190. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 14. April 1977, 9.02 Uhr



[13914] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 14. April 1977, 9.02 Uhr

(190. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am 175. Verhandlungstag

Als Urkundsbeamte sind anwesend:

Just. Ass. Clemens, Just. Ass. Scholze.

Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]

Als deren Verteidiger sind erschienen

Rechtsanwälte Eggler, Schnabel, Schwarz, Grigat.

Als Zeugen sind erschienen:

POM Rolf Rübenach

Werner Burk.

Vors.:

Bitte Platz zu nehmen. Die Sitzung wird fortgesetzt. Die Verteidigung ist gewährleistet. Es fehlt allerdings Herr Rechtsanwalt Künzel und Herr Rechtsanwalt Schlaegel.

RA Gri[gat]:

Herr Schlaegel kommt noch.

Vors.:

Ich erhalte gerade einen Zettel, Herr Schlaegel wird sich um 3/4 Stunde verspäten. Herr RA Schily fehlt auch. Wir haben auf heute zwei Zeugen geladen. Herrn Burk, Sie waren ja am 17. März schon bei uns, und Herrn Polizeiobermeister Rübenach.

Die Zeugen Rübenach und Burk werden gem. § 57 StPO[2] belehrt.

Die Zeugen Rübenach und Burk sind mit der Aufnahme ihrer Aussagen auf das Gerichtstonband einverstanden.[3]

Der Zeuge POM Rübenach wird um 9.05 Uhr in den Abstand verwiesen.

[13915] Der Zeuge Burk macht folgende Angaben zur Person:

Burk, Werner, geb. [Tag].[Monat].1938 in Marburg/Lahn,

Kommunalbeamter, wohnh. in Gevelsberg,

[Anschrift]

Mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert.

Wegen Meineid nicht vorbestraft.

Vors.:

Herr Burk, Sie sind hier am 17. März 77 vernommen worden. Uns lagen damals die polizeilichen Unterlagen, die einmal gefertigt wurden, nicht vor.

- RA Künzel erscheint um 9.05 Uhr im Sitzungssaal. -

Es ist nun angezeigt, Sie anhand dieser Unterlagen nochmals zu hören. Zunächst die Frage, Herr Burk, Sie schilderten also das letztemal, nur um das noch kurz zu referieren, Sie hätten also da in einer Unterführung bei der „Zeil“ Personen gesehen, die Sie dann also später, eine dieser Personen[a], die Sie dann später anhand von Bildern zu erkennen glaubten. Zunächst, haben Sie von sich aus Ihrer damaligen Aussage noch irgend etwas bei- oder anzufügen?

Zeuge Burk:

Nein, ich habe ja schon gesagt, das ist so lange her, ich habe mich bei der letzten Aussage bemüht, möglichst alles zu rekonstruieren, soweit das nach bestem Wissen und Gewissen eben möglich war.

Vors.:

Dann will ich Ihnen noch einige Dinge Vorhalten, wo möglicherweise Unstimmigkeiten eintreten können. Sie sprachen das letzte Mal davon, dieses Wiedererkennen sei geschehen aufgrund eines Fahndungsplakates, das Sie insbesondere bei der Post öfters gesehen hätten. Nun, wenn Sie hier Ihr Gedächtnis nochmal überprüfen könnten, Herr Burk, war es nun in der Tat ein Fahndungsplakat oder waren es irgendwelche anderen Bilder oder Abbildungen, die Ihnen da vor Augen schwebten. Die Fahndung beschränkte sich ja damals nicht auf gedruckte Plakate, sondern es wurden auch andere Formen der Bildverbreitung gewählt. Wenn Sie an die öffentlichen sonstigen Kommunikationsmittel denken. Sie erinnern sich anscheinend nicht. Nun, nach dem Vermerk, der mir hier vorliegt, soll es die Fernsehfahndung nach der Tagesschau gewesen sein, die Ihnen die Vergleichsmöglichkeit mit der [13916] dann gesehenen Person gab?

Zeuge Burk:

Das will ich nicht ausschließen. Wenn ich das damals zu Protokoll gegeben habe, dann ist das auch tatsächlich so gewesen. Ich möchte aber sagen, daß ich auch bei der Post in Langen so eine Aufstellung zumindestens gesehen habe, auf der die Personen[b] aufgezeichnet waren[c].

Vors.:

Nun es ist hier, ich habe kein eigentliches Protokoll vor mir. Es ist der Vermerk eines Polizeibeamten, des Herrn Rübenach, der nachher auch vernommen werden wird, und da heißt es nun in der Tat: „aufgrund der Fernsehfahndung nach der Tagesschau, nach den beiden vorgenannten Personen habe er die Meldung auf der hiesigen Polizeistation erstattet.“

Zeuge Burk:

Ich kann das nur insoweit bestätigen, daß ich mich jetzt erinnere, daß ich im Zeitablauf nach der Tagesschau zu der Polizeidienststelle hingefahren bin. Ich möchte aber nicht entkräften, daß ich auch schon vorher mir die Person durch die Fahndungsblätter ins Gedächtnis gerufen habe.

Vors.:

Das würde in etwa meinem Vorhalt entsprechen. Ich hielt Ihnen das letzte Mal vor und sagte: Haben Sie sich vielleicht nach dem Erkennen der Person nochmals vergewissert anhand eines Plakates. Das wäre also jetzt auf die Fernsehfahndung zu beziehen. Erinnern Sie sich noch, um wieviel Uhr Sie damals auf die Polizeiwache gingen?

Zeuge Burk:

Das ist also nur ganz vage: zwischen halbneun und neun vielleicht.

Vors.:

Hier heißt es: „Am 25.5.72 gegen 21.00 Uhr.“ Das würde also dem entsprechen, wenn die 20.00 Uhr Tagesschau gemeint wäre, dann[d] würde sich das zwanglos einfügen. Also Sie meinen, Plakate auf der Post haben Sie gesehen, aber es ist durchaus möglich ... Sie meinen sogar jetzt sich wieder erinnern ...

Zeuge Burk:

Das ist sogar gewiß, nachdem das Protokoll vorliegt.

Vors.:

Dann, Sie sagten das letztemal, es seien Ihnen dann auf der Polizeiwache Fotos vorgelegt worden. In diesem Vermerk hier findet sich von der Fotovorlage nichts. Das schließt nicht aus, daß das geschehen sein kann. Wir wollen Herrn Rübenach nachher danach fragen, aber ich will ...

Zeuge Burk:

Ich möchte doch sagen, daß mir Fotos gezeigt wurden, [13917] soweit ich das jetzt noch heute in Erinnerung habe. Es ist ja durchaus möglich, daß das nicht festgehalten wurde.

Vors.:

Das ist möglich. Dann noch folgendes, ich kenne mich in Frankfurt nicht weiteres aus. Das letztemal sprachen Sie von einer Unterführung Zeil. Das ist wohl eine Straße in Frankfurt. In diesem Vermerk hier ist die Rede vom U-Bahnhof Hauptwache-Café Kranzler.

Zeuge Burk:

Das ist identisch.

Vors.:

Und schließlich noch, die Beteiligten haben sich möglicherweise schon vorhin gewundert, daß ich vorlas hier, aufgrund der Fernsehfahndung nach der Tagesschau nach den beiden vorgenannten Personen. Sie hatten damals nicht nur eine Person, sondern noch[e] eine andere Person benannt. Ist Ihnen das noch ...

Zeuge Burk:

Das kann ich heute beim besten Willen nicht mehr sagen.

Vors.:

Also hier steht außer Ingeborg Barz[4] noch Holger Meins[5] verzeichnet.

Zeuge Burk:

Da kann ich also leider heute nichts mehr dazu sagen.

Vors.:

Man könnte sich jetzt die Frage vorlegen[f], war der Name Meins damals nicht bekannter als der Name Barz?

Zeuge Burk:

Doch, war mir bekannter.

Vors.:

Deswegen, wie kommt es wohl oder wie können Sie sich erklären, daß Sie noch Frau Barz im Gedächtnis haben und nicht Herrn Meins?

Zeuge Burk:

Ich weiß es nicht mehr.

Vors.:

Ich habe im Augenblick ... Das letztemal hatten Sie, glaube ich, auch von einem Gitarristen was gesagt, der da also seine Liedchen trällerte und um den sich eine Gruppe gebildet hatte[g].

Zeuge Burk:

In dieser Unterführung. Ich kann nicht sagen, ob das jetzt einer war oder ob das mehrere waren.

Vors.:

Hier nun ist die Rede davon, Meins habe dort eine Diskussion gehabt und sich für die vergangenen Bombenanschläge in der BRD eingesetzt. Diskussion ist was anderes als Gitarre und Laute schlagen[h]. Oder war das ein Rezitativ, Herr Burk?

[13918] Zeuge Burk:

Ja, ich muß sagen, das Protokoll ist ja damals aufgenommen worden, da ist wahrscheinlich die Musikdarbietung, das ist in Hintergrund getreten.

Vors.:

Es ist eben deswegen, weil, wenn man schon der Meinung ist, man hat also einen gesuchten Menschen hier gefunden, der der Anschläge verdächtigt wird, läge es möglicherweise näher, daß man sich auch der hinsichtlich Bombenanschlägen gesprochenen Worte erinnert, als daß - eigentlich vordergründig - das Gitarrenspiel, das sich nicht damit beschäftigt, im Gedächtnis haftet.

Zeuge Burk:

Ich stelle mir das so vor, daß also bei der Aufnahme des Protokolls das in Hintergrund getreten ist, das Gitarrespielen. Aber das Gitarrespielen ja quasi der Anlaß für die ...

Vors.:

Ja, das mag schon sein. Nein, ich meine nur, weil das letztemal sprachen Sie ja von einer Diskussion, von einem Diskussionsbeitrag, nicht.

Zeuge Burk:

Ich muß das auf die Zeit schieben.

Vors.:

Ja nun, Sie haben ja schon das letzte Mal Ihr Gedächtnis mit allen möglichen Vorbehalten versehen, das ist auch nicht verwunderlich. Ich habe im Augenblick keine Fragen mehr.

Richter Ma[ier]:

Herr Burk, Sie sagten das letzte Mal, die Frau, die Sie da wieder erkannt haben wollen, habe dunkle Haare gehabt. Wollen Sie dabei bleiben?

Zeuge Burk:

Ja.

Richter Ma[ier]:

Ich halte Ihnen vor in diesem Aktenvermerk, den wir vor uns liegen haben, da haben Sie diese Frau geschildert, 170 cm groß, dunkelblonde Haare, das ist ja möglicherweise etwas anderes.

Zeuge Burk:

Die Größe, soweit ich mich erinnern kann, ...

Richter Ma[ier]:

Mir geht es weniger um die Größe, Sie sagten das letzte Mal 168 cm. Das liegt in dieser Spielbreite drin, aber die Haarfarbe ...

Zeuge Burk:

Habe ich dunkelblond gesagt gehabt bei dem Protokoll?

Richter Ma[ier]:

Herr Burk, das weiß ich nicht. In der Aktennotiz, die wir vor uns liegen haben, die ich Ihnen nur vorhalten kann, da heißt es dunkelblonde Haare.

Zeuge Burk:

Dann kann ich also nur so sagen, es ist von mir keine genaue Differenzierung gemacht worden zwischen eben hellblond, dunkelblond und dunkel. Wenn ich also dunkel gesagt habe, das ist ja jetzt schon so lange her, dann habe ich also mehr dunkelblond [13919] gemeint. Also so habe ich es jedenfalls in Erinnerung.

Richter Ma[ier]:

Sie haben heute in Erinnerung, daß die Frau, die Sie damals gesehen haben, dunkelblonde Haare hatte?

Zeuge Burk:

Nein, das habe ich nicht gesagt. Ich meine, daß ich keine Differenzierung jetzt in meinem Gedächtnis gemacht habe zwischen dunkelblond und dunkel.

Richter Ma[ier]:

Das ist doch aber ein Unterschied, würde ich sagen. Meinen Sie nicht?

Zeuge Burk:

Ja, ich weiß nicht. Der Unterschied zwischen dunkelblond und braun, der ist wohl nicht sehr groß.

Richter Ma[ier]:

Es war nicht von braun die Rede, es war von dunkel die Rede.

Zeuge Burk:

Unter braun verstehe ich auch noch dunkel, also im landläufigen Sinn, wenn ich genau differenzierte.

Richter Ma[ier]:

Danke.

Vors.:

Sind sonst Fragen an den Herrn Zeugen? Nicht.

Der Zeuge Burk versichert die Richtigkeit seiner heutigen und der am 17. März 1977 nach seiner Vereidigung gemachten Aussage unter Berufung auf seinen bereits geleisteten Eid (§ 67 StPO)[6] und wird im allseitigen Einvernehmen vorläufig um 9.18 Uhr entlassen.

Der Zeuge POM Rübenach erscheint um 9.19 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge Rübenach macht folgende Angaben zur Person:

Rolf Rübenach, 29 Jahre alt,

POM, Polizeistation Waldfelden.

Mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert.

Wegen Meineid nicht vorbestraft.

Vors.:

Herr Rübenach, es handelt sich darum, wir haben den Herrn Burk vernommen. Herr Burk soll nach uns vorliegenden Unterlagen einmal Ihnen gegenüber gewisse Angaben gemacht haben über das Wiedererkennen einer gesuchten Person. Es soll zwar einige Jahre zurückliegen. Haben Sie noch eine Erinnerung, haben Sie den Herrn Burk heute wieder erkannt?

[13920] Zeuge Rüb[enach]:

Ja, er hat mich also gleich erkannt. Ich konnte mich also auch noch dunkel erinnern an ihn und Herr Burk war also am 25.5. auf unsere Dienststelle gekommen.

Vors.:

Welchen Jahres?

Zeuge Rüb[enach]:

Das war 1972 und hatte also diese Angaben bezüglich Holger Meins und Ingeborg Barz gemacht. Diese Angaben wurden von mir schriftlich aufgenommen und am nächsten Tage an die für die Bearbeitung zuständige Dienststelle gesandt.

Vors.:

Eine Zwischenfrage, Herr Rübenach, kann ich davon ausgehen, daß Sie den damals gefertigten Vermerk nochmal gelesen haben?

Zeuge Rüb[enach]:

Nein, ich habe also lediglich diese Gesprächsnotiz vom hiesigen Gericht mit unserer Dienststelle gelesen und kann mich also aus diesem Grund noch an das Datum erinnern. Ansonsten hätte ich mich wahrscheinlich nicht an das Datum erinnert ... Das ging aus dieser Gesprächsnotiz hervor und aus diesem Grunde konnte ich dies angeben.

Vors.:

Ja, aber ich meine, stimmt das auch mit Ihrem Gedächtnis überein oder müßten Sie nach dem Gedächtnis sagen, nein, das war im Dezember, als die Schneeflocken fielen?

Zeuge Rüb[enach]:

Nein, das kann ich also ausschließen.

Vors.:

Können Sie noch näheres sagen, was nun Herr Burk äußerte, bei welcher Gelegenheit und wodurch er glaubte, insbesondere Frau Barz und diesen ... wiedererkannt zu haben. Und wo er das Vergleichsmaterial herbezog? Mit welchem Bild er die gesehene Person verglich?

Zeuge Rüb[enach]:

Soviel mir bekannt ist, hat er die Personen aufgrund von Bildern, die im Fernsehen ausgestrahlt worden waren, wiedererkannt. Und zwar war dies in Frankfurt gewesen bei dem Café Kranzler, an der Hauptwache.

Vors.:

Beim Café, im Café, vor dem Café oder?

Zeuge Rüb[enach]:

An die genaue Örtlichkeit wo das jetzt genau gewesen sein soll, das weiß ich also heute nicht mehr. Ich weiß also nur, daß es in der Umgebung des Café Kranzlers an der Hauptwache in Frankfurt gewesen sein soll.

Vors.:

Kann es unten in einer Unterführung an einem U-Bahnhof oder dergleichen gewesen sein?

[13921] Zeuge Rüb[enach]:

Ja, das ist möglich.

Vors.:

Sie meinen nach der Fernsehfahndung, nach der Tagesschau. Hat Herr Burk auch irgend etwas gesagt von Fahndungsplakaten die irgendwo aufgehängt seien und die er gesehen hätte?

Zeuge Rüb[enach]:

Daran kann ich mich nicht erinnern. Ich meine jedoch, daß es aufgrund einer Fernsehfahndung gewesen sein soll.

Vors.:

Haben Sie Herrn Burk irgendwelche Bildnisse vorgehalten?

Zeuge Rüb[enach]:

Ich glaube nicht.

Vors.:

In Ihrem Vermerk da steht da auch nichts drüber drin. Aber der Herr Burk der meinte das letztemal, Sie hätten ihm irgendwelche Bilder, Fotos sogar, vorgezeigt.

Zeuge Rüb[enach]:

Also ich will dies nicht ausschließen. Ich kann mich also daran nicht erinnern, ob ich ihm jetzt irgendwelche Bildnisse vorgelegt habe oder nicht.

Vors.:

Verfügten Sie bei Ihrer Polizeidienststelle vielleicht auch über so ein Fahndungsplakat, da gab es ja damals so Plakate, wo eine ganze Menge Personen abgebildet waren, die hingen ja an den meisten öffentlichen Behörden und wohl auch auf der Polizeiwache.

Zeuge Rüb[enach]:

Es ist möglich, daß so ein großes Fahndungsplakat bei uns gehangen hat. Aber das ist jetzt etliche Jahre her und ich kann mich nicht mehr daran erinnern, ob das jetzt wirklich gewesen ist oder nicht.

Vors.:

Und dann noch eine Frage. Hat Herr Burk sich darüber geäußert, bei welcher Gelegenheit er die gesuchte Person und die wiedererkannte Person gesehen hat, was die getrieben hat, so will ich mal sagen, bei welcher Beschäftigung er die beobachtet hat?

Zeuge Rüb[enach]:

Angeblich sei der Holger Meins in eine Diskussion verwickelt gewesen und zwar in der Art, daß er also diese Bombenlegungen in der Bundesrepublik gegenüber anderen Teilnehmern da verteidigte.

Vors.:

Hat er irgend etwas von Gitarrespielen gesagt, daß auch da irgend jemand dabei war und da also Gitarre spielte und dazu sang vielleicht.

Zeuge Rüb[enach]:

Das weiß ich jetzt nicht.

[13922] Richter Ma[ier]:

Herr Rübenach, hat er etwas gesagt, mit welcher Wahrscheinlichkeit oder Sicherheit er diese Personen wiedererkannt haben will.

Zeuge Rüb[enach]:

Soviel ich weiß hat er also angegeben, daß er mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen hat, daß es sich um diese Person handelt.

Richter Ma[ier]:

Ja, so steht es auch in Ihrer Aktennotiz. Können Sie sich sonst noch an irgendeine Besonderheit bei dem Herrn Meins erinnern, die von dem Herrn Burk geschildert wurde?

Zeuge Rüb[enach]:

Das war einmal diese Diskussion mit den Bombenlegungen.

Richter Ma[ier]:

Vielleicht an die Sprechweise des Herrn Meins? In Ihrer Aktennotiz heißt es hier: Meins habe teilweise mit schwäbischem Dialekt gesprochen.

Zeuge Rüb[enach]:

Wenn das in meiner Aktennotiz [i] steht, dann muß er es gesagt haben.

Richter Ma[ier]:

Erinnern können Sie sich heute nicht mehr daran?

Zeuge Rüb[enach]:

Nein.

Richter Ma[ier]:

Danke.

Vors.:

Weitere Fragen beim Gericht? Bei der Bundesanwaltschaft? Die Verteidiger? Nicht.

Der Zeuge POM Rübenach wird vorschriftsmäßig vereidigt und im allseitigen Einvernehmen um 9.28 Uhr endgültig[j] entlassen.

Der Zeuge Burk wird ebenfalls um 9.28 Uhr endgültig entlassen.

Vors.:

Dann sind folgende Beschlüsse des Senats zu verkünden:

Beschluß:

Der Antrag des Angeklagten Baader vom 29. März 1977, die Herren Brandt und Schmidt als Zeugen zu vernehmen, wird abgelehnt.

Gründe:

Wie die „RAF“ angeblich bekämpft und wie sie von dritter Seite eingeschätzt wird, ist ohne Bedeutung für die Schuld- oder Straffrage in diesem Verfahren. Darauf hat der Senat schon früher hingewiesen. Soweit mit den genannten Personen bewiesen werden soll, daß Zeugen in

[13923] - Oberstaatsanwalt Zeis verläßt um 9.29 Uhr den Sitzungssaal -

diesem Verfahren aufgrund von Erkenntnissen aus heimlichen Abhörmaßnahmen manipuliert worden seien, handelt es sich um einen Beweisermittlungsantrag[7] ohne jeden näheren Aufschluß über Tatsachen, die für die Schuld- oder Straffrage von Bedeutung sein könnten; ihm nachzugehen, gebietet die Aufklärungspflicht nicht. Soweit bewiesen werden soll, daß in dem Hamburger Verfahren gegen Gerhard Müller[8] Akten vorenthalten worden seien, die Müller belastet hätten, hat der Senat bereits umfassenden Beweis darüber erhoben, ob dem Zeugen in eigener Sache entgegen dem Verbot des § 136a StPO[9] unstatthafte Vorteile versprochen oder gewährt worden sind. In dem Beschluß vom 22. Dezember 1976 (TN 13085) ist der Senat davon ausgegangen, daß die Akten 3 ARP 74/75,[10] da mit einem Sperrvermerk versehen, in dem Hamburger Verfahren gegen Müller nicht verwertet worden sind. Wenn im übrigen ganz allgemein behauptet wird, es gebe ein bisher unbekanntes Geständnis Müllers über die Ermordung des Polizeibeamten Schmid,[11] über das der frühere oder jetzige Bundeskanzler Aufschluß geben sollen, so handelt es sich um einen[k] Beweisermittlungsantrag, dem nachzugehen die Aufklärungspflicht nicht gebietet. Auf haltlose Unterstellungen wie den geplanten Tod von Untersuchungsgefangenen, systematische Gesundheitschädigungen und ähnliches einzugehen, verbietet sich von selbst.

- - -[l]

Beschluß:

Der von dem Angeklagten Baader gestellte Antrag, die Herren Dr. Bender und Schieß als Zeugen zu laden, wird abgelehnt.

Gründe:

Zur Frage des Abhörens von Gesprächen zwischen Verteidigern und Angeklagten[12] hat der Senat schon verschiedene schriftliche Äußerungen von Justizminister Dr. Bender, abgegeben im Einvernehmen mit Herrn Innenminister Schieß, herbeigeführt. Die beiden Herren persönlich in der Hauptverhandlung zu hören, verspricht keine zusätzliche verfahrenserhebliche Aufklärung. Mit dem inhaltlichen Ergebnis der durchgeführten Abhörungen will sich der Senat ohnedies nicht befassen. Planung einer Kindesentführung[13] [13924] wird den Angeklagten weder in der Anklage noch sonst in der Hauptverhandlung zur Last gelegt, also auch nicht bei der Urteilsfindung. Deshalb geht der Senat diesem Punkt nicht weiter nach, denn eine Beweiserhebung in dieser Richtung würde das Verfahren nicht beeinflussen können.

Zu den Fotografien aus der Vollzugsanstalt liegt eine Äußerung der Strafgefangenen Schubert vor.

Mit der Schuld oder Straffrage hat das alles nichts zu tun.

Zur Frage der Abhörungen bezieht sich der Senat auch auf seinen in der Hauptverhandlung vom 12. April 1977 verkündeten, eine Aussetzung ablehnenden Beschluß.[14]

- - -[m]

Beschluß:

Der Antrag des Angeklagten Raspe vom 29. März 1977, die Herren Maihofer, Schüler, Wessel, Dr. Prinzing, Nusser, Schreitmüller, Bubeck, Zeis, Dr. Herold, ferner Margrit Schiller und Rechtsanwältin Gebauer als Zeugen zu vernehmen, wird abgelehnt.

Gründe:

Die Herren Maihofer, Schüler und Wessel sollen über heimliche Abhörmaßnahmen, die gegen die Angeklagten gerichtet waren, Aussagen machen. Soweit durch derartige Maßnahmen eine Beschränkung der Verteidigung zu besorgen ist, hat der Senat das Erforderliche aufgeklärt und sich die Gewähr verschafft, daß die Verteidigung in Zukunft nicht behindert wird. Im übrigen ist die weitere Aufklärung der Abhörmaßnahmen ohne Bedeutung für die Schuld- oder Straffrage in diesem Verfahren. Von Dr. Prinzing und dem Anstaltsleiter Nusser sind schriftliche Äußerungen über ihr Wissen zu den Abhörmaßnahmen eingeholt worden. Für sie und die Herren Schreitmüller und Bubeck von der Vollzugsanstalt Stuttgart gilt im übrigen das zuvor Gesagte. Soweit mit den Herren Zeis, Dr. Herold, ferner Margrit Schiller und der Rechtsanwältin Gebauer bewiesen werden soll, daß Zeugen in diesem Verfahren aufgrund von Erkenntnissen aus heimlichen Abhörmaßnahmen manipuliert worden seien, handelt es sich, ebenso wie [13925] bei dem gleichgerichteten Antrag des Angeklagten Baader, um einen Beweisermittlungsantrag ohne jeden näheren Aufschluß über Tatsachen, die für die Schuld- oder Straffrage von Bedeutung sein könnten; ihm nachzugehen, gebietet die Aufklärungspflicht nicht. Dazu geben auch die behaupteten Hinweise, die für eine Manipulation sprechen sollen, keinen Anlaß. Über einen Brief, den der Zeuge Gerhard Müller an Margrit Schiller geschrieben hat, ist bereits Beweis erhoben worden durch die Vernehmung der Zeugen Müller und Schiller. Über Meinungsverschiedenheiten, die zwischen Ulrike Meinhof und den übrigen Angeklagten bestanden haben sollen und von der Bundesanwaltschaft behauptet worden sein sollen, kann die Bundesanwaltschaft - was naheliegt - aus umfangreichem Durchsuchungsmaterial aus den Zellen der Angeklagten Schlußfolgerungen gezogen haben.

Dafür, daß Gespräche zwischen den Angeklagten abgehört wurden, besteht kein Anhalt. Auf welche Weise gelegentlich vereinzelte Äußerungen der Angeklagten zur Kenntnis des Gerichts gekommen sind, ist bei früherer Gelegenheit schon erörtert worden. Überdies fehlt jeglicher konkrete Hinweis, inwiefern hierdurch die Sachaufklärung berührt sein könnte.

- - -[n]

Beschluß:

Der von Rechtsanwalt Schily gestellte Antrag, [o] eine Erweiterung der Aussagegenehmigung[15] für den Zeugen Kriminalhauptkommissar Stahmer darüber herbeizuführen, wer bei der Hamburger Staatsschutzbehörde einen Ermittlungsauftrag an die Zeugen Opitz und Petersen erteilen konnte, wird abgelehnt, weil nicht zu ersehen ist, inwiefern hierdurch die Wahrheitsfindung gefordert werden könnte.

- - -

Dann noch der Hinweis, daß der Senat von sich aus keine Veranlassung sieht, den Zeugen Bruno Goldbach nochmals zu hören. Ich hatte[p] das letzte Mal ja berichtet, was es mit Herrn Goldbach auf sich hat, und daß eine neuerliche polizeiliche Vernehmung von ihm vorliegt.

Es ist offen, [13926] noch der Antrag, der auch gestellt worden war, die vollständigen Akten 1 BJs 31/75 der Bundesanwaltschaft beizuziehen. Das ist die Todesermittlungsakte Ingeborg Barz. Die Akte ist vor geraumer Zeit schon dem Senat und den Prozeßbeteiligten zur Verfügung gestellt worden. Es ist in der Zwischenzeit nichts hinzugekommen. Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, könnten Sie irgendwelchen Aufschluß geben, ob diese Akte nun ...

BA Dr. Wu[nder]:

Herr Vorsitzender, vor etwa 14 Tagen, ich kann das Datum jetzt nicht genau festlegen, habe ich eine schriftliche Anfrage von Herrn Rechtsanwalt Schily beantwortet. Darin habe ich ihm mitgeteilt, daß ich den Vorgang 1 BJ 31/75, der sich mit dem Tod von Ingeborg Barz befaßt, dem Senat seinerzeit vollständig vorgelegt habe. Ich habe in diesem Schreiben außerdem zusätzlich noch darauf hingewiesen, daß das Ermittlungsverfahren gegen Ingeborg Barz nicht bei der Bundesanwaltschaft sich befindet, und daß sich bei der vorgelegten Akte weder Fahndungs- noch Spurenhinweise bezüglich Ingeborg Barz befinden. Außerdem habe ich in diesem Schreiben darauf hingewiesen, daß dieser Vorgang ergänzt werden wird durch das, was Herrn Rechtsanwalt Schily zunächst ohnedies bekannt ist, nämlich durch die Aussagen, die der Zeuge Wüst hier gemacht hat, und daß außerdem noch eine zusätzliche [q] ergänzende Anfrage an das Bundeskriminalamt gerichtet wurde, ob irgendwelche neuere Erkenntnisse in diesem Zusammenhang vorhanden sind. Eine Antwort in dieser Richtung ist mir bis jetzt nicht zugegangen. Ich gehe aber davon aus: Wenn sie positiv lauten würde, hätte ich inzwischen etwas erfahren. Danke.

Vors.:

Ich nehme an, neuere Erkenntnisse in der Richtung, daß diese Erkenntnisse dafür sprächen, daß Frau Barz noch am Leben ist? Will hierzu irgend etwas gesagt oder Stellung genommen werden? Nicht. Wir werden uns zurückziehen und über diese Sache nochmals beraten. Fortsetzung 9.50 Uhr.

Pause von 9.38 Uhr bis 9.52 Uhr

Ende des Bandes 822.

[13927] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 9.52 Uhr

Vors.:

Wir setzen fort.

Es ist folgender Beschluß zu verkünden:

Der Antrag, die Akten 1 BJs 31/75 der Bundesanwaltschaft vollständig beizuziehen, wird abgelehnt.

Gründe:

Es handelt sich um einen Beweisermittlungsantrag, dem nachzugehen zur Förderung der Wahrheitsfindung nicht geboten ist. Die Akten liegen seit geraumer Zeit dem Senat und damit den Prozeßbeteiligten vor. Weitere, dem Senat und den Prozeßbeteiligten unbekannte Erkenntnisse, insbesondere dahin, daß Frau Barz noch lebe, haben sich nach einer Erklärung von Bundesanwalt Dr. Wunder nicht ergeben.

- - -

Werden sonstige Anträge gestellt? Ich sehe nicht.

Der Vorsitzende schließt daraufhin die Beweisaufnahme.

Es folgt als nächstes, nach der Prozeßordnung, das ergänzende Schlußwort der Bundesanwaltschaft.[16]

Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, sind Sie bereit; oder was für Vorstellungen haben Sie hinsichtlich Ihres ergänzenden Plädoyers?

OStA Zeis erscheint um 9.53 Uhr wieder im Sitzungssaal.

BA Dr. Wu[nder]:

Wir sehen uns in der Lage, um 14.00 Uhr zu der Beweisaufnahme, die seit dem Oktober 1976 stattgefunden hat, ergänzend kurz zu plädieren.

Vors.:

14.00 Uhr, ja, dann treffen wir uns um 14.00 Uhr wieder hier im Saale.

Herr Rechtsanwalt Künzel, Sie wollten noch was sagen.

[13928] RA Kün[zel]:

Ich möchte zu dieser Erklärung der Bundesanwaltschaft lediglich zu bedenken geben, daß es vielleicht nicht angeht, nur ergänzend zu plädieren. Ich meine, daß bei Peters, im Lehrbuch für den Strafprozeß, Ausführungen sind über Sinn und Zweck der Plädoyers, die auch Anhaltspunkt für die Verteidigung sein müssen. Deshalb meine ich, daß ergänzende Plädoyers nach so langer Zeit bei diesem Prozeßstoff nicht sachgerecht sind.[17]

Vors.:

Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, Sie werden die Worte sicher ergänzend möglicherweise ...

BA Dr. Wu[nder]:

Das ist unsere Sache, wie wir plädieren, Herr Vorsitzender. Wir halten uns an die Strafprozeßordnung.

Vors.:

Bitte sehr, ja. Obwohl - wir werden also um 14.00 Uhr hier fortsetzen - obwohl die Anwesenheit der Angeklagten auch dann - nach Meinung des Senats - nicht unerläßlich[18] ist, werden wir dennoch die Angeklagten davon benachrichtigen, daß um 14.00 Uhr die Bundesanwaltschaft plädieren wird. Fortsetzung 14.00 Uhr.

Pause von 9.55 Uhr bis 14.03 Uhr

Ende Band 823

[13929] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 14.03 Uhr

Rechtsanwalt Schlaegel ist nunmehr auch anwesend.

Die Bundesanwaltschaft erhält das Wort zu ihrem Schlußvortrag.

Bundesanwalt Dr. Wunder ergänzt daraufhin das Plädoyer der Bundesanwaltschaft vom Oktober 1976 und beendet seine Ausführungen mit der Wiederholung der am 7. Oktober 1976 gestellten Anträge.

Vors.:

Dann werden wir die Verhandlung am

Donnerstag, den 21. April 1977, 9.00 Uhr

fortsetzen, nach der gesetzlichen Reihenfolge der Prozeßhandlungen.

Die Sitzung ist für heute geschlossen.

Ende des 190. Verhandlungstages um 14.18 Uhr.

- Ende von Band 824 -


[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 – Az.: 1 StE 1/74 – StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[2] § 57 StPO a.F. schrieb für die Belehrung von Zeug/innen vor: „Vor der Vernehmung sind Zeugen zur Wahrheit zu Ermahnen und darauf hinzuweisen, daß sie ihre Aussage zu beeidigen haben, wenn keine im Gesetz bestimmte oder zugelassene Ausnahme vorliegt. Hierbei sind sie über die Bedeutung des Eides, die Möglichkeit der Wahl zwischen dem Eid mit religiöser oder ohne religiöse Beteuerung sowie über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren.“ Im Unterschied dazu ist die Vereidigung von Zeug/innen heute nur noch die Ausnahme (§ 59 StPO).

[3] Zu den Besonderheiten dieses Verfahrens gehörte es, dass sich die Prozessbeteiligten darauf einigten, ein gerichtliches Wortprotokoll als Arbeitsgrundlage anzufertigen (s. dazu S. 4 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Nach der damaligen Rechtsprechung bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung stets der Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 – Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 – Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 339). Heute wird die gerichtliche Tonbandaufnahme z.T. auch ohne Zustimmung der Beteiligten für zulässig erachtet (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 35; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 13).

[4] 152. Verhandlungstag, S. 11856, 11861 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).

Ingeborg Barz war ein frühes Mitglied der RAF. Zuvor war sie Teil der Hilfsorganisation Schwarze Hilfe und bildete u.a. gemeinsam mit Angela Luther, Inge Viett, Verena Becker und Waltraud Siepert eine feministische Gruppe namens Die schwarze Braut. Über Barz’ Position in der RAF ist nicht viel bekannt. 1971 soll sie beim Überfall auf eine Bank in Kaiserslautern mitgewirkt haben. Von der Verhaftungswelle 1972 war Barz nicht betroffen, gilt aber wie Angela Luther seitdem als verschwunden. Über ihren Verbleib existieren nur Spekulationen. Unter anderem stand der Verdacht im Raum, dass sie als Spitzel des Verfassungsschutzes enttarnt und von Baader erschossen worden sei (Kraushaar, Verena Becker und der Verfassungsschutz, 2010, S. 31 ff., 37 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S 299, 820). Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass die Behauptung, Baader habe Barz erschossen, von Gerhard Müller aufgestellt worden sei, um Baader wahrheitswidrig zu belasten (s. den Beweisantrag des Rechtsanwalts Dr. Heldmann am 142. Verhandlungstag, S. 11467 des Protokolls der Hauptverhandlung). Durch den Beweis der Unwahrheit dieser Tatsache sollte die Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen Müller insgesamt erschüttert werden (s. dazu etwa die Diskussion um den am 147.Verhandlungstag gestellten Beweisantrag, S. 11684 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Zu den Angaben, die Müller über in diesem Zusammenhang gemacht haben soll, s. auch die Ausführungen des Vernehmungsbeamten KHK Opitz am 152. Verhandlungstag (S. 11855 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[5] Holger Meins war ursprünglich Mitangeschuldigter im Stammheim-Prozess, starb aber noch vor Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) am 9. November 1974 in Untersuchungshaft in Wittlich an den Folgen des dritten Hungerstreiks. Für seinen Tod machten die Angeklagten staatliche Akteure, u.a. den früheren Vorsitzenden Dr. Prinzing sowie die Bundesanwaltschaft verantwortlich (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 117 ff.).

[6] § 67 StPO ermöglicht das Berufen auf einen früheren Eid, wenn Zeug/innen im selben Hauptverfahren erneut vernommen werden.

[7] Die Voraussetzungen eines Beweisantrages wurden erst durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10.12.2019 (BGBl. I, S. 2121) gesetzlich normiert. Nach § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO liegt ein Beweisantrag nunmehr vor, „wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll.“ Damit wurden die Anforderungen, die sich bereits in der Rechtsprechung entwickelt hatten, weitestgehend übernommen (s. etwa BGH, Urt. v. 23.1.1951 – Az.: 1 StR 37/50, BGHSt 1, S. 29, 31; BGH, Urt. v. 7.5.1954 – Az.: 2 StR 27/54, BGHSt 6, S. 128, 129; BGH, Urt. v. 12.8.1960 – Az.: 4 StR 48/60, NJW 1960, S. 2156, 2157). Ein Beweisermittlungsantrag liegt hingegen vor, wenn entweder die Beweistatsache oder das Beweismittel nicht hinreichend konkretisiert ist. Die Unterscheidung ist deshalb von Bedeutung, da § 244 Abs. 3-6 StPO begrenzte und abschließende Ablehnungsgründe für Beweisanträge enthält. Liegt keiner dieser Ablehnungsgründe vor, ist dem Beweisantrag zu entsprechen. Beweisermittlungsanträge berücksichtigt das Gericht hingegen nur nach § 244 Abs. 2 StPO im Rahmen seiner allgemeinen Aufklärungspflicht, die Ablehnung eines Beweisermittlungsantrags ist nicht auf die Gründe des § 244 Abs. 3-6 StPO beschränkt.

[8] Am 30. Juni 1975 begann das Verfahren gegen Irmgard Möller und Gerhard Müller vor dem Landgericht Hamburg. Die Anklagevorwürfe betrafen u.a. das Geschehen um die versuchte Festnahme des RAF-Mitglieds Margrit Schiller, in deren Verlauf ein Polizeibeamter erschossen, ein weiterer verletzt wurde. Der getötete Polizeibeamter Norbert Schmid war das erste Todesopfer der RAF. Der genaue Tatvorgang, insbesondere die Täterschaft, konnte bis heute nicht aufgeklärt werden. Irmgard Möller wurde mit Urteil vom 16.3.1976 u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Urkundenfälschung und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von viereinhalb Jahren, Gerhard Müller u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Beihilfe zum Mord, Beteiligung an Bombenanschlägen und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zehn Jahren verurteilt (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 113 ff.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 29).

[9] § 136a StPO enthält eine Auflistung von verbotenen Methoden bei der Vernehmung von Beschuldigten. Diese sind: die Beeinträchtigung der Willensentschließung und -betätigung durch Misshandlung, Ermüdung, körperlichen Eingriff, Verabreichung von Mitteln, Täuschung, Quälerei oder Hypnose, sowie die Drohung mit einer unzulässigen Maßnahme oder das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils (Abs. 1). Ferner untersagt sind Maßnahmen, die das Erinnerungsvermögen oder die Einsichtsfähigkeit der Beschuldigten beeinträchtigen (Abs. 2). Für den Fall eines Verstoßes gegen diese Verbote enthält § 136a Abs. 3 Satz 3 StPO ein Verwertungsverbot für die so zustande gekommenen Aussagen. Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass die umfassende Aussage Müllers, mit der er die Angeklagten schwer belastete, u.a. durch das Versprechen diverser ungesetzlicher Vorteile unzulässig beeinflusst worden war (s. hierzu etwa die Beweisanträge in den Anlagen 4 bis 19 zum Protokoll zum 20.7.1976, S. 10643 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 128. Verhandlungstag; s. zu den Vorwürfen der Verteidigung auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 305 ff.).

[10] Die auch als „Geheimakte“ bezeichnete Akte „3 ARP 74/75 I“ enthielt Aussagen des ehemaligen RAF-Mitglieds Gerhard Müller. Für diese Akte hatte der damalige Bundesjustizminister Vogel zunächst eine umfassende Sperrerklärung nach § 96 StPO („Die Vorlegung oder Auslieferung von Akten oder anderen in amtlicher Verwahrung befindlichen Schriftstücken durch Behörden und öffentliche Beamte darf nicht gefordert werden, wenn deren oberste Dienstbehörde erklärt, daß das Bekanntwerden des Inhalts dieser Akten oder Schriftstücke dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde“) abgegeben. Die Verteidigung bemühte sich lange darum, Einblick in die Akte zu erhalten. Nachdem die Prüfung und Entscheidung darüber, die Sperrerklärung wieder aufzuheben, der Bundesanwaltschaft anvertraut wurde (s. die Mitteilung des Vorsitzenden Dr. Prinzing am 157. Verhandlungstag, S. 12215 des Protokolls der Hauptverhandlung), gab diese schließlich am 158. Verhandlungstag nach erneuter Prüfung einen Großteil der Akte heraus (S. 12262 des Protokolls der Hauptverhandlung; s. zu den Vorgängen und Vermutungen rund um diese Akte auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 368 ff.). Am 159. Verhandlungstag wurde ein Schreiben des Bundesjustizministers bekanntgegeben, in welchem die letzten noch geheimhaltungsbedürftigen Passagen konkretisiert wurden (s. Anlage 2 zum Protokoll vom 9.11.1976, S. 12306 des Protokolls der Hauptverhandlung, 159. Verhandlungstag).

[11] Margrit Schiller belastete Gerhard Müller schwer, der mit Urteil vom 16.3.1976 vom LG Hamburg zwar für andere Taten, nicht aber für den Mord an Schmid verurteilt wurde (Fn. 8). Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass der Freispruch Müllers in Bezug auf den Mord an Norbert Schmid Teil einer unzulässigen Absprache mit den Strafverfolgungsbehörden gewesen sei (s. dazu etwa die Beweisanträge in den Anlagen 8 und 12 zum Protokoll vom 20.7.1976, S. 10649 f., 10659 des Protokolls der Hauptverhandlung, 128. Verhandlungstag).

[12] Am 185. Verhandlungstag wurde bekannt, dass vertrauliche Verteidigungsgespräche in der Haftanstalt Stuttgart-Stammheim abgehört worden waren. Rechtsanwalt Schily erklärte dazu: „Was hier stattfindet in diesem Verfahren, das kann man nicht anders benennen als die systematische Zerstörung aller rechtsstaatlichen Garantien. Insofern hat das Verfahren für den Zustand dieser Republik in politischen Verfahren [...] seine exemplarische Bedeutung. Die Verteidigung kann es unter keinen Umständen verantworten, hier auch nur eine Minute länger in dem Verfahren mitzuwirken, um hier noch vielleicht als eine Art Alibi aufzutreten, daß es noch so etwas gebe wie eine Verteidigung“ (S. 13712 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 185. Verhandlungstag).

[13] Mit der Behauptung, es sei eine Geiselnahme auf einem Kinderspielplatz geplant, wurde z.T. versucht, die Abhörmaßnahmen in der Stuttgarter Haftanstalt zu rechtfertigen (s. auch das Antwortschreiben des Justizministers Baden-Württembergs in Anlage 2 zum 187. Verhandlungstag, S. 13738 ff.).

[14] S. 13911 des Protokolls der Hauptverhandlung (189. Verhandlungstag).

[15] Landes- und Bundesbeamt/innen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet bezüglich aller Angelegenheiten, die ihnen im Rahmen ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgeworden sind. Aussagen vor Gericht hierüber sind nur nach und im Umfang der Genehmigung durch den jeweiligen Dienstherrn gestattet (heute geregelt in § 37 Abs. 1 und 3 BeamtStG für Landesbeamt/innen und in § 67 Abs. 1 und 3 BBG für Bundesbeamt/innen; für den Stand 1975 galten für Landesbeamt/innen noch Landesgesetze, die sich allerdings an § 39 des Beamtenrechtsrahmengesetzes vom 1.7.1957 orientieren mussten; für Bundesbeamt/innen galt § 61 BBG a.F.). § 54 Abs. 1 StPO stellt sicher, dass die Verschwiegenheitspflicht auch im Falle einer Vernehmung als Zeug/in in einem Strafprozess fortbesteht.

[16] Der frühere Vorsitzende Dr. Prinzing hatte die Beweisaufnahme bereits am Ende des 148. Verhandlungstages geschlossen (S. 11767 des Protokolls der Hauptverhandlung) und die Bundesanwaltschaft ab dem 149. Verhandlungstag plädiert. Auch nach Schließung der Beweisaufnahme bleibt jedoch ein Wiedereintritt möglich. Die Verfahrensbeteiligten haben bis zum Beginn der Urteilsverkündung das Recht, Beweisanträge zu stellen, das Gericht ist zur Entgegennahme verpflichtet (BGH, Urt. v. 3.8.1966 – Az.: 2 StR 242/66, BGHSt 21, S. 118, 123). Der Wiedereintritt wird – auch konkludent – angenommen, sobald Verfahrensvorgänge durchgeführt werden, die für die Sachentscheidung des Gerichts von Bedeutung sein können; dies sind insbesondere Prozesshandlungen, die in den Bereich der Beweisaufnahme fallen, aber auch wenn sonst der Wille des Gerichts erkennbar wird, es wolle mit den Prozessbeteiligten in der Beweisaufnahme fortführen. Dies kann bereits bei der Erörterung von Anträgen der Fall sein (BGH, Beschl. v. 5.2.2019 – Az.: 3 StR 469/18, NStZ 2019, S. 426 f. m.w.N.).

[17] Das Plädoyer der Staatsanwaltschaft hat nach Peters – insofern entsprechend der Anklage(schrift) – eine wichtige Funktion für die Verteidigung, da diese dadurch erfahre, was dem/der Angeklagten (nunmehr: nach Durchführung der Beweisaufnahme) vorgeworfen wird. Das Plädoyer biete somit einen wichtigen Ansatzpunkt für die Verteidigung (Peters, Strafprozeß, 2. Aufl. 1966, § 23 IV e)).

[18] Voraussetzung für die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten nach § 231a StPO (vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführte Verhandlungsunfähigkeit) ist, dass das Gericht ihre Anwesenheit nicht für unerlässlich hält (s. zum hierauf gestützten Beschluss des 2. Strafsenats bereits Fn. 1).


[a] Handschriftlich ergänzt: Personen

[b] Handschriftlich ergänzt: Personen

[c] Handschriftlich ergänzt: waren

[d] Maschinell eingefügt: dann

[e] Maschinell eingefügt: noch

[f] Handschriftlich ersetzt: vornehmen durch vorlegen

[g] Handschriftlich ergänzt: hatte

[h] Maschinell ersetzt: spielen durch und Laute schlagen

[i] Maschinell durchgestrichen: gesagt

[j] Maschinell eingefügt: endgültig

[k] Maschinell eingefügt: einen

[l] Handschriftlich eingefügt: - - -

[m] Handschriftlich eingefügt: - - -

[n] Handschriftlich eingefügt: - - -

[o] Handschriftlich durchgestrichen: auf

[p] Handschriftlich ersetzt: habe durch hatte

[q] Maschinell durchgestrichen: Ergänzung