19. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 24. Juli 1975, 9.05 Uhr



[1438] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 24. Juli 1975, 9.05 Uhr

(19. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung, mit Ausnahme von Staatsanwalt Holland, wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte waren anwesend:

Just. Ass. z. A. Clemens

Just. Ass. z. A. Scholze

Die Angeklagten waren anwesend mit ihren Verteidigern: Rechtsanwälte Schily, Becker, Dr.[a] Heldmann, Riedel, von Plottnitz, Eggler, Künzel, Schnabel, Schwarz, Schlaegel, König, Linke, Grigat.

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort in voller Besetzung, alles anwesend. Zunächst ist auf die Entscheidung, auf den Antrag des Angeklagten Baader, die Akten vorzulegen, der Beschluß bekannt zu geben.

RA Dr. H[eldmann]:

Darf ich davor die Stellungnahme, die ich gestern nicht abgeben konnte, heute abgeben.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, es kam gestern eine Stellungnahme, bis 15 Uhr war die Frist gesetzt. Hier hieß die Stellungnahme: „Es ist mir bis heute 15 Uhr nicht möglich zu der Haftsache usw. Stellungnahme abzugeben. Im Moment verweise ich statt dessen auf die ausführliche Einlassung des Herrn Rechtsanwalts Ströbele, der Inhalt begründet meinen Antrag“, usw. Also eine kurze Stellungnahme. Wir haben im Anschluß an den Ablauf der Frist beraten und der Beschluß ist jetzt fertig. Der wird im Augenblick zu verkünden sein. Er lautet:

Der Antrag des Angeklagten Baader, die Akten dem I. Strafsenat des Oberlandesgericht Stuttgart zwecks Aufhebung des Ausschlusses des Verteidigers Rechtsanwalt Ströbele vorzulegen und die Hauptverhandlung bis zu dieser Entscheidung zu unterbrechen, wird abgelehnt.

[1439] Gründe:

Der I. Strafsenat des Oberlandesgericht Stuttgart hat den dringenden Verdacht, daß Rechtsanwalt Ströbele eine kriminelle Vereinigung mindestens unterstützt hat, nach gründlicher Beweisaufnahme bejaht.[1] Eine damit übereinstimmende Auffassung hat der Bundesgerichtshof schon in früheren Entscheidungen vertreten. An dieser Beweislage hat sich nichts geändert. Neu hinzugekommen ist lediglich, daß der Haftrichter beim Amtsgericht Tiergarten aufgrund einer Einlassung des Beschuldigten den dringenden Tatverdacht, nicht wie im Antrag behauptet, den Tatverdacht schlechthin,[2] verneint hat. Schon im Ausschlußverfahren hat sich Rechtsanwalt Ströbele, wie jetzt vor dem Haftrichter, dahin eingelassen, seine unbestrittene Mitwirkung an dem sogenannten Infosystem[3] habe der Vorbereitung der Verteidigung gedient. Hierzu stellt der I. Strafsenat in der Entscheidung über den Ausschluß unter anderem folgendes fest: Das nunmehr im Rahmen des Infosystems zur Verteilung gekommene Informationsmaterial enthielt außer programmatischen Beiträgen von Mitgliedern der kriminellen Vereinigung, Berichten über den Stand verschiedener Prozesse, insbesondere Auszüge, Ablichtungen oder Zusammenfassungen von Artikeln aus Militär- und Polizeifachzeitschriften, die von den Mitgliedern der Vereinigung aus denen diesen zuvor zugewiesenen Arbeitsgebieten ausgewählt und für das Info bestimmt waren. Darunter befanden sich zum Beispiel neben Artikeln über Flammenwerfer, automatische Gewehre, neue Pistolen, über den Spähpanzer 13 800, über militärische Befehlssysteme, Kriegführung in der Stadt, Sperrenbau mit technischem Gerät, Funküberwachung und Funkaufklärung, über Minispione, den Aufbau des Grenzschutzes und der Länderpolizei, über Alarmanlagen und Werkschutz auch die von einem Mitglied der kriminellen Vereinigung gefertigte Zusammenstellung der Verwendungsmöglichkeiten von Meßwandlern und Relais bei der elektrischen Zündung von Sprengladungen, in der unter anderem folgendes ausgeführt wird: „Zu thermoelektrisch fällt mir noch ein, wenn die anfangen, die Dinger, (gemeint sind offensichtlich die Sprengladungen), einzufrieren, um [1440] sie so besser zu entschärfen, dann kann man auch oben mit diesen Thermo-Widerständen operieren, d. h., bei einem bestimmten Kältegrad schließt sich der Stromkreis, bevor das alles richtig eingefroren ist. Man könnte eventuell auch mit den neuen Siemensrelais, mit dem neuen Fernsprechsystem, operieren. Die Kontakte bei diesem Relais sind wie bei einer Radioröhre in einer Glasröhre, das mit einem bestimmten Gas gefüllt ist. In erster Linie ...

Angekl. B[aader]:

Wissen Sie von wem der Brief ist.

Vors.:

Herr Baader, unterbrechen Sie nicht.

In erster Linie ist die ganze Chose wohl interessant, um eine Entschärfung der Dinger zu verhindern. Ist doch immer schade um die Arbeit und den Einsatz und in zweiter Linie halt speziell für besondere Anwendungszwecke. „Die im Schriftsatz des Verteidigers, Rechtsanwalt Ströbele, vom 4. Mai 1975 geäußerte Meinung, die Beschaffung dieser Informationen sei zur Vorbereitung der Verteidigung geboten gewesen, vermag der Senat nicht zu teilen.“ Soweit das Zitat des ersten Strafsenats. Das Landgericht Berlin hat zudem in der Zwischenzeit die Entscheidung des Haftrichters, die ohne nähere Begründung ergangen ist, aufgehoben, den dringenden Tatverdacht bejaht, erneut Haftbefehl erlassen, jedoch den Beschuldigten Rechtsanwalt Ströbele vom Vollzug der Haft gegen Meldeauflage verschont. Danach besteht kein Anlaß, dem Antrag des Angeklagten Baade, ir zu entsprechen.

Soweit der Beschluß des Senates. Ich gebe die Stellungnahme soweit sie gestern eingegangen ist, als Protokollanlage 1 zu den Protokollführern.

-Die Stellungnahme des Rechtsanwalts Dr. Heldmann vom 23. Juli 1975[b] wird als Anlage 1 zum Protokoll gegeben.-

Vors.:

Wir können damit zur Vernehmung zur Person kommen.[4] Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich habe gestern bereits darauf hingewiesen, daß es mir nicht zu dem vom Senat festgesetzten Zeitpunkt möglich gewesen ist, [1441][5] [1442] die erbetene Stellungnahme abzugeben. Ich habe dazu folgendes zu sagen. Ich bitte das als Gegenvorstellung[6] aufzunehmen, d.h. also, ich komme erst heute dazu, die notwendige Stellungnahme der Verteidigung nachzuholen. Was mich gestern gehindert hat, die von mir bis gestern 15 Uhr geforderte Stellungnahme zu geben, war 1. eine mir gestern zugegangene, allerdings unbestätigte Information, das Landgericht Berlin habe als Beschwerdegericht Haftbefehl gegen Herrn Ströbele, gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Berlin-Tiergarten, erlassen. 2. Die zusätzliche Information, Ströbele habe weder die Beschwerdeschrift der Staatsanwaltschaft zur Kenntnis bekommen, noch die Möglichkeit seiner Stellungnahme hierzu und 3. Der Mangel eines Kommunikationsinstrumentariums, das jenem der Bundesanwaltschaft vergleichbar wäre, welches diese[c] offensichtlich instand gesetzt hat, in Berlin eine besonders flinke Entscheidung in der Haftsache Ströbele zu bewirken. Nur am Rande dazu bemerke ich, daß der Senat jeweils die Zeitbestimmung für Stellungnahmen der Bundesanwaltschaft jener überlassen hat, solche hingegen der Verteidigung ohne auch nur eine Frage, stets diktiert. Sollte die Meldung zutreffen, das Landgericht Berlin habe am Dienstagabend noch, am Tag meines hiesigen Unterbrechungsantrags, Haftbefehl gegen Ströbele erneut erlassen, und zwar ohne Ströbele die Beschwerdeschrift zur Kenntnis gegeben zu haben und ohne ihm auf die Beschwerde rechtliches Gehör zu gewähren, so würde ... so wären gleichwohl jene Eilentscheidung in Berlin meinem Antrag vom Dienstag nicht zur Gegenstandslosigkeit verurteilen. Dem Senat liegen nämlich 41 Seiten Gerichtsprotokolle mit ausführlichen Einlassungen Ströbeles zu den Vorwürfen vor, die identisch mit denen, die zu seiner Ausschließung in diesem Verfahren geführt haben, seiner Verhaftung zugrunde gelegt worden sind. Das sind neue Tatsachen. In seiner Einlassung im Ausschließungsverfahren hat Herr Ströbele eine solche Stellungnahme nicht abgeben können. Der I. Senat, der über seine Ausschließung befunden hat, ich füge ein, die Beschwerdeentscheidung des Bundesgerichtshofs steht ja noch aus, hat also nicht die Möglichkeit einer solchen Gegeninformation des Beschuldigten Ströbele und dort des auszuschließenden Anwalts Ströbele er- [1443] halten können. Ströbele hat sich dabei - nämlich vor dem I. Strafsenat dieses Gerichts - ausdrücklich auf seine Pflichten zur Wahrung seines Anwaltsgeheimnisses bezogen. Erst in Berlin, in diesen 41 Protokollseiten Ströbeleaussagen, die Ihnen bekannt sind, war er an jene Standespflichten, Anwaltspflichten nicht mehr gebunden, da er nun selbst Beschuldigter in der identischen Sache in einem Strafverfahren war.[7] Diese 41 Protokollseiten mit Ströbeles belegten Stellungnahmen, belegt nämlich jeweils unter Bezugnahme auf die Aktenstücke, die ihn belasten sollen angeblich, sind exakt diejenigen Umstände, welche die Voraussetzungen für Ströbeles Ausschließung von Baaders Verteidigung beseitigen. Begründet also weiterhin meinen Antrag nach § 138a [Abs. ]3 i.V. mit 138c StPO[8]. Dazu erlauben Sie mir bitte insgesamt und auch die folgenden Ausführungen. Hält man ... und diese Materialien liegen Ihnen vor - die Bundesanwaltschaft war ja in der Lage, mir unmittelbar nach Antragstellung am Dienstag die Haftakten hier herüber zu reichen - die Haftakten aus dem Berliner Verfahren ...

Vors.:

Das war das Gericht. Bloß um das gleich richtig zu stellen. Das hat mit der Bundesanwaltschaft nichts zu tun.

RA Dr. H[eldmann]:

Das war das Gericht.

Vors.:

Wir haben es von der Stuttgarter Staatsanwaltschaft bekommen.

RA Dr. H[eldmann]:

Ahja. Hält man die Begründung nämlich dieses Haftbefehls, der seinem Gericht bekannt ist, zum dringenden Tatverdacht und die ausführlichen Einlassungen des Rechtsanwalts Ströbele zur Sache nebeneinander, diese regelmäßig belegte durch Bezugnahme auf die ihn angeblich belastenden Aktenstücke, so erscheint der dringende Tatverdacht im Sinne der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung als völlig haltlos. Ich füge hier ein, eine spezifizierte Stellungnahme zu demjenigen, angeblich Ströbele belastenden Material, das den Anschein militärischen Informationsmaterial hat. Zu dieser speziellen Frage möchte Herr Baader im Anschluß, der darüber exakt informiert ist, besonders Stellung nehmen. Das inkriminierte Verhalten des Kollegen Ströbele als Verteidiger war nicht nur legitime Ver- [1444] teidigertätigkeit, sondern in Ansehung der Punkt für Punkt belegten Erfolglosigkeit aller verfügbaren rechtlichen Maßnahmen, gegen die von unserer Rechtsordnung nicht gedeckten Sondermaßnahmen gegen Gefangene. Und für diese Gefangenen erwiesenermaßen gesundheits- oder lebensgefährdend, so war es zwingende Handlungspflicht für Ströbele, unabhängiges Organ der Rechtspflege, in Ausübung seiner Schutzfunktion. Der Verteidiger hat, ich zitiere Ihnen aus dem Handbuch des Strafverteidigers von Dahs. „Der Verteidiger hat ausschließlich dem Beschuldigten zu dienen.“ Ich zitiere weiter. „Indem er einseitig zum Schutze seines Mandanten tätig wird, ist er auch Diener am Recht.“ Ströbeles Berichte, auch diese jeweils belegt, ich beziehe mich immer auf die 41 Protokollseiten vom 2.4. und 7.7.1975 aus dem Amtsgericht Berlin-Tiergarten, Ströbeles Berichte über seine Erfahrungen als Verteidiger z. B. von Astrid Proll[d][9] und von Ulrike Meinhof schließen Zweifel an der Legitimität seines Verteidigerhandelns aus, unterstreichen vielmehr seine anwaltliche Verpflichtung so wie geschehen, gehandelt zu haben. Seine Darstellung des langsamen und qualvollen Absterbens seiner Mandantin Katharina Hammerschmidt,[10] Gegenbeispiel, mag allenfalls die eine Frage aufwerfen, ob er nicht nach erfolglosem Ausschöpfen aller rechtlichen Mittel zu spät die Öffentlichkeit alarmiert habe, wo Justiz- oder Vollzugsorgane schuldhaft, sei es vorsätzlich oder fahrlässig, ihre Fürsorgepflichten gegenüber Gefangenen verletzen. Wo weiter die Ausschöpfung aller Rechtsbehelfe dem gefahrenträchtigen Unrechtszustand nicht abzuhelfen vermag, da ist es die Schutzpflicht für seinen Mandanten, das Interesse der Öffentlichkeit auf diesen Notstand zu lenken. Hier die letzte Möglichkeit, bei unserem System zum Schutze der Menschenrechte noch immer die Einrichtung des Ombudsmann fehlt. Jenes zu unterlassen, wäre Verletzung der Schutzaufgabe und der Treuepflicht des Verteidigers für seinen Mandanten. Dafür ist unerheblich, ob der unverurteilte Gefangene als Mitglied einer verbrecherischen Bande öffentlicher Vorverurteilungen bereits verfallen ist. Für ihn streitet, daß Unschuldsvermutungen [1445] mit ihrem Rechtsstaatsprinzip unsere noch immer geltende Verfassung selbst gegen alle Staatsgewalt, ich verweise auf die Entscheidungen im 22., 25., und 38. Band des Bundesverfassungsgericht[11] und ich zitiere aus dem Großkommentar Löwen-Rosenberg zur Strafprozeßordnung aus dem Einleitungskapitel 5 Ziffer 2: „Auch der schwerster Straftaten Beschuldigte und dringlich Verdächtigte hat Anspruch auf ein faires gesetzmäßiges Verfahren. Bei jedem Angeklagten, auch bei einem solchen, wird bis zum gesetzmäßigen Nachweis seiner Schuld vermutet, daß er unschuldig ist. Keinerlei Ausnahmen sind zulässig. In keinem Fall heiligt der Zweck die Mittel.“ Als vorkonstitutionelles Rechtsdenken hingegen, entlarvt sich die Begründung dieses aufgehobenen Haftbefehls gegen Ströbele unter anderem in diesem ihren Kernsatz. Ich zitiere: „Im Wege der sogenannten Öffentlichkeitsarbeit“, (und das ist ja der immer wiederkehrende Vorwurf gegen die standesrechtlich verfolgten Anwälte aus diesem Verfahren) „im Wege der sogenannten Öffentlichkeitsarbeit hat der Beschuldigte, Ströbele nämlich, entgegen seiner Aufgabe als Organ der Rechtspflege im Sinne der Baader-Meinhof-Bande“, (so heißt es in einem Haftbefehl eines deutschen Amtsgerichts) „an der Kampagne gegen die Justiz mitgewirkt und damit den demokratischen Rechtsstaat der Bundesrepublik Deutschland und die in ihr grundgesetzlich verankerte Gesellschaftsordnung bekämpft.“ Eine tolle Art von Schlußfolgerung. Das Zitat ist beendet. Erinnert man sich, so möchte ich abschließend anfügen, daß diese sogenannte Öffentlichkeitsarbeit Folge völliger Erfolglosigkeit rechtlicher Mittel zum Schutz gefangener Mandanten war, da läßt dieser Text des Berliner Haftrichters Schulz-Manecke keine Vorstellung mehr erkennen von Schutzaufgabe und von Treuepflicht des Verteidigers, legt vielmehr vergangen geglaubtes Rechtsdenken bloß und ich zitiere: „Aus dieser Organfunktion des Anwalts nämlich folgt, daß der Anwalt trotz seiner freien Stellung und trotz seiner privatrechtlichen Beziehung zu seinem Mandanten mit seiner ganzen Person zum Staat in demselben besonderen Treueverhältnis steht, das die Stellung des Beamten charakterisiert.“ Ende dieses Zitats. Und dieses letzte Zitat habe ich entnommen der Schrift von Hansen in der Zeitschrift Deutsches Recht, Jahrgang 1944 auf der Seite 355.

Vors.:

Zunächst erhält jetzt die Bundesanwaltschaft das Wort. Sie hat [1446] sich gemeldet. Sie hat sich zuerst gemeldet, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

RA Sch[ily]:

Es ist vielleicht sinnvoller, wenn erst mal die Verteidigung zu Ende dann begründet und dann die Bundesanwaltschaft ...

Vors.:

Es geht im Augenblick um den Antrag von Herrn Baader, das hat Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann zu vertreten, nicht Sie, Herr Rechtsanwalt Schily.

Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, ich darf Ihnen das Wort erteilen.

RA Dr. H[eldmann]:

Verzeihung, dann bitte ich zunächst um das Wort für Herrn Baader selbst.

Vors.:

Kommt anschließend. Ich sage der Reihe nach. Bitte Herr Bundesanwalt.

RA Dr. H[eldmann]:

Verzeihen Sie Herr Vorsitzender, ... oder wollen Sie stückweise die Bundesanwaltschaft diesen Antrag unterbrechen lassen.

Vors.:

Die Bundesanwaltschaft hat sich sofort gemeldet, als Sie bestimmte Ausführungen gemacht haben in Ihrer Ausführung. Sie hat jetzt zeitlich den Vorrang. Bitte.

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Baader möchte selbst den Antrag weiter begründen, das habe ich vorhin ...

Vors.:

Ja, das kann er ja anschließend tun und dann kann die Bundesanwaltschaft sich dazu wieder äußern. Bitte.

BA Dr. W[under]:

Die Gegenvorstellungen des Herrn Rechtsanwalts Dr. Heldmann beantrage ich zurückzuweisen. Das Prozedere bei den Justizbehörden in Berlin hat dieses Verfahren nach Ansicht der Bundesanwaltschaft niemals tangiert, berührt es aber nach der dortigen Entscheidung der Strafkammer zumindest jetzt nicht mehr. Schärfstens weise ich die Unterstellung von Herrn Rechtsanwalt Dr. Heldmann zurück, die Bundesanwaltschaft habe in irgendeiner Form auf die Berliner Entscheidung, d.h. auf die Entscheidung eines unabhängigen deutschen Gerichts, Einfluß genommen. Herr Rechts- [1447] anwalt Dr. Heldmann, ich glaube das ist ein Punkt in Ihren Ausführungen gewesen, wo Sie weit über das Ziel hinausgeschossen sind. Ich wiederhole nochmals, daß Herr Rechtsanwalt Ströbele im hiesigen Ausschlußverfahren hinreichend Gelegenheit zur Stellungnahme zu den maßgeblichen Vorwürfen gehabt hat. Zu den Vorwürfen, die im großen und ganzen auch Gegenstand des Berliner Verfahrens sind. Herr Rechtsanwalt Ströbele war zum Ausschlußverfahren geladen worden, er war dort nicht einmal erschienen. Das ist seine Verantwortung und das ist Sache seines Mandanten. Ich wiederhole im übrigen nochmals, meine Stellungnahme aus dem letzten Sitzungstag, ich beziehe mich voll inhaltlich hierauf. Im übrigen meine ich abschließend, daß über diese Gegenvorstellungen nebenher, d. h. neben der Hauptverhandlung entschieden werden kann. Zu einer sofortigen Entscheidung hierüber und wiederum zu einer, wenn auch vielleicht nur kurzen Unterbrechung der Hauptverhandlung, besteht nicht der geringste Anlaß.

Vors.:

Herr Baader.

Angekl. B[aader]:

Zunächst ... ja dann lassen Sie doch bitte erst Herrn Schily sprechen, er möchte unmittelbar etwas dazu sagen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, wollen Sie jetzt Ausführungen machen.

RA Sch[ily]:

Ich möchte zunächst einmal etwas dazu ausführen.

Vors.:

Darf ich fragen für Herrn Baader?

RA Sch[ily]:

Nein, nein. Das wissen Sie doch, daß ich Frau Ensslin vertrete.

Vors.:

Dann bitte ich um Antragstellung, damit wir erkennen können, daß der Antrag, oder das was Sie ausführen wollen, mit dem jetzt gestellten Antrag, im Rahmen einer Gegenvorstellung, etwas zu tun hat.

RA Sch[ily]:

Ich beantrage auch, die Unterbrechung der Verhandlung, der Hauptverhandlung, und Vorlage der Akten an den I. Strafsenat zur [1448] Prüfung, ob nicht neue Tatsachen vorliegen, die eine erneute Beschlußfassung erforderlich machen[e].

Vors.:

Bezüglich wem?

RA Sch[ily]:

Ensslin. Wenn Sie sich erinnern ...

Vors.:

Was soll der I. Strafsenat im Augenblick für eine Entscheidung treffen im Zusammenhang mit Frau Ensslin.

RA Sch[ily]:

Das ist ein gleichlautender Antrag, den auch der Kollege Dr. Heldmann gestellt hat, aber im Bezug auf meine Mandantin Ensslin. Wie bitte?

Vors.:

Es ist wohl so gegangen, daß sich Herr Rechtsanwalt Ströbele auch für Frau Ensslin gemeldet hat.[12]

RA Sch[ily]:

Ganz recht.

Vors.:

Dann ist der Zusammenhang klar.

RA Sch[ily]:

Bundesanwalt Dr. Wunder, vielleicht darf ich darauf zunächst einmal eingehen, hat hier eine unrichtige Tatsache vorgetragen, wenn er behauptet hat, Herr Ströbele sei zu der Ausschlußverhandlung, in dem Verfahren gegen Andreas Baader, nicht erschienen. Er hat sich allerdings seinerzeit geweigert, sich einer Leibesvisitation zu unterziehen und hat gesagt, das sei wohl, man sagt ja so gern immer Organ der Rechtspflege, ob das der richtige Ausdruck für einen Anwalt ist, das ist ja umstritten.[13] Aber jedenfalls das wird ja immer so gerne als Wappen für die Anwälte aufgerichtet. Er hat gesagt, das sei eines Organes der Rechtspflege eigentlich nicht angemessen, daß man ihn für eine Verhandlung, in der sogar noch nicht einmal dann Andreas Baader anwesend sein konnte, unwürdig sich vorher einer Leibesvisitation unterziehen zu müssen. Aus diesem Grunde hat er die Teilnahme an der Verhandlung abgelehnt und es wurde auch abgelehnt, die Verhandlung in [1449] das dafür vorgesehene Gebäude des Oberlandesgerichts zu verlegen. Aus diesem Grunde war es ihm nicht möglich, in der mündlichen Verhandlung seine Argumente vorzutragen. Im übrigen ist die Situation in der Tat in einem Ermittlungsverfahren eine andere, als in einem Ausschlußverfahren, hinsichtlich des Ausmaßes dessen, was ein Anwalt dann erklären kann oder nicht. Dazu hat der Kollege Heldmann bereits Ausführungen gemacht. Es ist keine Überraschung, daß die Bundesanwaltschaft und der Senat in dem heute verkündeten Beschluß sich nun zu stützen glaubt auf die Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 22.7.1975. Sie haben sich mit großer Entrüstung gegen die Ausführungen des Kollegen Heldmann gewandt, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, aber immerhin sollte man nicht verkennen und nicht übersehen, den Hergang, wie es zu diesem Beschluß gekommen ist. Der Beschluß ist offenbar am Abend, am Abend, mindestens in den späten Nachmittagsstunden des 22.7.1975 gefaßt worden. Auf dem, ich habe heute per Eilboten diesen Beschluß bekommen, der ist also auf der Geschäftsstelle eingegangen am 23.7., der Geschäftsstelle des Landgerichts am 23.7.1975, das war also gestern. Er datiert vom 22.7.1975 und der Kollege Spangenberg, mein Mitverteidiger in dem Verfahren gegen Kollegen Ströbele, hat sich gestern nachmittag, also etwa so um halbdrei, drei, noch einmal beim Landgericht erkundigt, wie der Sachstand ist, und da hieß es also, man sei in der Beratung. Das ist also ein Hinweis darauf, daß also erst am Abend, des Dienstagabend, 22.7.1975, dieser Beschluß zustande gekommen ist. Man hat bei der Beschlußfassung des Landgerichts eine Stellungnahme, eine Beschwerdebegründung der Staatsanwaltschaft vor sich gehabt, die einen Umfang von 18 Seiten hat, die Anlagen nicht mitgerechnet. Ich habe seinerzeit ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, entschuldigen Sie bitte, wenn ich Sie frage, was hat das mit unserer Entscheidung hier zu tun.

RA Sch[ily]:

Das hat doch sehr viel zu tun damit, inwieweit diese Entscheidung des Landgerichts irgendein Argument hergibt für die Entscheidung auf meinen Antrag.

Vors.:

Für was gibt das ein Argument. Der Senat ...

[1450] RA Sch[ily]:

Lassen Sie mich doch das ausführen, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, der Senat hat mit dem Landgericht in Berlin nicht das Mindeste zu tun, er entscheidet.

RA Sch[ily]:

Ja eben. Aber Sie haben sich doch auf die Entscheidung berufen, dann darf ich doch vielleicht über das Zustandekommen dieses Beschlusses etwas sagen oder nicht.

Vors.:

Ich finde, das gehört nicht zu dieser Sache hier. Wenn Sie an dem Verfahren in Berlin Kritik üben wollen ...

RA Sch[ily]:

Aber Herr Vorsitzender, lassen Sie mich doch ausführen, was Sie dann nachher zum Schluß darüber beraten, das kann ja dann vielleicht der Senat sich darüber Entschließung fassen.

Vors.:

Aber ich möchte Sie daran erinnern, daß Sie möglichst in dem Rahmen bleiben sollen.

RA Sch[ily]:

Ich bin der Meinung, daß das zur Sache gehört, Herr Vorsitzender und lassen Sie mich doch meine Ausführungen hier ohne Unterbrechung zu Ende bringen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, Ihre Meinung in Ehren, aber sie muß nicht immer richtig sein.

RA Sch[ily]:

Das sicherlich nicht. Jeder Mensch kann irren.

Vors.:

Also bitte erinnern Sie sich daran und bleiben Sie in unserem Rahmen hier.

RA Sch[ily]:

Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich an diese Erkenntnis auch einmal erinnern würden. Ich darf noch einmal anknüpfen. 18 Seiten hat diese Beschwerdebegründung mit teilweise neuen, tatsächlichen Vorbringen, der in der mündlichen Verhandlung zur Haftprüfung nicht Gegenstand der Verhandlung waren. Wir haben ausdrücklich in dem Verfahren eine mündliche Anhörung beantragt. Wir haben ferner ausdrücklich gebeten, eine Ab- [1451] schrift dieser Beschwerdebegründung zur Stellungnahme zuzuleiten. Aber in seiner Eilfertigkeit, man mag das Wort werten wie man will, in seiner Eilfertigkeit hat das Landgericht Berlin gemeint, es kann von einer Anhörung, was ja zu den vornehmsten Pflichten eines Richters gehört, rechtliches Gehör zu gewähren in einem Rechtsstaat, davon hat es abgesehen mit einer wirklich fadenscheinigen Begründung, die ich Ihnen jetzt einmal verlesen darf. Da heißt es nämlich auf Seite 5 des Beschlusses: „Von einer Anhörung des Beschuldigten zu dem Beschwerdevorbringen der Staatsanwaltschaft vor Erlaß der vorliegenden Entscheidung war gem. § 33 Abs. IV der StPO[14] abzusehen. Die mit einer solchen Anhörung verbundene Verzögerung der Entscheidung, würde den Zweck der angeordneten Maßnahme, nämlich der Fluchtgefahr entgegen zu wirken, gefährden.“ Das muß man sich einmal vorstellen. Also die Anhörung unterbleibt wegen angeblicher Fluchtgefahr. Der Kollege Ströbele ist am Montag noch zu dem Vorsitzenden hingegangen und hat gesagt, hören Sie einmal zu, ich habe jetzt ab Dienstag, er hat ihm sämtliche Termine genannt. Er hat gesagt, ab Dienstag bin ich beim Schwurgericht in Koblenz. Er hat dem Landgericht angekündigt, die Hoteladresse, wo er zu erreichen sei.

Vors.:

Ich bitte Sie jetzt, Herr Rechtsanwalt, zur Sache zu kommen. Es hat mit unserer Entscheidung schlechterdings nichts zu tun.

RA Sch[ily]:

Das hat genau was damit zu tun, wenn Sie sich auf eine solche Entscheidung berufen ...

Vors.:

Es hat nichts damit zu tun.

RA Sch[ily]:

... die unter Niederwalzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs zustande gekommen ist, dann hat das was damit zu tun.

Vors.:

Sie haben die Möglichkeit ...

-Beifall auf der linken Besucherseite im Sitzungssaal (vom Richtertisch aus gesehen).-

[1452] Vors.:

Ich darf folgendes sagen. Wenn sich hier im Saale auf der linken Seite weiterhin diese Unruhe bemerkbar macht, dann werden wir Sie entfernen lassen aus dem Saale. Darüber müssen Sie sich klar sein.

RA Sch[ily]:

Ach, das ist aber interessant, Herr Vorsitzender. Es ist das erste Mal, daß Sie eine solche Androhung vornehmen.

-Wiederholter Beifall im Sitzungssaal auf der linken Besucherseite (vom Richtertisch aus gesehen).-

RA Sch[ily]:

Das ist interessant, daß Sie diese Androhung das erste Mal vornehmen wenn Beifall kommt, wenn die Ausführungen der Verteidigung gemacht werden. Aber wenn Beifall kommt für Herr Bundesanwalt Dr. Wunder oder für Sie selbst, dann habe ich solche Androhungen noch nie gehört.

-Beifall auf der linken Besucherseite im Sitzungssaal (vom Richtertisch aus gesehen)-[f]

Vors.:

Herr Rechtsanwalt ...

RA Sch[ily]:

Noch nie.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, nehmen Sie es bitte zur Kenntnis, daß ich es bis jetzt jedesmal gerügt habe. Ich habe bis jetzt den ...

RA Sch[ily]:

Aber die Androhung, die Androhung, den Saal zu räumen, die höre ich zum ersten Mal heute.

Vors.:

Würden Sie mich jetzt mal aussprechen lassen. Ich habe drei oder viermal gehört, wie Beifall für Sie kam aus der linken Seite und ich habe nichts gesagt. Bei der ständigen Steigerung des Beifalles habe ich Grund gehabt, diesmal eine Androhung auszusprechen, wogegen bisher jedesmal Ruhe war, wenn ich darum gebeten habe. Ich bitte Sie jetzt nochmals, wenn Sie interessiert sind, an dem Verfahren weiterhin teilzunehmen und zu hören, was los ist, dann hören Sie mit Beifalls- oder Mißfallenskundgebungen, nach welcher Seite auch immer, auf, sonst muß diese Androhung wahr gemacht werden. Es liegt nicht in unserem Interesse, es liegt in Ihrem Interesse, ob Sie hierbleiben können.

[1453] Herr Rechtsanwalt ich bitte Sie nochmals, dessen ein Gedenk zu sein. Wenn Sie das Verfahren in Berlin beanstanden wollen, so gibt es dort eine Beschwerdeinstanz. Wir sind sie nicht.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, darum geht es nicht. Sie berufen sich auf einen Beschluß des Landgerichts Berlin. Die Bundesanwaltschaft tut das. Und dann ist es mein gutes Recht, das Zustandekommen und auch den zeitlichen Zusammenhang mit diesem Verfahren darzustellen. Und wenn Sie mir dazu das Wort verbieten, bitteschön.

Vors.:

Ich verbiete Ihnen das Wort dazu nicht, sondern ich habe Sie gebeten zur Sache zu kommen.

RA Sch[ily]:

Das gehört zur Sache. Das ist die Sache hier.

Vors.:

Es gehört nicht zur Sache, daß Sie hier in dieser[g] aggressiven Weise die Verfahrensweise in Berlin angreifen. Dort können Sie jederzeit beim Kammergericht Ihre Beschwerde Vorbringen, in dieser Art.

RA Sch[ily]:

Sie berufen sich doch auf diese Entscheidung des Landgerichts. Und dann ist es meine Pflicht, nicht nur mein Recht, meine Pflicht, darauf hinzuweisen, wie diese Entscheidung zustande gekommen ist.

Vors.:

Wollen Sie etwa erwarten, bei der Entscheidung, die wir zu treffen haben, daß wir nicht das wenigstens erwähnen, was in Berlin geschehen ist, mehr ist doch nicht passiert.

RA Sch[ily]:

Und wollen Sie von mir erwarten, daß ich nicht erwähne, wie diese Entscheidung zustande gekommen ist.

Vors.:

Ja, das erwarte ich. Weil Sie dort die Beschwerdemöglichkeiten haben.

RA Sch[ily]:

Nein, das nicht. Sie erwähnen diese Entscheidung. Sie ist sogar Grundlage Ihres Beschlusses und dann ist es für Sie wichtig zu wissen, wie die zustande gekommen ist.

[1454] Vors.:

Die ist nicht Grundlage des Beschlusses. Das ist eine grundsätzliche Täuschung.

RA Sch[ily]:

Na, dann weiß ich nicht, was sie überhaupt dann in diesem Beschluß zu suchen hat. Was hat sie dann da zu suchen.

RA Dr. H[eldmann]:

Warum haben Sie sie dann so ausführlich zitiert. Im übrigen bitte ich Sie, sie zu beachten ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, jetzt hat im Augenblick Herr Rechtsanwalt Schily das Wort.

RA Dr. H[eldmann]:

Das hat Herr Schily nicht, weil Sie das Wort dauernd nehmen.

Vors.:

Ich habe jetzt im Augenblick Anlaß gehabt zu sagen, es möge sich Herr Rechtsanwalt Schily ... Er darf selbstverständlich diese Dinge vortragen, aber er soll sie kurz fassen. Es ist nicht unser Problem hier, was in Berlin geschehen ist.

RA Sch[ily]:

Ich fasse mich so lange und so kurz, wie ich das für erforderlich halte, Herr Vorsitzender. Das nehmen Sie bitte zur Kenntnis.

RA Dr. H[eldmann]:

Die Antragsbegründung eines Verteidigers ist seine eigene Sache und nicht Ihre, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Zur Beruhigung aller Gemüter mache ich jetzt eine Pause.

-Großes Gelächter im Sitzungssaal-

RA Sch[ily]:

Ich protestiere gegen die Pause, Herr Vorsitzender. Ich protestiere gegen die Pause.

Pause von 9.39 bis 9.45 Uhr

Ende von Band 57

[1455] Fortsetzung der Verhandlung um 9.45 Uhr

Vors.:

Ich bitte Platz zu nehmen.

Herr Rechtsanwalt Schily, Sie haben das Wort.

RA Sch[ily]:

Ich stelle zunächst einmal fest, wenn wir eine Beratungspause benötigen, daß die dann sehr schnell verweigert wird. Zum Beispiel auch, ich darf daran erinnern im Zusammenhang mit der Ankündigung eines Ablehnungsgesuches, wurde hier ja sehr mit ziemlich harten Worten dann die Pause zurückgewiesen. Wenn sich aber hier eine Unterbrechung des Vortrages des Verteidigers eingehend auswirkt, daß etwas schärfere Worte fallen, dann scheint der Senat sehr freigiebig mit Pausen zu sein. Auch das ist immerhin ein Hinweis auf die Verfahrensweise, die hier eingeschlagen wird. Damit der Zusammenhang hergestellt wird, scheint es mir erforderlich zu sein, noch einmal anzuknüpfen an meinen Ausführungen hinsichtlich des Zustandekommens des Beschlusses des Landgerichts Berlin vom 22. Juli 1975, auf den sich sowohl der Senat, als auch die Bundesanwaltschaft gestützt hat. Wohlgemerkt, der Beschluß ist allem Anschein nach in den späten Nachmittagsstunden oder am Abend des 22. Juli 1975 zustande gekommen. Die Ausfertigungen oder die beglaubigte Abschrift trägt dann erst das Eingangsdatum - eingegangen am 23. Juli 1975 bei der Geschäftsstelle des Landgerichts Berlin - und mein ... der Kollege Spangenberg hatte sich noch gestern nachmittag (14.30 Uhr - 15.00 Uhr) erkundigt und da hieß es, das Landgericht ist noch in der Beratung. Ich darf auch noch einmal verlesen, aus welchen abenteuerlichen Gründen das Landgericht von einer Anhörung des Beschuldigten und seiner Verteidiger zu dem Beschwerdevorbringen der Staatsanwaltschaft, das 18 Seiten, die Anlagen nicht mitgerechnet, umfaßt, abgesehen hat. Es heißt in dem Beschluß „von einer Anhörung des Beschuldigten zu dem Beschwerdevorbringen der Staatsan- [1456] waltschaft vor Erlaß der vorliegenden Entscheidung, war gemäß § 33 Abs. 4 StPO, abzusehen. Die mit einer solchen Anhörung verbundene Verzögerung der Entscheidung, würde den angeordnete ... würde den Zweck der angeordneten Maßnahme, nämlich der Fluchtgefahr, entgegenzuwirken[h], gefährden. Man muß es auch vielleicht auch einmal in Beziehung setzen, wie eigentlich, wie lange man gebraucht hat, um in der ersten Instanz eine Entscheidung herbeizuführen, hinsichtlich der Haftentlassung. Das hat nämlich gedauert, von 23. Juni bis 18. Juli 1975. Also mehr als 3 Wochen ist benötigt worden, um eine Haftentscheidung dann herbeizuführen. Aber die Aufhebung eines Beschlusses des Amtsgerichts Tiergarten, da kann man also innerhalb von 4 Tagen ohne Anhörung des Beschuldigten, befinden.

Das Landgericht Berlin hat sich offenbar überhaupt nicht mit der Einlassung des Kollegen Ströbele, der sehr ausführlichen Einlassung des Kollegen Ströbele vor dem Amtsrichter, auseinandergesetzt. Und insofern hat Herr Bundesanwalt Dr. Wunder gar nicht einmal unrecht, es geht gar nicht um die, um die neue Tatsache in Form einer anderen Rechtsaufassung, sondern die neue Tatsache, die der erste Strafsenat des Oberlandesgerichts zu würdigen hat, ist die Einlassung des Kollegen Ströbele, der ja nicht nur abgesehen von der neuen Situation, in einem gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahren die Möglichkeit hatte, sich zu äußern, sondern auch deshalb, weil jetzt erst in diesem Verfahren der Ansatz gemacht wurde, seitens des Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Berlin, ihn nun eigentlich mit den konkreten Vorwürfen zu konfrontieren, die ihm gemacht werden sollen. Man hat ja bisher immer einfach irgendeinen Wust, so einen Packen sogenannter aufgefundener Schriftstücke, sogenannter Zellenzirkulare und ähnliches, wie so dieser gängigen Bezeichnungen sind, konfrontiert, ohne nun im Einzelnen zu sagen, was wird ihm denn eigentlich davon zugeordnet, was soll er da in irgendeiner Beziehung; in welcher Beziehung soll er da stehen. Das ist das erste Mal, [1457] daß das überhaupt hier in dem Verfahren ansatzweise versucht worden ist. Und dazu gibt es eben Erklärungen des Kollegen Ströbele, und es ist eine nahezu demagogische Verzerrung der Wahrheit, wenn jetzt hier aus dem Beschluß des 1. Strafsenats zitiert wird, irgendeine Geschichte mit einem Zünder oder ähnlichem und dann gesagt wird im Anschluß daran, also Zitat aus diesen Ausführungen, die Verbreitung dieser Informationen hätte der Kollege Ströbele als Vorbereitung des Verteidigung bezeichnet.

Ich kann aus der Übernahme einer solchen, eines solchen Zitats aus dem ersten, aus dem Beschluß des 1. Strafsenats nur entnehmen, daß der Senat die Einlassung des Kollegen Ströbele überhaupt nicht gelesen hat. Denn in dieser Einlassung wird ausdrücklich auf dieses Schriftstück eingegangen und gesagt, ein solches Schriftstück hätte selbstverständlich der Kollege Ströbele nicht weitergegeben oder in irgendeiner Form das als Vorbereitung der Verteidigung ... Er hat im Gegenteil dazu gesagt, er hat von diesem Schriftstück erstmalig erfahren, im Zusammenhang mit einer Publikation in der Öffentlichkeit, und hat sich dann eine Kopie dieses Schriftstücks besorgt. Und das ist sein gutes Recht, wenn also solche Vorwürfe in der Öffentlichkeit ... Und wir wissen ja, daß ja selbst das Bundesinnenministerium sich nicht gescheut hat, hier Aktenteile im Wortlaut, unter Verstoß gegen strafrechtliche Bestimmungen, zu veröffentlichen, und das ist ja wohl das gute Recht des Verteidigers, wenn solche Publikationen auftauchen, sich dann auch, da die notwendigen Informationen zu beschaffen.

Im übrigen mal zwischendurch als kleine Fußnote, weil das ja auch in dem Beschluß vorkommt und ja auch die Bundesanwaltschaft vorgestern sich darauf gestützt hatte, es wird da diese Unterscheidung gemacht, „Tatverdacht“ schlechthin und „dringender Tatverdacht“. Da Amtsrichter Elit, der Richter am Amtsgericht Elit, und es gibt ja noch Richter in Berlin, der Richter am Amtsgericht Elit, der hat gesagt, „ich bin Haftrichter und für mich hat nun zu interessieren, ob ein [1458] dringender Tatverdacht vorliegt und ob Haftgründe vorliegen. Das ist nämlich von Interesse für den Erlaß oder die Aufhebung eines Haftbefehls und ob sonst ein Verdacht vorliegt, ein einfacher oder ein hinreichender oder was immer, das hat mich gar nicht zu interessieren, dafür bin ich gar nicht hier zuständig im Rahmen der Haftprüfung und er hat dazu überhaupt keine Stellungnahme abgegeben.“ Das ist das Entscheidende und das sollten Sie doch eigentlich mal zur Kenntnis nehmen, was die Funktion eines Haftrichters ist. Darüber hat er nämlich zu befinden. Und wenn, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, man hier von einem „hinreichenden Tatverdacht“ spricht - hinreichenden Tatverdacht - was ja heißt, die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Tatverdacht, und das Landgericht Berlin sich zur Begründung des dringenden Tatverdachts auf einen Beschluß des Bundesgerichtshofes vom 14. Aug. 1973 beruft, 73, dann wundere ich mich eigentlich, warum die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Berlin den Kollegen Ströbele so begünstigt hat, daß sie seit 2 Jahren keine Anklage erhebt. Warum eigentlich? Zwei Jahre wird nun hier immer operiert mit einem dringenden oder hinreichenden Tatverdacht, das jongliert ja wie ein Chamäleon ...

Gelächter auf der linken Besucherseite (vom Richtertisch ausgesehen)

... aber es wird keine Anklage erhoben. Da muß man sich doch wundern, wie eigentlich hier die rechtlichen Gepflogenheiten beschaffen sind.

Sie wollen sicher rügen, daß ich auf den Tisch geklopft habe, ich bitte um Entschuldigung.

Gelächter auf der linken Besucherseite (vom Richtertisch ausgesehen)

Vors.:

Nein, ich wollte Sie nicht rügen, sondern ich wollte nur sagen, ich verwarne jetzt diejenigen, die im Saal das als eine Veranstaltung sehen, die ihnen offenbar großes Vergnügen bereitet, zum letzten Mal. Nehmen Sie es bitte zur Kenntnis, wenn Sie hierbleiben wollen.

RA Sch[ily]:

War das die Heiterkeit, die jetzt auftauchte, die zu dieser [1459] letztmaligen Rüge Anlaß gab? Das ist mir doch sehr interessant.

Vors.:

Sie sind nicht gerügt worden.

RA Sch[ily]:

Nein nein, ich meine ja nur. Ich hatte auch keine Heiterkeit hier produziert, meine ich.

RA H[eldmann]: [i]

Gegen die unablässige Heiterkeit des Herrn Oberstaatsanwalt Zeis haben Sie sicher gar nichts einzuwenden?

RA Sch[ily]:

Solange sie sich akustisch bemerkbar nicht sicherlich, oder wie?

OStA Zeis:

Herr Vorsitzender, ... an sich darin gefällt, offenbar hier meinen[j] Gesichtsausdruck glaubt dauernd rügen zu müssen, bitte ich hierzu sofort kurze Erklärungen abgeben zu müssen.

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, es versetzt mich an und für sich in Erstaunen, welche Bedeutung Sie meinem Gesichtsausdruck beimessen. Ich selbst tue es nicht ...

RA H[eldmann]:

Das merkt man.

OStA Z[eis]:

... und ich würde Sie doch bitten, vielleicht es auch nicht zu tun. Auch die Bundesanwaltschaft verkneift sich den Gesichtsausdruck auf der Gegenseite zu beurteilen, sonst müßte man, wenn man vielleicht bösartig ...

RA Sch[ily]:

Herr Zeis, bitte ...

OStA Z[eis]:

... sonst man, wenn man vielleicht bösartig wäre, den Gesichtsausdruck teilweise drüben, als verkniffen bezeichnen, aber ich glaube doch in dieser Art und Weise sollten wir nicht weiterverfahren hier.

RA Sch[ily]:

Als verkniffen?

RA H[eldmann]:

Als verkniffen.

[1460] Vors.:

Sie sind doch nicht angesprochen, Herr Rechtsanwalt Schily, es scheint mir ...

RA Sch[ily]:

Das weiß ich, aber vielleicht können wir mal fragen, wer angesprochen ist.

RA v[on] P[lottnitz]:

Dann soll er sich eine bessere Brille beschaffen. (Zu Herrn Oberstaatsanwalt Zeis)

Vors.:

Können Sie, können Sie keine Gelegenheit auslassen ...

RA Sch[ily]:

Es wäre doch interessant, wäre es, wenn hier nun ... wo ist der Verkniffene, das ist doch interessant. Wir wollen doch mal die Psychologie der Bundesanwaltschaft ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, machen Sie jetzt bitte mir Ihrem Vortrag weiter. Fahren Sie fort.

RA Sch[ily]:

Also, ich verkneife mir dann zum Verkniffenen was zu sagen.

Vors.:

Schön, verkneifen Sie’s sich.

RA Sch[ily]:

Ich sagte, eine nahezu demagogische Verzerrung der Wahrheit, wenn man sagt, Verbreitung dieser Informationen hätte nach der Auffassung des Kollegen Ströbele der Vorbereitung der Verteidigung gedient. Das Gegenteil hat, ergibt seiner Einlassung und wie gesagt, ich muß mich wundern, mit welcher Fahrlässigkeit diese Einlassung nicht gewürdigt wird. In der mündlichen Verhandlung, die zu dem Beschluß des Richters am Amtsgericht Tiergarten Elit geführt hat, und eine solche mündliche Verhandlung ist ja sehr nutzbringend, sehr nutzbringend, weil da Argument gegen Argument gestellt werden kann. Und ich will Ihnen gar nicht verschweigen, ich will Ihnen gar nicht verschweigen, daß der Richter am Amtsgericht Elit zunächst einmal auch Bedenken hinsichtlich der Frage des [1461] Verdachts hatte, er aber nach der Erörterung im, in der mündlichen Verhandlung dann zu der Erkenntnis gelangt ist zu sagen, da ist ja nichts vorhanden, was einen dringenden Tatverdacht rechtfertigt. Und man kann es nur als Flucht vor der Wahrheit bezeichnen, daß das Landgericht Berlin sich davor scheut, in einer solchen mündlichen Verhandlung, Argument gegen Argument zu stellen. Das ist, ich kann es nur so bezeichnen, die Angst, hier sich mit der Wahrheit beschäftigen zu müssen. Wir wollen doch einmal Punkt für Punkt erörtern, was immer hier an Behauptungen auftaucht, was da für ein Hebel veranstaltet wird und was dann eigentlich von diesem Hebel übrigbleibt, wenn man sich mit den Fakten beschäftigt. Es wird, und Sie haben das ja auch diktiert, behauptet, ja da seien nun Auszüge aus Presseveröffentlichungen über Flammenwerfer und Handgranaten und Polizeiorganisation und was nicht alles entsetzliches, den Mandanten zur Kenntnis gelangt. Und das hätte ja nun überhaupt mit Verteidigung nicht das Geringste zu tun, „Sprengstoffherstellung“ ähnliches. Ich meine abgesehen davon, daß ja hier Sprengstoffdelikte, daß hier bestimmte polizeiliche Maßnahmen, daß hier ein sehr kompletter Vorgang einer Auseinandersetzung mit Polizeiorganen Gegenstand der Hauptverhandlung sein wird. Und selbstverständlich die Information, die in öffentlich zugänglichen Publikationsorganen enthalten sind zur Vorbereitung der Verteidigung dienen können, ist das ja nicht etwas, was nun die Verteidigung etwa auszeichnet, daß sie sagt, die hat also abstruse Ideen von dem Umfang von Verteidigung, sondern ich kann Ihnen verlesen einen Beschluß des Landgerichts Hamburg, des Untersuchungsrichters vom 21. November 1974, in dem es heißt, „in der Voruntersuchungssache gegen Gerhard Müller“.

„Die Staatsanwaltschaft“ - aus den Gründen zitiere ich - in der also der Antrag der Staatsanwaltschaft, dem Angeschuldigten, den Bezug von Büchern, Zeitschriften und Informationsmaterial und den damit zusammenhängenden Schriftverkehr auf bestimmten Sachgebieten zu untersagen, abgelehnt wird und da heißt es [1462] in den Gründen „die Staatsanwaltschaft hat beantragt, den in Untersuchungshaft befindlichen Angeschuldigten den direkten Bezug von Büchern, Zeitschriften und Informationsmaterial und den zusammenhängenden Schriftverkehr, soweit er sich auf die Gebiete ‚Waffen, Polizeiorganisation und Polizeitaktik, Kriegstechnik, innere Sicherheit, Bundeswehr, Bundesgrenzschutz, Datenverarbeitung und Elektronik (Fernzündung)‘, bezieht, zu untersagen. Dieser Antrag ist abzulehnen.“ abzulehnen. Der Untersuchungsrichter beim Landgericht Hamburg am 21. November 1974 hat diese Entscheidung getroffen und hat offiziell dieses Material, dieses Informationsmaterial, zum Bezug durch den Untersuchungsgefangenen zugelassen[k].

Und so etwas kommt in solchen Beschlüssen überhaupt nie vor, daß mal ein solcher Beschluß zitiert wird. Hat denn dieser Richter sich jetzt der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung schuldig gemacht? Wollen Sie das behaupten? Oder ist es so, meine Herren vom 2. Strafsenat, daß jeweils dann etwas kriminelles, wenn es ein Anwalt macht, und wenn es ein Richter macht, dann ist es eben nicht kriminell. Das ist doch, das ist doch dann eine interessante Rechtsauffassung. Und was dieses Material anbelangt, Polizeizeitung, Bezug von Polizeizeitung. Sie wissen doch ganz genau, Sie wissen doch ganz genau, daß sämtliche Bücher, Zeitschriften und ähnliches über die Gerichte, über den Richtertisch gelaufen sind und daß die Richter sogar gesagt haben, daß die Anwälte diejenigen sein sollen, die diesen Bezug vermitteln sollen. Das ist uns ja sogar als Auftrag von den Gerichten zugeteilt worden, und jetzt in geradezu monströser Verkehrung der Tatsachen wird gesagt, ja das ist aber eine kriminelle Tätigkeit, die diese Anwälte entfaltet haben. Das ist doch monströs, so etwas. Und damit wird nun seit Jahraus, Jahrein gearbeitet. Und dann wurde gesagt in der mündlichen Verhandlung bei dem Amtsrichter Elit, ja so wurde seitens der Staatsanwaltschaft argumentiert: Ihr habt aber einen Infor- [1463] mationsfluß zwischen diesen Untersuchungsgefangenen vermittelt, die konnten ihre politischen Auffassung, die ja zum Teil also revolutionär sind, auf den Umsturz des Staates ausgerichtet sind, den habt ihr vermittelt und ihr damit den Zusammenhalt dieser Gruppe gefördert. Und das ist ja das Entscheidende, denn die Gruppe setzt sich ja sozusagen fort in der Haftanstalt und nun der Zusammenhalt der Gruppe, das ist es, der organisatorische Zusammenhalt und solche Windungen und Wendungen, die kommen ja auch in den Beschlüssen des 1. Strafsenats vor, des Oberlandesgerichts. Nun frage ich mich wieder, ist denn etwas kriminell, wenn es also hier ein Anwalt tut und ist es nicht kriminell, wenn es ein Richter tut, denn die Gerichte haben doch, oder täusche ich mich da, einen[l] Informationsfluß, der ja nun also größer gar nicht mehr dann sein kann, oder doch[m] ... Ja größer vielleicht könnte er doch sein, aber jedenfalls ist er vorhanden, größer könnte er vielleicht sein. Sie haben ihn ja doch ermöglicht, durch Zusammenschluß. Sie haben ihn ja doch ermöglicht, in Hamburg sind doch Gefangene zusammengeschlossen worden.[15] Es ist doch hier in ... in Stuttgart sind doch pärchenweise die Gefangenen zusammengeschlossen worden und zum Teil sind sie auch zu viert zusammengeschlossen worden. Ja, ist das jetzt, ... Da können Sie auch sagen, das fördert den Zusammenhalt der Gruppe. Der Vorsitzende dieses Strafsenats in richtiger Erkenntnis[n] der, des Charakters der Anklage, nämlich einer Blockanklage hat, solange das Gesetz nicht unterbunden worden ist, durch die Lex-RAF die gemeinsame Verteidigung zugelassen[16] und auch die gemeinsame Vorbereitung der Verteidigung. Damit natürlich auch den Austausch der politischen Vorstellungen der Mandanten. Ja ist denn das jetzt kriminell, ist das kriminell? Und wissen Sie, wenn man natürlich immer sozusagen apodiktisch davon ausgeht von vorherein, bevor überhaupt das erste Wort der Beweisaufnahme gefallen, daß es sich um eine kriminelle Vereinigung handelt.

Um 10.08 Uhr erscheint Staatsanwalt Holland

[1464] RA Sch[ily]:

Das müßte man ja auch einmal sich vor Augen führen, Sie gehen immer so schlankweg davon aus - kriminelle Vereinigung - das ist ja schon feststehende Tatsache, oder ich weiß nicht historisch feststehend, oder wie wollen Sie das eigentlich machen. Dann können Sie natürlich immer sagen, jede, jede Handlung des Verteidigers, die in dem Zusammenhang entfaltet wird, ist Unterstützung, objektiv. Sehen Sie mal, wenn ich dann, wenn es mir gelingt, einem Mitglied der also jetzt, oder einem, was Sie dann immer schon vor vornherein als Mitglied bezeichnen der kriminellen Vereinigung, dann sagen Sie, um zu einem Freispruch zu verhelfen, dann sagen Sie, ah ja das ist ja eine, das ist ja eine ganz schlimme Unterstützung einer kriminellen Vereinigung, können Sie objektiv dann immer sagen. Dann bleibt sozusagen alles, was Sie unternehmen, als Verteidiger, und Sie unterstützen ja einen Mandanten als Verteidiger, so würde ich jedenfalls denken. Ein Verteidiger ist immer ein Unterstützer, der muß nämlich unterstützen in der Verteidigung und wenn eben jegliche Unterstützung eben dann etwas Kriminelles ist, dann weiß ich eigentlich nicht mehr, ob man eigentlich den Rechtssatz aufstellen will, daß die Verteidigung von Personen, denen die Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen wird, verboten ist. Wird diese Verteidigung praktisch verboten. Darauf würde es dann letztlich dann nämlich hinauslaufen. Nun meine Damen, meine Herren vom Strafsenat, jetzt sind[o] wir bei den Zellenzirkularen. Bei den Zellenzirkularen muß im Einzelnen geprüft werden, welches Schriftstück in irgendeiner Beziehung zu dem Kollegen Ströbele gebracht werden sollen. Das muß geprüft werden. Im übrigen, Herr Vorsitzender, Sie sagten doch die Heiterkeit ist irgendwie störend, ich würde doch vorschlagen, daß mindestens der Senat dann davon absieht diese Störung vorzunehmen. Ware ich Ihnen ganz dankbar, also ich meine, ich ...

Vors.:

Sie werden zugeben, daß Sie über Ihre Anrede des Senats [1465] „meine Damen“ selbst gelacht haben. Das war der einzige Grund ...

RA Sch[ily]:

Sicherlich, natürlich. Ich habe ...

Vors.:

... bisher.

RA Sch[ily]:

... selber gelacht, ich meine nur, sind wir ja inzwischen ... haben wir uns ja schon wieder davon entfernt, nicht, und ich dachte, Sie können so schnell reagieren, daß Sie dann Ihre Heiterkeit ...

Vors.:

Ich habe nicht mehr gelacht, ich habe es unterdrückt[p], das werden Sie bemerkt haben.

RA Sch[ily]:

Nein nein, ich habe ja auch, ich habe von den Mitgliedern des Senats gesprochen.

Es muß also im Einzelnen geprüft werden, welche Schriftstücke denn eigentlich, und dann werden Sie feststellen, daß aber nichts, aber auch nicht das Schwarze unterm Fingernagel an den Vorwürfen aufrecht erhalten werden kann, die vermeintlich dem Kollegen Ströbele zu machen sind. Nun ist in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsrichter Elit auch erörtert worden, der subjektive Tatbestand. Aber ich darf eins vielleicht nicht vergessen, das ist interessant, das ist vielleicht auch die Dimension dessen, was die Staatsanwaltschaft so allmählich kriminalisieren will, doch sehr eindeutig beleuchtet, denn die Staatsanwaltschaft sogar hat gesagt, die Weitergabe einer Prozeßerklärung eines Mandanten, wenn er in einer öffentlichen Hauptverhandlung eine Erklärung abgegeben hat, die ist Unterstützung einer kriminellen Vereinigung. Das ist natürlich für Journalisten dann besonders interessant und auch für das Gericht, wenn es also jetzt Erklärungen entgegennimmt, die also vielleicht sehr militante politische Auffassungen enthalten, daß also die Entgegennahme, die Verbreitung einer solchen Erklärung, bereits als Unterstützung einer kriminellen Vereinigung gilt. Es geht noch weiter, die Staatsanwaltschaft beim Landgericht [1466] Berlin hat die Auffassung vertreten, daß auch im Buchhandel, daß also Bücher, die im Buchhandel erhältlich sind, offiziell erhältlich und auch nicht irgendwie also eingezogen oder irgend etwas sind, daß auch solche Bücher, wenn sie irgendwie weitergegeben oder irgendwie zum Gegenstand irgendeiner Erörterung gemacht werden, daß das auch bereits Unterstützung einer kriminellen Vereinigung sein kann. Nun, ich wollte noch auf etwas eingehen, was Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsrichter Elit war. Man hat dann gesagt, na gut, also das mag ja objektiv vergleichbar sein - Zusammenhalt der Gruppe gefördert - aber dann müssen wir uns ja noch mit dem subjektiven beschäftigen, dem subjektiven Tatbestand[17] und da sollte dann nun mal auf den Tisch gelegt werden, was denn nun eigentlich konkret irgendwie eine subjektive Haltung des Kollegen Ströbele belegen sollte. Und da wurden dann bestimmte Schriftstücke auf den Tisch gelegt, die teilweise eher geeignet waren, zur Entlastung. Es ist ja hier in dem Aufsatz eines ... des früheren Präsidenten des Oberlandesgerichts Stuttgart ja mal auch eine Äußerung des Kollegen Ströbele zitiert worden, die ja sehr aufschlußreich in der Richtung ist, wie er seine Aufgabe als Verteidiger versteht, eben nicht als Speerspitze einer Revolution oder einer revolutionären Bewegung, sondern als Rechtsanwalt der für die prozessualen Rechte der Mandanten einzutreten hat. Es sind aber auch ... ist die Staatsanwaltschaft so verfahren in wiederum einer Verzerrung und man kann nicht sagen einer ... man muß sagen in einer tendenziösen Verzerrung der Wahrheit, daß eben dann ein Schreiben beispielsweise vorgelegt wird, irgendeines Mandanten, aber nicht etwa das Antwortschreiben natürlich des Anwalts dazu. Vielleicht in einem mitunter etwas ruhigen Ton gehaltenes Schreiben des Mandanten, vielleicht auch mit der Vorstellung von Möglichkeiten des Verteidigers, die nicht in der StPO vorgesehen sind, aber das Antwortschreiben des Anwalts, in dem dieser also dann die Rechtsbelehrung erteilt, was möglich und nicht möglich ist, was Aufgabe des Verteidigers sein kann. Das wird dann nicht vorgelegt. Und der Senat sollte sich auch gerade damit beschäftigen, daß eben hier eine sehr zielgerichtete Auswahl [1467] getroffen wird ohne eigentlich den vollständigen Überblick dann zu bekommen, was die Auffassung des Verteidigers war und ist. Und wenn Sie den Charakter dieses Beschlusses, und damit darf ich vielleicht schließen, des Landgerichts Berlin vom 22. Juli 1975 richtig würdigen wollen, dann müssen Sie sich auch vor Augen führen, daß dieser Beschluß unbesehen die Gründe des Haftbefehls des Richters Schulz-Maneke übernimmt, d. h. also auch die Behauptung, der Kollege Ströbele, er habe sich mit den Auffassungen seiner Mandanten in zahlreichen Erklärungen in Presse und Rundfunk usw. identifiziert. Und ich darf daran erinnern, was ich am vergangenen Verhandlungstag gesagt habe, daß für diese Behauptung aber auch nicht eine konkrete Tatsache als Beleg angeführt wurde, sondern daß diese, daß diese Abschnitte des Haftbefehls eigentlich für mich der stärkste Beweis dafür ist, in welcher Form die ... eine bestimmte Kampagne in einer bestimmten Presse auch ihre unmittelbaren Auswirkungen auf Richter haben kann. Das ist ja das Erstaunliche, daß das als Substrat der Zeitungslektüre dieses Richters dargestellt wurde, ohne daß dann eine konkrete Belegstelle angegeben werden konnte.

[q]

Mit Ausnahme, wobei er sich da also getäuscht hatte, einer[r] Erklärung des Kollegen Ströbele im Zusammenhang mit dem Tode von Holger Meins. Und da nun allerdings zu sagen, wenn ein Anwalt in der Öffentlichkeit auftritt, und die Umstände des Todes von Holger Meins[18] einer kritischen Würdigung unterzieht, daß das bereits Identifizierung sei. Identifizierung mit möglicherweise einem revolutionären Programm, möglicherweise einem revolutionären Programm. Da muß ich sagen, das ist doch eigentlich Menschenrecht, mit dem man sich da identifiziert, wenn man die Umstände eines solchen Todes erörtert, meine Herren. Und die Identifizierung mit Menschenrecht zu kriminalisieren, das wirft ein sehr dunklen Schatten auf diesen Staat.

Gelächter im Saal

[1468] Vors.:

Ich bitte, wie gesagt, Heiterkeits- oder sonstige Gemütsäußerungen hier zu unterlassen. Bitte das im Interesse dessen, daß wir das Verfahren ungestört fortsetzen können.

Herr Baader hat als nächster das Wort, Sie wollten sich ...

Angekl. B[aader]:

Ja, ich würde sagen, Sie lassen vielleicht Ulrike, zu den Feststellungen des Senats vorhin, ein paar Sätze sagen. Es handelt sich im wesentlichen um diesen Brief, aus dem Sie zitiert haben, wo es glaube ich um eine Vorrichtung geht, um zu verhindern, daß Bomben entschärft werden können.

Vors.:

Frau Meinhof will sich dazu äußern.

Bitte, Frau Meinhof.

Angekl. M[einhof]:

Naja, das ist so: Von den 50 Gefangenen, die zeitweilig an das Info angeschlossen waren, völlig legal, hatte einer dieses militärtechnische Zeug, und[s] es gab überhaupt nur einen, der es für das Info ausgewertet hat und gab es auch eben nur den einen, der da für dieses eine richterliche Genehmigung hatte, in einem sehr ausführlichen Beschluß, der das rechtfertigt. Das ist Gerhard Müller, von dem wir wissen, daß [t] seit etwa Mitte 74 der Staatsschutz auf ihm drauf sitzt,[19] wozu wir auch mehr Informationen haben, die wir im Moment, die jetzt hier nicht hergehören. Es ist aber wichtig, daß das Ganze eigefädelt worden ist, als Provokation, um die Anwälte zu illegalisieren, und das ist jetzt genau in der Konstruktion, in der es eingefädelt worden ist, hier auftaucht, um die Illegalisierung bzw. Kriminalisierung der Anwälte zu rechtfertigen. Das heißt, der Gefangene, also Müller, der als Instrument der psychologischen Kriegsführung, um die Ausschlüsse der Anwälte zu rechtfertigen, seit etwa einem Jahr dem Staatschutz zur Verfügung steht, taucht jetzt hier in genau dieser Funktion auf, seine Provokation. Und Sie gehen darauf ein.

Vors.:

Will sich die Bundesanwaltschaft nochmals zu den weiteren [1469] Äußerungen ...

BA Dr. W[under]:

Nur ne kurze Erklärung, Herr Vorsitzender.

Angekl. M[einhof]: (Anfang unverständlich)

... daß der Brief, den Sie da zitieren, diesen Brief den Sie in dem Beschluß zitieren ausführlich, daß das ein Brief aus diesem Zusammenhang von Gerhard Müller ist, genau zu diesem Zweck da reingeschickt.

Vors.:

Ja, das ist klar herausgekommen, Frau Meinhof, wir haben es verstanden.

Bitteschön.

BA Dr. W[under]:

Ich habe nicht den geringsten Anlaß, mich vor die Berliner Entscheidung zu stellen und nur folgendes sei, soweit Auswirkungen nach hier hergeleitet werden, noch angemerkt. Herr Rechtsanwalt Schily, Sie akzentuieren das Entscheidungsdatum 22. Juli. Dazu darf ich sagen, daß die Staatsanwaltschaft in Berlin bereits am 18. Juli Beschwerde eingelegt hat. Haftsachen sind, wie uns allen bekannt, Eilsachen, und wenn es einer Kammer um die Aufhebung einer Entscheidung geht, die sich offensichtlich auf eine unrichtige Wertung stützt, dann meine ich, ist Beschleunigung gewiß nicht falsch. Ein weiteres, wenn jemand bei der Kammer in Berlin vorgesprochen hat, Herr Rechtsanwalt Schily, dann war es, nach Ihren eigenen Ausführungen vorhin die Verteidigung, nicht die Bundesanwaltschaft. Gerade aber aus der Tatsache, Herr Rechtsanwalt Schily, daß der Berliner Beschluß vom 22. Juli datiert, könnten Sie sehen, daß wir keinen Einfluß auf diese Entscheidung genommen haben, denn andernfalls wäre es niemals zur Unterbrechung dieser Hauptverhandlung über den gestrigen Tag gekommen. Wir hätten uns dann nämlich am 22. noch die Entscheidung, oder die bevorstehende Entscheidung, wie Sie vielleicht sogar sagen könnten, von Berlin erbeten. Im übrigen, es sind nach wie vor keine neuen Tatsachen vorgetragen worden und die Ausführungen, soweit sie nicht von Herrn Dr. Heldmann und von Herrn Baader stammen, [1470] sind sie schlankweg unzulässig. Herr Baader hat erklärt, daß er Herrn Rechtsanwalt Ströbele als seinen Verteidiger wünscht; § 146 StPO bestimmt das Entsprechende.[20]

Vors.:

Da sich die Entscheidung bezieht, auf die Frage der Verteidigung, auf die Frage einer Unterbrechung der Hauptverhandlung, sieht sich der Senat veranlaßt, über diese Gegenvorstellung sofort zu beraten.

Angekl. B[aader]:

Ich möchte sie zuerst mal machen.

Vors.:

Herr Baader, ich verwarne Sie jetzt zum letzten Male. Wenn Sie glauben, daß Sie hier auf diese Weise ständig das Verfahren stören könnten, daß Sie einfach dazwischenreinrufen.

RA Dr. H[eldmann]: (spricht ins abgeschaltene Mikrophon)

... das Wort nicht und vielleicht ... den 2. Absatz meiner eigenen Ausführungen ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, Sie werden vielleicht bemerkt haben, daß ich mich bemühe, in höflichen Formen mit den Angeklagten zu bleiben. Ich habe angenommen, daß Frau Meinhof die Stellungnahme abgibt, sonst hätte ich nicht jetzt, nachdem Herr Baader ja ursprünglich das Wort haben sollte, die Bundesanwaltschaft noch gebeten, Stellung zu nehmen. Bitteschön, Herr Baader. Das war ein deutliches Mißverständnis, aber das können Sie auch höflicher geltend machen.

Angekl. B[aader]:

Ich habe vor, das nochmal zu präzisieren. Ulrike hat gesagt, daß der zentrale, die zentrale Argumentation, die immer wieder rangezogen wird, die auch in allen Beschlüssen auftaucht und die auch in der Pressekampagne, in der Pressekampagne zum Ausschluß der Verteidiger, unglaublich breitgewalzt ist. Die Behauptung ist, die Verteidiger hätten die Gefangenen versorgt, bzw. einen Informationsfluß organisiert, militärwissenschaftlicher Schriften, bzw. von Anleitungen, wie Bomben zu bauen sind, oder z. B. zu verhindern ist, wie Bomben ent- [1471] schärft werden können. Dazu ist[u] einfach nochmal festzustellen: Es gab einen einzigen Gefangenen, der sich überhaupt mit diesem Thema befaßt hat, von 50 Gefangenen in diesem ganzen Zusammenhang, und das ist Müller. Und das ist eindeutig, das steht fest, daß er das getan hat, das heißt, daß diese Art von Material in das Informationssystem eingefüttert wurde, von ihm in seine Funktionalisierung für den Staatsschutz bereits, um die Verteidiger zu kriminalisieren. Die Verteidiger selbst haben dieses Material zurückgewiesen, d. h. sie haben überhaupt das Ansinnen, solches Zeug zu transportieren bzw. zu verschicken, sofort zurückgewiesen, daß es verschickt worden ist zunächst von Müller, darauf hatten sie überhaupt keinen Einfluß. Das ist eine Sache.

Dann wollte ich nochmal zu der Behauptung der Bundesanwaltschaft, Ströbele hätte die Möglichkeit ausreichenden rechtlichen Gehörs gehabt im Zusammenhang seines Ausschlusses bzw. ich. Dazu ist festzustellen, daß weder Ströbele noch ich die Möglichkeit hatten, sich überhaupt zu äußern. Die Verhandlung war nicht öffentlich, wobei vielleicht auch ganz interessant ist, daß die, also die einzigen Ausschlußverhandlungen, die nach diesen Gesetzen, nach diesem Sondergesetz für dieses Verfahren[21] bisher sozusagen als Alibi stattgefunden haben, in Düsseldorf und in Köln, daß die natürlich öffentlich waren, daß aber hier mit einer unglaublichen Akribie darauf geachtet wurde, daß keine Öffentlichkeit da ist. Es wurde sogar eine Sekretärin rausgeschickt, während der Verhandlung. Die Zitation war dann die, daß war ... wurde deutlich bei der Ausschlußverhandlung gegen Croissant, daß ich da reingeführt wurde, umgeben von 5 Bewaffneten und Uniformierten, gefesselt, und ich saß etwa 20 Meter entfernt von dem Gericht, das über den Ausschluß zu entscheiden hatte, zwischen diesen 5 Uniformierten, und ich hätte brüllen müssen, um mich überhaupt verständlich zu machen.

Das Gericht hat sich dann geweigert, mir die Fesseln abnehmen zu lassen, d. h. ich hätte die voraussichtliche Dauer, die anzunehmende Dauer dieser Ausschlußverhandlung 6-8 Stunden, gefesselt dasitzen müssen. Dann wurde die Verhandlung eröffnet - bei Croissant nur als Beispiel -, wie sich sowas überhaupt mal abspielt, wie sich so eine Ausschlußverhandlung abspielt. [1472] Sie wurde eröffnet von einem Richter, in dem er also anfing zu sagen, - erschienen sind, und wir kommen jetzt - ... Dabei wußte er, daß vor der Tür dieses tatsächlichen Mehrzweckgebäudes bisher, sich die Rechtsanwälte drängten und nicht reingelassen wurden, weil der Staatschutz bzw. der Bundesgrenzschutz auf eine Durchsuchung bestand. Das heißt, er wollte also, er wollte schon mal von vorherein den Hindurch erwecken, als wären überhaupt keine Anwälte erschienen. Die Tatsache, warum sie nicht erschienen sind, daß die das Gebäude nicht betreten konnten, die wurde ganz bewußt und sofort ausgeklammert. Es bestand ganz eindeutig provokatives Interesse in dieser nichtöffentlichen Verhandlung zu verhindern, daß ich anwesend bin und auch zu verhindern, daß einer der Anwälte anwesend ist. Und ich würde sagen, das hat ja sozusagen auch eine Entsprechung in der nichtöffentlichen Verhandlung jetzt in Berlin. Das ist ... Der Ablauf ist, glaube ich, sehr einfach. Am 18. sagt Wunder, ist bereits beantragt worden, also ist bereits die Beschwerde der Staatsanwaltschaft erhoben worden, aber entschieden worden ist schließlich innerhalb von 2 Stunden etwa, nach dem der Senat hier die Verhandlung unterbrochen hat. Das heißt, es ist hier unterbrochen worden, es sind Telefongespräche geführt worden, und das Landgericht in Berlin ist dazu veranlaßt worden, dieses Verfahren hier opportunen Beschluß noch am selben Tag zu fassen. Natürlich, das ist wirklich wichtig, daß Ströbele dabei nicht verteidigt war und daß er auch kein rechtliches Gehör hatte. Prinzing, der Richter Prinzing, hätte hier gar nicht unterbrechen müssen, den Tag gestern, die Entscheidung ist so schnell gefaßt worden, daß er sie sozusagen für den nächsten Morgen hier parat hatte. Naja und da kann man sich eigentlich auch nicht darüber wundern, nachdem ja sozusagen in der Geschichte dieses Verfahrens, in zwei Tagen, Gesetze verabschiedet worden sind.[22]

Ich beantrage, aber jetzt nochmal, nachdem Ströbele sich bisher zu der Konstruktion seiner Unterstützung der kriminellen Vereinigung total isolierter Gefangener nicht äußern konnte, weil er an seine anwaltliche Schweigepflicht gebunden war. [1473] Das ist sehr wesentlich. Er hätte sich bei der Ausschlußverhandlung hier gegen ihn nicht äußern können, ohne zum Gegenstand seiner Äußerungen ganz wesentlichen Bestandteil dieses Verfahrens zu machen. Deswegen hat er es abgelehnt. Das ist dem Senat selbstverständlich bekannt. Es gibt einen Schlußsatz von Ströbele, vom 4. Mai 1975, an das Oberlandesgericht Stuttgart, in dem er genau erklärt, in dem er zunächst den Vorwurf den Verdacht der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung zurückweist und dann feststellt, daß er sich ja gar nicht äußern kann, weil er an die anwaltliche Schweigepflicht gebunden ist und daß zur richtigen Interpretation und Einordnung der Schriften, auf die ihr Vorwurf gegründet ist, es nötig wäre, praktisch die gesamte schriftliche und mündliche Korrespondenz zwischen ihm und uns in diesen 3 Jahren sich darauf zu beziehen und sie verwerten. Es wäre natürlich ein allerdings weiterer und brutaler Versuch gewesen des Oberlandesgerichts Stuttgart bzw. der Bundesanwaltschaft, die ja in diesen Ausschlußverfahren die Anklage vertritt, sich nun vermittelt sozusagen über die Person des Verteidigers Einblick zu verschaffen, in die Vorstellungen der Gefangenen, wie dieser Prozeß zu führen ist.

Also ich beantrage

ihn jetzt hier, Ströbele, nach dem er sich jetzt geäußert hat und sich vorher nicht äußern konnte, zu diesem ganzen Komplex zu hören[v], in dieser Verhandlung. Und sollten Sie das ablehnen, zumindest das Protokoll seiner Vernehmung in Berlin, also dieses 40-seitige Protokoll von dem die Rede war und das ich nicht kenne, in der Verhandlung öffentlich zu verlesen.

Als Gegenvorstellung zu Ihrem Beschluß weise ich jetzt auf ein paar Widersprüche hin, über deren Begriff später noch zu reden ist. Aber die ganze Konstruktion der Bundesanwaltschaft gegen die Verteidiger, die das Gericht hier seit Januar aus seinem Interesse eines reibungslosen Verfahrens und auf massivem Druck der Bundesanwaltschaft, das geht aus dem Beschluß zu Croissant hervor, übernommen hat. Die [1474] Konstruktion die schließlich das Sondergesetz zum Ausschluß der Verteidiger begründet hat, die Konstruktion der kriminellen Vereinigung in der Haft, ist absurd. Der Tatvorwurf war zuerst, also wie er zuerst aufgetaucht ist soviel ich weiß, der der kriminellen Vereinigung in der Haft. Das heißt, die kriminelle Vereinigung, in die Ströbele sich eingefügt haben soll, eingefügt ist, die Formel des Senats nach der Sprachregelung der Bundesanwaltschaft allerdings, eingefügt, bevor er selbst in die Untersuchungshaft eingefügt wurde. Diese kriminelle Vereinigung sind in 8 Gefängnissen, in besonderen von der übrigen Anstalt getrennten Trakten, wie es heißt, isolierte Gefangene. Was aber die Gefangenen vereinigt in der Isolation, also ihre Trennung von einander und von jeder sozialen Interaktion, was sie vereinigt, ist ihre gemeinsame objektive Situation, als in einem perfekten Sicherheitssystem total erfaßte politische Gefangene. Was sie als Objekte des Vollzugs politischer Justiz vereinigt, das ist die politische Justiz selbst. Sie ist die Vermittlung aller Beziehungen, die sie überhaupt eingehen können, auch der Beziehung zueinander. Das heißt, daß den organisatorischen Zusammenhalt, wie es heißt, wie die Formel ist, der Gefangenen organisiert. Das ist die politische Justiz.

Ich habe keine Lust, oder ich versage es mir mal, wie Prinzing sagen würde, darüber zu reden, inwiefern z. B. gegen die Verfassung der Zweck dieser Vereinigung, die Begehung von Verbrechen z. B. an Gefangenen ist. Die Lebensweise macht den Verfügungen auch dieses Gerichts hier, allerdings eher die Art zu sterben, von Gefangenen also von der Justiz physisch total erfaßter Menschen und hier mit wissenschaftlicher Perfektion erfaßt, ist zwangsläufig legal. Bestreitet der Staat oder dieses Staatsschutzgericht hier diese Legalität, dann wird seine bloße physische Existenz illegalisiert. Das ist ein Widerspruch, der nicht mehr lösbar ist, es sei denn durch seine physische Vernichtung. Und das ist der Sinn dieser ganzen Argumentation und das zeigt schließlich auch am Tod von 3 politischen Gefangenen[23] aus der [1475] RAF oder durch seine Psychiatrierung, seine psychische Vernichtung.

Der Vorwurf ist 2. der der Unterstützung im Gegensatz zur Einfügung. Beide Begriffe tauchen ganz unbefangen nebeneinander auf in den Beschlüssen des Senats. Ich ... beziehen sich jetzt auf die Beschlüsse des Senats, obwohl sie sich widersprechen. Also ich würde sagen, der Vorwurf der Unterstützung widerspricht dem Vorwurf der Einfügung. Aber das sagt natürlich auch nur was über den, über das Niveau dieser Maßnahme, über das Niveau dieses Gerichts und auch das Niveau der Bundesanwaltschaft, die diesen ganzen Quatsch produziert hat. Wenn aber das, was die Gefangenen, wie ich gesagt hab, in ihrer Trennung vereinigt, nochmal, und was jede ihrer Handlungen bestimmt, die Haft ist, also das besondere Gewaltverhältnis dessen Objekt sie sind, dann ist das der Zweck, der sie bestimmt oder die Zwecke, wie Prinzing bei der Anhörung sagte, der Haft. Um in der Terminologie der Justiz mal zu bleiben, ein wesentlicher Zweck der Haft ist vermutlich strafbare Handlungen zu verhindern. Ihr wesentlicher Zweck kann kaum sein, sie zu begehen. Und der Kern der Sache ist, daß das Mandat selbst, d. h. denn das Mandat, das Mandatsverhältnis ist das Verhältnis zwischen Gefangenen und Anwalt, selbst zu kriminellen Vereinigung erklärt wird. Zu dem Vorwurf nochmal, die Anwälte hätten den organisatorischen Zusammenschluß oder den Zusammenhalt der Gefangenen in der Haft gefördert, das sind die Formulierungen Prinzings, in dem sie Kommunikation aufrechterhalten haben, zwischen den Gefangenen, so ist dazu jetzt nur zu sagen, daß der Zusammenschluß von diesem Gericht hier - Zusammenschluß - und von anderen Gerichten bzw. Vollzugsadministrationen verfügt worden ist. Das heißt, wenn die Diskussion, die Diskussion der Gefangenen über das Info, als ein ... sozialer Interaktion, so ist es bestimmt worden. Es ist bestimmt worden, als Überlebensprogramm in[w] der Isolation. Wenn also die Diskussion der Gefangenen über das Info, die Unterstützung ihres Zusammenhangs sein soll, dann steht diese Unterstützung in keinem Verhältnis zu der Unterstützung durch die Justiz, die den physischen Kontakt zwischen den politischen Gefangenen schließ- [1476] lich zugelassen hat, als Zusammenschluß. Das ist der Begriff. Was also bleibt, ist die Unterstützung von gefangenen Angeklagten und zwar ausschließlich besonders in ihrem Kampf gegen die Haftbedingungen, denn der Vorwurf der Weiterführung der kriminellen Vereinigung aus der Haft, der auch noch auftauchte, ist nachdem sich herausstellt, daß es nicht eine einzige Tatsache gibt, nicht eine, nicht den Schatten einer Tatsache, die das belegen könnte und die mit den Anwälten in Verbindung gebracht werden kann, in dem Beschluß schließlich fallen gelassen worden. Die Situation, um das nochmal zu sagen, des angeklagten Gefangenen ist aber Gegenstand, ist der Gegenstand der Funktion des Verteidigers. Für sie kann er auch nicht werben, wie Prinzing zuletzt behauptet hat, in dieser trostlosen Formel. Und das ist auch natürlich lächerlich. Es hat kein Verteidiger je für die RAF geworben, ihre Ziele, das ist ein[x] absoluter Widerspruch, sowohl zu unserem Verständnis von Propaganda, als auch zur Funktion des Verteidigers zu seiner legalen Funktion. Gemeint ist auch natürlich nicht Werbung in den Beschlüssen Prinzings und in den Anträgen der Bundesanwaltschaft und in den Beschlüssen des 1. Strafsenats des Oberlandesgerichts und schließlich des Bundesgerichtshofs, gemeint ist, und verfolgt wird, der Versuch gegen das Vernichtungsinteresse der Bundesanwaltschaft und hier z. B. die Gewaltmaschinerie der sogenannten offensiven Information Bubacks[24], die als Volksverhetzung charakterisiert worden ist inzwischen, Gegenöffentlichkeit herzustellen. Also Öffentlichkeit für die Situation von Gefangenen und eigentlich nicht einmal das, um sie zu verteidigen, nachdem sich alle Rechtsmittel gegen die Rechts... der Bundesanwaltschaft notwendig als hilflos erweisen muß. Ich erinnere mal daran, daß Astrid, Ulrike und Gudrun nur durch den Druck dieser Gegenöffentlichkeit auf den toten Trakt[25] verlegt worden sind. Daß nur dieser Druck der Gegenöffentlichkeit, die Szintigrafie an Ulrike[26] verhindert hat, d. h. diesen Versuch von Zeis, ihren Kopf aufmachen zu lassen, um mal festzustellen - dieser Kretin - woher die Gedanken der Menschen kommen.

Vors.:

Das Wort ist Ihnen hiermit entzogen, denn ich nehme doch an, [1477] das Wort Kretin bezog sich auf Herrn Bundesanwalt Zeis, so war’s doch gemeint. Oder täusche ich mich Herr Baader? Bitte, Herrn Baader jetzt dazu noch eine Äußerungsmöglichkeit ...

Angekl. B[aader]:

Muß ich Ihnen darauf antworten?

Vors.:

Haben Sie sich jetzt so geäußert, dieser Kretin?

Angekl. B[aader]:

Ich frage, ob ich darauf antworten muß.

Vors.:

Sie haben die Möglichkeit, weil ich beabsichtige ...

Angekl. B[aader]:

Also haben Sie ...

Vors.:

... Ihnen das Wort zu entziehen wegen der Beleidigung.

Angekl. B[aader]:

Schön, ich nehme diese Formulierung zurück, ja? Ich habe nämlich ein Interesse daran, meine Gegenvorstellung hier zu Ende zu bringen.

Vors.:

Wenn Sie dieses Interesse haben, dann wahren Sie bitte die Form.

Angekl. B[aader]:

Also ich nehme es zurück, daß Zeis ein Kretin ist.

Vors.:

Fahren Sie fort, bitte.

Angekl. B[aader]:

Ich erinnere nochmal daran, daß nur diese Gegenöffentlichkeit, die Szintigrafie durch Witter, verhindert hat, daß nur diese Gegenöffentlichkeit, daß diese Gegenöffentlichkeit erreicht hat, nur diese Gegenöffentlichkeit erreichen konnte, daß Kat. Hammmerschmidt allerdings zu spät, von Ärzten untersucht werden konnte usw. Das heißt, es gibt eine ganze Menge Beispiele, wo allein diese Öffentlichkeitsarbeit der Verteidiger, d. h. ihr letzter Versuch, die Gefangenen zu verteidigen, in dem sie sich an die Öffentlichkeit wenden, verhindert hat, den Tod von Gefangenen verhindert hat, und es [1478] gibt natürlich auch eine ganze Menge Fälle, wo sie den Tod von Gefangenen nicht verhindern konnte. Es ist also so, daß das legale Bestandteil, wesentlicher Bestandteil der Funktion des Verteidigers in diesem Verfahren längst geworden ist, das Leben der Gefangenen zu verteidigen. Und nicht nur Bestandteil, schließlich die letzte Funktion die Sie real[y] im Arrangement dieses Verfahrens zur Beseitigung unerwünschter Personen, wie Kitson das nennt, auf den sich Herold[27] und die Abteilung Terror beziehen. Das ist dieser Counterstratege der englischen Armee, zur Beseitigung unerwünschter Personen haben kann. Auf der unmittelbar juristischen Ebene kann die Verteidigung nichts mehr beeinflussen, ist sie praktisch funktionslos geworden. Das wird in diesem Verfahren wirklich dauernd bewiesen. Und so schätzen wir das auch ein.

Der Sinn, also nochmal, der ganzen irrationalen Konstruktion, der kriminellen Vereinigung aus der Haft, ist Vernichtung, und ihr Zweck ist hier 1. die Vernichtungsstrategie gegen uns, gegen den sich entwickelten Widerstand durch die Öffentlichkeit zu rechtfertigen, so ist er eine Produktion der psychologischen Kriegsführung und der Zweck ist 2. das System, in dem Folter gegen politische Gefangene in ihren drei Funktionen.

1. Informationsbeschaffung

2. Gehirnwäsche, also propagandistische Verwertung des Gefangenen im Prozeß gegen die Politik, für die er gefangen ist und schließlich Vernichtung, wo das alles nicht klappt, angewendet werden kann.

Der Zweck ist hier, dieses System von Folter gegen die Initiative arrangierter Verteidiger zu schützen. Die Erfahrung der letzten 3 Jahren zeigt, und das hat schließlich das Gesetz notwendig gemacht, daß die Sache nur reibungslos läuft, weil das Institut der Verteidigung in politischen Prozessen aufgelöst wird, und wenn[z] das nicht rechtzeitig möglich war, sozusagen, sind die Verteidiger in diesem Verfahren kriminalisiert oder ausgeschlossen oder mit Berufsverboten belegt worden. So ist das Ganze eine Produktion der Polizei und der Militärtaktik der Counter-Guerilla, die auf die Strategie dahinter [1479] verweist.

Als Konstruktion, und ich glaube, das ist inzwischen einfach zu verstehen, ist das Muster, ist sie das Muster einer in sich irrationalen Counter-Argumentation, wie sie sich in Widerspruch, der dieses ganze Verfahren ausdrückt, entwickeln muß, bis zum Sondergesetz. Den Widerspruch, Heldmann hat das hier[aa] mal kurz angerissen, zwischen Normen und Maßnahmestab, der die ganze Phase der Transformation zum Faschismus kennzeichnet. Die Bundesanwaltschaft hat mit dieser Argumentation, dieser Konstruktion ein Gesetz, ein Sondergesetz, ein besonderes Gesetz für dieses Verfahren durchgesetzt, durchgedrückt, als ein Stab, denn das ist die Bundesanwaltschaft, der institutionellen Faschisierung, d. h. der Exekutiven, Legislativen, propagandistischen Durchdringung der Gesellschaft. Die Bundesanwaltschaft braucht dieses Gesetz, wie ich das erklärt hab, und daß es ein Gesetz ist, drückt sich eigentlich nur, oder drückt eigentlich nur aus, den institutionellen Bedingungen und der institutionellen Entwicklung der Faschisierung das Bedürfnis aus, die Vernichtung der Gefangenen in Tatbeständen, Verordnungen, schließlich Gesetze zu verrechtlichen, ohne die Todesstrafe wieder einführen zu müssen.

Vors.:

Herr Baader, bitte schweifen Sie nicht zu sehr ab. Wir haben die Erklärung von Ihnen ...

Angekl. B[aader]:

Ich würde sagen ...

Vors.:

... daß das Vernichtungsinteresse hier Ihnen gegenüber bestehen soll, nun schon so oft gehört ...

Angekl. B[aader]:

Ja wir ... wir ...

Vors.:

... Sie reden nicht für die Öffentlichkeit, sondern für das Gericht, nicht wahr, in einem Gerichtsverfahren.

Angekl. B[aader]:

Sie werden sie noch ... Sie werden sie noch lange hören, Herr Prinzing.

[1480] Vors.:

Das mag schon sein, Herr Baader. Das kann wohl sein, aber jetzt sollen Sie ...

Angekl. B[aader]:

Ja, ich würde an Ihrer Stelle nicht lachen.

Vors.:

... Augenblick, Herr Baader. Jetzt habe ich im Augenblick das Wort. Wenn Sie hier noch weiter zu diesem Antrag, der gestellt ist und den Sie selbst noch ergänzt haben, etwas sagen wollen, dann bleiben Sie bitte im Rahmen dessen, was man noch erkennbar in einen Zusammenhang bringen kann mit den gestellten Anträgen.

Angekl. B[aader]:

Ich erkläre, es besteht ein unmittelbarer Zusammenhang das heißt, es ist der Zusammenhang. Ich erkläre, wie diese Konstruktion begründet ist in den Absichten der Bundesanwaltschaft, wie sie entwickelt wurde, wie darauf ein Gesetz gegründet wurde ...

Vors.:

Herr Baader, Sie irren sich ...

Angekl. B[aader]:

... ich behaupte öffentlich ...

Vors.:

... wenn Sie glauben, daß wir ...

Angekl. B[aader]:

... den Gerichtsentscheid ...

Vors.:

Herr Baader, Sie irren sich, wenn Sie glauben, daß wir das noch so oft hören. Wissen Sie, auch Wiederholungen, ständige Wiederholungen werden in einem Gerichtsverfahren verhindert werden müssen. Man hat Ihnen lange Gelegenheit gegeben, das zu entwickeln. Ich möchte Ihnen auch jetzt die Möglichkeit geben, solange ich einen Zusammenhang erkenne, aber der muß gewahrt bleiben.

Angekl. B[aader]:

Das ist eben das Problem, Sie sagen, solange Sie einen Zusammenhang erkennen, das ist eben der Punkt. Sie haben bestimmte Reizworte die erkennen Sie wieder, aber den Zusam- [1481] menhang, der wirklich in dem Text entwickelt wird, ich bezweifele, ob Sie den erkennen.

Vors.:

Also, kommen Sie zur Sache jetzt, bitte.

Angekl. B[aader]:

Denn das ist wirklich explizit, ne Argumentation, wie sie in diesem Verfahren noch nicht gebracht worden ist und ich würde auch an Ihrer Stelle nicht darüber lachen, wenn die Gefangenen den Vorwurf des Vernichtungsinteresses artikulieren, denn hier sitzen nur vier Gefangenen und es waren ursprünglich fünf Angeklagte. Und darin ... da in diesem Zusammenhang erinnern Sie sich bitte nochmal an Ihre Rolle[28] und an Ihre Veranlassung. Lächerlich ist das sicher nicht. Na schön. Diese ganze irre Konstruktion, die Rationalität der Vernichtung oder diese Vernichtungskonzeption die rationalisiert wird. Man ... unserer Ansicht nach die besondere Qualität nicht daß das System, die Repression ein Faschisierungsprozeß Opposition, eine ihm gefährliche oppositionelle Strategie und die Menschen, die sie entwickeln und die in ihr kämpfen, vernichtet oder vernichten will, das ist eigentlich üblich. Das Besondere ist, der konfuse und gleichzeitig aber auch totale Legitimierungsversuch oder Legitimationsanspruch, der sich darin ausdrückt. Er verweist eigentlich 1. daß die Brüchigkeit, der Zerfall dieses gesamten Legitimationssystems des bürgerlichen Staates, der bürgerlichen Gesellschaft aus den Widersprüchen ihrer Reproduktionsbedingungen, also auch auf die Möglichkeit der Revolution und der verweist aber auf 2. in die Vergangenheit. Das heißt, als reaktionäre Losung dieses Legitimationszerfalls in eine irrationale Totalität, die es nur im Übergang zum Faschismus und im Faschismus des dritten Reiches gab, und so ist kein Wunder, das werde ich später nochmal genauer entwickeln hier, inwiefern es eine, bis zur verbalen Identität gehende Identität zwischen den Argumentationslinien des Senats im Zusammenhang des Verteidigerausschlusses gibt.

Um 10.50 Uhr verlassen Oberstaatsanwalt Zeis und Regierungsdirektor Widera den Sitzungssaal.

[1482] Und zum Beispiel den Argumentationen von Freisler[29] in juristischen Veröffentlichungen. Also ist es kein Wunder, daß sich die Argumentationslinien gleichen.

Zu konkret nochmal, der Beschluß in Berlin jetzt ist zu sagen, daß sie in vier Stunden, 2-4 Stunden gefaßt worden ist, revidiert worden ist, die Entscheidung des Haftrichters, weil in der Tat Feststellungen ... gegen Ströbele kein Tatverdacht besteht oder kein dringender Tatverdacht, was bei diesen Delikten identisch ist mit - kein Tatverdacht - auch das ganze Gesetz kippen würde. Das heißt, die Argumentation, die Denunziation, die Hetzkampagne und die Verfolgung der Bundesanwaltschaft zum Ausschluß der Verteidiger verliert in dieser Entscheidung in Berlin ihren Gegenstand. An ihr würde das ganze Verfahren hängen und es war uns natürlich klar, daß mir notwendig, möglicherweise notwendig äußersten exekutiven Druck diese Entscheidung revidiert werden mußte. Ich glaube aber, daß sie trotzdem beweist, daß die Verteidiger ausgeschlossen und kriminalisiert worden sind, weil sie gegen das verfassungswidrige Arrangement dieses Verfahrens, dessen[bb] zentraler Operator Folter sein soll, wie man am Zustand der Gefangenen auch sieht, daß sie gegen das verfassungswidrige Arrangement dieses Verfahrens auf einer Legalität insistiert haben, die die Bundesanwaltschaft versetzt. Versetzt, als Ausdruck strukturelle Veränderung der Funktion des Staates, die in der Kapitalentwicklung bedingt ist und in denen die Verfassung selbst gegenstandslos geworden ist. In der, wie wir gesagt haben, der bürgerliche Verfassungsstaat vom Staatsschutz, ein exakter Begriff im Gegensatz zum Verfassungsschutz, vom Staatsschutz aufgefressen wird. Naja, nach dem die Bundesanwälte wieder entwichen sind, während die Gefangenen hier reden.

Vors.:

Sind Sie zu Ende, oder ...

Angekl. B[aader]:

Ich bin jetzt[cc] erst mal zu Ende damit. Ich erinnere nochmal an den [1483] Antrag ... Ströbele ...

Vors.:

Den haben wir verstanden.

Angekl. B[aader]:

Den haben Sie verstanden, gut.

Vors.:

Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, wollen Sie sich nochmal äußern?

BA Dr. W[under]:

Ich möchte eine kurze Stellungnahme abgeben, soweit der Angeklagte Baader beantragt hat, Rechtsanwalt Ströbele hier anzuhören, ist dieser Antrag unzulässig.

Ich beantrage.

ihn zurückzuweisen.

Nicht wegen der Ausführungen von Herrn Baader, die wenig lichtvoll waren und offenbar auch den Zuhörerraum gelangweilt haben, aber nach dem ...

(Zwischenrufe aus dem Saal)

BA Dr. W[under]:

... aber nachdem diese Dinge nun doch hier vertieft worden sind, meine ich, daß über die Gegenvorstellungen ...

RA Sch[ily]:

Das war der Bundesgrenzschutz, der hier herausgewandert ist, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. W[under]:

... doch alsbald entschieden werden sollte und nicht, wie ich vorhin beantragt habe, etwas später.

Vors.:

Ja. Herr Rechtsanwalt Schily, ich habe, wir habens verstanden, was Sie gesagt haben. Sie können es ja nicht unterlassen, selbst hier dann ins Wort zu fallen, obwohl hier gerade eine Stellungnahme abgegeben wird. Wir werden uns um 11.15 Uhr hier wiedersehen. Ob die Angeklagten zurückgeführt werden müssen, überlasse ich Ihnen, für diese Zeit ... Rentiert das zurückzuführen, bis 11.15 Uhr, oder ist es besser, sie hierzulassen?

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, ...

[1484] RA v[on] P[lottnitz]:

Ich beabsichtigte von Seiten des Senats zu den Gegenvorstellungen der Kollegen Heldmann und Schily etwa den Angeklagten Raspe bzw. Meinhof, da ist es ja schon geschehen, also in dem Fall dem Angeklagten Raspe und seinem Verteidiger ebenso rechtliches Gehör zu gewähren, als Verfahrensbeteiligten wie der Bundesanwaltschaft.

Vors.:

Sind Sie verfahrensbeteiligt?

RA v[on] P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, Ihnen wird aufgefallen sein, es hat schon manchmal hier eine Rolle gespielt, daß es sich hier um eine verbundene Strafsache[30] handelt ...

Vors.:

Nein, nein.

RA v[on] P[lottnitz]:

... d. h., nein ist keine verbundene Strafsache. Verhandeln wir hier nur allein gegen Herrn Raspe?

Vors.:

Es hat doch damit nichts zu tun. Es geht doch im Augenblick nicht um die verbundene Strafsache, sondern um Herrn Rechtsanwalt Ströbele ...

RA v[on] P[lottnitz]:

Nein, es, es geht ...

Vors.:

... hat Herr Raspe irgend ...

RA v[on] P[lottnitz]:

Natürlich, der Sachzusammenhang ergibt sich aus der Verbindung der Strafsache. Die Situation von Herrn Raspe ist ...

Vors.:

Nein. Also Ihre ...

RA v[on] P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, ich darf ...

Vors.:

... Auslegung ist eigenwillig.

RA v[on] P[lottnitz]:

... dazu vielleicht mal was. Herr Vorsitzender, dazu möchte ich auch nochmal was Anderes sagen. Mir ist aufgefallen in [1485] der Sitzung vor zwei Tagen ...

Vors.:

Das macht jetzt nichts, sagen Sie es nachher.

RA v[on] P[lottnitz]:

... da war hier ... Herr Vorsitzender, lassen Sie mich doch mal ausreden, bitte. Da war hier ein offizieller Prozeßbeobachter einer sehr renommierten internationalen Anwaltsvereinigung. Dessen Anwesenheit hat dem Senat offensichtlich Veranlassung gegeben, einmal korrekt zu verfahren und nicht hier ständig zu fragen, zu wem reden Sie eigentlich, also die Verteidigung nicht dauernd einzuschüchtern, zu disziplinieren und dergleichen mehr. Heute ist dieser Prozeßbeobachter nicht da, da erleben wir das, was wir immer erlebt haben, Fragen nach dem Zusammenhang und ähnlichen. Also ich möchte den Antrag stellen, ich möchte den Antrag stellen

mir rechtliches Gehör zu der Gegenvorstellung ...

Vors.:

Jetzt nehmen wir keinen weiteren Antrag entgegen, den können Sie nachher stellen ...

RA v[on] P[lottnitz]:

Also, Herr Vorsitzender, ...

Vors.:

Augenblick, jetzt wird gerade über den Antrag ...

RA v[on] P[lottnitz]:

Dann bitte ich zunächst mal ein Protokoll ... dann bitte ich ...

Vors.:

Sie können das zu Protokoll dann schriftlich geben. Wir beraten bis um 12.00 Uhr.

RA v[on] P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, Sie ... das geht doch, daß Sie sich hier einfach schon wieder durch Flucht entziehen.

- Das Gericht zog sich um 10.55 Uhr zur Beratung zurück -

Ende Band 58

[1486] Nach Wiedereintritt des Senats um 11.18 Uhr wird die Hauptverhandlung wie folgt fortgesetzt.

(OStA Zeis und Reg. Dir. Widera sind wieder anwesend.)

Vors.:

Darf ich zunächst den Beschluß verkünden. Das scheint uns das Wichtigste ...

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Ich beantrage, mir das Wort zu erteilen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, es ist so, daß hier über die Frage der Verteidigung, der Unterbrechung bzw. Aussetzung des Verfahrens zu entscheiden war, und das scheint das Wichtige zu sein, daß darüber Bescheid gegeben wird; dann können wir erst fortsetzen. Das ist wohl die logische Folge.

Der Beschluß lautet:

„1. Die Gegenvorstellung des Angeklagten Baader gibt keinen Anlaß zur Änderung des heute früh verkündeten Senatsbeschlusses.

2. Der Antrag der Angeklagten Ensslin, die Akten dem 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart zwecks Aufhebung des Ausschlusses des Verteidigers Rechtsanwalt Ströbele vorzulegen und die Hauptverhandlung bis zu dieser Entscheidung zu unterbrechen, wird abgelehnt.“

Zur Begründung:

Die Gründe des heute früh verkündeten Senatsbeschlusses dauern fort.

Es geht hier allein darum, ob die Einlassung des Rechtsanwalts Ströbele bei dem Haftrichter in Berlin Anlaß gibt, dem für das Ausschlußverfahren zuständigen Strafsenat des OLG Stuttgart die Akten erneut vorzulegen. Das ist nicht der Fall. Die Behauptung, das illegal verbreitete Informationsmaterial habe der Vorbereitung der Verteidigung gedient, ist angesichts des Umfangs des Materials, das der 1. Strafsenat seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, abwegig.

[1487] Welche der im Beschluß des 1. Strafsenats aufgeführten Schriftstücke RA Ströbele im einzelnen selbst befördert hat, ist im Hinblick auf den Charakter des Informationssystems ohne Belang. Für eine Anhörung des RA Ströbele oder die Verlesung der Anhörungsprotokolle besteht kein Anlaß. -

Ich möchte noch außerhalb der Begründung hinzufügen, daß der Beschluß des Berliner LGs nicht unseren heutigen Beschluß - der heute früh verkündet wurde - gestützt hat. Er wurde nur deshalb erwähnt, weil im Antrag der Beschluß des Haftrichters zur Grundlage gemacht worden ist, und es war deshalb notwendig, darzustellen, was nun aus diesem für den Antrag maßgeblichen Beschluß des Haftrichters geworden ist.

Wir können fortfahren.

Herr RA v[on] Plottnitz.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Ja. Ich habe zunächst zu beanstanden, was vorgefallen ist, unmittelbar vor Eintritt in die Pause.

Ich hatte beantragt, mir das Recht zur Stellungnahme zu den Gegenvorstellungen der Kollegen Schily und Heldmann zu gewähren. Der Herr Vors. hat auf diesen Antrag erklärt, er nehme diesen Antrag jetzt nicht mehr entgegen und sich anschließend mit den Kollegen seines Senats durch Flucht dem weiteren Procedere entzogen. Diese Maßnahme beanstande ich ausdrücklich.

Ich bitte auch insoweit um einen Senatsbeschluß. Ich bitte, auch folgenden Aspekt zu berücksichtigen:

Der Senat scheint ja nun der Auffassung zu sein, daß die Entgegennahme von Anträgen in einer Weise hier verfahrensverzögernd sich auswirkt, daß man dem nur durch eine Art Rechtsverweigerung begegnen kann, indem man sich also hier schnell hinter die Kulissen verzieht.

Der Senat kann versichert sein, daß ein solches Verfahren mit Sicherheit nicht der Beschleunigung dieses Verfahrens dient sondern der ganz gehörigen Verschleppung, weil Beanstandungen, Anträge, Rügen u. ä. von der Verteidigung eingebracht werden müssen.

[1488] Aber ich möchte jetzt zunächst mal wissen, ob der Senat hier insgesamt der Auffassung ist, daß es rechtens ist, daß es zulässig ist, sich der Anbringung von Anträgen durch Flucht zu entziehen.

Vors.:

Also das schlichte Hinausgehen ist die Flucht.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Das ist jetzt das zweite Mal, daß das geschehen ist heute früh.

Vors. (nach geheimer Senatsumfrage):

Herr RA v[on] Plottnitz, der Senat sieht keinen Anlaß für einen Beschluß. Es ist unzulässig; dieses Ereignis ist überholt, und Sie hatten das Wort jetzt. Sie können also das, was Sie glauben, daß es versehentlich unterblieben sein soll, jetzt anbringen.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Herr Vors. ... ich habe nun ja auch nicht die Absicht, eine Art dritte Gegenvorstellung einzubringen. Ich wollte mich ja zu dem äußern, was gesagt worden ist von den Kollegen Heldmann und Schily. Das ist mir unmöglich gemacht worden durch die Tatsache, daß dem Antrag, mir dazu Gelegenheit zu geben, schon gar nicht erst stattgegeben wurde. Die Konsequenzen, die sich aus diesem Verhalten ergeben, werde ich an anderer Stelle mit Sicherheit nochmals einbringen.

Vors.:

Es ist Ihnen deswegen unmöglich gemacht worden, weil die Auseinandersetzung mit Ihnen ganz klar ergeben hat, daß es unzulässig war, was Sie vorhatten.

Sie haben mit der Blockverteidigung[31] operiert - das ist ein Begriff, den wir nicht kennen.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Dann haben Sie zunächst mal das als eine sachleitende Verfügung[32] darzutun und nicht nach draußen zu gehen und zu sagen: Ich nehme den Antrag nicht mehr entgegen.

Vors.:

Ich habe Ihnen das gesagt, aber Sie wollten ja sich absolut nicht davon abbringen lassen. Ich habe Ihnen das ganz klar ge- [1489] macht, und übrigens auch durch das Hinausgehen, daß der Antrag nicht angenommen wird, weil er unzulässig ist.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Herr Vors., Sie sind ungenau. Sie erinnern sich, daß der Vorgang so war, daß ich zunächst gefragt habe, ob der Senat beabsichtige, mir das Recht zu dieser Stellungnahme zu geben als Verfahrensbeteiligten; daß mir daraufhin gesagt worden ist:

Nein, das ist nicht vorgesehen.

Daraufhin habe ich den Antrag gestellt, mir dieses Recht zu geben, und dann erfolgte die Flucht nach draußen.

Vors.:

Das ist dann die konkludente[33] Ablehnung.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Sie sagen, daß Sie das als konkludente Ablehnung darstellen. Das bitte ich doch auch jetzt schriftlich zu protokollieren und vorzulesen.

Vors.:

Das brauchen Sie nicht, denn das ist im Protokoll schriftlich festgehalten, d. h. auf Band.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Dann bitte ich doch, das Tonband zurückzuspielen, damit ich mir Sicherheit darüber verschaffen kann, ob diese Äußerung ...

Vors.:

Merken Sie sich diesen Punkt ganz genau. Sie werden sehen, er steht drauf. Wir haben an dem Protokoll ...

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Herr Vors., dann beantrage ich, das Protokoll zurückzuspielen, um mir Gelegenheit zu geben, mich zu vergewissern, ob diese Äußerung auf der Tonbandmitschrift festgehalten ist.

Vors.:

Sie haben die Möglichkeit, dieses Protokoll außerhalb der Hauptverhandlung sofort, wenn wir in die Mittagspause eintreten, daraufhin zu überprüfen.

[1490] RA v[on] Pl[ottnitz]:

Herr Vors., das war wieder ein Antrag.

Können Sie mal mitteilen, ob der Vors., ist das wieder eine Art der konkludenten Ablehnung?

Vors.:

Es ist hier eine Art der Arbeitserleichterung, die wir für Sie mitvornehmen, dadurch, daß wir dieses Tonbandprotokoll mitlaufen lassen. Es gibt im Augenblick doch keinen Grund, daß Sie jetzt irgendwie verlangen ...

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Herr Vors., ich habe einen Antrag gestellt. Ich bitte um eine Verfügung, um eine sachleitende Entscheidung dazu.

Vors.:

Der Antrag ist doch ganz klar:

Sie wollen haben, daß Sie nochmals hören können ...

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Ja.

Vors.:

Diese für Sie so wichtige Entscheidung ...

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Auf Ihre Äußerung, daß mein Antrag konkludent abgelehnt worden sei, ob die auch auf der Tonbandmitschrift enthalten ist. Das ist ja eine aufschlußreiche ... eine äußerst aufschlußreiche Äußerung, die ganz gewiß auch noch zum Gegenstand von Anträgen zu machen ist.

Vors.:

Ist das Tonband in dem Augenblick, als ich das gesagt habe, in Gang gewesen? Bestehen irgendwelche Zweifel, daß es drauf ist? Dann lassen Sie’s bitte zurücklaufen.

An dieser Stelle wird das Tonband Nr. 59 angehalten und auf die entsprechende Stelle zurückgespult.

Gleichzeitig wird das Tonband Nr. 60 eingeschaltet und die folgende Äußerung des Vors. den Beteiligten vorgespielt.

Ende von Band 59.

[1491] Vors.:

„Das ist dann die konkludente Ablehnung.“

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Nochmal, nochmal!

Richter Dr. Foth:

Nochmals zurück und lauter, damit’s der Herr v[on] Plottnitz hört.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

„... zu geben, und dann erfolgte die Flucht nach draußen.“

Vors.:

„Das ist dann die konkludente Ablehnung.“

Vors.:

Sind Sie zufriedengestellt?

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Ich bin zufriedengestellt.

Ich bitte aber jetzt, dem Herrn Raspe kurz das Wort zu erteilen. Er will einen Antrag stellen.

Vors.:

Einen Antrag? Bitte schön.

RA Sch[ily]:

Ich möchte Sie darauf hinweisen, ...

Vors.:

Ich denke, Herr Raspe sei[dd] jetzt an der Reihe. Herr Raspe hat jetzt das Wort bekommen auf Bitten seines Verteidigers.

RA Sch[ily]:

Herr Raspe ist damit einverstanden, daß ich zunächst einmal das Wort habe, wenn Sie gestatten. Ich habe mich auch gemeldet hier.

Herr Vors., Sie haben mich gerügt, daß ich Herrn B. Anw. Dr. Wunder - was ich nicht gerne tue: unterbreche - unterbrochen habe. Aber ich habe nicht festgestellt, daß Sie beispielsweise Herrn B. Anw. Dr. Zeis gerügt haben, der ja auch mal mitten in die Ausführungen eines Verteidigers hinein meinte, das Wort nehmen zu müssen, wo es ihm ausdrücklich darauf ankam, auf einen angeblich verkniffenen Gesichtsausdruck, den er irgendwo hier rekognosziert hatte, hinweisen zu müssen.

[1492] Aber die Mitteilung, die ich dabei machen wollte - und das halte ich für das Protokoll für erforderlich -, weil Herr B. Anw. Dr. Wunder meinte, auf irgendwie Auftauchen von Langeweile im Publikum aufmerksam machen zu müssen - ich weiß nicht, welche Bedeutung das für das Verfahren hat, aber offensichtlich hat diese Tatsache in der Auffassung der B. Anwaltschaft eine gewisse Bedeutung - dann meine ich doch, drauf hinweisen zu müssen, daß dieser Auszug, der hier stattgefunden hat während der Ausführungen von Herrn Baader, daß das offenbar eine Gruppe war, die heute vom Bundesgrenzschutz hierhin entsandt worden ist als größere Gruppe, die an der Verhandlung als Zuhörer teilnehmen wollte, und die Langeweile, die sich offenbar also hier nach der Vermutung der B. Anwaltschaft ausgebreitet hat, beschränkte sich offensichtlich auf diese hier abgeordnete Gruppe, wobei allerdings hier so ne Art Kommando sich da wohl ergeben hat, denn die gingen da wie auf ein geheimes Kommando von dannen. Ob das aus Langeweile oder sonst etwas zu tun hatte, das weiß ich nicht. Aber ... Spekulationen der B. Anwaltschaft.

Vors.:

Wir üben keine Kontrolle über die Zusammensetzung des Publikums aus. Davon wissen wir nichts.

RA Sch[ily]:

Ich würde im übrigen bitten, daß man doch mal überprüft, ob die Zuhörer ...

Vors.:

Das können Sie dann außerhalb der Hauptverhandlung tun.

RA Sch[ily]:

Nee. Das ist ja ne Frage der Öffentlichkeit, Herr Vors., ob diesen Anreisenden - ich meine, gut, wenn sie mit Interesse also hier der Verhandlung folgen; es ist ja ein Lehrstück - ob die da eine bevorzugte Behandlung bei der Zulassung zum Zuhörersaal ...

Vors.:

Haben Sie irgendeinen Anlaß, eine solche Überprüfung anzuregen?

[1493] RA Sch[ily]:

Nein, nein. Diese Frage sollte überprüft werden, weil die hier so in Reisebussen, wie mir gesagt worden ist, anreisen, und das würde mich also interessieren.

Vors.:

Wir gehen der Sache nach, wenn Sie das wollen.

Es gibt keinen Grund, zu bezweifeln, daß hier an den Pforten korrekt gehandelt wird. Sie können doch nicht einfach die Behauptung in dieser Form in die Luft stellen, daß ...

RA Sch[ily]:

Ich hab gar keine Behauptung aufgestellt. Ich hab die Frage gestellt, nachzuprüfen

Vors.:

Immer nach der Methode semper haeret, nicht wahr? Irgendwas bleibt dann hängen.

RA Sch[ily]:

Ach, Herr Vors., ich meine, die Methoden werden von ganz anderen Leuten angewendet.

RA Rie[del]:

Zu dieser Frage, gestatten Sie, Herr Vors., gibt es allerdings Kritik anzumelden.

Vors.:

Bitte, wenn Sie Gründe haben, Herr RA Riedel, dann bringen Sie die vor. Das ist uns interessant.

RA Rie[del]:

Wie berichtet worden ist aus der Zuhörerschaft - jedenfalls der Verteidigung zu Ohren gekommen ist -, ist tatsächlich der Einzug dieser Gruppe so gewesen, daß die Herren zum Teil mit Dienstausweisen, zum Teil auch ohne jede Ausweiskontrolle die Passage dort durchgangen haben und dann an den Zuschauern vorbei hier sich in den Raum begeben haben, nicht wahr. Ich kann das nicht nachprüfen, weil ich ja hier sitze und nicht draußen stehe. Aber diese Beobachtung ist gemacht worden und ist uns zu Ohren gekommen.

Vors.:

Haben Sie noch - das ist der einzige Punkt, der zusätzlich interessiert - Anhaltspunkte, daß das nicht der Reihenfolge [1494] nach, wie das Publikum sich angestellt hat, sich ereignet hat?

RA Rie[del]:

So ist es geschildert worden, ja.

Vors.:

Nicht der Reihe nach?

RA Rie[del]:

Nicht der Reihe nach.

Vors.:

Gut. Wir werden dann der Sache nachgehen.

Jetzt hat Herr Raspe das Wort für seinen Antrag.

Angekl. Ra[spe]:

Ja. Ich wollte im Zusammenhang zunächst nochmals mit dem, worum es vorhin ging, klarstellen ...

Vors.:

Nein. Sie sollen jetzt einen Antrag stellen.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Das ist dem Herrn Raspe zu überlassen.

Vors.:

Nein, nein. Herr Rechtsanwalt, das überlassen wir Herrn Raspe nicht. Ich möchte wissen, ob ein Antrag kommt. Für Erklärungen ist jetzt keine Gelegenheit.

Angekl. Ra[spe]:

Hören Sie doch auf, mich zu unterbrechen, bevor ich überhaupt einen einzigen Satz gesprochen habe.

Vors.:

Ich habe Sie gebeten, Sie sollen Ihren Antrag formulieren.

Angekl. Ra[spe]:

Ich wollte sagen, daß ich mich anschließe an diesen Punkt, um den es vorher ging, nämlich die Frage, inwieweit ich innerhalb einer Auseinandersetzung hier um die Frage des Ausschlusses der Verteidiger, inwieweit ich also davon betroffen bin. Und das ist nämlich im Augenblick durchaus der Punkt insofern nämlich, als die Ausschlußbegründungen zu Ströbele zum Teil identisch sind mit den Ausschlußbegründungen zu Croissant.

Vors.:

Ja, gut. Aber jetzt kommen Sie bitte zu Ihrem Antrag.

[1495] Herr Raspe, Sie haben zu Erklärungen jetzt keine Gelegenheit. Bitte, stellen Sie Ihren Antrag.

Angekl. Ra[spe]:

Ja und genau im Zusammenhang damit, nämlich im Zusammenhang mit der Frage, die dort in dem Protokoll auftaucht, wiederhole ich nochmals den Antrag, den ich neulich schon gestellt hab, und auf den also offensichtlich der Senat bisher keine Entscheidung getroffen hat, nämlich den Antrag ...

Vors.:

Darf ich Ihnen vielleicht zur Unterrichtung sagen:

Der Antrag ist uns geläufig. Wir wissen, daß er offen ist.

Herr RA v[on] Plottnitz wollte sich dazu noch äußern.

Angekl. Ra[spe]:

Ich wiederhole den Antrag.

Vors.:

Es geht um den Antrag Protokollberichtigung, wie es geheißen hat; es geht darum, die Mikrophone gleichzuschalten; und es geht darum, Protokolle an die Angekl. zu überlassen.

Die drei Punkte waren’s, stimmt’s?

Angekl. Ra[spe]:

Ja, das ist offen bisher.

Vors.:

Ja, weil Herr RA v[on] Plottnitz zum Schluß sagte:

Bevor der Senat entscheiden, solle ...

Angekl. Ra[spe]:

Sie können das doch jetzt nicht auf uns abschieben, daß der Senat darüber nicht entscheidet.

Vors.:

Ihr Herr Verteidiger hat gebeten drum, daß er sich, bevor entschieden wird, noch dazu äußern könnte, und dazu haben wir gesagt: ja; und bis jetzt ist die Äußerung noch nicht da. Folglich entscheiden wir nicht darüber.

Angekl. Ra[spe]:

Ich will mich jedenfalls dann in dem Moment nochmals dazu äußern.

Vors.:

Der Antrag ist doch gestellt.

[1496] Angekl. Ra[spe]:

... weil es eben ungeheuer deutlich ist ...

Vors.:

Was hat das jetzt im Augenblick mit dem Gegenstand der Hauptverhandlung zu tun?

Angekl. Ra[spe]:

Ja ’s hat mit dem Gegenstand insofern zu tun, daß es um die Frage geht, was hier protokolliert worden ist und was nicht. Es geht um die Fälschungen im Protokoll, um die Frage vorhin, um den Punkt, daß es um die wörtliche Protokollierung ging und daß das also durchaus im wesentlichen ...

Vors.:

Also wir werden folgendes tun:

Sie haben ja von Anfang an gewußt, daß dieses Protokoll in einer bestimmten Weise geführt wird; daß Sie die Möglichkeit haben, innerhalb eines angemessenen Zeitraums geltend zu machen, das und das sei nicht im Protokoll aufgenommen. Von Fälschungen zu reden ist also schlichter Unsinn. Das können Sie jederzeit tun. Das ist aber nicht Gegenstand der Hauptverhandlung.[34] Wir werden Sie anhören; wir geben Ihnen Gelegenheit, daß Sie sich schriftlich äußern oder sonst irgendwie das zu Protokoll geben. Aber nicht jetzt in der Hauptverhandlung. Sonst jederzeit. Und Herr RA v[on] Plottnitz, bitte, Sie haben selbstverständlich die Gelegenheit auch. Wir warten immer auf Ihre Stellungnahme in diesem Punkte. Wir werden dann ...

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Der Punkt ist dann jetzt in Vergessenheit.

Aber vielleicht an dieser Stelle dann nur, weil’s sich aktuell so ergibt, zur Frage der Überlassung von Protokollen an die Gefangenen selbst. Das halte ich für besonders vordringlich, weil wir bisher festgestellt haben, daß ... die Tatsache, daß die Gefangenen die Protokolle selbst - also von uns - dann zu bestimmten Zeiten überlassen bekommen müssen, wir sie wieder zurückholen müssen. Das ist eine ungeheure Erschwerung der Verteidigertätigkeit.

[1497] Vors.:

Ja, gut, Herr RA., nichts dagegen. Wir werden darüber entscheiden. Aber Sie sollten ja noch Ihre Stellungnahme dazu abgeben. Das war doch der Grund, weshalb wir bisher gewartet haben.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Gut, Das war dann ein Mißverständnis. Ich bin nicht davon ausgegangen, daß ich noch ne schriftliche Stellungnahme vorlegen soll ...

Vors.:

Oder auch mündlich.

Es wäre uns aber lieb, das jetzt nicht in die Hauptverhandlung hereinzunehmen. Ich habe also hier unter der Liste offene Anträge den Vermerk stehen:

Herr RA v[on] Plottnitz will noch Stellung nehmen.

Können wir fortfahren?

Angekl. Ra[spe]:

Ich war nicht fertig.

Vors.:

Ach so, kommt ein Zusatzantrag?

Angekl. Ra[spe]:

Nein. Ich wollte eigentlich Beispiele im Zusammenhang ...

Vors.:

Außerhalb der Hauptverhandlung. Das Verfahren ist festgelegt, wie dieses Protokoll in dem Sinne, wie Sie’s jetzt verwenden, berichtigt werden kann.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Herr Raspe hat doch aber das Recht, dazu ...

Vors.:

Nein. Jetzt nicht in der Hauptverhandlung.

Angekl. Ra[spe]:

Also inzwischen sind bestimmte Punkte im Protokoll noch deutlicher geworden.

Vors.:

Nein. Es gibt die Gelegenheit dazu, sich zu äußern, die Anregung zu geben. Er kann außerhalb der Hauptverhandlung die Bänder kontrollieren durch Sie, wenn Stellen etwa nicht auf- [1498] genommen sind. Das ist ja wohl die Beanstandung. Aber ich habe Ihnen ja die Gründe genannt, wann es eben dazu kommt.

Angekl. Baa[der]:

Das ist falsch, was Sie sagen.

Vors.:

Das geht alles außerhalb der Hauptverhandlung.

Angekl. Ra[spe]:

Es ist falsch abgeschrieben zum Teil, und das ist ganz offensichtlich ...

Vors.:

Auch insofern, Herr Raspe, haben Sie die Möglichkeit, uns darauf hinzuweisen. Dann hört man in Verbindung mit Ihrem Herrn Verteidiger das Protokoll ab.

Ich sage Ihnen nochmals:

Es sind Schreibkräfte, die hier nicht anwesend sind. Die nehmen eben das Protokoll vom Band so ab, wie es verständlich ist. Nicht jedes Wort ist natürlich ganz gut verständlich.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

... Herrn Raspe Gelegenheit zu geben ...

Vors.:

Nein. Hier in der Hauptverhandlung jetzt nicht.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Aber lassen Sie ihn doch mal den Antrag formulieren, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Der Antrag ist formuliert, und es ist ein Antrag, der mit dem Gegenstand der Hauptverhandlung nichts zu tun hat.

RA v[on] Plottnitz spricht ständig ohne Mikrophon, [ee]

Infolgedessen sind nur einzelne Passagen verständlich.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Wenn ich beantrage, dem Herrn Raspe weiterhin das Wort zu belassen zur Begründung des Antrags ...

Vors.:

Es ist bis jetzt der Antrag schon gestellt gewesen. Wir haben auf Ihre Stellungnahme gewartet. Wir haben ...

[1499] RA v[on] Pl[ottnitz]:

Es geht doch jetzt nicht um den Antrag, den Herr Raspe begründen wollte ... daß Sie Herrn Raspe das Wort entziehen.

Das ist es.

Vors.:

Es geht doch jetzt weiterhin um den bereits gestellten Antrag, wozu Sie, Herr Raspe, sich äußern wollen.

Angekl. Ra[spe]:

Es geht um den bereits gestellten Antrag, es geht um ne Präzisierung dieser Begründung. Ich will hier einige Beispiele aus dem Protokoll, und zwar in öffentlicher Hauptverhandlung vorlesen, damit Sie sehen, daß das so ist.

Vors.:

Ich habe Ihnen vor zwei Tagen gesagt, Herr Raspe - und das galt für alle Prozeßbeteiligten -, daß wir in einer Zwischenphase sind zwischen Aufruf und Vernehmung zur Person, und wir nehmen in diese Zwischenphase jetzt nicht die Dinge mehr herein, die mit der Hauptverhandlung nun schlechterdings nichts direkt zu tun haben.

RA v[on] Plottnitz bleibt unverständlich.

Vors.:

Auf welche berufen Sie sich?

Ich habe Herrn Raspe das Wort nicht erteilt, weil wir nicht jetzt rekapitulieren können, was in den früheren Tagen geschehen ist. Das kann nur außerhalb der Hauptverhandlung geschehen auf dem bereits angezeigten Wege.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Also das ist eine völlig unzutreffende Rechtsauffassung. Das Protokoll wird ja nicht außerhalb der Hauptverhandlung geführt, sondern innerhalb der Hauptverhandlung.

Vors.:

Das Protokoll wird überhaupt erst später erstellt. Aber diese Arbeitsgrundlage, die wir hier für die Beteiligten erstellen, die ist überprüfbar auf dem angezeigten Wege durch Abhören der Bänder außerhalb der Hauptverhandlung.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Ich beantrage,

dem Herrn Raspe weiterhin jetzt das Wort zu erteilen zur Begründung seines Antrags.

[1500] Vors.:

Und ich habe gesagt:

Dazu bekommt er’s nicht, weil das nicht Gegenstand der Hauptverhandlung ist.

Sie können’s ja jetzt beanstanden.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Dann beanstande ich diese Maßnahme.

Vors. (nach geheimer Senatsumfrage):

Der Senat stimmt mit meiner Auffassung überein.

Ihr Antrag ist abgelehnt.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Ich habe nicht bemerkt, daß z. B. der Richter Dr. Berroth dazu überhaupt gehört worden ist. Vielleicht kann er selbst was dazu sagen.

Richter Dr. Berroth:

Vielleicht sagt mein Beisitzer etwas.

Richter Maier:

Er wurde gehört, Herr Rechtsanwalt.

Vors.:

Im Wege der Umfrage ist’s geschehen.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Telepathische Methoden hier, offensichtlich.

Vors.:

Können wir jetzt fortfahren mit der Verhandlung?

Herr RA Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Bitte ein Hinweis:

Ich meine nicht, daß mit dem Anschneiden der Frage, ob auf ordentlichem Weg dieser hierher versetzte Zug B. Grenzschutz einmarschieren konnte die Frage der Öffentlichkeit im Sinne der Gerichtsverfassung[35] gelöst ist, sondern auffällig ist doch - und daran knüpfen sich meine weiteren Zweifel -, daß anderthalb Stunden nach Beginn der Hauptverhandlung dieser Zug B. Grenzschutz wie auf Kommando sich erhoben und wieder hinausmarschiert ist. Und so allerdings wird Öffentlichkeit blockiert, denn dann waren diese Plätze frei für wirklich interessierte Zuhörer.

[1501] Das ist das eine.

Beifall auf der linken Seite des Sitzungssaals (vom Richtertisch aus gesehen).

Vors.:

Ich bitte nochmals:

Lassen Sie endlich diese Beifalls- oder Mißfallenskundgebungen hier sein. Sie gefährden Ihre Anwesenheit.

RA Dr. He[ldmann]:

Zweitens:

bitte ich, Herrn Baader das Wort zu geben für einen Antrag.

Vors.:

Herr Baader.

Angekl. Baa[der]:

Naja. ’s geht darum, es geht um den, also ’s geht darum, daß, was Sie grade abgelehnt haben bei Jan. Es ist tatsächlich wesentlich, daß Sie über diesen Antrag schnell entscheiden, praktisch sofort; denn Sie haben ja hier mitgeteilt öfter, daß die Bänder gelöscht werden, wenn sie abgeschrieben sind, d. h. ...

Vors.:

Herr Baader, welchen Antrag wollen Sie stellen?

Angekl. Baa[der]:

Den Antrag:

uns das Protokoll auszuhändigen erstens.

Vors.:

Er ist ja gestellt.

Angekl. Baa[der]:

Ja. Ich stelle ihn jetzt für mich nochmals, und ich werde ihn nochmals ausdrücklich begründen. Ich werde auch seine Dringlichkeit begründen, die Sie eben bestritten haben. Das ist der Punkt.

Vors.:

Es ist grade gesagt worden, daß die Begründung für diese Anträge außerhalb der Hauptverhandlung gestellt werden können. Wir machen sie nicht zum Gegenstand der Hauptverhandlung.

[1502] Angekl. Baa[der]:

Ja, das ist mir schon klar, warum Sie sie nicht zum Gegenstand ... warum Sie die Manipulation des Protokolls nicht zum Gegenstand der Hauptverhandlung machen wollen. Das kann hier jedem klar werden. Das ist schon so.

Vors.:

Herr Baader, ...

Angekl. Baa[der]:

Sie haben gesagt:

Innerhalb von drei Tagen werden die Bänder gelöscht. Das heißt, es besteht dann keine Möglichkeit mehr der Überprüfung. Tatsache ist, daß hundert Stellen des Protokolls sind entstellende Verfälschungen dessen, was die Angekl. sagen.

Vors.:

Herr Baa[der], machen Sie geltend, welche Änderungen Sie wünschen. Das ist möglich.

Angekl. Baa[der]:

... und zwar aufgrund dessen, was die Angekl. gesagt haben.

Das ist sehr wichtig. Das, was Sie sagen, ist immer absolut bis auf das Komma korrekt. Bei uns sind Sachen, fehlen halbe Sätze, sie sind sinnentstellt.

Vors.:

Herr Baader, ich habe jetzt gesagt, daß Antragsmöglichkeiten außerhalb der Hauptverhandlung sind unter Mitwirkung und Kontrolle Ihrer Verteidiger.

Sie haben dazu das Wort nicht mehr.

Angekl. Baa[der]:

Ich habe das Wort.[ff]

[Vors.:]

Nein, Sie haben’s nicht. Werden jetzt weitere Anträge gestellt, oder können wir zur Vernehmung zur Person kommen?

Herr RA Riedel hat sich wohl zunächst gemeldet.

RA Rie[del]:

Ich möchte auch einen Antrag stellen im Zusammenhang mit der Öffentlichkeit, und zwar beantrage ich:

Zuhörern, die hier erschienen sind, das Mitschreiben zu gestatten.

Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

[1503] Ein Zuhörer hat berichtet, und zwar mit dem Namen Werner Robbers, daß er am 22. Juli - also am letzten Verhandlungstag, am Dienstag - am 22. Juli 1975 von dem aufsichtsführenden Beamten daran gehindert worden ist, in den Nachmittagssitzungen einen einfachen kleinen weißen Notizblock, Format DIN-A-6, mitzunehmen und einen normalen Holzbleistift dazu. Er hat dagegen protestiert, und das ist nicht beachtet worden. Eine Begründung hat er ebenfalls nicht erhalten. Interessant ist daran, daß an vier Verhandlungstagen zuvor er nicht gehindert worden ist, dieses Schreibwerkzeug - also Holzbleistift und Notizblock in kleinem Format - mitzunehmen, nachdem er am 21. Mai, also zu Beginn der Hauptverhandlung, von einem Sicherheitsbeamten dahingehend informiert worden ist, daß er zwar Kugelschreiber und großen Schreibblock nicht mitnehmen darf, da er sich als Journalist nicht ausweisen konnte, daß aber gegen kleines Papier und normalem Bleistift nichts einzuwenden sei.

Dieses am letzten Verhandlungstag erteilte Mitschreibeverbot verstößt eindeutig gegen § 169 GVG, der die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung garantiert. Es ergibt sich aus dem Zweck dieser Vorschrift und ist auch in der Rechtsprechung hinreichend abgesichert, daß die Möglichkeit auch für normale, ganz normale Zuhörer hier gegeben sein muß, sich Notizen - nicht so umfangreicher Art wie Journalisten natürlich, aber Notizen immerhin - machen zu können. Ich verweise darauf nur auf die Kommentierung bei Eberhard Schmidt[36] und die anderen gängigen Kommentare. Es ist als ganz einheitliche Lehre anzusehen, daß dies möglich sein muß. Irgendwelche Gründe, die die Vorschrift des § 172 GVG[37] bei Möglichkeit unter Ausschluß der Öffentlichkeit vorliegen und eine Begrenzung darstellen könnten für diese Möglichkeit, liegen nicht vor, Und es ist daran zu erinnern, daß tatsächlich hier eine Öffentlichkeit geschaffen wird, wie sie Feuerbach schon beschrieben hat im Jahre 1821, bei welcher zwar auch ein sogenanntes Volk, aber nur als ein persönliches Nichts erscheint ohne alles Recht, ohne allen Anspruch, als eine bloß gaffende, starrende, nur leidend teilnehmende Menge, [1504] nämlich die Gerichtsöffentlichkeit in Despotien.

Das ist ein Zitat aus „Betrachtung über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerichtspflege“, Feuerbach, 1821, S. 48.

Vors.:

Wir werden auch dieser Sache nachgehen.

Herr RA Schily.

RA Sch[ily]:

Ich möchte kurz ergänzen:

Ich unterstütze diesen Antrag; schließe mich dem an.

Ich möchte aber darauf hinweisen, daß Sie ja wissen, daß die Zahl der Presseplätze aus Platzgründen beschränkt ist, und es reisen doch mitunter also Journalisten an, die eben eine Pressekarte nicht haben, die also dann darauf angewiesen sind, als normaler Zuhörer hier zu erscheinen.

Vors.:

Dafür haben wir die 20 Überstücke für Presse. Wir haben also so abgestuft, Herr Rechtsanwalt.

RA Sch[ily]:

Ja, sicherlich, sicherlich.

Vors.:

Zunächst diejenigen mit den Ausweisen, und die, die Presseausweise allein haben, die können dann von diesen 20 Plätzen einen beanspruchen.

RA Sch[ily]:

Ja. Es gibt aber eben auch vielleicht ist Ihnen das auch geläufig - Journalisten, die also nun nicht mit dem offiziellen Presseausweis ausgerüstet sind, die also für andere Publikationsorgane oder nur als freie Mitarbeiter womöglich schreiben, und warum soll denen also verwehrt sein, hier in der Verhandlung Aufzeichnungen zu machen, wenn also da nun erkennbar nun nicht irgendeine finstere Absicht damit verbunden sein sollte.

Vors.:

Gut. Damit könnten wir dann in der Sache fortfahren.

Herr RA Dr. Heldmann.

[1505] RA Dr. He[ldmann]:

Ich beantrage für Herrn Baader:

entgegen dem außerhalb der Hauptverhandlung ergangenen Beschluß vom 18.7., der mir am 21.7. zugestellt worden ist, die Fachärzte aus dem Bereich Psychiatrie neu zu bestimmen.

Mit Ihrem außerhalb der Hauptverhandlung gestellten Antrag vom 16.7.75 haben die Verteidiger insgesamt dem Senat hierzu vorgetragen:

Von den hier genannten - nämlich in der Liste, die der Senat hat zusammenstellen lassen - von den hier genannten Spezialisten ist bekannt, daß ihre Forschungsarbeiten und ihre ärztliche Tätigkeit über den Rahmen der konservativen forensischen Psychiatrie nicht hinausgehen.

Dazu im folgenden:

Der Senat hat trotz unserer Gegenvorstellungen in unserem Schriftsatz vom 16., mit welchem wir zugleich eine Liste von Sachverständigen von Psychiatrie vorgelegt haben, nämlich die Professoren Tiskar, Dörner, Debor, Gschwindt und Sallis, ohne unsere Vorschläge berücksichtigt zu haben, nun gerade die Herren Professoren Erhardt und Mende beauftragt.[38] Dagegen gebe ich dem Senat erneut und eindringlich zu erwägen.

Der Senat hat am 18.7. nämlich gesagt, es bestehe kein Anlaß, von der Liste, die die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie hergegeben hat, abzuweichen, insbesondere - das waren unsere Vorstellungen - abzuweichen von der Benennung der Professoren Ehrhardt und Mende. Dagegen besteht, meint[gg] die Verteidigung, Anlaß, auf andere Ärzte, nämlich im Sinne unseres Verteidigungsantrags und seiner Begründung zurückzugreifen.

Insbesondere:

In der Verhandlung am 12.6.75 hat der vom Senat als Sachverständige behandelte Gefängnisarzt, Dr. Henck[39], gesagt, als nämlich die pathogene Wirkung sensorisch deprivierender [hh] Haftbedingungen erörtert worden ist: „Solche Umweltbedingungen“ - wörtliches Zitat -

[1506] „können pathogen werden, selbstverständlich.“

Zitat von Bl. 491 des Protokolls.

Auf die wissenschaftlichen Kompetenzen für die Beurteilung des Deprivationssyndroms angesprochen, hat ebenfalls als Sachverständiger in derselben Sitzung Herr Dr. Henck geantwortet - von Bl. 509 des Protokolls -, und ich bitte Sie, diese Äußerung besonders zu beachten, weil sie im wesentlichen auch diesen Antrag stützt:

„Nein. Es ist ja auch nicht nur ein psychiatrisches oder ein medizinisches Problem; es ist ja ein gemischtes Problem. Das geht ja bis in das Psychologische oder gar Tiefenpsychologische hinein, wie Sie selbst schon feststellten.“

Ende des Zitats.

Das heißt: Herr Dr. Henck selbst hat eingeräumt, daß der Untersuchungsgegenstand, für den Sie konservative Psychiater, bekannte konservative Psychiater, benannt haben, über deren Kompetenzen erheblich hinausgeht.

In der Verhandlung vom 8.7.75 hat als Sachverst. Herr Prof. Rauschke[40] ausgesagt - und ich zitiere, wenn Sie erlauben, von Bl. 1127 des Protokolls -

Prof. Rauschke:

„Ja. Ich habe gesagt, die lange Haft könnte psychische Auswirkungen gehabt haben, und da sich das Ganze auf diesem Gebiet auf der Isolation usw. erstreckt und das von Ihnen jedenfalls geltend gemacht wird, wäre ich der Meinung, daß man Gutachter mit entsprechenden Erfahrungen und wissenschaftlichen Qualifikationen in diese Untersuchung einbezieht.“

Und im nächsten Absatz des Protokolls hat auf Frage dann Herr Prof. Rauschke eindeutig gesagt

Frage:

„Halten Sie die Zuziehung eines Wissenschaftlers oder von Ärzten, die mit der Isolationsforschung befaßt sind, für notwendig?“

Und Herr Rauschkes Antwort:

„Halte ich für zweckmäßig oder notwendig, wie man’s nennen will: ja.“

[1507] Das heißt also:

Nicht nur die Vorstellungen, die Ihnen, dem Senat, die Verteidigung mit ihrem Schriftsatz vom 16.7. gegen die Auswahl der konservativen Psychiater vorgetragen hat, veranlassen - wie wir auch heute noch denken - eine differenzierte Auswahl, sondern gerade die prozessualen Äußerungen der beiden Ärzte, die von Ihnen hier als Sachverst. geladen und als solche behandelt worden sind.

Ferner:

Wo nicht - wie der Senat meinte - die Vorstellungen der Verteidiger Anlaß, auf andere Ärzte zurückzugreifen - so haben Sie verneint - für den Bereich Psychiatrie nur gegeben haben sollten, so müssen die, jedenfalls die hier von den beiden Sachverst. des Senats geäußerten Hinweise, nämlich „notwendig“ - wörtlich - zu einer Revidierung dieser Auswahl, nämlich die Auswahl der Professoren Ehrhardt und Mende, führen.

Nach den Informationen der Verteidigung, die Sie unschwer werden überprüfen können, sind grade die Prof. Ehrhardt und Mende Kriminalpsychiater der alten Schule, der konservativen Schule. Von beiden ist bekannt, daß Psychologie und psychoanalytische Wissenschaft nicht zu den Ansätzen ihres kriminalpsychiatrischen Wissenschaftsbegriffs gehören. Insbesondere aber auch finden sich bei ihnen keine Ansätze - und das ist nun wahrscheinlich das Gravierendste - keine Ansätze, Umweltbedingungen, soziale Ursachen für die Genese persönlichkeitsdeformierender Erkrankungsprozesse zu begreifen. Damit bleiben sie sogar unter dem international anerkannten Krankheitsbegriff, der nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation auch die soziale Krankheit umfaßt, nämlich jenes psychosomatische Krankheitsbild, welches die individuale Belastung infolge generell krankmachender Umweltbedingungen bezeichnet - soziale Krankheit; Weltgesundheitsorganisation - welches aber unsere Schulmedizin mit dem Allerweltsbegriff, mit der medizinischen Lehrformel vegetative Dystonie sowohl phänomenologisch wie vor allem aber auch ätiologisch vernebelt.

[1508] Vegetative Dystonie ist auch eine der Sachverst.-Aussagen, hier in diesem Prozeß, als es um die Frage der Verhandlungsfähigkeit[41] gehen sollte, gefallen; nichts anderes bedeutet vegetative Dystonie - darum sprach ich von einem medizinischen Vernebelungsversuch - als anomales Verhalten des vegetativen Nervensystems, und darunter kann sich nun jeder ausmalen, was für den jeweiligen Fall passen könnte. Vegetative Dystonie jedenfalls ist eine Leerformel[ii], sagt gar nichts. Hat aber nichts zu tun mit dem sozialen Krankheitsbegriff der Weltgesundheitsorganisation, die ja in unserer Medizin überwiegend anerkannt ist, aber - und darauf hebe ich ab - grade nicht bei diesen Altmeistern der konservativen Psyche... Psychiatrie.

Schließlich, doch nicht zuletzt, haben die vom Gericht bestimmten beiden Altmeister dieser immobilen forensischen Psychiatrie hierzulande sensorische Deprivation weder als pathogene Umweltsituation noch auch nur - wie etwa Kempel, Gross und andere, die von den Hamburger Forschungen bekanntgeworden sind - noch auch nur als diagnostische Methode adaptiert oder auch nur zur Kenntnis genommen. Schon darum entsprechen sie nicht den Anforderungen für die hier anzustellenden Untersuchungen der Gefangenen, wie sie selbst die Gerichtsmediziner Dres, Henck und Rauschke für notwendig erklärten, obgleich sie beide nach eigenem Bekenntnis für dieses Wissenschaftsgebiet inkompetent, um so gewichtiger deren Aussagen, Isolationsforscher seien jedenfalls für die Frage nach der Verhandlungsfähigkeit dieser Angeklagten notwendig, in diese Untersuchung einzubeziehen. Soweit im wesentlichen die Begründung für diesen Antrag. Jedoch muß ich beiläufig eine Anmerkung daran knüpfen: Herr Dr. Henck hat in seiner späteren Vernehmung am 2.7., seine eigene frühere Aussage, die ich Ihnen eben zitiert habe, nämlich von der Notwendigkeit der Beiziehung von Isolationsforschern zur Beurteilung der Verhandlungsfähigkeit dieser Angeklagten. Er hat Sie da, erschreckt vielleicht vor eigener Courage, zu relativieren versucht, indem er - allerdings wiederum bloß unter Verweis auf Sekundärliteratur - [1509] die Arbeit von Kempe, Schönberger und Gross, die abgedruckt ist in „Nervenarzt“, 1954, dort auf den Seiten 561 ff. zitiert, und zwar in der folgenden bemerkenswerten Weise. Als Zitat hat Herr Dr. Henck ausgegeben - Bl. 1007 des Protokolls, auch dort als Zitat gekennzeichnet -:

„Sicher ist in Sensationsberichten viel übertrieben worden, besonders in Bezug auf die Gefahren der sensorischen Deprivation. Die Komplikationsrate, d. h. das Auftreten ernster psychischer Reaktionen, die eine Behandlung notwendig machen, liegt bei 1:6000.“

Das hat uns Herr Dr. Henck als Sachverst. dieses Gerichts hier zitiert.

Die Arbeit, von der er hier angeblich zitiert hat, liegt hier vor mir. Es ist die Arbeit von Kempe, Schönberger und Gross: „Sensorische Deprivation als Methode in der Psychiatrie“, ist publiziert in „Nervenarzt“, 1974, auf den Seiten 561 ff.

Den ersten Teil des hier eben von mir wiedergegebenen Henck-zitats finden wir nicht in dieser Arbeit, nämlich von der Übertreibung in den Sensationsberichten.

Den zweiten Teil des Henck-Zitats finden wir nicht wörtlich. Im Original heißt es hier auf der S. 563:

„Ergäbe sich eine sehr geringe Komplikationsrate von etwa 1:6000 bei Anwendung sensorischer Deprivation.“

Was jedoch - und darum ist das hier besonders hervorhebenswert - Herr Dr. Henck - ich unterstelle, aus Unkenntnis - verschwiegen hat, ist das Wesentliche und ist geeignet als Zitat von der geringen Komplikationsrate geradezu zu alarmieren, nämlich:

Die sensorische Deprivation in den Versuchen, von denen Kempe, Schönberger und Gross in der hier zitierten Arbeit berichten, haben

1. an freiwilligen Personen ... Versuchspersonen stattgefunden und

2. und das beachten Sie nun bitte - in Zeiträumen sensorischer Deprivation von 6 - maximal 24 Stunden.

[1510] Sie sehen also, daß durch das, was wir auf S. 1007 als ein wissenschaftliches Zitat Ihres Sachverst. Herrn Dr. Henck wiederfinden, in Wahrheit genau das Gegenteil dessen, was er damit hat bekunden wollen, aussagt, wo es hier ging um Versuche an Freiwilligen mit sensorischer Deprivation in Zeiträumen von 6 - maximal 24 Stunden. Langzeitisolation hingegen, sensorische und soziale Deprivation unter den bekannten strengen bis absoluten Isolationsbedingungen wie hier - ich erinnere an die Untersuchungshaftfälle Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin, Baader und Raspe - ist niemals Gegenstand eines als wissenschaftlich ausgegebenen Experiments gewesen, sondern dort - wie zitiert - Deprivation von 6 - maximal 24 Stunden. Nach diesem Hinweis wiederhole ich den Antrag der Verteidigung:

von den hier vom Senat bestimmten Fachleuten für Psychiatrie abzusehen, statt dessen von der dem Senat vorliegenden Liste Herrn Prof. Rasch auszuwählen und einen zweiten Sachverständigen aus derjenigen Liste zu wählen, die am 16.7. die Verteidigung dem Senat vorgelegt hat.

Vors.:

Herr Dr. Heldmann, ich gehe davon aus, Sie haben diese Zitatstelle aus dem „Nervenarzt“.

Vors. den Senat fragend:

Wir haben sie auch bei uns, ja?

Es wäre nur eine Vereinfachung, wenn wir uns davon rasch eine Fotokopie machen könnten, sofern sich daraus die Bedingungen für diese Kurzzeitisolation ergeben, für dieses Experiment. Haben Sie uns eine Fotokopie? Sie bekommen sie wieder zurück. Wir machen sie schon lesbar wieder.

Danke schön.

[1511] Vors.:

Herr RA Schily, bitte.

RA Sch[ily]:

Ich schließe mich dem Antrag des Kollegen Dr. Heldmann an und habe allerdings dazu noch längere Ausführungen zu machen. Ich wollte fragen, ob jetzt nicht zunächst die Mittagspause eintreten soll.

Vors.:

Ist es notwendig, daß das in der Hauptverhandlung geschieht?

RA Sch[ily]:

Ja.

Vors.:

Das ist etwas, was sich ohne weiteres auch außerhalb der Hauptverhandlung erledigen läßt.

RA Sch[ily]:

Nein. Das möchte ich doch in der Hauptverhandlung vortragen. Der Kollege Dr. Heldmann hatte ja auch Gelegenheit, das in der Hauptverhandlung vorzutragen, die Bundesanwaltschaft hat dazu Stellung genommen; dann möcht ich das auch in der Hauptverhandlung.

Vors.:

Hat noch nicht oder?

RA Sch[ily]:

Oder wird jedenfalls.

Vors.:

Wird? Ja, ich weiß es nicht.

RA Sch[ily]:

Aber ich kann ja mal anfangen. Sie werden ja, obwohl doch Mittagspause ist jetzt.

Vors.:

Ja. Aber uns wäre es lieb, daß diese Dinge doch rasch erledigt werden, denn ich meine, der Antrag ist gestellt, wir kennen den Sinnzusammenhang.

RA Sch[ily]:

Ich meine, es dauert eine Zeit, weil ich dazu einiges zu zitieren habe.

[1512] Vors.:

Aber es wäre gut, wenn Sie das vortragen würden, denn wir werden außerhalb der Hauptverhandlung uns ja über diesen Antrag dann zu unterhalten haben und auch außerhalb der Hauptverhandlung entscheiden und das hier dann bekanntgeben.

Wir beabsichtigen nicht, das zum Gegenstand einer Beratung während der Hauptverhandlung zu machen.

RA Sch[ily]:

Ja, ich meine jetzt grade im Zusammenhang mit der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten wäre es sinnvoll, daß dann wenigstens die Mittagspausen eingehalten werden, nicht?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, haben Sie den Antrag schriftlich vorliegen?

RA Sch[ily]:

Nein, nein. Das mach ich aus Improvisation mit Stichworten. Das ist ja an sich auch die Aufgabe des Verteidigers, das zu können.

Vors.:

Nun ist das ja keine Sache, die sich so eilig dann ansieht. Wäre es nicht möglich, uns das bis morgen schriftlich zu geben oder bis Montag?

RA Sch[ily]:

Nein. Ich finde, da ist doch sinnvoll jetzt - der Antrag des Kollegen Heldmann liegt vor, und Sie wissen ja, daß die Sache auch eilbedürftig ist; Sie haben uns das selber einmal gesagt, daß die Sache eilbedürftig ist; Sie selber haben das geltend gemacht, die Eilbedürftigkeit -,

Vors.:

Gewiß, gewiß.

RA Sch[ily]:

... und deshalb meine ich doch, daß es also sinnvoll ist, das hier in der Hauptverhandlung dann auch vorzutragen.

Vors.:

Will die B. Anwaltschaft Stellung nehmen zu dem, was bereits gesagt worden ist, oder wollen Sie lieber abwarten, bis alles vorgetragen ist, bis alles bekanntgeworden ist?

[1513] Und wollen Sie speziell zu der Frage, ob wir das in der Hauptverhandlung erörtern sollen oder nicht, irgend etwas äußern?

Reg. Dir. Wi[dera]:

Ich kann gleich zu dem, was bisher gesagt ist, ganz kurz Stellung nehmen:

Nach § 73 der StPO ist die Auswahl der zuzuziehenden Sachverst. Aufgabe des Gerichts. Die Verteidiger werden zu gegebener Zeit Gelegenheit haben, ihre Rechte aus den §§ 74 und 83 der StPO[42] geltend zu machen.

Im übrigen bin ich der Auffassung, daß es nicht erforderlich ist, daß hier sofort weitere Ausführungen entgegengenommen werden. Das kann außerhalb der Hauptverhandlung geschehen und bitte deshalb darum, daß nach dem Mittagessen mit der Hauptverhandlung fortgefahren wird, nämlich mit dem jetzt prozessual erforderlichen weiteren Teil.

Vors.:

Herr RA Schily, wir werden um 14.00 Uhr dann fortsetzen. Bis dahin werden wir uns auch schlüssig werden, ob’s nun wirklich dringend notwendig ist, das in der Hauptverhandlung vorzutragen.

Gehe ich richtig davon aus:

Sie wollen damit einen eigenen Antrag, den Sie nun für Frau Ensslin stellen, in der gleichen Richtung begründen?

RA Sch[ily]:

Ich versteh eigentlich nicht, inwiefern ich da andern Regeln unterliegen soll als der Kollege Dr. Heldmann. Ich möchte den begründen, und ich bleibe dabei, daß ich ihn nach der Mittagspause begründen kann.

Vors.:

Es ist ein Antrag, der gestellt werden wird.

RA Sch[ily]:

Es ist ein Antrag, der gestellt wird, und es wird keine Stunden dauern oder was. Das ist vielleicht ne Sache von ner Viertelstunde.

Vors.:

Herr RA v[on] Plottnitz, Sie wollten noch was dazu sagen.

[1514] RA v[on] Pl[ottnitz]:

Ich möchte was zu der Frage sagen, die vom Senat hier[jj] angeschnitten worden ist, was ist innerhalb, was ist nicht innerhalb der Hauptverhandlung zu erörtern.

Ich sehe - zumindest seit dem heutigen Vormittag - hier eine gefährliche Neigung, zentrale Vorgänge, die sich auf das beziehen, was hier in der Hauptverhandlung, etwa im Zusammenhang mit der Frage einer eingeschränkten Verhandlungsfähigkeit, bereits debattiert worden ist, derartige zentrale Vorgänge aus der Hauptverhandlung rauszudrängen ohne die geringste Rechtsgrundlage. Es ist doch das selbstverständliche Recht eines jeden Gefangenen, etwa zur Frage der Auswahl eines Sachverst. in öffentlicher Sitzung - weil der Sachverst. wird ja auch in öffentlicher Sitzung bestellt und angehört, zumindest angehört - zu dieser Frage in öffentlicher Sitzung Anträge zu stellen, die mit der Person und der fachlichen Qualifikation eines solchen Sachverst. zusammenhängen. Daran kann kein Gericht - auch kein 2. Strafsenat - irgendeinen Gefangenen bzw. seinen Verteidiger hindern.

Reg. Dir. Wi[dera]:

Herr Vorsitzender, darf ich dazu etwas sagen?

Vors.:

Bitte sehr.

Reg. Dir. Wi[dera]:

Herr RA v[on] Plottnitz, ich habe die Rechtsgrundlagen dazu benannt: den § 73, den § 74 und den § 83 der StPO.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Ja. An den Rechtsgrundlagen zweifelt niemand. Nur: Es gibt keine Rechtsgrundlage, die es hier gestatten könnte, die Verteidigung auf den Weg außerhalb der Hauptverhandlung zu verweisen, wenn es darum geht, derartige Anträge in öffentlicher Sitzung einzubringen.

Vors.:

Herr RA v[on] Plottnitz, Sie übersehen eines, daß wir uns in einem merkwürdigen Stadium[43] befinden, das ist mehrfach gesagt worden.

[1515] Es handelt sich durchweg um Freibeweise.[44] Wie das Gericht hier das Verfahren gestaltet, ist seine Sache.

Aber ich teile insofern Ihre Auffassung. Sofern sich’s um selbständige Anträge handelt, können die hier in der Hauptverhandlung vorgetragen werden, aber nichts Anderes.

Wir wollen uns jetzt immer nur noch beschränken auf das, was spezielle Anträge sind, die den Gegenstand der Hauptverhandlung unmittelbar betreffen.

Pause von 12.07 Uhr bis 14.05 Uhr.

Ende von Band 60.

[1516] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 14.05 Uhr.

Anwesenheit wie Bl. 1438, außerdem StA Holland.

Beim Übertragen des Bandes wurde ein Wackelkontakt am Stecker des Überspielungskabels bei der .-.-.-. bezeichneten Stelle festgestellt. Es erfolgte keine Aufnahme.

Vors.:

-.-.-.- dieses Problem aus der Welt geschafft ist.

RA Sch[ily]:

Es hat sich ein Zuhörer bei mir gemeldet, nachdem Sie den Saal schon verlassen hatten und hat gesagt, die Beamten haben sich auch angestellt, genau in der Reihe. Ich habe Ihnen das mitteilen lassen, diese Beanstandung ist gegenstandslos.

Vors.:

In Ordnung. Bitte Sie haben das Wort.

RA Sch[ily]:

Der Kollege Riedel hat noch erst mal den Wunsch zu einer technischen Frage.

RA R[iedel]:

Herr Vorsitzender, und zwar betrifft das die Sitzungstage in der Woche vor der geplanten 10 Tagesfrist. Soweit ich mich erinnere sind da vier Sitzungstage vorgesehen, nämlich von Dienstag bis Freitag. Ich meine, daß aufgrund der schon hinreichend erörterten Fragen, über vorliegende Verhandlungsfähigkeit oder nicht oder eingeschränkte, es auf gar keinen Fall möglich erscheint, 4 Tage zu verhandeln und rege deswegen an, den als 1. Verhandlungstag in dieser Woche vorgesehenen Dienstag, glaube ich, zu streichen, da sonst ja, glaube ich, wenn das der Freitag, wenn der gestrichen wird, die 10 Tagesfrist unter Umstanden nicht eingehalten werden kann.[45] Also den Dienstag wegfallen zu lassen.

Vors.:

Welchen Zeitraum haben Sie im Augenblick ...

RA R[iedel]:

Das ist die Woche vor dem 8. August, also die Woche, die mit dem 8. August als Verhandlungstag abschließt.

[1517] Vors.:

Da haben wir vorgesehen am Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag Verhandlungen durchzuführen, wir werden also hier auf den Freitag angewiesen sein, wegen der Frist. Mit Sicherheit werden wir nur an drei Tagen in dieser Woche verhandeln und es wird sich dann wohl empfehlen, den Dienstag wohl ausfallen zu lassen. Ich möchte es noch nicht ganz bindend festlegen, wir wollen es mal ansehen. Aber das ist wohl vorerst die[kk] vernünftigste[ll] Regelung, Dankeschön. Ich darf auch noch darauf hinweisen, daß in der nächsten Woche, soweit ich sehe, nur Sitzung nach Bedarf angekündigt ist für den Dienstag, aber wir werden natürlich diesen Bedarf bejahen, denn wir haben wirklich Bedarf jetzt die Sitzung möglichst auszunützen. Herr Rechtsanwalt Schily, bitte.

RA Sch[ily]:

Ich darf zunächst einmal vielleicht zur Einführung dessen, was ich hier vorzutragen habe, auf die Ausführungen von Herrn Dr. Henck, im Protokoll nachzulesen vom 12. Juni 1975 Protokollseite 507, verweisen. In diesen Ausführungen hatte seinerzeit der Dr. Henck auf die Frage, ich glaube, das war die Frage des Kollegen Dr. Heldmann, nach seinen wissenschaftlichen Grundlagen für die Erkenntnisse, die er uns hier vermitteln wollte, unter anderem als Autorität sozusagen, wissenschaftliche Autorität benannt, Tillmann-Moser, und besonders auch auf sein Werk „Repressive Kriminalpsychiatrie“ verwiesen, erschienen im Suhrkamp-Verlag. Und es erscheint mir notwendig, um das Augenmerk des Senats auf die Einseitigkeit - oder die - ja die Einseitigkeit des hier benannten Sachverständigen Professor Ehrhardt zu verweisen, aus diesem Buch einige Zitate ihnen zur Kenntnis zu geben. Vielleicht darf man noch zur Person von Tillmann-Moser sagen, er ist Psychologe, Psychoanalytiker und Kriminologe, der auch eigene, auf empirischer Grundlagen durchgeführte Forschungsarbeiten[mm] geleistet hat im weiteren Sinne zur Deprivationsfrage. Es wird ihnen vielleicht bekannt sein, diese Veröffentlichung „Gespräche mit Eingeschlossenen“, er ist, (verbessert sich) lehrt an der Frankfurter Universität und wie gesagt, Dr. Henck hat auf ihn selbst verwiesen. Die ausgewählten Zitate stehen relativ unvermittelt nebeneinander. Ich kann Ihnen ja nicht das ganze Buch hier vorlegen, das würde sicherlich Ihre Geduld überfordern. Die Zitate sind so ausgewählt, [1518] daß ein Teil davon Kommentierung, sozusagen von Tillmann-Moser ist, verbunden mit Zitaten von Äußerungen des Professor Ehrhardt. Da heißt es in diesem Buch von Tillmann-Moser auf, also „Repressive Kriminalpsychiatrie“ auf Seite 52 zunächst also Ausführungen von Tillmann-Moser: Normatives Schuldstrafrecht muß aber nach der herrschenden Lehre der Kriminalpsychiatrie aus gegenüber abnormen Tätern absolut durchgehalten werden. Ein psychiatrischer Gutachter, dem hieran Zweifel kämen, könnte nicht mehr vor Gericht zugelassen werden, wenn es nach den strengen Zunftregeln der Kriminalpsychiatrie ginge. Wie weit der Identifikationsdruck mit der normativen Schuldauffassung betrieben werden kann, zeigt das Votum des Präsidenten, das war der vormalige Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie Ehrhardt. Und nun folgt das Zitat der Äußerung von Herrn Ehrhardt: Diese normative Schuldauffassung ist heute in Lehre und Rechtsprechung allgemein anerkannt. Der Psychiater als Sachverständiger muß diese Prinzipien kennen. Er darf in der Begutachtung niemals von einem ihm persönlich noch so richtig und wichtig erscheinenden Konzept anderer Art einer neuen und scheinbar überzeugenden Theorie ausgehen, um nicht die für ihn entscheidende Fragestellung und die ihm zukommende Antwort zu verfehlen. Soweit das Zitat von Herrn Ehrhardt, und Tillmann-Moser fährt fort: Wie man sieht, wird hier nicht einmal vor der Forderung der persönlichen und wissenschaftlichen Selbstverleugnung haltgemacht, wenn es darum geht, das einmal durchgesetzte Konzept zu verteidigen. Auf diese Weise läßt sich wenigstens die Teilung der Kriminalpsychiatrie (verbessert sich) die Teilung der kriminalpsychiatrischen Gutachter sichern. Einerseits in die, die ohnehin und durch Konvention die abnormen Täter über den Schuldleisten schlagen, in jene, die[nn] falls sie an dieser Konvention Zweifel haben, ihre persönlichen Überzeugungen im Dienst repressiver Kriminalpolitik zurückstellen vermögen und in solche, die zu dieser[oo] Selbstverleugnung nicht bereit oder fähig sind. Ob dies eine positive Auslese ist, darf man füglich bezweifeln. Soweit das Zitat von Tillmann-Moser. Um nun nicht [1519] einen[pp] Irrtum aufkommen zu lassen, denn Ehrhardt ist ja von Ihnen nicht vorgesehen etwa für die Beurteilung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, sondern für die Beurteilung der Verhandlungsfähigkeit. Warum ich Ihnen das zur Kenntnis gebe, diese Kritik an Ehrhardt, dann deshalb, weil hier der absolute Vorrang kriminalpolitischen Zielen gegeben wird von Herrn Ehrhardt gegenüber der Diagnose durch den Arzt, also die ärztliche wissenschaftliche Konzeption soll immer nur sekundär bleiben gegenüber einem bestimmten kriminalpolitischen Programm und das allerdings ist dann auch für die Beurteilung der Verhandlungsfähigkeit womöglich von großer Bedeutung. Nicht wahr, wenn Sie sich vorstellen, daß also vielleicht dann der Gutachter sich Überlegungen anstellt, ob nun etwas eigentlich in kriminalpolitischen Kontext vertretbar ist, Verhandlungsfähigkeit zu attestieren oder nicht, dann allerdings bekommt ein Gutachten ganz erhebliche Schlagseite und man könnte auch sagen, das ist eigentlich dann so eine Psychiatrie, die man als „Palmströmpsychiatrie“ bezeichnen könnte. Etwa in diesem bekannten Spruch, den Sie sicherlich alle kennen, von Morgenstern „Denn so schloß er[qq] messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf“. Das heißt also, er darf eben nicht verhandlungsunfähig sein und deshalb ist er auch nicht verhandlungsunfähig. Diese Verknüpfung, die könnte dann da sich zur Auswirkung, zur Auswirkung gelangen. Ich fahre fort in der, im Zitat aus Tillmann-Moser wiederum zunächst, Ausführungen von Tillmann-Moser selbst auf Seite 54: In akademischer Feinsinnigkeit wird ein Mensch aufgespalten in zwei Teile, einen[rr] medizinisch relevanten, nicht krank wohlgemerkt, sondern eine besondere spezies generis humani und einen juristischen, den Unhold, weil nur diese Definition eine Verurteilung erlaubt und den Arzt seiner Verpflichtung enthebt, über eine geeignete Behandlung nachzudenken. Ehrhardt stellt die Sache für Juristen wie für Ärzte klar in einem Aufsatz mit dem bezeichnenden Titel „Die Tendenz zur Exkulpierung“ und jetzt folgt das Zitat von Ehrhardt: Wir dürfen uns nicht durch Schlagworte wie „Heilen statt Strafen“ den Blick für die Wirklichkeit vernebeln lassen. Heilen kann man nur Krankheiten. Die meisten Sexualdelinquenten sind aber [1520] nicht krank. Und wer nicht jetzt, fährt Moser fort, und wer nicht krank ist hat auch keinen Anspruch auf Behandlung, er verdient Strafe und die Gesellschaft ist einen weiteren lästigen Hilfsanspruch los. Wenn Krankheit ausscheidet, bleibt nur die Unholdsdefinition, der damit der Arzt im Prinzip zustimmt. Der Beruhigungsprofit des Juristen aus diesem Pakt ist also nicht gering zu veranschlagen. Eine Tendenz zu unterwürfiger Kompetenzpreisgabe bei den Psychiatern steht eine ebenso deutliche zur Kompetenzbewahrung bei den Straf (verbessert sich) Juristen gegenüber. Und dann auf Seite 65 desselben Werkes: Aber die Kriminalpsychiater sind weit juristischer als die Juristen. Auf ihre Klagen über die Erweiterung des Krankheitsbegriffs durch den Bundesgerichtshof wird später noch einzugehen sein. Sie neigen viel starker dazu, aus Kranken Schuldige zu machen. Bei Ehrhardt etwa heißt es, in unserem ärztlichen Tun und Lassen stehen selbstverständlich krankhafte, abartige und psychoreaktivneurotische Gesundheitsstörungen, organische Krankheiten um psychogenes Kranksein gleichberechtigt nebeneinander. Der ärztliche Auftrag kennt keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Erscheinungsformen gestörter Gesundheit. In der Gutachtertätigkeit ist dagegen Wortlaut und Sinn des Gesetzes bestimmend, die vom Arzt konstatierte Hilfsbedürftigkeit oder Hilfsmöglichkeit ist kein Maßstab für die Voraussetzung der Schuldfähigkeit oder Geschäftsfähigkeit oder der Erwerbsfähigkeit. Jetzt fährt Tillmann-Moser fort: Die ständige Berufung auf das Gesetz verdeckt, daß der Wortlaut ein Kompromiß zwischen Juristen und Ärzten war und daß die Verlautbarungen der Psychiater an der Öffentlichkeit in juristischen, kriminologischen und anderen Fachblättern doch darauf zielen, die Auslegungsregeln zu verändern. Im Falle Ehrhardts eben gegen die Tendenz zur Exkulpierung. Kaum einer argumentiert so geschickt in diesem Umwandlungsprozeß von psychisch Kranken in juristisch Schuldige wie gerade der Präsident der Berufsvereinigung, der Psychiater Ehrhardt. Dann ist ja bekannt, daß Ehrhardt an der großen Strafrechtskommission sich beteiligt [1521] hat und er hat dazu geschrieben, hier zitiert auf Seite 105: Die große Strafrechtskommission konnte bei der Behandlung der Schuldfähigkeitsfrage mit guten Gründen vom geltenden Recht, sowie der bei uns doch weitgehend einheitlich, einheitlichen und gar nicht so schlechten forensisch psychiatrischen Praxis ausgehen. Die konservative Stellung des Entwurfs zur Frage der Schuldfähigkeitsbeurteilung kann deshalb nicht überraschen und sie entspricht in der Grundkonzeption demjenigen, was unsere psychiatrischen Väter und Großväter erarbeitet haben. Und dann auf Seite 107 zunächst einführende Ausführung von Tillmann-Moser. Hier wird sichtbar, was Ehrhardt mit seiner Individualisierung vermutlich meint. Wo eine Tendenz zur Exkulpierung eines Täters auf Grund seiner Abnormität entstehen könnte, muß individuell geprüft werden, ob die zur Exkulpierung nicht ausreichende Abnormität durch somatisch orientierte, konstellative Faktoren noch einmal potenziert ist eine Prüfung, die in der Regel nicht in dubio pro reo[46] ausgehen dürfte, wenn aber nicht, so bleibt nur die Warnung an Gesetzgeber und Richter, Psychopath ist im Zweifelsfall jeder zweite. Und schließlich auf Seite 123, da die Frage der möglichen Modifikation des Krankheitsbegriffes auch im Sonderausschuß aufgetaucht ist, sei hier kurz vermerkt, wie der Psychiater Ehrhardt die Juristen darüber beruhigt hat, daß vielleicht einmal einzelne schizophrene Krankheitsbilder als mehr oder weniger psychogen erkannt werden sollten, und das Zitat von Ehrhardt, dann müßten sie in Gottes Namen in 20 oder 50 Jahren die beiden Paragraphen ein wenig umformulieren. Ich könnte die Zitate noch vervollständigen, wie gesagt, ich möchte noch einmal betonen, es geht nicht darum, etwa hier Herrn Ehrhardt einzuführen als Gutachter für eine Beurteilung und da also Gegenargumente geltend zu machen für die Beurteilung strafrechtlicher Verantwortlichkeit, sondern es geht darum, anhand dieser Zitate zu belegen, daß die ärztliche Verantwortung dieses Gutachters Ehrhardt eine Stufe tiefer angesiedelt wird, als von ihm für richtig befundene kriminalpolitische Ziele und das ist das Entscheidende und das könnte sich in negativer Form auch hier auswirken, wenn [1522] da also eine solche Rangfolge sich innerlich eingerichtet hat in Herrn Ehrhardt, das kann sich in der Tat dann auch sehr negativ und meiner Meinung nach verzerrend auswirken, bei einer Begutachtung innerhalb dieses Verfahrens bezüglich der Verhandlungsfähigkeit. Nun hätte ich im übrigen gerne gewußt, ich hätte gerne gewußt, denn wir haben ja eine Liste mit einer Reihe von Namen, in welcher Form der Senat eigentlich aus dieser Liste und unter welchen Kriterien diese beiden Namen, ausgerechnet diese beiden Namen, dann ausgewählt worden sind. Diese beiden Gutachter Mende und Ehrhardt. Also zum Beispiel ich kann mir nicht vorstellen, daß sie sozusagen da irgendwie nach, nach Buchstaben kann es ja wohl kaum sein, oder nach dem Wohnort, oder was. Es wäre doch vielleicht doch ganz sinnvoll, daß sie uns mal mitteilen würden, unter welchen Kriterien denn eigentlich diese Auswahl stattgefunden hat, und das Zweite: Das Zweite ist, inwiefern sie eigentlich von vornherein Gutachter, die hier von der Verteidigung benannt werden, gar nicht zur Kenntnis nehmen, offenbar oder vielleicht doch gleich so in die Stellung rücken wollen, manchmal könnte sich der Eindruck da einstellen, von vielleicht Sympathisanten oder wie diese Formulierung mal hieß: „da steckt was dahinter.“ Das sind doch die Namen, die wir hier genannt haben, sind auch anerkannte Wissenschaftler, der ... gegen deren Integrität ja[ss] nun nichts vorzubringen ist, oder wenn, dann müßten Sie uns konkret sagen, was Sie denn nun eigentlich gegen diese Gutachter vorzubringen haben. Von Seiten der Gefangenen und das ist Ihnen ja, glaube ich, mit der notwendigen Deutlichkeit gesagt worden, wird nur akzeptiert aus dieser Liste und das hat seine guten Gründe, die hier ja wohl auch vom Kollegen Dr. Heldmann vorgetragen worden sind, akzeptiert ausschließlich der Professor Rasch in Zusammenarbeit mit einem der weiter benannten Gutachter, deren Namen Ihnen bekannt sind und die ja heute vormittag auch vom Kollegen Dr. Heldmann genannt worden sind. Und Sie wissen ja sehr gut, daß eine zwangsweise psychiatrische Untersuchung, hier wurde ja mal mit dem Knüppel der zwangsweisen Untersuchung gewinkt, daß eine zwangsweise psychiatrische Untersuchung ja nicht zulässig ist und wenn eine ver- [1523] nünftige und sachgerechte Beurteilung der Verhandlungsfähigkeit stattfinden soll auf Grund objektiver Untersuchungen dann ist es notwendig, hier darauf einzugehen, auf diese, auf diesen Antrag, auf diesen Vorschlag, Professor Rasch in Zusammenarbeit mit einem der von der Verteidigung benannten Gutachter gegen deren, wie gesagt, Integrität nicht die leisesten Zweifel geltend gemacht werden können und wir haben ja, das darf ich zum Schluß sagen, unter anderem bei der Frage der Untersuchungen [tt] durch einen Internisten den Arzt Dr. Schmidt-Vogt in Vorschlag gebracht, über den ja offenbar der Senat auch so einfach hinweggegangen ist. Nun möchte ich ja nun nicht ... oder da muß das mal klar zum Ausdruck gebracht werden, es ist bekannt, daß Dr. Schmidt-Vogt ja mal eine Untersuchung durchgeführt hat und ist zu einem bestimmten Ergebnis gekommen, nämlich Verhandlungsunfähigkeit. Wenn es so ist, daß, wenn ein Arzt es aus seiner medizinischen Verantwortung einmal wagt, ein Gutachten in dieser Richtung, daß er sich dann wohl für alle Zeiten disqualifiziert hätte, das kann doch wohl nicht der Fall sein. Nicht, das kann doch wohl, das kann doch wohl kein Kriterium für die Qualifikation oder Disqualifikation sein, welches Ergebnis das Gutachten hat. Disqualifizierung könnte sich doch nur auswirken, wenn in unsachlicher Form auf unsachlicher Grundlage ein Gutachten erstellt worden wäre und das kann doch wohl niemand dem Dr. Schmidt-Vogt vorwerfen, daß hier irgendwie, - denn dann hätte sich wahrscheinlich auch das Gericht in Frankfurt nicht an dieses Gutachten gehalten, soviel können wir wahrscheinlich dem Frankfurter Gericht zutrauen, daß da eine solche an sich ein solches Gutachten nicht zur Grundlage einer Entscheidung dann gemacht hätte. Also das kann doch wohl nicht die Argumentationsweise sein, obwohl sich mitunter dieser Eindruck aufdrängen muß, daß also ein Arzt, der zu einem solchen Ergebnis kommt, dann also für alle Zeiten ausscheidet, weil man sagt, ja der hat also auf Verhandlungsunfähigkeit, ist[uu] zu dem Ergebnis Verhandlungsunfähigkeit gelangt.

[1524] Vors.:

Will die Bundesanwaltschaft sich dazu äußern. Bitte.

RA R[iedel]:

Weshalb der Senat sich gerade für diese ...

Vors.:

Darf ich vielleicht ... jetzt hat die Bundesanwaltschaft sich nun tatsächlich gemeldet. Sie kann ja dann, wenn sie sich angeschlossen haben unter Umständen noch einmal Stellung nehmen.

RA R[iedel]:

Ja, da kommt aber auch noch eine Begründung ... sinnvoll, daß die zuerst kommt ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, es ist natürlich auch das Interesse der Bundesanwaltschaft, daß sie sich mit solch inhaltsreichen Begründungen direkt auseinandersetzen kann.

RA R[iedel]:

Aber das zerreißt natürlich jedesmal, Herr Vorsitzender, den Zusammenhang, der hergestellt wird dadurch, daß ein Antrag ohne Begründung gegeben wird, wenn er zwischendrin immer ...

Vors.:

Ich habe jetzt das Wort erteilt gehabt ...

RA R[iedel]:

Das ist keine Frage, wem das Wort zuerst erteilt wird, es ist doch eine rein zufällige Angelegenheit.

(RA H[eldmann] undeutlich.)

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Heldmann ich habe das Wort erteilt an die Bundesanwaltschaft. Ich möchte Sie jetzt dringlich bitten, die Verhandlungsführung nicht immer in dieser Weise zu erschweren, das ist geschehen, Sie es korrekt beanstanden, wenn Sie wollen, dann müssen Sie das tun, ich bleibe dabei, daß die Bundesanwaltschaft ...

(Allgemeines Durcheinanderreden. Unverständlich.)

Richter Dr. Foth:

Herr Rechtsanwalt Heldmann, Herr Schily war doch fertig oder nicht?

[1525] RA R[iedel]:

Aber es handelt sich doch um einen einheitlichen Antrag, der natürlich auch, dessen Begründung auch einheitlich aufzufassen ist.

Vors.:

Nein, das ist eine Täuschung. Es vertritt hier jeder seinen Mandanten und sein Antrag war in sich geschlossen und fertig. Wie jetzt der Senat entscheidet darüber ... also das Wort hat jetzt die Bundesanwaltschaft auch nach dem Beschluß des Senats.

Reg. Dir. W[idera]:

Weshalb der Senat sich gerade für diese Sachverständigen entschieden hat, weiß ich nicht, jedenfalls sind ... gehören sie zu den Sachverständigen, die von den verschiedenen Gesellschaften für die verschiedenen Sparten innerhalb der Medizin benannt worden sind. Die von RA. Schily aus den von ihm verlesenen Zitaten gezogenen Schlüsse sind in verschiedenen Fällen kaum möglich, jedenfalls sind sie nicht zwingend. Deshalb kann ich nur feststellen, daß er Gründe, die[vv] die Nichtbestellung der Professoren Mende und Ehrhardt rechtfertigen würden, nicht gebracht hat und bitte deshalb, es bei den bestellten Sachverständigen zu belassen. Am Rande habe ich noch etwas zu bemerken dazu. Ich meine, daß der Gesetzgeber da mit gutem Grund es vorgesehen hat, gegen Sachverständige dann anzugehen, wenn diese Sachverständigen gesprochen haben, dann nämlich kann man vielleicht fundiert etwas gegen sie vorbringen. Die Bestimmungen, die das beinhalten, habe ich vor der Mittagspause genannt. Trotzdem habe ich mich nicht dagegen ausgesprochen, daß Herr Rechtsanwalt Schily hier diesen Antrag bringt und ihn hier begründet, weil es ja möglich gewesen wäre, daß spätere Doppelarbeit jetzt hätte verhindert werden können. RA. Schily hat aber nichts gebracht, was die Nichtbestellung der Sachverständigen rechtfertigen könnte. Statt dessen hat er lang und breit Textstellen verlesen, die sicherlich dem, dem sie etwas bringen sollten, mehr gebracht hätten, wenn er sie hätte lesen können. RA. Schily kennt die Möglichkeit, diese Anträge außerhalb der Hauptverhandlung zu bringen, zu begründen; um[ww] das bessere Durcharbeiten, damit zu gewährleisten; wir hätten die Möglichkeit gehabt, Stellung zu [1526] nehmen, zu seinen Anträgen. Er hätte unsere Stellungnahme lesen können, hätte wiederum Stellung nehmen können und der Senat hätte, ohne daß die Hauptverhandlung hier damit hätte belastet werden müssen, anschließend entscheiden können, und hätte auch schnell entscheiden können. Deswegen möchte ich hier mal anmerken, daß ich mich wegen dieses Antrags von RA Sch[ily] und RA H[eldmann] des Eindrucks nicht erwehren kann, hier werden solche Dinge in die Hauptverhandlung gebracht, damit die Hauptverhandlung nicht von der Stelle kommt. Ich spreche mich entschieden dagegen aus, - abschließend -, daß etwa jetzt zur Beratung unterbrochen würde, es ist nicht notwendig, daß sofort entschieden wird ich bitte mit dem Teil fortzufahren, den die Prozeßordnung für jetzt vorsieht.[47]

Vors.:

Zunächst hat jetzt Herr RA R[iedel] das Wort.

RA R[iedel]:

Ich schließe mich dem gestellten Antrag des Kollegen Heldmann an und möchte darauf hinweisen, daß selbstverständlich jede zentrale Frage der Verhandlungsfähigkeit angeschnitten ist und ob da keine andere Möglichkeit auch prozessualer Möglichkeit gibt, als diese Frage hier in der Hauptverhandlung mit allen Für und Wider zu erörtern, so daß also die Bemerkung der Bundesanwaltschaft, hier würde etwas unter Umständen aus Zwecken der Prozeßverschleppung veranstaltet, seitens der Verteidiger, völlig unzutreffend ist. Das ist die zentrale Frage und die gehört hierhin. Zur Begründung des Antrags möchte ich bitten, der Mandantin das Wort zu erteilen, die dazu noch etwas vortragen möchte.

Vors.:

Frau Meinhof?

RA R[iedel]:

Ja, sicher.

Angekl. M[einhof]:

Ja, Andreas sagt erst mal kurz was und dann ich.

[1527]

RA R[iedel]:

Also erst Herr Baader offensichtlich, und dann die Mandantin.

Vors.:

Nein, jetzt sind[xx] Sie am Wort gewesen, jetzt kommt auch ihre Mandantin zu Wort.

RA R[iedel]:

Ja, sie bittet aber darum, daß Herr Baader ... (unverständlich) weil es doch kein Hinderungsgrund ist.

Vors.:

Ich denke, Sie sprechen für Frau Meinhof, und wenn wir jetzt bei Frau Meinhof sind und für sie der Antrag gestellt wird, wäre es doch zweckmäßig, wenn sie ihre Meinung ...

RA R[iedel]:

Ja, aber Herr Baader hat doch seinen Antrag schon gestellt und wenn er jetzt dazu noch einen Satz der Begründung anfügen ...

Vors.:

Im Anschluß an Sie ist das jetzt zweckmäßig, daß man Frau Meinhof hört. Es ist ihre Mandantin für die im Augenblick gesprochen wird.

(Frau Meinhof redet dazwischen. Unverständlich).

Vors.:

In der Reihenfolge Frau Meinhof und dann Herr Baader, ja.

Angekl. M[einhof]:

Nein, in der umgekehrten Reihenfolge.

Vors.:

Wie war das, das habe ich nicht mit ...

RA R[iedel]:

Also Herr Vorsitzender, das soll doch wohl nicht daran scheitern, daß hier die Begründung nicht vollzählig abgegeben werden kann, in welcher Reihenfolge das geschieht.

Vors.:

Es ist so, daß jetzt im Augenblick für Frau Meinhof der Antrag gestellt wurde und sie hat jetzt Gelegenheit, sich zu dem für sie gestellten Antrag zu äußern. Wenn Sie kein Wort haben wollen, dann bitte.

Angekl. M[einhof]:

Ich will das Wort ... jetzt hören sie mal auf mit dem Terror, [1528] jetzt spricht Andreas und dann ich.

Vors.:

Sie wollen das Wort gleich haben, bloß jetzt nicht. Wenn ich Sie recht verstehe.

RA R[iedel]:

Herr Vorsitzenden es doch eine Banalität letzten Endes. Sie hat das Wort erbeten und hat es von Ihnen bekommen und dabei soll es auch bleiben ...

Vors.:

Ja sie hat das Wort. Sie hat jetzt das Wort ...

RA Sch[ily]:

... daß Herr Baader zunächst einmal das Wort, das kann doch die ...

Vors.:

Das ist mir vollkommen klar, aber wir lassen uns doch die Verhandlungsführung nicht ständig vorschreiben ...

Angekl. M[einhof]:

... die Verhandlungsführung vor und wir passen uns im Moment dem an. Also wird jetzt Andreas sprechen und dann ich.

Vors.:

Nein.

Angekl. M[einhof]:

Und Sie können mal aufhören mit dem Terror ...

Vors.:

Nein, jetzt ist der Antrag für Sie gestellt, Frau Meinhof, und jetzt haben Sie die Gelegenheit, das Wort zu ergreifen, sich zu äußern, zu dem von Ihrem Herrn Verteidiger eben begründeten Antrag. Herr Rechtsanwalt bitte lassen Sie doch ...

RA R[iedel]:

Herr Vorsitzender, ich möchte dann für Frau Meinhof die Wortmeldung zurückstellen und damit die Gelegenheit geben, daß das Wort jemand anders erteilt werden kann.

Vors.:

Will sonst noch einer der Herren Anwälte einen Antrag stellen in der Form des Anschließens, Herr RA v[on] P[lottnitz].

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ich werde mich dazu später erklären.

[1529] Vors.:

Sie wollen sich später dazu erklären, ja. Also Frau Meinhof hat jetzt Gelegenheit gehabt das Wort zu ergreifen und Ihre Meinung dazu zu sagen. Bitte, sie will das Wort nicht haben, Herr Rechtsanwalt ...

(allgemeines Durcheinanderreden. Unverständlich.)

RA R[iedel]:

Sie will das Wort natürlich haben, Herr Vorsitzender. Herr Vorsitzender, bitte doch also wirklich nicht ...

Vors.:

Nein.

RA R[iedel]:

... derart auf die Spitze zu treiben, daß hier kein Mensch mehr in der Lage ist, die Begründung sinnvoll anzubringen.

Vors.:

Das ist bei Ihnen eben der Fall und ... Sie bitten mich jetzt eben, daß Frau Meinhof das Wort bekommt ... ich weiß auch, daß uns das mehr Zeit kostet, aber das sind grundsätzliche Fragen für die Zukunft und dann kommt Frau Meinhof und sagt, ich will es jetzt nicht, zunächst hat jetzt Herr Baader zu reden und dann erst ich ...

Angekl. M[einhof]:

... die Bundesanwaltschaft geschaltet haben.

Vors.:

Das ist eben eine Verfahrensweise bei der wir nicht mitmachen. Jetzt hat Frau Meinhof die Gelegenheit das Wort zu ergreifen denn sie hat jetzt eben durch sie ihren Antrag stellen lassen.

RA R[iedel]:

Jetzt oder nie, was ist denn nun ... ultimative Weise mit dem Wort umzugehen, Herr Vorsitzender. Das ist doch also wirklich nicht auf ...

Vors.:

Ich weise sie darauf hin, daß Frau Meinhof entsprechend Ihrem Antrag soeben die Gelegenheit gehabt hat, das Wort zu ergreifen.

RA Sch[ily]:

... gestellt und sein Mandant hat doch auch das Recht noch seine Begründung ...

[1530] Vors.:

Ja, zu ergänzen. Wird nicht bestritten Herr Rechtsanwalt.

RA Sch[ily]:

Aber Herr Vorsitzender, ich weiß nun wirklich nicht, wenn die Gefangenen, die Mandanten, sich verständigen über eine gewisse, einfach offenbar auch aus einer gewissen, weil sie sagen, der Zusammenhang wird besser erkennbar, daß dann also an dieser Stelle nun also gesagt wird; nein, es muß erst Frau Meinhof, warum denn? Das ist doch überhaupt nicht erkennbar und der Bundesanwaltschaft vergeben Sie ohne weiteres die Möglichkeit, einfach zwischendurch was zu sagen. Ich weiß nicht ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, Sie werden doch nicht gegenüber der Bundesanwaltschaft benachteiligt. Das werden sie hier niemand, der die Verhandlung mitverfolgt hat glaubhaft machen können.

RA Sch[ily]:

Aber es ist doch unverständlich, warum Sie also daraus nun eine Prinzipienfrage machen, wer von den Mandanten als erster das Wort ergreift, das verstehe ich wirklich nicht mehr.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Heldmann, Dr. Heldmann bitte, wenn Sie jetzt das Wort ergreifen wollen. Sie können es, Frau Meinhof hatte Gelegenheit.

RA H[eldmann]:

Warum dann Herr Baader nicht?

Vors.:

Herr Baader hat das Wort genauso, er darf ergänzen, bloß im Augenblick nicht, wenn jetzt das Wort Frau Meinhof erteilt war und Frau Meinhof zu bestimmen glaubt, daß jetzt zuerst Herr Baader drankommen müsse, um das geht es. Sie sind doch nicht alle gefragt, meine Herren. Benehmen Sie sich doch endlich vor Gericht einmal so, daß man das Gefühl haben kann, daß Sie als Anwälte nicht dauernd Obstruktion leisten wollen, dadurch, daß Sie zu fünft reden.

RA Sch[ily]:

Oh, das ist ja unglaublich.

RA v[on ]P[lottnitz]:

... daß man als Anwalt nicht dauernd das Gefühl hat, daß [1531] hier wegen jeder Kleinigkeit die Verteidigung kujoniert werden soll. Das ist die Antwort darauf.

Vors.:

Ja, wenn Sie den Eindruck glauben erwecken zu können, als würde hier die Verteidigung kujoniert, dann sind Sie sicher falsch unterrichtet.

RA v[on ]P[lottnitz]:

... das gilt natürlich auch, was Sie für die Situation der Gefangenen ...

Vors.:

Sagen Sie, wer hier kujoniert werden soll, das ist wohl eine klare Sache.

RA v[on ]P[lottnitz]:

... (unverständlich.)

Vors.:

Ich darf jetzt bitten ...

RA Sch[ily]:

Moment, wer soll kujoniert werden?

Vors.:

Na, da brauche ich doch Ihnen keine Erklärung im Augenblick dazugeben, wenn Sie mir den Vorwurf machen. Oder meinen Sie das müßte ich tun.

RA Sch[ily]:

Ich möchte mal wissen ...

Vors.:

Sie möchten es wissen ... ich habe Ihnen keine Antwort darauf zu geben. Ich sagte bloß es ... machen Sie sich Ihre eigenen Schlüsse daraus.

RA Sch[ily]:

... möglich, daß Sie das erläutern, nicht.

Vors.:

Da habe ich keine Verpflichtung, ziehen Sie Ihre Schlüsse aus meinen Worten, wenn Sie wollen. Herr RA. Dr. H[eldmann] bitte.

RA Dr. H[eldmann]:

Erwiderung auf die Ausführungen der Bundesanwaltschaft auf [1532] meinen Antrag.

1. Ich weise zurück, Ihre rhetorische Erklärung dieser Anträge hier -.-.-.- 1975 in meinem letzten Satz hinsichtlich auf die ganz besondere Dringlichkeit dieser Untersuchung.

2. Bevor der Senat diesen Beschluß verfaßt hat, lagen ihm die Gegenvorschläge der Verteidigung vor, so daß also völlig zurecht hier die Frage erhoben wird, warum ist nicht einer dieser Gegenvorschläge vom Senat berücksichtigt worden, bevor er seinen Beschluß verfaßte. Folglich, Herr Reg. Dir. Widera, entpuppt sich das, was Sie hier als Vorwurf an uns adressiert haben, nämlich verschleppen zu wollen als eine Täuschung der Öffentlichkeit, in dieser Äußerung selbst .-.-.-.-.-. Wir haben ausführlich begründet, nachdem die schriftliche .-.-.-.-. Ist es verstanden worden bisher oder nicht.

Vors.:

Es ist verstanden worden. Ich hoffe nur, daß es auch auf dem Protokoll angekommen ist. Ja.

RA Dr. H[eldmann]:

Ist es für’s Protokoll gekommen.

Vors.:

Moment mal, drehen -.-.-.-.-.

Zur Kontrolle ob die Äußerung des RA Dr. Heldmann auf Band aufgenommen wurde, spulte man das Band zurück und spielte eine kurze Passage der Äußerung vor.

Bei der Übertragung des Bandes wurde jedoch festgestellt, daß durch einen Wackelkontakt am Stecker des Überspielungskabels bei den mit[yy] .-.-.-. bezeichneten Stellen keine Aufnahme erfolgte.

RA Dr. H[eldmann]:

Wir haben 16./17.7. ausführlich begründet, warum unsere Gegenvorschläge, sie sind unberücksichtigt geblieben, um so mehr grade im Hinblick darauf, daß der Senat am 18.7. selbst schriftlich die Dringlichkeit der jetzt anstehenden Untersuchungen unterstrichen hat, um so mehr eilt es, das nicht per Schriftverkehr auf die lange Bank zu schieben, sondern hier und heute, wo es nämlich aktuell schon wieder um das Ausmaß der Verhandlungsfähigkeit geht, dieses Thema erneut aufzugreifen und es war für uns nach der Entscheidung, die mir am 21.7. zugestellt worden ist, heute die erste Möglichkeit dazu.

[1533] Drittens bitte ich nunmehr zur Ergänzung meines Antrags und seiner Begründung Herrn Baader das Wort zu geben.

Vors.:

Herr Baader bitte.

Angekl. B[aader]:

Offensichtlich ist natürlich ... Offensichtlich ist ja aber auch geworden, daß die Bundesanwaltschaft und der Senat ein Interesse haben, die Frage der Gutachterbestellung aus der Haupt... der öffentlichen Hauptverhandlung zu verlegen ins Kabinett oder in das Richterzimmer, weil sie natürlich sozusagen eine strategische Bedeutung hat für dieses ganze Verfahren und weil die Absichten die Bundesanwaltschaft mit der Bestellung genau dieser beiden Psychiater Ehrhardt und Mende und das sind natürlich die Psychiater der Bundesanwaltschaft, die diese Liste, diese Empfehlung zustande gekommen ist nach dem Arrangement der Bundesanwaltschaft mit Sicherheit, die die Psychiatrisierung, die Zwangspsychiatrisierung oder zumindest den Griff, den psychiatrischen, nach den Gefangenen gewährleisten sollen. Das ist der Punkt. Ich weise jetzt nochmal darauf hin, daß der Senat zu einer dezidierten, oder sagen wir mal ja, psychiatrischen Exploration nicht kommen kann, wissenschaftlich, also sozusagen auch technisch nicht kommen kann, ohne unsere Einwilligung und wir werden diese Psychiater auf keinen Fall akzeptieren, das heißt: Es wird keine Untersuchung stattfinden, die anders vor sich gehen könnte als das, was hier bisher stattgefunden hat, also auch keine Beurteilung nämlich durch Augenschein auf sechs Meter Entfernung. Das ist wesentlich. Dazu stelle ich auch noch einmal fest, daß die Bundesanwaltschaft auf S. 1204 des Protokolls behauptet hat, niemals war die Bundesanwaltschaft gegen die Beiziehung neutraler Ärzte. Es geht dann weiter, daß sie Einwände hätte nur gegen Sympathisanten bzw. Unterstützer der Angeklagten. Wenn sie der Ansicht sind, daß die Psychiater, die Fachärzte der Psychiatrie, die benannt worden sind, von der Verteidigung, in diese Kategorie fallen, dann hätten sie das genauer zu erklären, würde ich sagen. Denn zunächst steht auch unmittelbar der qualifizierten Beurteilung durch die Psychiater, die sie benannt haben, entgegen, daß wir uns von ihnen nicht untersuchen lassen werden. Dann haben sie [1534] in dem Brief, in dem Antwortbrief, einen Brief des, auf den Brief des benannten Gutachters, Professor Dr. Müller, festgestellt, daß seine Frage, wie das denn mit weiteren, wie das aussieht, wenn der Gutachter, also Müller und Schröder, zunächst zum Schluß kommen, daß die internistischen Untersuchungen, also daß sich in der internistischen Untersuchung sogar die Notwendigkeit weitergehender Untersuchungen, unter anderem eine Untersuchung durch fachärztliche Psychiatrie im Bezug auf die Symptome der sensorischen Deprivation ergeben soll, da haben sie ja so geäußert dazu, welche Untersuchungen erforderlich sind, bleibt ihrer ärztlichen Beurteilung überlassen. Da haben wir jetzt mal die Frage dazu, was bedeutet da im Zusammenhang der Begriff der Beurteilung. Also vorgestellt, benannte Gutachter, die untersucht haben, kommen zu dem Schluß, weitergehende Untersuchungen sind notwendig, wie bisher der Gutachter Henck, den wir nicht akzeptiert haben und der Gutachter Rauschke, den wir nicht akzeptiert haben, die beide hier festgestellt haben, sie halten die Zuziehung eines Deprivationsforschers für notwendig, um überhaupt zu einer Beurteilung zu kommen. Was bedeutet das dann konkret in diesem Fall, denn es ist also mit Sicherheit anzunehmen, daß, nachdem Rauschke und Henck zu dem Schluß gekommen sind, es seien Deprivationsforscher oder die Untersuchung durch Deprivationsforscher notwendig, daß auch die Internisten zu diesem Schluß kommen werden. Sie sprechen dann noch von der ärztlichen Beurteilung, das heißt die Veranlassung der Bestellung bleibt ja beim Senat, dazu haben wir jetzt einfach mal zu fragen, wie ist das, warum sind Deprivationsforscher, die von beiden bisher genannten, bisher hier aufgetretenen Gutachtern für notwendig erachtet worden sind, warum sind sie nicht benannt worden bisher? Das ist einfach wesentlich für uns. Bevor eine Untersuchung stattfinden wird, möchte ich auf diese Fragen jetzt eine Antwort haben. Und zwar natürlich in der Hauptverhandlung. Ja könnten Sie mir, könnten Sie uns diese Frage kurz beantworten.

Vors.:

Das Gericht wird in seiner Entscheidung auf die gestellten Fragen eingehen.

[1535] Angekl. B[aader]:

Ja, dann würde ich sagen, wird Ulrike jetzt sprechen.

Vors.:

Ich darf bloß auf einen Punkt hinweisen, Herr Baader, weil Sie den voranstellten und meinten, das sei der Punkt. Die Bundesanwaltschaft mit der Auswahl der Sachverständigen, mit der Benennung der Sachverständigen überhaupt nichts zu tun gehabt.

Angekl. B[aader]:

Ne, ich bezweifle das.

Vors.:

Noch nicht mal durch Antragstellung. Die Bundesanwaltschaft hat sich völlig zurückgehalten. Ich meine sogar in Anwesenheit Ihrer Herrn Verteidiger ist es von Herrn Bundesanwalt Dr. Wunder ausdrücklich gesagt worden, wenn ich mich nicht irre, die Bundesanwaltschaft halte sich da völlig heraus.

Angekl. B[aader]:

Na ja, der Schluß bleibt sozusagen nahe, nachdem der ...

Vors.:

Er ist falsch.

Angekl. B[aader]:

... nachdem ...

Vors.:

Entschuldigung.

Angekl. B[aader]:

... ja, nachdem der Psychiater, der für die Zwangszintigraphie an Ulrike sich angedient hat, Witter, sozusagen zur selben psychiatrischen Schule gehört, wie die beiden hier benannten Psychiater Ehrhardt und Mende, das ist doch sehr wesentlich und das war seine Veranlassung, die nachweisbar nach den Akten vollkommen in der Veranlassung von Herrn Zeis lag. Aber dann würde ich es um so notwendiger halten, daß wir uns die Kriterien, nach denen diese Gutachter hier ausgesucht worden sind, na ja, daß Sie die[zz] zumindest mal bekannt machen würden.

Vors.:

Ja, in der Entscheidung, wird es bekanntgegeben. Die Fragen sind gestellt, auch von Herrn RA Sch[ily] Herr RA. R[iedel].

[1536] Angekl. B[aader]:

Damit steht ja die Entscheidung schon fest, wenn ich Sie richtig verstanden habe.

Vors.:

Sie haben mich falsch verstanden.

RA R[iedel]:

Dann bitte ich doch nunmehr das Wort der Mandantin Ulrike Meinhof zu erteilen, die dann jetzt diese Begründung also nachtragen will.

Vors.:

Na ja, wenn es der Rechtsfindung dient bitte.

RA R[iedel]:

Herr Vorsitzender, wir haben ja jetzt immerhin nochmal die Stellungnahme des Kollegen Heldmann ...

Vors.:

Ja, bedarf keiner weiteren Begründung, sie hat das Wort. Aber es wäre mir wünschenswert, wenn aus diesem Vorgang eines vielleicht als Frucht hervorginge. In Zukunft, wenn die Herrn Verteidiger für ihre Mandanten das Wort erbieten, sollten auch diese Mandanten sich dann äußern und nicht von sich aus nun plötzlich neue Worterteilungen geben, so wie es hier geschehen ist, das war der Grund, warum ich eingegriffen habe. Jetzt hat es uns nur Zeit gekostet, vielleicht spart es uns für spätere Verhältnisse die Zeit. Frau Meinhof bitte.

Angekl. M[einhof]:

Na ja, ich würde sagen, wenn Sie hier nicht so umständliche Manipulationen und überflüssige Umwege gehen würden, dann würde sich die Sache natürlich auch etwas abkürzen lassen. Das heißt, wir stünden nicht da vor der Notwendigkeit, diese ganzen Lügengespinste erst mal auflösen zu müssen, um an die Sache ranzukommen, um die es geht.

Vors:

Was meinen sie mit Lügengespinste, wenn ich Sie fragen darf.

Angekl. M[einhof]:

Ich fange jetzt mal an.

Vors.:

Darf ich Sie fragen?

[1537] Angekl. M[einhof]:

Ja, ...

Vors.:

Was ist Lügengespinste, normalerweise wird das ja als eine Beleidigung verstanden und wir wollen ...

Angekl. M[einhof]:

Ja, ja ...

Vors.:

... nicht mehr hinnehmen.

Angekl. M[einhof]:

Ich fange jetzt mal an. Ich erklär das.

Vors.:

Frau Meinhof, wen meinen Sie damit, daß ...

Angekl. M[einhof]:

Da müssen Sie mich vielleicht mal reden lassen. Müssen Sie mich vielleicht mal reden lassen. Ich erklär das.

Vors.:

Also es ist kein persönlicher Angriff auf einen Beteiligten hier, oder?

Angekl. M[einhof]:

Ist das jetzt eine Vernehmung oder was?

Vors.:

Aber seien Sie drauf gefaßt, wenn sich etwa herausstellen sollte, daß Sie hier einen einzelnen Prozeßbeteiligten als Lügner bezeichnen wollen ...

Angekl. M[einhof]:

Ach, das ist eine Frage der Struktur.

Vors.:

... daß das zu Schwierigkeiten führt, nicht.

Angekl. M[einhof]:

Das ist eine Frage der Struktur in der sie eine bestimmte Funktion haben, die sie wahrnehmen und das will ich jetzt mal auflösen. Ich muß aber vorher noch etwas zu den Zitaten sagen, die Schily vorgelesen hat von Ehrhardt. Weil wir uns natürlich die Kritik von Moser, die also eine bürgerlich-antifaschistische Position innerhalb der Psychiatrie einnimmt, gegen die explizit-faschistische Position innerhalb der Psychiatrie die von Ehrhardt sich zu Eigen machen. Also [1538] daß das nicht unsere Position ist. Was diese Zitate, die Schily gebracht hat zeigen, ist einfach die Staatshörigkeit der § 51[ StGB][48]-Psychiatrie, und das heißt von vornherein die Abhängigkeit, das Abhängigkeitsverhältnis, das strukturell hier eingesetzt werden soll, gegen uns mit der Figur Ehrhardt. Aber ich würde da also erst mal sagen, nett von Ihnen Herr Zeis, daß Sie Ihren zweiten Vorstoß, den Begründungszusammenhang unserer Vernichtung, psychiatrisch herzustellen. Weil der Faschismus, der sich über die Verrechtlichung der Gesellschaft durchsetzt, in der Abschaffung der Todesstrafe noch eine Schranke hat, mit einer so plumpen Provokation unternehmen, wie es die Nominierung auch nur des Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie Ehrhardt ist. Ich beabsichtige also nochmal zur Person von Ehrhardt seiner Qualifikation seiner Unabhängigkeit von auch nur wissenschaftlicher Seriosität zu sprechen, davon wie das Spiel, daß diese Figur hier ins Verfahren gebracht hat.

Vors.:

Frau Meinhof ...

Angekl. M[einhof]:

Die Figur ...

Vors.:

... ich beabsichtige nicht hinzunehmen, daß Sie hier einen Sachverständigen, der von einer völlig neutralen Stelle dem Gericht vorgeschlagen worden ist, die Bundesanwaltschaft hatte damit, ich wiederhole es, nicht das Mindeste ...

Angekl. M[einhof]:

Nein, nein.

Vors.:

... damit zu tun, schon beleidigen, bevor überhaupt Sie ein Wort oder irgendeine Äußerung dieses Gutachters gehört haben. Also wenn Sie wünschen, daß Ihr Wort zu Ende gebracht werden kann, das müßten Sie langsam gelernt haben, bitte enthalten Sie sich beleidigender Äußerungen, sonst wird Ihnen das Wort entzogen.

Angekl. M[einhof]:

Was hab ich denn ... Ich habe doch überhaupt nichts gesagt.

(Allgemeines Durcheinanderreden, unverständlich).

[1539] Vors.:

Wenn Sie glauben, Herr Rechtsanwalt, daß es angemessen ist, daß ein Angeklagter einen Sachverständigen, den das Gericht bestellt hat und der sich bereit findet, den Auftrag zu übernehmen, als diese Figur hier schon abqualifiziert, dann sind Sie offenbar in Ihrer Auffassung etwas weitherziger als wir das sein können.

RA R[iedel]:

Das mag sein, Herr Vorsitzender, aber ich meine ja nicht, daß hier ...

Angekl. M[einhof]:

Ach Figur.

RA R[iedel]:

... wenn die verwandt werden[aaa] dann heißt es ja nicht unbedingt, daß wir damit beleidigende Äußerungen zum Ausdruck gebracht werden sollen ...

Vors.:

Also bei ... das mag ja sein, Herr Rechtsanwalt ...

RA R[iedel]:

... macht auch die Unterschiede der Auffassung, welche Worte beleidigend sind.-.-.-.

Beim Übertragen des Bandes wurde ein Wackelkontakt am Stecker des Überspielungskabels bei der .-.-.-. bezeichneten Stelle festgestellt. Es erfolgte keine Aufnahme.

... also am Schluß rügend vielleicht, aber im Zusammenhang.

Vors.:

Nein, Herr Rechtsanwalt, ich kann nicht warten bis Beleidigungen ausgesprochen sind, im Raume stehen und dann nicht mehr korrigiert werden können.

Angekl. M[einhof]:

Ja, Moment ...

Vors.:

Ich möchte, Augenblick. Ich möchte also bitten darum, wenn Sie von dem Sachverständigen sprechen, Äußerungen, wie diese Figur und dergleichen zu unterlassen. Sie können vom Sachverständigen sprechen, oder wie Sie es gemacht haben von Ehrhardt [1540] ohne Herr, wenn Ihnen das so schwer fällt.

Angekl. M[einhof]:

Na ja, stellen Sie doch mal eine Liste von verbotenen Wörtern auf. Also ich will davon sprechen wie das Spiel, das diese Sachverständigenfigur hier ins Verfahren gebracht hat ...

Vors.:

Frau Meinhof, ich entziehe Ihnen das Wort, wenn Sie trotz Verwarnung bei diesem beleidigendem Ausdruck bleiben, dann kann ich Ihnen das Wort nicht belassen. Das ... Es ist ein im allgemeinen Sprachgebrauch ist, wenn man von einem anderen Menschen von einer Figur spricht, ist das beleidigend.

RA R[iedel]:

Sie hat es ja korrigiert, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Also ich bin, nachdem wir heute früh, nachdem Herr Baader einen beleidigenden Ausdruck zurückgenommen hat, bereit, wenn Frau Meinhof in Zukunft bei weiteren Ausführungen sich derartige Äußerungen enthalt, Sie nochmals zu Wort kommen zu lassen. Aber bitte Frau Meinhof in Ihrem Interesse. Von Figur zu reden, von einem Sachverständigen ist absolut unnötig. Der Normalmensch empfindet das als Beleidigung und die lassen wir nicht zu. Also bitte.

Angekl. M[einhof]:

Nochmal. Also davon, wie Herr Ehrhardt, der keine Figur ist, auf die Ärzteliste gekommen ist, davon wie der 1. Versuch, weil er Modellcharakter hatte uns zu psychiatrisieren, aussah. Ein paar Sätze zur Rolle der Psychiatrie in der Counter-Strategie in den USA, deren Ergebnisse hier gegen uns angewendet werden, und deren Zusammenhang Vernichtungshaft und Psychiatrisierung das heißt, daß es sich hier auch um den Versuch der Bundesanwaltschaft handelt, das größte Gefangenenexperiment, das ja wohl je in Deutschland gelaufen ist. Aber ich gebe zu, ich weiß die Zahlen nicht, in denen die Nazis Unterkühlungsversuche mit Häftlingen gemacht haben, es ist auch nicht so wichtig. Wir Gefangenen aus der RAF sind jedenfalls 50 etwa polizeiwissenschaftlich auszuwerten. Na schön, ich möchte noch, bevor Sie mir das Wort abschneiden, betonen, daß ich, um mich eines Ausdrucks von Ihnen zu bedienen, unser Schicksal ist, von dem es handelt, von dem ich[bbb] hier [ccc] rede. Und wenn die Instanz, die Sie mit diesem Wort anonymisieren und es befiehlt, (unverständlich) in dem Sie sich zu ihr befinden zu verschleiern, die Bundesanwaltschaft ist. Den [1541] ersten Psychiatrisierungsvorstoß, genauer Gefangenenvernichtung, durch medizinisch-psychiatrisch begründete Eingriffe unternahm die Bundesanwaltschaft, also Zeis, 1973 mit Professor Witter aus der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, der unter dem Vorwand, mich auf § 51[ StGB] zu untersuchen im Auftrag der Bundesanwaltschaft Kontrolluntersuchungen, wegen sensorischer Deprivation. Nachdem ich 8 Monate im toten Trakt Köln, also in absoluter Geräuschisolation gesessen hatte, an mir durchführen wollte. Ein EEG. Als ich mich weigerte eine Szintigrafie unter Zwangsnarkose. Mit beiden Untersuchungen wäre im Bezug auf den vorgeschobenen Grund, also den § 51[ StGB] und die Gehirnoperation[49] die ich mal hatte, nichts in Erfahrung zu bringen gewesen. Das weiß nicht nur jedes Kind, das wußte auch die Bundesanwaltschaft, der die dazu erforderlichen Krankenberichte schon seit 1972 oder länger bekannt waren. Aus ihnen waren schon bereits Röntgenfotos veröffentlicht worden 1972. Auf die massiven Proteste Hunderten von Ärzten und Universitätsärzten hin, mußte die Bundesanwaltschaft schließlich diesen Mordversuch aufgeben und so auch auf Ergebnisse über sensorische Deprivation nach 8 Monaten Trakt verzichten. Statt dessen bin ich dann noch zweimal im Trakt gewesen. Am ganzen Ende 11 ½ Monate. Ich füg das hier mal ein, in Südafrika werden politische Gefangene maximal 3 Monate in den Trakt gesperrt, wenn sie dann immer noch nicht ausgesagt haben, weiß man, daß es Gefangene sind, die eher unter der Folter sterben, als daß sie aussagen und erschießt sie. Ich will damit natürlich nicht sagen, daß man in Südafrika mit politischen Gefangenen humaner umgeht. Ich will damit sagen, daß, wenn, wo der Zweck der Folter erst mal Aussageerpressung, Informationsbeschaffung gelaufen ist, was über 3 Monate hinausgeht, nur noch der Tod, die Vernichtung und die vollständige Zerstörung des Gefangenen sein kann. Zu dem Projekt „Witter“ der Bundesanwaltschaft gehört, daß das Kriminalpsychiatrische Institut der Universität Homburg-Saar[ddd] war, dessen Direktor Witter ist, der theoskopische Eingriffe bei Gefangenen macht. Dessen Gehirnoperationen, mit denen man sie idiotisiert. Witter ist wie Ehrhardt einer der Wortführer in der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, die eine gesetzliche Regelung fordern, politische Gefangene operativ behandeln zu können. Also Gefangene, auf die zutrifft, was Schmidt in der [1542] Bundestagsdebatte am 13. März sagte, daß auf sie weder Abschreckung noch Resozialisierung anwendbar seien. Das ist die Rede, in der er nicht nur die Vorverurteilung aussprach, sondern auch die Exekution auf der Straße und die Exekution von Gefangenen lange vor ihrer Legalisierung für legal erklärte und so auch den Mord an Holger nachträglich legitimierte. In einer Verteidigungssituation könne sich der Staat nicht scheuen, selbst zu töten, so wörtlich der Bundeskanzler. Womit der ganze Quatsch Notwehr, (unverständlich) weggekehrt war, der Staat tötet aus Staatsraison, sonst nichts. Dieselbe Rede, in der er die Justiz aufforderte das Verteidigerausschlußgesetz schneller anzuwenden und so die geistig-politische Auseinandersetzung mit uns propagierte. Die Methode, politische Gefangene durch Psychiatrisierung und Gehirnoperationen zu liquidieren, ist in den USA nach der großen Insurrektion in den Ghettos 1967/68[50] angewendet worden. Kürzlich stand in der Zeitung erfolgreich. Das ist wichtig, seit dem aus dem[eee] „News Week“ bekannt ist, daß die Hucker-Foundation, - Hucker um Prinzings Ignoranz abzuhelfen, ist der Chef Counter Guerilla, Psychiater der USA das Vernichtungsprogramm der Bundesanwaltschaft gegen uns entwirft. Es stellte in Kenntnis unserer Personalakten in „News Week“ unser Horoskop. Nachdem sichtbar geworden ist, daß sich das Vernichtungsprogramm der Bundesanwaltschaft rechtsstaatlich noch nicht begründen läßt, insofern, wie Schmidt sagte, die Wertvorstellungen des Grundgesetzes noch nicht in die aktuelle gesellschaftliche Praxis umgesetzt sind. Also noch nicht ganz abgeschafft. Die Legalisierung der Folter und Vernichtungshaft steht noch aus. Soll die Psychiatrie jetzt den Begründungszusammenhang hier aufstellen. Richtiger, die Bundesanwaltschaft weiß nach jetzt 3 Jahren Vernichtungshaft, daß sie unseren Widerstand so nicht brechen kann. Deswegen führt sie jetzt zum zweiten Mal einen Psychiater ins Verfahren ein, der den Begründungszusammenhang für Medikamentisierung für operative Eingriffe die Fortsetzung der Isolation liefern soll. Die aus dem medizinischen Begründungszusammenhang, die beim Wasserentzug gegen Andreas in Schwalmstadt[51] und ja auch in Ossendorf, Hamburg und Hannover als zu unserem [1543] Besten angedreht werden können, auf die Weise. Witters Mordversuch wurde schließlich verhindert, weil die Anwälte, die inzwischen alle ausgeschlossen und verhaftet sind, Öffentlichkeit für ihn hergestellt hatten, so daß es zu Protesten dagegen kommen konnte. Ich las übrigens in den Protokollen und Sie sagten es ja heute vormittag auch nochmal wieder, daß Prinzing behauptet, daß unsere Haftbedingungen, wie sie in Deprivationsexperimenten durchgespielt werden, für uns nie bestanden hätten und auch jetzt nicht bestünden. Dadurch, daß Sie die Tatsachen andauernd dementieren, werden sie natürlich nicht unwahr. Aber vielleicht kann ich Sie da ja mal aufklären. 1. Die toten Trakts mit denen wir es bisher zu tun hatten, nochmal 11 ½ Monate an mir, Astrid 4,[52] Ron Augustin 6,[53] sind annähernd identisch mit den Experimentalbedingungen der Hamburger Camera silens,[54] in denen die Versuchspersonen, maximal 6 bis 8, bis 24 Stunden blieben. Die fensterlosen Zellen hier im Keller sind identisch und der siebte Stock hier im toten Trakt[55] ist es annähernd auch. 2. Im Experiment schafft man extreme Bedingungen, um in kurzer Zeit zu Ergebnissen zu kommen, deren Übertragung dann auf modifizierte Bedingungen durch die Modifikation des Faktors Zeit zu kalkulieren waren und Zweifel im Experiment nie erreichbaren Ergebnissen führen. Insofern Versuchspersonen aus dem Experiment aussteigen können und sich natürlich niemand für Geld zerstören läßt. Das Experiment macht die Anwendung der Methode kalkulierbar. Na ja, wozu braucht ein Richter, für den die Bundesanwaltschaft denkt, Problembewußtsein. Je weniger er hat, desto zügiger, weil skrupellos, zieht er die Vernichtungsstrategie seines Drahtziehers durch. Übrigens sagten Sie auch, in einem früheren Zusammenhang, als wir sagten, wir bemühten uns seit 3 Jahren um Ärzte unserer Wahl, also um Untersuchungen, das sei völlig falsch, aber in dem Moment nicht zu erörtern. Vielleicht sagen Sie mal, warum wir uns seit 3 Jahren um Ärzte bemühen. Zu abgekartet, Prinzing hat in der Befragung von Rauschke die Frage von Andreas nach dem politischen Standort, der Autoritäten und damit des Vorstands in der Deutschen Gesellschaft der Psychiatrie abge- [1544] würgt. 1. 2. Der Vorschlag kam von Rauschke, von dem wir wissen, daß er den Obduktionsbefund bei Siegfried[56] gefälscht hat, d. h. die Stockholm durch Röntgen festgestellte, im Krankenblatt von Siegfried vermerkte Schädelfraktur unterschlagen.[57] Das war für die Bundesanwaltschaft wichtig, weil diese Schädelverletzung durch Maschinengewehrkolbenschläge eine Tatsache mehr waren, die beweist, daß sie Siegfried zum Sterben nach Stammheim gebracht hatten. Also den Mord. Dieser Rauschke, 3. schlägt hier scheinheilig die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie vor, Prinzing, noch mal, wirft Fragen nach ihr ab und heraus kommt der Psychiater, den die Bundesanwaltschaft auch ohne Rauschke, Gesellschaft und die Tatsache unser Verhandlungsunfähigkeit haben wollte. Was es zu Ehrhardt im einzelnen zu sagen gibt, hat Schily schon gesagt. Wichtig daran ist, daß die Zitate, insofern sie alle § 51[ StGB] Zitate sind, andere gibt es von Ehrhardt nicht, ihn als das charakterisieren, was wir genau ablehnen, nämlich, daß er sich als Wissenschaftler, als Zubringer und Lieferant der Justiz versteht und ist, d.h. seine subjektive und objektive Unterordnung unter die Bedürfnisse der Justiz mit einem präzisen inhaltlichen Verhältnis dazu versteht, nämlich bei ihm die Berufung auf die Prio... in seiner wissenschaftlichen Arbeit die Berufung auf die Priorität der justiziellen Zwecke im Gegensatz zur - in der Medizin ja auch vorkommenden - Humanitätsideologie wie im Hippokrates-Eid darstellt.

Ende des Bandes 61.

[1545] Angekl. M[einhof]:

Gesetzeskritik kommt aus der Ecke der deutschen Gesellschaft der Psychiatrie. Ausschließlich in Richtung Verschärfung der im Vollzug möglichen Maßnahmen um die Gefangenen, die gegen die im Vollzug an ihnen vollzogene Unmenschlichkeit Widerstand leisten, zu zerbrechen. Ich verweise also jetzt einfach auf die Zitate von Ehrhardt, die Schily schon gebracht hat und die dieses Psychatrieverständnis als Staatspsychiatrie hinreichend belegt haben. Prinzing hat Teuns aufgrund einer Konstruktion, die er sich die Interaktion ___ vorstellt, also auf dem Sozialkundeniveau einfach von westdeutschen Volksschullesebüchern, also aufgrund einer bewußten Verdrehung gesellschaftlicher Beziehungen im Imperialismus abgelehnt[58] und damit definiert, was hier unter Unabhängigkeit verstanden wird, der Staatsarzt. Mit der Ablehnung von Teuns aufgrund der obskuren Konstruktion, er sei für die Erklärungen des Amsterdamer Solidaritätskomitees, das die Kursbuchredaktion seinem Vortrag vorangestellt hat, verantwortlich, hat Prinzing die Folter, die Isolation und die Trakts sanktioniert. Das sind bestimmte wissenschaftliche Forschungsergebnisse, die damit unter Kuratel gestellt worden sind, von denen wir in drei Jahren Isolation erfahren haben, daß sie der Wirklichkeit entsprechen. Naja, um einen Vergleich zu ziehen, damit Sie nicht so tun können, als verstünden Sie wieder nur Bahnhof. Der prominenteste Vergleich ist der Fall Oppenheimer.[59] Also der Wissenschaftler, der sich dagegen wehrt, daß seine Forschungsergebnisse angewendet werden. Teuns oder wir haben auch nie zynisch von à la Auschwitz, wie hier gesagt worden ist und wie es in den Medien stand gesprochen, Vernichtung à la Karpf.[60] Das ist die Sprache von Killern. Ich darf vielleicht die Stelle, auf die Sie mit à la Auschwitz bei Teuns anspielen, es sind neun Zeilen, zitieren, weil sie ganz unpolitisch sind. Teuns: Zusammenfassend kann sein ...

Vors.:

Frau Meinhof, ich darf Sie darauf hinweisen. nicht mal auf den Vorschlag ihrer Herrn Verteidiger ist der Professor Teuns noch aufgeführt worden. Das heißt, die Entscheidung, die jetzt zur Debatte steht, hat mit Herrn Teuns nichts zu tun.

[1546] Angekl. M[einhof]:

Nein, nein. Ich würde das aber noch, da gibt es einen Zusammenhang.

Vors.:

Nein, das ist eben nun gerade nicht im Zusammenhang. Sie müssen sich schon an das halten, daß jetzt diese Entscheidung, nämlich der Beschluß vom 18.7., daß diese Entscheidung Gegenstand der jetzigen Anträge ist, nämlich in dem Sinne, daß dieser Beschluß anders gefaßt werden soll. Aber von Teuns war nicht mehr die Rede; auch nicht in Ihrer Gegenvorstellung, d.h. in Ihrer Stellungnahme.

Angekl. M[einhof]:

Moment mal, moment mal. Haben Sie Teuns abgelehnt? Sie haben Teuns abgelehnt. Sie haben da ein Begründungszusammenhang gehabt.

Vors.:

Das hat jetzt mit diesem Beschluß, um den es sich handelt, überhaupt nichts zu tun.

RA R[iedel]:

Herr Vorsitzender, daß Teuns die Tat, bzw. daß die Tat aus der Entscheidung in nichts ... ist doch nur dafür gemacht worden um zu erhellen, in welcher Art und Weise die Auswahl getroffen wird, gegen die sich die Mandantin wendet. Das ist doch der Inhalt des Antrags. Das wird doch nur zur Verdeutlichung der Auswahlkriterien hier gebracht.

Vors.:

Frau Meinhof, versuchen Sie sich doch wenigstens auf die Sache zu konzentrieren, nicht daß es wieder Schwierigkeiten gibt mit Ihren Ausführungen. Im übrigen darf ich Sie nochmals darauf hinweisen, Ihre sämtlichen Ausführungen sind von den Tatsachen her in die Luft gesprochen, wo Sie behaupten, die Bundesanwaltschaft sei an der Auswahl beteiligt. Und es ist auch falsch, ständig den Vorsitzenden hier anzusprechen. Das sind Senatsentscheidungen, an denen der Vorsitzende selbstverständlich beteiligt ist. Jetzt können Sie bitte fortfahren. Aber bitte konzentrieren Sie sich auf die Sache.

[1547] Angekl. M[einhof]:

Ja dann stelle ich den Antrag, Professor Teuns als Gutachter für uns zuzulassen in der Frage unserer Verhandlungsfähigkeit bzw. -unfähigkeit.

Vors.:

Wenn ich es richtig verstehe, kommt das jetzt hinzu, zu den bisher gestellten Anträgen. Sie haben ja gesagt, rasch bloß ein Vorschlag, nichtwahr und jetzt meinen Sie: Teuns dazu.

Angekl. M[einhof]:

Ich verbinde jetzt die Gegenvorstellung mit diesem Antrag, Professor Teuns zuzulassen. Ich ergänze den Antrag. Und ich zitiere jetzt die neun Zeilen von Teuns, aus denen Sie, in der Sprache von Killern à la Auschwitz gemacht haben. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß sensorische Deprivation, weil es diese wissenschaftliche, dieses Verhältnis zur Wissenschaft ist, die Sie mit der Figur Teuns abgelehnt haben. Was das mit Ehrhardt zu tun hat, werde ich gleich noch erklären. Da müssen Sie mich bloß ausreden lassen. Daß sensorische Deprivation durch das Versetzen von Einzelnen in eine total künstliche, gleichbleibende Umgebung wohl das zur Zeit geeignetste Mittel zur Zerstörung spezifisch menschlicher Vitalsubstanz ist. Durch Aushungerung im herkömmlichen Sinne kann man ebenso wie durch Erschießen oder Vergasen sowohl menschliches als auch tierisches Leben vernichten. Sensorische Deprivation hingegen ist eine speziell auf den menschlichen Organismus zugeschnittene Methode der Zerstörung von Lebenssubstanz. Wenn Sie das eine politische Aussage nennen, sprechen Sie nur aus, was auch richtig ist. Das ist Wissenschaft, die nicht Polizeiwissenschaft ist. Im Kapitalverwertungsprozeß unter den Bedingungen der Krise, der Reife der Produktivkräfte für den Kommunismus unter staatlichen Reaktionen als Faschismus, als institutioneller Strategie zur Verrechtlichung auch der Forschung für die Zwecke von Counter und Surfensy, natürlich stört. Mit Ehrhardt haben Sie einen Psychiater herangeschafft, der, indem er jeden zum Psychopaten erklärt, das Zitat war; im Zweifel ist jeder Zweite Psychopath; natürlich auch uns, was zur Legitimation einer Psychiatrisierung ausreicht. Anders gesagt, Ehrhardt verhält sich sowohl seiner Wissenschaftspraxis wie in seinem Verhältnis zum Staat zu den Intensionen der Bundesanwaltschaft, um Ihrem Niveau [1548] angepaßt verständlich zu reden, wie eine kommunizierende Röhre. Seine Nominierung auf Ihrer Ärzteliste ist explizit das Todesurteil, die Haftbedingungen plus Ehrhardt das doppelte Todesurteil. Man muß das präzisieren. So bei den Haaren herbeigezogen die Begründung war, mit der Sie behaupteten, Teuns sei nicht unabhängig, hat eben das Methode. Je abwegiger, je abstruser von der Sache abgehoben, die Begründungen sind, mit denen[fff] Sie den Zweck der Bundesanwaltschaft, Vernichtung durchziehen, desto mühsamer wird es natürlich auch, weil undurchschaubarer die Verknüpfungen bloß zu legen, Ihre einzelnen taktischen Schritte auf den einen strategischen Zweck hinstrukturieren. Also sagen wir es offen. Die Tatsache unserer Verhandlungsunfähigkeit wird sich, da Sie jetzt gezwungen sind, ärztliche Untersuchungen zuzulassen, nicht mehr unterdrücken lassen. Die Symptomatik, die alle 50 isolierten[ggg] Gefangenen aus der RAF haben, ist die der sensorischen Deprivation. Sie haben Teuns abgelehnt, damit die Kausalität Haftbedingungen, Verhandlungsunfähigkeit nicht aufgedeckt wird. Aber das Risiko mit Ärzten, die reine Mechaniker sind, die noch objektiv sind und unvoreingenommen, ist Ihnen immer noch zu hoch. Ehrhardt ist der Arzt, das ergibt sich aus seiner Stellung als § 51[ StGB]-Experte zum Staat bzw. zur Justiz überhaupt, das ergibt sich aus dem Psychose-, Psychopathiebegriff, der in der Gerichtspsychiatrie vorherrscht. Das ergibt sich aus den expliziten Stellungnahmen, aus seinen expliziten Stellungnahmen zur Strafrechtsreform überhaupt. In einem Wort: aus der Struktur des Verhältnisses, Berichts d.h. Staatspsychiatrie Justiz und aus der Voreingenommenheit dieser Figur der Problematik gegenüber, die hier auf dem Tisch ist. Ist Erhardt der Arzt, der im Auftrag der Bundesanwaltschaft die Ursachen unserer Verhandlungsunfähigkeit 1. nach innen verlegen soll, der 2. keine Mühe haben wird, unsere Verhandlungsunfähigkeit auf unsere Identität als Kämpfer gegen Imperialismus abzuwälzen und der schließlich aufgrund seiner Voreingenommenheit eine Kausalität zwischen unserer Verhandlungsunfähigkeit und dem Hungerstreik herstellen soll. Das heißt, Ehrhardt ist das Instrument, mit dem die Bundesanwaltschaft unsere Verhandlungsunfähigkeit zur Waffe gegen uns machen will, diesen Punkt des Verfahrens zum Operator unserer und dann noch irgendwann mal zur endgültigen Vernichtung machen will. Ehrhardt ist der Arzt, der die Absicht der Bundesanwaltschaft, den Prozeß zu entpolitisieren, realisieren soll, indem er die Gefangenen [1549] psychiatrisiert. Und der Senat ist gezwungen, diese Argumentation zu übernehmen, weil er die Haftbedingungen selbst angeordnet hat.[61] Im Februar 73 erklärte Martin ...

RA R[iedel]:

... dem Gericht zur Kenntnis zu geben, daß Ihrerseits keine Bedenken bestehen, wenn Kollege König als Zwangsverteidiger[62] weiter den Mittagschlaf ein bißchen länger hinauszieht. Sie fühlt sich dadurch in der Verteidigung nicht behindert.

-Beifall im Saal-

Vors.:

Fahren Sie fort Frau Meinhof.

Angekl. M[einhof]:

Im Februar 73 erklärte Martin, die Haftbedingungen werden der psychischen und physischen Lage der Gefangenen angepaßt. Das war die Programmierung unserer Rechtlosigkeit. Prinzing spricht von Intensität des Haftzwecks, d.h. der Gefangene ist Objekt der Intensität des Haftzwecks, und was die Bundesanwaltschaft darunter versteht, wissen wir. Der Haftzweck ist der Tod des Gefangenen, die Austilgung, wie Schmidt sagt.

Vors.:

Also jetzt, Frau Meinhof, ist es genug, nichtwahr. Derartige Haftzwecke gibt es im deutschen Recht nicht. Solche Unterstellungen am laufenden Band, das ist also nun wirklich mehr als erträglich wird. Wir haben Ihnen zugehört mit einer wahrhaftigen Eselsgeduld. Aber das geht zu weit. Ich entziehe Ihnen hiermit das Wort.

-Beifall im Saal-

Vors.:

Ich bitte um Ruhe. Ich muß das aber jetzt wirklich sagen. Wir können hier im Saale nicht etwa zwei Parteien aufkommen lassen, wo immer die eine der einen Seite, und die andere der anderen Beifall gibt, sondern ich möchte, daß im Saale Ruhe herrscht. Sie haben das Recht im Saal zuzuhören und nicht mehr.

RA R[iedel]:

Herr Vorsitzender, ich bitte das Wort weiter zu erteilen. [1550] Soweit ich weiß, ist das, was jetzt noch vorgetragen werden muß, nicht mehr allzu umfangreich, so daß es also kein Grund gibt, das bis zu Ende anzuhören und dann die Wertung vorzunehmen, ob hier Unterstellungen und Behauptungen gebracht werden, die völlig neben der Sache liegen. Ich meine, das ist ein sehr komplexer Zusammenhang und ein schwieriges Thema, zudem natürlich auch Fragen der Zwecke, die, zumindest nach der Auffassung der Mandanten, die Haft verfolgt, zu erörtern sind. Denn die Haft, die Art und Weise der Untersuchungshaft ist ja gerade der Punkt, der dazu geführt hat, daß hier sich das Gericht und die Verfahrensbeteiligten sich Gedanken machen müssen, wie es mit der Verhandlungsfähigkeit bestellt ist, so daß natürlich da ein direkter Zusammenhang besteht, der nur auch bei der Frage der Auswahl der Psychiater nur geklärt werden kann, wenn dieser Haftzweck auch erörtert wird.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, wenn ein Mandant den Haftzweck angibt mit dem Ziel, daß der Tod des Gefangenen bewirkt werden solle, dann ist das zu viel. Und wenn Sie glauben, daß bloß deswegen, weil keine langen Ausführungen mehr kommen, das Wort wieder erteilt werden müßte, dann wäre es nur dann richtig, wenn ich entzogen hätte wegen der Länge der Ausführung. Das ist aber nicht der Fall.

RA R[iedel]:

Die Mandanten sind doch diejenigen, Herr Vorsitzender, die am ureigensten Leibe erspüren müssen, wie es ist, wenn man isoliert ist, nichtwahr. Und deswegen auch sind es die berufenen Personen. Nur Sie können es im Grunde genommen. Das Gericht kann es genausowenig wie die Verteidigung letzten Endes auch dartun, was aus Ihren Erfahrungen zu diesem Thema zu sagen ist und wie es sich aus Ihren Erfahrungen darstellt, was als Zweck oder als Ende der Untersuchungshaft, wenn sie so weitergeht, zu erwarten ist. Und ich kann nur noch einmal darauf hinweisen, was Herr Baader heute schon einmal gesagt hat. Wir haben die Tatsache, und die kann nicht aus der Welt geschafft werden, daß es schon einen weniger gibt, der hier als Mitbeschuldigter ursprünglich in diesem Verfahren beteiligt war und der in der Untersuchungshaft umgekommen ist. So daß also überhaupt diese Frage ja doch mittlerweile klar erkennbar nicht so weit hergeholt ist, wie das Gericht es offensichtlich meint.

Vors.:

Ich betrachte Ihre Ausführungen als Beanstandung meines Wortent- [1551] zugs. Die Bundesanwaltschaft, will Sie sich dazu äußern.

OStA Z[eis]:

Wir geben keine Erklärung ab.

(Nach geheimer Umfrage)

Vors.:

Der Senat billigt die Entscheidung, daß der Angeklagten das Wort entzogen ist. Wir können damit in der Verhandlung fortfahren. Sollen sonstige Äußerungen ... Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich denke es wird dem Gericht hilfreich sein, wenn ich auf folgendes hinweise. Wir haben uns ja diese Beurteilung des von Ihnen bestellten psychiatrischen Sachverständigen nicht aus den Fingern gesogen. Es ist in der Sache zutreffend, wie Frau Meinhof diese Abart der konservativen, forensischen Psychiatrie in der Bundesrepublik umschrieben, charakterisiert hat. Vor mir liegt ein Bandgutachten und Stellungnahmen zu Fragen der großen Strafrechtsreform mit ärztlichem Einschlag, vom Bundesjustizministerium 1958 in Bonn herausgegeben. Ich habe aufgeschlagen die Stellungnahme der deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenheilkunde. Im Auftrag des Vorstandes bearbeitet von Professor Dr. Ehrhardt. Und da in dieser Stellungnahme, die der Vorbereitung der Neukodifizierungen des Strafgesetzbuches dienen sollte, findet sich all das, was ich vorhin in meiner mehr allgemeinen Kritik und Frau Meinhof jetzt detaillierter beschrieben habe, nämlich das ist etwa der Psychiatriebegriff des späten Mittelalters. Ehrhardt, Verfasser, löst sich nirgendwo von dem überkommenen, konservativen, biologischen Krankheitsbegriff. Er ist übrigens, das muß ich einschieben, zur Frage des [§ ]51[ StGB] hier zur Stellungnahme aufgefordert worden, also für seine Gesellschaft und damals ging es darum und zutreffend hat Frau Meinhof gesagt, Ehrhardt ist bekannt geworden als Spezialist für die Frage des § 51[ StGB], für die Frage der Zurechnungsfähigkeit. Ich fahre fort und davon handelt diese Arbeit. Nirgendwo der Ansatz sich von dem überkommenen, biologischen Krankheitsbegriff als dem ausschlaggebenden Kriterium für Fragen der Zurechnungsfähigkeit etwa zu lösen. Nirgendwo ein Hinweis darauf auf krankmachende Umwelteinflüsse, insbesondere etwa, worüber heute alle Welt spricht, was man zumindest in jeder [1552] Sonnabend-Beilage, in jeder Tageszeitung lesen kann, die Bedeutung frühkindlicher Umwelteinflüsse auf die intellektuelle und psychische Entwicklung, keine Spur davon. Bemerkenswert, wenn Sie erlauben, daß ich hier zitiere auf Seite 48. Ehrhardts Warnung des Psychiaters. Warnung an die Justiz: „Das Beiwort krankhaft“, also die Bezugnahme auf diesen antiquierten Krankheitsbegriff,“ sollte in einer Neuformulierung des § 51[ StGB] nicht fehlen.“ Und bitte, „um einer bedenklichen Ausweitung der biologischen Voraussetzungen in einer eingeschränkten oder aufgehobenen strafrechtlichen Zurechnungsfähigkeit zu begegnen.“ Ende des Zitats. Der psychiatrische Gutachter also, als Fürsprecher einer extensiven Strafrechts-Abstrafungspraxis. Die Psychopathie, die führt er, gegenüber seinen früheren Arbeiten, die ich auch zum Teil kenne, erstmalig hier ein und kennzeichnet sie als eine anlagemäßige Abartigkeit des Charakters. Das sind Begriffsbestimmungen, über die selbst heute ein Laie den Kopf schüttelt. Von neurotischen Entwicklungen ist nicht einmal vom Begriff her irgendwo die Rede. Die Methoden, und das ist wiederum für Erhards Psychiatrie und für diesen Psychiatriezweig, für den Herr Ehrhardt stets kennzeichnet, die Methoden der Behandlung, die nicht etwa zur Gesundung führen sollen, sondern es geht eigentlich nur noch um die Diagnostik. Pneumo- und Elektroenzephalografie, Angiografie, Liquoruntersuchungen, um genauer organische Hirnschäden degenerativer oder entzündlicher Art entfassen zu können, insbesondere auch der atrophischen und sklerotischen Involutionsprozessen, d. h. von therapeutischer Aufgabe des Psychiaters und möglicherweise psychiatrischen Abteilungen in Vollzugsanstalten oder besonderen Heilanstalten innerhalb des Justizvollzugs nirgendwo die Rede, auch etwa nur die Anregung dazu, sondern da geht es sehr breit dann im dritten Abschnitt Seite 50 ff. weiter von der Unterbringung vermindert Zurechnungsfähiger. Da ist nach der Sachverständigenmeinung des von Ihnen benannten psychiatrischen Sachverständigen das Mittel der Wahl, um in der Arztsprache zu sprechen, die Beerdigung beim lebendigen Leibe in Anstalten, die keinerlei Kontrolle mehr unterliegen. Das ist Ihr Sachverständiger. Ich habe das angefügt, damit Sie wissen, daß die detaillierten Darlegungen der Frau Meinhof und meine mehr summarischen Darlegungen im Eingang auf der Grundlage solcher Studien beruhen.

[1553] Vors.:

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ich habe mich für den Herrn Raspe anzuschließen dem Antrag, der heute morgen gestellt worden ist von dem Kollegen Heldmann. Ich möchte in dem Zusammenhang noch richtigstellen, was gesagt worden ist, ich glaube von dem Herrn Regierungsdirektor Widera. Er sprach von Gesellschaften der Psychiatrie, die die Sachverständigen, die auf der Liste gewesen seien, benannt hätten. Das ist ... von Gesellschaften kann keine Rede sein. Es war eine Gesellschaft, was in der Tat insofern Beachtung verdient, als es so viele Gesellschaften zur Psychiatrie oder Psychoanalyse in der Bundesrepublik gibt, wie es verschiedene Fachrichtungen gibt. Im übrigen meine ich, daß die von Obstruktion, wie es vorhin einmal klang, keine Rede schon deshalb sein kann, weil ja schließlich der Vorschlag, der von uns aus gemacht wird, auch rekurriert auf einen der Sachverständigen, die auf der Liste, die dem Senat vorgelegen hat, verzeichnet waren und dieser Vorwurf schon deshalb fehl geht.

Vors.:

Darf ich aber darauf hinweisen, Herr Rechtsanwalt von Plottnitz: in der Stellungnahme, die die Anwälte abgegeben haben, war Herr Professor Rasch, soweit ich sehe, nicht aufgeführt. Der ist neu hinzugekommen. Also Ihr Schreiben vom 16., 17. enthält ihn nicht. Da war vorgeschlagen Professor Kiska, Dörner, Debor, Geschwind, Sallice ...

RA Dr. H[eldmann]:

Das ist auf Ihrer Liste, auf ...

RA v[on ]P[lottnitz]:

Herr Professor Rasch steht auf Ihrer Liste und der wird akzeptiert.

Vors.:

Nein, nein. Sie haben Ihn nicht vorgeschlagen. Ich mein’, im Gespräch, Herr Rechtsanwalt Schily, haben Sie den Namen einmal erwähnt, weil Sie sagten: Ich kenne Herrn Professor Rasch.

RA Sch[ily]:

... aber in Kombination mit einem der hier vorgeschlagenen.

Vors.:

Bedeutet das, aber nur in Kombination.

RA Sch[ily]:

Nur in Kombination, ja. Ich möchte doch vielleicht auch zur [1554] allgemeinen Charakterisierung der Wissenschaftsrichtung, die Herr Ehrhardt vertritt, noch ein weiteres Zitat aus Tilman Moser beisteuern auf Seite 139. Man kann sagen, daß ohne die Mithilfe des Nationalsozialismus die forensische Psychiatrie in Deutschland nie jenen verstockten Monopoolcharakter erlangt hätte, der es ihr heute erlaubt, den Strafjuristen die psychiatrisch juristischen Paktbedingungen zu diktieren.

Vors.:

Von wem ist das Zitat.

RA Sch[ily]:

Das ist ein Zitat aus Tilman Moser, Seite 139.

Vors.:

Ja, betrifft das Professor Ehrhardt?

RA Sch[ily]:

Ich sagte ja, das betrifft diese Richtung, gegen die sich Tilman Moser wendet, nämlich repressive Kriminalpsychiatrie.

Vors.:

Ja, aber Sie schickten den Namen Ehrhardt diesem Zitat voraus. Das ist nun aber wirklich nicht direkt bezogen, persönlich, sondern richtet sich gegen eine Richtung.

RA Sch[ily]:

Die Richtung, der auch Ehrhardt angehört.

Vors.:

Gut. Wir werden dann über die gestellten Anträge entscheiden.

RA Dr. H[eldmann]:

Ein Wort bitte noch für Herrn Baader.

Vors.:

Darf ich jetzt zunächst die Bundesanwaltschaft ... Sie wollen jetzt zu diesen gesammelten Zusatzanträgen noch sich äußern.

RA Dr. H[eldmann]:

Kann nicht Herr Baader noch zur Antragsbegründung noch ein Wort sagen.

Reg. Dir. W[idera]:

Herr Vorsitzender, ich hatte mich schon vor Herr Rechtsanwalt Schily gemeldet.

Vors.:

Bitte, Sie haben das Wort.

Reg. Dir. W[idera]:

Herr Rechtsanwalt Schily hat sich dann immer wieder das Wort ge- [1555] nommen, indem er gleich weitergemacht hat. Zunächst mal zu Ihnen, Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, wenn Sie zugehört hätten, ich habe von den Gesellschaften für Medizin der verschiedenen Sparten gesprochen, mit denen sich ja die Liste, die Ihnen auch überreicht ist, beschäftigt. Zu Herrn Rechtsanwalt Heldmann. Auch dringlichste Fragen, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, können außerhalb der Hauptverhandlung in der von mir beschriebenen Weise, könnten außerhalb der Hauptverhandlung sehr schnell entschieden werden. Sie haben recht, daß die Gegenvorstellung von Ihnen vom 16., 17.7.1975 dem Senat vorgelegen hat, bevor er den Beschluß vom 18.7. beraten hat. Er ist nämlich auf diese Gegenvorstellung auch eingegangen und hat an zwei Stellen davon gesprochen, und eine Stelle will ich Ihnen vorlesen. „Von den Angeklagten sind irgendwelche spezifizierten Bedenken nicht vorgebracht worden, deshalb besteht kein Anlaß, auf andere Ärzte zurückzugreifen.“ Und diesen Vortrag haben Sie heute und auch Herr Rechtsanwalt Schily fortgesetzt. Spezifizierte Bedenken gegen diese vom Senat benannten Kapazitäten habe ich nicht gehört. Zum Angeklagten Baader. Herr Baader, nicht nur, daß ich mich nicht gewehrt habe, daß die Rechtsanwälte Schily und Dr. Heldmann hier Anträge und Begründungen zur Ärzteauswahl vorgetragen haben, bin ich rückblickend gesehen sogar ausgesprochen froh, daß das hier in der Hauptverhandlung besprochen worden ist. Denn, Herr Baader, die Öffentlichkeit wird sich auch etwas dabei denken, wenn Sie hier erklären, daß Sie nicht bereit sind, sich von Ärzten, die anerkannte Kapazitäten sind und die neutral sind, untersuchen zu lassen. Sie wollen es nicht und das sagen ich Ihnen, weil Sie das Gericht erpressen wollen, eben von nicht neutralen Ärzten Gebrauch zu machen. Ärzten nämlich, die Sie sich aus ganz bestimmten Gründen aussuchen. Zur Angeklagten Meinhof. Die Angeklagte Meinhof hat sich bemüht, Dinge, die wiederholt hier vorgetragen worden sind, auch schon wiederholt im Laufe früherer Verhandlungstage, diese Dinge mit möglichst vielen Beleidigungen erneut vorzutragen. Die Ausführung zur Szintigrafie, womit die Angeklagte Meinhof einen Mordversuch darstellen wollte, sind so absurd, sie sind allerdings neu, deswegen erwähne ich sie extra, daß es sich nicht lohnt, darauf einzugehen. Den Antrag der Angeklagten Meinhof, Professor Teuns als Sachverständigen zuzulassen, bitte ich abzulehnen und beziehe mich zur Begründung auf den Senatsbeschluß, der sich mit Professor [1556] Teuns befaßt.

Vors.:

Wer von Ihnen hat sich nun zuerst, ich sehe zwei Hände. Wer von Ihnen hat das Vorrecht, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, gehen wir dem Abc nach.

RA Dr. H[eldmann]:

Ganz kurz. Ich will nicht wiederholen, Herr Regierungsdirektor Widera, und unsere Äußerungen stehen sich gegenüber. Jeder mag sich sein Bild daraus machen. Ich muß aber richtig stellen Ihre falsche Behauptung. Frau Meinhof ist im Recht gewesen, wo sie gesagt hat, eine gewaltsam, unter Gewaltanwendung, unter Gewaltnarkose vorgenommene Szintigrafie bedeutet unmittelbare Lebensgefahr. Das scheinen Sie nicht zu wissen, aber vielleicht haben Sie Ärzte, die Sie darüber aufklären können. Sie wissen nach der ersten Strahlenschutzverordnung darf ein Eingriff, darf die Szintigrafie, nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des Patienten vorgenommen werden. Gegen den Willen der Patienten, mit Gewalt, mit Gewalt-Narkotisierung bedeutet das Lebensgefahr, das gab es bereits von Medizinern zu lesen. Zweitens bitte ich Sie, Herr Regierungsdirektor Widera, hat mit feinem Geschmack Herrn Baader der Erpressung, des Versuchs der Erpressung des Gerichts bezichtigt, weil er darauf bestanden hat, eben nicht von Ärzten der Justiz, sondern von Ärzten seines Vertrauens, für die wir ja eine ganze Liste vorgelegt haben und von denen wir auch gesagt haben, daß wir keinerlei Kontakte zu Ihnen aufgenommen haben und sie im übrigen nicht anders als durch ihre bekannten Qualifikationen kennengelernt haben, also Herrn Baader mit seinem Wunsch, von Ärzten seines Vertrauens untersucht zu werden, das Gericht zu erpressen. Und ich bitte daraufhin, Herrn Baader selbst zu Wort kommen zu lassen.

Vors.:

Kann gleich geschehen. Nur diesen Ausdruck „Ärzte der Justiz“ weise ich zurück. Auch die Justiz hat hier keine Auslese getroffen aus irgendwelchen Gesichtspunkten, die sachfremd[hhh] wären. Wir werden dazu uns in der Entscheidung äußern.

Angekl. B[aader]:

Also Herr Prinzing ...

Vors.:

Herr Baader, zunächst hatten Sie bis jetzt das Wort nicht. Ich war [1557] noch nicht zu Ende. Warten Sie bitte, bis ich es Ihnen erteile. Jetzt können Sie sprechen.

Angekl. B[aader]:

Das muß man nun also wirklich sehr stark bezweifeln, daß die Auswahl dieser Psychiater zufällig zustande kam. Dazu sind sie wirklich zu profiliert, alle beide. Aber man sollte das doch tatsächlich auf diesen lächerlichen Vorwurf der Erpressung des Gerichts, sollte man das tatsächlich noch einmal in Beziehung setzen. Die Bundesanwaltschaft hat ja angekündigt, nötigenfalls eine Zwangsuntersuchung durchführen zu lassen nach § 81a[ StPO].[63] Und wenn man ein bißchen was darüber weiß, was eine Zwangsuntersuchung ist, also wie sich das abspielt, was das für eine unglaublich ... Erstens Mal ist es immer eine akut lebensgefährliche Sache, das hat sich zuletzt gezeigt vor drei Wochen bei Manfred Grashof,[64] daß die Verhandlungsfähigkeit festgestellt werden sollte in einer Zwangsuntersuchung, bei der er dann Verhandlungsunfähig geschlagen wurde. Das ist eben schon mal ganz wesentlich. Also das sollte man mal in Beziehung setzen, diesen Begriff der Erpressung. Wir schlagen Ärzte vor, qualifizierte Ärzte und auch international anerkannte Ärzte und die Reaktion der Bundesanwaltschaft darauf ist zu sagen, das sei Erpressung. Gleichzeitig bedroht Sie uns unmittelbar physisch mit, wie natürlich Ihre gesamte Veranlassung in diesen drei Jahren unmittelbar physische Bedrohung ist, bedroht sie uns mit der Zwangsuntersuchung. Aber um noch einmal zunächst auf das Modell zurückzukommen. Wir, das ist überdies auch inhaltlich falsch, wir haben da eigentlich durchaus einen Kompromiß gemacht, vorgeschlagen. Wir haben, weil das sozusagen eine andere Sache ist, wir haben in der Frage der Internisten akzeptiert einen Arzt, den der Senat auf diese Liste gesetzt hat. Das ist Professor Schröder. Und wir haben selbstverständlich die Vorstellung, wenn begutachtet wird, daß dann möglicherweise ein Arzt, der nach seiner wissenschaftlichen Qualifikation uns geeignet scheint, benannt wird und möglicherweise eben ein Arzt, aus dieser Liste, die das Gericht aufgestellt hat. Das heißt, das wäre, wir haben übrigens auch überdies Feldmann akzeptiert, den Hals-, Nasen- und Ohrenarzt. Da haben wir überhaupt keine Alternative genannt. Da würde ich sagen in der Frage der Untersuchung durch Fachärzte für Psychiatrie, wo man einfach noch einmal feststellen muß, das ist eben einfach die Disziplin, die [1558] mit psychosomatischen Störungen befaßt ist. Und psychosomatische Störungen sind einfach mal das, was bei der Isolation über diesen Zeitraum rauskommt. Überdies hat der Anstaltsarzt in Stuttgart-Stammheim, von dem man nun wirklich sagen kann, daß er uns gegenüber durch seine Funktion befangen ist, vor diesen beiden Psychiatern explizit gewarnt. Also das ist sehr wesentlich. Er hat also gesagt: um Gottes willen! Und das ist ein Anstaltsarzt. Und er ist überdies von der Bundesanwaltschaft und dem Senat anerkannt. Also, das sind aber so Schattierungen, die eigentlich für mich keine Rolle spielen. Ich würde also nochmal sagen, wir akzeptieren von der Liste Rasch, Rasch heißt der, glaube ich, unter der Bedingung, daß einer der Psychiater oder Psychoanalytiker, die die Verteidigung benannt hat, mit diesem Arzt ein Konsilium bildet, heißt das glaube ich, und möglicherweise außerdem noch explizit ein Deprivationsforscher, Geschwind oder Teuns oder Sallice, London, zugezogen wird. Das heißt, man kann nur dauernd daran erinnern. Die Gutachter, die hier aufgetreten, sind bisher, haben die Notwendigkeit der Zuziehung von Spezialisten, d. h. eines Wissenschaftlers, der auf dem Gebiet sensorischer Deprivation forscht, beide bejaht. Und es gibt, was diese Frage angeht, der Deprivationsforschung, in ganz Europa tatsächlich nur 6 Leute, die auf diesem Gebiet arbeiten und die sind benannt worden, da besteht soweit ich weiß, vorläufig[iii] keine Einwendung von uns. Ich werde jetzt ... Also Sie haben das zur Kenntnis genommen, hoffe ich. Und es ist auch wesentlich, daß das tatsächlich in Ihre Begründung eingeht, denn sonst kann überhaupt keine Untersuchung stattfinden und ich würde sagen, auch keine internistische. Denn die Internisten selbst haben nun wiederum sozusagen auch klargemacht, daß sie, naja, das habe ich ja schon gebracht, welche Untersuchungen das erfordert. Habe ich das? Noch nicht? Naja also in dem Brief von Müller, doch das habe ich doch gesagt, in dem Brief von Müller ...

Vors.:

Herr Baader, der liegt doch dem Gericht vor. Das brauchen Sie ja jetzt nicht mehr vorzulesen.

Angekl. B[aader]:

Ja, ich meine in dem Brief an Müller. Das ist wesentlich. An Müller haben Sie, steht der Satz, welche Untersuchungen erforderlich sind ...

Vors.:

Doch, das haben Sie schon gesagt, das ist eine Wiederholung.

[1559] Angekl. B[aader]:

Naja schön. Mag ja sein. Also das, würde ich sagen, sollten Sie in Ihrem Beschluß aufnehmen, wenn Ihnen tatsächlich an einer Untersuchung der Gefangenen liegt, woran wir natürlich auch zweifeln. Das heißt, wir glauben, daß eine Untersuchung der Gefangenen nur in Ihrem Interesse ist, wenn Sie die Bestellung der Gutachter so arrangieren können, daß in jedem Fall ein Ergebnis, an dem die Bundesanwaltschaft Interesse hat, dabei rauskommt. Darauf weisen unserer Ansicht nach explizit die Auswahl dieser beiden Psychiater hin. Denn die werden nun naja, das ist ja hier ausreichend erklärt worden. Aber ich werde das einfach jetzt fortsetzen noch einmal, wo Sie Ulrike unterbrochen haben. Es ging da um die Frage der Intensität der Haftzwecke. Und ich zitiere da noch einmal aus dem Protokoll Seite 1385 aus Ihrem Beschluß, da sagen Sie, je nach der Intensität der Haftzwecke sind die Haftbedingungen, denen der einzelne Untersuchungsgefangene unterworfen ist, in vielfältiger Weise abgestuft. Über die Intensität der Haftzwecke haben wir in diesen drei Jahren tatsächlich Aufschluß bekommen, im toten Trakt, bzw. in der einzigartigen Disposition der Haftbedingungen in der Bundesrepublik überhaupt. Soweit wir wissen, überhaupt in der einzigartigen Dauer der Isolation nach allem, was man über Isolation überhaupt weiß, von drei Jahren in dieser Form. Das hat übrigens, um daran noch einmal zu erinnern, der Gefängnisarzt Henck hier bestätigt. Er hat gesagt, in seiner zwanzigjährigen Praxis als Gefängnisarzt hätte er ähnliche Haftbedingungen nicht kennengelernt.[65] Also Haftbedingungen dieser Härte nicht kennengelernt. Das ist wichtig. Nochmal. Insofern würde ich auch sagen, war Ihre Unterbrechung unberechtigt. Es ist sicher, das ist wissenschaftlich festgestellt, das ist unbestreitbar und das ist auch ganz sicher, daß Sie es noch an uns erleben wollen, daß soziale Isolation und sensorische Deprivation über einen bestimmten Zeitraum hinaus die vollständige Zerstörung der Persönlichkeit bewirkt, bzw. dann natürlich auch auf irgendeine Weise zum physischen Tod führt. Insofern hat sie vollkommen korrekt, Sie können das überhaupt nicht widerlegen, aus ihrer Formulierung der Intensität der Haftzwecke und dem Erlebnis der Intensität das so formuliert. Was unsere ... angeht, sieht die Strafprozeßordnung diesen Haftzweck noch nicht [1560] vor, bzw. die Untersuchungshaftvollzugsordnung[66]. Die Gesetze sind bis jetzt die staatliche Hülle [jjj] als staatliches Regulativ des Klassenantagonismus decken sie die Disziplinierung des Proletariats mit seiner Vernichtung. Man könnte sagen, die Grenze ist die Todesstrafe. Wohl aber die Psychiatrie, die Psychiatrie sanktioniert die physische Intensität des Haftzwecks, der hier beabsichtigt ist. Insofern im Patienten das Subjekt, das die Verfassung noch schützt, zumindest formal, den Subjektstatus des Angeklagten abgeschafft ist. Der Patient, der psychiatrisierte, ist vollständig entmündigt, und wenn überhaupt noch eine Steigerung des Zwangsverhältnisses denkbar ist, in dem sich ein politischer Gefangener in der Bundesrepublik befindet, dann ist es ganz sicher, die des Psychiatriesierten des Objekts dieser staatlichen Psychiatrie, wie sie Ehrhardt vertritt. Der Sophismus nochmal bei Martin seinerzeit, dem ehemaligen Generalbundesanwalt. Er hat gesagt, die Haftbedingungen werden, die ständige ärztliche und psychologische Betreuung, also das ist die Disposition des Trakts, die ständige ärztliche und psychologische Betreuung, denn da saß unmittelbar vor dem Trakt saß ein Psychiater, der das Programm sozusagen überwacht hat und auch hier ist der Mann, der engagiert befaßt wird mit der Überwachung des Zustands der Gefangenen, ein Psychiater in Stammheim. Die ständige ärztliche und psychologische Betreuung stellt sicher, daß die Haftbedingungen der jeweiligen körperlichen und psychischen Lage des einzelnen Gefangenen angepaßt werden. Das ist wesentlich. Nur muß man sich überlegen, in welcher Zielrichtung sie angepaßt werden, d.h. mit welchem Interesse. Und dazu wäre vielleicht, also da könnte man ein Dutzend Zitate bringen, nicht zuletzt das Zitat des Justizministers Hemfler, der festgestellt hat, daß diese Haftbedingungen die Isolation explizit den Zweck haben ... Er hat zunächst gesagt zu Wasserentzug in diesem Interview, das ist ein Interview mit dem holländischen Fernsehen. Er hat es selbstverständlich im holländischen Fernsehen gegeben, so ein Interview. In der Bundesrepublik könnte so etwas nicht gesendet werden noch überhaupt zustande kommen. Na, er hat da gesagt, der Entzug des Wassers sei also eine medizinische Maßnahme. Und dann auf die Frage: gibt es Isolationshaft? Hemfler sagt dann, nein, das gibt es nicht. Die Öffentlichkeit wird da [1561] unterrichtet und es wird mal wieder von Isolationshaft gesprochen, das ist falsch. Ich bin nur für den Ausdruck in Anführungsstrichen. Und dann die Frage, es gibt doch Leute, die isoliert werden in ihren Zellen; darauf Hemfler, die für eine bestimmte Dauer auch für einen bestimmten Prozeßverlauf, wenn zu befürchten ist, daß sie ihre Strafverfahren verdunkeln wollen - dazu ist wesentlich, daß Verdunklungsgefahr[67] bei uns bereits vor [kkk] zwei Jahren verneint wurde - verdunkeln wollen, daß man sie da von anderen fernhält. Aber es ist nicht so, daß sie völlig isoliert werden. Sie haben den Kontakt mit den Beamten. Naja, schön. Aber Frage dann: Aber Isolationsfälle von sechs Monaten bis zu eineinhalb Jahren sind, doch nicht angemessen. Inzwischen sind es drei Jahre. Hemfler: das ist nicht angemessen, aber das liegt zum Teil ja selbst in der Person des Betroffenen, die durch ihr hartnäckiges Weigern oder durch die Tendenz, alles zu verschleiern und auf keinen Fall hier die Wahrheit zu sagen oder die Wahrheitsfindung zu erleichtern, sich das selbst zuzuschreiben haben. Das ist ein Zitat, das explizit beweist, daß die Isolation angewendet wird, um zu Informationen zu kommen, d.h. um Aussagen von Gefangenen zu erpressen. Und damit erfüllt sie das Charakteristikum von Folter. Sowie subjektiv als auch objektiv würde ich sagen. Überdies hat Klug ebenfalls eine Art, naja, er war damals ich glaube Staatssekretär ...

Vors.:

Herr Baader, entschuldigen Sie, wir sind bei der Auslese von Sachverständigen.

Angekl. B[aader]:

Ja. Also hören Sie, da besteht doch nun wirklich ein unmittelbarer Zusammenhang, da kommen Sie doch nicht drum rum. Klug hat gesagt, der Zweck, auf die Frage, der Zweck der Isolation sei Umerziehung, das war die Formulierung, also Gehirnwäsche; und hat damals im Zusammenhang von Mahler gesagt, der ist also jetzt schon drei Jahre in Isolationshaft, sinngemäß: ja, wir müssen ihn so lange drin lassen, bis wir sicher sind, daß er das, was er da gemacht hat, nicht wieder machen kann. Das ist der Punkt. Ich mein, das sind einfach Zitate, die wirklich für sich selbst sprechen und die hier für die Intensität, für den Begriff der Intensität des Haftzwecks, um das nochmal zu bringen, sprechen. Also der Sophismus [1562] bei Martin, die Anpassung macht, so konnte der Satz rezipiert werden und so sollte er rezipiert werden, in seiner Zwielichtigkeit, also nochmal zur Frage der Todesstrafe, vor dem physischen Leben des Gefangenen halt. Aber der Satz von Prinzing ordnet das Leben des Gefangenen, der Gefangenen, dem Haftzweck unter, dieser Satz über die Intensität der Haftzwecke. Mit der Einführung des Psychiaters jetzt hier in die Verhandlung, eines Psychiaters wie Ehrhardt, ist dieses ganze Programm nochmal zum Punkt gebracht und die Infamie ist tatsächlich, daß es öffentlich versucht wird. Ich glaube, daß der Stein, den Sie damit hochheben mit dem Versuch, die Psychiatrie, und zwar die Strafpsychiatrie, d. h. die repressive Kriminalpsychiatrie für politische Prozesse zu instrumentalisieren zu benutzen, daß dieser Stein Ihnen tatsächlich in der Rezeption der internationalen Öffentlichkeit und wohl auch in der Rezeption der Reste liberaler Öffentlichkeit in der Bundesrepublik auf die Füße fallen wird.

Vors.:

Gut. Damit scheint Ihre Stellungnahme zu Ende zu sein. Ich möchte jetzt die Sitzung beenden.

Angekl. B[aader]:

Moment mal, Moment, warte mal. Ulrike beantragt, die Verhandlung zu unterbrechen, jetzt.

Vors.:

Nein, machen Sie fertig.

Angekl. B[aader]:

Es geht nicht darum, daß ich fertig mache. Ulrike sagt, daß die Verhandlung jetzt nach ihrem Zustand unterbrochen werden muß.

Vors.:

Entweder wir machen jetzt fertig. Es gibt keinen Grund. Frau Meinhof war bis vorhin noch durchaus imstande, Ihren Antrag zu stellen.

Angekl. B[aader]:

Ja aber, das ist genau das, weshalb sie jetzt nicht mehr konzentriert ist.

Vors.:

Es wird am Dienstag mit diesen Punkten nicht mehr fortgefahren.

RA R[iedel]:

Sie wollte doch nur mitteilen, daß Sie sich nicht mehr konzen- [1563] trieren kann, das ist doch alles.

Vors.:

Ja. Dann soll die Stellungnahme eben entsprechend abgekürzt werden. Ich wollte ja Schluß machen. Herr Baader läßt uns ja nicht Schluß machen. Er sagt, er will noch etwas sagen.

Angekl. B[aader]:

Nein, ich werde selbstverständlich jetzt nichts mehr sagen. Wenn hier die Gefangenen auf der Anklagebank nicht mehr sitzen können ...

Vors.:

Sie haben jetzt die Gelegenheit, Ihre Stellungnahme zu Ende zu bringen. Nicht. Gut. Dann werden wir am Dienstag um 9.00 Uhr die Sitzung in diesem Saale fortsetzen.

Ende der Sitzung um 16.00 Uhr

Ende von Band 62


[1] Rechtsanwalt Ströbele war bis kurz vor Beginn der Hauptverhandlung noch Verteidiger von Andreas Baader. Erst mit Beschluss des hierfür zuständigen 1. Strafsenats des OLG Stuttgart vom 13.5.1975 wurde er auf Grundlage des neu geschaffenen § 138a StPO wegen des Verdachtes der Tatbeteiligung - Unterstützung der kriminellen Vereinigung RAF - von der weiteren Mitwirkung im Verfahren ausgeschlossen. Am 23.6.1975 wurde er verhaftet. Der Haftbefehl wurde vom AG Berlin-Tiergarten mit Beschluss vom 18.7.1975 aufgehoben, woraufhin Rechtsanwalt Dr. Heldmann beantragte, die Hauptverhandlung zu unterbrechen, da die Ausschlussgründe für Rechtsanwalt Ströbele nun nicht mehr vorlägen und er daher als Verteidiger zur Hauptverhandlung zu laden sei (S. 1416 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 18. Verhandlungstag).

[2] Die Strafprozessordnung kennt verschiedene Verdachtsstufen. Während für den Erlass eines Haftbefehls ein sog. dringender Tatverdacht erforderlich ist (§§ 112 Abs. 1 Satz 1, 114 StPO), genügt für die Eröffnung eines Hauptverfahrens ein hinreichender Tatverdacht (§ 203 StPO). Die beiden Verdachtsstufen unterscheiden sich zum einen im Grad der Wahrscheinlichkeit, mit welcher nach Beurteilung der Sach- und Rechtslage eine Verurteilung zu erwarten ist, zum anderem in dem Zeitpunkt in welchem diese Prognose erstellt wird. Für die Eröffnung des Hauptverfahrens (hinreichender Tatverdacht) genügt die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung zum Zeitpunkt des Abschlusses der Ermittlungen. Der dringende Tatverdacht erfordert eine große Wahrscheinlichkeit zum jeweiligen Beurteilungszeitpunkt (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 112 Rn. 6). Für den Ausschluss nach § 138a StPO reichen ausdrücklich beide Verdachtsstufen aus („wenn er dringend oder in einem die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Grade verdächtig ist“, § 138a Abs. 1 StPO); umstritten ist, ob für einen hinreichenden Tatverdacht iSd § 138a StPO ausnahmsweise der Abschluss eines Ermittlungsverfahren entbehrlich sein könnte, was zur Folge hätte, dass sich hinreichender und dringender Tatverdacht im Rahmen des § 138a StPO nur im Grad der Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung unterscheiden würden (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 138a Rn. 14). Die Rechtsprechung bejahte das Erfordernis einer „anklagereifen“ Ermittlung zunächst, bevor der BGH mit Beschluss vom 3.3.1989 (Az.: 2 ARs 54/89, NStZ 1990, S 91) von dieser Linie ausdrücklich abrückte.

[3] Das INFO war ein Informations- und Kommunikationssystem, das einen Austausch von Rundbriefen, Zeitungsartikeln etc. unter den inhaftierten RAF-Mitgliedern ermöglichte. Über die Verteidigerpost, die im Vergleich zu anderer Post vollzugsrechtlich privilegiert ist (§§ 97 Abs. 1 Nr. 1, 148 StPO), konnte Material ohne vorherige Zensur ausgetauscht werden. Den Rechtsanwälten Ströbele, Groenewold und Dr. Croissant wurde später vorgeworfen, durch die Beteiligung am „Info-System“ dazu beigetragen zu haben, dass die inhaftierten RAF-Mitglieder auch aus der Haft heraus ihre kriminelle Vereinigung hätten fortführen können. Dabei ging es nicht um das INFO an sich, sondern um die Weiterleitung ganz bestimmter Unterlagen (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 521 ff.; s. auch die Interviews mit K. Groenewold und H.-C. Ströbele, in Diewald-Kerkmann/Holtey [Hrsg.], Zwischen den Fronten, 2013, S. 49, 58 f., 70 f. sowie S. 121, 132 f.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 52).

[4] Die Hauptverhandlung beginnt nach dem Aufruf der Sache und Feststellung der Anwesenheit mit der Vernehmung der Angeklagten zur Person, an die sich die Verlesung der Anklage (heute außerdem: Mitteilung über ggf. stattgefundene Erörterungen) sowie die Vernehmung der Angeklagten zur Sache anschließen. Hierauf folgt die Beweisaufnahme (§§ 243, 244 StPO). Aufgrund vorrangiger Anträge fand die Vernehmung zur Person sowie die Verlesung der Anklageschrift erst am 26. Verhandlungstag statt.

[5] Anlage 1 zum Protokoll vom 24.07.75: Aktenvermerk über die telefonische Mitteilung des Rechtsanwalts Dr. Heldmann.

[6] Eine Gegenvorstellung ist ein Rechtsbehelf, der zwar nicht in der Strafprozessordnung vorgesehen, allerdings in Rechtsprechung und Literatur überwiegend anerkannt ist. Sie beinhaltet die formlose Aufforderung, über eine getroffene Entscheidung erneut zu befinden und die Entscheidung aufzuheben oder abzuändern (Hoch, in Satzger/Schluckebier/Widmaier [Hrsg.], Strafprozessordnung, 4. Aufl. 2020, Vor §§ 296 ff. Rn. 39 ff.).

[7] Wegen Verletzung von Privatgeheimnissen macht sich nach § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB strafbar, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis offenbart, das ihm/ihr als Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist. Der Tatbestand des § 203 StGB unterscheidet grundsätzlich nicht danach, in welcher Situation die zur Verschwiegenheit verpflichtete Person das Geheimnis offenbart. Im Falle eines gegen sie gerichteten Strafverfahrens kommt aber eine Rechtfertigung nach § 34 StGB (rechtfertigender Notstand) in Betracht, wenn eine sachgemäße Verteidigung nicht ohne die Offenbarung möglich ist (Cierniak/Niehaus, in Joecks/Miebach [Hrsg.], Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 4, 3. Aufl. 2017, § 203 Rn. 89).

[8] Nach § 138a Abs. 3 StPO a.F. war die Ausschließung aufzuheben, sobald ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen (inzwischen ergänzt durch die Einschränkung, dass dies nicht allein deshalb gilt, weil die beschuldigte Person auf freien Fuß gesetzt worden ist, § 138a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StPO). § 138c StPO beinhaltet Vorschriften über die Zuständigkeit für die Ausschlussentscheidung und ihre Aufhebung.

[9] Die Fotografin Astrid Proll hatte bereits im Oktober 1967 im Zuge der Vietnam-Demonstration versucht, mit Baader einen Sprengstoff-Anschlag auf das Berliner Amerikahaus durchzuführen, der jedoch scheiterte. Zusammen mit Baader und Ensslin ging sie 1969 in den Untergrund. Anfang Mai 1971 wurde sie in Hamburg verhaftet. Während ihrer Einzelhaft in der JVA Köln-Ossendorf verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand, sodass das Verfahren gegen sie vor dem LG Frankfurt im Herbst 1973 unterbrochen und sie im Februar 1974 schließlich wegen Haftunfähigkeit entlassen werden musste. Anschließend tauchte sie unter. Im September 1978 wurde sie schließlich in London verhaftet und im Sommer 1979 in die Bundesrepublik ausgeliefert, wo sie zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von fünfeinhalb Jahren verurteilt wurde. Da Proll bereits längere Zeit in Untersuchungshaft gesessen hatte, wurde ihr diese Zeit angerechnet und sie wurde auf Bewährung entlassen (Edschmid, Frau mit Waffe, 3. Aufl. 2014, S. 171 f.; Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 41; Kraushaar, Die blinden Flecken der RAF, 2017, S. 47, 150; Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 125 f.).

[10] Katharina Hammerschmidt unterstützte die RAF mit Kurierdiensten und der Bereitstellung illegaler Wohnungen, war aber an keinen Gewalttaten beteiligt. Im Juni 1972 stellte sie sich der Polizei und wurde entgegen den Erwartungen ihres Anwalts Schily in Berlin inhaftiert. Dort traten schon bald erste Symptome einer Krebserkrankung auf. Die von Hammerschmidt geäußerten gesundheitlichen Probleme wurden von den Gefängnisärzten aber nur unzureichend untersucht, weshalb der Tumor lange Zeit unerkannt blieb. Noch während ihres Strafprozesses wurde Hammerschmidt aufgrund der fortschreitenden Erkrankung im Januar 1974 entlassen. Sie starb Ende Juni 1975 in West-Berlin (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 135 ff.; Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa, 2014, S. 329; Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 196 ff.).

[11] Die Unschuldsvermutung ist in Art. 6 Abs. 2 EMRK verankert: „Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig.“ Das Bundesverfassungsgericht leitet sie auch aus dem Rechtsstaatsprinzip gem. Art. 20 Abs. 3 GG her, wodurch ihr Verfassungsrang zukommt (ausführlich BVerfG, Beschl. v. 26.3.1987 - Az.: 2 BvR 589/79, BVerfGE 74, S. 358, 370; s. aber auch bereits die von Rechtsanwalt Dr. Heldmann genannten Entscheidungen: BVerfG, Beschl. v. 19.7.1967 - Az.: 2 BvR 489/66, BVerfGE 22, S. 254, 265; BVerfG, Beschl. v. 15.4.1969 - Az.: 1 BvL 20/68, BVerfGE 25, S. 327, 331; BVerfG, Beschl. v. 8.10.1974 - Az.: 2 BvR 747/73, BVerfGE 38, S. 105, 112 ff.).

[12] Am ersten Verhandlungstag legitimierten sich die drei zuvor ausgeschlossenen Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele, zum Zeitpunkt des Ausschlusses allesamt Verteidiger von Andreas Baader, für jeweils andere Angeklagte (Ströbele für die Angeklagte Ensslin) und stellten den Antrag, zur Hauptverhandlung zugelassen zu werden. Der 2. Strafsenat war der Auffassung, die Wirkung der bereits ergangenen Ausschlussentscheidungen umfasse auch das Verbot der Mitwirkung der Verteidiger im Hinblick auf die übrigen Angeklagten. Die Bundesanwaltschaft äußerte gegen diese Rechtsauffassung erhebliche Bedenken (so Bundesanwalt Dr. Wunder auf S. 50 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag) und beantragte daher, die Verteidiger auch im Hinblick auf die anderen Angeklagten auszuschließen (Anlage 5 zum Protokoll vom 21.5.1975, S. 65 ff., ebenfalls 1. Verhandlungstag). Den Antrag legte der 2. Senat dem zuständigen 1. Senat zur Entscheidung vor, welcher die ursprüngliche Auffassung des 2. Senates bestätigte und die (nach dieser Ansicht überflüssige) Durchführung eines (erneuten) Ausschlussverfahrens ablehnte. Durch diesen Beschluss wurde die Wirkung des Ausschlussverfahrens letztlich auch auf die anderen Angeklagten übertragen.

[13] § 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) lautet: „Der Rechtsanwalt ist ein unabhängiges Organ der Rechtspflege.“ Diese Formel wurde allerdings für verschiedene Zwecke dienstbar gemacht: Neben einer Stärkung der Stellung der Anwaltschaft, die den anderen Verfahrensbeteiligten auf Augenhöhe begegnen sollte, wurde sie, insbesondere durch die Rechtsprechung, eher zu disziplinierenden Zwecken herangezogen, weshalb sie zuweilen aus Sicht der Anwaltschaft eher kritisch beurteilt wird (Salditt, in Widmaier/Müller/Schlothauer [Hrsg.], Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung, 2. Aufl. 2014, § 1, Rn. 4 ff.).

[14] Nach § 33 Abs. 4 Satz 1 StPO ist eine Anhörung vor Anordnung einer Maßnahme dann nicht erforderlich, „wenn die vorherige Anhörung den Zweck der Anordnung gefährden würde“.

[15] Seit ihrer Festnahme am 4. Februar 1974 warteten neun RAF-Mitglieder auf die Eröffnung der Hauptverhandlung in Hamburg: Ilse Stachowiak wurde zusammen mit Christa Eckes, Helmut Pohl und Eberhard Becker in Hamburg festgenommen. Kay-Werner Allnach und Wolfgang Beer wurden mit Margrit Schiller in Frankfurt/Main aufgegriffen. Axel Achterrath und Ekkehard Blenck wurden in Amsterdam verhaftet (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 116). Die Gefangenen wurden am 28. September 1976 vom Landgericht Hamburg zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 122; Stuberger, Die Akte RAF, 2008, S. 263; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 54. f.).

[16] Das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) wurde durch das Gesetz zur Ergänzung des Ersten Strafverfahrensreformgesetzes vom 20.12.1974 (BGBl. I, S. 3686) mit Wirkung zum 1.1.1975 eingeführt, wodurch die bis dahin zulässige kollektive Verteidigung mehrerer Angeklagter bei gleicher Interessenslage abgeschafft wurde. Durch diese und weitere Reformen, die vor Beginn und während der Hauptverhandlung in Kraft traten, wurden die Rechte der Angeklagten sowie der Verteidigung erheblich eingeschränkt (Tenfelde, Die Rote Armee Fraktion und die Strafjustiz, 2009, S. 72 ff.). Da viele der Vorschriften im Hinblick auf das anstehende Stammheimer Verfahren beschlossen wurden, wurden sie u.a. als „lex RAF“ kritisiert (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 132 ff.). Sie sind überwiegend noch heute in Kraft.

[17] Der subjektive Tatbestand setzt sich zusammen aus dem Vorsatz (seit dem 1.1.1975: §§ 15, 16 Abs. 1 Satz 1 StGB; vgl. auch § 59 Abs. 1 StGB a.F.) sowie - in manchen Strafnormen vorhandenen - weiteren subjektiven Tatbestandsmerkmalen (Roxin/Greco, Strafrecht Allgemeiner Teil Band 1, 5. Aufl. 2020, § 10 Rn. 61).

[18] Holger Meins, ursprünglich Mitangeschuldigter im Stammheim-Prozess, starb noch vor Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) am 9. November 1974 in Untersuchungshaft in Wittlich an den Folgen des dritten Hungerstreiks. Da zu diesem Zeitpunkt der Senat als Gericht der Hauptsache zuständig für den Vollzug der Untersuchungshaft und damit auch für Entscheidungen über die Haftbedingungen war (§ 126 Abs. 2 StPO), machten die Angeklagten den Senat, insbesondere den Vorsitzenden Dr. Prinzing, unmittelbar verantwortlich für seinen Tod. Gegen den Vorsitzenden Dr. Prinzing (und weitere) erstattete Rechtsanwalt von Plottnitz im Namen von Meins’ Angehörigen sowie im eigenen Namen Strafanzeige wegen Mordes (Auszüge der Strafanzeige sind abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 195 f.; vollständig, aber schlecht lesbar, befindet sich die Strafanzeige auch im Anhang zu Anlage 1 zum Protokoll vom 19. Juni 1975, 7. Verhandlungstag, S. 644 ff.). Eine auf die Ereignisse um den Tod Holger Meins’ gestützte Ablehnung des Vorsitzenden Dr. Prinzing wegen Besorgnis der Befangenheit durch die Angeklagte Ensslin findet sich in Anlage 1 zum Protokoll vom 19. Juni 1975 (7. Verhandlungstag, S. 620 ff.). Die dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden Dr. Prinzing befindet sich auf S. 677 ff. (ebenfalls 7. Verhandlungstag).

[19] Gerhard Müller war ein ehemaliges Mitglied der RAF und wurde später einer der Hauptbelastungszeugen in diesem sowie in weiteren Verfahren gegen Mitglieder der RAF. Er wurde ab dem 124. Verhandlungstag als Zeuge vernommen. Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass die umfassende Aussage Müllers u.a. durch das Versprechen diverser ungesetzlicher Vorteile unzulässig beeinflusst worden war (s. hierzu etwa die Beweisanträge in den Anlagen 4 bis 19 zum Protokoll zum 20.7.1976, S. 10643 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 128. Verhandlungstag; s. zu den Vorwürfen der Verteidigung auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 305 ff.).

[20] Zum Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) s. bereits Fn. 16. Der Vorsitzende Dr. Prinzing achtete in der Regel sehr genau darauf, dass die Verteidiger/innen nur zu Vorgängen sprachen, die den/die jeweils von ihnen verteidigte/n Angeklagte/n betrafen (s. dazu etwa die Diskussion am 4. Verhandlungstag, S. 279 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, sowie am 12. Verhandlungstag, S. 928 f. des Protokolls).

[21] Die Vorschriften über den Ausschluss von Verteidiger/innen (§§ 138a ff. StPO) wurden ebenfalls mit dem Ergänzungsgesetz vom 20. Dezember 1974 (s. bereits Fn. 16) eingeführt. Sie waren erforderlich geworden, nachdem das Bundesverfassungsgericht den vorigen Ausschluss des Rechtsanwalts Schily mangels Rechtsgrundlage für verfassungswidrig erklärt hatte (BVerfG, Beschl. v. 14.2.1973 - Az.: 2 BvR 667/72, BVerfGE 34, S. 293 ff.). Die neu eingeführte Vorschrift § 138a StPO hatte vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand (BVerfG, Vorprüfungsausschuss, Beschl. v. 4.7.1975 - Az.: 2 BvR 482/75, NJW 1975, S. 2341).

[22] S. dazu die Ausführungen des Rechtsanwalts Dr. Heldmann am 11. Verhandlungstag (S. 837 f. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[23] Gemeint sind Holger Meins, Siegfried Hausner und Katharina Hammerschmid. Siegried Hausner und Holger Meins starben während sie sich in Untersuchungshaft und damit in Obhut des Staates befanden. Holger Meins, ursprünglich Mitangeschuldigter im Stammheim-Prozess, starb noch vor Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) am 9. November 1974 in Untersuchungshaft in Wittlich an den Folgen des dritten Hungerstreiks (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 117 ff.). Siegfried Hausner erlag Verletzungen, die er während der Geiselnahme in der Deutschen Botschaft in Stockholm im April 1975 erlitten hatte (Forsbach, Die 68er und die Medizin, 2011, S. 95 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 766 Anm. 80). Auch Katharina Hammerschmidt befand sich zunächst noch in Untersuchungshaft. Dort traten schon bald erste Symptome einer Krebserkrankung auf. Die von Hammerschmidt geäußerten gesundheitlichen Probleme wurden von den Gefängnisärzten aber nur unzureichend untersucht, weshalb der Tumor lange Zeit unerkannt blieb. Aufgrund der fortschreitenden Erkrankung wurde sie im Januar 1974 entlassen und starb schließlich Ende Juni 1975 in West-Berlin (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 196 ff.; Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa, 2014, S. 329). Für alle drei Tode machten die Angeklagten staatliche Akteure verantwortlich (s. dazu auch die Ausführungen von Andreas Baader auf S. 586 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 6. Verhandlungstag).

[24] Siegfried Buback war zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung Generalbundesanwalt und damit Leiter der Strafverfolgungsbehörde „Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof“, welche das Amt der Staatsanwaltschaft beim BGH (§ 142 Nr. 1 GVG), sowie in den zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug gehörenden Strafsachen (§ 120 Abs. 1 und 2 GVG) ausübt (§ 142a Abs. 1 GVG).

[25] Mit „Trakt“, auch „Toter Trakt“, bezeichneten die Angeklagten einen isolierten Trakt innerhalb einer JVA. In der JVA Köln-Ossendorf befand sich ein solcher Trakt in der psychiatrischen Frauenabteilung, in der zunächst Astrid Proll untergebracht war, später auch Ulrike Meinhof, bevor sie im April 1974 nach Stuttgart-Stammheim verlegt wurde. Im Februar 1974 wurde auch Gudrun Ensslin für zwei Monate nach Köln-Ossendorf verlegt (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 97 ff.). Meinhof beschrieb den Zustand im Trakt mit den Worten: „Das Gefühl, es explodiert einem der Kopf (das Gefühl, die Schädeldecke müsste eigentlich zerreißen, abplatzen) - das Gefühl, es würde einem das Rückenmark ins Gehirn gepresst [...]. das Gefühl, die Zelle fährt [...] rasende Aggressivität, für die es kein Ventil gibt. Das ist das Schlimmste. Klares Bewußtsein, daß man keine Überlebenschance hat [...]“ (Erklärung von Ulrike Meinhof, abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 103 ff.; s. auch die Ausführungen im Antrag der Angeklagten am 5. Verhandlungstag, Anlage 1 zum Protokoll vom 12.6.1975, insbes. die S. 425 ff. des Protokolls bzw. 20 ff. der Anlage; s. zu den Haftbedingungen in Köln-Ossendorf aber auch Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 95 ff.).

[26] Mit Beschluss vom 13.7.1973 gab der Untersuchungsrichter am BGH Knoblich dem Antrag der Bundesanwaltschaft statt, Ulrike Meinhof - notfalls gegen ihren Willen unter Anwendung von Narkose - auf ihre Zurechnungsfähigkeit während der Tatzeit untersuchen zu lassen. Hintergrund war, dass sie sich 1962 aufgrund eines gutartigen Tumors einer Gehirnoperation unterziehen musste, sodass der Verdacht einer Beeinträchtigung durch einen Tumor aufkam. Zu den genehmigten Behandlungen zählten Röntgenaufnahmen und eine Szintigraphie des Gehirns. In einem offenen Brief wandten sich 70 Ärzte und Medizinalassistenten direkt an den Richter am BGH Knoblich mit der Aufforderung, diesen Beschluss aufzuheben (der Brief ist abgedruckt in Komitees gegen Folter an politischen Gefangenen in der BRD, Der Kampf gegen die Vernichtungshaft, S. 133 f.). Dies geschah schließlich auch auf Antrag der Bundesanwaltschaft, allerdings mit der Begründung, die Untersuchung sei aufgrund neuer Erkenntnisse überflüssig geworden (so Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 115 f.; s. dazu auch Ulrike Meinhof an diesem Verhandlungstag, S. 1541 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[27] Horst Herold war von 1971 bis 1981 Präsident des Bundeskriminalamtes (s. die vorangestellte Vita in Bundeskriminalamt [Hrsg.], Festschrift für Horst Herold zum 75. Geburtstag, 1998, S. 15, 17).

[28] Der Senat war ab dem Zeitpunkt der Erhebung der öffentlichen Klage als Gericht der Hauptsache auch zuständig für den Vollzug der Untersuchungshaft und damit auch für Entscheidungen über die Haftbedingungen (§ 126 Abs. 2 StPO).

[29] Roland Freisler stand von August 1942 bis 1945 dem Volksgerichtshof, dem formal höchsten Gericht des nationalsozialistischen Regimes, als Präsident vor. 1934 war das Gericht auf Betreiben Hitlers als Sondergericht zur Aburteilung von Hoch- und Landesverratsverbrechen eingerichtet worden. Der Volksgerichtshof fällte in erster und letzter Instanz politisch motivierte Urteile gegen Gegner/innen des Regimes. Freisler verhängte als Vorsitzender des Ersten Senates nach bisherigen - vermutlich unvollständigen - Schätzungen ca. 2400 Todesurteile. Der sog. „Blutrichter“ Freisler führte die ihm übertragenen Verfahren mit besonderem Eifer und oftmals demütigender Härte durch. Zu den bekanntesten Fällen seiner Amtszeit gehören die Schauprozesse gegen die Mitglieder der Widerstandsgruppe Weiße Rose und die Beteiligten am Stauffenberg-Attentat auf Hitler (Wagner, Der Volksgerichtshof im nationalsozialistischen Staat, Neuausg. 2011, S. 17 ff., S. 26 f., 80, 84 f., 201 f., 660 ff., 832 ff.).

[30] Zusammenhängende Strafsachen, die einzeln zur Zuständigkeit von Gerichten verschiedener Ordnung (Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht, Bundesgerichtshof) gehören, können nach § 2 Abs. 1 Satz 1 StPO verbunden werden und so gemeinsam bei dem Gericht der höheren Ordnung anhängig gemacht werden. Daraus wird der Schluss gezogen, dass dies erst recht möglich sein muss, wenn die zusammenhängenden Strafsachen zur Zuständigkeit von Gerichten gleicher Ordnung gehören (Börner, in Satzger/Schluckebier/Widmaier [Hrsg.], Strafprozessordnung, 4. Aufl. 2020, § 2 Rn. 8). Ein Zusammenhang ist nach § 3 StPO etwa gegeben, wenn eine Person mehrerer Straftaten beschuldigt wird oder wenn bei einer Tat mehrere Personen als Täter/in oder Teilnehmer/in beschuldigt werden. In diesem Verfahren liegen beide Fälle vor: Die Angeklagten werden einzeln mehrerer Taten beschuldigt, zudem wird ihnen bei den meisten dieser Taten eine gemeinschaftliche Begehung als Mittäter/innen vorgeworfen.

[31] Als Blockverteidigung wurde die gemeinsame Verteidigung mehrerer Beschuldigter bezeichnet. Diese Form der Verteidigung wurde durch das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO), welches durch das Ergänzungsgesetz vom 20. Dezember 1974 (Fn. 16) eingeführt und am 1.1.1975 in Kraft trat, unzulässig. Zulässig ist seither nur noch eine abgestimmte Verteidigung, bei der zwar eine gemeinsame Verteidigungsstrategie entwickelt werden kann, jede/r Verteidiger/in aber nur eine/n Angeklagte/n vertreten darf (s. dazu OLG Düsseldorf, Beschl. vom 20.8.2002 - Az. 1 Ws 318/02, NJW 2002, S. 3267 ff.).

[32] Sachleitungsbezogene Anordnungen des/der Vorsitzenden können als unzulässig beanstandet werden (§ 238 Abs. 2 StPO). Über die Beanstandung entscheidet sodann das Gericht, in diesem Fall der Senat in voller Besetzung.

[33] Konkludent wird etwas geäußert, wenn es nicht explizit erklärt, aber durch schlüssiges Verhalten nach außen deutlich gemacht wird (Fuchs, Willenserklärung, in Creifelds [Begr.], Rechtswörterbuch, 24. Aufl. 2020, Anm. 1 lit. b aa).

[34] Notwendigerweise Gegenstand der Hauptverhandlung ist alles, was der Beantwortung der Schuld- und Straffrage dient, d.h. der Tathergang, die Schuld der/des Angeklagten sowie die Höhe der Strafe, da nur solche Tatsachen zur Begründung des Urteils herangezogen werden dürfen, die (prozessordnungsgemäß) in die Hauptverhandlung eingeführt wurden (§ 261 StPO).

[35] § 169 Satz 1 GVG normiert für die ordentliche Gerichtsbarkeit den Grundsatz, dass die Verhandlungen öffentlich sind. Dieser Grundsatz ist auch Bestandteil des Rechtsstaats- sowie des Demokratieprinzips, womit ihm Verfassungsrang zukommt. Die Öffentlichkeit soll zum einen dem Schutz der Angeklagten dienen, indem die öffentliche Kontrolle der Verfahren einer Geheimjustiz entgegenwirkt. Zum anderen trägt sie dem Interesse der Bürger/innen Rechnung, von dem gerichtlichen Geschehen Kenntnis zu erlangen. Die Öffentlichkeit wird nicht unbegrenzt gewährleistet. Ihr gegenüber stehen andere gewichtige Interessen, die miteinander abgewogen werden müssen, insbesondere die Persönlichkeitsrechte der am Verfahren Beteiligten, das Recht der Angeklagten auf ein faires Verfahren, sowie die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege (BVerfG, Urt. v. 24.1.2001 - Az.: 1 BvR 2623/95, BVerfGE 103, S. 44, 63 f.)

[36] Dort heißt es: „Die Öffentlichkeit der Verhandlungen ermöglicht nicht nur jedermann ein Zuschauen und Zuhören, sondern auch ein Verbreiten von Nachrichten über das Geschehene und Gehörte (sog. mittelbare Öffentlichkeit). Gerade auch das letztere ist durch die Einführung der Öffentlichkeit mit bezweckt. Die Publizität der gerichtlichen Verhandlungen soll nicht auf diejenigen beschränkt werden, die zufällig anwesend sein können, sondern durch Vorbereitung von Nachrichten über die Verhandlungen der Allgemeinheit dienen. Zulässig müssen also Aufzeichnungen im Gerichtssaal sein, die der Vorbereitung von Nachrichten vorbereiten sollen. Sie müssen so vorgenommen werden, daß die Ordnung der Verhandlung nicht gestört wird.“ (Schmidt, Lehrkommentar zur Strafprozessordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz, Teil I, 1952, S. 178 Rn. 340).

[37] § 172 GVG enthält Ausnahmen, bei deren Vorliegen das Gericht für die Verhandlung (oder einen Teil davon) die Öffentlichkeit ausschließen kann, darunter wenn eine Gefährdung der Staatssicherheit, der öffentlichen Ordnung oder der Sittlichkeit zu besorgen ist (Nr. 1) oder bestimmte Geheimnisse erörtert werden (private, geschäftliche, o.ä., Nr. 2 und 3).

[38] Das Gericht beauftragte mit Beschluss vom 18.7.1975 eine Kommission aus Sachverständigen verschiedener Fachrichtungen mit der Begutachtung der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten. Zur Chronologie der Beauftragungen der verschiedenen Gutachter s. die Ausführungen des Rechtsanwalts von Plottnitz am 26. Verhandlungstag (S. 2093 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[39] Dr. Henck war während des Prozesses als Anstaltsarzt in Stuttgart-Stammheim tätig. Er wurde als erster Sachverständiger zur Frage der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten angehört. Zur Vernehmung des Herrn Dr. Henck s. S. 357 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung (5. Verhandlungstag), S. 937 ff. (12. Verhandlungstag) und S. 1725 ff. (21. Verhandlungstag).

[40] Prof. Dr. Rauschke war Leiter des Instituts für Rechtsmedizin am Gesundheitsamt der Stadt Stuttgart und beauftragt worden, zur Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten Stellung zu nehmen. Zur Vernehmung des Prof. Dr. Rauschke s. S. 1102 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung (14. Verhandlungstag). Eine Untersuchung durch ihn, ebenso wie eine durch den Anstaltsarzt Dr. Henck, lehnten die Angeklagten ab.

[41] Verhandlungsfähigkeit ist die Fähigkeit „in und außerhalb der Verhandlung seine Interessen vernünftig wahrzunehmen, die Verteidigung in verständiger und verständlicher Weise zu führen sowie Prozesserklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen“ (BGH, Beschl. v. 8.2.1995 - Az.: 5 StR 434/94, BGHSt 41, S. 16, 18). Die Verhandlungsunfähigkeit bildet ein vorübergehendes oder dauerndes Verfahrenshindernis (§§ 205, 206a StPO). Eingeschränkter Verhandlungsfähigkeit kann durch die Anordnung besonderer Maßnahmen (ärztliche Unterstützung, Einlegung von Erholungspausen o.ä.) begegnet werden (s. dazu auch Rechtsanwalt Dr. Heldmann auf S. 1255 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 15. Verhandlungstag). Bei vorsätzlicher und schuldhafter Herbeiführung der Verhandlungsunfähigkeit kann die Hauptverhandlung in Abwesenheit des/der Angeklagten durchgeführt werden (§ 231a StPO).

[42] Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 StPO können Sachverständige aus denselben Gründen abgelehnt werden, wie Richter/innen, also auch wegen Besorgnis der Befangenheit (§ 24 StPO). Im Falle einer erfolgreichen Ablehnung kann das Gericht nach § 83 Abs. 2 StPO die Begutachtung durch eine/n andere/n Sachverständige/n anordnen.

[43] Die Hauptverhandlung befindet sich in diesem Zeitpunkt im Stadium zwischen der Feststellung der Anwesenheit und der Vernehmung der Angeklagten zur Person. Dieser Verfahrensabschnitt ist nicht gesondert geregelt und nimmt üblicherweise nur wenig Raum ein. Aufgrund vorrangiger Anträge kommt es in diesem Verfahren erst am 26. Verhandlungstag zur Vernehmung zur Person und zur anschließenden Verlesung des Anklagesatzes.

[44] Das Freibeweisverfahren findet Anwendung zum Beweis von Tatsachen, die nicht die Straf- oder Schuldfrage, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe, betreffen. Im Unterschied zum dort anzuwendenden Strengbeweisverfahren ist das Gericht im Freibeweisverfahren nicht auf die Wahl bestimmter Beweismittel beschränkt, sondern kann grundsätzlich alle verfügbaren Erkenntnisquellen nutzen; auch an die im Strengbeweisverfahren vorgeschriebene Form ist es nicht gebunden (BGH, Urt. v. 28.6.1961 - Az.: 2 StR 154/61, BGHSt 16, S. 164, 166).

[45] Nach § 229 Abs. 1 StPO a.F. durfte die Verhandlung grundsätzlich nur für maximal zehn Tage unterbrochen werden (heute: drei Wochen), im Falle von zehn vorher stattgefundenen Verhandlungstage aber immerhin einmal auch für 30 Tage (§ 229 Abs. 2 StPO a.F.). Bei Überschreitung der Frist hätte mit der Hauptverhandlung von neuem begonnen werden müssen (§ 229 Abs. 3 StPO a.F.).

[46] Der Zweifelssatz „in dubio pro reo“ ist eine Entscheidungsregel. Danach dürfen die für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch entscheidungserheblichen Tatsachen nur dann zum Nachteil der Angeklagten verwertet werden, wenn das Gericht von deren Vorliegen nach Abschluss der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO) überzeugt ist. Verbleiben nach Ausschöpfung sämtlicher Beweismittel noch Zweifel, ist eine Verwertung nur zu Gunsten der Angeklagten, nicht aber zu ihrem Nachteil zulässig (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 261 Rn. 26 ff.). Obwohl es sich bei dem Zweifelsgrundsatz um einen „rechtsstaatlichen Fundamentalgrundsatz“ (Roxin, Strafverfahrensrecht, 25. Aufl. 1998, § 15 Rn. 33) handelt, wird die Frage nach seiner Rechtsnatur und insbesondere seiner Herleitung nach wie vor nicht einheitlich beantwortet. Nach überwiegender Auffassung kommt dem Grundsatz Verfassungsrang zu (Ott, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 261 Rn. 63; Pfeiffer, Strafprozessordnung, 5. Aufl. 2005, § 261 Rn. 16; Wasserburg, ZStW 94 (1982), Heft 4, S. 914, 922 ff.; offengelassen von BVerfG, Beschl. v. 23.9.1987 - Az.: 2 BvR 814/87, NJW 1988, S. 477). Mit Blick auf die Herleitung des Grundsatzes lässt sich keine einhellige Auffassung identifizieren. Genannt werden u.a. der verfassungsrechtlich garantierte Schuldgrundsatz, die Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK), das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG), der Grundsatz „nulla poene sine lege“ (Art. 103 Abs. 2 GG), Art. 14 Abs. 2 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) oder auch die Grundsätze der Beweiswürdigung (§ 261 StPO); regelmäßig werden die verschiedenen Aspekte auch kombiniert. Für einen Überblick s. Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 10. Aufl. 2017, Rn. 117; Miebach, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl. 2016, § 261 Rn. 243; Pfeiffer, Strafprozessordnung, 5. Aufl. 2005, Einl. Rn. 12; Sander, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 6/2, 26. Aufl. 2013, § 261 Rn. 103. Heutzutage kommt dem Grundsatz wohl gewohnheitsrechtliche Bedeutung zu (Zopfs, Der Grundsatz „in dubio pro reo“, 1999, S. 330, 378).

[47] Als nächster Schritt ist die Vernehmung der Angeklagten zur Person vorgesehen (§ 243 Abs. 2 StPO).

[48] § 51 StGB a.F. beinhaltete eine Regelung für den Fall fehlender oder verminderter Zurechnungsfähigkeit. Diese Vorschrift wurde mit dem Zweiten Strafrechtsreformgesetz vom 4. Juli 1969 (BGBl. I, S. 717) mit Wirkung zum 1.1.1975 im Rahmen einer Neustrukturierung des Allgemeinen Teils des StGB durch die heutigen §§ 20, 21 StGB (Folgen der Schuldunfähigkeit bzw. verminderter Schuldfähigkeit) ersetzt.

[49] S. bereits Fn. 26.

[50] Von 1964 bis 1968, insbesondere aber in den Jahren 1967 und 1968, fanden in ungefähr 150 amerikanischen Städten friedliche Massendemonstrationen und gewaltsame Aufstände der vorwiegend afroamerikanischen Bevölkerung statt. Ausgelöst wurden sie meist unmittelbar durch unverhältnismäßige Polizeigewalt. Sie richteten sich auch gegen den strukturellen Rassismus, der für große Teile der Afroamerikaner/innen weiterhin gravierende ökonomische, soziale und politische Ungleichheit bedeutete. Ihren Höhepunkt erreichten die Unruhen 1967. Bei Aufständen in Detroit 1967 starben 43 Menschen, Tausende wurden verletzt oder waren aufgrund der Auseinandersetzungen, Plünderungen und Brandstiftungen mit erheblichen Eigentumsbeschädigungen konfrontiert. Im April 1968 kam es noch einmal zu schweren Unruhen in Folge der Ermordung Martin Luther Kings (Berg, Geschichte der USA, 2013, S. 76 ff.; Dudziak, Cold War Civil Rights, 2000, S. 238 ff.; Tonn, in Butter/Franke/Tonn [Hrsg.], Von Selma bis Ferguson, 2016, S. 139, 142 ff.).

[51] Während des zweiten Hungerstreiks, in den inhaftierte RAF-Mitglieder von Anfang Mai bis Ende Juni 1973 traten, wurde Andreas Baader, zu dieser Zeit in der JVA Schwalmstadt untergebracht, zeitweise das Trinkwasser entzogen. Auf Nachfrage der Presse bestätigte das hessische Justizministerium dies, wies allerdings darauf hin, dass ihm stattdessen Milch zur Verfügung gestellt werde (Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 171 f.; Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 121).

[52] Astrid Proll war seit ihrer Verhaftung im Mai 1971 in der JVA Köln-Ossendorf untergebracht, zunächst im Hafthaus für weibliche erwachsene Gefangene, später, ab dem 22. November 1971, im als „toter Trakt“ bezeichneten isolierten Bereich in der psychiatrischen Frauenabteilung der JVA. Nach einer zwischenzeitlichen Verlegung im Januar 1972 wurde sie am 12. April 1972 erneut dort untergebracht. Als Ulrike Meinhof am 16. Juni 1972 in den „toten Trakt“ verlegt wurde, wurde Astrid Proll in einem Haftraum der psychiatrischen Beobachtungsstelle für männliche Gefangene untergebracht. Die benachbarten Zellen blieben jedoch unbelegt, um eine Kontaktaufnahme zu Mithäftlingen zu vermeiden. Im Herbst 1973 musste das Verfahren gegen Astrid Proll vor dem LG Frankfurt unterbrochen werden. Sie wurde im Februar 1974 wegen Haftunfähigkeit aufgrund ihres sich stark verschlechterten Gesundheitszustandes entlassen (Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 97 ff., 125 f.).

[53] Der niederländische Student Ronald Augustin war Teil der Bewegung 2. Juni und Mitglied der ersten RAF-Generation. Festgenommen im Juli 1973, wurde er im Mai 1974 in die JVA Hannover verlegt, wo er in strenger Einzelhaft saß. Seine Haftbedingungen wurden mit denen in Köln-Ossendorf verglichen, auch die Bezeichnung „Toter Trakt“ wurde hierfür verwendet. Die Hauptverhandlung in Bückeburg wurde, ähnlich wie die in Stuttgart-Stammheim, in einer eigens dafür eingerichteten Mehrzweckhalle durchgeführt. Der Prozess wurde nicht nur deshalb von manchen als „Generalprobe“ für das Verfahren in Stuttgart angesehen (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 108 ff.; Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 206; Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa, 2014, S. 367 ff.).

[54] Als „Camera silens“ werden vollständig reizlose Räume bezeichnet. Während der 1960er Jahre intensivierte sich die Forschung zu den Wirkungen von Reizentzügen (sensorische Deprivation). U.a. forschte der tschechische Psychiater Jan Gross auf diesem Gebiet, der in der psychiatrischen Klinik Hamburg-Eppendorf seine Forschungen mit der dort vorhandenen „Camera silens“ verknüpfte. Im Zuge der Debatte um die gegen RAF-Mitglieder angewandte „Isolationsfolter“ wurden diese Forschungen von Unterstützern sowie der RAF als Mittel staatlicher Vernichtungspläne propagandistisch umgedeutet (Koenen, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 2, 2006, S. 994 ff.; Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 99, 112).

[55] Im siebten Stock der JVA Stuttgart-Stammheim befanden sich die Haftzellen der Angeklagten (Bergstermann, 2016, S. 127 ff.).

[56] Siegfried Hausner war Mitglied der RAF und Teil des „Kommando Holger Meins“, das am 24. April 1975 bei dem Überfall auf die deutsche Botschaft in Stockholm zwölf Geiseln nahm, zwei Menschen tötete und die Freilassung von 26 Gefangenen, darunter der Angeklagten Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof, forderte. Aus weiterhin unbekannten Gründen explodierte kurz vor der Stürmung des Gebäudes durch schwedische Spezialkräfte im Inneren der Botschaft ein Sprengsatz, infolgedessen Hausner schwer verletzt wurde. Trotz dieser Verletzungen wurde Hausner wenige Tage später in die Bundesrepublik ausgeliefert und auf die Intensivstation der JVA Stammheim verlegt. Hausner starb dort Anfang Mai 1975 (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 512. 515 f.; Forsbach, Die 68er und die Medizin, 2011, S. 95 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 766 Anm. 80).

[57] Noch im Stockholmer Krankenhaus soll eine Schädelfraktur bei Siegfried Hausner festgestellt worden sein, angeblich entstanden durch Polizeigewalt während der Verhaftung Hausners (s. die Ausführungen von Andreas Baader auf S. 1233 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 15. Verhandlungstag). Auch der Anstaltsarzt Dr. Henck soll diese Verletzung in Stuttgart-Stammheim attestiert haben. Bei der späteren Obduktion durch Herrn Prof. Rauschke soll sie hingegen nicht entdeckt worden sein, was durch die Angeklagten als „Unterschlagung“ gewertet wurde; den Tod Hausners bezeichneten sie als Mord.

[58] Die Beiziehung von Dr. Teuns als Gutachter wurde am 15. Verhandlungstag abgelehnt. Der Senat stützte sich dabei auf ein Vorwort zu einem im Kursbuch 32 abgedruckten Vortrag von Dr. Teuns, das zwar nicht von ihm stamme, aber in welchem - so der Vorwurf des Senats - von ihm unbeanstandet die „Isolationsfolter, wie sie gegen politische Gefangene in der Bundesrepublik Deutschland angewendet wird“ als „tendenziellen Massenmord à la Auschwitz“ beschrieben wurde (S. 1212 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 15. Verhandlungstag). Das im August 1973 erschienene Kursbuch 32, herausgegeben von Enzensberger und Michel, trägt den Titel: „Folter in der BRD. Zur Situation der politischen Gefangenen“ und enthält u.a. verschiedene gerichtliche Entscheidungen in Haftsachen, thematische Abhandlungen, sowie Berichte und Erklärungen von Gefangenen. Der Beitrag von Sjef Teuns befindet sich auf S. 118 ff.

[59] Der amerikanische Physiker Julius Robert Oppenheimer arbeitete als Leiter des „Manhattan-Projects“ in den 1940er Jahren an dem Bau amerikanischer Atombomben. Nach dem militärischen Einsatz dieser Bomben in Hiroshima und Nagasaki im Jahr 1945 und den katastrophalen Auswirkungen auf die japanische Bevölkerung und Umwelt, trat Oppenheimer zunehmend für Atomwaffenkontrollen ein. Während der antikommunistischen McCarthy-Ära wurde er 1954 auch aufgrund seiner Weigerung, die Entwicklung der Wasserstoffbombe zu beenden, als kommunistischer Verräter und Spion der Sowjetunion beschuldigt und von staatlichen Forschungsprogrammen ausgeschlossen (Hecht, Technology and Culture, 2008, Band 49 Heft 4, S. 943, 947 f., 954 ff.; Rhodes, The Making of the Atomic Bomb, 1986, S. 119 ff., 570 ff., 758 ff.).

[60] Hierzu ließen sich keine Hinweise finden. Vermutlich handelt es sich um einen Transkriptionsfehler. Denkbar wäre eine Formulierung wie „Vernichtung à la carte“.

[61] Der Senat war ab dem Zeitpunkt der Erhebung der öffentlichen Klage als Gericht der Hauptsache auch zuständig für den Vollzug der Untersuchungshaft und damit auch für Entscheidungen über die Haftbedingungen (§ 126 Abs. 2 StPO).

[62] Den Angeklagten wurden je zwei Verteidiger (gegen ihren Willen) durch das Gericht als Pflichtverteidiger zur Sicherung des Verfahrens beigeordnet. Zwischen der Vertrauensverteidigung und dem Senat bestand allerdings Uneinigkeit darüber, ob die Verteidigung durch sie auch ordnungsgemäß sei (s. dazu bereits die Diskussionen am 1. Verhandlungstag, S. 90 ff., sowie den Entpflichtungsantrag der Rechtsanwältin Becker in Anlage 1 zum Protokoll vom 10.06.1975, S. 184 ff., 3. Verhandlungstag). Die Angeklagten lehnten die von ihnen sog. Zwangsverteidiger vehement ab und weigerten sich, mit ihnen zu reden. Ulrike Meinhof führte am 1. Verhandlungstag aus: „Es handelt sich bei diesen Verteidigern um Zwangsverteidiger, die als Instrumente der B. Anwaltschaft ohne jede Kompetenz, abhängige Staatsschutzverteidiger sind, d. h. ihrer Funktion in diesem Prozeß nach Vertreter der Anklagebehörden und der Staatsschutzabteilung“ (S. 85 des Protokolls der Hauptverhandlung). Auch in der Literatur war diese Vorgehensweise - die Beiordnung von Pflichtverteidiger/innen gegen den Willen der Angeklagten neben vorhandenen (Wahl-)Verteidiger/innen - lange umstritten (s. dazu Thomas/Kämpfer, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, § 141 Rn. 6). Die Rechtsprechung ließ diese sog. Sicherungsverteidigung zu (BVerfG, Beschl. v. 28.3.1984 - Az.: 2 BvR 275/83, BVerfGE 66, S. 313, 321; BGH, Urt. v. 11.12.1952 - Az.: 3 StR 396/51, BGHSt 3, S. 395, 398; s. auch EGMR, Urt. v. 25.9.1992 - Az.: 62/1991/314/385, EuGRZ 1992, S. 542, 545 f.). Erst mit dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 (BGBl. I, S. 2128) wurde hierfür in § 144 StPO auch eine gesetzliche Regelung geschaffen.

[63] § 81a StPO erlaubt dem Gericht, die körperliche Untersuchung von Beschuldigten auch gegen deren Willen anzuordnen.

[64] Manfred Grashof war Mitglied der RAF. Bei seiner Festnahme am 2. März 1972 wurde er im Rahmen eines Schusswechsels, bei dem er einen Polizeibeamten erschoss, selbst schwer verletzt. In Bezug auf die behauptete Zwangsuntersuchung trug Andreas Baader am 15. Verhandlungstag vor, Grashof habe eine Schädelverletzung sowie vermutlich eine Wirbelverletzung erlitten (S. 1210 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[65] S. dazu S. 384 des Protokolls der Hauptverhandlung (5. Verhandlungstag).

[66] Bei der Untersuchungshaftvollzugsordnung (UVollzO) handelt es sich nicht um ein förmliches Gesetz, sondern um eine Verwaltungsvorschrift des Bundes zur Ausgestaltung der Untersuchungshaft, die sich an die Leitungen der Haftanstalten richtet. Für Gerichte ist sie nicht bindend (BVerfG, Beschl. v. 19.2.1963 - Az.: 1 BvR 610/62, BVerfGE 15, S. 288, 294). Trotz der spätestens nach der Grundsatzentscheidung des BVerfG zur Strafhaft (BVerfG, Beschl. v. 14.3.1972 - Az.: 2 BvR 41/71, BVerfGE 33, S. 1) aufkommenden Zweifel an einer zureichenden rechtsstaatlichen (nämlich gesetzlichen) Grundlage scheiterten alle Bemühungen um ein Bundesuntersuchungshaftvollzugsgesetz. Erst nachdem mit der Föderalismusreform 2006 die Gesetzgebungskompetenz auf die Länder überging, machten diese sämtlich von ihrer Ersetzungskompetenz (Art. 125a Abs. 1 GG) Gebrauch und erließen entsprechende Landesgesetze (Höflich/Schriever/Bartmeier, Grundriss Vollzugsrecht, 4. Auf. 2014, S. 229 f.; Laubenthal, Strafvollzug, 6. Aufl. 2011, Rn. 929, 933). Der UVollzO kommt daher mittlerweile keine Bedeutung mehr zu.

[67] Verdunklungsgefahr ist einer der Haftgründe, aus denen (bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen) Untersuchungshaft angeordnet werden darf (§ 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO). Verdunklungsgefahr erfordert einen dringenden Verdacht, dass der/die Beschuldigte derart auf (persönliche oder sachliche) Beweismittel einwirken wird, dass dadurch die Ermittlung der Wahrheit erschwert wird (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 112 Rn. 26).


[a] Maschinell eingefügt: Dr.

[b] Handschriftlich ersetzt: 24.Juli 1975 durch 23.Juli 1975

[c] Handschriftlich ersetzt: die so durch diese

[d] Handschriftlich ersetzt: Brau durch Proll

[e] Handschriftlich ersetzt: macht durch machen

[f] Maschinell eingefügt: -Beifall auf der linken Besucherseite im Sitzungssaal (vom Richtertisch aus gesehen)-

[g] Maschinell eingefügt: dieser

[h] Maschinell ergänzt: entgegenzuwirken

[i] Handschriftlich durchgestrichen: spricht ins abgeschaltene Mikrophon

[j] Handschriftlich ergänzt: meinen

[k] Handschriftlich ersetzt: suchen lassen durch zugelassen

[l] Handschriftlich ergänzt: einen

[m] Handschriftlich ersetzt: noch durch doch

[n] Maschinell ergänzt: Erkenntnis

[o] Maschinell eingefügt: sind

[p] Maschinell eingefügt: unterdrückt

[q] Maschinell durchgestrichen: Gelächter auf der linken Besucherseite (vom Richtertisch ausgesehen)

[r] Handschriftlich ergänzt: einer

[s] Handschriftlich eingefügt: und

[t] Maschinell durchgestrichen: er

[u] Handschriftlich ersetzt: ich durch ist

[v] Handschriftlich ersetzt: verhören durch zu hören

[w] Maschinell eingefügt: in

[x] Maschinell eingefügt: ein

[y] Handschriftlich ersetzt: Sirial durch Sie real

[z] Maschinell eingefügt: wenn

[aa] Maschinell eingefügt: hier

[bb] Handschriftlich ergänzt: dessen

[cc] Maschinell eingefügt: jetzt

[dd] Handschriftlich eingefügt: sei

[ee] Handschriftlich durchgestrichen: zu er nicht ums Wort bittet.

[ff] Maschinell eingefügt: Angekl. Baa.: Ich habe das Wort.

[gg] Maschinell eingefügt: meint

[hh] Maschinell durchgestrichen: Haftung

[ii] Handschriftlich ersetzt: Lehrformel durch Leerformel

[jj] Handschriftlich ergänzt: hier

[kk] Maschinell ersetzt: ... durch wohl vorerst die

[ll] Handschriftlich ergänzt: vernünftigste

[mm] Handschriftlich ergänzt: Forschungsarbeiten

[nn] Handschriftlich eingefügt: die

[oo] Handschriftlich ersetzt: solcher durch zu dieser

[pp] Handschriftlich ergänzt: einen

[qq] Handschriftlich ersetzt: ein durch er

[rr] Handschriftlich ergänzt: einen

[ss] Handschriftlich eingefügt: ja

[tt] Handschriftlich durchgestrichen: der

[uu] Handschriftlich ersetzt: bis durch ist

[vv] Handschriftlich eingefügt: die

[ww] Handschriftlich ersetzt: und durch um

[xx] Handschriftlich eingefügt: sind

[yy] Handschriftlich eingefügt: mit

[zz] Maschinell eingefügt: die

[aaa] Handschriftlich ersetzt: wären durch werden

[bbb] Handschriftlich eingefügt: dem ich

[ccc] Handschriftlich durchgestrichen: die

[ddd] Handschriftlich eingefügt: -Saar

[eee] Handschriftlich eingefügt: dem

[fff] Maschinell ersetzt: bedenken durch mit denen

[ggg] Maschinell eingefügt: isolierten

[hhh] Handschriftlich ersetzt: sich fremd durch sachfremd

[iii] Maschinell eingefügt: vorläufig

[jjj] Handschriftlich eingefügt: (Text unleserlich)

[kkk] Maschinell durchgestrichen: ein