187. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 29. März 1977 um 9.05 Uhr



[13734] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 29. März 1977 um 9.05 Uhr

(187. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am 175. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte sind anwesend

J. Ass. Clemens

J. Ass. Scholze

Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]

Als deren Verteidiger sind erschienen:

Rechtsanwälte Eggler, Künzel, Schnabel, Schwarz, Schlaegel und Grigat.

Beim Eintritt des Gerichts - vor Beginn der Hauptverhandlung - bleiben mehrere Zuschauer auf der linken Seite - vom Gericht aus gesehen - sitzen, die sich erst nach wiederholter Aufforderung durch den Vorsitzenden erheben.

Vors.:

Ich erkläre die Hauptverhandlung für eröffnet.

Die Sitzung wird fortgesetzt.

Die Verteidigung ist gewährleistet.

Herr Rechtsanwalt Schily fehlt ohne spezielle Erklärung.[2]

Es ist zunächst bekanntzugeben: Herr Rechtsanwalt Schily hat außerhalb der Hauptverhandlung den Antrag gestellt, die Hauptverhandlung auszusetzen. Das ist durch Beschluß - auch außerhalb der Hauptverhandlung - vom 25. März 77 abgelehnt worden. Das Gericht hat, d. h. der Vorsitzende hat am 22. März 77 - wie den Prozeßbeteiligten bekannt - nochmals ein Schreiben [13735] an den Herrn Justizminister Dr. Bender gerichtet.

Der Vorsitzende verliest das Schreiben vom 22. März 1977 an den Herrn Justizminister Dr. Bender.

Eine Ablichtung dieses Schreibens wird als Anlage 1 zu Protokoll genommen.

Auf dieses Schreiben ist ein Antwortschreiben des Herrn Justizministern Dr. Bender eingegangen, gestern nachmittag zur später Stunde, da heißt es:

Der Vorsitzende verliest das Antwortschreiben vom 28. März 1977 des Justizministers Dr. Bender.

Eine Ablichtung dieses Schreibens wird als Anlage 2 zu Protokoll genommen.

Wird hierzu irgendeine Erklärung gewünscht von einem der Prozeßbeteiligten?

Herr Rechtsanwalt Schnabel, bitte.

RA Schn[abel]:

Herr Vorsitzender, ich bitte die Sitzung für mindestens ½ Stunde zu unterbrechen, damit wir Gelegenheit haben, das Schreiben des Herrn Justizministers, das Sie eben verlesen haben, in Ruhe zu überprüfen.

Vors.:

Ja, wie ich schon gesagt hatte, ist das Schreiben ja erst gestern abend zu später, also nachmittags zu später Stunde eingegangen, den Verteidigern auch erst jetzt, wenn ich es recht sehe, auf den Tisch gelegt worden, so daß dieses Verlangen sicherlich berechtigt ist.

Damit es keine Verlängerungsanträge geben muß, setzen wir um 10.00 Uhr fort.

Pause von 9.12 Uhr bis 10.00 Uhr

Bei Fortsetzung der Hauptverhandlung ist OStA Holland nicht mehr anwesend.

Rechtsanwälte Oberwinder und Weidenhammer (mit Herrn Wackernagel als Gehilfen) sind nunmehr auch anwesend.

Vors.:

Die Sitzung wird fortgesetzt.

[13736-13737][3] [13738-13740][4] [13741] Der Angeklagte Baader erscheint um 10.00 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Herr Wackernagel, wir kennen uns ja schon. Herr Wackernagel, wessen Hilfsperson sind Sie heute?

Wessen Hilfsperson sind Sie heute?

Herr Wackernagel:

Für Herrn Weidenhammer.

Vors.:

Von Herrn Rechtsanwalt Weidenhammer.

RA Wei[denhammer]:

Ja.

Vors.:

Jawohl, Sie erklären das auch, Herr Rechtsanwalt Weidenhammer. Wird nach dieser Pause eine Erklärung gewünscht? Soll eine Erklärung abgegeben werden?

OStA Holland erscheint um 10.01 Uhr wieder im Sitzungssaal.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schwarz, wollen Sie etwas ...

RA Schw[arz]:

Ich stelle eine Erklärung zurück.

Vors.:

Ja, wenn ich fragen darf, wohinter, Herr Rechtsanwalt Schwarz?

Ich sehe im Augenblick keine Wortmeldung.

RA Schn[abel]:

Ja, ich stelle auch die Erklärung zurück, hinter die Bank vis à vis.[5]

Vors.:

Gut. Also jetzt habe ich gerade ein Handzeichen, ein Handzeichen von Herrn Baader gesehen.

Wollen Sie etwas erklären, Herr Baader, zu diesen Dingen, die wir hier jetzt verhandelt haben?

Angekl. Ba[ader]:

Ich weiß nicht, was Sie verhandelt haben. Wollen Sie mich nicht unterrichten, erstmal?

Vors.:

Ja, Sie sind ja. Sie wissen ja, wie das ist; vollgültig wird unterrichtet, wenn Sie wieder voll verhandlungsfähig[6] sind; so steht es im [§ ]231a[ StPO][7] drin. Aber ich kann Ihnen gerne sagen: Wir haben in letzter Zeit verhandelt ...

Angekl. Ba[ader]:

Nein, nicht in letzter Zeit, sondern jetzt unmittelbar.

Vors.:

Jetzt unmittelbar? Ja, sicher, jetzt unmittelbar haben wir verhandelt über diese Abhörungen.[8] Ich habe heute ein Schreiben an den Herrn Justizminister Dr. Bender - das ich an ihn gerichtet habe - verlesen, und ich habe das Antwortschreiben des Herrn Justizminister Dr. Bender vom 28. März verlesen. Hierbei geht es um die Abhörungen, die in der Vollzugsanstalt [13742] Stuttgart-Stammheim stattgefunden haben.

Also wenn Sie was erklären wollen, dann haben Sie die Gelegenheit dazu.

Angekl. Ba[ader]:

Ja, soviel ich weiß, gibt es Anträge auf Einstellung des Verfahrens. Haben Sie die beschieden, inzwischen?

Vors.:

Anträge ist zuviel gesagt. Herr Rechtsanwalt Dr. Temming hat am - Augenblick - hat hier an das Gericht einen Antrag gestellt, er beantrage die Einstellung des Verfahrens - außerhalb der Hauptverhandlung hat er das gestellt -. Ich habe das der Bundesanwaltschaft zur Stellungnahme zugeschickt, nicht zuletzt deshalb, weil dieser Antrag natürlich verfahrensrechtliche Probleme aufwirft. Den Rechtskundigen im Saale ist sicher bewußt, daß der § 260 Abs. 3 StPO vorsieht, daß bei fortwährender Hauptverhandlung über etwaige Einstellungen durch Urteil entschieden wird, nicht durch Beschluß.[9] Und Urteil ergeht, nach den üblichen Regeln der Strafprozeßordnung, mit vorherigen Plädoyers und dergleichen mehr, so daß im Augenblick die Frage noch nicht zu entscheiden ist; wir werden uns der Frage stellen. Aber, wie gesagt, bis jetzt ist es in dem Stadium, daß ich diesen Antrag der Bundesanwaltschaft mit der Bitte um Stellungnahme zugeleitet habe.

Ein sonstiger Einstellungsantrag liegt nicht vor; also von Anträgen kann man nicht reden, Herr Baader.

Ja, ich ...

Angekl. Ba[ader]:

Na gut, dann ...

Vors.:

... ich bin ganz Ohr, ja.

Angekl. Ba[ader]:

... dann habe ich vor, einen Antrag zu stellen.

Vors.:

Bitte.

Angekl. Ba[ader]:

Und zwar - zum ersten Mal übrigens -

Brandt und Schmidt als Regierungschefs der Regierung Brandt/Scheel und Schmidt/Genscher zu laden zum Beweis ...

Vors.:

Also die Herren Brandt und Schmidt ... Scheel war bloß Erklärung, also daß ich es richtig mitbekomme.

Angekl. Ba[ader]:

Das ist keine Erklärung, das ist ein Antrag.

Vors.:

Auch Herrn Scheel zu laden?

Angekl. Ba[ader]:

Ich kann Sie nicht verstehen. Ich sagte Brandt und Schmidt ...

[13743] Vors.:

Brandt und Schmidt, gut.

Angekl. Baa[der]:

...

als Regierungschefs der Regierung Brandt/Scheel und Schmidt/Genscher zu laden zum Beweis, daß

1. die RAF seit 1972 nach einer grundgesetzwidrigen und grundgesetzfeindlichen Konzeption der antisubversiven Kriegsführung verfolgt wird, die technisch, methodisch und organisatorisch dem internationalen Standard der amerikanischen Counterinsurgency entspricht und die

a. die repressive und manipulative ‚Immunisierung‘ - das ist ein Brandt-Zitat - der Gesellschaft gegen antikapitalistische Fundamentalopposition bezweckt und die

b. durch eine komplexe Strategie politischer, wirtschaftlicher, militärpolitischer und juristischer Initiativen auf die Integration der Apparate der ‚inneren und äußeren Sicherheit‘ und der staatlichen Datenverarbeitssysteme innerhalb der Nato-Staaten zielt, um die permanente Einmischung der amerikanischen Außenpolitik in die inneren Angelegenheiten der westeuropäischen Länder zu institutionalisieren, die

c. daß in diesem Zusammenhang die Bundesrepublik sich z. B. in die inneren Angelegenheiten Griechenlands eingemischt hat, indem sie den EG-Beitritt Griechenlands und die Gewährung eines Millionenkredits mit einem Auslieferungsbegehren gegen Pohle[10] verbunden hat, daß

d. unmittelbar den Zweck hat, die kommunistischen und radikaldemokratischen Widerstandsgruppen zu neutralisieren und zu vernichten, die sich seit dem Zerfall der legalen Vietnamopposition[11] clandestin organisiert und bewaffnet haben, um gegen die amerikanische Strategie gegenüber dem Süden, dem Osten und den Arbeitern Westeuropas, die die Innen- und Außenpolitik der Bundesrepublik direkt bestimmt, zu kämpfen.

2. Daß über Counterinsurgency Beratungen mit amerikanischen [13744] Regierungsstellen stattgefunden haben und daß in die Entscheidungsabläufe der antisubversiven Aktion

- der Stab des Oberkommandierenden der US-Armee in der Bundesrepublik,

- amerikanische Regierungspolitiker, Diplomaten und Geheimdienstbeamte,

- das NATO-Generalsekretariat in Brüssel und

- das Action Committee der NATO (AC - 46), in das seit 1971/72 die Führungsebene der Nachrichtendienste der Bundesrepublik integriert ist, und außerdem

- das PSV-Referat in der Stabsabteilung III des Führungsstabs der Streitkräfte einbezogen waren;

daß

3. amerikanische Spezialeinheiten für Counterinsurgency in der Bundesrepublik operieren, unter anderem die offiziell seit August 1975 als Marineattachés der US-Botschaft in Bad Godesberg zugeteilten Spezialisten für ‚Gegenaktionen, z.B. Entführungen‘, daß

4. über Counterinsurgency im europäischen Rat, in der europäischen Innen- und Justizministerkonferenz und den entsprechenden politischen und militärischen Gremien der NATO ein Konsens hergestellt wurde, an dessen Zustandekommen die Bundesrepublik initiativ beteiligt war;

daß

5. a. im Rahmen der Konzeption der antisubversiven Aktion auf Initiative der amerikanischen Regierung und Armee über die Bundesrepublik zuerst bilateral gegenüber westeuropäischen Staaten, dann innerhalb der militärischen und politischen europäischen Metaorganismen - der NATO und der EG - durchgesetzt wurde, Spezialeinheiten aufzustellen, die nach einer einheitlichen Doktrin und nach einheitlichen technischen und strategischen Gesichtspunkten eingesetzt werden und daß

b. in der Bundesrepublik die Antiterroreinheiten - GSG 9, MEK’s, in Baden-Württemberg die OEG’s, usw. - und die Umwandlung des Bundesgrenzschutzes in eine Bundespolizei in Zusammenarbeit mit amerikanischen Dienststellen konzipiert wurden; daß

[13745] 6. leitende und ausführende Angehörige dieser Einheiten an amerikanischen Special Warfare Schulen in den USA von der Armee und Geheimdiensten in Strategie und Taktik der antisubversiven Kriegsführung ausgebildet worden sind und daß sie dort in der Anwendung von Techniken der psychologischen Kampfführung geschult wurden, zu denen wissenschaftlich entwickelte Methoden der Manipulation von Massenkommunikation und Meinungsbildung gehören;

daß

7. im Rahmen der antisubversiven Aktion Kampagnen in den Massenmedien nach den Strategien der psychologischen Kriegsführung zentral beschlossen und gesteuert werden und daß Falschmeldungen wie

die RAF hätte geplant, in der Stuttgarter Innenstadt drei Bomben zu zünden (im Juni 72)[12]

die RAF hätte geplant, während der Fußballweltmeisterschaft Raketenangriffe auf besetzte Fußballstadien durchzuführen (im Sommer 74)[13]

c. die RAF hätte geplant, das Trinkwasser einer Großstadt zu vergiften (im Sommer 74)[14]

d. die RAF hätte Senfgas gestohlen und geplant, das Gas einzusetzen[15]

e. das Kommando Holger Meins[16] hätte das Botschaftsgebäude in Stockholm selbst gesprengt (im April 75)[17]

g. die RAF hätte einen Überfall auf einen Kinderspielplatz und die Geiselnahme von Kindern geplant (das war erst kürzlich)[18]

die RAF hätte Angriffe auf Kernkraftwerke und den Einsatz nuklearer, chemischer und bakteriologischer Waffen geplant (seit Januar 76 kontinuierlich)[19]

die RAF hätte geplant, den Bodensee mit atomarem Müll zu verseuchen (1975)[20]

und Provokationen von Nachrichtendiensten wie die Sprengstoffanschläge auf Hauptbahnhöfe (Bremen Dezember 74, Hamburg September 75, Nürnberg, Augsburg, München und Köln)[21] außerdem

Sprengstoff- bzw. Brandanschläge auf die gerichtlich bestellen Zwangsverteidiger[22] Langner in Hamburg und Peters [13746] in Düsseldorf[23]

im Zusammenhang der Fahndung und der Prozesse initiiert worden sind,

um ...

Vors.:

Ich darf kurz unterbrechen.

Herr Rechtsanwalt Müller, ich sehe Sie gerade; Sie sind Verteidiger, Sie haben selbstverständlich die Gelegenheit und ich würde es begrüßen, wenn Sie als Verteidiger da Platz nehmen, wo Verteidiger in der Hauptverhandlung sich üblicherweise niederlassen.

RA Müller: (aus dem Zuschauerraum)

Ich möchte als Zuschauer teilnehmen, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Ja, ich kann Sie nicht daran hindern, bitte.

Herr Baader, fahren Sie bitte fort.

Angekl. Baa[der]:

... im Zusammenhang der Fahndung und der Prozesse initiiert worden sind,

um - und jetzt Zitat -

„diese Gruppen völlig zu entsolidarisieren, sie von all dem zu isolieren, was es sonst an radikalen Meinungen in diesem Lande auch geben mag. Das ist eine der wichtigsten Aufgaben.“

Das ist Ehmke, als Chef des Kanzleramts Koordinator der Geheimdienste, im Bundestag am 7.6.72.

„den Sumpf auszutrocknen - und ich sage es ganz hart - aus dem die Blüten der Baader-Meinhof-Bande emporgestiegen sind.“

Das ist Kohl.

„... eine scharfe, unzweideutige, klare Trennung zwischen den Mitgliedern dieser Bande und der gesamten übrigen Bevölkerung ...“ zu ziehen.

Das ist Carstens.

„es kommt - ich spreche es aus - auf Infiltration in die Sympathisantengruppen hinein an.“

Das ist Schmidt in einer Regierungserklärung.

„Aktionen gegen die RAF müssen immer so abgewickelt werden, daß Sympathisantenpositionen abgedrängt werden.“

Herold, im Januar 72.

[13747] „die Nervenknoten des Gegners herauszuisolieren und sie dann gezielt mit Maßnahmen anzugehen, sie zu paralysieren und zu neutralisieren.“

Das ist Herold auf dem Hessenforum.

und daß

Planung und Einsatz dieser Kampagnen den im ISC-Report vom Mai 1975 für den Natobereich festgestellten Richtlinien zur „Entsolidarisierung, Isolation und Eliminierung“ der illegalen Gruppen entspricht.

8. daß innerhalb der antisubversiven Aktion die Justiz nicht nach ihrem im Grundgesetz postulierten Auftrag eingesetzt wird, nicht dritte Gewalt und unabhängig ist, sondern als ein geschlossener Instanzenzug handelt, der den Direktiven der Regierung unmittelbar unterliegt und über ein Netz von Sondergerichten und besonderen Abteilungen bei den Staatsanwaltschaften, an deren Aufbau, Personalführung und Indoktrination[a] der Generalbundesanwalt[b] und das Bundeskriminalamt unmittelbar beteiligt sind, einer umfassenden Planung im Rahmen der Counterinsurgency unterliegt,

daß

9. zu diesem Zweck

in der Justizpressekonferenz Karlsruhe ein Netz von Staatsschutzjournalisten institutionalisiert wurde, das die Funktion hat, die Rezeption der Prozesse über eine homogene Berichterstattung zu steuern und

b. versucht wurde, über die Chefredakteurskonferenz die Prozeßberichterstattung nach der Direktive des Generalbundesanwalts, „daß die Journalisten sich darauf beschränken, Mittler sein zu wollen, zwischen Polizei, Staatanwaltschaft und Bevölkerung“ zu strukturieren;

10. daß[c] die Vorverurteilung[d] der Gefangenen durch gezielte Falschmeldungen, Indiskretionen, lancierte Gerüchte und die Veröffentlichung von Prozeßakten nach Methoden der psychologischen Kriegsführung vorbereitet und gesteuert wurde, und daß zu diesem Zweck

[13748] 11. die Erhebung der Anklage 3 ½ Jahre verschleppt und das Verfahren gegen die RAF in einzelne Prozesse aufgespalten worden ist, die nach politisch propagandistischen Gesichtspunkten terminiert wurden, und daß

12. in einer koordinierten Maßnahme

a. ein Gesetz zum Ausschluß von Verteidigern, zur Beschränkung der Zahl der Verteidiger auf drei und zum Verbot der Kollektivverteidigung verabschiedet wurde,[24]

b. der Ausschluß Croissants, Groenewolds und Ströbeles[25] aus dem Stammheimer Prozeß von der Bundesanwaltschaft zum „taktisch günstigsten Zeitpunkt“ (Buback) veranlaßt und durchgesetzt wurde,

daß

c. durch eine gezielte Personalpolitik die Ehrengerichte[26] der Anwaltskammern in Hamburg und Frankfurt neu besetzt wurden, und

daß

d. Zwangsverteidiger bestellt wurden, an deren Auswahl die Anklagebehörde z. T. unmittelbar beteiligt war,

um eine effektive oder auch nur auf den Prozeß vorbereitete Verteidigung zu verhindern, daß

e. Gespräche zwischen Vertrauensverteidigern und Angeklagten und die Kanzleien, Wohnungen und Telefone der Anwälte abgehört worden sind,

um Initiativen der Verteidigung innerhalb und außerhalb des Prozesses unterlaufen zu können und daß nach den Erkenntnissen der abgehörten Gespräche

1. Zeugenaussagen beeinflußt bzw. Entlastungszeugen aus dem Prozeß ferngehalten wurden und

2. Freunde, Bekannte und Angestellte von Rechtsanwälten von Nachrichtendiensten angesprochen wurden um sie anzuwerben (Wolfgang Pfeiffer, Natascha Zerrer und Ingrid Doctors unter anderem) und daß

f. Croissant und Ströbele gezielt verhaftet wurden,[27] um eine Reihe internationaler Pressekonferenzen zu verhindern, die sie organisiert hatten, um die Öffentlichkeit [13749] der westeuropäischen Staaten über die Staatsschutzprozesse in der Bundesrepublik und die Verantwortlichkeit der Bundesanwaltschaft für den Tod von Holger Meins und Siegfried Hausner[28] zu informieren,

daß

13. infolge der Beweisnot im Stammheimer Verfahren auf Initiative des Bundeskriminalamts ein Kronzeugengesetz[29] nach den Bedingungen Müllers projektiert wurde, das erst mit der Einsicht des Generalbundesanwalts, daß im Rahmen der Staatsschutzjustiz keine Notwendigkeit für eine gesetzliche Regelung besteht, weil es einfacher schien, mit Hilfe nachrichtendienstlicher Mittel ungesetzlich Kronzeugen zu produzieren, wieder verworfen wurde,

und daß

14. auf Weisung des Generalbundesanwalts dem Hamburger Gericht die Akten über das Geständnis Müllers[30] vorenthalten und von Bundesjustizminister Vogel mit einem Sperrvermerk versehen wurde,[31] um einen Freispruch Müllers von der Anklage des Mordes,[32] den er zur Bedingung seiner Aussage in Stammheim gemacht hatte, zu ermöglichen,

daß

15. die Bundesanwaltschaft als die Schaltstelle, die die justiziell-öffentliche Verwertung nachrichtendienstlicher Aktionen mit der Regierungspolitik koordiniert, über die Abhöraktion und ihre wesentlichen Ergebnisse von Anfang an informiert war, und zwar

a. unmittelbar durch die Berichte des Bundesnachrichtendienstes und des Verfassungsschutzes,

b. durch die Informationspflicht des Bundeskriminalamts, demgegenüber wiederum[e] Informationspflicht der Landeskriminalämter besteht,

c. über die Lagebesprechung, die monatlich zwischen dem Generalbundesanwalt und den Leitern der drei westdeutschen Nachrichtendienste stattfindet und die insituiert ist,

daß

16. im Rahmen der Fahndung und der Vorbereitung öffentlicher Hauptverhandlungen

[13750] a. Gefangene zur Informationsbeschaffung Methoden der psychischen, medikamentösen und physischen Aussageerpressung unterworfen wurden und[f] daß

b. Programme der sensorischen Deprivation, der Isolation der Gruppenisolation, der Stressmanipulation mit dem Ziel eingesetzt worden sind, die Angeklagten psychisch und intellektuell zu brechen und daß

c. diese Programme durch eine vollständige Überwachung jeder Lebensäußerung und aller Kontakte der Gefangenen innerhalb ihrer Zellen, in den Anwalts- und Besuchszellen, aber auch in den Käfigen, in denen wir uns im Freien bewegen können, von Psychiatern und besonders ausgebildeten Staatsschutzbeamten ausgewertet und gesteuert wurden und daß die Konzeption, Auswertung und Weiterentwicklung dieser Programme und ein Austausch der Ergebnisse mit wissenschaftlichen Forschungsprojekten - wie z. B. den Projekten des Sonderforschungsbereichs 14 der Universität in Hamburg-Eppendorf[33] - abgestimmt wird, daß

d. z. B. die Unterbringung von Ulrike Meinhof und später von Ulrike und Gudrun im Toten Trakt in Köln-Ossendorf[34] von einem Forschungsprojekt an der Hamburger Universität begleitet wurde („das ist das Projekt 8 A: soziale Interaktion in einer modellhaften inkompatiblen Gruppensituation unter besonderer Berücksichtigung der Aggressivität“) begleitet wurde, in dem die Lebens- und Interaktionsbedingungen der beiden Gefangenen in Ossendorf exakt simuliert wurden, daß

17. die Einführung des § 231 a[ StPO],[35] der es ermöglicht, in Zukunft die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten nach einem nichtöffentlichen, sogenannten „Anhörungstermin“ durchzuführen,

und

die Sondergesetze § 138[ StPO][36] und § 146[ StPO],[37] die es ermöglichen, Verteidiger auf bloßen Verdacht der Anklagebehörde hin auszuschließen, den Zweck haben, diese Methoden des Staatsschutz nicht öffentlich werden zu lassen;

daß

18. Formulierungen wie -

ich muß da noch[g] sagen, daß im[h] Besonderen - zu der Frage der Unter- [13751] bringung - daß im Besonderen Ulrike Meinhof wegen ihrer Orientierungsfunktion[38] innerhalb der außerparlamentarischen Opposition[39] seit der Antiatombewegung und wegen ihrer Funktion innerhalb der Gruppe nach ihrer Verhaftung auf Veranlassung der Bundesanwaltschaft 8 Monate lang im akustisch isolierten Trakt psychiatrischer Folter unterworfen wurde, um sie zu brechen und zu psychiatrisieren, und daß ihr Bewußtsein, als dieses Projekt an[i] ihrem Widerstand und den Anwälten scheiterte, durch eine stereotaktische Gehirnoperation[40] zerstört werden sollte; daß

18. Formulierungen wie ...

Vors.:

Herr Baader, wir sind mindestens bei 19. jetzt oder sogar 20., nur, daß Ihre Nomenklatur nicht durcheinanderkommt.

Angekl. Baa[der]:

Bitte? Was sagen Sie?

Vors.:

Jetzt kommt mindestens 19., wenn nicht 20 ...

Angekl. Baa[der]:

Nein, nein, das gehört noch ...

Vors.:

... Wir wollen klar sein, daß wir dann das selbe meinen.

Angekl. Baa[der]:

... das gehört noch unter 16. Also 18. ...

Vors.:

Also 18. war, daß insbesondere Frau Meinhof nach ihrer Verhaftung 8 Monate lang usw., das habe ich unter 18. ...

Angekl. Baa[der]:

Das gehört, das nehmen Sie[j] als, zwischen, unter Ziffer 16.

Vors.:

Also Sie wollen zurückgehen auf Ziffer 16, gut.

Angekl. Baa[der]:

... daß

18. Formulierungen wie

„das Äußerste dagegen unternehmen“

„bis an die Grenzen des Rechtsstaats“

„mit allen Mitteln“, „diese Gruppen zu tilgen“

„härtestes Durchgreifen des Staates, der sich in einer Verteidigungsposition nicht scheuen kann, selbst zu töten“ (das ist Schmidt in der Regierungserklärung vom 13.3.75), daß diese Formulierungen die Entscheidung und den Konsens auf höchster Regierungsebene ausdrücken, innerhalb der antisubversiven Aktion Mitglieder illegaler Gruppen im In- und Ausland und Gefangene gezielt und verdeckt zu töten; und daß

19. der Tod von Ulrike Meinhof[41]

Holger Meins

Siegfried Hausner und

Ullrich Wessel[42]

eine Konsequenz dieser Entscheidung ist; daß

[13752] 20. für die Dramaturgie des Todeszeitpunkts von Ulrike Meinhof maßgebend war,

eine bevorstehende Kommandoaktion zur Befreiung der Stammheimer Gefangenen, über die die Nachrichtendienste informiert waren,

der Austausch der Stammheimer Gefangenen, um den sich die DDR bemüht hatte,[43]

der Druckerstreik, der Druckerstreik,

die unmittelbar davor von den Gefangenen im Prozeß gestellten Beweisanträge und die Zeugenladungen der ehemaligen amerikanischen Geheimdienstmitglieder Agee, Peck, Osborne, Thomas, die

- die begrenzte Souveränität der Bundesrepublik im Verhältnis zu den USA,

- die Durchdringung von Regierung, Parteien und Gewerkschaften durch amerikanische Geheimdienste und

- die Rolle der Bundesrepublik im Rahmen der amerikanischen Globalstrategie im Allgemeinen und im Besonderen während des Vietnamkriegs[44] über die Abhängigkeit ihres Regierungschefs zum Thema hatten, daß

21. die Entscheidung, neben der gesamten, über das Bundeskriminalamt und die Sonderkommissionen[k] zentral geführten Polizei, dem Bundesgrenzschutz, den Spezialeinheiten der Bundeswehr und den Medien auch die Justiz, Teile der amerikanischen Armee, alle deutschen und amerikanischen Nachrichtendienste und alle, oder „äußerste nachrichtendienstliche Mittel“ im Rahmen von international organisierter Counterinsurgency einzusetzen, die Maßnahmen der Regierung gegen die Gruppe als eine verdeckte, menschenrechtswidrige Kriegshandlung definiert, gegen die, weil in ihr die Verfassung der Bundesrepublik beseitigt ist, Widerstand legitim ist.

Der Angeklagte Baader übergibt den verlesenen Beweisantrag als Anlage 3 zu Protokoll. (mit einer Dokumentation zum Beweisantrag).

Vors.:

Will zu diesen Beweisanträgen oder zu dem vor den Beweisanträgen Erörterten sonst irgend etwas erklärt werden, zu den Beweisanträgen insbesondere natürlich die anderen Herrschaften, die Bundesanwaltschaft, dann die zurück- [13753-13830][45] [13831] gestellten Erklärungen ...

Wollen Sie sich zu Wort melden?

Der Angeklagte Baader verläßt um 10.25 Uhr den Sitzungssaal.

RA Wei[denhammer]:

Herr Vorsitzender, vielleicht darf ich anregen, zu unterbrechen. Mein Mandant wollte auch noch eine Erklärung abgeben und einen Antrag stellen.

Vors.:

Ja, es steht nichts im Wege, daß er sich vorführen läßt. Wir brauchen deswegen nicht zu unterbrechen, meine ich. Soll irgend etwas erklärt werden[l] zu diesem Beweisantrag?

OStA Z[eis]:

Ich möchte kurz Stellung nehmen, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Bitte, Herr Bundesanwalt Zeis.

OStA Z[eis]:

Die Beweisthemen sind, auch wenn man von der darin enthaltenen Polemik einmal absieht, für die Schuld- und Straffrage sämtlich ohne Bedeutung.

Hier geht es um Mord, Mordversuch, Sprengstoffverbrechen und die Gründung und Fortsetzung einer kriminellen Vereinigung. Darauf beziehen sich aber die gestellten Beweisanträge ersichtlich nicht.

Wir beantragen daher,

sie gemäß § 244 StPO zurückzuweisen.[46]

Danke.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Oberwinder.

RA Ob[erwinder]:

Ich möchte kurz erwidern auf die Ausführungen des Herrn Oberstaatsanwalts Zeis.

Es ist ja vorhin bekannt geworden und offensichtlich verfügt ja auch die Bundesanwaltschaft über den Antrag des Kollegen Dr. Temming, der auf die Einstellung des Verfahrens abzielt, mit der Begründung, daß ja nun offenkundig geworden ist, daß von der Rechtmäßigkeit dieses Verfahrens von allen äußeren Umständen her[m], nicht mehr die Rede sein kann. Und es ist also interessant zu hören, daß es hier um Schuld- und Straffrage geht, aber offensichtlich auf die Frage fairer Prozeß, rechtmäßiger Prozeß - das ist ja auch offenkundig geworden -, nicht mehr ankommt. Und wenn das jetzt von Ihnen schon so platt zugegeben wird, ist dem eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.

Vors.:

Ja, bitte. Sie wollten auch was ...

[13832] RA Wei[denhammer]:

Ich wollte erwidern.

Herr Bundesanwalt, Erkenntnisse des Gerichts sind auf engem justizförmigen Wege zu gewinnen. Und in Erinnerung an die gerade vor kurzer Zeit erfolgte Lauschaktion, hier in der Vollzugsanstalt Stammheim, wäre Ihnen doch anzuraten, sich in Bezug auf Ihre Erwiderungen auch etwas zurückzuhalten.

Vors.:

Ja, dann bitte ich also sonstige Erklärungen abzugeben, falls Sie es wünschen. Sie hatten ja von einer Zurückstellung gesprochen, wenn Sie sich erklären wollen, es steht dem nichts im Wege.

RA Schn[abel]:

Im Augenblick nicht.

Vors.:

Im Augenblick nicht.

Ja, dann werden wir ...

Herr Rechtsanwalt Schaegel, Sie wollten ...

RA Schl[aegel]:

Herr Vorsitzender, ich wollte Ihnen nur bekanntgeben, daß ich auch einen Antrag habe, den ich allerdings zurückstellen möchte, bis der Herr Raspe im Saal. Es hat für mich, für meine Entscheidung Bedeutung, was Herr Raspe möglicherweise ausführt, und was Herr Weidenhammer vielleicht dazu [n] sagen [o] wird.

Der Angeklagte Raspe erscheint um 10.28 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Herr Raspe, es ist angekündigt, Sie wollten einen Antrag stellen. Sie haben Gelegenheit, dies zu tun.

RA Ob[erwinder]:

Herr Vorsitzender[p], ich beantrage nochmal 5 Minuten Pause zu machen, weil noch verschiedene Sachen ungeklärt sind.

Vors.:

Ja, ich sehe [q] nichts Entgegenstehendes.

10.35 Uhr Fortsetzung.

Pause von 10.29 Uhr-10.36 Uhr

Ende Band 814

[13833] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 10.36 Uhr.

Der Angeklagte Raspe ist nicht mehr anwesend.

Der Angeklagte Baader ist wieder anwesend.

Vors.:

Wir setzen fort. Ich dachte an sich, Herr Raspe wollte irgendeinen Antrag stellen.

Angekl. Ba[ader]:

Ich möchte noch einen Antrag stellen.

Vors.:

Herr Baader, Sie wollen jetzt an Stelle von ...

Angekl. Ba[ader]:

Ja, ich möchte noch einen stellen. Denn ich habe gerade den Brief von Bender oder Schieß gelesen.

Dann also Bender und Schieß als Zeugen zu laden, die bestätigen werden, daß die abgehörten Gespräche zwischen uns und den Verteidigern nichts ergeben haben, was auf eine Verbindung zu den Gefangenen, also zu dem Kommando Holger Meins in Stockholm, auf eine angeblich geplante Geiselnahme auf einem Kinderspielplatz, auf einen Zusammenhang zwischen uns und den Aktionen in Den Haag,[47] Orly,[48] Drenkmann,[49] Lorenz[50] usw. schließen läßt;

daß 2. die Meldung einer angeblich in Stammheim geplanten Geiselnahme auf einem Kinderspielplatz eine gezielte Falschinformation ist, die die Öffentlichkeit täuschen soll; und daß die Baden-Württembergische Landesregierung diese selbe Konstruktion schon 1974 benutzt hat, um einer Schwester Gudrun Ensslins die Ausbildung als Kindergärtnerin im Öffentlichen Dienst zu verbieten; daß die bei Elisabeth van Dyck[51] beschlagnahmten Fotos aus Stammheim[52] dazu benutzt werden mußten, eine Verbindung zwischen uns und der Gruppe Haag[53] zu konstruieren, weil sie sich aus den abgehorten Gesprächen nicht ableiten ließ; dazu könnten Sie zum Beweis auch noch Elisabeth van Dyck laden; daß diese gesamten Behauptungen 4. tatsächlich Zwecklügen sind, die rechtfertigen sollen, daß über die Nachrichtendienste, dem Bundesnachrichtendienst und dem Verfassungsschutz, über den Bundesnachrichtendienst die Bundesanwaltschaft und über den Verfassungsschutz das [13834] Justizministerium über die Gespräche, über den Inhalt der abgehörten Gespräche das Gericht laufend informiert haben. Und dann wollte ich noch sagen: Falls die Zwangsverteidiger hier tatsächlich die Erwägung hatten, den Prozeß zu verlassen ...

Vors.:

Ich habe das gerade nicht verstanden. Würden Sie das bitte nochmal wiederholen?

Angekl. Ba[ader]:

Falls die Zwangsverteidiger hier tatsächlich die Erwägung hatten, sich von diesem Prozeß zu trennen, was man kaum glauben kann, dann kommen Sie nicht auf den Gedanken, daß damit jetzt zu legitimieren mit diesen Anträgen, daß Sie etwa hier sitzenbleiben. Wir sind der Ansicht und Sie können sicher Ihre Funktion als Verteidiger auch am besten erfüllen, wenn Sie endlich den Prozeß verlassen. - Außerdem wollte ich Ihnen noch mitteilen auf Ihre Frage, ob wir bereit sind, dem Gericht oder dem Anstaltsarzt ...

Vors.:

Ja, Herr Baader, das betrifft ja jetzt die Haftbedingungen. Das ist dann außerhalb der Hauptverhandlung ...

Angekl. Ba[ader]:

Nein, das ist aber, glaube ich, ganz wichtig. Sie haben auch nicht so häufig Gelegenheit, mit uns Kontakt aufzunehmen.

Vors.:

Ja doch, ständig. Wir verkehren doch ständig schriftlich ... Das wollen wir aus der Hauptverhandlung herauslassen, Herr Baader, sonst kommen die Haftbedingungen ...

Angekl. Ba[ader]:

Aber Sie haben doch ausdrücklich die Frage an uns gestellt ...

Vors.:

Ja, wir hatten sie gestellt, und ich bitte Sie, die auch so zu beantworten, wie das außerhalb der Hauptverhandlung geschieht. Sie haben Papier und sind des Schreibens kundig; und ich sehe dem entgegen. Also das wollen wir jetzt im Prozeß nicht vorgetragen haben.

Zu der Frage mit dem Kinderspielplatz. Da will ich zur allgemeinen Kenntnis noch folgendes referieren: In diesem schon erwähnten Einstellungsantrag von Herrn RA Dr. Temming wird auf diese Frage eingegangen. Herr Dr. Temming schreibt hier: „Richtig ist, daß z.B. der Unterzeichner und Ulrike Meinhof sich über Kinderspielplätze nach der Aktion in Stockholm unterhielten. Allerdings in dem Kontext, daß sich beide darüber empörten, daß dieses Argument der Sicherheit für die Kinderspielplätze - neben dem berühmten Milchmann oder Briefträger an der Ecke - in den Massenmedien hochgespielt wurde, um die Notwendigkeit von Sicherheitsmaßnahmen zu legitimieren. Bei diesem Ge- [13835] spräch stuften Ulrike Meinhof wie der Unterzeichner dieses Gefasel von der Unsicherheit der Kinderspielplätze als Bestandteil der psychologischen Kriegsführung gegen die RAF seitens des Staates und der ihm treu ergebenen Massenmedien ein. D.h. als typisches Manöver der Lüge und der Desinformation, weil alle wußten, daß die RAF oder andere Guerilla-gruppen niemals zu solchen Mitteln greifen würden.“ Diese Zeilen lassen vielleicht bei der Bewertung der Überlegung Raum, ob es hier zu Mißverständnissen, zur Falschinterpretation von gewissen abgehorten Äußerungen gekommen sein könnte. Dies nur zur Information der Beteiligten, die ja nicht alle über diesen Schriftsatz verfügen.

Der Angeklagte Baader verläßt um 10.42 Uhr den Sitzungssaal und übergibt gleichzeitig noch das dem Protokoll als Anlage 4 beigefügte Schriftstück.

Vors.:

Herr Raspe will anscheinend nichts sagen, denn er ist nicht da.

RA Wei[denhammer]:

Ich höre gerade, er ist auf dem Weg, er will hierherkommen. Aber offensichtlich verzögert sich das noch etwas.

Vors.:

Ja, das ist natürlich nicht so angenehm, Herr Rechtsanwalt. Also wir hatten vorhin doch etwas verzögerlich verhandelt, um Herrn Raspe die Gelegenheit zu geben. Und dann wäre es schon recht, wenn er kommen will, daß er hier ist. Denn im Grunde: Wer eben nicht hier ist, den kann man auch nicht hören, nicht.

RA Wei[denhammer]:

Das ist ja richtig. Aber sein gesundheitlicher Zustand läßt eben nicht zu, daß er, so wie Menschen, die eben gesund sind, reagieren, sondern er ist in der Reaktion auch etwas eingeschränkt durch die Haftbedingungen. Ich bitte das doch zu berücksichtigen.

Vors.:

In was ist er eingeschränkt?

RA Wei[denhammer]:

Er ist in seiner Gesundheit eingeschränkt, eben durch die Haftbedingungen.

Vors.:

Sie nannten irgendeine Reaktion oder was?

RA Wei[denhammer]:

Ja, er ist nicht mehr so reaktiv, wie ein gesunder Mensch. Das sieht man ja, wenn er hier erscheint. Und darum bitte ich ...

[13836] Vors.:

Ich versteh zwar nicht ganz, was die Reaktion mit dem Erscheinen im Sitzungssaal zu tun hat; aber mag sein. Also kommt er jetzt oder wie steht’s?

RA Wei[denhammer]:

Er bemüht sich zu kommen. Also ich bitte nochmal kurz fünf Minuten zu unterbrechen.

Vors.:

Ja, wir unterbrechen jetzt keine fünf Minuten; also so kann man nicht weitermachen. Er ist vorhin gekommen, er hätte erklären können. Sie wollten fünf Minuten Pause. Die sind längst vorüber. Das war um 10.30 Uhr. Jetzt ist es 10.44 Uhr, so geht es auch nicht. Also wenn er jetzt kommt, darf er auch etwas erklären, und wenn er nicht kommt, dann ist es halt nicht möglich.

RA Wei[denhammer]:

Ich entnehme einem Zeichen, daß er kommt. Und er kommt.

Vors.:

Das ist sehr schön.

Der Angeklagte Raspe erscheint wieder um 10.44 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Oberwinder, Sie melden sich nochmals?

RA Ob[erwinder]:

Ich hab eine Informationsfrage. Die Verteidigung hier verfügt also nicht über die Informationen[r], die genügen, zu diesem Schreiben des Justizministeriums Stellung zu nehmen. Ich hätt’ gern von dem Senat erfahren: Mir ist bekannt, daß nach [§ ]138a der StPO aus diesem Verfahren drei Verteidiger ausgeschlossen worden sind. Das sind die Kollegen Groenewold, Ströbele und Croissant. Und ich hätt’ nun gern gewußt, zu welchem Zeitpunkt die drei ausgeschlossen sind,[54] worden sind, mit dem Ziel zu erfahren, welcher der in dem Schreiben genannten Verteidiger dieses Gespräch mit Frau Meinhof geführt haben soll?

Vors.:

Ja, das ist natürlich aus den Akten unschwer zu erkennen. Ich hab es nicht im Kopf. Die Ausschlußbeschlüsse sind in den Akten.

RA Ob[erwinder]:

Ja, das Problem ist nur, daß ich natürlich hier diese Akten nicht hab, sondern ...

Vors.:

Ja, das ist bei Gerichtsakten ja häufig so, daß sich die bei Gericht befinden, Herr Rechtsanwalt. Auch aus den Akten ergibt sich natürlich auch die vorläufige Suspendierung der Rechte [13837] auf Verteidigerbesuche. Das wäre natürlich auch schon zu berücksichtigen. Also es steht Ihnen frei. Die Geschäftsstelle ist jederzeit bereit, Ihnen da Aufschluß zu geben.

RA Wei[denhammer]:

Darf ich noch etwas fragen, Herr Vorsitzender? Ich habe[s] bei der Bundesanwaltschaft u.a. gegen die Herren Schieß und Bender Strafanzeige erstattet wegen Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung und wollte fragen, ob bis heute bekanntgeworden ist, daß einer der genannten Herren inzwischen in Untersuchungshaft genommen worden ist, weil nach Ansicht der Verteidigung hier dringend Verdunkelungsgefahr[55] besteht. Ist Ihnen da etwas bekanntgeworden?

Vors.:

Ja, ich würde doch da die zuständige Staatsanwaltschaft und den zuständigen Haftrichter befragen. Die wissen da sicher mehr drüber. Wir beschäftigen uns mit solchen Dingen nicht. Herr Rechtsanwalt, ich weiß nichts von dergleichen. Es wäre möglicherweise auch im Nachrichtendienst erörtert worden, wenn so etwas geschehen wär.

Ja, jetzt, Herr Raspe, Sie wollten irgendwas erklären oder Antrag stellen.

Angekl. R[aspe]:

Ja, ich hab da noch ein paar Anträge zu stellen.

Vors.:

Bitte sehr.

Angekl. R[aspe]:

Die schließen an an das, was also Andreas eben bereits gesagt hat. Und ich will nur noch kurz vorweg sagen, zu diesen Anträgen, daß sie alle sagen, daß dieses Verfahren natürlich[t] eingestellt werden muß. Die Fakten, die sie begründen, bedeuten, daß die Mittel einer Verteidigung restlos zerstört sind. Man kann es also auch anders sagen, wie wir das auch hier[u] genug gesagt haben, daß die Fakten, die sie begründen, dieses Verfahren zum Teil einer militärischen Auseinandersetzung definieren.

Vors.:

Ja, Herr Raspe ...

Angekl. R[aspe]:

Das vorweg ...

Vors.:

... Wenn Sie natürlich jetzt auf die Einstellung des Verfahrens antragen wollen, dann wirkt sich das aus, was ich anfänglich sagte. Das ist möglicherweise nach der Strafprozeßordnung Gegenstand eines Plädoyers, weil durch Urteil darüber entschieden werden müßte. Und in diesem Stadium sind wir noch nicht. Das wäre also möglicherweise ...

Angekl. R[aspe]:

Ne, ne, Sie haben mich da vielleicht mißverstanden. Ich [13838] hab gesagt, diese Anträge sagen das. Das ist der Inhalt quasi ...

Vors.:

Naja, das hab ich wohl auch ... verstanden, Herr Raspe.

Angekl. R[aspe]:

... darum geht das. Das ist nicht ein Antrag. Das bezieht sich darauf, daß es sinnlos ist, in diesem Verfahren zu verteidigen. Das wollte ich damit sagen. Aber ...

Vors.:

Das ist nun[v] ein merkwürdiger Antrag: Es ist sinnlos, im Verfahren zu verteidigen. Das sehe ich im Augenblick nicht. [w] Ein Antrag muß ja irgendeine gerichtliche Reaktion herbeiführen wollen, Zeugen zu laden oder was weiß ich. Jetzt der Antrag, die Verteidigung ist sinnlos, das ist schwer zu bescheiden. Vielleicht kann es Ihr Herr Verteidiger erklären, wie es mit Einstellungsanträgen ...

RA Wei[denhammer]:

Mein Mandant möchte doch lediglich einen Sinnzusammenhang herstellen zwischen dem, was er jetzt erläutert und dem, was kommt. Mehr will er ja gar nicht.

Vors.:

Ja also dann, schießen Sie mal los. Wir werden ja sehen, was kommt.

Angekl. R[aspe]:

Also wir beantragen, Maihofer zu laden zur Klärung der Frage, aus welcher Quelle der Bundesinnenminister schöpft, wenn er in seiner Erklärung vor dem Bundestag am 16.3.77 zum Fall „Traube“[56] behauptet, Andreas hätte „... noch im Juli 76 in einem Gespräch gesagt: Jetzt muß die Sache endlich steigen. Dies muß vor den Wahlen sein, sonst würden sich die Standpunkte verhärten. Jetzt ist noch die Möglichkeit offen, jetzt sind die Parteien noch zu Zugeständnissen bereit, schon aus Rücksicht gegenüber den Wählern.“ Das ist ein Zitat aus dem Plenarprotokoll des Bundestags, Bundestagsdrucksache Seite 958.

Vors.:

16.3.77 sagten Sie?

Angekl. R[aspe]:

Ja, beziehungsweise ihn zu laden zur Klärung der Frage, ob im Juli 76 die Zellen der Gefangenen und/[x]oder die Anwalts- und Besuchszellen abgehört wurden und von wem? Nachdem es, unterstellt man mal, Schieß und Bender, das, was Sie sagen, sei wahr, zu diesem Zeitpunkt weder der Verfassungsschutz noch der BND gewesen sein können; beziehungsweise Maihofer zu laden zur Klärung der Frage, ob die Behauptung falsch ist und der Bundesinnenminister Öffentlichkeit und Parlament angelogen hat, und damit in ein schwebendes Ver- [13839] fahren eingegriffen hat, um die grundgesetzwidrige Abhörpraxis und damit den Verfassungsbruch zu rechtfertigen, bzw. um zu verhindern, daß „der ganze Stammheimer Prozeß gegenstandslos und nachträglich zur Farce wird“ - und das ist aus derselben Erklärung von Maihofer, - d.h., die Verurteilung der in Stammheim angeklagten Gefangenen aus der RAF zu betreiben. Zu diesen Fragen also Maihofer zu laden.

Wir beantragen weiter, Kanzleramtschef Schüler, in seiner Funktion als den Koordinator der Westdeutschen Geheimdienste, und den BND-Präsidenten Wessel zu laden zum Beweis, daß sowohl Wessel wie Schüler darüber informiert waren und gebilligt haben, daß die Abhöranlagen im 7. Stock in Stammheim[57] - seit Anfang Mai 75 laut Bölling auf der Pressekonferenz vom 18.3.77, seit 10. Mai nach einer Chronologie, die im „Vorwärts“ erschienen ist - „daß also die Abhöranlagen im 7. Stock in Stammheim seit diesem Datum kontinuierlich vom Bundesnachrichtendienst gewartet wurden bis in jüngere Zeit“ das ist auch ein Zitat[y] aus diesen Erklärungen bzw. „im Vorwärts“, d.h., daß sie ständig benutzt wurden. Weiter, daß der BND kontinuierlich und unkontrolliert im 7. Stock in Stammheim arbeiten konnte, also auch zum Zeitpunkt des Todes von Ulrike, was u.a. dadurch bewiesen ist, daß Maihofer in der Regierungserklärung vom 16.3.77 dieses angeblich wörtliche Zitat von Andreas bringt, was ich eben gerade vorgelesen habe, und das eben ja aus dieser Zeit stammt, und was nur aus abgehörten Gesprächen stammen kann.

Weiter zum Beweis dafür zu laden Schüler und Wessel, daß Behauptungen Schülers, er habe geglaubt, daß die Abhöranlagen nur dem Zweck, freigesetzte Terroristen - wie er sich also ausgedrückt hat - zu belauschen, haben sollten und daß er das eineinhalb Jahre lang geglaubt hat; und daß es sich da um[z] eine absolut unglaubhafte und in sich widersinnige Konstruktion handelt, um den tatsächlichen Zweck dieser Aktion zu verschleiern,

nämlich 1), operativen Einheiten des Bundesnachrichtendienstes unkontrollierten und kontinuierlichen Zugang zum 7. Stock in Stammheim zu verschaffen;

und 2) auf illegalem Weg Informationsmaterial für die Staatsschutzorgane - also Bundesanwaltschaft, Bundeskriminalamt, Ge- [13840] heimdienste und die Regierung - zu beschaffen, um es gegen die Gefangenen und die Verteidiger einzusetzen. Was damit bewiesen ist, daß der Bundesnachrichtendienst genau zum Zeitpunkt des Beginns des Prozesses hier mit seiner Arbeit anfing, und daß - als auch das nicht klappte, weil es da nichts zu erfahren gab - in einer koordinierten Planung aller Staatsschutzstellen die seit[aa] 72 laufende psychologische[bb] Kriegsführung forciert in[cc] konstruierten Counter-Meldungen fortgeführt wurde und wird, um die Öffentlichkeit gegen die RAF zu mobilisieren und für ihre Vernichtung zu konditionieren. Schließlich sind sie zu laden zum Beweis dafür, daß die Behauptung, die Entscheidungsabläufe seien „auf mittlerer Ebene gelaufen“ eine Zwecklüge ist, um die Planung und Koordination auf höchster Ebene - nämlich der Präsidenten des Verfassungsschutz, des BND und des Chefs des[dd] Bundeskanzleramts Schüler, und gleichzeitig Koordinator aller Geheimdienste der Ministerpräsidentenebene - und den tatsächlichen Zweck der Operation zu verschleiern; wobei dazu noch zu sagen ist, daß das nur diejenigen und diejenigen Instanzen sind, über die also überhaupt öffentlich gesprochen wird, was nichts über das tatsächliche Wissen von Maihofer und Schmidt aussagt.

Wir beantragen weiter, den früheren Vorsitzenden Richter dieses Senats hier, Prinzing,[58] zu laden zum Beweis dafür, daß er über die Abhörmaßnahmen informiert war - entgegen seinen öffentlichen Behauptungen - und daß er Kenntnis über den Inhalt der abgehörten Gespräche hatte, was u.a. darin bereits bewiesen ist, daß 1. der Ausschluß der Gefangenen nach § 231a[ StPO], also diesem speziell für diesen Prozeß erlassenen Sondergesetz[59] auf verfälschte und falsch zugeordnete Zitate aus Gesprächen der Gefangenen untereinander gestützt wurde. Zum Beispiel das Zitat, was eine Fälschung darstellt, daß also einer von uns gesagt haben soll, wir müßten krank wirken und geschwächt aussehen usw.

2. Ist es dadurch bewiesen bereits, daß die dienstliche Erklärung Prinzings vom 20. Januar 77, über die er dann abtrat, und zwar die Erklärung zu dem Gespräch mit Künzel,[60] daß er in dieser Erklärung wörtlich Andreas zitiert, der also hinsichtlich der Unterrichtung Mayers vom Revisionssenat des BGH, dem 3. [13841] Strafsenats, durch Prinzing gesagt haben soll: Was das wieder für eine Kiste sei; wörtlich.

3. sagt Künzel in der Stellungnahme zu seinem Gespräch mit Prinzing, in[ee] seinem Telefonat mit Prinzing: Prinzing habe ihm gesagt, was er konkret wisse, ich zitier das hier[ff] mal, was Künzel sagt: „... daß er konkret wisse, daß Frau Ensslin die Ablehnungsanträge egal seien.“ Was also auch ein ziemlich deutlicher Hinweis darauf ist - nachdem er es zunächst in einer schwächeren Form ihm gegenüber geäußert hat, - daß er sich also auf konkrete Angaben bezieht, die er erhalten hat, und über die er dann hier aussagen sollte, über Weg, Methode usw., wie er dazu gekommen ist, wer ihn da informiert hat, und was er da noch so weiß.

Wir beantragen dann weiter, da drüben vom Gefängnis Nusser zu laden, außerdem Schreitmüller und Bubeck, die als Zeugen bestätigen werden,

1. daß Gespräche zwischen den Gefangenen aus der RAF und ihren Anwälten seit Mai 75 abgehört werden;

2. daß zu diesem Zweck eine Abhöranlage in den Besuchszellen im 7. Stock der Anstalt installiert, bzw. bestehende Einrichtungen zum Abhören umgebaut wurden;

3. daß der Ein- bzw. Umbau der Anlage von anstaltsfremden Personen vorgenommen wurde, die sich als vom Justizministerium beauftragt oder als Mitglieder des Bundesnachrichtendienstes, des Staatsschutzes, der politischen Polizei, des Innenministeriums oder des Verfassungsschutz auswiesen; daß

4. die Anlage regelmäßig seit ihrem Einbau bis heute von anstaltsfremden Personen gewartet wurde und wird, die sich gegen über der Anstalt, wie eben bereits aufgezählt, ausgewiesen haben, um diese Tätigkeit ausführen zu können;

5. daß eine informelle dienstinterne Anweisung existiert, die nur den Zeugen und gegebenenfalls zusätzlich ausgewähltem Kontrollpersonal der Anstalt bekannt ist, die den sich unter dem vorletzten Punkt Nr. 3 genannten Modus ausweisenden Personen ungehindert und jederzeit freien Zugang zur Abhöranlage im 7. Stock verschafft, daß

6. die in der Öffentlichkeit durch die Landesregierung von Baden-Württemberg und die Bundesregierung verbreiteten Angaben [13842] über den Zeitraum, in dem abgehört wurde, falsch sind, vielmehr zutrifft, daß die Gespräche zwischen Gefangenen und Anwälte seit dem Einbau der Anlage durchgehend abgehört werden;

daß 7. die anstaltsinterne Anweisung, die Besuche der Gefangenen Mohnhaupt[61] und Schubert[62], die formal in Strafhaft sind, im 7. Stock durchzuführen, auf Veranlassung des Justizministeriums getroffen wurde und den Zweck hatte, diese Gespräche ebenfalls zu überwachen;

und daß 8. der zuständige Richter Prinzing ihres Wissens detailliert von der Tatsache, daß die Gespräche der Gefangenen mit ihren Verteidigern abgehört wurden und über ihren Inhalt informiert war, bzw. daß sie selbst den Richter formell und informell unterrichtet haben.

Wir beantragen weiter vom Gericht,

1. jede Abhörmaßnahme gegenüber den Gefangenen untereinander beim Umschluß, während der Bewegung im Freien, wie das so heißt, auf dem Dach des 7. Stocks, in den Zellen und in den Kellerzellen des Mehrzweckgebäudes jede Abhörmaßnahme gegenüber den Gefangenen also[gg] zu untersagen,

und 2. festzustellen, und den Gefangenen und ihren Anwälten umgehend mitzuteilen,

a) in welchem Umfang

b) in welchem Zeitraum

c) zu welchem Zweck

d) von welchen staatlichen Institutionen bzw. Dienststellen

e) mit welchen Einrichtungen bzw. technischen Gerät, die Gespräche der Gefangenen untereinander abgehört wurden, und

f) welchen Personenkreis bzw. welchen Institutionen die abgehörten Gespräche - oder Teile dieser Gespräche bzw. Zusammenfassungen ihres Inhalts - zugänglich gemacht wurden,

und 3. mitzuteilen, auf welchem Weg und durch welche Person, [hh] in welcher Funktion der Senat den Inhalt der Gespräche der Gefangenen untereinander erfuhr, wobei zu erwähnen ist dazu, daß die Tatsache, daß er von dieser Tatsache erfahren hat, feststeht, z.B. durch die Bemerkung von Zeis neulich, der also hier in einer Erwiderung auf einen Antrag Oberwinders erklärt hat: Das sei ja also ein Antrag, der also [13843] sozusagen nur propagandistischen Zweck hätte und nur propagandistische Funktionen erfüllen würde,[63] und der von den Gefangenen stamme, wozu ja Herr Zeis irgendwo her, wenn er so eine Behauptung aufstellt z.B. die Information haben muß, daß es so ist. Es sei denn, er wollte sich also[ii] aus hier auf diese Weise öffentlich dadurch auszeichnen, daß er lügt. Daß der Senat von diesen Tatsachen erfahren [jj] hat, steht weiterhin dadurch fest. Aber[kk] [ll] ich will das jetzt nicht alles nochmal wiederholen, durch die Punkte, die ich vorhin bereits aufgezählt habe, daß er also verwendet hat, angebliche Zitate, bzw. Verfälschungen von Äußerungen von uns aus unserer Diskussion, um die Gefangenen auszuschließen beispielsweise, und ebenfalls nochmal kann ich darauf hinweisen, auf die beiden dienstlichen Erklärungen Prinzings und dem Schrieb von Künzel. Ich kann dazu noch sagen, daß ich sicher bin und wir sicher sind, daß, wenn wir uns die Mühe machen, beispielsweise jetzt mal diese Protokolle genau durchzugehen, daß wir da also einen ganzen Berg von Punkten finden werden, aus denen es eindeutig hervorgeht. Ich kann z.B. noch einmal kurz hinweisen auf einen Punkt, das war - glaube im - ... Eine Sekunde mal ...

Der Vorsitzende weist eine Zuschauerin in einem blauen Parka und mit kurzen schwarzen Haaren darauf hin, sich entweder aufrecht hinzusetzen und nicht zu schlafen oder den Sitzungssaal zu verlassen. Daraufhin setzt sich die Zuschauerin aufrecht hin und bleibt im Sitzungssaal.

Angekl. R[aspe]:

Also ich will dazu nur kurz sagen: Es gibt, es gab hier unten etwa Seite 1100 oder 1200 des Protokolls, also am Anfang des Prozesses wurde [mm] bereits darüber[nn] mal gesprochen. Wir haben damals auch bereits gesagt, daß wir die Tatsache, daß die Gespräche der Gefangenen untereinander und der Gefangenen mit ihren Anwälten abgehört werden, eines Tages auch beweisen werden. Das ist damals von Wunder in seiner heuchlerischen Manier mit großer Empörung und Geste von sich gewiesen worden. Allerdings hat er dabei eben[oo] deutlich gemacht, daß er darüber informiert war, daß schon damals - und mit ihm natürlich auch die ganze Behörde der Bundes- [13844] anwaltschaft - daß schon damals abgehört worden ist, indem er nämlich gesagt hat - ich kann das jetzt leider im Moment, weil ich es nicht hier habe, nicht wörtlich zitieren aus dem Protokoll, aber ich kann das nachher noch hier [pp] dazuhängen und reingeben -, indem also auf die Frage von Andreas, daß er etwa mit seinem Dementi behaupten wolle, daß er davon nichts gewußt habe, erwidert hat, daß dann ja die ganze Abhörsache sinnlos wäre. Das heißt, indirekt hat er damit gesagt: Die Gespräche der Gefangenen untereinander und der Gefangenen mit ihren Verteidigern abzuhören hat nur den einen Sinn und nur den einen Zweck - jedenfalls auf der Ebene, auf der er agiert - die Bundesanwaltschaft mit Informationen zu versorgen, die Sie dann in dem Prozeß verwenden kann.

Vors.:

Also ich kann mich an eine derartige Äußerung nicht entsinnen.

Angekl. R[aspe]:

Ich sagte nur, ich hab das nur ergänzt, es gibt natürlich massenhaft, in den 13 000 Seiten Protokoll gibt es massenhaft davon ...

Vors.:

Sie müssen es schon belegen. Einfach solche Äußerungen in den Saal zu reden, das empfiehlt sich nicht. Sie sollten das natürlich schon belegen, solche Dinge. Herr Raspe, Sie haben sich ja wohl vorbereitet auf diese Antragsstellung[qq].

Angekl. R[aspe]:

Ich sagte. Sie können ja vielleicht mal 5 Minuten Pause machen; dann hole ich das hoch. Ich habe nämlich auch noch einen Antrag, zu dem mir auch noch ein Detail fehlt, das ich nicht vorenthalten möchte hier dem Gericht. Also machen Sie bitte[rr] mal fünf Minuten Pause.

Vors.:

Nein, wir machen jetzt keine Pause. Sie haben ja Pause genug gehabt und konnten sich vorbereiten. Also ich stelle eben fest ...

Angekl. R[aspe]:

Also Sie wollen keine Pause machen?

Vors.:

Nein, das will ich jetzt nicht. Also es wird dann[ss] schon mal eine Pause gemacht, natürlich. Aber jetzt nicht. Ja, sind Sie am Ende mit[tt] Ihrem Antrag, Herr Raspe?

Angekl. R[aspe]:

Ja, ich sagte, ich hab noch einen. Ich[uu] bräuchte dazu aber noch einmal 5 Minuten Pause.

[13845] Vors.:

Ja was, Sie haben nochmal einen Antrag?

Angekl. R[aspe]:

Ich habe noch einen Antrag, ja. Und ich brauch dazu nur noch fünf Minuten Pause.

Vors.:

Und was wollen Sie in den fünf Minuten treiben. Ich meine, wozu brauchen Sie es denn?

RA Wei[denhammer]:

Herr Vorsitzender, ich bitte doch dem Gefangenen die fünf Minuten zu gewähren. Die Verhältnisse sind hier nicht so, daß man von einem ruhigen und konzentrierten Arbeiten sprechen könnte. Und es wäre doch schon angebracht, ihm zur Vorbereitung des nächsten Antrags und zur Vervollständigung die fünf Minuten zu gönnen.

Vors.:

Ja, an mir soll es nicht liegen. Also Fortsetzung 11.20 Uhr.

Pause von 11.12 Uhr bis 11.21 Uhr

[13846] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 11.21 Uhr

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort.

Herr Raspe, Sie wollten noch einen Antrag stellen.

Angekl. Ra[spe]:

Ja, ich will das jetzt nur[vv] kurz ergänzen, diese Protokollstelle; es ist also auf den Seiten 1276/277, und ich kann das mal[ww] kurz zitieren.

Vors.:

Könnten Sie es nochmal sagen, ich habe es nicht verstanden.

Angekl. Ra[spe]:

1276 und 1277 da[xx] erklärt also Wunder, ich zitiere das kurz, es ist ein ganz knappes Stück: „Herr Vorsitzender, ich kann für die Bundesanwaltschaft erklären, daß aber auch nicht ein Wort wahr ist von der Behauptung des Herrn Baader.“ Daraufhin sagt Andreas: „Daß Sie abhören, daß Sie Anwaltszellen abhören.“ Wunder: „Ja, genau das.“ Daraufhin sagt Prinzing: „Das ist wohl verständlich“, und bezieht sich darauf, daß Wunder also da interveniert hatte, Andreas unterbrochen hatte und sagt zu ihm: „...jetzt dürfen Sie fortfahren.“ Und Andreas fragt: „Und Sie können sich also auch nicht vorstellen, Herr Wunder, daß Sie davon nichts wissen, obwohl uns das sehr unwahrscheinlich vorkommt.“ Und daraufhin sagt Wunder: „Herr Baader, dann hätte es doch gar keinen Sinn, Sie abzuhören.“

Ich weiß nicht, wie Wunder das anders interpretieren will; aber da kann er sich selber Gedanken darüber machen.

Ich will jetzt den nächsten Antrag bringen, nämlich den, den letzten, den wir hier stellen werden, den Antrag,

Zeis, um es gleich, ja, den Bundesanwalt Zeis, den BKA-Präsidenten Herold, Margrit Schiller[64] und die Rechtsanwältin Gebauer, zu laden

zum Beweis dafür, daß Erkenntnisse aus Gesprächen der Gefangenen untereinander und der Gefangenen mit ihren Anwälten, über die Konzeption von Zeugenbefragungen, über die Beurteilung von Prozeßakten, von Anträgen der Bundesanwaltschaft beispielsweise und über Maßnahmen, und über die Maßnahmen der Bundesanwaltschaft innerhalb und außerhalb des Prozesses, daß also Erkenntnisse darüber benutzt wurden,

[13847] 1. den Zeugen auf ihre Befragung durch die Anwälte bzw. die Gefangenen vorzubereiten und

2. um bei den Aussagen, die unmittelbar zum Prozeß gefertigt worden sind, wie z. B. die Aussage Hoffs[65] und die Aussage Müllers[66] Widersprüche auszubügeln, und die Aussagen bzw. die Antworten zu konditionieren.

Dazu kurz eine Begründung und um den Zusammenhang herzustellen:

Es ist bekannt geworden, daß, nach dem also bekannt geworden war, daß Müller in Stammheim aussagen wollte, teilte Margrit Schiller ihrer Anwältin Gebauer mündlich mit, daß sie Zeuge war, als Müller den Polizeibeamten Schmid in Hamburg erschossen hat, und daß sie als Zeuge in Stammheim aussagen wolle. Nachdem die Rechtsanwältin Gebauer dies mündlich mit den Anwälten in Stammheim erörtert hatte, und diese mit[yy] den Gefangenen in den Besuchszellen darüber gesprochen hatten, bekam Margrit Schiller einen Drohbrief von Müller. Und im Hamburger Gefängnis wurde mit ihm eine Begegnung arrangiert, deren Zweck also war, diesen Drohbrief noch[zz] zu untermauern. Und am gleichen Tag ließ also der Staatsschutz im Büro ihres Zwangsverteidigers Langner eine Bombe explodieren,[67] um Margrit Schiller einzuschüchtern, und ihre Aussage in Stammheim zu verhindern. Das war auch der Inhalt dieses Briefes. Wesentlich ist dabei, daß sich das alles abspielte, bevor es in irgendeiner Weise[aaa] öffentlich bekannt war, daß es darüber nicht, also in keiner anderen Weise gesprochen worden als, wie ich das eben gerade dargestellt habe, nämlich in den Besuchszellen in Hamburg bzw. in Stammheim.

Dazu ist noch vielleicht wichtig, daß im Hamburger Prozeß gegen Müller die Akte, die seinen Schußwechsel, die den Schußwechsel, das Geständnis dieses Schußwechsels enthält bzw. enthielt, durch eine Intervention auf Regierungsebene also Vogel bzw. Vogel hat das, hat den Sperrvermerk anbringen lassen, und die Intervention lief über Buback, daß dieser Teil der Akte also in Hamburg nicht ins Verfahren reinkam, nicht öffentlich wurde, und daß das die Voraussetzung dafür war, daß Müller im Prozeß in Hamburg von [13848] der Mordanklage freigesprochen werden konnte. Und dieser Freispruch wiederum war seine Bedingung dafür, daß er sich also als Kronzeuge für das Stammheimer Verfahren der Bundesanwaltschaft, dem Staatsschutz usw. zur Verfügung stellen würde.

Weiter zu diesem Antrag. Es wäre natürlich absurd anzunehmen - ich will das jedenfalls noch ergänzen -, die Bundesanwaltschaft habe vom Abhören nichts gewußt, nach dem für jeden klar ist, daß die gesamte Dramaturgie der Fahndung, der Haftbedingungen, der Liquidierung von Gefangenen und der Prozesse in den Händen der Bundesanwaltschaft liegt. Sie war es, die Prozeßakten und echte und gefälschte Briefe der Gefangenen veröffentlicht hat bzw. diese Veröffentlichung veranlaßt hat, und sie war es, die nach dem Mord an Ulrike durch die Behauptung ...

Vors.:

Herr Raspe, es ist natürlich so, die Unschuldsvermutung, die gilt auch[bbb] die Bundesanwaltschaft; also wenn Sie von Mord und dergleichen reden, dann müßten Sie sich vielleicht darüber im Klaren sein, [ccc] Unschuldsvermutungen[ddd] gelten für alle Bürger.

Angekl. Ra[spe]:

Tja, die Unschuldsvermutung für eine Behörde dieser Art ... Ich hab’ das im übrigen im Augenblick nicht personell konkretisiert ...

Vors.:

Sie sprachen von Mord ...

Angekl. Ra[spe]:

... sein sollte.

Vors.:

... und hinter einem Mord steht eigentlich häufig ein Mörder, nicht, wen Sie auch immer meinen damit, denn sonst ist es ein Todesfall.

Angekl. Ra[spe]:

Wir sind sicher, daß es so ist; aber wenn Sie also besonderen Wert drauf legen, dann[eee] kann ich das in diesem Zusammenhang auch so formulieren, daß es die Bundesanwaltschaft war, die nach ihrem Tod durch die Behauptung intimer Kenntnisse der Kommunikation unter den Gefangenen das Gerücht von Meinungsverschiedenheiten und Spannungen unter den Gefangenen lanciert hat, öffentlich verbreitet hat, über ihre, über ihr Berichterstatternetz. Und daß sie es eben schließlich auch war, die im Zusammenhang des Ausschlusses nach [§ ]231a[ StPO] in der Zeitung „Quick“ einen Bericht lanciert hat, der also die detailliertesten Kenntnisse der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Gefangenen im [13849] 7. Stock nachwies. Und es wird natürlich auch vollkommen klar, wenn man sich an den Tatbestand erinnert, daß jedenfalls Zeis in Personalunionen mit seiner Tätigkeit hier auch die Ermittlungen gegen Haag führt[fff], und daß es zu einer Zeit, als Haag noch der Pflichtverteidiger von Andreas war, beispielsweise gleichzeitig die Durchsuchungen in der Kanzlei in Heidelberg geleitet hat, und dort sich das entsprechende Material verschafft hat, und eben auch die Durchsuchungen in den Zellen der Gefangenen hier geleitet hat, und sich auf diese Weise hier das Material zu verschaffen, das er für die Prozeßvorbereitung der Bundesanwaltschaft offensichtlich brauchte. Jedenfalls ist es eindeutig, daß die Bundesanwaltschaft, das, was man also Herr des Verfahrens nennt, und die Dramaturgie dieses Schauprozesses auf allen Ebenen ihre Sache ist. Und sie hat die Kampagne zur Eliminierung der Verteidigung in Staatschutzprozessen geführt in der Beschränkung, in den Sondergesetzen z. B dem Gesetz, das die Zahl der Verteidiger auf drei beschränkt, daß die Überwachung des schriftlichen Kontakts mit Anwälten initiiert, und sie hat schließlich natürlich auch den Ausschluß von - ich weiß nicht genau - ich glaub 23 Anwälten[68] bzw. ihre Nichtzulassung in diesem Verfahren durchgesetzt, und damit eben natürlich auch jede Verteidigung blockiert schließlich. Sie hat die verschiedenen Staatsanwaltschaften mit Material versorgt, nach denen Anklagen vor den Ehrengerichten zusammengesetzt wurden, und sie hat - das waren Holland und Zeis - die Kanzleien durchsuchen lassen. Sie hat beantragt und durchgesetzt, daß die Telefone sämtlicher Verteidiger, die hier aufgetreten sind, abgehört werden. Und sie hat schließlich, also als Beispiel nur, daß es schließlich auch[ggg] die Bundesanwaltschaft war, die also gegen eine Gerichtsbestimmung oder eine gerichtliche Bestimmung in Hamburg die Zulassung der Überwachung des Telefons[hhh] Groenewolds auf[iii] einen ganz bestimmten Teil beschränkte. Die Bundesanwaltschaft hat diese Vorschrift gebrochen und hat also gleich 20 000 Telefonate abgehört und aufzeichnen lassen. Und sie hat die Durchsuchung der Kanzlei Groenewolds in genau dem Moment durchgesetzt, als die Anwälte eine Pressekonferenz zum Tod Siegfried Hausners [13850] organisiert hatten. Und das war der gleiche Zeitpunkt, in dem sie also auch noch gezielt Ströbele und Croissant verhaften ließ.

Soviel zu diesem Antrag.

Vors.:

Ja, danke. Ich will ...

Bitte?

Angekl. Ra[spe]:

Moment noch, Sie[jjj] müssen einen kleinen Moment Pause machen, weil Gudrun jetzt hochkommt und ...

Vors.:

Ja, ich muß überhaupt nichts; aber wenn ich höre, daß Frau Ensslin noch einen Antrag stellen will, dann überlege ich mir, ob ich eine Pause mache.

Aber zunächst will ich noch bekanntgeben, ehe es vergessen wird: Herr Baader hat dem Gericht ein Schriftstück überreichen lassen, da heißt es: „zu Schiess, Bender, Foth, Meyer, Berroth, Breucker und Völsch“. Und dann sind das zwei Seiten aus einem Buch herausgerissen. Überschrift „Die sieben Schwaben“. Und was dann folgt ist, der Verfasser ist nicht angegeben, aber ich meine, es sei die Fabel von Johann Peter Hebel, die da wiedergegeben wird. Der Senat beabsichtigt nicht, das Schriftstück zu verlesen; aber zu den Akten nehmen[kkk] [lll]; ich will das nur bekanntgeben. Herr Rechtsanwalt Oberwinder, Sie verteidigen doch Frau Ensslin, glaube ich doch.

RA Wei[denhammer]:

Ich habe also keine Kenntnis von dem Schriftstück. Würden Sie den anderen, mir und andern Verfahrensbeteiligten vielleicht das Schriftstück vorlesen? Darf ich anregen, das zur Kenntnis zu bringen?

Vors.:

Ja, ich denke nicht daran.

RA Wei[denhammer]:

Ja, nehmen Sie es zu den Akten oder ...?

Vors.:

Ich nehme es zu den Akten, wie jede Zuschrift, die wir erhalten. Und wenn etwas in der Hauptverhandlung überreicht wird, dann nehme ich es zu den Akten.

RA Wei[denhammer]:

Ja, nun haben Sie es ja ...

Vors.:

Aber Sie dürfen es gerne lesen.

RA Wei[denhammer]:

Nun haben Sie es ja eingeführt in die Verhandlung, in dem Sie es zur Kenntnis gebracht habend, es gäbe ein solches Schreiben. Mich interessiert, was da drinsteht.

Vors.:

Ja, dann lesen Sie es nach.

RA Wei[denhammer]:

Sie beabsichtigen ...

Vors.:

Es kommt zu den Akten, und Sie haben die Akteneinsicht, [13851] nach § 148[ StPO][69] ...

RA Wei[denhammer]:

Also Sie beabsichtigen nicht, es auch nur zu bloßen Informationszwecken zur Kenntnis zu bringen?

Vors.:

Ach, an sich ist unsere Zeit auch bemessen. Und ich meine, ich kann es wirklich nicht tun, Herr Rechtsanwalt; aber Sie dürfen es gerne lesen. Sie können es ja dann verwerten, wenn Sie es für sinnvoll halten.

Das übergebene Schriftstück wird als Anlage 4 zu Protokoll genommen

Der Angeklagte Raspe verläßt um 11.34 Uhr den Sitzungssaal.

Vors.:

Ja, ich weiß jetzt nicht. Ich höre also, Frau Ensslin will auch noch einen Antrag stellen. Nun ja, sie hat wahrscheinlich abgewartet, bis Herr Raspe mit seinem Antrag fertig ist.

Bitte, Herr Dr. Wunder.

BA Dr. Wu[nder]:

Herr Vorsitzender, zu dem Antrag von Herrn Raspe mochte die Bundesanwaltschaft eine detaillierte Stellungnahme im Augenblick noch nicht abgeben, sich aber vorbehalten, schon weil der Antragsteller akustisch nur sehr schwer verstehbar war.

Eines: Den mir eben unterschobenen Sinn einer Erklärung hier im Saal, weise ich aber gleich jetzt mit aller Entschiedenheit zurück. Es handelt sich hier um böswillige Wortverdrehungen, offenbar im Zusammenhang mit den hiesigen Mikrophonen im Sitzungssaal. Dazu, zu den damaligen Schaltmöglichkeiten, hatte ich mich einmal geäußert. Aber so sauber, so sauber, wie unser Nichtwissen um diese Abhördinge ist, um die es jetzt geht, so sauber kann etwas anderes überhaupt nicht sein.

Das können Sie bitte Herrn Raspe ausrichten.

Gelächter im Sitzungssaal.

RA Wei[denhammer]:

Ich weise diese, diese Anschuldigung zurück, Herr Vorsitzender, und bitte das zu beanstanden.

Vors.:

Ich bitte im Saale Ruhe zu bewahren. Wir sind[mmm] hier nicht irgendwo, wo Beifall oder Abscheu kundgetan wird; das Publikum heißt nicht umsonst „Zuhörer“ und nicht „Zurufer“. Ich habe es jetzt nicht mitgekriegt, Herr Rechtsanwalt, wenn Sie es nochmal sagen wollen.

[13852-13854][70] [13855] RA Wei[denhammer]:

Danke, Herr Vorsitzender, ich möchte den Gang des Verfahrens nicht durch im Grunde genommen schon gewonnene Vermutungen über die Tätigkeit der Bundesanwaltschaft in der Vergangenheit noch länger ausdehnen.

Die Angeklagte Ensslin erscheint um 11.37 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Danke sehr.

Frau Ensslin, wir hörten, Sie wollten einen Antrag stellen? Sie haben das Wort.

Angekl. Enss[lin]:

Na, ich will hier kurz die Forderungen des Hungerstreiks mitteilen ...

Vors.:

Das weiß ich jetzt ...

Angekl. Enss[lin]:

... in dem wir seit heute sind ...

Vors.:

... also vom Hungerstreik reden wir im Augenblick nicht.

Angekl. Enss[lin]:

Und was heißt da nein, nein ...

Vors.:

Das Wort „Hungerstreik“ fällt hier zum ersten Mal. Und wenn Sie da reinplatzen, und Sie wollen was zum Hungerstreik sagen ...

Angekl. Enss[lin]:

Ja.

Vors.:

... müßten Sie mir schon dartun, was nun der Hungerstreik - bisher sprachen wir vom Abhören und von ähnlichen Dingen - was das nun soll? Das müßten Sie mir schon erklären.

Angekl. Enss[lin]:

Eben.

Vors.:

Ja. Aber jetzt, aber bevor Sie den Antrag stellen oder die Erklärung abgeben, erklären Sie, was wollen Sie jetzt dartun, damit ich prüfen kann, ob das etwas ist, was in die Hauptverhandlung rechtens gehört.

Angekl. Enss[lin]:

Sie werden einfach zuhören, dann werden Sie es prüfen.

Vors.:

Ja, ich will natürlich der Gefahr vorbeugen, daß Sie möglicherweise ...

Angekl. Enss[lin]:

Wir sind ab heute in einem Hungerstreik - es ist auch schon angekündigt worden - ...

Vors.:

Sie sind? Was ...

Angekl. Enss[lin]:

... und ... in einem Hungerstreik ...

Vors.:

... ja das ist, ich weiß es nicht ...

Angekl. Enss[lin]:

... den das Gericht ...

Vors.:

... das ist das erste, was ich davon höre.

[13856] Angekl. Enss[lin]:

... ja, den das Gericht doch wohl wesentlich mitprovoziert hat dadurch, daß sie sich seit 1 ½ Jahren weigern, den Forderungen der Gutachter und des Anstaltsarztes zu[nnn] entsprechen. Um nur eine ...

Vors.:

Also, Frau Ensslin, dazu kann ich Ihnen das Wort ...

Angekl. Enss[lin]:

... der unmittelbaren Zusammenhänge hier ...

Vors.:

... dazu kann ich Ihnen das Wort nicht belassen. Über Haftbedingungen sprechen wir in der Hauptverhandlung nicht.[71] Und dabei bleibt es auch.

Wenn Sie einen Antrag stellen wollen, der in dieselbe Richtung geht, wie von Herrn Baader und Herrn Raspe ...

Angekl. Enss[lin]:

Also es ist klar, daß hier nicht [ooo] der Ort mehr[ppp] ist ...

Vors.:

... dann ist das ein ...

Angekl. Enss[lin]:

... zu irgendwelchen politischen Erklärungen; die sind hier überflüssig geworden ...

Vors.:

Ja, zu zweit zu[qqq] sprechen, das ist natürlich[rrr] eine schlechte Sache ...

Angekl. Enss[lin]:

... das ist ganz sicher so. Aber nicht überflüssig geworden ist natürlich die Forderung, kurz hier mitzuteilen; und darum geht es mir.

Vors.:

Ja nun, also, nein, das ist Haftbedingung, und das wird im Prozeß nicht erörtert.

Sie können sich ...

Angekl. Enss[lin]:

Also haben Sie zur Kenntnis genommen, daß ich sage, daß hier ganz sicher überflüssig geworden ist, politische Erklärungen zu bringen. Es geht doch um die Forderung, und nichts als die Forderung ...

Vors.:

Sie haben gesagt, Sie haben gesagt: Wir befinden[sss] uns ab heute im Hungerstreik, so habe ich Sie verstanden, ja?

Angekl. Enss[lin]:

Das ist richtig.

Vors.:

Ja, und das wollen Sie erklären und, weil damit Forderungen verbunden seien, die sich auf die Haftbedingungen beziehen. Und dann habe ich gesagt: Das wird in der Hauptverhandlung nicht erörtert.

Angekl. Enss[lin]:

Also, Sie[ttt] wollen mich nicht, Sie wollen mich nicht die vier kurzen Forderungen des Hungerstreiks hier an dieser Stelle mitteilen lassen?

Vors.:

Sie haben mich durchaus richtig verstanden. Der Hungerstreik, die Haftbedingungen gehören nicht ins Verfahren. Es läuft ...

Angekl. Enss[lin]:

Die Anträge ...

[13857] Vors.:

Es läuft ein Antrag der Verteidiger; über[uuu] diesen Antrag wird entschieden werden. Wir sind ja zur Zeit noch bei gewissen Ermittlungen.

Angekl. Enss[lin]:

Es gibt ein Erklärungsrecht, falls Sie das nicht auch inzwischen schon ganz und gar abgeschafft haben ...

Vors.:

Ja, ein Erklärungsrecht ...

Angekl. Enss[lin]:

... immer abgeschafft ... Unterbrechung usw.

Vors.:

Ich hab mich ja neulich mit Herrn Rechtsanwalt Weidenhammer ...

Angekl. Enss[lin]:

Und es ist hier jedem, es gibt hier niemand ...

Vors.:

Jetzt seien Sie doch bitte mal ruhig, Frau Ensslin ...

Angekl. Enss[lin]:

Entschuldigung, es gibt hier niemand in dem ganzen Saal ...

Vors.:

... so können wir doch nicht reden.

Angekl. Enss[lin]:

... den Sie ...

Vors.:

Ja, ja, das hat überhaupt keinen Sinn ...

Angekl. Enss[lin]:

... unmittelbar ...

Vors.:

... wenn Sie dazwischenreden, und ich Ihnen das Wort nicht gebe, dann ist das sinnlos. Ich hab mich ja kürzlich schon mit ...

RA Wei[denhammer]:

Herr Vorsitzender ...

Vors.:

Auch Sie sind jetzt nicht am Wort. Ich hab mich ja kürzlich mit Herrn Rechtsanwalt Weidenhammer schon darüber unterhalten, daß es kein Erklärungsrecht im Prozeß schlechthin gibt. Es gibt ein Erklärungsrecht nach § 257[ StPO],[72] es gibt ein Antragsrecht; das ist heute schon ausgenützt worden. Und auch Sie, Frau Ensslin, haben ein Antragsrecht. Aber was die Haftbedingung anlangt, die gehören nun mal nicht in die Hauptverhandlung. Das Verfahren läuft außerhalb; und dabei wollen wir es auch belassen. Zu solchen Dingen kann ich Ihnen das Wort nicht geben, und tu es nicht.

RA Wei[denhammer]:

Herr Vorsitzender, möglicherweise handelt es sich auch um eine Gegendarstellung. Und in diesem Zusammenhang möchte ich anregen, der Gefangenen Ensslin das Wort zu erteilen.

Vors.:

Ja, also wissen Sie, mit den Gegendarstellungen, da haben wir uns ja nun auch schon verschiedentlich unterhalten, daß die Gegendarstellung im Pressegesetz steht. Und da gibt es eine Spezialkammer beim Landgericht und einen Spezialsenat beim Oberlandesgericht. Aber der Senat ist nicht die richtige Station für Gegendarstellungen.[73]

[13858] RA Wei[denhammer]:

Ja, aber um das beurteilen zu können, ist doch zunächst erforderlich, daß man sich mal anhört, was sie überhaupt vorbringen möchte. Bis jetzt wurde sie ja nur unterbrochen.

Vors.:

Ja, sie sagte es doch, ich kann’s schon beurteilen. Sie wollten auch noch etwas sagen, Herr Oberwinder, Herr Rechtsanwalt Oberwinder, Entschuldigung.

RA Ob[erwinder]:

Herr Vorsitzender, es ist doch wirklich merkwürdig, daß jeder hier im Saal - haben Sie ja selbst gesagt - die Möglichkeit hat, jeder Prozeßbeteiligte, zu[vvv] diesen Vorgängen, die ja jetzt auf den Tisch gekommen sind - und es handelt sich ja nun mit Sicherheit um außergewöhnliche Vorgänge -, Stellung dazu zu nehmen. Wieso also die Gefangenen, die unmittelbar davon betroffen sind, nicht in irgendeiner Form dazu Stellung nehmen können, das verstehe ich nun[www] wirklich nicht.

Vors.:

Ja, wenn Sie es nicht verstehen, haben Sie es vielleicht nicht richtig mitverfolgt, Herr Rechtsanwalt Oberwinder. Ich meine, ich sage ja zu diesen Vorgängen, zu diesen Vorgängen können Anträge gestellt werden, nicht? Und zu diesen Anträgen wird dann wieder Stellung genommen. Es können Anträge gestellt werden jeder Art hierzu. Aber Anträge zu den Haftbedingungen, die gehören nicht dazu, denn das sind Dinge, die außerhalb der Hauptverhandlung erörtert werden. Also das ist nun mal meine Entscheidung, und so ist es.

RA Ob[erwinder]:

Die Frau Ensslin hat ja[xxx] noch gar nicht ausgeredet, über was sie eigentlich reden will. Sie haben das Wort „Haftbedingungen“ gehört, und dann haben Sie einfach Schluß gemacht.

Vors.:

Ja, sie hat es doch erklärt.

Angekl. Enss[lin]:

Und das Wort „Haftbedingungen“ ist im Zusammenhang, nämlich nur im Zusammenhang mit Ihnen und zu Ihnen gefallen.

Vors.:

Sie hat doch ...

Angekl. Enss[lin]:

Also lassen Sie mich das doch mal ...

Vors.:

Sie haben gesagt, ich will die vier Forderungen vortragen hinsichtlich der Haftbedingungen, und zum Hungerstreik ...

Angekl. Enss[lin]:

Nein ...

Vors.:

... so haben Sie gesagt ...

Angekl. Enss[lin]:

Nein, das habe ich nicht gesagt.

Vors.:

... und so hab ich das verstanden ...

[13859] Angekl. Enss[lin]:

Das müßten Sie ...

Vors.:

... Und das reicht, um das ...

Angekl. Enss[lin]:

... da müßten Sie sich korrigieren, Herr Foth; das habe ich nicht gesagt.

Vors.:

Ja dann bitte, ich bin ganz Ohr.

Angekl. Enss[lin]:

Also nochmal. Es sind hier Anträge gestellt worden von der Verteidigung, von Andreas und von Jan. Und zu den Anträgen gibt es, jedenfalls strafprozessualrechtlich, die Möglichkeit, Stellung zu nehmen, wie Sie es selbst[yyy] eben [zzz] gesagt haben. Die Anträge handelten alle von, bieten alle das Bild von Tatbeständen, die nur möglich sind, in einem rechtsfreien Raum. Der Hungerstreik, von dem ich rede und dessen vier Forderungen ich vortragen will hier, ich hier mitteilen will, reagiert auf diesen rechtsfreien Raum, darum geht es. Insofern ist es tatsächlich, auch wenn es die Form von vier Forderungen zu einem Hungerstreik hat, nichts anderes, als eine Stellungnahme zu den Anträgen, die ich hier bringen will.

Vors.:

Das kann ich nicht billigen, was Sie da sagen, ich kann die Argumentation nicht nachvollziehen. Die vier Forderungen, so sieht es wenigstens aus, sind Forderungen, die sich mit den Bedingungen der Untersuchungshaft befassen.

Angekl. Enss[lin]:

Sie haben sie noch nicht gehört. Also ich würde sagen, hören Sie sich’s an, ehe Sie vermuten.

Vors.:

Na gut, ich will die erste anhören[aaaa]; vielleicht ...

Angekl. Enss[lin]:

Angesichts der Tatsache ...

Vors.:

... erhalte ich dann bessere Klarheit.

Angekl. Enss[lin]:

Angesichts der Tatsache, daß der Staat die Auseinandersetzung im rechtsfreien Raum des permanenten Ausnahmezustands führt, und daß sich in 6 Jahren Staatsschutzjustiz gezeigt hat, daß die Menschen- und Grundrechte in der Fahndung[bbbb] in den Prozessen und in den Gefängnissen ein Fetzen Papier sind, fordern wir, daß die Gefangenen aus den antiimperialistischen Widerstandsgruppen, die in der Bundesrepublik kämpfen, entsprechend[cccc] den[dddd] Mindestgarantien der Genfer Konvention von 1949[74] behandelt werden.

Vors.:

Ja, also jetzt sind wir haarscharf ...

Angekl. Enss[lin]:

In besonderen ...

Vors.:

... bei den Haftbedingungen, wie ich es gesehen habe.

[13860] Es hat keinen Wert, Frau Ensslin, Sie erhalten hierzu nicht das Wort; das ist jetzt mein letztes Wort. Sie dürfen die Entscheidung des Senates[75] beantragen. Aber zu diesen Haftbedingungen verhandeln wir jetzt nicht in der Hauptverhandlung.

Sonstige Wortmeldungen im Saale?

Angekl. Enss[lin]:

Dann beantrage ich eine Senatsentscheidung darüber.

Vors.:

Soll sonst noch irgendwie Stellung genommen werden hierzu?

Nicht.

Wir werden uns kurz zurückziehen.

Ich bitte im Saale[eeee] zu bleiben.

Pause von 11.45 Uhr bis 11.48 Uhr

Vors.:

Der Senat hat den Beschluß gefaßt:

Es bleibt bei der Entscheidung, daß die Angeklagte Ensslin nicht das Wort erhält, um über die Haftbedingungen der Angeklagten zu sprechen.

Die bisherigen Ausführungen von Frau Ensslin bieten hinreichende Grundlage, um beurteilen zu können, daß sie sich mit den Haftbedingungen befassen will. Dies ist aber ein Gegenstand, der außerhalb der Hauptverhandlung geprüft und geregelt wird. Eine Prüfung der Haftbedingungen auf schriftlich gestellte Anträge der Verteidigung ist zur Zeit im Gange. In der Hauptverhandlung wird dies nicht erörtert.

Angekl. Enss[lin]:

Dann stell’ ich eben noch einmal fest, daß das nicht nur die Kleinlichkeit und die Kleinheit des Gerichts ist, wie wir sie seit 2 Jahren kennen, sondern daß es auch die übliche Methode ist, glatt was zu verfälschen, denn um Haftbedingungen handelt das nicht, und nur äußert indirekt. D. h. also, genau das, was Sie sonst immer fälschlicherweise zum Vorwurf gemacht haben, um uns nichts erklären zu lassen, nämlich es bestünde kein Zusammenhang; das konstruieren Sie jetzt hier taghell.

[13861] Und bleibt mir 2., die Zwangsverteidiger aufzufordern, doch endlich zu gehen.

Vors.:

Sonstige Wortmeldungen? Herr Rechtsanwalt Oberwinder.

Die Angeklagte Ensslin verläßt um 11.50 Uhr den Sitzungssaal.

RA Ob[erwinder]:

Also ich finde das ja sehr merkwürdig, in einer Situation, wo sich in diesem Staat auch gegenüber diesem Verfahren jeder erlaubt, was er will, daß die Gefangenen nicht die Möglichkeit haben, das, was ihnen als Reaktion darauf verbleibt, hier öffentlich vorzutragen. Das kennzeichnet aber wohl nur den Versuch des Senats, diese Sache, die auch durch die Abhöraffäre provoziert worden ist, unterzudrücken.

Ich möchte nun selbst folgende Erklärung dazu abgeben, daß jedenfalls aus meiner Sicht ...

Vors.:

Wozu soll das sein?

RA Ob[erwinder]:

Bitte?

Vors.:

Wozu soll diese Erklärung dienen? Ich meine, Sie müssen, nach welcher Vorschrift oder was soll das werden?

RA Ob[erwinder]:

Ich hab nicht die Absicht, jetzt hier irgendwelche Paragraphen zu zitieren. In der Situation ... -

Vors.:

Es wäre aber schon sehr gut, wenn Sie es könnten, Herr ...

RA Ob[erwinder]:

... das kann ich Ihnen auch sagen - in der Situation, wo z.B. der Generalbundesanwalt Buback, der ja auch Verfahrensbeteiligter ist, sagt: Außergewöhnliche Umstände rechtfertigen auch außergewöhnliche Mittel. Und daß hier mittlerweile außergewöhnliche Umstände eingetreten sind, können Sie, Herr Dr. Foth, wohl hier auch nicht bestreiten.

Vors.:

Also eine Art übergesetzliches Erklärungsrecht im Strafprozeß ...

RA Ob[erwinder]:

Ja, ich nehme dieses übergesetzliche Erklärungsrecht in Anspruch, allerdings.

Vors.:

Ja nun, also ich will mal hören, was daraus werden wird.

RA Ob[erwinder]:

Ich bin der Ansicht ...

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender ...

Vors.:

Bitte.

[13862] RA Ob[erwinder]:

Ich hab jetzt das Wort, Herr Oberstaatsanwalt.

Vors.:

Ich weiß nicht, was, falls eine Einwendung erhoben werden sollte, müßte die natürlich gleich berücksichtigt werden. Was wollten Sie sagen, Herr Bundesanwalt Zeis?

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender, ich beanstande, daß Herrn Rechtsanwalt Oberwinder das Wort zur Abgabe einer Erklärung gegeben worden ist. Es besteht keine rechtliche Grundlage. Eine rechtliche Grundlage sieht ausschließlich § 257 StPO vor. Jedenfalls, nach unserer Beurteilung kann Herrn Rechtsanwalt Oberwinder zur Abgabe irgendwelcher Erklärungen nicht das Wort erteilt werden.

RA Ob[erwinder]:

Aber selbstverständlich ...

Vors.:

Nun ja, ich ...

RA Ob[erwinder]:

... ich will mich erklären zu dem, was der Senat eben entschieden hat, wie die Bundesanwaltschaft sich auch zu den Anträgen von Herrn Raspe erklärt hat, und will ...

Vors.:

Ja, also Erklärungsrecht an sich natürlich zu Beweiserhebungen, was nicht der Fall ist hier. Ich hatte ja Herrn Rechtsanwalt Oberwinder gebeten, einmal mit seinem Vortrag zu beginnen, damit ich dann besser bewerten kann, was es werden soll. Bis jetzt kenne ich das Sujet also noch nicht.

Ich möchte auch dabei bleiben.

Bitte, Herr Rechtsanwalt Oberwinder.

RA Ob[erwinder]:

Ja, also ich möchte mich erklären zu diesem Schreiben, was ich heute morgen erhalten hab’ des Justizministeriums Baden-Württemberg ...

Vors.:

Ja bitte.

RA Ob[erwinder]:

... und welche Konsequenzen die Verteidigung, jetzt nicht speziell aus diesem Schreiben, sondern aus diesen Vorgängen zu ziehen gedenkt.

Vors.:

Ja nun, es ist also so, Herr Rechtsanwalt, eine Erklärung zu diesem Schreiben; ich meine, das ist eine Art Beweiserhebung im prozessualen Freibeweis,[76] die wir erhoben haben; dazu steht Ihnen, dürfen Sie sich äußern, ja, wenn es sich in diesem Rahmen hält, selbstverständlich.

RA Ob[erwinder]:

Das überlassen Sie mir, die Beurteilung.

Vors.:

Ja, das wird sich zeigen.

RA Ob[erwinder]:

Also es ist sehr merkwürdig. Der Senat hat ja in seinem ersten Schreiben an den Justizminister und Innenminister [13863] des Landes Baden-Württemberg darauf hingewiesen, daß er gehalten ist, darauf zu achten, daß Rechtsverletzungen, wie die Verletzung des § 148 StPO,[77] nämlich der unüberwachte mündliche Verteidigerverkehr, gewährleistet sind.

Ich vermag also auch den Antwortschreiben, insbesondere jetzt hier diesem zweiten vom 28.3.1977, keine entsprechende Erklärung zu entnehmen. Das einzige, was ich darin sehe ist, daß da steht, daß der Herr Bender, der ja diese Maßnahme angeordnet hat - die ja, da dürfte für einen Jurist eigentlich keinen Zweifel bestehen, glatter Verfassungsbruch ist -, nun meint, er habe volles Verständnis für die Haltung des Senats und der Verteidigung. Ich meine, daß also ein größerer Hohn ja wohl kaum möglich ist. Der Abhörer hat also Verständnis für die Argumente des Abgehörten.

Es ist auch nicht mehr die Rede davon, daß hier etwa, wie das bei Herrn Maihofer noch hieß, äußerste Mittel angewendet wurden in einer einmaligen Situation, sondern Herr Bender schreibt hier, daß die beiden Abhöraktionen als Mittel der vorbeugenden Verbrechensverhütung rein präventiver Natur waren, was also für mich den Schluß zuläßt: Zur präventiven Verbrechensverhütung ist es ein ganz normales Mittel, und wird wohl auch weiter angewandt; das haben die Herren Schiess und Bender ja auch bereits gesagt. Und auch der Herr Bundeskanzler Helmut Schmidt hat ja der Sache seinen Persilschein ausgestellt. Damit, meine ich, ist ja nun wirklich offenkundig, wer in diesem Verfahren das Sagen hat, was in diesem Verfahren gespielt wird, und daß es keine Möglichkeit gibt für eine Verteidigung, wollte sie nicht diese ganzen Machenschaften noch legitimieren, an diesem Verfahren in der Hauptverhandlung, nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge, weiter teilzunehmen.

Die größte Infamie in diesem Pamphlet des Justizministeriums ist aber nun die Behauptung ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich bitte doch die in Gerichtssälen übliche Form zu wahren.

RA Ob[erwinder]:

Ja, ich weiß ja auch nicht mehr, was ...

Vors.:

Von den üblen „Pamphlet“ ...

[13864] RA Ob[erwinder]:

Ja, ich weiß ja auch nicht mehr, was üblich ist, ...

Vors.:

Sie können es ja - und Infamie - ...

RA Ob[erwinder]:

... man weiß es ja langsam ...

Vors.:

... Sie können [ffff] ja sicher auch in Ihrem Wortschatz noch etwas anderes finden ...

RA Ob[erwinder]:

Man zweifelt ja, man zweifelt ja langsam daran, was üblich ist in Gerichtssälen.

Vors.:

Ja, also deswegen, wenn Sie Zweifel haben, ich hab Sie ja jetzt [gggg] aufgeklärt, daß ich das für unüblich halte.

RA Ob[erwinder]:

Die größte Infamie - und bei dem Ausdruck bleibe ich allerdings - ist ja nun die Behauptung, ...

Vors.:

Na gut, dann bleiben Sie eben ausdrücklich dabei; das stelle ich dann fest.

RA Ob[erwinder]:

... daß die Behauptung, die ja öffentlich zur Legitimation dieser Abhörmaßnahme gedient hat, die so als Brocken in die Öffentlichkeit geworfen worden ist, nämlich daß Erkenntnisse darüber bestanden hätten, daß von den Gefangenen aus der Roten-Armee-Fraktion Aktionen betreffend Kinderspielplätze geplant worden seien. Und interessanterweise wird diese Äußerung, die auch abgehört worden sein will - wir[hhhh] konnten das[iiii] ja nicht feststellen -, der Ulrike Meinhof zugeschoben, d. h. der Gefangenen, die tot ist. Und es ergibt sich da eine bestimmte Parallele, so wie ich aus der Presse erfahren habe - ich war ja bei den Plädoyers der Bundesanwaltschaft[78] im Saal nicht anwesend -, ist ja bei der Würdigung der einzelnen Gefangenen auch in der Weise vorgegangen worden, daß man gesagt hat: Naja, die Ulrike Meinhof, das war noch jemand mit politischen Idealen, die war nicht so schlecht, wie die andern. Mit andern Worten, und das kommt ja hier wieder zum Ausdruck: Der tote Gefangene, und nur der tote Gefangene ist ein guter Gefangener.

Und ich hab auch nochmal nachgelesen, Herr Vorsitzender, diesen Absatz, den Sie zitiert haben aus dem Antrag des Kollegen Dr. Temming, der darauf hingewiesen hat, daß zwischen ihm und Ulrike Meinhof ein Gespräch stattgefunden hat, in dem sie beide - das war wohl nach der Aktion Stockholm - darüber gesprochen haben, daß wohl jetzt zur Legitimation der Maßnahmen der Behörden gegen solchen Gruppen und Gefangenen [13865] solche Dinge wie Kinderspielplätze herhalten müssen. Dies ist in den Antrag des Kollegen Dr. Temming klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht.

Wenn Sie jetzt, Herr Vorsitzender, sagen, das sei[jjjj] ja zweideutig, dann möchte ich mal wissen, was daran zweideutig ist. Für mich ergibt sich dann nur daraus, eine Tendenz, daß offensichtlich das Gericht sich bemüßigt, diese Argumentation der Herren Schiess und Bender - und wer auch noch immer dazu gehören mag - zu übernehmen. An diesem Antrag jedenfalls ist alles eindeutig, da gibt es keine Zweideutigkeiten. Und wenn das nun vom Gericht schon dermaßen zum Ausdruck gebracht wird, bestärkt das die Verteidigung nur in ihrer Annahme, daß es wohl keineswegs so ist, daß die anderen Prozeßbeteiligten über diese Abhörvorgänge keine Kenntnis hatten. Das wird sich wahrscheinlich nie feststellen lassen, jedenfalls zunächst nicht. Hatte man dem Herrn Bender oder dem Herrn Schiess vor 2 Monaten gesagt, sie würden hier abhören, hätten sie das bestimmt auch mit größter Empörung und Androhung von Konsequenzen zurückgewiesen. Der Verdacht, daß auch andere Prozeßbeteiligte mit Informationen der Tonbänder versorgt worden sind, ist keineswegs aus der Welt geräumt; jedes weitere Verbleiben im Prozeß würde diesen ganzen Sumpf wirklich nur legitimieren.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Oberwinder, nur eines, Sie haben mich sicherlich mißverstanden: Ich habe diese Ausführungen im Antrag von Herrn Dr. Temming keinesfalls als zweideutig darstellen wollen, sondern diese Ausführungen sind eindeutig. Ich habe nur konstatiert, daß zwischen dem, was in diesem Brief des Herrn Ministers steht, daß, dort [kkkk] ist von Kinderspielplätzen die Rede [llll], und hier ist von Kinderspielplätzen die Rede. Ich habe bloß die Diskrepanz zwischen diesen beiden Erklärungen im Auge gehabt. Daß die Erklärung von Herrn Dr. Temming eindeutig ist, ich nehme nicht an, daß das so mißverständlich war, daß man es falsch verstehen konnte. Ich hoffe doch, daß Sie damit befriedigt sind, und daß, dieser Vorwurf geht also sicher ins Leere.

Herr Rechtsanwalt Weidenhammer.

RA Wei[denhammer]:

Herr Vorsitzender, ich möchte nach ... zu den Beweisanträgen, die wir gerade gehört haben, daran erinnern, [13866] daß der dringende Tatverdacht besteht, fortbesteht, daß eine kriminelle Vereinigung die Herrschaft über das Verfahren und den Vollzug ergriffen hat und daß es schon von daher geboten ist, bis zur vollständigen Aufklärung dieser Angelegenheiten das Verfahren ...

BA Dr. Wu[nder]:

Herr Vorsitzender, bei derartigen Ausführungen ...

RA Wei[denhammer]:

... zu unterbrechen oder auszusetzen.

Vors.:

Er hat einen Aussetzungsantrag gestellt, und hat Dinge vorgetragen über irgendeine kriminelle Vereinigung.

Rechtsanwalt Oberwinder verläßt um 12.00 Uhr den Sitzungssaal.

Nun ja, wir werden es würdigen, wie es gesagt worden ist. Sind jetzt sonstige Äußerungen abzugeben oder[mmmm] Erklärungen abzugeben?

Rechtsanwalt Weidenhammer verläßt um 12.00 Uhr den Sitzungssaal.

Herr Rechtsanwalt Schwarz, Sie haben sich gemeldet.

RA Schw[arz]:

Herr Vorsitzender, der Senat hat in einem an den Herrn Justizminister gerichteten Brief vom 18. März 1977 mitgeteilt, er sei gehalten, darauf zu achten, daß in dieser Strafsache die gesetzlichen Vorschriften eingehalten würden. Er hat weiter darauf hingewiesen, er müsse darauf bestehen, daß diese Bestimmung befolgt wird. Und ich habe dem gegenüber festzustellen, daß ungeachtet der absolut unzureichenden Auskünfte, die der Herr Minister dem Senat gegeben hat, sowohl der Herr Justizminister, als auch der Herr Innenminister, zuletzt noch vor dem Landtag, die Erklärung abgegeben haben, sie würden in einer vergleichbaren Situation wieder in der gleichen Weise handeln.

Der Gehilfe des RA Weidenhammer, Herr Wackernagel, verläßt um 12.01 Uhr den Sitzungssaal.

Das heißt, sie behaupten nicht nur rechtmäßig gehandelt zu haben, sondern sie rücken es durchaus in den Bereich der Möglichkeit, daß zu einem, wiederum ihrer Meinung nach, wohl dann außerhalb des Verfahrens durchzuführenden Weise erneut Abhörmaßnahmen durchgeführt werden. Bei dieser Situation meine ich, ist der Senat den Angeklagten, aber [13867] auch den übrigen Prozeßbeteiligten, eine Erklärung dahin schuldig, wie er es bewerkstelligen will, daß er seine Meinung, das nicht überwachte Verteidigergespräch sei unabdingbar und er müsse darauf achten, daß es so gehandhabt wird, wie er diese Meinung durchsetzen will. Solang der Senat das nicht kann und nicht tut, bin ich der Meinung - und das ist jetzt mein Antrag -,

muß das Verfahren erneut unterbrochen oder dann gegebenenfalls ausgesetzt[79] werden.

Denn es ist eine Unzumutbarkeit, daß man sich auf der einen Seite damit befaßt, daß erklärt wird, die und die gesetzlichen Bestimmungen müssen eingehalten werden, und auf der anderen Seite diejenigen, die in der Vergangenheit diese gesetzlichen Bestimmungen nicht eingehalten haben, in schöner Offenheit erklären, wenn es notwendig wird, wird wieder genau so verfahren.

Vors.:

Bitte, Herr Rechtsanwalt Künzel oder Schnabel?

Bitte, Herr Rechtsanwalt Schnabel.

RA Schn[abel]:

Ich bitte das Verfahren auszusetzen bis eine Antwort auf eine erneut an den Herrn Justizminister zu stellende Frage vorhanden ist.

Diese Frage geht dahin, daß der Herr Justizminister klarlegen möge, welche Voraussetzungen des § 34[ StGB][80] vorgelegen haben in Bezug auf eine gegenwärtige, nicht anders abwendbare Gefahr. Denn in dem Antwortschreiben vom 28. März ist apodiktisch festgestellt, daß das Landeskriminalamt sich streng an die Voraussetzungen des § 34 StGB gehalten habe. Ich bitte den Herrn Justizminister zu erklären, welche Voraussetzungen vorhanden waren, daß man sich an diese Vorschrift hätte halten können. Konkret gesprochen, welche Erkenntnisse ihm oder dem Landeskriminalamt vorgelegen haben, daß[nnnn] von einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib usw. zu sprechen gewesen wäre, zumal hier in dem Schreiben ein Widerspruch insofern vorhanden ist, als davon gesprochen wird, Frau Meinhof hätte angeblich die Möglichkeit der Geiselnahme eines Kindes erwähnt, und im vierten Absatz dann davon die Rede ist, daß es keinen hinreichenden Verdacht einer konkret geplanten strafbaren Handlung gegeben hätte. Auch diesen Widerspruch bitte ich [13868] aufzulösen.

Im übrigen ist davon die Rede, daß als Mittel der vorbeugenden Verbrechensverhütung rein präventiver Natur die Mittel angewandt worden sind. Eine vorbeugende Verbrechensverhütung rein präventiver Natur ist zumindest in dieser Beziehung, und was den Kinderspielplatz anbelangt, wenn überhaupt, heute nicht mehr vorhanden, denn das ist ja längst Schnee von gestern, so daß auch insofern sich wohl der Herr Justizminister nicht darauf berufen könnte, er könnte dazu keine näheren Angaben machen, da es[oooo] dann in den internen Dienstbereich oder in den Staatsschutz, oder wie auch immer, hineinragen würde, denn diese Sache ist ja abgeschlossen. Und insofern: Karten auf den Tisch.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Künzel, bitte.

RA Kün[zel]:

Ich beantrage das Verfahren auszusetzen, bis eine sichere Gewähr[pppp] dafür gegeben ist, daß die Überwachung eines Verteidigergesprächs nicht mehr stattfindet, und auch sonst die Voraussetzungen geschaffen sind, die eine vom Vertrauen der Angeklagten getragene Verteidigung wieder möglich machen.

Zur Begründung trage ich vor, unter Hinweis auf das, was Herr [qqqq] Kollege Schnabel gesagt hat: Ich berufe mich auf die Rechtswidrigkeit dieser Verteidigerüberwachung. Es ist Schutzbehauptung, wenn gesagt wird, § 34 StGB hätte die Maßnahme gerechtfertigt. Unabdingbare Voraussetzung einer vom Vertrauen des Angeklagten getragene Verteidigung ist die Vertraulichkeit des Verteidigergesprächs.

Dies ist so selbstverständliche Voraussetzung, daß sie eigentlich keiner weiteren Begründung bedarf. Es kommt gar nicht darauf an, ob das Gericht Kenntnis vom Inhalt der Gespräche bekam, bekommt oder bekommen wird, entscheidend ist, daß durch das heimliche Abhören die Verteidigung in ihrer Substanz getroffen wurde.

[13869] RA Kün[zel]:

So wie ich als Verteidiger sicher davon ausgehen würde, daß Ihnen als Richter ein Richten nicht mehr möglich wäre, wenn das geheime Beratungsgespräch abgehört würde, so sollten Sie als Richter davon ausgehen, daß es einem Verteidiger nicht mehr möglich ist, eine Verteidigung zu führen, wenn er mit einem Abhören des Verteidigergesprächs rechnen muß. Wo die Totalität des Staates, die den Gefangenen im Gefängnis umgibt, bis in das Gespräch zwischen Verteidiger und Angeklagten hineinreicht, ist das Maß an Freiheit nicht mehr vorhanden, ohne das der Angeklagte noch um seine Freiheit kämpfen könnte. Wo der Gesprächsraum, den der Staat zum Verteidigergespräch zur Verfügung stellt, mit Wanzen besetzt ist, kann ein Verteidiger diesen Raum nicht mehr betreten. Diese[rrrr] [ssss] selbstverständliche Voraussetzung des unüberwachten Verteidigergesprächs war Gegenstand einer Anhörung vor dem Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages am 2.4.1976. Dort haben geäußert Professor Dr. Grünwald: „Eine wirksame Verteidigung, auf die der Beschuldigte ein Recht hat, wird unmöglich gemacht. Jeder Beschuldigte hat ein Recht darauf. Er hat es auch und gerade wenn er als Staatsfeind erscheint. Diesen Beschuldigten treten die Strafverfolgungsbehörden nicht sine ira et studio gegenüber. Durch eine Überwachung würde eine echte Verteidigung vereitelt.“ Rechtsanwalt Dr. Lürken hat als Sachverständiger vor dem Ausschuß erklärt: „Ein Verteidiger der überwacht wird, ist kein Verteidiger für seinen Mandanten mehr“ und hat bemerkt: „Aber da die Überwachung dem System der Verteidigung in einer Weise widerspricht, daß sie einfach unmöglich wird, bleibt nur die Regelung des Verteidigerausschlusses.“ Rechtsanwalt Dr. Brangsch hat bei dieser Anhörung unmißverständlich auf die Konsequenzen hingewiesen, die sich für den Verteidiger aus einem Abhören des Verteidigergesprächs ergeben. Er hat ausgeführt: „Man muß sich darüber klar sein, daß die fallweise Überwachung des mündlichen Verkehrs jeden seriösen Verteidiger veranlaßt, die Verteidigung alsbald niederzulegen“ und weiter, „ich glaube auch nicht, daß irgendein Ehrengericht bereit [13870] sein wird, einen Pflichtverteidiger, der bei Anordnung dieser Überwachung das Mandat niederlegt, zu disziplinieren.“ Ich sehe es so, daß der überwachte Pflichtverteidiger des Vertrauens[81] der Angeklagten Ensslin sachgerecht und standesgerecht handelt, wenn er sich weigert, nach dieser Abhöraffäre in dem Gerichtssaal weiter zu agieren.[82] Nun gehe ich davon aus, daß das Gesetz das Primat des Verteidigers, der Verteidigung des Vertrauens angenommen hat. Das folgt aus § 143 der StPO[83] ebenso unmißverständlich wie aus[tttt] Artikel 6 der Menschenrechtskonvention.[84] Es steht deshalb fest, daß im Augenblick die Verteidigung, die das Gesetz bei aller Einheit der Verteidigung mit einem Primat versieht, nicht mehr möglich ist. Hieraus ergeben sich Konsequenzen für das Gericht und zwar aus seiner Fürsorgepflicht. Das Bundesverfassungsgericht spricht in einer Entscheidung im 9. Band[85] ausdrücklich von der Fürsorgepflicht des Staates zur Bestellung einer Verteidigung. Gemeint ist wohl eine Verteidigung des Vertrauens. Aus dieser Fürsorgepflicht ergibt sich, daß das Gericht gehalten ist, alles zu tun, um die Verteidigung durch einen Verteidiger des Vertrauens wiederherzustellen. Wenn es richtig ist, was Herr Herold hier[86] gesagt hat, daß jeder Prozeß seine Eigengesetzlichkeit hat, so meine ich, daß dieser Prozeß jetzt gebietet, daß das Gericht alles tut, um, notfalls auch mit unkonventionellen Mitteln, zu erreichen, daß eine sachgemäße Verteidigung wieder möglich ist. Unabdingbare Voraussetzung hierfür ist, daß Garantien dafür geschaffen werden, daß sich ein solcher Abhörfall nicht wiederholen kann und daß diese Garantien so sind, daß Verteidiger und Angeklagten in sie Vertrauen haben können. Ich meine, daß auch ein Verteidiger, der nicht das Vertrauen der Angeklagten hat, im Augenblick ein Verteidigergespräch nicht führen könnte, weil er vor solchen Abhörmaßnahmen nicht sicher wäre, und deshalb besteht in der Tat ein Zustand, der eine Verteidigung unmöglich macht.

Vors.:

Sonst noch Wortmeldungen? Herr Rechtsanwalt Eggler?

RA Egg[ler]:

Ich wollte eigentlich eine andere Erklärung abgeben. Nach den Ausführungen von Herrn Dr. Schwarz will ich aber [13871] folgendes sagen: Es ist kein Zweifel, daß hier gegen § 148 der StPO verstoßen worden ist. Und wir alle müssen uns fragen, ob darin nicht ein alarmierender Abbau des Rechtsstaates liegt. Der bisherige Vorfall gehört der Vergangenheit an. Ich will dazu heute nichts sagen. Nachdem, was Herr Kollege Schwarz aber gesagt hat, daß im Landtag gesagt worden sein soll, ich habe keine Zweifel, daß er es richtig abgehört hat, daß die Betreffenden immer wieder so handeln würden, wenn; dann meine ich, muß dieser Senat hier dafür sorgen, daß ein erneuter Verstoß gegen § 148[ StPO] unmöglich gemacht wird und er muß dann dafür sorgen, daß in einem solchen Falle die Verteidigung, die unbeschränkte Verteidigung, wie es der § 148 StPO vorsieht, daß eine solche Verteidigung gewährleistet bleibt. Deswegen schließe ich mich dem Antrage des Herrn Kollegen Schwarz auf Aussetzung des Verfahrens bzw. Unterbrechung des Verfahrens mit seiner Begründung an.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schlaegel, bitte?

RA Schl[aegel]:

Der Herr Kollege Grigat und ich, wir möchten ebenfalls den Antrag stellen, das Verfahren zu unterbrechen, bzw. auszusetzen, bis der Senat darüber eine Erklärung abgegeben hat:

1. Ob er sich in der Lage sieht, die Durchführung des Verfahrens ohne Verletzung des § 148 StPO zu gewährleisten und wenn ja, in welcher Form er dies tun will. Und als Begründung darf ich auf das Bezug nehmen, den Tatbestand, den der Kollege Schwarz als erstes erwähnt hat, daß die zuständigen Minister für Justiz und Inneres, Bender und Schieß, erklärt haben im Landtag, bei der Landtagssitzung, sie würden in einem vergleichbaren Fall wieder so handeln. Und ich darf als weiteres Bezug nehmen als Ausgangspunkt der Tatbestandswürdigung auf die Erklärung des Justizministers vom 18.3.1977 auf Seite 2 unter bb), indem er als Begründung für die Inanspruchnahme des rechtfertigenden Notstands Ausführungen gemacht hat, die diese konkrete Gefahr begründen sollten. Und ich bin der Meinung, daß diese Gründe im vorliegenden Fall nicht durchziehen aus ganz allgemeinen grundsätzlichen Erwägungen und aus besonderen Erwägungen, aus ganz [13872] generellen Erwägungen, weil ich der Meinung bin, der § 34 StGB kann im Prinzip nur von denen, die der Staat in seiner Rechtsordnung unterworfen hat, in Anspruch genommen werden, nicht aber vom Staat,[87] der sich an die von ihm selbst gegebenen Kompetenzen zu halten hat. Das halte ich für einen ganz entscheidenden Gesichtspunkt. Und bevor, im besonderen Fall, ich kann mir dazu Ausführungen ersparen und auf die Anderen Bezug nehmen, bevor das nicht klargestellt ist, bevor der Senat sich dazu nicht geäußert hat, bitte ich das Verfahren entsprechend zu unterbrechen bzw. auszusetzen.

Vors.:

Danke sehr. Sonstige Wortmeldungen? Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. W[under]:

Herr Vorsitzender, falls der Senat eine Ergänzung der Antwort des Baden-Württembergischen Justizministeriums für erforderlich hält, ich persönlich möchte sagen, es spricht in der Tat einiges für die Ausführungen der Herrn Verteidiger, so kann diese Auskunft eingeholt werden, ohne daß es dazu förmlicher Unterbrechung oder Aussetzung des Verfahrens bedarf. Eine weitergehende Stellungnahme möchte ich nicht abgeben.

Vors.:

Ich will zu dem, was vorgetragen wurde, hier nur darauf hinweisen: Der Senat hat schon in der Sitzung, ich meine, vom 22. sei es gewesen, bevor die Verteidigung eine Ergänzung zu der Anfrage[uuuu] an Herrn Justizminister Dr. Bender erbeten hat, habe ich damals schon erklärt, der Senat wird beim Ministerium nochmals darauf drängen, behält sich auch weitere Maßnahmen vor, daß § 148 StPO in Zukunft ohne jede Einschränkung beachtet wird. Wir haben also, ich hoffe, daß das den Beteiligten in Erinnerung ist, wir haben also damals schon ins Auge gefaßt, daß wir selbstverständlich möglicherweise noch etwas unternehmen müssen, je nach dem, wie die Antwort des Herrn Ministers ausfällt, denn daß solche Äußerungen in der Pressekonferenz sind und ich meine auch in der Landtagssitzung gefallen sind[vvvv], das kann man wohl als allgemeinkundig unterstellen.

Wir haben natürlich jetzt eine ganze Menge Stoff, den es zunächst zu sichten gilt. Ich meine, damit wir uns mal darüber schlüssig werden können, wie wir überhaupt weiter verfahren, wir machen zunächst mal 5 Minuten Pause, um also einmal insoweit [13873] schlüssig zu werden, und machen in fünf Minuten weiter.

Pause von 12.19 Uhr bis 12.28 Uhr

Vors.:

Was heute in der Verhandlung vorgetragen wurde, stellt einen sehr umfangreichen Stoff dar, den der Senat so schnell nicht bewältigen kann unter Vornahme der gebotenen gründlichen Würdigung. Insbesondere das berechtigte Anliegen der Verteidigung, Sicherheit zu haben, daß fernerhin Abhörungen von Gesprächen zwischen Angeklagten und Verteidigern nicht überwacht werden, erfordert eine gründliche Prüfung, wie dergleichen verhindert werden kann. Der Senat hat sich, wie ich das vorhin kurz angedeutet habe, mit solchen Fragen auch schon befaßt. Falls - dies nur eine Gelegenheit zu etwaiger Äußerung - falls die Verteidigung konkrete Wünsche oder Vorstellungen hat, wie nun die Unüberwachtheit von Verteidigerbesuchen konkret gesichert werden könnte, so würde der Senat solche Vorstellungen selbstverständlich anhören und bei seinen Maßnahmen mit in die Betrachtung einbeziehen[wwww]. Falls also hierzu noch irgendwelche konkreten Wünsche geäußert werden sollten, so bestünde sowohl jetzt als auch möglicherweise bei einer Fortsetzung heute nachmittag Gelegenheit. Falls das nicht wahrgenommen werden soll, dann würden wir am Donnerstag, den 31.3.1977, 9 Uhr, fortsetzen und bis dahin das heute Vorgetragene uns gründlich überlegen und Konsequenzen daraus ziehen. Wird hierzu irgend etwas bemerkt? Herr Rechtsanwalt Künzel, bitte.

RA Kün[zel]:

Darf ich annehmen, daß man die Vorstellungen auch schriftlich heute nachmittag oder morgen dem Senat unterbreiten kann?

Vors.:

Selbstverständlich. Es wäre gut, wenn das natürlich alsbald geschehen könnte. Ich meine nur, ich habe eben folgendes im Auge: Der Senat will nicht irgendwelche Maßnahmen treffen, und dann kommt vielleicht einer der Herrn Verteidiger und sagt, das hätte ich auch noch gern gehabt, und so könnte man das eben gleich einarbeiten, gegebenenfalls. Wenn sonst keine Erklärungen gewünscht werden im Augenblick, dann würden wir also am Donnerstag, 31.3.1977, 9 Uhr, fortsetzen.

Ende des 187. Verhandlungstages um 12.31 Uhr

Ende von Band 817


[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 – Az.: 1 StE 1/74 – StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[2] Nachdem am 185. Verhandlungstag bekannt wurde, dass vertrauliche Verteidigungsgespräche in der Haftanstalt Stuttgart-Stammheim abgehört worden waren, erklärte Rechtsanwalt Schily, die Verteidigung könne es „unter keinen Umständen verantworten, hier auch nur eine Minute länger in dem Verfahren mitzuwirken, um hier noch vielleicht als eine Art Alibi aufzutreten, daß es noch so etwas gebe wie eine Verteidigung“ (S. 13713 des Protokolls der Hauptverhandlung, 185. Verhandlungstag).

[3] Anlage 1 zum Protokoll vom 29. März 1977: Schreiben des Vorsitzenden Dr. Foth an den Justizminister Dr. Bender vom 22. März 1977.

[4] Anlage 2 zum Protokoll vom 29. März 1977: Antwortschreiben des Justizministers Dr. Bender an den Vorsitzenden Dr. Foth vom 28. März 1977.

[5] Die Verteidigung bestand aus zwei „Lagern“: Zum einen den Vertrauensverteidiger/innen, die von den Angeklagten ursprünglich frei gewählt (§§ 137, 138 StPO) und ihnen z.T. als Pflichtverteidiger/innen beigeordnet worden waren (§ 141 StPO); zum anderen den von den Angeklagten sog. Zwangsverteidigern, die ihnen durch das Gericht gegen ihren Willen zur Sicherung des Verfahrens beigeordnet worden waren. Die Hauptverhandlung konnte daher trotz grundsätzlich notwendiger Verteidigung (§ 140 Abs. 1 Nr. 1, 2, 5 StPO) stets weitergeführt werden, auch wenn keine/r der Vertrauensverteidiger/innen anwesend war. Die Angeklagten weigerten sich allerdings, mit den von ihnen abgelehnten Verteidigern zu sprechen. Die Zweiteilung der Verteidigung wurde auch räumlich sichtbar: Während die Vertrauensverteidigung bei den Angeklagten Platz nehmen konnte, saßen die von den Angeklagten abgelehnten Verteidiger ihnen gegenüber auf der anderen Seite des Saales, neben den Vertretern der Bundesanwaltschaft (s. auch die Skizze in Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 185).

[6] Da die vollständige Verhandlungsfähigkeit – d.h. die Fähigkeit, „in und außerhalb der Verhandlung seine Interessen vernünftig wahrzunehmen, die Verteidigung in verständiger und verständlicher Weise zu führen sowie Prozesserklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen“ (BGH, Beschl. v. 8.2.1995 – Az.: 5 StR 434/94, BGHSt 41, S. 16, 18) – der Angeklagten durch die Verteidigung seit Beginn der Hauptverhandlung immer wieder bestritten wurde, beauftragte das Gericht mit Beschluss vom 18.7.1975 eine Kommission aus Sachverständigen verschiedener Fachrichtungen mit der Begutachtung der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten (der Beschluss selbst ist nicht im Protokoll enthalten, vgl. aber den ergänzenden Beschluss in Anlage 2 zum Protokoll vom 29.7.1975, S. 1570 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 20. Verhandlungstag; zur Chronologie der Beauftragungen der verschiedenen Gutachter s. die Ausführungen des Rechtsanwalts von Plottnitz am 26. Verhandlungstag, S. 2093 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Die abschließenden Gutachten, die am 39. Verhandlungstag bekannt gegeben wurden, legten eine zeitlich beschränkte Verhandlungsfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit nahe. Die Gutachten sind im Protokoll nicht enthalten. Auszüge finden sich in Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 207 ff., sowie Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 117 ff. Dem lässt sich entnehmen, dass die Internisten Prof. Dr. Müller und Prof. Dr. Schröder von einer eingeschränkten Verhandlungsfähigkeit von drei Stunden pro Tag ausgingen, wobei kürzere Pausen nicht mit einzubeziehen seien (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 208). Zur Behandlungsmöglichkeit führte der Sachverständige Prof. Dr. Rasch aus: „[D]ie Durchführung einer Behandlung dürfte während der Dauer der Hauptverhandlung und bei Beibehaltung der jetzt gegebenen Haftbedingungen nicht möglich sein“ (so die Wiedergabe des Vorsitzenden Dr. Prinzing auf S. 3112 des Protokolls der Hauptverhandlung, 39. Verhandlungstag). Am 40. Verhandlungstag verkündete der Vorsitzende Dr. Prinzing schließlich den Senatsbeschluss, wonach die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten fortgesetzt werde (s. Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag). Der BGH bestätigte diese Entscheidung mit Beschluss vom 22.10.1975, wies allerdings darauf hin, dass die Angeklagten nicht davon abgehalten werden dürften, freiwillig weiter an der Hauptverhandlung teilzunehmen (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 – Az.: 1 STE 1/74 – StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[7] § 231a Abs. 2 StPO lautet: „Sobald der Angeklagte wieder verhandlungsfähig ist, hat ihn der Vorsitzende, solange mit der Verkündung des Urteils noch nicht begonnen worden ist, von dem wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was in seiner Abwesenheit verhandelt worden ist.“

[8] Am 185. Verhandlungstag wurde bekannt, dass in der Haftanstalt Stuttgart-Stammheim Verteidigungsgespräche abgehört worden waren.

[9] § 260 Abs. 3 StPO lautet: „Die Einstellung des Verfahrens ist im Urteil auszusprechen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht.“

[10] Rolf Pohle war ein linker Aktivist aus München. 1969 wurde er aufgrund seiner Teilnahme an den Osterunruhen nach dem Mordanschlag auf Rudi Dutschke zu 15 Monaten Haft (ohne Bewährung) verurteilt, jedoch im Rahmen der „Brandt-Amnestie“ wieder freigelassen. Nachdem ihm aufgrund seiner Vorstrafe jedoch die Zweite Juristische Staatsprüfung verwehrt blieb, bewegte er sich ab 1970/71 im Umfeld der militanten Münchner Formation „Tupamaros München“. Am 18. Dezember 1971 wurde er verhaftet, als er versuchte, mit einem gefälschten Ausweis Waffen zu erwerben und im März 1974 wegen illegalen Waffenbesitzes und aufgrund seiner angeblichen Zugehörigkeit zur RAF wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu einer Haftstrafe in Höhe von fast sechseinhalb Jahren verurteilt. Er gehörte zu denjenigen Insass/innen, die 1975 durch die Lorenz-Entführung in den Südjemen ausgeflogen wurden. Er verließ den Jemen aber und ging nach Griechenland, wo er 1976 verhaftet wurde. Zunächst lehnten griechische Behörden und Gerichte eine Überstellung in die Bundesrepublik ab. Pohles Auslieferung wurde zum Skandal, als sich viele Unterstützer/innen in Griechenland mit Parolen wie „Übergebt Pohle nicht den Nazis!“ mobilisierten und der Fall vor dem obersten Gericht für Zivil- und Strafsachen (Areopag) verhandelt wurde. Letztlich wurde Pohle im Oktober 1976 ausgeliefert und in die JVA Straubing verlegt. Pohle bestritt bis zu seinem Tod seine Mitgliedschaft in der RAF und wird von der aktuellen Forschung eher der im Entstehen befindlichen Bewegung 2. Juni zugerechnet (Danyluk, Blues der Städte, 2019, S. 513 f.; Hocks, in Kiesow/Simon [Hrsg.], Vorzimmer des Rechts, 2006, S. 129 ff.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 761 Anm. 56; Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa, 2014, S. 388 f.).

[11] Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges und mit dem Ziel, die Ausbreitung des Kommunismus in Südostasien einzudämmen, führten die USA in Vietnam von 1964 bis 1973 einen Luft- und Bodenkrieg gegen die südvietnamesische Befreiungsfront und nordvietnamesische Truppen. Trotz wachsender Proteste in der amerikanischen Bevölkerung und entgegen den Einschätzungen und Warnungen hochrangiger Berater, entschieden sich mehrere US-Präsidenten für die Fortsetzung der Kämpfe. Während dieses Krieges griff das US-amerikanische Militär auf Methoden zurück (u.a. search and destroy, Phoenix-Programm), die darauf ausgerichtet waren, möglichst viele Gegner/innen auszuschalten und deren Strukturen zu zerschlagen (Fischer, Die USA im Vietnamkrieg, 2009, S. 104 ff.; Frey, Geschichte des Vietnamkriegs, 2016, S. 83 ff.; 126 ff.; 144 ff.; 187 ff.; Greiner, Krieg ohne Fronten, 2007, S. 56 ff.). Der Krieg der USA in Vietnam stieß seit Ende der 1960er Jahre auf zunehmende Kritik und Proteste, auch innerhalb der bundesrepublikanischen Gesellschaft, wo sie insbesondere von der Außerparlamentarischen Opposition (APO) während der Jahre 1967 und 1968 auf die Straße getragen wurde. Während es sich dabei bis Frühjahr 1968 um Demonstrationen und Proteste handelte, weiteten Teile der Protestbewegung ihre Aktionsformen in militantere Aktionen aus. Als die APO 1968 an Bedeutung verlor, verfestigte sich bei einigen Gruppierungen der Eindruck, dass die von ihnen angeprangerten Strukturen nur mit Gewalt überwunden werden könnten. Die RAF bildete eine dieser Gruppierungen. Bereits vor der eigentlichen Entstehung der RAF im Rahmen der bewaffneten Befreiung Andreas Baaders im Mai 1970, verübten spätere Mitglieder erste Brandanschläge (Kraushaar, Die blinden Flecken der 68er Bewegung, 2018, S. 262 ff.; Siegfried, 1968, 2018, S. 163 f.; Straßner, in Ders. [Hrsg.], Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 209, 211 ff.).

[12] Am 2. Juni 1972 wurde aufgrund einer Bombendrohung die Stuttgarter Innenstadt gesperrt. In einem Schreiben unbekannter Herkunft war zuvor ein Sprengstoffanschlag auf drei Autos durch „RAF-Pionier-Sprengexperten“ angekündigt worden. Die Drohung bewahrheitete sich nicht, fand jedoch große mediale Aufmerksamkeit. Die Echtheit des Schreibens wurde schon kurze Zeit später in Zweifel gezogen (Balz, in Hürter/Rusconi [Hrsg.], Die bleiernen Jahre, 2010, S. 76 f.).

[13] Massenveranstaltungen wie die Fußballweltmeisterschaft 1974 wurden nach dem Attentat auf die israelische Mannschaft bei den Olympischen Spielen 1972 als besonders sensible Ereignisse wahrgenommen. In diesem Zusammenhang häuften sich spekulative Meldungen, wie die über einen geplanten Raketenangriff der RAF auf das Hamburger Volksparkstadion (Balz, Von Terroristen, Sympathisanten und dem starken Staat, 2008, S. 192).

[14] Anlässlich einer gestohlenen Flasche Zyankali nährten Polizei und Bild-Zeitung im Mai 1974 Gerüchte, die RAF wolle durch eine Trinkwasservergiftung in einer deutschen Großstadt die Freilassung von Meinhof und Ensslin durchsetzen. Die Gerüchte entbehrten jedoch jeder Grundlage (Balz, in Hürter/Rusconi [Hrsg.], Die bleiernen Jahre, 2010, S. 73, 80).

[15] Zwei angeblich aus einem Bundeswehrdepot verschwundene Senfgasflaschen lösten im Mai 1975 Spekulationen über einen Giftgas-Angriff der RAF aus. Als Folge dieser von zahlreichen Tageszeitungen aufgegriffenen Meldung erließ z.B. die Bundestagspräsidentin eine Besuchersperre im Bundestag. Später wurde jedoch festgestellt, dass gar keine Flaschen entwendet worden waren (Balz, in Hürter/Rusconi [Hrsg.], Die bleiernen Jahre, 2010, S. 79; Balz, Von Terroristen, Sympathisanten und dem starken Staat, 2008, S. 191).

[16] Holger Meins war ursprünglich Mitangeschuldigter im Stammheim-Prozess, starb aber noch vor Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) am 9. November 1974 in Untersuchungshaft in Wittlich an den Folgen des dritten Hungerstreiks. Für seinen Tod machten die Angeklagten staatliche Akteure, u.a. den Vorsitzenden Dr. Prinzing sowie die Bundesanwaltschaft verantwortlich (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 117 ff.).

[17] Am 24. April 1975 überfiel das RAF-Kommando „Holger Meins“ die deutsche Botschaft in Stockholm und forderte die Freilassung von 26 inhaftierten RAF-Mitgliedern, darunter von Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof. Dem Kommando gehörten Karl-Heinz Dellwo, Siegfried Hausner, Hanna Krabbe, Bernhard Rössner, Lutz Taufer und Ulrich Wessel an. Zur Durchsetzung ihrer Forderungen nahmen sie zwölf Geiseln, von denen sie zwei erschossen. Anders als zwei Monate zuvor bei der Lorenz-Entführung durch die Bewegung 2. Juni lehnte die Bundesregierung nun Verhandlungen mit den Geiselnehmer/innen ab. Ihr Ende fand die Geiselnahme durch eine nicht geklärte Sprengstoffexplosion im Inneren des Botschaftsgebäudes, die sich noch vor dem Zugriff schwedischer Sicherheitskräfte ereignete. Bei der Explosion wurde Ulrich Wessel tödlich verletzt. Siegfried Hausner erlag seinen Verletzungen Anfang Mai 1975 in der JVA Stuttgart-Stammheim. Die übrigen vier Geiselnehmer/innen wurden verhaftet und am 20. Juli 1977 zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt (Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 361 ff.; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 69).

[18] Mit dieser Behauptung wurde z.T. versucht, die Abhörmaßnahmen in der Stuttgarter Haftanstalt zu rechtfertigen (s. auch das Antwortschreiben des Justizministers Baden-Württembergs in Anlage 2 zum heutigen Verhandlungstag, S. 13738 ff.).

[19] Über RAF-Anschläge auf Atomkraftwerke wurde in der bundesrepublikanischen Medienöffentlichkeit immer wieder spekuliert (Balz, Von Terroristen, Sympathisanten und dem starken Staat, Frankfurt a.M. 2008, S. 191 ff.).

[20] Über entsprechende mediale Gerüchte ist in der historischen Forschung nichts bekannt.]

[21] Am 6. Dezember 1974 kam es zu einer Explosion im Bremer Hauptbahnhof, bei der sechs Menschen schwer verletzt wurden. Während des folgenden Jahres explodierten auch in Hamburg, Köln und Nürnberg Bomben in Bahnhöfen. Tageszeitungen wie BILD und die Welt erkannten darin Aktionen der radikalen Linken. Die RAF und andere Gruppen hingegen distanzierten sich ausdrücklich von „Aktionen gegen das Volk“. Die Anschlagsserie blieb unaufgeklärt (Balz, Von Terroristen, Sympathisanten und dem starken Staat, 2008, S. 189 f., S. 194).

[22] „Zwangsverteidiger“ ist kein offizieller Begriff. Er wurde von den Angeklagten in Abgrenzung zu den sog. Vertrauensverteidiger/innen verwendet, um ihr Verhältnis zu den ihnen gegen ihren Willen beigeordneten Verteidigern zu beschreiben. Ulrike Meinhof führte am 1. Verhandlungstag aus: „Es handelt sich bei diesen Verteidigern um Zwangsverteidiger, die als Instrumente der B. Anwaltschaft ohne jede Kompetenz, abhängige Staatsschutzverteidiger sind, d. h. ihrer Funktion in diesem Prozeß nach Vertreter der Anklagebehörden und der Staatsschutzabteilung“ (S. 85 des Protokolls der Hauptverhandlung). Auch in anderen Verfahren gegen Mitglieder der RAF erfolgten solche Beiordnungen zur Sicherung des Verfahrens. In der Literatur war diese Vorgehensweise – die Beiordnung von Pflichtverteidiger/innen gegen den Willen der Angeklagten neben vorhandenen (Wahl-)Verteidiger/innen – lange umstritten (s. dazu Thomas/Kämpfer, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, § 141 Rn. 6). Die Rechtsprechung ließ diese sog. Sicherungsverteidigung zu (BVerfG, Beschl. v. 28.3.1984 – Az.: 2 BvR 275/83, BVerfGE 66, S. 313, 321; BGH, Urt. v. 11.12.1952 – Az.: 3 StR 396/51, BGHSt 3, S. 395, 398; s. auch EGMR, Urt. v. 25.9.1992 – Az.: 62/1991/314/385, EuGRZ 1992, S. 542, 545 f.). Erst mit dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 (BGBl. I, S. 2128) wurde hierfür in § 144 StPO auch eine gesetzliche Regelung geschaffen.

[23] Am 18. Juni 1976 verübten Unbekannte einen Brandanschlag auf die Kanzlei des Rechtsanwaltes Klaus-Jürgen Langner, der der RAF-Angehörigen Margrit Schiller in ihrem Verfahren vor dem LG Hamburg als Pflichtverteidiger beigeordnet war. Eine Mitarbeiterin Langners starb infolge des Anschlags. Der Rechtanwalt Heinz Peters war als Pflichtverteidiger in dem Verfahren gegen die Täter/innen des Stockholm-Attentats beteiligt. Im Februar 1977 verübten nach eigenem Bekunden Teile der Revolutionären Zellen (RZ) einen Brandanschlag auf Peters Auto, um den Verteidiger dazu zu bringen, sich entpflichten zu lassen (Mehlich, Der Verteidiger in den Strafprozessen gegen die Rote-Armee-Fraktion, 2012, S. 285).

[24] Am 1. Januar 1975 traten das Erste Strafverfahrensreformgesetz vom 9. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3393) sowie das Ergänzungsgesetz hierzu vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3686) in Kraft. Hierdurch wurden u.a. die Möglichkeit des Verteidiger/innenausschlusses (§ 138a StPO), die Beschränkung auf drei Wahlverteidiger/innen pro Beschuldigte/n (§ 137 Abs. 1 Satz 2 StPO), das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO), sowie die Möglichkeit, den Prozess im Falle vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführter Verhandlungsunfähigkeit bis zum Abschluss der Vernehmung der Angeklagten zur Sache auch in ihrer Abwesenheit durchzuführen (§ 231a StPO), eingeführt. Durch diese und weitere Reformen während der Hauptverhandlung wurden die Rechte der Angeklagten sowie der Verteidigung erheblich eingeschränkt (Tenfelde, Die Rote Armee Fraktion und die Strafjustiz, 2009, S. 72 ff.). Da viele der Vorschriften im Hinblick auf das anstehende Stammheimer Verfahren beschlossen wurden, wurden sie u.a. als „lex RAF“ kritisiert (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 132 ff.). Sie sind überwiegend noch heute in Kraft.

[25] Zwischen dem 22. April und dem 13. Mai 1975, und damit noch vor Beginn der Hauptverhandlung, wurden die Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele, zu diesem Zeitpunkt allesamt Verteidiger von Andreas Baader, auf Grundlage des erst am 1.1.1975 in Kraft getretenen § 138a StPO wegen des Verdachts der Tatbeteiligung (Unterstützung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB) von der Mitwirkung im Verfahren ausgeschlossen; zudem wurden strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 156 ff., S. 537 ff.; s. auch die angehängte Chronik in Dreßen [Hrsg.], Politische Prozesse ohne Verteidigung?, 1976, S. 104 f.). Bereits mit Verfügung vom 3. Februar 1975 hatte aber der frühere Vorsitzende Dr. Prinzing die Beiordnung der Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele als Pflichtverteidiger von Andreas Baader aufgehoben, da nicht auszuschließen sei, „daß sie von den Bestimmungen über den Ausschluß von Verteidigern im Strafverfahren betroffen werden könnten“ (s. dazu S. 235 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 3. Verhandlungstag).

[26] Ehrengerichtsverfahren (heute: anwaltsgerichtliche Verfahren) können im Falle einer Verletzung berufsrechtlicher Pflichten von Anwält/innen durch die Staatsanwaltschaft vor speziellen Anwaltsgerichten, früher „Ehrengerichte“ eingeleitet werden (§ 121 BRAO). Diese können verschiedene Maßnahmen gegen den Rechtsanwalt/die Rechtsanwältin verhängen; diese reichen – je nach Schwere des Verstoßes – von einer Warnung (§ 114 Abs. 1 Nr. 1 BRAO) bis zum Ausschluss aus der Rechtsanwaltschaft (§ 114 Abs. 1 Nr. 4 BRAO a.F.; heute: § 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO). Gegen die Verteidiger/innen in den RAF-Prozessen wurden zahlreiche solcher Ehrengerichtsverfahren eingeleitet (s. dazu etwa das Interview mit von Plottnitz, in Diewald-Kerkmann/Holtey [Hrsg.], Zwischen den Fronten, 2013, S. 91, 95 f.; s. auch die Dokumentation von Ehrengerichtsverfahren von Spangenberg, Kritische Justiz 1976, S. 202).

[27] Gegen die vom Verfahren ausgeschlossenen Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele wurden Ermittlungsverfahren wegen der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung eingeleitet. Am 23. Juni 1975 wurden die Kanzleiräume der Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele sowie der Rechtsanwältin Becker durchsucht. Rechtsanwältin Becker wurde einen halben Tag festgehalten und schließlich wieder entlassen, Croissant und Ströbele wurden verhaftet (s. hierzu die Ausführungen des Rechtsanwalts Dr. Heldmann am 9. Verhandlungstag, S. 748 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, und der Rechtsanwältin Becker, S. 754 f. des Protokolls). Nachdem der Haftbefehl gegen Rechtsanwalt Dr. Croissant nach einigen Wochen Haft außer Vollzug gesetzt worden war, entschied das LG Stuttgart am 16.7.1976, ihn erneut in Untersuchungshaft zu nehmen. Er wurde noch am selben Tag verhaftet. Am 19.8.1976 wurde er (unter denselben Auflagen wie vorher) aus der Haft entlassen. Am 16.2.1979 wurde er schließlich vom LG Stuttgart zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt, zudem wurde gegen ihn ein vierjähriges Berufsverbot verhängt. Das AG Berlin-Tiergarten hob den Haftbefehl gegen Rechtsanwalt Ströbele mit Beschluss vom 18.7.1975 zunächst auf; diese Entscheidung wurde auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft allerdings ihrerseits durch Beschluss des LG Berlin vom 21.7.1975 aufgehoben. Der Haftbefehl blieb aber außer Vollzug gesetzt. Mit Urteil vom 24.3.1982 wurde Ströbele schließlich vom LG Berlin zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 222 ff., 410 ff., 531 ff.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 52; s. auch die Interviews mit Groenewold und Ströbele, in Diewald-Kerkmann/Holtey [Hrsg.], Zwischen den Fronten, 2013, S. 49, 58 f., 70 f. sowie S. 121 ff., 132 f.).

[28] RAF-Mitglied Siegfried Hausner verstarb, wie Holger Meins, während der Untersuchungshaft und damit in Obhut des Staates. Während Hausner Verletzungen erlag, die er während der Geiselnahme in der Deutschen Botschaft in Stockholm erlitten hatte (Fn. 23), verstarb Holger Meins an den Folgen des dritten Hungerstreiks (Fn. 16). Für beide Tode machten die Angeklagten staatliche Akteure verantwortlich (s. dazu auch die Ausführungen von Andreas Baader auf S. 586 f., 6. Verhandlungstag).

[29] Die Schaffung einer speziellen gesetzlichen Kronzeugenregelung wurde zum damaligen Zeitpunkt zwar diskutiert, erfolgte aber zunächst nicht. Während bereits mit Gesetz vom 28.7.1981 (BGBl. I, S. 681) eine Kronzeugenregelung für Betäubungsmitteldelikte geschaffen wurde (§ 31 BtMG), geschah dies erst 1989 auch für terroristische Straftaten (BGBl. I, S. 1059, 1061). Diese Regelung trat jedoch zum 1.12.1999 wieder außer Kraft. Erst seit dem 1.9.2009 gibt es im deutschen Strafrecht mit § 46b StGB eine allgemeine Kronzeugenregelung (eingeführt durch das 43. Strafrechtsänderungsgesetz vom 29.7.2009, BGBl. I, S. 2288).

[30] Gerhard Müller – ehemals Mitglied der RAF – wurde später zu einem der Hauptbelastungszeugen in diesem sowie in weiteren Verfahren gegen Mitglieder der RAF. Er wurde ab dem 124. Verhandlungstag als Zeuge vernommen. Das LG Hamburg verurteilte ihn mit Urteil vom 16.3.1976 u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Beihilfe zum Mord, Beteiligung an Bombenanschlägen und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zehn Jahren (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 113 ff.; Riederer, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 29). Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass die umfassende Aussage Müllers u.a. durch das Versprechen diverser ungesetzlicher Vorteile unzulässig beeinflusst worden war (s. hierzu etwa die Beweisanträge in den Anlagen 4 bis 19 zum Protokoll zum 20.7.1976, S. 10643 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 128. Verhandlungstag; s. zu den Vorwürfen der Verteidigung auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 305 ff.).

[31] Die auch als „Geheimakte“ bezeichnete Akte „3 ARP 74/75 I“ enthielt Aussagen des Zeugen Gerhard Müller. Für diese Akte hatte der damalige Bundesjustizminister Vogel zunächst eine umfassende Sperrerklärung nach § 96 StPO („Die Vorlegung oder Auslieferung von Akten oder anderen in amtlicher Verwahrung befindlichen Schriftstücken durch Behörden und öffentliche Beamte darf nicht gefordert werden, wenn deren oberste Dienstbehörde erklärt, daß das Bekanntwerden des Inhalts dieser Akten oder Schriftstücke dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde“) abgegeben. Die Verteidigung bemühte sich lange darum, Einblick in die Akte zu erhalten. Nachdem die Prüfung und Entscheidung darüber, die Sperrerklärung wieder aufzuheben, der Bundesanwaltschaft anvertraut wurde (s. die Mitteilung des Vorsitzenden Dr. Prinzing am 157. Verhandlungstag, S. 12215 des Protokolls der Hauptverhandlung), gab diese schließlich am 158. Verhandlungstag nach erneuter Prüfung einen Großteil der Akte heraus (S. 12262 des Protokolls der Hauptverhandlung; s. zu den Vorgängen und Vermutungen rund um diese Akte auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 368 ff.). Am 159. Verhandlungstag wurde ein Schreiben des Bundesjustizministers bekanntgegeben, in welchem die letzten noch geheimhaltungsbedürftigen Passagen konkretisiert wurden (s. Anlage 2 zum Protokoll vom 9.11.1976, S. 12306 des Protokolls der Hauptverhandlung, 159. Verhandlungstag).

[32] Der Polizeibeamte Norbert Schmid wurde bei einem Festnahmeversuch des RAF-Mitglieds Margrit Schiller erschossen. Er war das erste Opfer der RAF. Der genaue Tatvorgang, insbesondere die Täterschaft, konnte bis heute nicht aufgeklärt werden. Schiller selbst belastete Gerhard Müller schwer, der mit Urteil vom 16.3.1976 vom LG Hamburg zwar für andere Taten, nicht aber für den Mord an Schmid verurteilt wurde (Fn. 38). Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass der Freispruch Müllers in Bezug auf den Mord an Norbert Schmid Teil einer unzulässigen Absprache mit den Strafverfolgungsbehörden gewesen sei (s. dazu etwa die Beweisanträge in den Anlagen 8 und 12 zum Protokoll vom 20.7.1976, S. 10649 f., 10659 des Protokolls der Hauptverhandlung, 128. Verhandlungstag).

[33] Während der 1960er Jahre intensivierte sich die Forschung zu den Wirkungen von Reizentzügen (sensorische Deprivation). U.a. forschte der tschechische Psychiater Jan Gross auf diesem Gebiet, der in der psychiatrischen Klinik Hamburg-Eppendorf seine Forschungen mit der dort vorhandenen „Camera silens“ verknüpfte. Im Zuge der Debatte um die gegen RAF-Mitglieder angewandte „Isolationsfolter“ wurden diese Forschungen von Unterstützer/innen sowie der RAF als Mittel staatlicher Vernichtungspläne propagandistisch umgedeutet (Koenen, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 2, 2006, S. 994 ff.; Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 99, 112).

[34] Mit „Trakt“, auch „Toter Trakt“, bezeichneten die Angeklagten einen isolierten Trakt innerhalb einer JVA. In der JVA Köln-Ossendorf befand sich ein solcher Trakt in der psychiatrischen Frauenabteilung, in der zunächst Astrid Proll untergebracht war, später auch Ulrike Meinhof, bevor sie im April 1974 nach Stuttgart-Stammheim verlegt wurde. Im Februar 1974 wurde auch Gudrun Ensslin für zwei Monate nach Köln-Ossendorf verlegt (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 97 ff.). Meinhof beschrieb den Zustand im Trakt mit den Worten: „Das Gefühl, es explodiert einem der Kopf (das Gefühl, die Schädeldecke müsste eigentlich zerreißen, abplatzen) – das Gefühl, es würde einem das Rückenmark ins Gehirn gepresst [...]. das Gefühl, die Zelle fährt [...] rasende Aggressivität, für die es kein Ventil gibt. Das ist das Schlimmste. Klares Bewußtsein, daß man keine Überlebenschance hat [...]“ (Erklärung von Ulrike Meinhof, abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 103 ff.; s. auch die Ausführungen im Antrag der Angeklagten am 5. Verhandlungstag, Anlage 1 zum Protokoll vom 12.6.1975, insbes. die S. 425 ff. des Protokolls bzw. 20 ff. der Anlage; s. zu den Haftbedingungen in Köln-Ossendorf aber auch Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 95 ff.).

[35] Nach § 231a StPO kann die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Angeklagten fortgeführt werden, wenn diese noch nicht zur Anklage vernommen wurden, sie sich vorsätzlich und schuldhaft in den Zustand der Verhandlungsunfähigkeit versetzt haben und das Gericht ihre Anwesenheit nicht für unerlässlich hält. Die Norm wurde zum 1.1.1975 durch das Gesetz zur Ergänzung des Ersten Strafverfahrensreformgesetzes vom 20. Dezember 1974 (Fn. 24) eingeführt. Bereits vor dem Inkrafttreten der neuen Norm war eine solche Vorgehensweise zumindest für den Zeitraum nach Vernehmung der Angeklagten zur Sache (§ 243 Abs. 4 StPO a.F.; heute: Abs. 5) zulässig, da das eigenmächtige Versetzen in den Zustand der Verhandlungsunfähigkeit mit dem eigenmächtigen Entfernen der Angeklagten aus der Hauptverhandlung gleichgesetzt wurde (so BGH, Urt. v. 22.4.1952 – Az.: 1 StR 622/51, BGHSt 2, S. 300, 304). Für diesen Fall galt schon damals § 231 Abs. 2 StPO, der die Fortsetzung der Hauptverhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglichte. Die Einführung des § 231a StPO führte nur insofern zu einer Verschärfung der Rechtslage, als dass die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten nun bereits vor Abschluss der Vernehmung zur Sache möglich wurde. Für die Zeit danach ist auch heute noch § 231 Abs. 2 StPO anwendbar (Becker, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 6, 27. Aufl. 2019, § 231 Rn. 16 und § 231a Rn. 1 f., 10; Meyer-Goßner, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 231 Rn. 17 ff.).

[36] Gemeint sein dürfte § 138a StPO, wonach Verteidiger/innen von der Mitwirkung in einem Strafverfahren bei dringendem Verdacht der Tatbeteiligung ausgeschlossen werden können. Die Vorschrift war Teil der umfangreichen Reformen, mit denen die Rechte der Angeklagten und der Verteidigung noch vor Beginn der Hauptverhandlung erheblich eingeschränkt wurden (s. bereits Fn. 24). Sie war erforderlich geworden, nachdem das Bundesverfassungsgericht den vorigen Ausschluss des Rechtsanwalts Schily mangels Rechtsgrundlage für verfassungswidrig erklärt hatte (BVerfG, Beschl. v. 14.2.1973 – Az.: 2 BvR 667/72, BVerfGE 34, S. 293 ff.). Die neu eingeführte Vorschrift § 138a StPO hatte vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand (BVerfG, Vorprüfungsausschuss, Beschl. v. 4.7.1975 – Az.: 2 BvR 482/75, NJW 1975, S. 2341). Zum Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens s. die Ausführungen des Rechtsanwalts Dr. Heldmann am 11. Verhandlungstag, S. 837 f. des Protokolls der Hauptverhandlung.

[37] Ebenfalls zum 1.1.1975 trat das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) in Kraft, wodurch die bis dahin zulässige kollektive Verteidigung mehrerer Angeklagter bei gleicher Interessenslage – auch „Blockverteidigung“ genannt – abgeschafft wurde. Der Vorsitzende Dr. Prinzing achtete in der Regel sehr genau darauf, dass jede/r Verteidiger/in nur zu Vorgängen sprach, die den/die eigene/n Mandant/in betrafen und unterband Abweichungen hiervon unter Hinweis auf das Verbot der Mehrfachverteidigung (s. dazu etwa die Diskussion am 4. Verhandlungstag, S. 279 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, sowie am 12. Verhandlungstag, S. 928 f. des Protokolls).

[38] Ulrike Meinhof trat seit 1958 immer häufiger öffentlich mit ihrem Engagement gegen atomare Aufrüstung auf. Sie gab Flugblätter heraus und war Sprecherin des SDS-nahen „Anti-Atomtod-Ausschusses“. 1959 wurde Meinhof Mitarbeiterin und bald Chefredakteurin der linken Zeitschrift „konkret“. Vor allem mit ihren Kolumnen, in denen sie sich zugespitzt zu politischen Themen wie dem Vietnamkrieg, den Notstandsgesetzen oder den Aktionen gegen den Springer-Verlag äußerte, erlangte sie bundesweite Bekanntheit (s. die Beiträge von Diewald-Kerkmann und Seifert in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 657, 668 f., bzw. S. 353, 361 ff.).

[39] Die Außerparlamentarische Opposition (APO) entstand 1966 als Antwort auf die Große Koalition und die damit einhergehende Schwächung der Opposition im Bundestag. Getragen wurde die APO von der Studentenbewegung, insbesondere dem Sozialistischen Studentenbund (SDS), von einer breiten bürgerlichen Bewegung gegen die geplanten Notstandsgesetze, von der Ostermarschbewegung bzw. der Kampagne für Abrüstung und von einzelnen Gewerkschaften. Einen gemeinsamen Nenner fanden sie vor allem in ihrer Ablehnung der geplanten Notstandsgesetzgebung und später in der Anti-Springer-Kampagne. Die APO vermochte eine Vielzahl von Unterstützer/innen zu mobilisieren und mit Protestmärschen, Kundgebungen, politischen Diskussionsrunden, Flugblättern und vermehrt auch politischen Aktionen auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Mit der Verabschiedung der Notstandgesetzgebung im Mai 1968 und einer fortschreitenden Distanzierung verschiedener Strömungen innerhalb der Bewegung, zerfiel auch die APO schließlich im Laufe des Jahres 1968 (Kraushaar, Die blinden Flecken der 68er Bewegung, 2018, S. 129 ff.; Siegfried, 1968, 2018, S. 163 f.; Straßner, Historisch-Politische Mitteilungen 14, 2007, S. 99, 104 ff.).

[40] Mit Beschluss vom 13.7.1973 gab der Untersuchungsrichter am BGH Knoblich dem Antrag der Bundesanwaltschaft statt, Ulrike Meinhof – notfalls gegen ihren Willen unter Anwendung von Narkose – auf ihre Zurechnungsfähigkeit während der Tatzeit untersuchen zu lassen. Hintergrund war, dass sie sich 1962 aufgrund eines gutartigen Tumors einer Gehirnoperation unterziehen musste, sodass der Verdacht einer Beeinträchtigung durch einen Tumor aufkam. Zu den genehmigten Behandlungen zählten Röntgenaufnahmen und eine Szintigraphie des Gehirns. In einem offenen Brief wandten sich 70 Ärzte und Medizinalassistenten direkt an den Richter am BGH Knoblich mit der Aufforderung, diesen Beschluss aufzuheben (der Brief ist abgedruckt in: Komitees gegen Folter an politischen Gefangenen in der BRD, Der Kampf gegen die Vernichtungshaft, S. 133 f.). Dies geschah schließlich auch auf Antrag der Bundesanwaltschaft, allerdings mit der Begründung, die Untersuchung sei aufgrund neuer Erkenntnisse überflüssig geworden (so Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 115 f.; s. dazu auch Ulrike Meinhof am 19. Verhandlungstag, S. 1541 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[41] Am Morgen des 9. Mai 1976 wurde Ulrike Meinhof tot in ihrer Zelle aufgefunden. Die Umstände ihres Todes – offiziell Suizid durch Erhängen – wurden, nicht zuletzt durch die Vertrauensverteidigung, erheblich angezweifelt. Meinhofs Tod wurde zu einem medial breit diskutierten Ereignis (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 394 ff.; Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 268 ff.; März, Linker Protest nach dem Deutschen Herbst, 2012, S. 159 ff.; Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa, 2014, S. 398 ff.). Der Angeklagte Raspe erklärte am 109. Verhandlungstag: „Wir glauben, daß Ulrike hingerichtet worden ist; wir wissen nicht, wie, aber wir wissen, von wem“ (S. 9609 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[42] Ulrich Wessel war Teil des Kommandos „Holger Meins“, das am 24. April 1975 den Überfall auf die deutsche Botschaft in Stockholm ausführte. Wessel starb, kurz bevor schwedische Spezialkräfte die Botschaft stürmen konnten, durch eine wahrscheinlich unbeabsichtigte Explosion eines Sprengsatzes (s. bereits Fn. 17).

[43] Zehn RAF-Aussteiger/innen wurde von der DDR Unterschlupf geboten. Nach dem Mauerfall wurden u.a. Susanne Albrecht, Inge Viett, Henning Beer und Silke Maier-Witt enttarnt und festgenommen (Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 582 ff.). Die Staatssicherheit hatte großes Interesse an der RAF. Es wurden insbesondere Informationen gesammelt, um die Terrorist/innen besser überwachen zu können und um zu verfolgen, ob die RAF Anschläge gegen das SED-Regime planen würde. Von der Aufnahme der Aussteiger/innen erhoffte sich die Staatssicherheit Erkenntnisse über die Absichten der RAF und hatte zugleich ein Druckmittel in der Hand, falls die RAF doch gegen die DDR agitierten sollte (zum Ganzen Der Bundesbeauftrage für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, Stadi und RAF, Stadi Mediathek, abrufbar unter https://www.stasi-mediathek.de/sammlung/stasi-und-raf/, zuletzt abgerufen am: 01.12.2021.

[44] S. bereits Fn. 11. Die RAF verstand sich selbst als Teil eines weltweiten Kampfes gegen den (US-)Imperialismus, dessen Schlachtfelder sie nicht nur in den Ländern der „Dritten Welt“, sondern auch in den Metropolen wie der Bundesrepublik verortete. Amerikanische Militäreinrichtungen in der Bundesrepublik galten dabei als Schalt- und Lagezentren für Operationen der US-Streitkräfte in Vietnam und damit unmittelbar als Schauplätze des Vietnamkriegs in Deutschland. Gegen die Bundesrepublik erhoben sie in diesem Zusammenhang den Vorwurf, die USA sowohl logistisch als auch finanziell in ihrem Krieg zu unterstützen (Klimke/Mausbach, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 620, 631 f., 634 ff.; Lemler, Die Entwicklung der RAF im Kontext des internationalen Terrorismus, 2008, S. 51 ff., 55 ff.). Explizit gegen amerikanische Militäreinrichtungen waren die Anschläge der RAF auf das Hauptquartier des 5. US-Corps in Frankfurt a.M. am 11. Mai 1972 sowie auf das Hauptquartier der 7. US-Armee und der US-Landstreitkräfte in Europa (USAREUR) in Heidelberg am 24. Mai 1972 gerichtet. Beide Anschläge wurden in anschließenden Kommando-Erklärungen u.a. mit den Bombenangriffen der USA im Vietnam-Krieg gerechtfertigt (die Kommando-Erklärungen sind abgedruckt in ID-Verlag [Hrsg.], Rote Armee Fraktion. Texte und Materialien zur Geschichte der RAF, 1. Aufl. 1997, S. 145, 147 f.).

[45] Anlage 3 zum Protokoll vom 29. März 1977: Beweisantrag von Andreas Baader auf Vernehmung von Willy Brandt und Helmut Schmidt als Zeugen.

[46] § 244 Abs. 3 bis 6 StPO enthalten die abschließenden Gründe, aus denen Beweisanträge abgelehnt werden können. Für Anträge auf Zeugenvernehmung ist Abs. 3 relevant. Abgelehnt werden können entsprechende Anträge, wenn eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, wenn die zu beweisende Tatsache für die Entscheidung ohne Bedeutung oder schon bewiesen ist, das Beweismittel völlig ungeeignet oder unerreichbar ist, oder eine erhebliche Behauptung, die zum Nachteil des/der Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr. Der bis Dezember 2019 ebenfalls in Absatz 3 enthaltene Ablehnungsgrund der Prozessverschleppung wurde durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10.12.2019 (BGBl. I, S. 2121) aufgehoben, was allerdings nicht zur Folge hat, dass derartige Anträge nun ungehindert gestellt werden könnten; vielmehr sieht § 244 Abs. 6 Satz 2 StPO vor, dass ein solcher Antrag nun gar nicht mehr durch förmlichen Beschluss abgelehnt werden muss.

[47] Die Japanische Rote Armee (JRA) war eine linksradikale Terrororganisation, die eng mit der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) zusammenarbeitete und mit internationalen Aktionen auf sich aufmerksam machte. Dazu gehörte auch die Besetzung der französischen Botschaft in Den Haag am 13. September 1974. Der JRA gelang es dabei, den venezolanischen Terroristen Ilich Ramírez Sánchez, genannt „Carlos“, freizupressen, der ebenfalls Anschläge für die PFLP ausgeführt hatte (Derichs, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 2, 2006, S. 809 f., 821 ff.; Edelmann, in Straßner [Hrsg.], Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 305 f., 323 f.).

[48] Der Pariser Flughafen Orly wurde im Januar 1975 zum Schauplatz zweier Anschläge auf Flugzeuge der israelischen Fluggesellschaft El-Al. Auf die vollbesetzten Maschinen wurde mit einem sowjetischen Granatwerfer geschossen. Die Geschosse verfehlten ihre eigentlichen Ziele, verletzten aber dennoch drei Menschen. Verantwortlich für die Anschläge zeichnete sich die palästinensische PFLP. Ausgeführt wurde der Angriff von einer dreiköpfigen Gruppe, zu der der bis dahin noch wenig bekannte venezolanische Terrorist Ilich Ramírez Sánchez, genannt „Carlos“, sowie das Mitglied der Revolutionären Zellen (RZ) Johannes Weinrich gehörten (Dahlke, Demokratischer Staat und transnationaler Terrorismus, 2011, S. 246, Anm. 512; Wörle, in Straßner [Hrsg.], Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 257, 265).

[49] Der Präsident des Berliner Kammergerichts Günter von Drenkmann wurde von der Bewegung 2. Juni in einem Racheakt für den verstorbenen Holger Meins getötet. Nachdem Meins am 9. November 1974 an den Folgen eines Hungerstreiks gestorben war, versuchte die Bewegung am folgenden Tag, von Drenkmann zu entführen. Als dies aufgrund von Drenkmanns Gegenwehr misslang, wurde er erschossen (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 470 f.; Wunschik, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 531, 550).

[50] Der CDU-Politiker und Spitzenkandidat bei der Wahl um das Berliner Abgeordnetenhaus Peter Lorenz wurde am 27. Februar 1975 von der Bewegung 2. Juni entführt und in einem „Volksgefängnis“ in Berlin-Kreuzberg festgehalten. Im Austausch gegen Lorenz wurde die Freilassung von sechs Gefangenen gefordert: Verena Becker, Rolf Heißler, Gabriele Kröcher-Tiedemann, Horst Mahler, Rolf Pohle und Ingrid Siepmann. Die Bundesregierung unter Kanzler Schmidt ging auf die Forderungen ein: Bis auf Horst Mahler, der das Angebot ablehnte, bestiegen am 3. März 1975 die anderen fünf Inhaftierten mit dem ehemaligen West-Berliner Bürgermeister Heinrich Albertz als Vermittler eine Maschine der Lufthansa nach Aden im Jemen. Nach der erfolgreichen Ankunft wurde Lorenz am 4. März freigelassen (Dahlke, in Hürter/Rusconi [Hrsg.], Die bleiernen Jahre, 2010, S. 31, 36 ff.; Korndörfer, in Straßner [Hrsg.], Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 37, 250 ff.). Die Bewegung 2. Juni benannte sich nach dem Todestag des Studenten Benno Ohnesorg, der am 2.6.1967 bei einer Demonstration der Studentenbewegung gegen den Staatsbesuch des Schahs von Persien durch einen Polizisten erschossen wurde (Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 21 f.).

[51] Die medizinisch-technische Assistentin Elisabeth van Dyck war in Heidelberg Teil des Sozialistischen Patientenkollektivs (SPK). Dort lernte sie Klaus Jünschke kennen. Anders als dieser und einige andere SPK-Mitglieder schloss Dyck sich 1971 nicht gleich der RAF an. Allerdings besuchte sie Jünschke und weitere RAF-Mitglieder, die 1972 verhaftet wurden, machte auf ihre Haftbedingungen aufmerksam und leistete logistische Unterstützung. Kurze Zeit später geriet sie selbst in Verdacht, gemeinsam mit Siegfried Haag Waffen und Sprengstoff für die RAF beschafft zu haben. Bis zum Jahr 1977 wurde sie mehrmals verhaftet und wieder entlassen. Dabei saß sie auch in der JVA Köln-Ossendorf in Einzelhaft. Die eigene Haftzeit ließ Dyck vom Protest zur Tat schreiten. Spätestens seit Juli 1977 lebte sie deswegen im Untergrund. Am 4. Mai 1979 wurde sie von einem Sonderkommando der Polizei beim Betreten einer Wohnung erschossen (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 199 ff.; Diewald-Kerkmann, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 657, 664 f., 670 f.).

[52] Bei den Lichtbildern handelt es sich um Aufnahmen u.a. des Zellengitters der verstorbenen Mitangeklagten Ulrike Meinhof. Die Kamera soll durch RAF-Mitglied Ingrid Schubert beschafft und nach Stammheim gebracht worden sein (s. auch die Ausführungen des Rechtsanwalts Weidenhammer am 166. Verhandlungstag, S. 12855 des Protokolls der Hauptverhandlung). Ein von ihr stammendes Schreiben wurde im Dezember 1976 zum Anlass für verschärfte Durchsuchungen der Verteidigung vor Einlass in die Haftanstalt, da sie den Weg der Kamera und Filme aus der Haftanstalt heraus wie folgt beschrieb: „Die Möglichkeiten, die dazu zur Verfügung stehen, sind der Anstaltsleitung bekannt: Privat- und Anwaltsbesuche“ (s. dazu die Ausführungen des früheren Vorsitzenden Dr. Prinzing am 167. Verhandlungstag, S. 12870 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[53] Eine Verbindung der aufgefundenen Lichtbilder zum Rechtsanwalt Siegfried Haag wurde durch den früheren Vorsitzenden Dr. Prinzing in der Hauptverhandlung nur angedeutet, aber nicht konkretisiert (vgl. auch den darauf gestützten Ablehnungsantrag des Rechtsanwalts Schily am 168. Verhandlungstag, S. 12997 f. des Protokolls der Hauptverhandlung). Rechtsanwalt Haag, der ursprünglich Andreas Baader als Pflichtverteidiger beigeordnet war, wurde wenige Tage vor Beginn der Hauptverhandlung vorläufig festgenommen, seine Kanzlei- und Wohnräume wurden durchsucht. Der beim Bundesgerichtshof beantragte Haftbefehl wurde zunächst abgelehnt. Als er im Beschwerdeverfahren schließlich erteilt wurde, war Haag bereits untergetaucht und hatte sich der RAF angeschlossen (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 212 f.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 69; s. auch die Presseerklärung Haags in Anlage 1 zum Protokoll vom 21.5.1975, S. 12 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Zusammen mit Roland Mayer und weiteren Unterstützer/innen versuchte er in der sogenannten Haag-Mayer-Bande, die RAF neu zu formieren. Mit ihrer Festnahme fand die Gruppe im November 1976 jedoch ein jähes Ende. Die bei der Verhaftung beschlagnahmten Haag-Mayer-Papiere enthielten verschlüsselte Anschlagspläne. Die Entschlüsselung der Papiere gelang jedoch erst nach und nach mit der Umsetzung der Pläne durch die zweite RAF-Generation (Kraushaar, Verena Becker und der Verfassungsschutz, 2010, S. 68 ff.; Kraushaar, Die blinden Flecken der RAF, 2017, S. 185 f., 193 ff., 205 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 371 ff.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion. 14.5.1970 bis 20.4.1998, 3. Aufl. 2011, S. 60 f.).

[54] S. bereits Fn. 32.

[55] Verdunklungsgefahr ist einer der Haftgründe, aus denen (bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen) Untersuchungshaft angeordnet werden darf (§ 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO). Verdunklungsgefahr erfordert einen dringenden Verdacht, dass der/die Beschuldigte derart auf (persönliche oder sachliche) Beweismittel einwirken wird, dass dadurch die Ermittlung der Wahrheit erschwert wird (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 112 Rn. 26).

[56] Bei dem „Fall Traube“ handelte es sich um einen Abhörskandal in der BRD. Gegen Ende des Jahres 1975 geriet der Atomphysiker Klaus Traube unter Verdacht, in Kontakt zur RAF zu stehen. Daraufhin wurde seine Wohnung vom Bundesnachrichtendienst verwanzt. Die Abhörung brachte zwar keine Ergebnisse, wurde jedoch nach und nach publik. Traube verlor seinen Managerposten in der Atomenergie-Branche (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 662 ff.).

[57] Im siebten Stock der JVA Stuttgart-Stammheim befanden sich die Haftzellen der Angeklagten (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 127 ff.).

[58] Der frühere Vorsitzende Dr. Prinzing schied nach über 80 erfolglosen Befangenheitsanträgen schließlich am 174. Verhandlungstag wegen Besorgnis der Befangenheit aus dem Verfahren aus (der Beschluss ist abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 20.1.1977, S. 13261 f. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[59] S. die Fn. 17 und 35.

[60] Die schließlich erfolgreiche Ablehnung stützte sich auf ein Telefonat, das der frühere Vorsitzende Dr. Prinzing mit Rechtsanwalt Künzel im Zusammenhang mit einem von diesem im Namen der Angeklagten Ensslin gestellten Ablehnungsgesuch (S. 13171 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 172. Verhandlungstag) geführt hatte. Künzel gehörte zu den Verteidigern, die den Angeklagten gegen ihren Willen zur Sicherung des Verfahrens beigeordnet worden waren. Dem war bereits eine Reihe von Ablehnungsgesuchen aufgrund einer Protokollweitergabe an den RiBGH Mayer vorausgegangen (s. zu diesem Vorgang den Ablehnungsantrag des Rechtsanwalts Schily in Anlage 1 zum Protokoll vom 10.1.1977, S. 13135 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 171. Verhandlungstag). Der stattgebende Senatsbeschluss vom 20.1.1977 wurde damit begründet, dass „aus Sicht der Angeklagten die Befürchtung nicht unbegründet“ sei, „Dr. Prinzing messe [...] derartigen Anträgen [Anm. d. Verf.: Anträgen seitens der Vertrauensverteidigung] eine geringere Bedeutung bei, als ihnen sonst zukäme“ (der Beschluss ist abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 20.1.1977, S. 13261 f. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[61] Bevor Brigitte Mohnhaupt ab Frühjahr 1971 zur ersten RAF-Generation in den Untergrund ging, war sie bereits in verschiedenen linken Organisationsformen in München wie den Tupamaros und der Kommune Wacker Einstein vernetzt. Innerhalb der RAF konzentrierte sie sich gemeinsam mit dem Kfz-Schlosser Bernhard Braun auf Aktivitäten in Berlin, wo sie im Juni 1972 zusammen verhaftet wurden, nachdem der in einer von ihnen genutzten Wohnung gelagerte Sprengstoffe eine Explosion auslöste. Am 30.8.1974 wurde sie vom Landgericht Berlin wegen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, Urkundenfälschung und unerlaubtem Waffenbesitz zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Einen Teil ihrer Haftstrafe verbrachte sie zusammen mit den Stammheimer Gefangenen. Diese Nähe zu den führenden Mitgliedern ließ sie nach ihrer Entlassung im Februar 1977 selbst zu einer Führungsperson der zweiten RAF-Generation aufsteigen. Als solche war sie auch für die Gewalttaten während des sogenannten Deutschen Herbstes 1977 mitverantwortlich. Bis zu ihrer erneuten Festnahme 1982 war sie an weiteren Aktionen der Gruppe beteiligt. Sie blieb bis zum Jahr 2007 in Haft (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 92 ff.; Sturm, in Weinhauer/Requate/Haupt[Hrsg.], Terrorismus in der Bundesrepublik, 2006, S. 99, 100., 105, 111 f., 118 f.; Wunschik, Baader-Meinhofs Kinder, 1997, S. 196 f., 248 ff., S. 367 ff.).

[62] Die Ärztin Ingrid Schubert war Mitglied der RAF und u.a. am 14. Mai 1970 an der gewaltsamen Befreiung von Andreas Baader aus der Haft beteiligt. Sie wurde zusammen mit Irene Goergens, Horst Mahler, Brigitte Asdonk und Monika Berberich im Oktober 1970 in einer Berliner Wohnung verhaftet. Das Verfahren gegen Schubert, Goergens und Mahler vor dem Landgericht Berlin war einer der ersten Prozesse gegen Mitglieder der RAF. Schubert wurde im Mai 1972 zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von sechs Jahren, später mit Urteil vom 28.6.1974 unter Einbeziehung dieser Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von 13 Jahren verurteilt. Sie nahm sich am 12. November 1977 in ihrer Gefängniszelle das Leben (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 157; Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 71 ff., 328; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 38, 93; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 169, 760 Anm. 47).

[63] S. dazu die Ausführungen des OStA Zeis am 184. Verhandlungstag (S. 13661 des Protokolls der Hauptverhandlung). Zum Antrag des Rechtsanwalts Schily s. S. 13658 des Protokolls der Hauptverhandlung, ebenfalls 184. Verhandlungstag).

[64] Die Psychologiestudentin Margrit Schiller war ein ehemaliges Mitglied des Sozialistischen Patientenkollektivs (SPK). Sie schloss sich im Laufe des Jahres 1971 der RAF an. Bereits am 22.10.1971 wurde sie zum ersten Mal festgenommen und am 5.2.1973 vom Landgericht Hamburg wegen Unterstützen einer kriminellen Vereinigung, Urkundenfälschung und unerlaubtem Waffenbesitz zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen Auflagen wurde sie allerdings aus der Haft entlassen. Daraufhin schloss sie sich erneut der RAF an. Zusammen mit anderen RAF-Mitgliedern wurde sie am 4. Februar 1974 verhaftet. In Anlehnung an das Verhaftungsdatum wurde die Gruppierung als Gruppe 4.2. bezeichnet. Schiller wurde mit Urteil vom 28.9.1976 vom Landgericht Hamburg zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von vier Jahren und acht Monaten verurteilt (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 78 ff., 116 ff.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 357 ff.; Straßner, in Ders. [Hrsg.], Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 209, 219).

[65] Der Zeuge Dierk Hoff, der in seiner Werkstatt einige der von der RAF verwendeten Sprengkörperhüllen hergestellt hatte, wurde als einer der Hauptbelastungszeugen ab dem 68., sowie am 98. Verhandlungstag vernommen.

[66] S. bereits Fn. 30.

[67] S. hierzu bereits Fn. 23.

[68] Wie der Angeklagte Raspe auf die Zahl 23 kommt, wird aus dem Protokolltext nicht deutlich; zuletzt sprach er am 100. Verhandlungstag von 20, am 96. Verhandlungstag nannte er die Zahl 12 (S. 8646 des Protokolls der Hauptverhandlung). Gleichwohl hatte die Vertrauensverteidigung bereits erhebliche Einschnitte zu verzeichnen. Neben dem Ausschluss der früheren Verteidiger Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele (Fn. 32) war das insbesondere der Ausschluss der Rechtsanwälte Golzem, Köncke und Spangenberg wegen des Verbots der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO), da diese in einem Parallelverfahren vor dem LG Kaiserslautern die dort Angeklagten Grashof, Grundmann und Jünschke vertraten (OLG Stuttgart, Beschl. vom 4.11.1975 – Az.: 2 StE 1/74, NJW 1976, S. 157; s. dazu auch die Kritik der Verteidigung am 43. Verhandlungstag, S. 3320 f., 3338 ff., 3354 ff. und 3394 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Nicht mehr auftreten konnte zudem Rechtsreferendar Dr. Temming, der ab dem 41. Verhandlungstag als amtlicher Vertreter der Wahlverteidigerin Becker an der Hauptverhandlung teilgenommen hatte: Aus den Diskussionen am 43. Verhandlungstag geht hervor, dass das Landgericht Stuttgart die amtliche Bestellung als allgemeiner Vertreter von Rechtsanwältin Becker aufgehoben haben dürfte (S. 3318, 3340, 3356 des Protokolls der Hauptverhandlung). Ähnliches dürfte auch in Bezug auf den Rechtsreferendar Düx, amtl. Vertreter von Rechtsanwalt von Plottnitz, geschehen sein, wobei dies lediglich angedeutet wird (S. 3340 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 43. Verhandlungstag). Als Dr. Temming später als inzwischen zugelassener Rechtsanwalt auftrat, wurde er nacheinander für die Angeklagten Baader, Ensslin und Meinhof wegen Verstoßes gegen § 146 StPO nicht zugelassen (S. 7730 f., 7739 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, [86. Verhandlungstag]; S. 8054 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung [91. Verhandlungstag]). Rechtsanwalt von Plottnitz wurde zwar nicht vom Verfahren ausgeschlossen, allerdings wurde seine Bestellung als Pflichtverteidiger für den Angeklagten Raspe zurückgenommen (die Verfügung vom 7.11.1975 ist abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 70 ff.; s. hierzu auch die auf diese Verfügung gestützte und am 43. Verhandlungstag vorgetragene Ablehnung des früheren Vorsitzenden Dr. Prinzing wegen Besorgnis der Befangenheit, S. 3308 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Gleiches gilt für die der Angeklagten Ensslin beigeordnete Rechtsanwältin Becker (s. S. 3146 des Protokolls der Hauptverhandlung, 41. Verhandlungstag), wobei die Gründe ihrer Entpflichtung nicht aus dem Protokoll hervorgehen. Zuletzt wurde die Beiordnung des Rechtsanwalts Dr. Heldmann als Pflichtverteidiger für Andreas Baader aufgehoben (s. die Ausführungen des früheren Vorsitzenden Dr. Prinzing am 173. Verhandlungstag, S. 13888 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[69] Gemeint sein dürfte § 147 StPO, der das umfassende Akteneinsichtsrecht der Verteidigung regelt. Abs. 1 lautet: „Der Verteidiger ist befugt, die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der Anklage vorzulegen wären, einzusehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen.“

[70] Anlage 4 zum Protokoll vom 29. März 1997: Überreichte Schriftstücke von Andreas Baader („Die sieben Schwaben“, „Die drei Handwerksburschen“).

[71] Notwendigerweise Gegenstand der Hauptverhandlung ist alles, was der Beantwortung der Schuld- und Straffrage dient, d.h. der Tathergang, die Schuld der/des Angeklagten sowie die Höhe der Strafe, da nur solche Tatsachen zur Begründung des Urteils herangezogen werden dürfen, die (prozessordnungsgemäß) in die Hauptverhandlung eingeführt wurden (§ 261 StPO). Für den Vollzug der Untersuchungshaft und damit auch für die Haftmodalitäten liegt die gerichtliche Zuständigkeit zwar auch beim Gericht der Hauptsache (§ 126 Abs. 2 StPO); allerdings erfolgt eine Erörterung der Fragen üblicherweise außerhalb der Hauptverhandlung, weil sie zur Beantwortung der Schuld- und Straffrage nicht von Belang sind.

[72] Das Erklärungsrecht der Angeklagten nach § 257 Abs. 1 StPO ist zeitlich und inhaltlich auf die jeweils vorangegangene Beweiserhebung beschränkt.

[73] Die Gegendarstellung ist ein Instrument aus dem Pressrecht. Sie gibt den von einer Berichterstattung unmittelbar betroffenen Personen das Recht, eine Korrektur des Sachverhalts veröffentlichen zu lassen (Schulz, in Binder/Vesting [Hrsg.], Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 4. Aufl. 2018, RStV § 56 Rn. 1, 3).

[74] Für die Behandlung von Kriegsgefangenen gelten nach dem humanitären Völkerrecht (welches im internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt anwendbar ist) besondere Bestimmungen. Diese sind im Genfer Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen (III. Genfer Konvention) von 1949, sowie in den beiden Zusatzprotokollen von 1977 niedergelegt. Danach sind Kriegsgefangene jederzeit mit Menschlichkeit zu behandeln (Art. 13 der III. Genfer Konvention), sie haben unter allen Umständen Anspruch auf Achtung ihrer Person und ihrer Würde (Art. 14 der III. Genfer Konvention). In Art. 13 heißt es außerdem: „Jede unerlaubte Handlung oder Unterlassung seitens des Gewahrsamsstaates, die den Tod oder eine schwere Gefährdung der Gesundheit eines in ihrem Gewahrsam befindlichen Kriegsgefangenen zur Folge hat, ist verboten und als schwere Verletzung des vorliegenden Abkommens zu betrachten.“ Bereits am 65. Verhandlungstag hatte Prof. Dr. Azzola, damals Verteidiger von Ulrike Meinhof, für die Angeklagten den Status von Kriegsgefangenen reklamiert und beantragt, die Angeklagten in Kriegsgefangenschaft zu überführen (S. 5673 ff. des Protokolls).

[75] Sachleitungsbezogene Anordnungen des/der Vorsitzenden können als unzulässig beanstandet werden (§ 238 Abs. 2 StPO). Über die Beanstandung entscheidet sodann das Gericht, in diesem Fall der Senat in voller Besetzung.

[76] Das Freibeweisverfahren findet Anwendung zum Beweis von Tatsachen, die nicht die Straf- oder Schuldfrage, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe, betreffen. Im Unterschied zum dort anzuwendenden Strengbeweisverfahren ist das Gericht im Freibeweisverfahren nicht auf die Wahl bestimmter Beweismittel beschränkt, sondern kann grundsätzlich alle verfügbaren Erkenntnisquellen nutzen; auch an die im Strengbeweisverfahren vorgeschriebene Form ist es nicht gebunden (BGH, Urt. v. 28.6.1961 – Az.: 2 StR 154/61, BGHSt 16, S. 164, 166).

[77] § 148 StPO a.F. (entspricht dem heutigen § 148 Abs. 1 StPO) lautet: „Dem Beschuldigten ist, auch wenn er sich nicht auf freiem Fuß befindet, schriftlicher und mündlicher Verkehr mit dem Verteidiger gestattet.“ Hieraus wird der Grundsatz der freien Verteidigung hergeleitet, der grundsätzlich den ungehinderten und unüberwachten Verkehr zwischen Verteidiger/in und beschuldigter Person voraussetzt (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 148 Rn. 1 ff.).

[78] Der Vorsitzende Dr. Prinzing hatte die Beweisaufnahme bereits am Ende des 148. Verhandlungstages geschlossen (S. 11767 des Protokolls der Hauptverhandlung) und die Bundesanwaltschaft ab dem 149. Verhandlungstag plädiert. Auch nach Schließung der Beweisaufnahme bleibt jedoch ein Wiedereintritt möglich. Die Verfahrensbeteiligten haben bis zum Beginn der Urteilsverkündung das Recht, Beweisanträge zu stellen, das Gericht ist zur Entgegennahme verpflichtet (BGH, Urt. v. 3.8.1966 – Az.: 2 StR 242/66, BGHSt 21, S. 118, 123). Der Wiedereintritt wird – auch konkludent – angenommen, sobald Verfahrensvorgänge durchgeführt werden, die für die Sachentscheidung des Gerichts von Bedeutung sein können; dies sind insbesondere Prozesshandlungen, die in den Bereich der Beweisaufnahme fallen, aber auch wenn sonst der Wille des Gerichts erkennbar wird, es wolle mit den Prozessbeteiligten in der Beweisaufnahme fortführen. Dies kann bereits bei der Erörterung von Anträgen der Fall sein (BGH, Beschl. v. 5.2.2019 – Az.: 3 StR 469/18, NStZ 2019, S. 426 f. m.w.N.).

[79] Die Strafprozessordnung unterscheidet zwischen (kürzeren) Unterbrechungen und der Aussetzung des Verfahrens. Während die Unterbrechung der Hauptverhandlung für einen kürzeren Zeitraum (§ 229 Abs. 1 StPO a.F.: bis zu zehn Tage; heute: drei Wochen) durch den/die Vorsitzende/n angeordnet werden kann (§ 228 Abs. 1 Satz 2 StPO), ist für die Entscheidung über die Aussetzung sowie über für bestimmte Situationen vorgesehene längere Unterbrechungen (z.B. nach § 229 Abs. 2 StPO) das Gericht – hier wäre das der Senat in voller Besetzung – zuständig (§ 228 Abs. 1 Satz 1 StPO). Eine Aussetzung hat stets die Folge, dass mit der Hauptverhandlung von neuem zu beginnen ist; gleiches gilt für eine die Frist des § 229 Abs. 1 StPO überschreitende Unterbrechung (§ 229 Abs. 3 Satz 1 StPO a.F.; heute Abs. 4 Satz 1 StPO; s. zu den grundlegenden Unterschieden zwischen Aussetzung und Unterbrechung auch Arnoldi, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl. 2016, § 228 Rn. 3 ff.).

[80] Nicht rechtswidrig handelt nach § 34 StGB, „[w]er in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden [...], wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.“

[81] „Pflichtverteidiger des Vertrauens“ ist keine offizielle Bezeichnung. Sie dient hier der Abgrenzung derjenigen Pflichtverteidiger/innen, die von den Angeklagten zuvor als Wahlverteidiger/innen frei gewählt worden waren (§§ 137, 138 StPO) und vom Gericht auf Antrag als Pflichtverteidiger beigeordnet wurden (§§ 141, 142 Abs. 2 StPO), von denjenigen Pflichtverteidigern, die den Angeklagten zusätzlich gegen ihren Willen vom Gericht beigeordnet wurden. Nach zwischenzeitlichen Entpflichtungen traf dies zu diesem Zeitpunkt nur noch auf Rechtsanwalt Schily (für die Angeklagte Ensslin) zu.

[82] S. bereits Fn. 2.

[83] Nach § 143 StPO a.F. ist die Bestellung des/der Pflichtverteidiger/in zurückzunehmen, wenn demnächst ein/e andere/r Verteidiger/in gewählt wird und diese/r die Wahl annimmt. Eine solche Auswechslung war unter anderem auf Antrag des/der Beschuldigten im Falle eines zerstörten Vertrauensverhältnisses möglich (heute ausdrücklich geregelt in § 143a Abs. 2 Nr. 3 StPO). Darauf dürfte sich Rechtsanwalt Künzel beziehen, wenn er das Primat der Verteidigung des Vertrauens betont.

[84] Art. 6 EMRK enthält das Recht auf ein faires Verfahren. Dazu gehören u.a. der Anspruch auf den gesetzlichen Richter, die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Gerichts, die Öffentlichkeit und Mündlichkeit des Gerichtsverfahrens und der Verkündung des Urteils (Abs. 1), die Unschuldsvermutung (Abs. 2) sowie einige grundlegende Verteidigungsrechte (Abs. 3), darunter, sich durch eine/n Verteidiger/in der Wahl verteidigen zu lassen, oder, wenn entsprechende Mittel fehlen, unentgeltlich anwaltlichen Beistand zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist (Abs. 3 lit. c).

[85] Mit Beschluss vom 16.12.1958 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass Beschuldigte keinen Anspruch auf die Bestellung des/der vorgeschlagenen Verteidiger/in haben; in der Regel sei es aber geboten, den/die Verteidiger/in des Vertrauens zu bestellen, wenn nicht besondere Gründe dagegen sprächen (BVerfG, Beschl. v. 16.12.1958 – Az.: 1 BvR 449/555, BVerfGE 9, S. 36, 38).

[86] Horst Herold wurde am 184. Verhandlungstag als Zeuge vernommen, u.a. zum Inhalt und Umfang der Akten über die Angaben des Zeugen Gerhard Müller. In Bezug auf die Aktengliederung sprach Herold davon, dass die Gliederung eines Falles durch seine Eigengesetzlichkeiten bestimmt werde (S. 13632 des Protokolls der Hauptverhandlung, 184. Verhandlungstag).

[87] Ob und in welchem Umfang § 34 StGB auf hoheitliche Handlungen staatlicher Akteur/innen anwendbar ist, ist umstritten. Nicht anwendbar ist § 34 StGB jedenfalls, soweit bestimmte Interessenkollisionen zwischen Staat und Bürger/in in Form von staatlichen Eingriffsbefugnissen bereits durch speziellere Normen geregelt sind. Fehlen entsprechende Eingriffsbefugnisse, oder sind die vorhandenen als nicht abschließend einzustufen, wird ein Rückgriff auf § 34 StGB überwiegend nicht ausgeschlossen (BGH, Beschl. v. 23.9.1977 – Az.: 1 BJs 80/77 – StB 215/77, BGHSt 27, S. 260, 262 f.; Roxin/Greco, Strafrecht Allgemeiner Teil Band 1, 5. Aufl. 2020, § 16 Rn. 103; a.A. Zieschang, in Hohn/Rönnau/Zieschang [Hrsg.], Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 3, 13. Aufl., § 34 Rn. 7 ff.).


[a] Handschriftlich durchgestrichen: Indoktrinationen

[b] Handschriftlich durchgestrichen: Generalbundesanwaltschaft

[c] Maschinell eingefügt: dass

[d] Maschinell ergänzt: Vorverurteilung

[e] Maschinell eingefügt: wiederum

[f] Maschinell eingefügt: und

[g] Handschriftlich ersetzt: dazu durch da noch

[h] Handschriftlich ersetzt: in durch im

[i] Maschinell ersetzt: dann durch an

[j] Maschinell ersetzt: wir durch Sie

[k] Maschinell ergänzt: Sonderkommissionen

[l] Maschinell eingefügt: werden

[m] Maschinell ersetzt: ja durch her

[n] Maschinell durchgestrichen: zu

[o] Maschinell durchgestrichen: hat

[p] Maschinell eingefügt: Herr Vorsitzender

[q] Handschriftlich durchgestrichen: dem

[r] Handschriftlich ergänzt: Informationen

[s] Maschinell ersetzt: Wird durch Ich habe

[t] Maschinell eingefügt: natürlich

[u] Maschinell eingefügt: hier

[v] Maschinell ersetzt: aber durch nun

[w] Maschinell durchgestrichen: Dem

[x] Maschinell eingefügt: und/

[y] Maschinell eingefügt: das ist auch ein Zitat

[z] Maschinell ersetzt: dadurch durch da um

[aa] Handschriftlich ersetzt: diese durch die seit

[bb] Handschriftlich durchgestrichen: laufenden psychologischen

[cc] Maschinell ersetzt: und durch in

[dd] Maschinell eingefügt: des

[ee] Maschinell ersetzt: mit durch in

[ff] Maschinell eingefügt: hier

[gg] Maschinell eingefügt: also

[hh] Handschriftlich durchgestrichen: und

[ii] Maschinell eingefügt: also

[jj] Maschinell durchgestrichen: wird

[kk] Maschinell ersetzt: ... durch Aber

[ll] Maschinell durchgestrichen: Also

[mm] Handschriftlich durchgestrichen: darüber

[nn] Maschinell ersetzt: schon durch darüber

[oo] Maschinell eingefügt: eben

[pp] Handschriftlich durchgestrichen: noch

[qq] Handschriftlich ersetzt: Antragsstelle durch Antragsstellung

[rr] Maschinell eingefügt: bitte

[ss] Maschinell eingefügt: dann

[tt] Maschinell ersetzt: von durch mit

[uu] Maschinell eingefügt: Ich

[vv] Maschinell ersetzt: noch durch nur

[ww] Maschinell ersetzt: noch durch mal

[xx] Maschinell eingefügt: da

[yy] Maschinell ersetzt: bei durch mit

[zz] Maschinell eingefügt: noch

[aaa] Maschinell eingefügt: Weise

[bbb] Maschinell ersetzt: bisher durch gilt auch

[ccc] Handschriftlich durchgestrichen: die

[ddd] Handschriftlich ergänzt: Unschuldsvermutungen

[eee] Maschinell eingefügt: dann

[fff] Maschinell ersetzt: hört durch führt

[ggg] Maschinell eingefügt: auch

[hhh] Maschinell eingefügt: des Telefons

[iii] Maschinell ersetzt: auch durch auf

[jjj] Maschinell ersetzt: wir durch Sie

[kkk] Handschriftlich ergänzt: nehmen

[lll] Handschriftlich durchgestrichen: ich

[mmm] Maschinell ersetzt: Es ist durch Wir sind

[nnn] Maschinell eingefügt: zu

[ooo] Handschriftlich durchgestrichen: mehr

[ppp] Maschinell eingefügt: mehr

[qqq] Maschinell eingefügt: zu

[rrr] Maschinell eingefügt: natürlich

[sss] Maschinell ergänzt: befinden

[ttt] Maschinell eingefügt: Sie

[uuu] Maschinell eingefügt: über

[vvv] Maschinell eingefügt: zu

[www] Maschinell eingefügt: nun

[xxx] Maschinell eingefügt: ja

[yyy] Maschinell ersetzt: ja durch selbst

[zzz] Handschriftlich durchgestrichen: jetzt

[aaaa] Maschinell ergänzt: anhören

[bbbb] Maschinell ersetzt: Verhandlung durch Fahndung

[cccc] Handschriftlich durchgestrichen: entsprechende

[dddd] Maschinell eingefügt: den

[eeee] Handschriftlich ergänzt: Saale

[ffff] Handschriftlich durchgestrichen: es

[gggg] Handschriftlich durchgestrichen: bereits

[hhhh] Maschinell ersetzt: man durch wir

[iiii] Handschriftlich ersetzt: konnte es durch konnten das

[jjjj] Maschinell ersetzt: war durch sei

[kkkk] Maschinell durchgestrichen: es

[llll] Handschriftlich durchgestrichen: war

[mmmm] Maschinell eingefügt: oder

[nnnn] Maschinell ersetzt: die durch daß

[oooo] Handschriftlich ersetzt: das durch da es

[pppp] Handschriftlich durchgestrichen: Gewährung

[qqqq] Maschinell durchgestrichen: der

[rrrr] Handschriftlich ergänzt: Diese

[ssss] Handschriftlich durchgestrichen: ist

[tttt] Handschriftlich ersetzt: es durch aus

[uuuu] Maschinell eingefügt: zu der Anfrage

[vvvv] Maschinell ersetzt: ist durch sind

[wwww] Maschinell ergänzt: einbeziehen