181. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 1. März 1977 um 10.03 Uhr



[13474] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 1. März 1977 um 10.03 Uhr

181. Verhandlungstag

Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am 175. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte sind anwesend:

Just. Ass. Clemens, Just. Ass. Scholze

Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]

Als deren Verteidiger sind erschienen: Rechtsanwälte Schily, Dr. Augst (als Vertreter von RA Eggler) Künzel, Schnabel und Grigat.

Vors.:

Die Sitzung des Strafsenats wird fortgesetzt. Zunächst ist festzustellen: Herr Rechtsanwalt Schwarz hat sich wegen einer anderweitigen Sitzung für heute vormittag entschuldigt. Herr Rechtsanwalt Schnabel ist anwesend. Herr Rechtsanwalt Eggler wird von Herrn Rechtsanwalt Augst vertreten. Die Vertretung wird genehmigt. Herrn Rechtsanwalt Schlaegel vermisse ich. Wissen Sie ... kommt noch, ja.

Es ist dann noch mitzuteilen den Prozeßbeteiligten:

Am 25.2.77, also außerhalb der Hauptverhandlung, wurde der Vorsitzende dieses Senats durch Rechtsanwalt Weidenhammer abgelehnt.[2] Am 25.2.77 wurde dieses Ablehnungsgesuch als unzulässig verworfen.[3] Das ist das, was ich bekannt zu geben habe. Herr Rechtsanwalt Schily, Sie hatten für heute Zeugen angekündigt.

BA Dr. W[under]:

Herr Vorsitzender.

Vors.:

Bitte sehr.

BA Dr. W[under]:

Ich bitte ums Wort. In der Annahme, Herr Vorsitzender, daß über unseren kürzlich gestellten Antrag, die Herrn Opitz und Petersen hier nicht mehr zu vernehmen, noch nicht förmlich entschieden ist, möchte ich ergänzend noch folgendes bemerken und dann um Entscheidung bitten.

[13475] Die Bundesanwaltschaft gibt auch zu bedenken, daß die für heute vorgesehene Beweisaufnahme, nach unserer Auffassung, nicht mehr sachbezogen ist, daß die angekündigten Fragen nur eine Ausforschung der Behördenorganisation und des inneren Behördenbetriebes zum Ziele, aber überhaupt nichts, überhaupt nichts mit einer Sachaufklärung, mit der Schuld- und mit der Straffrage im Zusammenhang mit den hier angeklagten Straftaten zu tun haben. Damit aber ist nach unserer Auffassung die Vernehmung der Zeugen auch unzulässig im Sinne des § 245 StPO.[4] Ich beziehe mich dabei auf die hier schon einmal erörterte BGH-Entscheidung im 17. Band, Seite 28 ff.[5] die einen ähnlich gelagerten Fall zum Gegenstand hat. Meine Herrn Richter, richten Sie Ihr Augenmerk noch einmal auf die einzelnen Fragen, so wie sie für heute vorgesehen sind: Wann, von wem, mit welchem Inhalt und in welchen Verfahren haben die Beamten in Bezug auf die Vernehmungen und Gespräche mit dem Zeugen Müller[6] einen Ermittlungsauftrag erhalten? In welcher Weise sind die Vernehmungen und Gespräche mit dem Zeugen Gerhard Müller aufgezeichnet worden usw.? Hat das etwas mit Schuld- und Straffrage zu tun? Wir haben es unserer Auffassung nach wieder einmal mit nichts anderem, als einem von den Angeklagten groß angelegten Ablenkungsmanöver zu tun. Sollte der Senat nicht geneigt sein, diese Zeugenvernehmungen im Ganzen zu verhindern und abzulehnen, so werden wir jedenfalls bei jeder einzelnen kritischen Frage intervenieren, und eine Senatsentscheidung erbitten. Dankeschön.

Vors.:

Sie werden Stellung nehmen wollen, Herr Rechtsanwalt Schily. Zunächst eines: Der Antrag, auf Unzulässigkeit im Sinne von § 245 StPO zu entscheiden, bedingt natürlich zunächst die Kenntnis der beabsichtigten Befragung. Herr Bundesanwalt Dr. Wunder ist davon ausgegangen, daß die Fragen gestellt werden sollen, die in der Aussagegenehmigung[7] enthalten sind. Herr Rechtsanwalt Schily, bei Ihrer Stellungnahme können Sie vielleicht darauf Bezug nehmen, ob das der Fall ist, ob das richtig ist, diese Annahme?

RA Schi[ly]:

Das ist sicherlich richtig, Herr Vorsitzender. Es werden Fragen im Zusammenhang mit diesem Fragenkatalog, der in der Aussagegenehmigung enthalten ist, zu stellen sein. Darüber- [13476] hinaus zu gehen, fehlt ja wiederum eine Aussagegenehmigung.

Rechtsanwalt Herzberg (als ministeriell bestallter Vertreter von RA. Schlaegel) erscheint um 10.07 Uhr im Sitzungssaal.

RA Schi[ly]:

Möglicherweise wären noch weitere Fragen zu stellen, aber, wie gesagt, wir haben ja nur diese Aussagegenehmigung erhalten. Die Bundesanwaltschaft beruft sich zu Unrecht auf die Entscheidung im 17. Bande. Das habe ich schon mehrfach hier zum Ausdruck bringen müssen. Ich geh ja davon aus, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, daß Sie den Sachverhalt, der dieser Entscheidung zugrunde liegt, kennen. Und ich weiß nicht, ob also die Fragen, die hier zu stellen sind in der Tat, in irgendeiner, auch nur im mindesten vergleichbar sein können mit dem Sachverhalt, der damals zur Debatte stand. Wenn man sich das Schicksal dieser Geheimakte ansieht - 3 ARP 74/75[8] -, dann muß es doch jeden Prozeßbeteiligten interessieren, wie diese Akte zustande gekommen ist, was an Ermittlungsergebnissen vorliegt, und ob vielleicht das Verbleiben dieser Geheimakte in der Schublade des Bundeskriminalamtes bis zu einem Zeitpunkt nach den Schlußvorträgen der Bundesanwaltschaft[9] etwas damit zu tun hat, wie diese Aussagen zustande gekommen sind, unter welchen Voraussetzungen, mit welchen Zusagen. Das eindrucksvollste Datum ist ja doch das Datum des Urteils gegen Herrn Müller.[10] Und ich hatte ja schon einmal einem Zeugen vorgehalten aus einem Vermerk dieser Akte 3 ARP, in dem es ja sinngemäß heißt: Also diese Angaben von Herrn Müller sollen nach Absprache mit ihm nicht verwertet werden, bis eben sein Verfahren abgeschlossen ist. Ich kann die Bundesanwaltschaft irgendwo verstehen, daß sie wenig Neigung hat, dieser Aufklärung nachzugehen. Es tun sich da ja bestimmte Aspekte auf, die wir bisher hier noch nicht diskutiert haben, aber [a] die vielleicht noch bei anderer Gelegenheit zu diskutieren notwendig sein wird. Immerhin dürfte es eine gewisse Einmaligkeit für sich beanspruchen, daß Angaben, die im unmittelbaren Zusammenhang mit den Geschehnissen, die Gegenstand der Anklage sind, in Zusammenhang stehen, daß solche Angaben dann erst mit einer solchen phantastischen Verspätung auf den Tisch kommen. [13477] Ich meine daher, daß es notwendig ist, diese Beweisaufnahme durchzuführen. Alles andere wäre ein Verstoß gegen den[b] § 245 StPO, der offenbar nicht mehr so sehr den Gefallen der Bundesanwaltschaft findet und anderer Behörden, denn wir kennen ja die Versuche, diese Vorschrift, wenn nicht abzuschaffen so[c] doch ganz erheblich einzuschränken. Interessant ist mir die Ankündigung von Herrn Bundesanwalt Dr. Wunder, daß er jede Frage, die die Verteidigung aus diesem Katalog zu stellen beabsichtigt, beanstanden wird, und einen Senatsbeschluß[11] herbeiführen wird ... Oder hab ich Sie da mißverstanden?

BA Dr. W[under]:

Jede kritische Frage, Herr Rechtsanwalt.

RA Schi[ly]:

Wie bitte?

BA Dr. W[under]:

„Jede kritische Frage“, hab ich gesagt. Kritisch in dem Sinne meiner Darstellung.

RA Schi[ly]:

Ja, soll ich unkritische Fragen stellen? Das ist mir an sich auch nicht verständlich. Jedenfalls offenbar sind Sie doch der Meinung, daß dieser Katalog insgesamt nicht in Betracht kommt, und dann praktisch jede Frage, die in Bezug zu diesem Katalog zu setzen ist, dann zu beanstanden sein sollte. Ich darf insoweit an eine Bemerkung des Senators für Justiz in Berlin, Herrn Professor Baumann, anknüpfen, der in einer Veranstaltung der Berliner Strafverteidigervereinigung vor ein paar Tagen aufgetreten ist, und in dem der Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums zur Änderung der Strafprozeßvorschriften in Großverfahren diskutiert wurde. Und da wurde seitens der Referenten u.a. geltend gemacht: Es müsse eine Einschränkung des Fragerechts stattfinden, wenn ein solcher hemmungsloser Gebrauch des Fragerechts vorgenommen werde, wenn einmal eine Entscheidung getroffen sei, und man dann immer sozusagen in Verfolgung dieser einmaligen Beanstandung dann immer wieder beanstandet. Aber, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, das Recht gestehe ich Ihnen umgekehrt durchaus zu. Ich folge nicht der Auffassung der Referenten aus dem Bundesjustizministerium, ich gestehe Ihnen[d] ohne weiteres das Recht zu, jede Frage, die zu stellen sein wird, zu beanstanden. Und dann müssen wir uns eben der Mühsal unterziehen, uns darüber auseinanderzusetzen, welche Frage zulässig ist und welche nicht. Ich darf ankündigen, daß ich also alle Fragen aus diesem Katalog inner- [13478] halb der Aussagegenehmigung stellen werde.

Vors.:

Eine kurze Frage: Ich darf davon ausgehen, daß die Aussagegenehmigung die gleiche geblieben ist seit diesem letzten ... Es ist keine neue erteilt, irgendwie erweiterte.

RA Schi[ly]:

Ich weiß keine weitere, vom 4. Januar 77 mit drei Punkten. Und ich mein, das ist ja an sich auch klar, das sind etwa die Fragen, die damals nicht gestellt werden konnten, als die Herrn schon einmal hier waren. Das entspricht in etwa den Fragen.

Vors.:

Herr Bundesanwalt Dr. Wunder?

BA Dr. W[under]:

Ich wollte nur folgendes noch bemerken zu dem immer wiederholten[e] Vorwurf, die Akten ARP spät vorgelegt zu haben: Der Zeuge Müller ist von uns unmittelbar nach der Vernehmung der Zeugen und Sachverständigen zu den Sprengstoffanschlägen benannt worden.[12] Er ist Mitte des vergangenen Jahres hier an 4 Tagen vernommen worden. Und[f] damit hat die Bundesanwaltschaft ihre Hauptpflicht in diesem Verfahren erfüllt.

Danke.

RA Schi[ly]:

Da möchte ich kurz[g] erwidern. Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, Sie sind also wirklich hartnäckig in der unrichtigen Darstellung des Sachverhalts. Dem Bundeskriminalamt waren bereits im Frühjahr, spätestens Mitte 1975 Erkenntnisse, lagen Erkenntnisse vor mit Angaben des Zeugen Gerhard Müller, auch zu den Sprengstoffanschlägen. Es war Ihre Pflicht und Schuldigkeit, diese Vorgänge - aber sofort - Bestandteil dieser Akten werden zu lassen. Und aus Gründen, die offenbar nichts mit der Strafprozeßordnung zu tun haben, haben Sie das nicht getan. Sie werden mir doch, wenn Sie noch mitunter mal an einem normalen Verfahren tätig sind - ich weiß nicht, ob das der Fall ist, ich bin es jedenfalls - zugestehen, daß wenn Vermerke und Protokolle über Angaben einer Auskunftsperson, sei sie nun Beschuldigter, sei sie Zeuge oder was immer - das ist ja da so ein bißchen im Dunkeln geblieben bei dem Herrn Müller, bei diesen Vernehmungen, auch eine Merkwürdigkeit -, daß die sofort in die Akten gehören, und zwar nicht nur in die hiesigen Akten, sondern die gehörten auch in die Akten des Strafverfahrens, das gegen Herrn Müller selbst gerichtet war. Und Sie haben vielleicht juristische Fantasie genug, um sich vorzustellen, was es eigentlich heißt, daß solche Akten dem Hamburger Strafverfahren vorenthalten [13479] worden sind, daß z.B. der Vorsitzende dann eine Beweisführung oder[h] daß die Strafkammer dort in eine Beweisführung eingetreten ist mit einer Gegenüberstellung, nur als Beispiel, Hoff-Müller, obwohl aus den Akten sich eindeutig ergab, dieser 3 ARP 74/75, eindeutig ergab, daß der Herr Müller schon früher erklärt hat, er kennt den Herrn Hoff.[13] Und wie gesagt: Ich nehme an, daß Sie genügend juristische Fantasie mitbringen, um sich vorzustellen, was das heißt, wenn solche Akten nicht in ein Verfahren eingeführt werden. Und wie gesagt, ich darf das in aller Form ankündigen, es wird bei anderer Gelegenheit sich die Notwendigkeit stellen, auf diese Frage noch einmal zurückzukommen. Soviel zu Ihren Erklärungen, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

Vors.:

Wir müssen uns diese Frage natürlich ausführlich überlegen; die wirft doch einige Probleme auf. Fortsetzung 11.15 Uhr.

Pause von 10.18 Uhr bis 11.48 Uhr

Ende von Band 797

[13480] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 11.48 Uhr

Vors.:

Es ist folgender Beschluß zu verkünden:

Der Senat sieht davon ab, die Kriminalbeamten Opitz und Petersen zu den von Rechtsanwalt Schily angekündigten Fragen zu vernehmen.

Gründe:

Nach der ausdrücklichen Erklärung des Antragstellers will er die Fragen stellen, die in den vorliegenden Aussagegenehmigungen für die beiden Kriminalbeamten enthalten sind - ich ergänze noch: „Antragsteller“ steht für Rechtsanwalt Schily. - Sie sollen nur dem Beweis verbotener Vernehmungsmittel im Sinne von § 136a StPO[14] bei dem Zeugen Gerhard Müller dienen. Das ist im Rahmen der richterlichen Aufklärungspflicht im Freibeweis[15] zu erforschen. In diesem Rahmen gilt aber § 245 StPO nicht[16] (vgl. BGH St 16, 166; RG St 56 103 und 38, 324; Eberhard Schmidt, Lehrkommentar zur Strafprozeßordnung Teil II, Randnote 2 zu § 245; KM R 6. Auflage, 2 c zu § 244 und Vorbemerkung e vor § 48 StPO; Kleinknecht 33. Auflage, Randnote 18 zu § 244 StPO; Gollwitzer bei Löwe-Rosenberg 23. Auflage, 2 zu § 244 StPO). Darüber, ob bei der Vernehmung des Zeugen Gerhard Müller unzulässige Vernehmungsmethoden angewandt worden sind, hat der Senat schon zahlreiche Zeugen gehört (unter anderem Polizeibeamte, Bundesanwälte, Journalisten, frühere Verteidiger, einen früheren Mithäftling Müllers, die Eltern, den Zeugen Ruhland und dessen Mithäftlinge). Außerdem wurden behördliche Auskünfte vom Bundesminister der Justiz, vom Generalbundesanwalt und vom Bundeskriminalamt eingeholt. Auch die Kriminalbeamten Opitz und Petersen sind dazu schon wiederholt vernommen worden.

Danach ist die wiederholte Vernehmung der beiden Beamten nicht geboten. Ob auch aus anderen Gründen, etwa den von der Bundesanwaltschaft vorgebrachten, von der Vernehmung der beiden Beamten Abstand zu nehmen wäre, kann unter diesen Umständen dahinstehen.

- - -

Das ist dieser Beschluß.

[13481] Ich habe jetzt die Frage zu stellen, ob sonstige Anträge noch zu stellen sind?

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender ...

Vors.:

Bitte.

RA Schi[ly]:

... ich glaube, ich halte es für notwendig, daß mindestens die beiden Zeugen hier erscheinen im Saal, daß ich Ihnen die Ladung nachweise. Ich bin mit Ihrer Entscheidung nicht einverstanden; und möglicherweise ergibt sich daraus ja die Notwendigkeit, das in einem evtl. Revisionsverfahren zu rügen.[17] Zur Wahrung der Rechte der Verteidigung und der Angeklagten[18] halte ich es also für erforderlich, daß die Zeugen hier tatsächlich im Gerichtssaal erscheinen und ich Ihnen die Ladung nachweise, damit auch klar ist, und aus dem Protokoll hervorgeht, daß es sich um präsente Beweismittel handelt.

Vors.:

Also ich gehe davon aus, daß die Zeugen da sind und ...

RA Schi[ly]:

Ja, ich möchte dann erstmal die Ladungen überreichen.

Vors.:

Bitte.

Rechtsanwalt Schily übergibt dem Gericht die beglaubigten Fotokopien der Ladungen mit Zustellungsurkunden der Zeugen KHK Opitz und KOK Petersen.

Vors.:

Also der Senat geht davon aus, daß die Zeugen da sind. Ich beziehe es auf den ganzen Senat.

RA Schi[ly]:

Ja, ja, nur daß die bloße Anwesenheit, Herr Vorsitzender, das wissen Sie ja, die reicht[i] ja nicht, um Zeugen präsent zu machen.[19]

Im übrigen möchte ich doch die Frage an Sie richten, Herr Vorsitzender, warum ich eigentlich mit dieser Entscheidung heute überrascht werde. Sie wissen, daß ich die Ladung dieser beiden Zeugen seit längerer Zeit angekündigt habe. Ich habe Ihnen auch die Aussagegenehmigung übersandt; und ich wundere mich eigentlich ein bißchen, daß Sie, nachdem die Zeugen hier anreisen, wobei ich bei Herrn Opitz noch darauf hinweisen möchte, daß der Herr Opitz ohnehin also entgegengekommen ist, weil er noch nicht wieder[j] ganz gesund ist, ich übrigens auch entgegengekommen bin, weil ich auch nicht gesund bin, hier heute anreise. Ich finde es einigermaßen fantastisch, daß diese Entscheidung nun [13482] erst heute hier ergeht. Warum war das nicht möglich, diese Entscheidung schon vorher zu treffen. Die Bundesanwaltschaft hat verschiedentlich hier[k] in der Hauptverhandlung diesen Antrag wiederholt, ich glaube, auch in der letzten Hauptverhandlung; und ich muß sagen, mir ist es unverständlich diese Verfahrensweise, und ich bitte da um Aufklärung.

Vors.:

Ja, Herr Rechtsanwalt, da gibt es eigentlich nur einen Satz zu sagen. Ein präsentes Beweismittel ist ein solches, wenn es da ist. Und heute ist Sitzung ...

RA Schi[ly]:

Ja, das ist ...

Vors.:

... und heute sind die Zeugen da, dann ist die Sache zu entscheiden.

RA Schi[ly]:

Das ist sicherlich richtig.

Vors.:

Ich weiß ja nicht, ob Sie die Zeugen bringen. Wir hatten ja schon öfters Zeugen in Aussicht gestellt, die kamen dann nicht. Es wäre völlig überflüssig gewesen, in diesen Fällen etwa eine solche Entscheidung zu treffen. Das ist das[l] einzige[m], was ich Ihnen dazu sagen kann.

RA Schi[ly]:

Aber, Herr Vorsitzender, ich glaube das ist aber doch eine Argumentation, die kaum haltbar ist; denn die Bundesanwaltschaft hat doch hier einen Antrag gestellt, über den zu entscheiden war, mit dem Sie mir von vornherein hier überhaupt die Möglichkeit geben, nehmen, irgendeine Frage an die präsente, zu präsentierenden Zeugen zu stellen. Ich halte diese Verfahrensweise wirklich für sehr sehr erstaunlich; und ich bitte also nochmal über diesen einfachen Satz hinaus mir eine klare Erklärung dazu zu geben, warum da eigentlich so verfahren worden ist, warum nicht gleich über diese Anträge der Bundesanwaltschaft entschieden wurde.

Vors.:

Ich habe die Antwort gegeben; mehr habe ich nicht hinzuzufügen.

Sind sonstige [n] Anträge noch[o] zu stellen?

RA Schi[ly]:

Nein, nein, ich muß ja nun überlegen, was ich aus dieser Verfahrensweise des Herrn Vorsitzenden und auch des Senats für Konsequenzen ziehe.

Ich bitte um 5 Minuten Pause.

Vors.:

Ja, gerne.

[13483] Ich will zunächst vielleicht, daß es[p] nicht vergessen wird[q], [r] noch feststellen, daß Herr Rechtsanwalt Schily die Ladungen der Herren Opitz und Petersen auf den heutigen Tag, samt den zugehörigen Zustellungsurkunden des Gerichtsvollziehers überreicht hat. Wer sie anschauen will, soll das tun.

Ich sehe nicht.

Die von Rechtsanwalt Schily übergebenen beglaubigten Fotokopien der Ladungen mit Zustellungsurkunden der Zeugen KHK Opitz KOK Petersen werden als Anlagen 1 und 2 dem Protokoll beigefügt.

Dann verhandeln wir um 12.00 Uhr weiter.

Pause von 11.55 Uhr bis 12.02 Uhr

Vors.:

Die Sitzung wird fortgesetzt.

RA Schi[ly]:

Ich bitte um’s Wort.

Vors.:

Bitte, Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, die Verteidigung hält die Verfahrensweise des Senats, die Entscheidung zu dem Antrag der Bundesanwaltschaft erst heute zu treffen, in hohem Maß für unfair. Da es sich aber bei dem hiesigen Verfahren ohnehin nicht um ein fair trial handelt, wie wir mehrfach Gelegenheit hatten zum Ausdruck zu bringen, ist es vielleicht nur ein Mosaiksteinchen mehr; und ich verzichte darauf, einen ausdrücklichen Antrag daran zu knüpfen. Ich meine aber im übrigen, daß die Verteidigung mindestens die Gelegenheit haben muß, zunächst einmal an die Zeugen Fragen zu stellen. Und dann können Sie feststellen, ob die Frage zulässig ist oder nicht. Wobei ich meine, daß die Fragen, die in dem Fragenkatalog der Aussagegenehmigung enthalten sind, nicht nur Bedeutung haben für die in der Tat im Freibeweisverfahren zu prüfende Frage, ob verbotene Vernehmungsmethoden angewendet worden sind, sondern diese Fragen haben auch etwas zu tun mit der Glaubwürdigkeit dieser Zeugen und anderer Zeugen, die in dem gleichen Zusammenhang vernommen worden sind. Ich hatte bereits heute vormittag einmal anklingen lassen, welche Gesichtspunkte da in Betracht kommen. Aber ich hoffe, daß auch das Gericht in der Lage ist, sich einmal vorzustellen, was es heißt, wenn ein Kriminal- [13484-13486][20] [13487-13489][21] [13490] beamter solche Akten den ...

Vors.:

Ja, also diese Frage ist ja diskutiert, Herr Rechtsanwalt.

Der Beschluß liegt nun mal vor.

RA Schi[ly]:

Ja, ja sicher, ich kann ja Gegenvorstellung[22] dagegen erheben.

Vors.:

Nein, das können Sie nicht.

RA Schi[ly]:

Warum nicht?

Vors.:

Weil ich sie nicht zulasse.

RA Schi[ly]:

Und Sie meinen, wenn Sie einfach sagen, Sie lassen sie nicht zu, dann ist das sozusagen ...

Vors.:

So ist nun mal die Prozeßordnung,[23] Herr Rechtsanwalt ...

RA Schi[ly]:

... (nicht zu verstehen)

Vors.:

... in der Tat.

RA Schi[ly]:

Nein, nein, also Herr Vorsitzender, so können wir nicht verfahren ...

Vors.:

Sie haben einen Antrag gestellt, ...

RA Schi[ly]:

... Ich mache Gegenvorstellung ...

Vors.:

... zusätzliche Fragen zu stellen, die die Glaubwürdigkeit betreffen.

RA Schi[ly]:

Ja, genau.

Vors.:

Dazu können Sie selbstverständlich Ausführungen machen.

RA Schi[ly]:

Naja.

Vors.:

... Aber eine allgemeine Beschlußschelte, die hat ja keinen Sinn.

RA Schi[ly]:

Das ist ja keine Beschlußschelte, es ist keine allgemeine Beschlußschelte, sondern ich setze mich mit Ihrem Beschluß auseinander. Und das ist doch wohl mein Recht, nicht?

Vors.:

Ja, und irgendwie ... auseinandersetzen, ich habe sie mit dem in der Juristerei üblichen ...

RA Schi[ly]:

Nicht, ist es nicht?

Vors.:

... Begriff „Schelte“ bezeichnet. Dies sehe ich also nicht für förderlich an.

RA Schi[ly]:

Ja, ich aber für förderlich. Und mitunter ...

Vors.:

Ja und ich laß’ eben nicht zu. Und in diesem Falle, Herr Rechtsanwalt ...

RA Schi[ly]:

... gibt es eben Unterschiede, Herr Vorsitzender ...

Vors.:

... hat eben der Vorsitzende ...

RA Schi[ly]:

... und der Verteidigung, nicht?

Vors.:

Ja, wenn Sie mich dann reden lassen. In diesem Fall hat eben ...

[13491] RA Schi[ly]:

Sie haben mich unterbrochen. Nicht ich habe Sie unterbrochen.

Vors.:

... weil Sie eben Ausführungen gemacht haben, die meines Erachtens nicht zulässig sind. In solchen Fällen verschiedener Rechtsauffassung gibt eben die Prozeßordnung dem Vorsitzenden gewisse Befugnisse.[24] Und deswegen ...

RA Schi[ly]:

Das ist sicherlich richtig, Herr Vorsitzender, das ist sicherlich richtig. Aber wenn ich einen Antrag stelle, und da auch auf Ihren Beschluß eingehen muß - logischerweise -, dann können Sie so etwas nicht unterbinden, weil Sie einfach sagen: Ich lasse das nicht zu. Dann machen Sie eben nur ...

Vors.:

... vom Mosaiksteinchen Gebrauch, ich weiß.

RA Schi[ly]:

Wie?

Vors.:

Ich habe es ja begründet ...

RA Schi[ly]:

Ja, ich halte aber ...

Vors.:

Bitte fahren Sie fort.

RA Schi[ly]:

... Ihre Begründung für unrichtig.

Vors.:

Sie kennen jetzt meine Bedenken; also fahren Sie bitte fort.

RA Schi[ly]:

Ja, ich habe ja hier ausgeführt, daß diese Fragen auch etwas zu tun haben mit der Glaubwürdigkeit dieser Zeugen. Und die Gesichtspunkte, die dabei eine Rolle spielen, das ist nicht zuletzt die Frage, inwiefern eigentlich diese Akten nicht in das Strafverfahren gegen Müller, nicht Bestandteil dieser Akten geworden sind. Und da könnte sich wirklich für die beteiligten Herren doch einiges an Überlegungen auftun, die ich jetzt im Moment nicht näher präzisieren will. Aber, wie gesagt, ich setze diese juristische Vorstellungskraft nicht nur bei der Bundesanwaltschaft, sondern auch beim Gericht voraus. Und mindestens zur Überprüfung zur Glaubwürdigkeit dieser und anderer Zeugen müssen diese Fragen zugelassen werden. Jedenfalls halte ich es für notwendig, daß die Verteidigung diese Fragen einbringt; wenn Sie die dann alle nicht zulassen, ist das Ihre Sache. Dann wird damit eben nur wiederum offenkundig, daß bestimmte Vorgänge einfach nicht das Tageslicht erblicken sollen.

Vors.:

Ja, Herr Rechtsanwalt Schily, was Sie zur Frage der Glaubwürdigkeit sagen, das lässt sich selbstverständlich hören, rechtlich. Es ist eben nur so: Sie wurden ja heute früh [13492] ausdrücklich gefragt, das heißt, Sie nahmen Stellung, und nahmen dazu Stellung, was das soll. Und Sie haben da zur Glaubwürdigkeit eben kein Wort verloren. Ich meine, wenn Sie Gelegenheit haben, sich zu äußern, und dann nur auf den [§ ]136a[ StPO] sich beziehen, dann ist das Gericht wohl nicht gehalten, da noch alle möglichen Gedanken anzustellen, was vielleicht Herr Rechtsanwalt Schily über das Vorgetragene hinaus, vielleicht sonst noch gedacht haben könnte, nicht? Nun immerhin, Sie haben es nicht getan und ... Aber ich gehe Ihnen zu: Was die Glaubwürdigkeit anlangt, da würde der [§ ]245[ StPO] grundsätzlich Geltung haben. Das ist von uns noch nie bestritten worden. Wenn ich Sie nun bitten dürfte, bevor wir eine Entscheidung treffen, doch näher dazulegen, was das nun, was diese beabsichtigten Fragen nun mit der Glaubwürdigkeit des Herrn Müller zu tun haben. Also so ganz unmittelbar vermag ich die Brücke noch nicht zu schlagen.

RA Schi[ly]:

Ich glaube, Sie haben mißverstanden, Sie haben mich mißverstanden, Herr Vorsitzender. Wir prüfen die Glaubwürdigkeit von Herrn Müller unmittelbar und mittelbar. Wir müssen aber bei der Glaubwürdigkeitsprüfung auch wiederum natürlich prüfen, die Glaubwürdigkeit der Zeugen, die in diesem Zusammenhang benannt worden sind. Und es ist doch wohl selbstverständlich, daß auch es um die Glaubwürdigkeit der Kriminalbeamten Petersen und Opitz, die ja hier schon mehrfach vernommen worden sind, geht, und um die Glaubwürdigkeit, unter anderen, von Herrn Generalbundesanwalt Buback, Herrn Bundesanwalt Dr. Krüger, und Herrn Bundesanwalt Kaul und weiteren Vernehmungsbeamten. Ich glaube, daß die Verteidigung das Recht hat, das zu überprüfen, mit welchem Ergebnis immer. Und ich glaube, wenn von verbotenen Vernehmungsmethoden die Rede ist, dann ist eben auch die Frage nach der Anwendung solcher verbotenen Vernehmungsmethoden mindestens auch für die Glaubwürdigkeit solcher Zeugen vielleicht von Bedeutung, die in irgendeinem Zusammenhang damit stehen könnten, mal ganz vorsichtig ausgedrückt. Und insofern verstehe ich auch nicht Ihren Einwand, warum Sie mir jetzt vorwerfen, ich hätte ja das heute morgen schon mal ausführen können. Ich habe den Inhalt der, des Fragenkatalogs, und der sich daran knüpfenden Fragen skizziert, ohne da nun in irgendeine rechtliche Bewertung [13493] einzutreten. Ich habe da nur auch meine Ausführungen ausgedehnt auf den Vorgang als solchen, nämlich was diese Akte für ein Schicksal gehabt hat. Und da sollten Sie doch, ich meine iura novit curia.[25] Eigentlich wurde ich denken, daß also die Überlegungen, die dann daran rechtlich zu knüpfen sind, doch so auf der Hand liegen, daß es dazu keiner besonderen Hervorhebung durch die Verteidigung bedarf. Aber ich hole das dann hiermit nach.

Vors.:

Ja, jetzt sind Sie mit aber immer noch die Antwort darauf schuldig geblieben, wo nun die Bezüge hier sind. Ich meine, die Glaubwürdigkeit etwa des Zeugen Opitz zu überprüfen, anhand einer Frage, zu der er eben keine Aussagen gemacht hat, früher, durch eine jetzige Aussage, das scheint mir etwas schwierig zu sein. Denn er kann ja jetzt sagen, was er will. Wenn er früher nichts dazu gesagt hat, sehe ich nicht, wie ich die frühere Glaubwürdigkeit oder irgendwelche Widersprüche und dergleichen ...

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, es ist mir unbegreiflich, daß das so schwierig zu vermitteln ist. Ist es nicht ...

Vors.:

Ja, in der Tat. Ich verstehe es auch nicht[s], daß man es nicht so erklären kann, daß man ...

RA Schi[ly]:

... schwierig zu vermitteln. Würden Sie nicht denken, daß es für die Glaubwürdigkeit eines Vernehmungsbeamten, der hier zu bestimmten Inhalten etwas ausgesagt hat, von Bedeutung sein kann, ob dieser unzulässige Vernehmungsmethoden angewendet hat, oder sich sonst-wie unkorrekt verhalten hat, beispielsweise Akten in der Schublade gelassen hat, und auf diese Weise die vollständige Aufklärung eines Sachverhalts in einem bestimmten Strafverfahren verhindert hat. Meinen Sie nicht, daß das für die Glaubwürdigkeit eines Zeugen von Bedeutung ist? Ich staune, daß das überhaupt so schwierig [t] begreiflich zu machen ist. Ist das so ein normaler Vorgang, den man, naja, da brauch man sich gar nicht dafür zu interessieren. Wenn Sie so das, vielleicht ist eben die Unnormalität schon so zur Normalität geworden, daß man die Verteidigung da einfach sich in einer anderen rechtlichen Landschaft bewegt, und noch Vorstellungen so aus der guten alten Zeit vielleicht hier mitbringt, die ...

[13494] Vors.:

Mit diesen Redensarten ist uns ja nicht gedient, Herr Rechtsanwalt ...

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, das sind keine Redensarten ...

Vors.:

... von „der guten alten Zeit“. Wir wollen schon konkret bei der Sache bleiben ...

RA Schi[ly]:

Das sind keine Redensarten, das verbitte ich mir.

Vors.:

Ja, danke, ich nehme es zur Kenntnis.

Wir wollen doch konkret zur Sache kommen. Und bitte sagen Sie doch jetzt, was soll etwa, - wann ein Ermittlungsauftrag erteilt wurde -, was soll das jetzt konkret mit der Glaubwürdigkeit des Zeugen Müller oder anderer Zeugen zu tun haben? Wenn Sie das doch konkret beantworten würden. Das würde doch das Verfahren fördern, anstatt in allgemeinere Betrachtungen auszuweichen.

RA Schi[ly]:

... in allgemeine Betrachtungen ausgewichen, Herr Vorsitzender. Ich sage Ihnen, wenn geklärt wird: Was ist mit dieser Akte geschehen, sind verbotene Vernehmungsmethoden angewendet worden? - dann hat das seine unmittelbare Bedeutung für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen Opitz, eines Zeugen Petersen, aber auch eines Zeugen Generalbundesanwalt Buback, und eines Zeugen Bundesanwalt Dr. Krüger und andere. Das ist meine Meinung. Und Sie können sie ja teilen oder nicht teilen; das ist Ihre Sache, sich darüber dann Gedanken zu machen. Aber ich meine, daß das so eindeutig ist, daß es sich da erübrigt, weitere Ausführungen dazu zu machen.

Vors.:

Gut, ich habe jetzt in etwa mitbekommen, worauf Sie hinauswollen. Sie stellen also den Antrag, die Zeugen in den Sitzungssaal zu bitten und die Gelegenheit zur Fragenstellung zu geben. Habe ich Sie recht verstanden? Gut. Sonstige Stellungnahmen hierzu? Ich sehe nicht. Das Gericht wird sich zurückziehen. Ich vermag noch nicht genau zu sagen ... ich würde sagen 12.25 Uhr.

Pause von 12.14 Uhr bis 12.27 Uhr

Vors.:

Wir konnten uns über den gestellten Antrag von Ihnen, Herr Rechtsanwalt Schily, noch nicht abschließend schlüssig werden, und werden deshalb heute nachmittag fortsetzen, uns bis dahin noch darüber beraten.

[13495] Zunächst aber noch folgendes vor der Mittagspause:

Herr Rechtsanwalt Schily, wir hatten oder ich hatte Ihnen sagen lassen, daß Sie auf Donnerstag, den 3. März, falls Sie dies wollten, Herrn Bundesanwalt Dr. Krüger laden könnten. Ist das geschehen oder sind sonstige Zeugen auf den Donnerstag von Ihnen geladen worden?

RA Schi[ly]:

Nein, ich hatte meinerseits dem Senat mitgeteilt, daß ich mit Herrn Bundesanwalt Dr. Krüger telefoniert habe, und er mir definitiv gegenüber geäußert hat, daß er in dieser Woche nicht kann, und frühestens am Donnerstag nächster Woche. Und ich beabsichtige also Herrn, und[u] werde Herrn Bundesanwalt Dr. Krüger zum Donnerstag nächster Woche laden.

Vors.:

Falls da Sitzung stattfindet, natürlich.

RA Schi[ly]:

Na ich nehme an, daß Sie uns Gelegenheit geben, jedenfalls eine Ladung vorzunehmen; denn es ist so, daß der Herr Bundesanwalt Dr. Krüger ja bekanntlich als Sitzungsvertreter am Dienstag, Mittwoch und Freitag in dem sogenannten „Stockholm-Prozeß“[26] tätig ist. Und in dieser Woche, eben am Donnerstag, hat er mir erklärt, hat er dienstlich zu tun in Bonn, und hat da keine Möglichkeit, hier zu erscheinen. Selbstverständlich habe ich darauf Rücksicht genommen. Ich war etwas erstaunt über diese Mitteilung. Ich habe dann nochmal aufgrund der telefonischen Mitteilung Ihrer Geschäftsstelle dem Gericht geschrieben ...

Vors.:

Das Schreiben ist - glaube ich -[v] eingegangen, telefonisch ...

RA Schi[ly]:

... und das Schreiben - ich habe mich gestern nochmal erkundigt - das Schreiben ist merkwürdigerweise gestern nicht eingegangen ...

Vors.:

Telefonisch hierher ...

RA Schi[ly]:

... und dann habe ich heute nochmal eine Kopie überreicht, weil ...

Vors.:

Die ist mir heute früh vorgelegt worden, ja.

RA Schi[ly]:

... wobei ich das mal generell feststellen will: Es ist etwas merkwürdig mit dem Postverkehr hier nach Stammheim, daß das alles sich sehr verzögert. Der normale Postlauf von Freitag bis Montag könnte man doch eigentlich annehmen, daß ein Schreiben, was am Freitag bei uns herausgeht ...

Vors.:

Ich habe es auch nicht verstanden, warum Ihre Schriftsätze, angekündigten Schriftsätze so spät eingehen. Ich weiß es nicht. Mich hat das auch gewundert.

[13496] RA Schi[ly]:

Ja, es ist mir unverständlich, warum das also mehr als 3 Tage, wär ja sogar heute der vierte, und es ist immer noch nicht da.

Vors.:

Also nun, wir können das Problem in der Hauptverhandlung hier sicherlich nicht abklären, Herr Rechtsanwalt.

RA Schi[ly]:

Ja. Ich darf aber ...

Vors.:

Ja, ich will nur dazu eines sagen ...

RA Schi[ly]:

... noch 2 - vielleicht können Sie Beratung dann dazu benutzen - noch zwei Beweisanträge verlesen.

Vors.:

Ja, bitte.

Rechtsanwalt Schily verliest nunmehr den aus Anlage 3 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrag, der anschließend übergeben und dem Protokoll in Ablichtung beigefügt wird.

Rechtsanwalt Schily verliest nunmehr den aus Anlage 4 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrag, der anschließend übergeben und dem Protokoll in Ablichtung beigefügt wird.

Vors.:

Nur eines noch zu dem Zeugen Dr. Krüger: Ich meine, die Prozeßordnung geht natürlich davon aus, Herr Rechtsanwalt Schily, das ist Ihnen sicher bekannt, daß derjenige, der einen Zeugen nach, direkt nach § 220[ StPO][27] lädt, ihn zur Hauptverhandlung zu bringen hat, und nicht das Gericht so zu verhandeln hat, wie der Antragsteller es will. Also da sind die Verhältnisse einigermaßen auf den Kopf gestellt.

Ja, noch eines ...

BA Dr. Wu[nder]:

Herr Vorsitzender ...

Vors.:

Ja, bitte.

BA Dr. Wu[nder]:

Darf ich mich zu diesem Punkt zu Wort melden. Herr Dr. Krüger hat mich gebeten darauf hinzuwirken, im Rahmen der Möglichkeiten, ihn zum Dritten nicht zu laden, weil er an diesem Tag an einer wichtigen Sitzung in Bonn teilzunehmen habe, daß er aber am 10. in Düsseldorf sitzungsfrei habe und daß ihm im Rahmen der Disposition des Senats der 10. genehm wäre. Das soll ich lediglich ausrichten. Und ich tu es hiermit.

Vors.:

Danke.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, nur auf Ihre Bemerkung einzugehen. Natürlich kann ich nicht jetzt sagen, Herr Dr. Krüger [13497] kann nur am Freitag; und jetzt würde ich dann Herrn Dr. Krüger in einen außergewöhnlichen Sitzungstag auf Freitag. Aber da ja die normalen Sitzungstage Dienstag, Mittwoch und Donnerstag sind, meine ich, daß es durchaus zulässig ist, daß ich Herrn Dr. Krüger auf den 10. lade. Ich sehe eben auch gar keine andere Möglichkeit; ich muß es ja als Entschuldigung gelten lassen von Herrn Dr. Krüger, und muß mich darauf ...

Vors.:

Nun ja, die Vernehmung Krüger, die steht ja seit dem 23. November vergangenen Jahres auf dem Programm; also so ganz neu ist das Thema ja nicht.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, so ganz neu ist das Thema nun nicht. Nur die Aussagegenehmigung, die habe ich in der vergangenen Woche erhalten ...

Vors.:

Ja, Sie hatten ja 31.12., Sie hatten an den Herrn Generalbundesanwalt ja geschrieben am 23.12. ...

RA Schi[ly]:

Richtig.

Vors.:

... Sie hätten sich den 31.12. als Termin für die Genehmigung notiert, und würden dann gerichtlichen Antrag stellen. Also das ist jetzt, also, ja 2 Monate her.

RA Schi[ly]:

Ja, ist das mein Verschulden, daß der Herr Generalbundesanwalt dann 2 Monate benötigt über den Antrag zu entscheiden?

Vors.:

Ich habe ...

RA Schi[ly]:

Ist das mein Verschulden, Herr Vorsitzender?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, bei zu präsentierenden Zeugen ist mir die Frage der Schuld oder Nicht-Schuld, steht die nicht im Vordergrund. Der Zeuge ist hier, wenn er hier ist, und wenn er nicht da ist, ist er für mich ...

RA Schi[ly]:

Das ist sicherlich richtig; aber ...

Vors.:

Eben, ja.

RA Schi[ly]:

... es geht ja nur darum, ob er noch rechtzeitig kommen kann oder nicht; und das ist ...

Vors.:

Gut, das wäre für eine etwaige Entschuldigung dann von Bedeutung.

Jetzt aber, dann wird am Donnerstag, den 3. März, jedenfalls keine Sitzung stattfinden. Dann will ich in diesem Zusammenhang noch vortragen, was sich mit der Zeugin, als Zeugin benannten Frau Mordhorst getan hat. Frau Mordhorst har ein ärztliches Attest geschickt, wonach sie - ich will [13498-13499][28] [13500-13501][29] [13502] es hier nicht vorlesen, aus persönlichen Gründen - wonach sie jedenfalls an Krankheitszuständen leidet, die eine Reise nach Stuttgart zur Zeugenvernehmung nicht zulassen. Wenn es gewünscht wird, extra die Verlesung des vollen Attestes, bitte sehr, es ist jederzeit hier einzusehen. Nun, wenn am Donnerstag, dem 3.3. keine Sitzung stattfindet, der Senat hat die kommissarische Vernehmung der Frau Mordhorst nach § 223 StPO[30] beschlossen, auszuführen durch den ersuchten Richter beim Amtsgericht Hamburg-Blankenese. Und für den Fall, der sich jetzt als richtig herausgestellt hat, daß am Donnerstag, den 3.3. keine Sitzung ist, wird diese kommissarische Vernehmung am Donnerstag, den 3.3., 12.15 Uhr im Amtsgericht Hamburg-Blankenese, Dormienstr. 7, Zimmer 32 stattfinden. Von diesem Termin benachrichtige ich hier alle Anwesenden; die Angeklagten und sonstige Beteiligte, die nicht anwesend sind, die werden anderweitig noch unterrichtet werden. Also, wenn Sie sich es notieren wollen, dann tun Sie das: Donnerstag, 3.3.77, 12.15 Uhr, Amtsgericht Hamburg-Blankenese, Dormienstraße 7, Zimmer 32. Dann setzen wir die Sitzung um 14.30 Uhr fort.

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender, ich hätte noch gern kurz Stellung genommen zu den Beweisanträgen.

Vors.:

Bitte, ja.

OStA Z[eis]:

Den Beweisanträgen liegt offenbar die vom Rechtsanwalt Schily vor einigen Wochen als taufrisch bezeichneten Sachverhalte zugrunde, die noch näherer Abklärung bedurften, damit Rechtsanwalt Schily, wie er sagte, keine Erklärungen ins Blaue hineinstellen würde. Ich meine, jetzt muß es aber jedem auffallen, was mit diesen Beweisanträgen, die vor Wochen, um nicht zu sagen, vor Monaten schon hätten gestellt werden können, auf sich hat: Nichts anderes, als den Prozeß hinauszuzögern, das Verfahren zu verschleppen. Wir beantragen daher,

die Beweisanträge wegen offensichtlicher Prozeßverschleppung gem. § 244 Abs. 3 StPO[31] zurückzuweisen.

Vors.:

Danke.

Also wie gesagt: Fortsetzung 14.30 Uhr

Pause von 12.37 Uhr bis 14.35 Uhr

Ende Band 798

[13503] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 14.35 Uhr

Rechtsanwalt Dr. Holoch (als Vertreter von Rechtsanwalt Schwarz) ist nunmehr auch anwesend.

Rechtsanwälte[w] Künzel und Herzberg sind nicht mehr anwesend.

Vors.:

Ja, ich habe zunächst festzustellen: Herr Rechtsanwalt Künzel hat heute vormittag dem Gericht mitgeteilt, er sei heute nachmittag verhindert. Herr Rechtsanwalt Schwarz wird heute nachmittag von Herrn Rechtsanwalt Holoch vertreten. Die Vertretung wird genehmigt. Herrn Rechtsanwalt Herzberg sehe ich nicht und Herrn Schlaegel auch nicht. Ist Ihnen etwas bekannt, Herr Grigat? Nicht.

Dann ist folgender Beschluß zu verkünden:

Der von Rechtsanwalt Schily gestellte Antrag, die Kriminalbeamten Opitz und Petersen zu vernehmen, wird

abgelehnt.

Rechtsanwalt Schily hat auch bei nachträglicher Befragung nicht erkennbar gemacht, daß er über die in den Aussagegenehmigungen enthaltenen Fragen hinaus Fragen zu stellen hätte, die den Bereich der etwaigen Verwendung verbotener Vernehmungsmittel § 136a StPO und der Glaubwürdigkeit der Zeugen zu diesem Bereich überschreiten könnten. Inwiefern Fragen von einer erheblichen Bedeutung für die Glaubwürdigkeit der Zeugen zur Schuld- gegebenenfalls Straffrage zu stellen wären, die nach §§ 245, 241 Abs. 2 StPO[32] zuzulassen wären, ist weder dargetan noch ersichtlich. Deshalb gilt das gleiche wie in dem heute vormittag verkündeten Beschluß.

- - -[x]

Meine Frage: Sind sonst noch Anträge zu stellen? Ich sehe nicht. Herr Rechtsanwalt Schily, gestatten Sie noch eine Frage von mir. Der Beweisantrag mit dem Vorsitzenden Richter Haden- [13504] feldt. Wenn es hier unter Ziffer 1 heißt: Der Zeuge wird bekunden, daß entsprechend einer zwischen dem Zeugen Gerhard Müller und den Ermittlungsbehörden getroffenen Absprache sämtliche Vermerke und Niederschriften - und dergleichen mehr - nicht zu den Akten gekommen sind, soll der Passus: „Entsprechend einer zwischen dem Zeugen Gerhard Müller und den Ermittlungsbehörden getroffenen Absprache“ soll das eine Tatsache sein, die auch in das Wissen des Zeugen Hadenfeldt gestellt wird, so daß behauptet wird, Herr Hadenfeldt kann eine solche Absprache bezeugen oder ist das nur ein, sozusagen ein Fazit, das Sie bei sich gezogen haben aus dem bisherigen Verhandlungsergebnis, entsprechend etwa der schon häufig anzutreffenden Äußerung „entgegen den Aussagen des Zeugen Müller“ oder dergleichen. Wenn Sie sich vielleicht hierzu erklären könnten?

RA Schi[ly]:

Der Zeuge Hadenfeldt wird Tatsachen dazu bekunden, die mindestens die Schlußfolgerung auf die Existenz einer solchen Vereinbarung zulassen.

Vors.:

Gut, danke sehr. Wenn sonst keine Anträge mehr zu stellen sind - ich sehe nicht -, dann sind wir mit der heutigen Verhandlung am Ende. Wir werden die Hauptverhandlung am Dienstag, 8. März 77, 9 Uhr fortsetzen. Die Beteiligten mögen sich bitte darauf einrichten, daß die heute als Zeugen benannten Personen zu diesem Zeitpunkt vernommen werden. Des weiteren will ich vorsorglich nochmals an die Vernehmung der Zeugin Mordhorst erinnern. Damit ist die Hauptverhandlung geschlossen.

Ende des 181. Verhandlungstages um 14.39 Uhr

Ende von Band 799


[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 – Az.: 1 StE 1/74 – StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[2] Gemäß § 24 Abs. 1 StPO können Richter/innen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Die Ablehnung findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters/einer Richterin zu rechtfertigen (§ 24 Abs. 2 StPO).

[3] § 26a Abs. 1 StPO benennt die Fälle, in denen eine Ablehnung als unzulässig zu verwerfen ist, nämlich bei Verspätung der Ablehnung (Nr. 1), wenn ein Grund zur Ablehnung oder ein Mittel zur Glaubhaftmachung nicht oder nicht innerhalb einer bestimmten Frist benannt wird (Nr. 2) sowie wenn durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen (Nr. 3).

[4] Lehnt der/die Vorsitzende die Ladung einer Person ab, so können Angeklagte die Person selbst unmittelbar laden (§ 220 Abs. 1 StPO). Für diese „präsenten Beweismittel“ enthielt § 245 StPO a.F. im Vergleich zu absenten Beweismitteln nur sehr eingeschränkte Ablehnungsgründe; die Ablehnung präsenter Beweismittel war nur möglich, wenn die Beweiserhebung unzulässig war oder nur zum Zwecke der Prozessverschleppung beantragt wurde. Für präsente Beweismittel bestand daher eine verstärkte Beweiserhebungspflicht des Gerichts (Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 32. Aufl. 1975, § 245 Anm. 1). Inzwischen wurde die Erstreckung der Beweisaufnahme auf präsente Beweismittel von einem vorherigen Beweisantrag abgängig gemacht, welcher in seinen Ablehnungsgründen denen für absente Beweismittel weiter angenähert wurde (§ 245 Abs. 2 StPO).

[5] Der BGH führte in dieser Entscheidung aus, dass die Beweiserhebung unzulässig (und damit auch für präsente Beweismittel nach § 245 StPO abzulehnen, s. Fn. 2) sei, wenn „ein Beweisangebot bei verständiger Beurteilung die Wahrheitsermittlung schlechterdings nicht beeinflussen“ könne: „Auch die Vorschrift des § 245 StPO dient nicht dazu, dem Gericht eine nach Art und Inhalt des Beweisthemas unsinnige und unverständige ‚Beweiserhebung‘ aufzunötigen, wie sie Bestrebungen nicht Vorschub leisten will, die nur auf Verfahrensverschleppung oder auf Fortsetzung der Straftat vor Gericht hinauslaufen. Ist eine Behauptung nach vernünftigem Denken keinerlei Beweis zugänglich, dann fehlt dem Beweisantritt die Sachzugehörigkeit; denn die Wahrheitsermittlung ist auf diesem Wege von vornherein ausgeschlossen“ (BGH, Urt. v. 12.12.1961 – Az.: 3 StR 35/61, BGHSt 17, S. 28, 30). In der Sache ging es um einen Antrag, Textstellen aus dem Alten Testament sowie aus alten jüdischen Schriften im Wege des Urkundenbeweises zu verlesen, um verschiedene antisemitische Behauptungen des Angeklagten als wahr zu beweisen. Das Gericht führte zum einen aus, diese Behauptungen seien bereits „wegen ihres unsinnigen Inhalts und ihrer uferlosen, begrifflich kaum erfassbaren Verallgemeinerungen [...] widersinnig und unverständig und daher keinem Beweise zugänglich“; zudem seien die Schriftstellen „untauglich, etwas über Moral und Sittlichkeit der in der Bundesrepublik lebenden jüdischen Mitbürger auszusagen, wie es beispielsweise eben so widersinnig wäre, durch die biblische Schöpfungsgeschichte ‚beweisen‘ zu wollen, dass heutiges Christentum auf naivem, vordergründigem Märchenglauben beruhe, oder Stellen aus der ‚Edda‘ oder dem ‚Nibelungenlied‘ zur Rechtfertigung der nationalsozialistischen Rassenverbrechen heranzuziehen“ (a.a.O., S. 31 f.).

[6] Gerhard Müller war ein ehemaliges Mitglied der RAF und einer der Hauptbelastungszeugen in diesem sowie in weiteren Verfahren gegen Mitglieder der RAF. Er wurde ab dem 124. Verhandlungstag als Zeuge vernommen. Die Verteidigung versuchte u.a. zu beweisen, dass die umfassende Aussage Müllers, mit der er die Angeklagten schwer belastete, durch das Versprechen diverser ungesetzlicher Vorteile unzulässig beeinflusst worden war (s. hierzu etwa die Beweisanträge in den Anlagen 4 bis 19 zum Protokoll zum 20.7.1976, S. 10643 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 128. Verhandlungstag; s. zu den Vorwürfen der Verteidigung auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 305 ff.).

[7] Landes- und Bundesbeamt/innen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet bezüglich aller Angelegenheiten, die ihnen im Rahmen ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgeworden sind. Aussagen vor Gericht hierüber sind nur nach und im Umfang der Genehmigung durch den jeweiligen Dienstherrn gestattet (heute geregelt in § 37 Abs. 1 und 3 BeamtStG für Landesbeamt/innen und in § 67 Abs. 1 und 3 BBG für Bundesbeamt/innen; für den Stand 1975 galten für Landesbeamt/innen noch Landesgesetze, die sich allerdings an § 39 des Beamtenrechtsrahmengesetzes vom 1.7.1957 orientieren mussten; für Bundesbeamt/innen galt § 61 BBG a.F.). § 54 Abs. 1 StPO stellt sicher, dass die Verschwiegenheitspflicht auch im Falle einer Vernehmung als Zeug/in in einem Strafprozess fortbesteht.

[8] Die auch als „Geheimakte“ bezeichnete Akte „3 ARP 74/75 I“ enthielt Aussagen des ehemaligen RAF-Mitglieds Gerhard Müller. Für diese Akte hatte der damalige Bundesjustizminister Vogel zunächst eine umfassende Sperrerklärung nach § 96 StPO („Die Vorlegung oder Auslieferung von Akten oder anderen in amtlicher Verwahrung befindlichen Schriftstücken durch Behörden und öffentliche Beamte darf nicht gefordert werden, wenn deren oberste Dienstbehörde erklärt, daß das Bekanntwerden des Inhalts dieser Akten oder Schriftstücke dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde“) abgegeben. Die Verteidigung bemühte sich lange darum, Einblick in die Akte zu erhalten. Nachdem die Prüfung und Entscheidung darüber, die Sperrerklärung wieder aufzuheben, der Bundesanwaltschaft anvertraut wurde (s. die Mitteilung des Vorsitzenden Dr. Prinzing am 157. Verhandlungstag, S. 12215 des Protokolls der Hauptverhandlung), gab diese schließlich am 158. Verhandlungstag nach erneuter Prüfung einen Großteil der Akte heraus (S. 12262 des Protokolls der Hauptverhandlung; s. zu den Vorgängen und Vermutungen rund um diese Akte auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 368 ff.). Am 159. Verhandlungstag wurde ein Schreiben des Bundesjustizministers bekanntgegeben, in welchem die letzten noch geheimhaltungsbedürftigen Passagen konkretisiert wurden (s. Anlage 2 zum Protokoll vom 9.11.1976, S. 12306 des Protokolls der Hauptverhandlung, 159. Verhandlungstag).

[9] Der frühere Vorsitzende Dr. Prinzing hatte die Beweisaufnahme bereits am Ende des 148. Verhandlungstages geschlossen (S. 11767 des Protokolls der Hauptverhandlung) und die Bundesanwaltschaft ab dem 149. Verhandlungstag plädiert. Auch nach Schließung der Beweisaufnahme bleibt jedoch ein Wiedereintritt möglich. Die Verfahrensbeteiligten haben bis zum Beginn der Urteilsverkündung das Recht, Beweisanträge zu stellen, das Gericht ist zur Entgegennahme verpflichtet (BGH, Urt. v. 3.8.1966 – Az.: 2 StR 242/66, BGHSt 21, S. 118, 123). Der Wiedereintritt wird – auch konkludent – angenommen, sobald Verfahrensvorgänge durchgeführt werden, die für die Sachentscheidung des Gerichts von Bedeutung sein können; dies sind insbesondere Prozesshandlungen, die in den Bereich der Beweisaufnahme fallen, aber auch wenn sonst der Wille des Gerichts erkennbar wird, es wolle mit den Prozessbeteiligten in der Beweisaufnahme fortführen. Dies kann bereits bei der Erörterung von Anträgen der Fall sein (BGH, Beschl. v. 5.2.2019 – Az.: 3 StR 469/18, NStZ 2019, S. 426 f. m.w.N.).

[10] Das LG Hamburg verurteilte Gerhard Müller mit Urteil vom 16.3.1976 u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Beihilfe zum Mord, Beteiligung an Bombenanschlägen und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zehn Jahren (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, S. 113 ff.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 29). Müller selbst legte zunächst das Rechtsmittel der Revision ein. Trotz dadurch eingetretener Hemmung der Rechtskraft (§ 343 Abs. 1 StPO), hatte Müller eine Verschlechterung seiner Situation (etwa durch Erhöhung des Strafmaßes) zum Zeitpunkt seiner Aussagen kaum noch zu befürchten. Die Frist zur Einlegung einer Revision (eine Woche ab Verkündung des Urteils, § 341 Abs. 1 StPO) für die Staatsanwaltschaft war abgelaufen; § 358 Abs. 2 StPO enthält ein Verbot der Schlechterstellung im Rahmen der Revision u.a. für den Fall, dass nur der/die Angeklagte Revision eingelegt hat. Weitere Rechtsmittel stehen gegen ein Urteil des Landgerichts nicht zur Verfügung; ein erneutes Verfahren wegen der abgeurteilten Taten ist nach Art. 103 Abs. 3 grundsätzlich GG ausgeschlossen. Die Möglichkeit der Wiederaufnahme eines Verfahrens zuungunsten des/der Verurteilten besteht nur in eng begrenzten Ausnahmesituationen (§ 362 StPO). In der Zwischenzeit hatte Müller seine Revision wohl zurückgenommen, sodass das Urteil gegen ihn in Rechtskraft erwachsen war (so Rechtsanwalts Schily am 148. Verhandlungstag, S. 11728 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[11] Der/Die Vorsitzende kann ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen von Amts wegen oder auf Antrag von Verfahrensbeteiligten selbst zurückweisen (§ 241 Abs. 2 StPO), oder bei Zweifeln die Entscheidung des Gerichts einholen (§ 242 StPO). Wird die Zurückweisung abgelehnt, kann hiergegen die Entscheidung des Gerichts eingeholt werden. Ob dies auf Grundlage von § 242 StPO („Zweifel über die Zulässigkeit einer Frage entscheidet in allen Fällen das Gericht“) oder von § 238 Abs. 2 StPO („Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden von einer bei der Verhandlung beteiligten Person als unzulässig beanstandet, so entscheidet das Gericht“) geschieht, wird nicht einheitlich beantwortet (§ 242: Becker, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 6, 27. Aufl. 2019, § 242 Rn. 1; § 238 Abs. 2: Gaede, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl. 2016, § 242 Rn. 1). In beiden Fällen ist jedoch das Gericht für die Entscheidung zuständig, sodass im Ergebnis kein Unterschied zwischen beiden Auffassungen besteht.

[12] Gerhard Müller war in der Anklageschrift noch nicht als Beweismittel vorgesehen. Erst am 118. Verhandlungstag stellte Bundesanwalt Dr. Wunder den Beweisantrag, Gerhard Müller als Zeugen zu vernehmen (S. 10035 des Protokolls der Hauptverhandlung). Die Vernehmung begann am 124. Verhandlungstag.

[13] Der Zeuge Dierk Hoff, der in seiner Werkstatt einige der von der RAF verwendeten Sprengkörperhüllen hergestellt hatte, wurde als einer der Hauptbelastungszeugen ab dem 68., sowie am 98. Verhandlungstag vernommen. Am ersten Tag seiner Vernehmung im Stammheimer Verfahren gab Gerhard Müller an, Dierk Hoff nicht zu kennen (S. 10248 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 124. Verhandlungstag). Diese Angabe widerrief er zu Beginn des 126. Verhandlungstages (S. 10407 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[14] § 136a StPO enthält eine Auflistung von verbotenen Methoden bei der Vernehmung von Beschuldigten. Diese sind: die Beeinträchtigung der Willensentschließung und -betätigung durch Misshandlung, Ermüdung, körperlichen Eingriff, Verabreichung von Mitteln, Täuschung, Quälerei oder Hypnose, sowie die Drohung mit einer unzulässigen Maßnahme oder das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils (Abs. 1). Ferner untersagt sind Maßnahmen, die das Erinnerungsvermögen oder die Einsichtsfähigkeit der Beschuldigten beeinträchtigen (Abs. 2). Für den Fall eines Verstoßes gegen diese Verbote enthält § 136a Abs. 3 Satz 3 StPO ein Verwertungsverbot für die so zustande gekommenen Aussagen.

[15] Das Freibeweisverfahren findet Anwendung zum Beweis von Tatsachen, die nicht die Straf- oder Schuldfrage, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe, betreffen. Im Unterschied zum dort anzuwendenden Strengbeweisverfahren ist das Gericht im Freibeweisverfahren nicht auf die Wahl bestimmter Beweismittel beschränkt, sondern kann grundsätzlich alle verfügbaren Erkenntnisquellen nutzen; auch an die im Strengbeweisverfahren vorgeschriebene Form ist es nicht gebunden (BGH, Urt. v. 28.6.1961 – Az.: 2 StR 154/61, BGHSt 16, S. 164, 166). Für die Prüfung der Voraussetzungen des § 136a StPO wurde zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung wohl überwiegend das Freibeweisverfahren (auch für die Tatsacheninstanz) für ausreichend angesehen (BGH, Urt. v. 28.6.1961 – Az.: 2 StR 154/61, BGHSt 16, S. 164, 166; s. etwa Sarstedt, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 1, 22. Aufl. 1971, § 136a Anm. 8). Die Rechtsprechung vertritt diesen Standpunkt weiterhin (BGH, Urt. v. 21.7.1994 – Az.: 1 StR 83/94, NJW 1994, S. 2904, 2905; BGH, Urt. v. 21.7.1998 – Az.: 5 StR 302/97, BGHSt 44, S. 129, 132; siehe auch Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 136a Rn. 32). Im Schrifttum mehren sich aber die Stimmen, die die teilweise oder sogar vollständige Anwendung des Strengbeweises fordern (für eine vollständige Anwendung des Strengbeweises s. Gleß, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 4/1, 27. Aufl. 2019, § 136a Rn. 77; für eine Anwendung des Strengbeweises in den Fällen, in denen die Aussage letztlich für die Straf- oder Schuldfrage verwertet werden soll s. Schuhr, in Knauer/Kudlich/Schneier [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, § 136a Rn. 99).

[16] Das in den §§ 244 bis 256 StPO geregelte Strengbeweisverfahren (auch „förmliche Beweisaufnahme“) findet Anwendung zum Beweis aller Tatsachen, die die Straf- und Schuldfrage betreffen, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe. Es zeichnet sich u.a. durch eine Beschränkung auf bestimmte Beweismittel (Zeugenbeweis, Sachverständigenbeweis, Urkundenbeweis und Augenscheinsbeweis) aus. Die Tatsachen müssen zudem Eingang in die Hauptverhandlung gefunden haben (§ 261 StPO) und grundsätzlich mündlich vorgetragen und erörtert worden sein (sog. Mündlichkeitsprinzip, s. dazu Meyer-Goßner, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 261 Rn. 7).

[17] Die Revision ist ein Rechtsmittel gegen Urteile, mit welchem Rechtsfehler, d.h. die Nicht- oder Falschanwendung einer Rechtsnorm, gerügt werden können (§ 337 StPO). In der Regel muss zudem dargelegt werden, dass das Urteil gerade auf diesem Rechtsfehler beruht („relative Revisionsgründe“), dass also nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei korrekter Anwendung der Rechtsnorm eine andere Entscheidung ergangen wäre (Gericke, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 337 Rn. 33 ff.). Eine erfolgreiche Revision hat die (ggf. auch Teil-) Aufhebung des Urteils zur Folge (§ 353 StPO).

[18] Über Verfahrensverstöße, die im Rahmen der Revision geltend gemacht werden, wird im Freibeweisverfahren Beweis erhoben. Dabei ist das Protokoll der Hauptverhandlung das wichtigste (für die vorgeschriebenen Förmlichkeiten sogar das einzige: § 274 StPO) Beweismittel.

[19] Damit eine Person als präsentes Beweismittel iSd § 245 StPO gilt, muss u.a. die ordnungsgemäße Ladung nachgewiesen werden (Schmitt, in Meyer-Großner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 245 Rn. 16; s. auch bereits Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 33. Aufl. 1977, § 245 Rn. 2).

[20] Anlage 1 zum Protokoll vom 1. März 1977: Ladung des Zeugen KHK Opitz samt Zustellungsurkunde.

[21] Anlage 2 zum Protokoll vom 1. März 1977: Ladung des Zeugen KOK Petersen samt Zustellungsurkunde.

[22] Eine Gegenvorstellung ist ein Rechtsbehelf, der zwar nicht in der Strafprozessordnung vorgesehen, allerdings in Rechtsprechung und Literatur überwiegend anerkannt ist. Sie beinhaltet die formlose Aufforderung, über eine getroffene Entscheidung erneut zu befinden und die Entscheidung aufzuheben oder abzuändern (Hoch, in Satzger/Schluckebier/Widmaier [Hrsg.], Strafprozessordnung, 4. Aufl. 2020, Vor §§ 296 ff. Rn. 39 ff.).

[23] Gegenvorstellungen sind grundsätzlich nur zulässig, wenn das Gericht auch befugt wäre, die eigene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben, so z.B. in den Fällen, in denen eine ordentliche Beschwerde zulässig wäre (die Abänderungsbefugnis ergibt sich für diesen Fall aus § 306 Abs. 2 StPO). Da die Beschwerde gegen Beschlüsse des OLG in erster Instanz in der Regel ausgeschlossen ist (§ 304 Abs. 4 Satz 2 StPO), kommt auch eine Gegenvorstellung in diesen Fällen grundsätzlich nicht in Betracht. Ausnahmen sollen aber für Fälle gelten, in denen eine Grundrechtsverletzung (auch in Form der Verletzung rechtlichen Gehörs, Art. 103 Abs. 1 GG) geltend gemacht wird (Meyer-Goßner, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, Vor § 296 Rn. 25) oder die Beseitigung groben prozessualen Unrechts anders nicht behoben werden kann (Allgayer, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl. 2016, § 296 Rn. 14). Diese Ausnahmen sind durchaus umstritten (ablehnend etwa Allgayer, a.a.O. Rn. 15).

[24] Die Befugnis des/der Vorsitzenden, unzulässige oder weitschweifige Ausführungen einzuschränken, leitet sich aus der Zuweisung der Verhandlungsleitung (§ 238 Abs. 1 StPO) ab (Becker, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 6, 27. Aufl. 2019, § 238 Rn. 3).

[25] Der Grundsatz „iura novit curia“ stammt aus dem Zivilprozessrecht, findet aber mittlerweile auf sämtliche Prozessordnungen Anwendung und bedeutet wörtlich „das Gericht kennt das Recht“. Damit ist gemeint, dass die Parteien dem Gericht nur die entscheidungserheblichen Tatsachen vortragen müssen, weitere Rechtsauführungen aber nicht erforderlich sind, da das Gericht mit dem Recht vertraut ist und es von Amts wegen anwendet (s. zu diesem Grundsatz Bohnert/de Schotten, NVwZ 2020, S. 1245). Eine Ausnahme besteht nach § 293 ZPO für ausländisches Recht, Gewohnheitsrecht und Statuten; sind sie dem Gericht unbekannt, bedürfen sie für ihre Anwendung eines Beweises, wobei das Gericht nicht auf die von den Parteien beigebrachten Nachweise beschränkt ist.

[26] Vor dem OLG Düsseldorf fand die Hauptverhandlung gegen die am Stockholm-Attentat Beteiligten statt. Am 24. April 1975 überfiel das RAF-Kommando „Holger Meins“ die deutsche Botschaft in Stockholm und forderte die Freilassung von 26 inhaftierten RAF-Mitgliedern, darunter von Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof. Dem Kommando gehörten Karl-Heinz Dellwo, Siegfried Hausner, Hanna Krabbe, Bernhard Rössner, Lutz Taufer und Ulrich Wessel an. Zur Durchsetzung ihrer Forderungen nahmen sie zwölf Geiseln, von denen sie zwei erschossen. Anders als zwei Monate zuvor bei der Lorenz-Entführung durch die Bewegung 2. Juni lehnte die Bundesregierung nun Verhandlungen mit den Geiselnehmern ab. Ihr Ende fand die Geiselnahme durch eine nicht geklärte Sprengstoffexplosion im Inneren des Botschaftsgebäudes, die sich noch vor dem Zugriff schwedischer Sicherheitskräfte ereignete. Bei der Explosion wurde Ulrich Wessel tödlich verletzt. Siegfried Hausner erlag seinen Verletzungen Anfang Mai in der JVA-Stammheim. Die übrigen vier Geiselnehmer/innen wurden verhaftet und am 20. Juli 1977 zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt (OLG Düsseldorf, Urt. v. 20. Juli 1977 – Az.: IV 15/75; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 361 ff.; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 69).

[27] S. bereits Fn. 4.

[28] Anlage 3 zum Protokoll vom 1. März 1977: Antrag des Rechtsanwalts Schily auf Vernehmung des Vorsitzenden Richters am LG Hamburg Hadenfeldt als Zeugen.

[29] Anlage 4 zum Protokoll vom 1. März 1977: Antrag des Rechtsanwalts Schily auf Vernehmung des Staatsanwalts Fernholz sowie der Kriminalbeamten Freter und Radzey als Zeugen.

[30] § 223 StPO ermöglicht die Vernehmung durch eine/n ersuchte/n oder beauftragte/n Richter/in, wenn dem Erscheinen von Zeug/innen in der Hauptverhandlung nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen, oder ihnen das Erscheinen wegen großer Entfernungen nicht zugemutet werden kann. Die Vernehmung kann auch im Ausland stattfinden. Während der/die „beauftragte“ Richter/in dem mit der Sache befassten Spruchkörper angehört und von diesem mit einer bestimmten Prozesshandlung betraut wird, gehört der/die „ersuchte“ Richter/in dem an sich zuständigen Spruchkörper gerade nicht an, sondern wird für diesen im Wege der Rechtshilfe tätig (vgl. §§ 361 Abs. 1, 362 Abs. 1 ZPO). Das Ergebnis der Vernehmung kann gem. § 251 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StPO a.F. (heute: § 251 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StPO) durch Verlesen des richterlichen Vernehmungsprotokolls in die Hauptverhandlung eingeführt werden.

[31] Beweisanträge, die zum Zweck der Prozessverschleppung gestellt werden, konnten nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO a.F. abgelehnt werden. Der Ablehnungsgrund der Prozessverschleppung wurde mit Wirkung zum 13.12.2019 durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens (BGBl. I, S. 2121) aufgehoben, was allerdings nicht zur Folge hat, dass derartige Anträge nun ungehindert gestellt werden könnten; vielmehr sieht § 244 Abs. 6 Satz 2 StPO vor, dass ein solcher Antrag nun gar nicht mehr durch förmlichen Beschluss abgelehnt werden muss.

[32] § 245 StPO enthält die im Vergleich zu absenten Beweismitteln eingeschränkten Ablehnungsgründe für präsente Beweismittel, nämlich nach damaliger Fassung die Unzulässigkeit oder die Beantragung zum Zwecke der Prozessverschleppung (s. bereits Fn. 4). § 241 Abs. 2 StPO gibt dem/der Vorsitzenden die Möglichkeit, ungeeignete und nicht zur Sache gehörende Fragen zurückzuweisen.


[a] Maschinell durchgestrichen: wir

[b] Maschinell eingefügt: den

[c] Maschinell eingefügt: so

[d] Maschinell eingefügt: Ihnen

[e] Maschinell ersetzt: wieder alten durch wiederholten

[f] Maschinell eingefügt: Und

[g] Maschinell ersetzt: darauf durch kurz

[h] Maschinell eingefügt: oder

[i] Handschriftlich ergänzt: reicht

[j] Maschinell eingefügt: wieder

[k] Maschinell eingefügt: hier

[l] Maschinell eingefügt: das

[m] Handschriftlich ergänzt: einzige

[n] Maschinell durchgestrichen: noch

[o] Maschinell eingefügt: noch

[p] Maschinell eingefügt: es

[q] Maschinell eingefügt: wird

[r] Handschriftlich durchgestrichen: will

[s] Handschriftlich eingefügt: nicht

[t] Handschriftlich durchgestrichen: zu

[u] Maschinell eingefügt: und

[v] Maschinell eingefügt: - glaube ich -

[w] Handschriftlich ersetzt: Rechtsanwalt durch Rechtsanwälte

[x] Handschriftlich eingefügt: - - -