung zurückrufen, und das sagt das aber genau das aus, und Sie können doch nicht, wenn hier ... wissen Sie, das ist eine Situation, die wirklich nicht geht.

Vors.:

Was sollen Sie für einen Antrag stellen?

RA Sch[ily]:

Moment, ich möchte jetzt meine Ausführung zu Ende bringen.

Vors.:

Ich möchte gern hören, welchen Antrag Sie jetzt zu stellen haben?

RA Sch[ily]:

Ich stelle den Antrag

auf Unterbrechung und Fortsetzung der Hauptverhandlung morgen, hilfsweise, sofort die beiden Sachverständigen hier zu hören, daß also eine Fortsetzung nicht möglich ist.

Ich möchte aber dazu noch zur Begründung auch ausführen, daß es hier nicht darum geht, hier nun, wie der Kollege Dr. Heldmann sehr treffend ausgeführt hat, hier irgend etwas auszufüllen. Das ist einfach eine Unterstellung, die ich zu- [2644] rückweise.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, wir haben es zur Kenntnis genommen, den Antrag. Gibt es zur Begründung noch etwas.

RA Sch[ily]:

Ja eben, eben, Sie werden doch festgestellt haben, daß, wenn Sie etwas hier zugehört haben, daß Herr Raspe sich bemüht hat, diese Begründung fortzusetzen und auch zu Ende zu bringen, daß aber, wenn diese Bemühungen nun also tatsächlich nicht weitergeführt werden kann, daß man darauf auch Rücksicht nehmen muß. Und Sie können, Herr Vorsitzender ... Sie können keine Strafe, Prozeßstrafe verhängen, daß Sie sagen, wenn Sie jetzt nicht sich über diesen Schwächemoment hinaus weiter äußern, dann haben Sie damit die Möglichkeit, sich zu äußern, verwirkt. Das ist eine Einlassung, Herr Vorsitzender, die allen rechtlichen Voraussetzungen eines rechtsstaatlichen Strafprozesses man ...Wissen Sie, man wird ja allmählich ...

Vors.:

Gut, Herr Rechtsanwalt, wir wollen nun nicht in diesem Plauderton ... Haben Sie zur Begründung was vorzutragen.

RA Sch[ily]:

Das hat gar nicht ... Wissen Sie, wenn ich über Rechtsstaat rede, dann finde ich, hat das mit Plauderton nichts zu tun.

Vors.:

Sie haben mir immer wieder Belehrungen gegeben, was ich bedenken müßte, und was alles der rechtlichen Voraussetzung entbehrte. Ich würde jetzt bitten, zu begründen, warum unbedingt ausgesetzt werden muß, jetzt. 10 Minuten, vorher ...

RA Sch[ily]:

Hilfsweise, hilfsweise ...

Vors.:

... wenn Sie noch etwas Zusätzliches vorzutragen haben.

RA Sch[ily]:

Hilfsweise sage ich ja dann, mögen die Herren Professor Schröder und Müller hier ad hoc erscheinen und sagen, ob Herr Raspe noch verhandlungsfähig ist oder nicht.

Vors.:

Ja, die Bundesanwaltschaft kann sofort zum Antrag Stellung nehmen, bitte.

OStA Z[eis]:

Hoher Senat! Es ist ja nicht das erstemal, daß Herr Rechtsanwalt Schily sich zu etwas äußert, was ihn und seine Mandantin nicht betrifft,[46] so auch im vorliegenden Falle. Selbst er hat nicht einmal geltend gemacht, daß seine Mandantin jetzt verhandlungsunfähig sei, sondern er hat das Wort erbeten und bekommen zu der angeblichen Verhandlungsunfähigkeit des Herrn Raspe. Insoweit ist also sein Antrag auf jeden Fall unzulässig. Unterstellen [2645] wir mal, daß er zulässig wäre, so wäre er aber auch unbegründet. Irgendwelche Anzeichen dafür, daß Herr Raspe nicht mehr noch die 10 oder 15 Minuten durchstehen könnte, liegen nicht vor, im Gegenteil. Es ist das übliche Spielchen, es ist das übliche Spielchen, das jetzt schon Tage ... an jedem Sitzungstag hier getrieben wird: Nach zweieinhalb Stunden sind die Angeklagten angeblich verhandlungsunfähig. Auch so, auch so kann man den Prozeß kaputt machen, indem man dann noch die übrige Viertel- oder halbe Stunde durch filibustern dann ausfüllt.

- RA Schily redet unverständlich -

Vors.:

Nein, keine Erwiderung mehr. Ist Ihre Begründung vorgetragen, wollten Sie noch was dazu vortragen?

- RA Schily redet unverständlich ohne Mikrophon -

Vors.:

Nein, Sie können jetzt nicht erwidern. Es steht in der Prozeßordnung nicht, daß Sie ständig ein Recht zur Erwiderung hätten.

RA Sch[ily]:

Aber Herr Vorsitzender, es ist über Zulässigkeit etwas gesagt worden ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, ich weise Sie darauf hin: Sie haben jetzt nicht das Recht zur Erwiderung. Das kann ich Ihnen nicht einräumen. Ich tue es jetzt in dieser fortgeschrittenen Phase des Prozeßtages nicht mehr.

(Zu Ref.Düx): Wollen Sie sich noch äußern dazu?

Referendar D[üx]:

Ich möchte gern zweierlei machen. Ich möchte erstens mich dem Antrag anschließen, den Herr Rechtsanwalt Schily gestellt hat, und zweitens zugleich sehr wohl etwas aussagen zu den Ausführungen der Bundesanwaltschaft. Es ist nahezu grotesk, zu sagen, es ginge hier in diesem Fall nur um den Herrn Raspe, es geht um alle. Vor einer halben Stunde hat bereits Herr Baader gesagt, es fällt schwer, länger als eine bestimmte Zeit hier zu sprechen. Es ist wahrgenommen worden, es ist deutlich vernehmbar gesagt worden.

Das hat auch das Gericht wahrgenommen und es war auch eben ganz offensichtlich, daß Herr Raspe Schwierigkeiten hatte, sich hier weiter zu äußern. Dürfte ich nochmal um Ihre geflissentliche Aufmerksamkeit bitten, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich beabsichtige, die Verhandlung sach- [2646] lich nicht mehr fortzusetzen. Ich komme dadurch, daß Sie ja jetzt doch mit Ihrer Begründung den Zweck vollends ausfüllen ...

Referendar D[üx]:

Wollen Sie mich bitte gerade in dem Redefluß unterbrechen?

Vors.:

Nein, aber es wird nicht mehr notwendig sein. Vielleicht werden Sie soviel Einsicht haben, daß es nicht ...

Referendar D[üx]:

Es ist mir aber doch noch wesentlich, meine Worte zu Ende zu führen, bitteschön. Ich unterbreche Sie auch nicht, wenn Sie sprechen ...

Vors.:

Ich habe Verständnis dafür. Bloß, wenn ich Ihnen sage, daß der Antrag, der gestellt wird, ohnehin überflüssig geworden ist, weil ich beabsichtige, die Verhandlung jetzt abzubrechen, dann dürfte das Grund für Sie sein, die Rede damit auch abzubrechen, weil dafür kein Grund mehr da ist. Oder ist Ihnen ihre Rede für sich allein schon so viel Wert, daß Sie die vorbringen müßten?

Referendar D[üx]:

Nein.

Vors.:

Gut, jetzt will ich bloß zum Schluß auf folgendes hinweisen. Ich habe heute früh die Frage gestellt, wegen der sitzungsfreien Woche. Sind jetzt darüber Klarheiten vorhanden, so daß ich fragen kann, geht das in der Form, wie ich mir das vorstelle? Herr Rechtsanwalt Entschuldigung, das ist nicht draufgekommen.

RA. Sch[ily] sagte: Ich möchte nur zur Verdeutlichung wissen, wie lange Sie am Freitag verhandeln?

Aber ich habe verstanden, Sie wollen wissen, wie lange ich verhandle. Die Erfahrungen lehren mich in dieser Beziehung keine Aussagen zu machen, denn ich werde nachher festgehalten, wenn es nicht mehr so einzuhalten ist. Ich sage Ihnen, es soll allenfalls vormittags verhandelt werden, allenfalls. Also auf jeden Fall vormittags, aber allenfalls den ganzen Vormittag.

RA Sch[ily]:

Wo endet der ...

Vors.:

Genau das ist das, was ich im Augenblick nicht sagen kann. Das Gericht, jedenfalls meiner Vorstellung entspricht es, daß eine kurze Verhandlung stattfinden soll.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, ich bitte nur um Verständnis. Ich [2647] muß doch disponieren. Wenn Sie sagen, also für mich ist[uuu] die äußerste Grenze [vvv] 12.00 Uhr, dann könnte ich sagen, gut, dann kann ich vielleicht noch meine Maschine 13.05 Uhr erreichen.

Vors.:

Das kann ich Ihnen auf jeden Fall sagen. Für mich ist die äußerste Grenze nach meiner Vorstellung 12.00 Uhr.

Die äußerste Grenze.

RA Sch[ily]:

Gut.

Vors.:

Jetzt aber die Frage, wenn es am Freitag ja ohnehin, das heißt, wenn wir nicht verschieben können, den Montag ausfallen und dafür Dienstag, Mittwoch, Donnerstag verhandeln können ... Ja dann müssen wir also am Montag beginnen. Das ist natürlich angesichts dessen, daß den ... allen Prozeßbeteiligten lediglich 2 Wochen insgesamt jetzt im Sommer zur Erholung zur Verfügung stehen, bedauerlich, denn es geht uns da doch ...

RA L[inke]:

Ja, Herr Vorsitzender, wenn Sie den Donnerstag ausfallen lassen, dann geht das, aber sowohl Herr König, als auch ich sind am Donnerstag, den 25., verhindert. Ich meine uns ist das recht.

Vors.:

Nein, dann bleibt es bei der Regelung, daß wir aus diesem Grunde, wenn Sie es nicht ermöglichen können, Montag, Dienstag, und Mittwoch verhandeln können. Ich möchte auf keinen Fall Verhandlungstage, die vorgesehen sind, jetzt ausfallen lassen. Ich würde nochmals einen Vorschlag machen: morgen früh nochmals. Sprechen Sie nochmals untereinander, ob man das nicht erledigen kann. Vielleicht, Herr Rechtsanwalt König, könnten Sie durch Vertretung aus diesem Dilemma heraushelfen, ich weiß es nicht.

RA K[önig]:

Das werde ich prüfen, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Gell. Dann würde man doch sagen, sprechen wir also morgen früh diese Frage nochmals an. Und das letzte, was ich zu sagen habe: Frau Rechtsanwältin Rogge, wir sind der Sache etwas nachgegangen, woher diese Sendungen kamen. Uns ist mitgeteilt worden, Sie seien abgeliefert worden, von einem Anwalt, der hier mal tätig war, jetzt aber durch Ausschluß nicht mehr tätig ist, und daß Sie diese Unterlagen ungeprüft, das heißt, ungeöffnet direkt an Frau Ensslin, die nicht Ihre Mandantin ist, übergeben hätten. Trifft das zu?

[2648] RA’in R[ogge]:

Es handelt sich um eine Sendung aus dem Büro Croissant - Becker.

Protokollführer:

Bitte Mikrophon einschalten.

RA’in R[ogge]:

Es handelt sich um eine Sendung aus dem Büro Croissant - Becker.

Vors.:

Bitte Mikrophon einschalten, Sie müssen den Knopf noch betätigen.

RA’in R[ogge]:

Na gut, also es handelt sich um eine Sendung aus dem Büro Croissant - Becker, die an Frau Ensslin geht.

Und ich habe sie übergeben, praktisch als faktischer Zwischenträger, ich sehe da keine Schwierigkeiten.

Vors.:

Ja, aber wir können Sie das tun als Anwältin, das ist keine Verteidigerpost ...

RA’in R[ogge]:

Ja, ich habe da keine ...

RA Sch[ily]:

Frau Becker ist Verteidigerin von Frau Ensslin.

Vors.:

Ja, Frau Becker wohl, aber nicht Frau Rogge.

RA’in Be[cker]:

Ich weiß auch, was in diesem Brief drin ist. Das ist Verteidigerpost.

Vors.:

Ja, das ist doch etwas ganz anderes. Also ich möchte darauf hinweisen, wir nehmen das mit Interesse zur Kenntnis. Aber derartige Vorkommnisse, würde ich empfehlen, sollten sich nicht mehr unter den Augen des Senats, der immerhin für die Zensurvorschriften, deren Einhaltung, verantwortlich ist, abspielen. Das ist eine ernstliche Mahnung. Ich darf nun unterbrechen.

RA’in B[ecker]:

Das deutet darauf hin, daß es eine völlige harmlose Sache ist, wenn wir hier einen Brief übergeben, sonst hätten wir ...

... (wird von einem anderen Verteidiger zum Schweigen ermahnt; lacht verlegen)

... na ja ...

Vors.:

Kurzum, Frau Rechtsanwältin, wir werden dafür sorgen, daß das natürlich, dieser Weg in der Hauptverhandlung, nicht mehr beschritten werden kann. Postsendungen werden hier nicht mehr abgegeben zu diesem Zwecke. Morgen früh Fortsetzung 9.00 Uhr, zur weiteren Begründung, wenn ich es recht sehe, durch Herrn Baader, oder täusche ich mich. Wer fährt morgen von Ihnen fort, Herr Baader?

Angekl. B[aader]:

Ich würde sagen, daß Jan morgen die, zunächst begründet, zu Ende begründet, die Ablehnung von Mende, und daß ich dann nochmal zu Ehrhardt komme.

Vors.:

Ich denke, bei Herrn Ehrhardt seien Sie schon zu Ende gekommen, dann ist das noch nicht ...

[2649] Angekl. B[aader]:

Nein, nein, mit, ja Sie müssen doch mal sehen, Herr Ehrhardt ist ein Mann, der außerordentlich, in Ihrem Sinne außerordentlich schöpferisch ist seit 35 Jahren.

Vors.:

In unserem Sinne, Herr Baader, wissen Sie, wie Sie jetzt unter dem Eindruck des Endes der Sitzung sich äußern, das klingt nicht allzusehr nach Verhandlungsunfähigkeit. Wir unterbrechen bis morgen früh um 9.00 Uhr.

Ende der Sitzung um 16.12 Uhr.

Ende des Bandes 143.


[1] Dies folgte aus § 142 Abs. 2 StPO a.F., der abschließend diejenigen Fälle der notwendigen Verteidigung nach § 140 StPO aufzählte, in denen Referendar/innen als (Pflicht-)Verteidiger/innen bestellt werden konnten. Ein Verweis auf § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO, der u.a. die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem OLG als einen solchen Fall der notwendigen Verteidigung benennt, war in § 142 Abs. 2 StPO nicht enthalten. Mit dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 (BGBl. I, S. 2128) wurde die Möglichkeit, Rechtsreferendar/innen in den Fällen der notwendigen Verteidigung zu bestellen, u.a. unter Hinweis auf europarechtliche Qualitätsanforderungen gänzlich gestrichen (zur Begründung s. BT-Drs. 19/13829, S. 25, 40).

[2] Die amtliche Bestellung allgemeiner Vertreter/innen erfolgt nach § 53 BRAO in Fällen längerer Abwesenheit oder im Voraus für alle Verhinderungsfälle in einem bestimmten Zeitraum. Dem/der amtlich bestellten Vertreter/in stehen nach § 53 Abs. 7 BRAO die gleichen anwaltlichen Befugnisse wie der vertretenen Person zu. Nach § 53 Abs. 3 Satz 2 BRAO a.F. konnte die Landesjustizverwaltung auch Referendar/innen, die seit mindestens 12 Monaten im Vorbereitungsdienst beschäftigt waren, zu allgemeinen Vertreter/innen bestellen (heute § 53 Abs. 4 Satz 2, wobei die Bestellung inzwischen nicht mehr durch die Landesjustizverwaltung erfolgt, sondern durch die Rechtsanwaltskammer).

[3] Noch am selben Tag entschied der BGH in einem anderen Verfahren, dass die aus den §§ 140, 142 StPO (a.F.) folgenden Einschränkungen für Referendar/innen bezüglich des Auftretens vor Land- und Oberlandesgerichten keine Anwendung fänden, wenn diese als amtlich bestellte Vertreter/innen aufträten. Aus § 53 Abs. 7 BRAO („Dem Vertreter stehen die amtlichen Befugnisse des Rechtsanwalts zu, den er vertritt“) ergebe sich, dass amtlich bestellte Vertreter/innen alle Aufgaben der vertretenen Person übernehmen könnten. Gründe, aus denen den §§ 140, 142 StPO Vorrang vor dieser Wertung eingeräumt werden sollte, seien nicht ersichtlich (BGH, Urt. v. 2.9.1975 - Az.: 1 StR 380/75, NJW 1975, S. 2351, 2352). Ob und wie sich die Gesetzesbegründung im Hinblick auf die vollständige Streichung der Möglichkeit, Referendar/innen beizuordnen (Fn. 1), künftig auf diese Auslegung auswirken wird, bleibt abzuwarten.

[4] Anlage 1 zum Protokoll vom 2. September 1975: Aktenvermerk: Verspätungsanzeige des Rechtsanwalts Schlaegel.

[5] Anlage 2 zum Protokoll vom 2. September 1975: Amtliche Bestellung des Rechtsreferendars Düx zum Vertreter des Rechtsanwalts von Plottnitz.

[6] § 139 StPO ermöglicht die Übertragung der Verteidigung an einen „Rechtskundigen, der die erste Prüfung für den Justizdienst bestanden hat und darin seit mindestens einem Jahr und drei Monaten beschäftigt ist“. Anwendung findet § 139 StPO allerdings nur im Rahmen der Wahl- nicht aber im Rahmen der Pflichtverteidigung (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 139 Rn. 1).

[7] Die Bestellung von Pflichtverteidiger/innen erfolgt grundsätzlich nur für die jeweils bestellte Person, sodass sich diese weder durch unterbevollmächtigte, noch durch Rechtsanwält/innen derselben Sozietät vertreten lassen kann. Nur ausnahmsweise wird im Falle vorübergehender Verhinderung die Vertretung mit Zustimmung des/der Vorsitzenden für zulässig erachtet (KG, Beschl. v. 29.6.2005 - Az.: 5 Ws 164/05, NStZ-RR 2005, S. 327, 328). Anders ist die Situation allerdings im Falle einer amtlich bestellten Vertretung: Diese ist gemäß § 53 Abs. 7 BRAO („Dem Vertreter stehen die amtlichen Befugnisse des Rechtsanwalts zu, den er vertritt.“) befugt, überall dort aufzutreten, wo auch die vertretene Person als Prozessbevollmächtigte/r auftreten könnte. Die Vertretungsbefugnis besteht in diesem Fall auch unabhängig von der Zustimmung des/der Vorsitzenden (Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 9. Aufl. 2019, Rn. 3554 ff.; Schwärzer, in Weyland [Hrsg.], Bundesrechtsanwaltsordnung, 10. Aufl. 2020, § 53 Rn. 42a).

[8] Noch vor Beginn der Hauptverhandlung wurden die damaligen Verteidiger Baaders, die Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele, auf Grundlage des neu geschaffenen § 138a StPO wegen des Verdachtes der Tatbeteiligung - Unterstützung der kriminellen Vereinigung RAF - von der weiteren Mitwirkung im Verfahren ausgeschlossen (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 156 ff.).

[9] Da sich die Ausschlüsse auf die Verteidigung von Andreas Baader bezogen, legitimierten sie sich am ersten Verhandlungstag für jeweils andere Angeklagte (Rechtsanwalt Ströbele für die Angeklagte Ensslin) und stellten den Antrag, zur Hauptverhandlung zugelassen zu werden. Der 2. Strafsenat war allerdings der Auffassung, die Wirkung der bereits ergangenen Ausschlussentscheidungen umfasse auch das Verbot der Mitwirkung der ausgeschlossenen Verteidiger im Hinblick auf die übrigen Angeklagten. Die Bundesanwaltschaft äußerte gegen diese Rechtsauffassung erhebliche Bedenken und beantragte daher, die Verteidiger auch im Hinblick auf die anderen Angeklagten auszuschließen (Anlage 5 zum Protokoll vom 21.5.1975, S. 65 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Diesen Antrag legte der 2. Strafsenat dem zuständigen 1. Strafsenat zur Entscheidung vor. Dieser bestätigte nun die Auffassung des 2. Senates und wies den (nach dieser Ansicht überflüssigen) Antrag auf erneuten Ausschluss zurück. Die hiergegen gerichteten Beschwerden verwarf der BGH später (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - Az.: 1 StE 1/74 StB 18/75, BGHSt 26, S. 221).

[10] § 169 Satz 1 GVG normiert für die ordentliche Gerichtsbarkeit den Grundsatz, dass die Verhandlungen öffentlich sind. Dieser Grundsatz ist auch Bestandteil des Rechtsstaats- sowie des Demokratieprinzips, womit ihm Verfassungsrang zukommt. Die Öffentlichkeit soll zum einen dem Schutz der Angeklagten dienen, indem die öffentliche Kontrolle der Verfahren einer Geheimjustiz entgegenwirkt. Zum anderen trägt sie dem Interesse der Bürger/innen Rechnung, von dem gerichtlichen Geschehen Kenntnis zu erlangen. Die Öffentlichkeit wird nicht unbegrenzt gewährleistet. Ihr gegenüber stehen andere gewichtige Interessen, die miteinander abgewogen werden müssen, insbesondere die Persönlichkeitsrechte der am Verfahren Beteiligten, das Recht der Angeklagten auf ein faires Verfahren, sowie die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege (BVerfG, Urt. v. 24.01.2001 - Az.: 1 BvR 2623/95, BVerfGE 103, S. 44, 63 f.). Grundsätzlich umfasst der Grundsatz der Öffentlichkeit auch die Befugnis zur Anfertigung von Notizen und Zeichnungen; dies gilt nicht nur für die Prozessbeteiligten, sondern ebenso für Zuschauer/innen und Medienvertreter/innen (BGH, Urt. v. 15.1.1963 - Az.: 5 StR 528/62, BGHSt 18, S. 179; Pfeiffer, StPO, 4. Aufl. 2002, § 169 GVG Rn. 6; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 15). Ausnahmsweise kann die Anfertigung von Notizen aus sitzungspolizeilichen Gründen (§ 176 GVG) untersagt werden, etwa wenn aufgrund konkreter Tatsachen zu befürchten ist, dass noch nicht vernommene Zeug/innen unzulässig über Aussagen oder sonstige Vorgänge der Hauptverhandlung unterrichtet werden sollen (BGH, Urt. v. 13.5.1982 - Az.: 3 StR 142/82, NStZ 1982, S. 389; vgl. auch Nr. 124 Abs. 2 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren [RiStBV] in der Fassung v. 1.12.1970, heute Nr. 128 Abs. 2 RiStBV: „Auf Vorgänge, welche die Erforschung der Wahrheit vereiteln oder erschweren können, hat der Staatsanwalt das Gericht unverzüglich hinzuweisen, z.B. wenn ein Zuhörer Aufzeichnungen macht und der Verdacht besteht, dass er sie verwenden will, um noch nicht vernommene Zeugen über den Verlauf der Verhandlung zu unterrichten“). Fehlen hierfür konkrete Anhaltspunkte, darf das Mitschreiben nicht untersagt werden (Wickern, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 10, 26. Aufl. 2010, § 176 GVG Rn. 19).

[11] Notwendigerweise Gegenstand der Hauptverhandlung ist alles, was der Beantwortung der Schuld- und Straffrage dient, d.h. der Tathergang, die Schuld der/des Angeklagten sowie die Höhe der Strafe, da nur solche Tatsachen zur Begründung des Urteils herangezogen werden dürfen, die (prozessordnungsgemäß) in die Hauptverhandlung eingeführt wurden (§ 261 StPO).

[12] § 177 GVG eröffnet die Möglichkeit, Angeklagte wegen ordnungswidrigen Benehmens aus dem Sitzungszimmer zu entfernen. Nach § 231b Abs. 1 StPO kann die Hauptverhandlung sodann in Abwesenheit der Angeklagten fortgeführt werden, wenn das Gericht ihre Anwesenheit nicht für unerlässlich hält und solange weitere schwerwiegende Störungen zu befürchten sind.

[13] Sachleitungsbezogene Anordnungen des/der Vorsitzenden können als unzulässig beanstandet werden (§ 238 Abs. 2 StPO). Über die Beanstandung entscheidet sodann das Gericht, in diesem Fall der Senat in voller Besetzung.

[14] S. bereits Fn. 6.

[15] Prof. Dr. Mende wurde als Sachverständiger bestellt, um die Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten aus psychiatrischer Sicht zu begutachten. Rechtsanwalt Dr. Heldmann beantragte bereits am 19. Verhandlungstag die Neubestellung der psychiatrischen Sachverständigen, zu denen neben Prof. Dr. Mende auch Prof. Dr. Ehrhardt zählte (S. 1505 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Da das Gericht an der Bestellung beider Gutachter festhielt, lehnte Dr. Heldmann sie am 31. Verhandlungstag ab (S. 2548 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Die ergänzende Begründung der Angeklagten dauerte vier Tage (vom 32. bis zum 35. Verhandlungstag). Das Gericht wies die Ablehnungen schließlich am 35. Verhandlungstag zurück (S. 2898 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[16] Da die vollständige Verhandlungsfähigkeit - die Fähigkeit, „in und außerhalb der Verhandlung seine Interessen vernünftig wahrzunehmen, die Verteidigung in verständiger und verständlicher Weise zu führen sowie Prozesserklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen“ (BGH, Beschl. v. 08.02.1995 - Az.: 5 StR 434/94, BGHSt 41, S. 16, 18) - der Angeklagten durch die Verteidigung seit Beginn der Hauptverhandlung immer wieder bestritten wurde, beauftragte das Gericht mit Beschluss vom 18.7.1975 eine Kommission aus Sachverständigen verschiedener Fachrichtungen mit der Begutachtung der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten (zur Chronologie der Beauftragungen der verschiedenen Gutachter s. die Ausführungen des Rechtsanwalts von Plottnitz am 26. Verhandlungstag, S. 2093 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Zu diesem Zeitpunkt lag ein vorläufiges Gutachten der Sachverständigen Müller und Schröder vor, die eine eingeschränkte Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten für täglich nicht mehr als drei Stunden annahmen (S. 2169 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 27. Verhandlungstag).

[17] Die sitzungspolizeilichen Ordnungsmittel des § 178 GVG (Ordnungsgeld oder Ordnungshaft) sowie die Ausschlussmöglichkeit nach § 177 GVG sind gegenüber Verteidiger/innen unzulässig (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 177 GVG Rn. 3a). Da aber Rechtsanwalt Schily der Angeklagten Ensslin als Pflichtverteidiger beigeordnet war, wäre eine mögliche Konsequenz die Zurücknahme der Bestellung (Entpflichtung) gewesen. Diese Möglichkeit war zwar ausdrücklich nur für den Fall vorgesehen, dass demnächst ein/e andere/r Verteidiger/in gewählt wird und diese/r die Wahl annimmt (§ 143 StPO a.F.; heute: § 143a Abs. 1 Satz 1 StPO). Überwiegend wurde aber angenommen, dass die Zurücknahme der Bestellung auch über diesen Fall hinaus aus einem wichtigen Grund zulässig ist (BVerfG, Beschl. v. 8.4.1975 - Az.: 2 BvR 207/75, BVerfGE 39, S. 238, 244). Als wichtiger Grund wurde auch die grobe Pflichtverletzung nach voriger Abmahnung gesehen; bloßes prozessordnungswidriges oder unzweckmäßiges Verhalten reicht hingegen nicht aus, da es nicht Aufgabe des Gerichts ist, die ordnungsgemäße Erfüllung der Verteidigungspflichten zu überwachen (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 143a Rn. 25 ff.; s. auch Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 32. Aufl. 1975, § 143 Anm. 3). Seit dem 13.12.2019 enthält § 143a Abs. 2 Nr. 3 StPO (eingeführt durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019, BGBl. I, S. 2128) ausdrücklich die Möglichkeit der Entpflichtung, wenn „aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Beschuldigten gewährleistet ist“. Darunter fällt nun auch der Fall der groben Pflichtverletzung (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 143a Rn. 26).

[18] S. dazu bereits Fn. 7.

[19] In den Fällen der notwendigen Verteidigung ist die Mitwirkung eines Verteidigers oder einer Verteidigerin gesetzlich vorgeschrieben (§ 141 StPO a.F.; seit dem 13.12.2019 [Gesetz zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019, BGBl. I, S. 2128] ist die Bestellung in manchen Fällen von einem Antrag des/der Beschuldigten abhängig, § 141 Abs. 1 StPO). Die notwendige Verteidigung ergab sich in diesem Verfahren daraus, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht stattfand (§ 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO) und dem Vorwurf eines Verbrechens (§ 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO; ein Verbrechen liegt vor bei einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr, § 1 Abs. 1 StGB a.F.; heute: § 12 Abs. 1 StGB), sowie der Inhaftierung der Beschuldigten für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten (§ 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO a.F.; heute ist die zeitliche Vorgabe entfallen).

[20] Mit Beschluss vom 28.10.1966 entschied der BGH, dass die Vertretung bestellter Pflichtverteidiger/innen durch Referendar/innen vor dem Landgericht nicht zulässig sei. § 139 StPO (Fn. 6) gelte nur für Wahlverteidiger/innen, außerdem schließe § 142 Abs. 2 StPO a.F. Referendar/innen von der Pflichtverteidigung vor dem LG und OLG in erster Instanz grundsätzlich aus. Der BGH wies allerdings explizit darauf hin, dass es sich bei dem Referendar im zu entscheidenden Fall nicht um einen „von der Justizverwaltung amtlich bestellte[n] Vertreter“ handelte (Az.: 5 StR 542/66, NJW 1967, S. 165). Mit Beschluss vom 26.10.1972 entschied der BGH, dass die Vertretung durch Referendar/innen im Ermittlungsverfahren aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 139 StPO ausgeschlossen sei (§ 139 StPO a.F. bezog sich explizit auf den „Angeklagten“ - diese Bezeichnung eines/einer Beschuldigten setzt nach § 157 StPO die Eröffnung des Hauptverfahrens voraus; BGH Beschl. v. 26.10.1972 -Az.: 1 BJs 6/71 - III BGs 62/72, NJW 1973, S. 64). Auch hieraus lässt sich daher für die Zulässigkeit der amtlichen Vertretung durch Referendar/innen in der Hauptverhandlung nichts Gegenteiliges ableiten; s. hierzu insbes. die Entscheidung des BGH von diesem Tag (Fn. 3).

[21] Für amtlich bestellte Vertreter/innen ist dies in § 53 Abs. 7 BRAO geregelt: „Dem Vertreter stehen die anwaltlichen Befugnisse des Rechtsanwalts zu, den er vertritt.“

[22] Den Angeklagten wurden je zwei Verteidiger (gegen ihren Willen) durch das Gericht als Pflichtverteidiger zur Sicherung des Verfahrens beigeordnet. Die Angeklagten lehnten die von ihnen sog. Zwangsverteidiger vehement ab und weigerten sich, mit ihnen zu reden. Ulrike Meinhof führte am 1. Verhandlungstag aus: „Es handelt sich bei diesen Verteidigern um Zwangsverteidiger, die als Instrumente der B. Anwaltschaft ohne jede Kompetenz, abhängige Staatsschutzverteidiger sind, d. h. ihrer Funktion in diesem Prozeß nach Vertreter der Anklagebehörden und der Staatsschutzabteilung“ (S. 85 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[23] In der Literatur war diese Vorgehensweise - die Beiordnung von Pflichtverteidiger/innen gegen den Willen der Angeklagten neben vorhandenen (Wahl-)Verteidiger/innen - lange umstritten (s. dazu Thomas/Kämpfer, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, § 141 Rn. 6). Die Rechtsprechung ließ diese sog. Sicherungsverteidigung zu (BVerfG, Beschl. v. 28.3.1984 - Az.: 2 BvR 275/83, BVerfGE 66, S. 313, 321; BGH, Urt. v. 11.12.1952 - Az.: 3 StR 396/51, BGHSt 3, S. 395, 398; s. auch EGMR, Urt. v. 25.9.1992 - Az.: 62/1991/314/385, EuGRZ 1992, S. 542, 545 f.). Erst mit dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 (BGBl. I, S. 2128) wurde hierfür in § 144 StPO auch eine gesetzliche Regelung geschaffen.

[24] Das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ vom 14. Juli 1933 (RGBl. I, S. 529) sah die Zwangssterilisation für so bezeichnete „erbkranke“ Personen vor. Darunter wurden u.a. „angeborener Schwachsinn“, „zirkuläres Irresein“, erbliche Blind- oder Taubheit, „schwere erbliche körperliche Missbildung“ und schwerer Alkoholismus gefasst. Bis Kriegsbeginn wurden auf dieser Grundlage zahlreiche Zwangssterilisationen durchgeführt; ab dem 31. August 1939 sollten laut einer Verordnung nur noch unaufschiebbare Fälle durchgeführt werden. Schätzungsweise wurden zwischen 300.000 und 400.000 Menschen seit dem Erlass des Gesetzes 1933 zwangssterilisiert (Westermann, Verschwiegenes Leid, 2010, S. 51). Der rechtliche Status des Gesetzes in der Bundesrepublik wurde lange Zeit nicht einheitlich beantwortet (näher dazu: Herrmann/Braun, Kritische Justiz 2010, S. 338, 347 ff.) und die (bundeseinheitliche) Ächtung als spezifisches NS-Unrecht blieb jahrzehntelang aus. Im Jahr 1988 ächtete der Deutsche Bundestag zwar die auf Grundlage des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ angeordneten Zwangssterilisationen - nicht jedoch das Gesetz selbst (BT-Drs. 11/1714 sowie Plenarprotokoll 11/77, S. 5180 ff.). Ein dahingehender Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN wurde aus verfassungsrechtlichen und finanzpolitischen Erwägungen angelehnt (Herrmann/Braun, Kritische Justiz 2010, S. 338, 349). Den Opfern von Zwangssterilisierungen wurde eine einmalige Zahlung von 5000 DM zugesprochen. Zehn Jahre später, am 25.08.1998, wurden die von den ehemaligen Erbgesundheitsgerichten auf Grundlage des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ angeordneten Maßnahmen zur Zwangssterilisierung durch das „Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege und von Sterilisationsentscheidungen der ehemaligen Erbgesundheitsgerichte“ aufgehoben (BGBl. I, S. 2501 f.). Nach wie vor wurde das Gesetz selbst nicht aufgehoben oder für unrechtmäßig erklärt. Auch wurden die Opfer der Zwangssterilisierungen nicht als Opfer nationalsozialistischer Verfolgung i.S.d. Bundesentschädigungsgesetz anerkannt. Lediglich die Zahlung eines Härteausgleichs aus einem Härtefonds wurde den Opfern zugebilligt (Herrmann/Braun, Kritische Justiz 2010, S. 338, 350). Erst im Jahr 2007 ächtete der Bundestag schließlich das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ (BT-Drs. 16/5450 sowie Plenarprotokoll 16/100, S. 10285). Einer Aufhebung wurden allerdings erneut verfassungsrechtliche Bedenken entgegengehalten: Bereits mit Inkrafttreten des Grundgesetzes sei das Gesetz auf Grund von Art. 123 Abs. 1 GG nicht mehr existent und könne daher nicht mehr aufgehoben werden (BT-Drs. 16/5450). Unter entschädigungsrechtlichen Gesichtspunkten hat sich für die Opfer der Zwangssterilisierungen nichts geändert.

[25] Verhandlungsfähigkeit ist die Fähigkeit „in und außerhalb der Verhandlung seine Interessen vernünftig wahrzunehmen, die Verteidigung in verständiger und verständlicher Weise zu führen sowie Prozesserklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen“ (BGH, Beschl. v. 8.2.1995 - Az.: 5 StR 434/94, BGHSt 41, S. 16, 18). Die Verhandlungsunfähigkeit bildet ein vorübergehendes oder dauerndes Verfahrenshindernis (§§ 205, 206a StPO). Eingeschränkter Verhandlungsfähigkeit kann durch die Anordnung besonderer Maßnahmen (ärztliche Unterstützung, Einlegung von Erholungspausen o.ä.) begegnet werden (s. dazu auch Rechtsanwalt Dr. Heldmann auf S. 1255 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 15. Verhandlungstag). Bei vorsätzlicher und schuldhafter Herbeiführung der Verhandlungsunfähigkeit kann die Hauptverhandlung in Abwesenheit des/der Angeklagten durchgeführt werden (§ 231a StPO).

[26] § 136a StPO enthält eine Auflistung von verbotenen Methoden bei der Vernehmung von Beschuldigten. Diese sind: die Beeinträchtigung der Willensentschließung und -betätigung durch Misshandlung, Ermüdung, körperlichen Eingriff, Verabreichung von Mitteln, Täuschung, Quälerei oder Hypnose, sowie die Drohung mit einer unzulässigen Maßnahme oder das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils (Abs. 1). Ferner untersagt sind Maßnahmen, die das Erinnerungsvermögen oder die Einsichtsfähigkeit der Beschuldigten beeinträchtigen (Abs. 2). Für den Fall eines Verstoßes gegen diese Verbote enthält § 136a Abs. 3 Satz 3 StPO ein Verwertungsverbot für die so zustande gekommenen Aussagen. Die Rechtsprechung betont aufgrund der systematischen Stellung der Vorschrift im Abschnitt der StPO über Vernehmungen des Beschuldigten, dass § 136a StPO grundsätzlich nur in Vernehmungssituationen greife (auch die nicht amtliche Überschrift spricht von „verbotenen Vernehmungssituationen“, BGH, Urt. v. 30.4.1987 - Az.: 4 StR 30/87, NJW 1987, S. 2524). In sehr engen Grenzen hat sie den Schutz aber auch bereits auf Situationen außerhalb von amtlichen Vernehmungen erweitert. Dabei handelte es sich um Situationen, in denen private Dritte den Beschuldigten befragen (Aushorchung durch einen gezielt auf den Beschuldigten angesetzten Mithäftling in der Untersuchungshaft: BGH, Urt. v. 28.04.1987 - Az.: 5 StR 666/86, NJW 1987, S. 2525). Neben den Strafverfolgungsorganen zählen nach überwiegender Ansicht auch Sachverständige zu den Adressat/innen der Norm, sofern sie Beschuldigte im Rahmen ihrer Gutachtertätigkeit befragen und untersuchen (BGH, Urt. v. 4.3.1958 - Az.: 5 StR 7/58, BGHSt 11, S. 211, 112; Diemer, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 136a Rn. 5; Gleß, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 4/1, 27. Aufl. 2019, § 136a Rn. 8; a.A. Fincke, ZStW 1974, S. 656, 658 ff.). Eine entsprechende Anwendung von § 136a StPO auf § 81a StPO lehnt der BGH aufgrund der unterschiedlichen Zweckrichtungen der Vorschriften allerdings ab, s. Fn. 27.

[27] § 81a StPO erlaubt dem Gericht, die körperliche Untersuchung der Beschuldigten auch gegen deren Willen anzuordnen. Der Bundesgerichtshof verneinte die Anwendung des Verbots bestimmter Vernehmungsmethoden aus §136a StPO auf § 81a StPO im Jahr 1971 explizit: Zwangsmaßnahmen nach § 81a StPO zielten auf die passive Duldung von körperlichen Eingriffen, während § 136a StPO Beschuldigte davor schütze, dass sie gegen ihren Willen zu Aussagen oder sonstigen Erklärungen genötigt würden (BGH, Beschl. v. 17.3.1971 - Az.: 3 StR 189/70, NJW 1971, S. 1097).

[28] § 73 StPO sieht vor, dass die Auswahl der zuzuziehenden Sachverständigen durch das Gericht erfolgt.

[29] Mit Beschluss vom 18.7.1975 beauftragte das Gericht eine Kommission aus Sachverständigen verschiedener Fachrichtungen mit der Begutachtung der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten. Zur Chronologie der Beauftragungen der verschiedenen Gutachter s. die Ausführungen des Rechtsanwalts von Plottnitz am 26. Verhandlungstag (S. 2093 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Der Beschluss selbst ist nicht im Protokoll enthalten, vgl. aber den ergänzenden Beschluss in Anlage 2 zum Protokoll vom 29.7.1975 (S. 1570 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 20. Verhandlungstag).

[30] Von 1964 bis 1968, insbesondere aber in den Jahren 1967 und 1968, fanden in ungefähr 150 amerikanischen Städten friedliche Massendemonstrationen und gewaltsame Aufstände der vorwiegend afroamerikanischen Bevölkerung statt. Ausgelöst wurden sie meist unmittelbar durch unverhältnismäßige Polizeigewalt. Sie richteten sich auch gegen den strukturellen Rassismus, der für große Teile der Afroamerikaner/innen weiterhin gravierende ökonomische, soziale und politische Ungleichheit bedeutete. Ihren Höhepunkt erreichten die Unruhen 1967. Bei Aufständen in Detroit 1967 starben 43 Menschen, Tausende wurden verletzt oder waren aufgrund der Auseinandersetzungen, Plünderungen und Brandstiftungen mit erheblichen Eigentumsbeschädigungen konfrontiert. Im April 1968 kam es noch einmal zu schweren Unruhen in Folge der Ermordung Martin Luther Kings (Berg, Geschichte der USA, 2013, S. 76 ff.; Dudziak, Cold War Civil Rights, 2000, S.238 ff.; Tonn, in Butter/Franke/Tonn [Hrsg.], Von Selma bis Ferguson, 2016, S. 139, 142 ff.).

[31] Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges und mit dem Ziel, die Ausbreitung des Kommunismus in Südostasien einzudämmen, führten die USA in Vietnam von 1964 bis 1973 einen Luft- und Bodenkrieg gegen die südvietnamesische Befreiungsfront und nordvietnamesische Truppen. Trotz wachsender Proteste in der amerikanischen Bevölkerung und entgegen den Einschätzungen und Warnungen hochrangiger Berater, entschieden sich mehrere US-Präsidenten für die Fortsetzung der Kämpfe. Während dieses Krieges griff das US-amerikanische Militär auf Methoden zurück (u.a. search and destroy, Phoenix-Programm), die darauf ausgerichtet waren, möglichst viele Gegner/innen auszuschalten und deren Strukturen zu zerschlagen (Fischer, Die USA im Vietnamkrieg, 2009, S. 104 ff.; Frey, Geschichte des Vietnamkriegs, 2016, S. 83 ff.; 126 ff.; 144 ff.; 187 ff.; Greiner, Krieg ohne Fronten, 2007, S. 56 ff.). Ungefähr zur gleichen Zeit wie die sog. „Ghettoaufstände“ intensivierten sich ab Oktober 1967 auch die Proteste gegen den Vietnamkrieg und verschärften damit die innenpolitische Krise der USA (Berg, Geschichte der USA, 2013, S. 76 ff.).

[32] Der CDU-Politiker und Spitzenkandidat bei der Wahl um das Berliner Abgeordnetenhaus Peter Lorenz wurde am 27. Februar 1975 von der Bewegung 2. Juni entführt und in einem „Volksgefängnis“ in Berlin-Kreuzberg festgehalten. Im Austausch gegen Lorenz wurde die Freilassung von sechs Gefangenen gefordert: Verena Becker, Rolf Heißler, Gabriele Kröcher-Tiedemann, Horst Mahler, Rolf Pohle und Ingrid Siepmann. Die Bundesregierung unter Kanzler Schmidt ging auf die Forderungen ein: Bis auf Horst Mahler, der das Angebot ablehnte, bestiegen am 3. März 1975 die anderen fünf Inhaftierten mit dem ehemaligen West-Berliner Bürgermeister Heinrich Albertz als Vermittler eine Maschine der Lufthansa nach Aden im Jemen. Nach der erfolgreichen Ankunft wurde Lorenz am 4. März freigelassen (Dahlke, in Hürter/Rusconi [Hrsg.], Die bleiernen Jahre, 2010, S. 31, 36 ff.; Korndörfer, in Straßner [Hrsg.], Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 37, 250 ff.). Die Bewegung 2. Juni benannte sich nach dem Todestag des Studenten Benno Ohnesorg, der am 2.6.1967 bei einer Demonstration der Studentenbewegung gegen den Staatsbesuch des Schahs von Persien durch einen Polizisten erschossen wurde (Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 21 f.).

[33] Nach § 231a StPO kann die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Angeklagten fortgeführt werden, wenn diese noch nicht zur Anklage vernommen wurden, sie sich vorsätzlich und schuldhaft in den Zustand der Verhandlungsunfähigkeit versetzt haben und das Gericht ihre Anwesenheit nicht für unerlässlich hält. Die Norm wurde durch das Gesetz zur Ergänzung des Ersten Strafverfahrensreformgesetzes vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3686) eingeführt. Bereits vor dem Inkrafttreten der neuen Norm war eine solche Vorgehensweise zumindest für den Zeitraum nach Vernehmung der Angeklagten zur Sache (§ 243 Abs. 4 StPO a.F.; heute: Abs. 5) zulässig, da das eigenmächtige Versetzen in den Zustand der Verhandlungsunfähigkeit mit dem eigenmächtigen Entfernen der Angeklagten aus der Hauptverhandlung gleichgesetzt wurde (so BGH, Urt. v. 22.4.1952 - Az.: 1 StR 622/51, BGHSt 2, S. 300, 304). Für diesen Fall galt schon damals § 231 Abs. 2 StPO, der die Fortsetzung der Hauptverhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglichte. Die Einführung des § 231a StPO führte nur insofern zu einer Verschärfung der Rechtslage, als dass die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten nun bereits vor Abschluss der Vernehmung zur Sache möglich wurde. Für die Zeit danach ist auch heute noch § 231 Abs. 2 StPO anwendbar (Becker, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 6, 27. Aufl. 2019, § 231 Rn. 16 und § 231a Rn. 1 f., 10; Meyer-Goßner, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 231 Rn. 17 ff.).

[34] Mit Entscheidung vom 30. Mai 1975 wies die Europäische Menschenrechtskommission eine Beschwerde der Inhaftierten Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Holger Meins und Wolfgang Grundmann, die sich auf die ihrer Ansicht nach menschenrechtswidrigen Haftbedingungen stützte, als offensichtlich unbegründet zurück. Die inhaftierten Mitglieder der RAF seien schon keine politischen Gefangenen, da sie sich nicht aufgrund ihrer politischen Überzeugungen, sondern aufgrund des Verdachts schwerer, gemeingefährlicher Straftaten, in Haft befänden. Angesichts der Gefährlichkeit der Beschwerdeführer/innen, die sich u.a. in der gewaltsamen Befreiung Andreas Baaders’ gezeigt habe, seien die angeordneten Maßnahmen als zulässig zu erachten (EKMR, Baader et al. v. Germany, Nr. 6166/73, Entsch. v. 30.5.1975, EuGRZ 1975, S. 455, 458 ff.).

[35] Anlage 2 a zum Protokoll vom 2.9.1975: Aktenvermerk des Richters Dr. Foth über eine Unterredung zur Frage der Vertretung von gerichtlich bestellten Verteidigern durch Referendare, die als amtliche Vertreter bestellt sind.

[36] Das Sozialistische Patientenkollektiv (SPK) war eine 1970 gegründete Gruppe von Patient/innen des Heidelberger Arztes Wolfgang Huber. Das SPK übte Kritik an zeitgenössischen Psychiatrieformen und einer als krankmachend empfundenen kapitalistischen Gesellschaft. Dagegen setzte die Gruppe auf antiautoritäre Therapien und Forderungen nach einer revolutionären Umgestaltung der Gesellschaft. Im Sommer 1971 wurden acht Mitglieder des SPK unter dem Verdacht der RAF-Unterstützung und der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung verhaftet. Ab November 1972 folgten Prozesse u.a. wegen Sprengstoffherstellung und Urkundenfälschung. Besondere Bekanntheit erlangte das SPK darüber hinaus durch den Übertritt einiger seiner Mitglieder in die Reihen der RAF (Brink, in Weinhauer/Requate/Haupt [Hrsg.], Terrorismus in der Bundesrepublik, 2006, S. 134, 137 f.; Forsbach, Die 68er und die Medizin, 2011, S. 90 ff.).

[37] Unser Strafrechtssystem beruht zentral auf der Grundannahme, dass Strafe Schuld voraussetzt („nulla poena sine culpa“; sog. Schuldprinzip). Das Bundesverfassungsgericht leitet das Schuldprinzip aus dem Rechtsstaatsprinzip sowie aus der Würde und Eigenverantwortlichkeit des Menschen her (BVerfG, Beschl. v. 25.10.1966 - Az.: 2 BvR 506/63, BVerfGE 20, S. 323, 323 ff.). Nach wie vor herrscht im Strafrecht ein „normativer Schuldbegriff“ vor, der den sog. psychologischen Schuldbegriff zu Beginn des 20. Jahrhunderts ablöste (bahnbrechend hierfür war die Arbeit Franks „Über den Aufbau des Schuldbegriffs“ aus dem Jahre 1907). Der psychologische Schuldbegriff stellte allein auf die psychische Beziehung zwischen Tat und Täter/in ab und brachte damit eine Reihe von Unstimmigkeiten mit sich. So konnte er u.a. die Strafbarkeit der Fahrlässigkeit, aber auch die Entschuldigungsgründe nicht erklären. Deutlich wurde, dass zur Schuld nicht nur ein psychologisches, sondern auch ein wertendes Kriterium gehören muss. Schlagwortartig fasst Frank daher zusammen: „Schuld ist Vorwerfbarkeit“ (Frank, Über den Aufbau des Schuldbegriffs, 1907, S. 11). Nach wie vor ist der Inhalt der Inhalt des normativen Schuldbegriffs nicht gänzlich geklärt. Noch immer prominent ist die Aussage des Großen Strafsenats des BGH aus dem Jahr 1952: „Schuld ist Vorwerfbarkeit. Mit dem Unwerturteil der Schuld wird dem Täter vorgeworfen, daß er sich nicht rechtmäßig verhalten, daß er sich für das Unrecht entschieden hat, obwohl er sich rechtmäßig verhalten, sich für das Recht hätte entscheiden können“ (BGH, Beschl. v. 18.3.1952 - Az.: GSSt 2/51, BGHSt 2, S. 194, 200). Damit wird das „Anders-handeln-können“ zum maßgeblichen Kriterium der Schuld (näher dazu Eisele, in Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 12. Aufl. 2016, § 16, Rn. 11 ff.; krit. zum „Anders-handeln-können“ sowie zu der Frage, nach welchem Maßstab sich dieses „Anders-handeln-können“ bestimmt Roxin/Greco, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Band I, 5. Aufl., 2020, § 19 Rn. 20 ff.).

[38] § 51 StGB a.F. enthielt eine Regelung für den Fall fehlender oder verminderter Zurechnungsfähigkeit. Diese Vorschrift wurde mit dem Zweiten Strafrechtsreformgesetz vom 4. Juli 1969 (BGBl. I, S. 717) mit Wirkung zum 1.1.1975 im Rahmen einer Neustrukturierung des Allgemeinen Teils des StGB durch die heutigen §§ 20, 21 StGB (Folgen der Schuldunfähigkeit bzw. verminderter Schuldfähigkeit) ersetzt.

[39] Die sog. Maßregeln der Besserung und Sicherung (§§ 42a ff. StGB a.F.; heute: §§ 61 ff. StGB) stellen im Sanktionensystem des StGB keine Strafe dar, weshalb sie auch nicht durch den Schuldgrundsatz begrenzt sind. Sie sind vielmehr präventive Sicherungsmittel für den Schutz der Allgemeinheit vor rechtswidrigen Taten durch als gefährlich eingestufte Täter/innen, die auch im Falle der Schuldunfähigkeit verhängt werden können. Die Voraussetzung für die Anordnung einer Maßregel ist aber stets eine rechtswidrige Anlasstat (van Gemmeren, in Joecks/Miebach [Hrsg.], Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 2, 4. Aufl. 2020, § 61 Rn. 1 ff.).

[40] Carmen Roll war Teil des Sozialistischen Patientenkollektivs (SPK). Nach einem Schusswechsel mit der Polizei infolge einer Verkehrskontrolle bei Heidelberg und den anschließenden verstärkten Ermittlungen der Polizei gegen das SPK ging sie in die Illegalität zur RAF. Am 2. März 1972 wurde sie in Augsburg wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung verhaftet. Nach ihrer Festnahme sollten ihre Fingerabdrücke JVA Aichach abgenommen werden. Als Roll sich dagegen zur Wehr setzte, wurde sie festgebunden und narkotisiert. Aufgrund dieses Vorgehens stellten die Rechtsanwälte Dr. Croissant und Lang Strafanzeige gegen den Anstaltsarzt und weitere Beteiligte (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 80 f.;; Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 139 f.).

[41] Gemeint ist wohl § 81a StPO, der die Anordnung körperlicher Untersuchungen (auch gegen den Willen der Beschuldigten) ermöglicht.

[42] Im Erzbergwerk der niedersächsischen Gemeinde Lengede fluteten am 24. Oktober 1963 nach einem Klärteicheinbruch Schlamm und Wasser eine Grube, in der sich 129 Arbeiter befanden. Einige von ihnen konnten sich selbst befreien oder wurden in den anschließenden Tagen gerettet. 29 Bergleute starben. Das Grubenunglück wurde jedoch insbesondere durch das „Wunder von Lengede“ bekannt, bei dem wider Erwarten 14 Tage nach dem Einbruch die Rettung von elf Arbeitern gelang. Sie hatten ohne Licht und Nahrung in einem stillgelegten Bereich der Grube überlebt (Willeke, DIE ZEIT, Heft 43/2003, S. 84).

[43] Dr. Henck war während des Prozesses als Anstaltsarzt in Stuttgart-Stammheim tätig. Er wurde als erster Sachverständiger zur Frage der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten angehört. Zur Vernehmung des Herrn Dr. Henck s. S. 357 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung (5. Verhandlungstag), S. 937 ff. (12. Verhandlungstag) und S. 1725 ff. (21. Verhandlungstag). Eine Untersuchung durch ihn lehnten die Angeklagten ab.

[44] So etwa am 12. Verhandlungstag, S. 844 f., 958 und 969 f. des Protokolls der Hauptverhandlung.

[45] Rechtsanwalt Schily spielt auf ein Schreiben des Prof. Dr. Müller an den Vorsitzenden Dr. Prinzing an. Dem ging Folgendes voraus: Die Internisten Prof. Dr. Müller und Prof. Dr. Schröder gaben in einem am 21. Verhandlungstag eingereichten (ersten) Zwischenbescheid an, ihrem Eindruck nach sei die Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten für die nächsten zwei bis drei Wochen zu bejahen. Eine abschließende Beurteilung stehe noch aus, sei aber vor dem anstehenden Urlaub beider Gutachter nicht mehr zu realisieren (Anlage 3 zum Protokoll vom 30.7.1975, 21. Verhandlungstag, S. 1710 des Protokolls der Hauptverhandlung). Am 26. Verhandlungstag entstanden Uneinigkeiten zwischen der Verteidigung und dem Gericht: Nach der Berechnung der Verteidigung waren die drei Wochen bereits abgelaufen, nach Auffassung des Senats fiel der Tag noch gerade in die Frist. Letzteres bestätigte Prof. Dr. Müller wohl auf Nachfrage (s. hierzu S. 2114 des Protokolls der Hauptverhandlung). Kurz darauf nahmen die beiden Sachverständigen in einem vorläufigen Gutachten eine eingeschränkte Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten, nämlich für täglich nicht mehr als drei Stunden, an (S. 2169 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 27. Verhandlungstag). Auch hier herrschte über die konkrete Auslegung des Zeitfensters (ab- oder zuzüglich kurzer Verhandlungsunterbrechungen, die nicht der Erholung dienen) Uneinigkeit zwischen Senat und Verteidigung. Erneut fragte der Vorsitzende Dr. Prinzing bei Prof. Dr. Müller nach, wie die Zeitangabe zu verstehen sei. Als Reaktion auf eine dieser Nachfragen ist wohl ein Schreiben des Prof. Dr. Müller an den Vorsitzenden Dr. Prinzing zu sehen, in welchem die Formulierung auftaucht: „Wir würden es sehr begrüßen wenn diese, unsere gutachtlich vorläufige Stellungnahme in vernünftiger und einsichtiger und nicht kleinlicher Weise verwertet und gehandhabt werden könnte“ (vgl. dazu die Ausführungen des Angeklagten Baader am 30. Verhandlungstag, S. 2464 f. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[46] Während bis zum 31.12.1974 die sog. Blockverteidigung - die kollektive Verteidigung mehrerer Angeklagter bei gleicher Interessenlage - zulässig war, wurde durch das Ergänzungsgesetz zum Ersten Strafverfahrensreformgesetz vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3686) mit Wirkung zum 1.1.1975 das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) eingeführt. Jede/r Verteidiger/in durfte fortan nur noch eine/n Angeklagte/n vertreten, mithin auch nur im Namen des/der jeweiligen Angeklagten sprechen. Auf die Einhaltung dieser Vorgaben achtete der Vorsitzende Dr. Prinzing in der Regel sehr genau (s. dazu etwa die Diskussion am 4. Verhandlungstag, S. 279 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, sowie am 12. Verhandlungstag, S. 928 f. des Protokolls).


[a] Handschriftlich ersetzt: 4. durch 9.

[b] Handschriftlich ersetzt: Er durch Ich

[c] Maschinell ergänzt: einen

[d] Handschriftlich durchgestrichen: Vorsitzender

[e] Handschriftlich eingefügt: (RA Dr. Heldmann schweigt.)

[f] Handschriftlich durchgestrichen: nämlichen

[g] Handschriftlich ersetzt: vado durch vaso

[h] Handschriftlich ersetzt: absondern durch abzusondern

[i] Handschriftlich durchgestrichen: an

[j] Handschriftlich ersetzt: und durch durch

[k] Handschriftlich ersetzt: also durch als er

[l] Handschriftlich ergänzt: einer laufenden

[m] Handschriftlich eingefügt: sich

[n] Handschriftlich ersetzt: es durch er

[o] Handschriftlich ersetzt: Isolationsforschen durch Isolationsforschung

[p] Handschriftlich ersetzt: im durch ein

[q] Maschinell eingefügt: ein

[r] Handschriftlich ersetzt: häufimistisches durch euphemistisches

[s] Handschriftlich durchgestrichen: psychischischen

[t] Maschinell eingefügt: Ich möchte mich für Frau Meinhof

[u] Handschriftlich ergänzt: gegeben

[v] Handschriftlich ersetzt: wir durch Sie

[w] Maschinell ersetzt: Psychiatrie durch Psychiatrisierung

[x] Handschriftlich ergänzt: würde

[y] Handschriftlich durchgestrichen: das

[z] Handschriftlich ersetzt: ... durch gelenkter

[aa] Maschinell ersetzt: fällt durch stellt

[bb] Maschinell eingefügt: durch

[cc] Maschinell eingefügt: RA’in Ro.:

[dd] Maschinell eingefügt: - siehe Anl. 2 a des Protokolls-

[ee] Maschinell ersetzt: ... durch obwohl wir über

[ff] Handschriftlich eingefügt: relativ

[gg] Handschriftlich eingefügt: ist

[hh] Maschinell ergänzt: können

[ii] Handschriftlich eingefügt: hier

[jj] Maschinell eingefügt: ja

[kk] Maschinell eingefügt: in

[ll] Handschriftlich eingefügt: wird

[mm] Handschriftlich ersetzt: des durch das

[nn] Handschriftlich ersetzt: unserer durch und seiner

[oo] Handschriftlich ersetzt: ... durch in Symbiose

[pp] Maschinell ersetzt: er durch Ehrhardt

[qq] Handschriftlich eingefügt: in

[rr] Handschriftlich durchgestrichen: Wird zwar

[ss] Handschriftlich ersetzt: das durch dieses

[tt] Handschriftlich ersetzt: setzes durch werd

[uu] Handschriftlich durchgestrichen: zur

[vv] Handschriftlich eingefügt: für

[ww] Handschriftlich ergänzt: seinen

[xx] Handschriftlich ersetzt: enorme durch normative

[yy] Handschriftlich ersetzt: die durch der

[zz] Handschriftlich durchgestrichen: Sachverständigen müssen

[aaa] Handschriftlich ersetzt: den der durch der den

[bbb] Handschriftlich ergänzt: stützenden, legitimierenden

[ccc] Handschriftlich ergänzt: absichernden

[ddd] Handschriftlich ersetzt: die durch de

[eee] Handschriftlich ersetzt: diesem durch diesen

[fff] Handschriftlich durchgestrichen: liegt

[ggg] Handschriftlich durchgestrichen: sogenannten biologischen

[hhh] Handschriftlich ersetzt: den durch dem

[iii] Handschriftlich durchgestrichen: Schuldunfähigkeit

[jjj] Handschriftlich ersetzt: wenn durch wer

[kkk] Handschriftlich ersetzt: denn durch der

[lll] Handschriftlich ersetzt: ist durch schließt

[mmm] Handschriftlich ersetzt: denn im durch der dem

[nnn] Handschriftlich durchgestrichen: dieser

[ooo] Handschriftlich ergänzt: ergibt

[ppp] Handschriftlich durchgestrichen: besonderen

[qqq] Handschriftlich eingefügt: er

[rrr] Handschriftlich durchgestrichen: zu

[sss] Handschriftlich ersetzt: vom durch von

[ttt] Handschriftlich ersetzt: Prozeß durch Protest

[uuu] Handschriftlich eingefügt: ist

[vvv] Handschriftlich durchgestrichen: ist