175. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 25. Januar 1977 um 10.03 Uhr.



[13279] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 25. Januar 1977 um 10.03 Uhr.

(175. Verhandlungstag)

Das Gericht erscheint in folgender Besetzung:

Richter am OLG Dr. Foth

- als Vorsitzender -

Richter am OLG Maier

Richter am OLG Dr. Berroth

Richter am OLG Dr. Breucker

Richter am OLG Vötsch

- als beisitzende Richter -

Richter am OLG Nerlich

Richter am OLG Meinhold

Richter am OLG Freuer

- als Ergänzungsrichter -

Die Bundesanwaltschaft erscheint in folgender Besetzung:

Bundesanwalt Dr. Wunder

Oberstaatsanwalt Zeis

Oberstaatsanwalt Holland

Als Urkundsbeamte sind anwesend:

JOS Janetzko und Just. Ass. Scholze.

Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]

Als deren Verteidiger sind anwesend RAe.

Eggler, Künzel, Schnabel, Schwarz und Schlaegel.

Vors.:

Die Sitzung des Strafsenats wird fortgesetzt. Die Verteidigung ist gewährleistet. Herr Rechtsanwalt Grigat hat sich für kurze Zeit entschuldigt.

[13280] Rechtsanwalt Schily erscheint um 10.04 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Wir haben heute kein Beweisprogramm. Der Zeuge Mordhorst, welcher geladen werden sollte, ist schwer krank und nach ärztlicher Auskunft - er ist im Krankenhaus - auch am Krankenbett nicht vernehmungsfähig. Es wird im Laufe der Woche wahrscheinlich seitens des Arztes nochmals eine Stellungnahme herbeigeführt werden können, die ergibt, ob die Vernehmungsfähigkeit in absehbarer Zeit zu erwarten ist oder nicht. Das letzte Mal war vom Gericht Herrn Rechtsanwalt Schily der heutige Termin angeboten worden, den Zeugen Petersen zu präsentieren. Das ist offenbar nicht geschehen. Wir hatten uns am Freitag dann, weil wir wegen des Zeugen Mordhorst sowieso mit Hamburg Fühlung aufgenommen hatten, erkundigt und es wurde von Ihrem Büro, Herr Rechtsanwalt Schily, mitgeteilt - so wenigstens hat es seinen Niederschlag in einer Aktennotiz gefunden - eine Ladung an Herrn Petersen erfolge erst, wenn über die gestellten Beweisanträge auf Vernehmung von Zeugen schriftlich entschieden sei. Es ist natürlich etwas verdrießlich. Das Gericht stellt einen Termin zur Verfügung, der Termin wird nicht benutzt, ja es wird dem Gericht noch nicht einmal mitgeteilt, daß er nicht benutzt wird. Sie werden verstehen, daß das nicht prozeßfördernd ist.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, da ist ohnehin noch ein weiteres Mißverständnis unterlaufen, was ich heute Morgen gegenüber Frau Benz korrigiert habe. Die Mitteilung meines Büros sollte lauten, daß ich zunächst beantrage, daß über meinen Antrag entschieden wird, festzustellen, daß die Vernehmungen der Zeugen Petersen und Opitz, die ja bereits einmal auf Ladung der Verteidigung hier erschienen sind, sachdienlich war und daß die Kosten für diese Vernehmung aus der Staatskasse zu tragen sind.[2] Und ich habe Grund, diesen Antrag zunächst mal, der ja seit langer Zeit vorliegt, daß über diesen Antrag zunächst einmal entschieden wird.

Vors.:

Ja, das wäre natürlich bedauerlich, wenn da ein Mißverständnis am Telefon entstanden wäre. Aber es bleibt trotzdem der Umstand, daß diese Voraussetzung in der letzten Hauptverhandlung nicht genannt wurde und daß das Gericht von diesem Sinneswandel nicht unterrichtet wurde, außer auf eigene Anfrage.

[13281] Nun, dieser Antrag ist freilich gestellt und es wurde auch in der Hauptverhandlung schon darüber gesprochen. Aber ich muß darauf verweisen, daß etwa in Löwe-Rosenberg die Meinung vertreten wird: „Der Anspruch an die Staatskasse ist dadurch bedingt, daß der Zeuge oder Sachverständige etwas ausgesagt hat, was zur Aufklärung der Sache dienlich war. Ob diese Voraussetzung zutrifft, hat das Gericht in tatrichterlicher Würdigung des Gesamtergebnisses der Verhandlung zu entscheiden.“ Ich könnte mir denken, Herr Rechtsanwalt Schily, daß Sie mir zustimmen, daß dieser Zeitpunkt jetzt noch nicht gekommen ist, „... in tatrichterlicher Würdigung das Gesamtergebnis der Verhandlung zu würdigen“. Es kommt noch hinzu der besondere Umstand, daß es ja um Zeugen geht, die nochmals vernommen werden sollen. Und da könnten sich ja Veränderungen ergeben, die auch auf diese Entscheidung einwirken. Also es ist nicht damit zu rechnen, Herr Rechtsanwalt Schily, daß wir vorläufig über diesen Antrag befinden werden. Das wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Ich bitte Sie, diese Rechtsmeinung nachzuprüfen.

RA Schi[ly]:

Ja ich kenne diese Stelle, aber ich kenne auch die Praxis aus anderen Verfahren, daß durchaus nach der Vernehmung, in dem ja auch eine vorläufige Würdigung vorgenommen werden kann. Sachdienlich ist ja ein durchaus ...

Vors.:

Ja, also das ist eine unterschiedliche Rechtsauffassung, die sind ja jetzt zutage getreten.

RA Schi[ly]:

Ich meine, ich muß respektieren, wenn Sie der Meinung sind, Sie können erst zu einem späteren Zeitpunkt ... Aber ich stelle zunächst mal den Antrag, sofort darüber zu entscheiden.

Vors.:

Ja gut, wir werden uns dann darüber Gedanken machen.

Dann zu den sonstigen Beweisanträgen, die in der letzten ...

RA Schi[ly]:

Wenn ich ... Entschuldigung, ich meine, wenn Sie jetzt zu der Auffassung gelangen etwa in Anknüpfung an diese zitierte Stelle in Löwe-Rosenberg, daß Sie über den Kostenantrag noch nicht entscheiden, dann wird allerdings die Verteidigung auch prüfen müssen, ob sie nicht zunächst einmal abwartet die Durchführung der weiteren Beweisaufnahme bezüglich der Zeugen Herold und Kaul, und sich dann darüber schlüssig wird, ob noch eine weitere Vernehmung der Zeugen Opitz und Petersen auf unmittelbarer Ladung der Verteidigung erforderlich ist.

[13282] Vors.:

Ich kann es Ihnen nicht abspenstig machen. Ich kann Sie eben nur auf den Grundsatz der Beschleunigung des Prozesses[3] hinweisen und daß doch fraglich ist, ob man von den Zeugengebühren die sachliche Sachdienlichkeit einer Beweiserhebung abhängig machen will.

Ja, es war das letzte Mal der Antrag gestellt worden, die Akten des Verwaltungsgerichts Köln[4] zuzuziehen und dann diesen Vermerk zu verlesen. Ich habe festgestellt, daß die Akten inzwischen beim Oberverwaltungsgericht Münster liegen, wo wohl ein Rechtsmittel[5] anhängig ist, und es ist schriftlich beim Oberverwaltungsgericht Münster angefordert worden eine beglaubigte Ablichtung dieses Vermerks. Wenn der dann vorliegt, dann wird auch über die Beweisanträge, die im Zusammenhang damit stehen, Dr. Corves und Buback, zu befinden sein. Der Beweisantrag, der sich auf Herrn Bundesanwalt Kaul bezieht, ist dadurch bearbeitet worden, daß ein Schreiben an den Herrn Generalbundesanwalt gerichtet wurde, in dem er gebeten wurde, zu den Punkten a) bis i) dieses Antrags Aussagegenehmigung[6] zu erteilen. An Herr Rechtsanwalt Herold, nicht Rechtsanwalt, Entschuldigung, an Herrn Präsident des Bundeskriminalamts Herold wurde wegen dieses und des weiteren Beweisantrags zunächst geschrieben, er möge zunächst schriftlich Stellung nehmen. Das Gericht wird sich dann, wenn diese Stellungnahme eingegangen ist, überlegen, ob möglicherweise eine Verlesung nach § 256[ StPO][7] in Betracht kommt oder ob es erforderlich sein wird, auch Herrn Präsidenten Herold als Zeugen zu laden.

Der Antrag auf Ladung des Herrn Ulrich Wegener wird mit folgendem Beschluß beschieden:

Der von Rechtsanwalt Schily gestellte Antrag, Herrn Ulrich Wegener als Zeugen zu laden, wird abgelehnt.

Gründe:

Soweit es darum geht, wie die „Rote-Armee-Fraktion“ bekämpft wurde (Abs. 1 und 7 des Antrags), sind die unter Beweis gestellten Tatsachen für die Entscheidung ohne Bedeutung; es ist nicht ersichtlich, inwiefern sie die Schuld-, [13283] gegebenenfalls die Straffrage beeinflussen könnten.[8]

Ob es sich bei den Angehörigen der „Rote-Armee-Fraktion“ um Einzeltäter handelte (Abs. 2 des Antrags) - wobei der Antrag zudem offen läßt, welche konkreten Taten und welche konkreten Täter hier gemeint sind - ist eine vom Gericht zu entscheidende Rechtsfrage. Die Wertung einer Beweisperson kann hierzu nichts beitragen und ist deshalb für die Entscheidung ohne Bedeutung.

Soweit in den Absätzen 3 bis 6 des Antrags die Wertung der genannten Beweisperson gewünscht wird, handelt es sich nicht um Zeugenwissen.[9] In Betracht kommende Schlußfolgerungen kann der Senat gegebenenfalls selber ziehen. Sollte es dem Antragsteller andererseits auf Tatsachen ankommen, die Schlußfolgerungen, wie in dem Antrag gezogen, zuließen, so müßte er solche Tatsachen im Einzelnen benennen, etwa (vgl. Abs. 3 des Antrags) angeben, bei welchem konkreten Auftrag welche konkrete Vorbereitung, Führung, Ausrüstung und Bewaffnung vorgelegen haben sollen, worin (vgl. Abs. 4) die „paramilitärische“ Ausbildung welcher Angehörigen der „Rote-Armee-Fraktion“ bestanden haben soll; entsprechendes gilt für Abs. 5. Auch Abs. 6 des Antrags läßt nicht erkennen, welche konkreten Aktionen der „Rote-Armee-Fraktion“ gemeint sind und welche bestimmten Tatsachen Schlüsse auf politische Zielsetzung und ideologischen Hintergrund zulassen könnten.

So, wie der Antrag gestellt ist, erschöpft er sich in bloßer Ermittlungsanregung.[10] Ihr nachzugehen, sieht der Senat keinen Anlaß, weil angesichts der sonstigen Beweisaufnahme nicht zu sehen ist, inwiefern hier die Sachaufklärung gefördert werden könnte.

- Rechtsanwalt Grigat erscheint um 10.10 Uhr im Sitzungssaal. -[a]

Des weiteren war Antrag gestellt worden auf Vernehmung der Zeugen Burkart und Ludwig. Hierzu hat der Senat beschlossen:

Der von Rechtsanwalt Schily gestellte Antrag, die Polizeibeamten Burkart und Ludwig als Zeugen zu vernehmen, wird abgelehnt.

Gründe:

Der Antrag zielt möglicherweise - ausdrücklich wird nichts [13284] gesagt - darauf ab, bei Herrn Gerhard Müller[11] seien verbotene Vernehmungsmittel im Sinne von § 136a StPO[12] angewandt worden; das ist im Freibeweisverfahren[13] zu klären. Doch wird noch nicht einmal behauptet, die im Beweisantrag geschilderten Vorgänge hätten zu einer Aussage von Herrn Müller geführt, und selbst, wenn dies der Fall wäre, würde doch nur diejenige Aussage des Zeugen berührt werden, die auf diese Weise erzielt wurde, nicht aber eine spätere Aussage, bei der solche Dinge keine Rolle mehr spielten (BGHSt 22, 133[14]).Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, inwiefern die Vernehmung der Zeugen Burkart und Ludwig zur Wahrheitsfindung beitragen könnte. Es kann deshalb dahinstehen, ob die Behauptung einer „gespannten seelischen Verfassung“ und von „seelischen Spannungen“ überhaupt ausreichen kann, das Vorliegen eines der in § 136a StPO genannten Tatbestandsmerkmale auch nur in den Bereich des Wahrscheinlichen zu rücken.

Daß der Beweisantrag auch auf die Überprüfung der Glaubwürdigkeit von Herrn Müller abzielte, ist nicht erkennbar. Allgemeine seelische Spannungen eines Zeugen haben mit der Wahrheit seiner Aussage noch nichts zu tun; konkretere Angaben über die Art dieser Spannungen fehlen. Daher sind die unter Beweis gestellten Tatsachen insoweit jedenfalls ohne Bedeutung (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO).

- - -[b]

Vors.:

Das ist an sich schon das Meiste, was von gerichtswegen heute zu tun ist. Ich stelle zunächst die Frage, Herr Bundesanwalt Wunder, ist schon irgend etwas, wissen Sie irgend etwas wegen der Aussagegenehmigung von Herrn Bundesanwalt Kaul?

BA Dr. W[under]:

Sie wird bearbeitet. Aber ich darf bemerken, daß Bundesanwalt Kaul diese Woche und die nächste Woche sich im Auslandsurlaub befindet.

Vors.:

Also diese Woche und die gesamte nächste Woche?

BA Dr. W[under]:

Ja, ja.

Vors.:

So daß er also vor übernächster Woche nicht zur Verfügung stehen wird.

BA Dr. W[under]:

Herr Vorsitzender, ich würde gerne etwas ganz Allgemeines [13285] zu der augenblicklichen Situation erklären. Wenn ich das jetzt vielleicht tun dürfte?

Vors.:

An sich lieben wir allgemeine Erklärungen in der Hauptverhandlung nicht. Es werden Anträge gestellt. Es kann nach § 257[ StPO][15] Stellung genommen werden. Ich würde bitten, ich weiß nicht, um was es sich handeln sollte, aber ich sehe im Augenblick nicht recht, wozu es führen soll. Vielleicht könnten Sie es etwas präzisieren, Herr Bundesanwalt?

BA Dr. W[under]:

Herr Vorsitzender, es geht mir darum, daß einmal doch ausgesprochen werden soll und vielleicht in Form einer Frage an die Verteidigung, wie lange und wieweit die Glaubwürdigkeitsprüfung der Zeugen, verschiedener Zeugen, in der wir uns jetzt doch seit Oktober des vergangenen Jahres befinden, fortgesetzt werden soll. Denn im Augenblick könnte doch zumindest der Eindruck entstehen, als ob mit der Benennung immer wieder neuer Zeugen, neuer Beweismittel, das Verfahren vielleicht ins Unermessliche ausgedehnt werden könnte, obwohl jedenfalls aus unserer Sicht die Beweisaufnahme seit Oktober des vergangenen Jahres nichts zu Gunsten der Angeklagten gebracht hat ...

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, ich bitte ums Wort. Auf welche prozeßuale Vorschrift wird jetzt die Erklärung des Herrn Generalbundesanwalts gestützt?

Vors.:

Ich habe die Erklärung des Bundesanwalts[c] Dr. Wunder zugelassen, weil ich - Sie haben ja meine anfänglichen Bedenken gehört - weil ich den Eindruck gewonnen habe, daß es hier in der Tat ein Thema ist, das nun unmittelbar auf die Beweisaufnahme Einfluß hat und das sich mindestens im indirekten Sinne auf[d] die Beweisanträge, die letzte Woche gestellt worden sind, und die ja zum Teil noch unerledigt sind, bezieht. Das war der Anlaß, daß ich es zugelassen habe.

BA Dr. W[under]:

Das ist eigentlich eine Frage an Sie, Herr Rechtsanwalt.

RA Schi[ly]:

Ja aber ich finde, wenn da so unter der Hand dann noch schnell nochmal eine Vorwegwürdigung des bisherigen Beweisergebnisses stattfindet, das ist wohl ...

Vors.:

Also eine Würdigung des Beweisergebnis...

RA Schi[ly]:

Das finde ich, sollte Herr Bundesanwalt Dr. Wunder unterlassen.

[13286] Vors.:

Herr Dr. Wunder, sind Sie fertig mit dem, was Sie sagen wollten?

BA Dr. W[under]:

In etwa. Es wär nur, Herr Rechtsanwalt Schily, ein Nachsatz gekommen, den Sie eigentlich noch hätten anhören sollen. Und da hätte ich nämlich gesagt, daß zwei Zeugenaussagen darunter sind von 30igen[e], mit denen man sich allerdings auseinander zu setzen haben wird.

Vors.:

Ja Herr Dr. Wunder, ich möchte in der Tat einen Ausflug in die Beweiswürdigung ...

BA Dr. W[under]:

Ich beende das. Aber, Herr Vorsitzender, ich meine, wir sind doch jetzt irgendwann einmal an einem Scheideweg angekommen und es sollten doch alle Seiten vielleicht die augenblickliche Situation benützen, um mal wieder einer quasi Bestandsaufnahme darüber nachzudenken, wie dieses Verfahren weitergehen soll. Das kann auch außerhalb der Hauptverhandlung geschehen. Aber irgendwann muß man doch auch mal erklären können, warum dieser Prozeß nicht zu Ende geht.

Vors.:

Nun der Prozeß geht, also so habe ich es bisher aufgefaßt, nicht zu Ende, weil Beweisanträge gestellt worden sind, was die Strafprozeßordnung zuläßt. Aber ich hab es ja ...

RA Schi[ly]:

Darf ich kurz erwidern, Herr Vorsitzender?

Vors.:

Gleich, einen Augenblick. Ich hab es ja vorhin auch schon anklingen lassen, der Beschleunigungsgrundsatz gilt und ich habe gerade auch bei Herrn Petersen, also das hat mich wenig erfreut, das muß ich gestehen, das dient zur Verzögerung des Verfahrens, objektiv. Herr Rechtsanwalt Schily, bitte?

RA Schi[ly]:

Ich finde es ja außerordentlich makaber, wenn die Bundesanwaltschaft von Verzögerung spricht, nachdem sie uns eine wichtige Akte, die Akte 3 ARP[16] betreffend Aussagen des Zeugen Gerhard Müller, erst nach ihren Schlußvorträgen[17] in der Hauptverhandlung zur Verfügung gestellt hat. Das ist ein solcher phänomenaler und einmaliger Vorgang, daß eine solche Akte nach dem Schlußvorträgen erst in die Verhandlung eingeführt wird, daß das doch eigentlich der Bundesanwaltschaft den Mund verbieten sollte, d.h. sie sollte eigentlich mit dem Wort Verzögerung nun eigentlich, vielleicht nach zwei Jahren, da können Sie vielleicht wieder auftreten, nachdem die Ver- [13287] handlung etwa eineinhalb Jahre gedauert hat und man dann eine solche Akte erst auf den Tisch legt. Also das zu dem Stichwort Verzögerung. Die Verteidigung wird selbstverständlich in jeder Lage des Verfahrens prüfen, was zu tun ist; [f] dieser allgemeinen Floskel kann ich dazu nur sagen. Und ich kann gar nicht ausschließen, beispielsweise im Fall des Zeugen Mordhorst, daß uns neue Informationen zugehen, die zu neuen Beweisanträgen führen. Ich kann Ihnen ohne Weiteres sagen, daß ich hier noch weitere schriftliche Informationen in der Akte habe gegenwärtig, ganz taufrisch und ich überprüfen muß, ob die in einen Beweisantrag eingehen werden. Das weiß ich nicht ...

Vors.:

Es wäre tunlich, wenn das möglichst beschleunigt ...

RA Schi[ly]:

... Ja natürlich. Nur Sie werden verstehen, Herr Vorsitzender, daß die Verteidigung ja auch nicht einfach hier ungeprüft irgendwelche Informationen verwerten kann und dann vorprellen kann mit Beweisanträgen. Das geht nicht. Also da müssen Sie mir schon zubilligen, zumal ich nicht über einen Apparat verfüge wie die Bundesanwaltschaft, die ja sich des Bundeskriminalamtes bedienen kann und da entsprechende Ermittlungen dann anstellen kann. Also da sind wir in einer wesentlich ungünstigeren Position als die Bundesanwaltschaft. Ohnehin kann ja in dem Bereich von Waffengleichheit auch nicht im Mindesten die Rede sein. Also das sage ich zu der Frage der Beweisanträge. Ich möchte aber auch noch eine ...

Vors.:

Der Zeuge Petersen wäre natürlich unschwer zu vernehmen gewesen, wenn damals ihr[g] Herr[h] Stellvertreter die Sitzung nicht verlassen hätte[i], Herr Rechtsanwalt ...

RA Schi[ly]:

Sicherlich, sicherlich, das mag richtig sein. Da sind aber andere Vorkommnisse, wie Sie wissen, haben da ja zu Verzögerungen geführt, die wir auch nicht zu vertreten haben. Ich hatte ja die Zeugen bereits mal zum 10. Januar geladen, wie Sie wissen.

Ich möchte aber einen anderen Vorgang hier noch in der Hauptverhandlung zur Sprache bringen.

Vors.:

Welchen, Herr Rechtsanwalt?

RA Schi[ly]:

Ja, ich komme darauf. In dem Beschluß vom 20. Januar 1977[18] hat dieser Senat die Ablehnung von, des früheren Vorsitzenden Dr. Prinzing für begründet erklärt mit Rücksicht auf Informationen, [13288] also neutral ausgedrückt ...

Vors.:

Ja, was soll das jetzt, Herr Rechtsanwalt Schily, mit der Hauptverhandlung zu tun haben?

RA Schi[ly]:

Ja, das hat sehr viel mit der Hauptverhandlung zu tun, weil ich daran auch noch einen Antrag anknüpfen werde.

Vors.:

Bitte wenn Sie den kennzeichnen würden, dann sieht man, was es damit zu tun hat.

RA Schi[ly]:

Ja, ich stelle den Antrag, der Verteidigung sämtliche Unterlagen über Informationen der Haftanstalt an das Gericht über, also hinsichtlich der Angeklagten zur Einsichtnahme zur Verfügung zu stellen. Und Anlaß zu diesem Antrag und die Begründung ist die folgende.

Vors.:

Ja, soll das ein Beweisantrag sein oder?

RA Schi[ly]:

Nein, nein, das ist ein Akteneinsichtsantrag.

Vors.:

Ja, ja, ein Akteneinsichtsantrag hat ja keine Qualität für sich.[19] Ist es ein Beweisantrag? Soll damit irgendwie die Schuld- oder die Straffrage gegebenenfalls beeinflußt werden, wenn nicht ...

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, lassen Sie mich doch mal meinen Antrag stellen und dann begründen und dann können Sie doch ...

Vors.:

Ja es ist eben nicht so, daß man erst den Antrag stellen soll und am Schluß stellt sich dann heraus, daß er in der Hauptverhandlung füglich gar nicht hätte gestellt werden sollen. Ich sehe, Sie sagten ja selber gerade, als ich fragte: Ist es ein Beweisantrag ...?

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, ...

Vors.:

... Sie würden mich bitte ausreden lassen. Sie sagten ja selber gerad, als ich sagte: „Ist es ein Beweisantrag?“, dann sagten Sie, wenn ich Sie recht verstanden hab: „Nein, das ist ein Akteneinsichtsantrag“.

RA Schi[ly]:

Ganz recht.

Vors.:

Ja, das ist aber nun mal nichts. Akteneinsicht, es muß ein Beweisantrag sein, der sich mit der Schuld-, gegebenenfalls der Straffrage zu befassen hat, sonst gehört er nicht in die Hauptverhandlung.[20]

RA Schi[ly]:

Seit wann denn das, Herr Vorsitzender? Seit wann kann in der Hauptverhandlung ...

[13289] Vors.:

Seit es die Strafprozeßordnung gibt, ist es so, Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Schi[ly]:

Aber Herr Vorsitzender, da sind Sie im Irrtum. Natürlich kann ich einen Antrag stellen auf Akteneinsicht, auch in der Hauptverhandlung, warum denn nicht? Wo steht denn das, daß ich das nicht darf?

Vors.:

Wenn es auf die Schuld-, gegebenenfalls auf die Straffrage abzielt, Herr Rechtsanwalt.

RA Schi[ly]:

Nein, auch wenn es Verfahrensfragen angeht, Herr Vorsitzender, auch wenn es Verfahrensfragen angeht. Und das möchte ich ja ... Vielleicht darf ich zu der Zulässigkeit auch etwas sagen?

Vors.:

Bitte sehr, sagen Sie was.

RA Schi[ly]:

Vielleicht interessiert es Sie. Also wir haben einmal festgestellt in diesem Beschluß vom 20. Januar 1977 und aus den dienstlichen Erklärungen des Vorsitzenden, des früheren Vorsitzenden Richters Dr. Prinzing, daß offenbar da so eine Art Informationsverbindung zwischen der Haftanstalt und dem hiesigen Gericht besteht, in der, vermittels derer dem Gericht irgendwelche angeblichen Äußerungen der Angeklagten kolportiert werden. Wir haben in einer wichtigen Entscheidung des Senats zu dem § 231a der StPO[21] eine ähnliche Erfahrung machen müssen, d.h. der Senat hat angebliche Äußerungen der Angeklagten, die angeblich irgendwelche Justizvollzugsbeamten angehört haben, in der Entscheidung zu Lasten der Angeklagten verwertet, ohne den Angeklagten zu diesen Behauptungen, zu diesen Kolportagen rechtliches Gehör zu gewähren. Ein Verstoß gegen Artikel 103 des Grundgesetzes[22] und auch strafprozeßualer Bestimmungen ...

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender ...

RA Schi[ly]:

... und wir halten es ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, einen Augenblick. Es soll möglicherweise eine Beanstandung vorgebracht werden.

RA Schi[ly]:

Ja ich würde ganz gern mal erst ausreden ...

OStA Z[eis]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Wenn die Bundesanwaltschaft den Finger hebt, dann darf ich nicht mehr ausreden.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, bitte. Sie haben vorhin beanstandet, als Herr Bundesanwalt Wunder sprach. Ich habe sofort unterbrochen [13290] und habe Ihnen das Wort enteilt. Herr Bundesanwalt Zeis?

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzenden, ich beanstande die weitere Entgegennahme dieses Antrages. Sie haben Herrn[j] Rechtsanwalt Schily eben nur das Wort erteilt zur Frage der Zulässigkeit seines Antrages. Was er aber tatsächlich hier macht, ist nicht zur Frage der Zulässigkeit Stellung zu nehmen, sondern er bringt unter dem Deckmantel zur Frage der Zulässigkeit, hier vortragen zu wollen, schon die Begründetheit vor. Ich bin mit Ihnen der Auffassung, daß ein solcher Akteneinsichtsantrag in der Hauptverhandlung nichts verloren hat und beantrage deshalb, Herrn Rechtsanwalt Schily zu weiteren Ausführungen nicht das Wort zu erteilen.

RA Schi[ly]:

Darf ich mich dazu äußern, Herr Vorsitzender?

Vors.:

Ja, bitte sehr.

RA Schi[ly]:

Ich halte die Auffassung von Herrn Bundesanwalt Zeis für unrichtig, wenn es, genauso wie Sie einen Beschluß nach [§ ]231a[ StPO] in der Hauptverhandlung ja bereits verkündet haben, also es sich z.B. um Verfahrensvorgänge handelt, die unmittelbar Eingang gefunden haben. Wenn es um Verfahrensvorgänge geht, Sie wissen, daß also auch über Schreiben, die der Senat mitunter zur Vorbereitung einer Beweiserhebung verfaßt oder absendet. Alle diese Dinge, wir haben ein Recht auf vollständige Akteneinsicht und ich wüßte keine Vorschrift, die es verbietet, ich wiederhole es, daß über eine Frage der Akteneinsicht in der Hauptverhandlung gesprochen wird. Seit wann muß das außerhalb der Hauptverhandlung stattfinden.

Vors.:

Also ich entnehme doch Ihren Worten, daß Sie tatsächlich selbst nicht der Meinung sind, dieser Antrag habe irgend etwas mit der Schuld- oder Straffrage zu tun, denn Sie müßten ja auch sagen, wozu diese Akteneinsicht[k] dienen sollte. Soll die die Schuld- Straffrage berühren oder soll es eine Aussetzung geben oder was soll das? Solange Sie das nicht sagen können, ist das eine Sache, die nicht in der Hauptverhandlung zu erörtern ist.

RA Schi[ly]:

Das kann durchaus ein Aussetzungs- oder Unterbrechungsantrag, es könnten aber auch andere prozessuale Schritte sich aus der Akteneinsicht ergeben, Herr Vorsitzender ...

[13291] Vors.:

Gut. Also das kann, Herr Rechtsanwalt Schily, das kann alles außerhalb der Hauptverhandlung geschehen. Das hat, wie ich sehe, mit der Hauptverhandlung nichts zu tun.

RA Schi[ly]:

Hat die Aussetzung der Hauptverhandlung mit der Hauptverhandlung nichts zu tun?

Vors.:

Ja, Sie haben es ja nicht beantragt. Ich gebe Ihnen das Wort zum weiteren Vortrag dieser Dinge nicht. Sie können eine Gerichtsentscheidung herbeiführen, wenn Sie wollen.

RA Schi[ly]:

Ja, ich bitte um eine Gerichtsentscheidung[23] und will dann noch hinsichtlich der Frage der Wortentziehung folgendes ausführen: Auch die Ankündigung eines prozessualen Antrages rechtfertigt meiner Meinung nach, daß man sich darüber unterhält, in welchem Umfange Akteneinsicht gewährt werden muß oder nicht. Und wenn ich hier ankündige, daß möglicherweise sich aus der Akteneinsicht eine solche Folgerung ergeben muß, dann meine ich, daß ich auch ein Recht darauf habe, daß in der Hauptverhandlung darüber entschieden wird.

Vors.:

Der Senat wird sich zurückziehen. Ich bitte in 10 Minuten wieder anwesend zu sein.

Pause von 10.29 Uhr bis 10.44 Uhr

Ende von Band 783

[13292] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 10.44 Uhr.

Vors.:

Der Senat hat entschieden,

daß die Anordnung des Vorsitzenden, wonach Herr RA Schily für den von ihm gestellten Akteneinsichtsantrag nicht das Wort erhält, bestätigt wird.

Zur Begründung wird ausgeführt: Der Antrag geht dahin, es sollen sämtliche Unterlagen über sämtliche Informationen der Haftanstalt an das Gericht den Angeklagten zur Verfügung gestellt werden. Soweit bei Gericht Unterlagen vorhanden sind, unterliegen die selbstverständlich dem allgemeinen Akteneinsichtsrecht. Das gilt insbesondere auch für Rapportzettel, die im Zusammenhang mit Hausstrafverfahren vorgelegt wurden. Im übrigen handelt es sich um einen Ermittlungsantrag, der nach eigener Erklärung des Antragstellers allein zur Prüfung dienen soll, ob möglicherweise prozessuale Konsequenzen gezogen werden könnten. Das ist nun etwas, was nicht in die Hauptverhandlung gehört, und deswegen die Entscheidung des Senats wie geschehen.

- - -

Ich will dann gleichzeitig noch den Beschluß verkünden, den der Senat in der Pause gefaßt hat.

Beschluss:

Über den Antrag, die früheren Vernehmungen der von der Verteidigung unmittelbar geladenen Zeugen Opitz und Petersen im Sinne von § 220 Abs. 3 StPO[24] für sachdienlich zu erklären, wird erst später entschieden,

weil beim gegenwärtigen Stand des Verfahrens diese Entscheidung nicht tunlich ist, zumal die abermalige direkte Ladung dieser Zeugen von der Verteidigung angekündigt ist (vgl. Löwe-Rosenberg 23. Aufl., 28 zu § 220 StPO).

- - -

Werden sonstige Anträge gestellt?

[13293] BA Dr. Wu[nder]:

Herr Vorsitzender, eine kurze Erklärung zu dem in der letzten Sitzung von Herrn RA Schily nochmal genannten Zeugen Krüger. Ich darf bemerken, daß beabsichtigt ist, über die Aussagegenehmigung von Herrn Dr. Krüger erst zu entscheiden, wenn entweder ein Beweisantrag gestellt ist oder die unmittelbare Ladung von Herrn Dr. Krüger bewirkt ist.

Vors.:

Nun sollte man natürlich vermeiden, daß eine Verzögerung dadurch entsteht, daß der eine sagt: Ich werde erst laden, wenn ich weiß, daß der Zeuge auch die Genehmigung erhält, und der andere sagt: Ich erteile erst die Genehmigung, wenn ich weiß, daß geladen wird. Das wäre eine mißliche Geschichte. Ich weiß nicht, möglicherweise kann zwischen Ihnen, Herr Rechtsanwalt Schily, und dem Herrn Generalbundesanwalt, der da wohl zuständig ist, irgendein Modus gefunden werden. Sie hatten ja angekündigt, wegen Herrn Krüger möglicherweise einen Beweisantrag zu stellen. Ist es schon spruchreif?

RA Schi[ly]:

Die Beweisthemen sind ja wohl benannt. Ich habe das Schreiben jetzt im Moment nicht vorliegen. Aber die Beweisthemen sind ja in dem Schreiben auf Erteilung der erweiterten Aussagegenehmigung genannt und zu den Beweisthemen werde ich auch sicherlich Herrn Krüger als Zeugen benennen.

Vors.:

Ja nun, weil Sie sagen „werden Sie sicherlich“. Ich meine, in der Hauptverhandlung ist natürlich ...

RA Schi[ly]:

Ja sicher, ich habe eigentlich angenommen, daß zunächst über die Aussagegenehmigung entschieden wird.

Vors.:

Ja also diese Hoffnung hat offensichtlich getrogen.

RA Schi[ly]:

Ja, ich sehe eigentlich keine Veranlassung, daß das zurückgestellt wird, eine Entscheidung über die Erteilung der Aussagegenehmigung. Notfalls müßte ich ja eine Untätigkeitsklage[25] beim Verwaltungsgericht einreichen.

Vors.:

Ja, das wäre natürlich nicht unbedingt förderlich. Aber wenn Sie einen Beweisantrag stellen, Herr RA Schily, dann ist es möglicherweise der sicherste Weg, um zu dieser ...

RA Schi[ly]:

Ich werde es prüfen ...

[13294] Vors.:

Wie lange würde die Prüfung dauern? Vielleicht könnte die Prüfung vor ...

RA Schi[ly]:

Nein, bis zur nächsten Woche werde ich das prüfen.

Vors.:

Über die abermalige Ladung dieser zwei Herren haben Sie sich nicht geäußert. Dann sehe ich im Augenblick anstehen 1. die Klärung mit Herrn Mordhorst: Möglicherweise muß hier eine kommissarische Vernehmung[26] ins Auge gefaßt werden, wenn es überhaupt möglich ist; und dann natürlich die Vernehmung des Herrn Kaul, welcher aber auch nicht erreichbar ist, so daß also die Beweisaufnahme stagniert. Ich bitte noch um eine kurze Pause, wir werden uns wegen des Termins noch kurz Gedanken machen.

Pause von 10.49 Uhr bis 10.53 Uhr.

Vors.:

Es soll die Verhandlung dann am nächsten

Mittwoch, 2. Febr. 1977, 10.00 Uhr

fortgesetzt werden. Ob dort Beweisaufnahme stattfinden kann, ist noch ungewiss. Immerhin, meine ich, sollten sich alle Beteiligten daran beteiligen, daß die Beweisaufnahme wirklich ihren Fortgang nimmt. Es ist natürlich für einen, der direkt laden will und von einer Aussagegenehmigung abhängt, in der Tat etwas mißlich, laden zu müssen, bevor er weiß, ob der Zeuge bis dahin wirklich eine Aussagegenehmigung oder jedenfalls eine Entscheidung hat. Andererseits hat das Gericht als solches an sich damit, wie und auf welche Weise unmittelbar geladene Zeugen[27] an die Gerichtsstelle kommen, nichts zu tun. Aber ich bitte doch die Beteiligten im Interesse des Fortgangs des Verfahrens, hier einigermaßen zu kollaborieren. Damit ist die Verhandlung beendet.

Ende der Hauptverhandlung um 10.55 Uhr.

Ende des Bandes 784.


[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 – Az.: 1 StE 1/74 – StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[2] Lehnt der/die Vorsitzende die Ladung einer Person ab, so können Angeklagte die Person selbst unmittelbar laden (§ 220 Abs. 1 StPO). Die so geladenen Personen sind allerdings nur dann zum Erscheinen verpflichtet, wenn die gesetzliche Entschädigung durch Hinterlegung bei der Geschäftsstelle oder durch Barzahlung gesichert wird (§ 220 Abs. 2 StPO). Ergibt sich in der Hauptverhandlung, dass die Vernehmung zur Aufklärung sachdienlich war, so ordnet das Gericht auf Antrag die gesetzliche Entschädigung aus der Staatskasse an (§ 220 Abs. 3 StPO).

[3] Art. 6 EMRK enthält das Recht auf ein faires Verfahren. Dazu gehört u.a. der Anspruch, dass eine Strafanklage innerhalb angemessener Frist verhandelt wird (Abs. 1 Satz 1). Hierdurch soll erreicht werden, dass das Strafverfahren ohne vermeidbare Verzögerungen durchgeführt wird, damit Angeklagte den belastenden Auswirkungen eines gegen sie gerichteten Strafverfahrens nicht unnötig lang ausgesetzt werden. Befindet sich eine Person in Untersuchungshaft, erlangt der Beschleunigungsgrundsatz eine noch größere Bedeutung (Gaede, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, Art. 6 EMRK Rn. 361 f.).

[4] Rechtsanwalt Schily hatte für die Angeklagte Ensslin vor dem VG Köln Klage auf Erteilung einer zuvor versagten Aussagegenehmigungen für den Generalbundesanwalt Buback erhoben; zudem hatte er einen entsprechenden Antrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (§ 123 VwGO) gestellt. Zum Antrag auf einstweilige Anordnung s. Anlage 2 zum Protokoll vom 31. August 1976 (S. 11426 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 141. Verhandlungstag). Das VG Köln erachtete die pauschale Versagung der Aussagegenehmigung für rechtswidrig und verpflichtete den Bundesminister der Justiz, die Klägerin Gudrun Ensslin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden (s. das Urteil und den Beschluss des VG Köln vom 15.9.1976 in Anlage 1 a des Protokolls vom 28. September 1976, zu Blatt 11698 des Protokolls der Hauptverhandlung, 148. Verhandlungstag).

[5] Gegen Urteile des Verwaltungsgerichtes sind die Rechtsmittel der Berufung (§§ 124 ff. VwGO) und ggf. der (Sprung-)Revision (§ 134 VwGO) statthaft.

[6] Landes- und Bundesbeamt/innen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet bezüglich aller Angelegenheiten, die ihnen im Rahmen ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgeworden sind. Aussagen vor Gericht hierüber sind nur nach und im Umfang der Genehmigung durch den jeweiligen Dienstherrn gestattet (heute geregelt in § 37 Abs. 1 und 3 BeamtStG für Landesbeamt/innen und in § 67 Abs. 1 und 3 BBG für Bundesbeamt/innen; für den Stand 1975 galten für Landesbeamt/innen noch Landesgesetze, die sich allerdings an § 39 des Beamtenrechtsrahmengesetzes vom 1.7.1957 orientieren mussten; für Bundesbeamt/innen galt § 61 BBG a.F.). § 54 Abs. 1 StPO stellt sicher, dass die Verschwiegenheitspflicht auch im Falle einer Vernehmung als Zeug/in in einem Strafprozess fortbesteht.

[7] Gemäß § 250 Satz 2 StPO darf die Vernehmung einer Person über Tatsachen, die sie wahrgenommen hat, nicht durch die Verlesung einer früheren Vernehmung oder einer schriftlichen Erklärung ersetzt werden. Die §§ 251 ff. StPO enthalten enge Ausnahmen von diesem Grundsatz. § 256 StPO benennt bestimmte Arten verlesbarer Erklärungen, darunter die „ein Zeugnis oder Gutachten enthaltenden Erklärungen öffentlicher Behörden“ (§ 256 Abs. 1 Satz 1, 1. Var. StPO a.F.; heute: § 256 Abs. 1 Nr. 1 a) StPO).

[8] § 244 Abs. 3 bis 5 StPO enthalten die abschließenden Gründe, aus denen Beweisanträge abgelehnt werden können. Für Anträge auf Zeugenvernehmung ist insbes. Abs. 3 relevant. Abgelehnt werden können entsprechende Anträge u.a., wenn die zu beweisende Tatsache für die Entscheidung ohne Bedeutung ist.

[9] Die Aufgabe von Zeug/innen ist es, eine persönliche Wahrnehmung über einen in der Vergangenheit liegenden Vorgang zu bekunden (BGH, Urt. v. 12.3.1969 – Az.: 2 StR 33/69, BGHSt 22, S. 347, 348), wobei es nur auf Tatsachen ankommt. Dazu gehören auch sog. innere Tatsachen, wie die eigene Überzeugung, oder bestimmte Motive (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, Vor § 48 Rn. 2), nicht jedoch bloße Wertungen oder Schlussfolgerungen.

[10] Die Voraussetzungen eines Beweisantrages wurden erst durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10.12.2019 (BGBl. I, S. 2121) gesetzlich normiert. Nach § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO liegt ein Beweisantrag nunmehr vor, „wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll.“ Damit wurden die Anforderungen, die sich bereits in der Rechtsprechung entwickelt hatten, weitestgehend übernommen (s. etwa BGH, Urt. v. 23.1.1951 – Az.: 1 StR 37/50, BGHSt 1, S. 29, 31; BGH, Urt. v. 7.5.1954 – Az.: 2 StR 27/54, BGHSt 6, S. 128, 129; BGH, Urt. v. 12.8.1960 – Az.: 4 StR 48/60, NJW 1960, S. 2156, 2157). Während von einem Beweisermittlungsantrag übereinstimmend gesprochen wird, wenn entweder die Beweistatsache oder das Beweismittel nicht hinreichend konkretisiert ist, wird der Begriff der Beweisanregung unterschiedlich gebraucht. Z.T. wird der Beweisermittlungsantrag als Unterfall der Beweisanregung angesehen (so z.B. in BGH, Urt. v. 7.5.1954 – Az.: 2 StR 27/54, BGHSt 6, S. 128), z.T. wird aber auch weiter differenziert: Bei einer Beweisanregung seien Beweistatsache und Beweismittel zwar hinreichend konkretisiert, aber die Ermittlungstätigkeit werde in das Ermessen des Gerichts gestellt (so Krehl, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozeßordnung, 8. Aufl. 2019, § 144 Rn. 103); andere wiederum schlagen vor, den Begriff der Beweisanregung für Fälle vorzusehen, in denen aus Rechtsgründen die Stellung eines Beweisantrages nicht möglich ist, da sie nicht den Umfang, sondern nur die Art und Weise der Beweiserhebung beträfen (so etwa Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 244 Rn. 26). In jedem Fall aber ist die Ablehnung einer Beweisanregung, ebenso wie die eines Beweisermittlungsantrages, nicht auf die begrenzten Ablehnungsgründe für Beweisanträge nach § 244 Abs. 3-6 StPO beschränkt. Sie richtet sich vielmehr nach der allgemeinen gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO), sodass das Gericht über sie nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet.

[11] Gerhard Müller war ein ehemaliges Mitglied der RAF und einer der Hauptbelastungszeugen in diesem sowie in weiteren Verfahren gegen Mitglieder der RAF. Er wurde ab dem 124. Verhandlungstag als Zeuge vernommen. Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass die umfassende Aussage Müllers, mit der er die Angeklagten schwer belastete, u.a. durch das Versprechen diverser ungesetzlicher Vorteile unzulässig beeinflusst worden war (s. hierzu etwa die Beweisanträge in den Anlagen 4 bis 19 zum Protokoll zum 20.7.1976, S. 10643 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 128. Verhandlungstag; s. zu den Vorwürfen der Verteidigung auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 305 ff.).

[12] § 136a StPO enthält eine Auflistung von verbotenen Methoden bei der Vernehmung von Beschuldigten. Diese sind: die Beeinträchtigung der Willensentschließung und -betätigung durch Misshandlung, Ermüdung, körperlichen Eingriff, Verabreichung von Mitteln, Täuschung, Quälerei oder Hypnose, sowie die Drohung mit einer unzulässigen Maßnahme oder das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils (Abs. 1). Ferner untersagt sind Maßnahmen, die das Erinnerungsvermögen oder die Einsichtsfähigkeit der Beschuldigten beeinträchtigen (Abs. 2). Für den Fall eines Verstoßes gegen diese Verbote enthält § 136a Abs. 3 Satz 3 StPO ein Verwertungsverbot für die so zustande gekommenen Aussagen.

[13] Das Freibeweisverfahren findet Anwendung zum Beweis von Tatsachen, die nicht die Straf- oder Schuldfrage, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe, betreffen. Im Unterschied zum dort anzuwendenden Strengbeweisverfahren ist das Gericht im Freibeweisverfahren nicht auf die Wahl bestimmter Beweismittel beschränkt, sondern kann grundsätzlich alle verfügbaren Erkenntnisquellen nutzen; auch an die im Strengbeweisverfahren vorgeschriebene Form ist es nicht gebunden (BGH, Urt. v. 28.6.1961 – Az.: 2 StR 154/61, BGHSt 16, S. 164, 166). Für die Prüfung der Voraussetzungen des § 136a StPO wurde zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung wohl überwiegend das Freibeweisverfahren (auch für die Tatsacheninstanz) für ausreichend angesehen (BGH, Urt. v. 28.6.1961 – Az.: 2 StR 154/61, BGHSt 16, S. 164, 166; s. etwa Sarstedt, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 1, 22. Aufl. 1971, § 136a Anm. 8). Die Rechtsprechung vertritt diesen Standpunkt weiterhin (BGH, Urt. v. 21.7.1994 – Az.: 1 StR 83/94, NJW 1994, S. 2904, 2905; BGH, Urt. v. 21.7.1998 – Az.: 5 StR 302/97, BGHSt 44, S. 129, 132; siehe auch Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 136a Rn. 32). Im Schrifttum mehren sich aber die Stimmen, die die teilweise oder sogar vollständige Anwendung des Strengbeweises fordern (für eine vollständige Anwendung des Strengbeweises s. Gleß, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 4/1, 27. Aufl. 2019, § 136a Rn. 77; für eine Anwendung des Strengbeweises in den Fällen, in denen die Aussage letztlich für die Straf- oder Schuldfrage verwertet werden soll s. Schuhr, in Knauer/Kudlich/Schneier [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, § 136a Rn. 99).

[14] In dem hier erwähnten Urteil entschied der BGH, dass ein Geständnis, das der Angeklagte vor der Polizei nach ordnungsgemäßer Belehrung abgelegt hat, auch dann vor Gericht verwertbar ist, wenn er in einer früheren Vernehmung durch Polizei und Staatsanwaltschaft inhaltsgleiche Aussagen ohne die erforderlichen Belehrungen gemacht hatte (BGH, Urt. v. 30.4.1968 – Az.: 1 StR 625/67, BGHSt 22, S. 129, 133 f.). Die neuere Rechtsprechung geht hingegen davon aus, dass in Fällen, in denen eine Belehrung im Rahmen der ersten Vernehmung zu Unrecht unterlassen worden ist, grundsätzlich eine sogenannte qualifizierte Belehrung zu erfolgen hat, in welcher die/der Beschuldigte auch darauf hingewiesen werden muss, dass die früheren Angaben nicht verwertbar sind. Wird eine solche qualifizierte Belehrung unterlassen, kann ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen sein. Allerdings ist hierbei eine Abwägung vorzunehmen, in deren Rahmen auch zu berücksichtigen ist, ob sich die/der Beschuldigte durch die früheren Angaben gebunden sah. Ausdrücklich hat der BGH eine Pflicht zur qualifizierten Belehrung mit Urteil vom 18.12.2008 statuiert (BGH, Urt. v. 18.12.2008 – Az.: 4 StR 455/08, BGHSt 53, S. 112 ff.; zum Ganzen Diemer, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 136 Rn. 27a).

[15] § 257a StPO a.F. enthielt noch ein zeitlich und inhaltlich unbeschränktes Erklärungsrecht der Verteidigung sowie der Staatsanwaltschaft. Mit der Streichung des § 257a StPO zum 1.1.1975 durch das Ergänzungsgesetz zum Ersten Strafverfahrensreformgesetz vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3686) wurde zugleich § 257 Abs. 2 StPO eingeführt, wodurch Erklärungen der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft auf ein vorangegangenes Beweismittel beschränkt wurden („sich dazu zu erklären“).

[16] Die auch als „Geheimakte“ bezeichnete Akte „3 ARP 74/75 I“ enthielt Aussagen des Belastungszeugen und ehemaligen RAF-Mitglieds Gerhard Müller. Für diese Akte hatte der damalige Bundesjustizminister Vogel zunächst eine umfassende Sperrerklärung nach § 96 StPO („Die Vorlegung oder Auslieferung von Akten oder anderen in amtlicher Verwahrung befindlichen Schriftstücken durch Behörden und öffentliche Beamte darf nicht gefordert werden, wenn deren oberste Dienstbehörde erklärt, daß das Bekanntwerden des Inhalts dieser Akten oder Schriftstücke dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde“) abgegeben. Die Verteidigung bemühte sich lange darum, Einblick in die Akte zu erhalten. Nachdem die Prüfung und Entscheidung darüber, die Sperrerklärung wieder aufzuheben, der Bundesanwaltschaft anvertraut wurde (s. die Mitteilung des Vorsitzenden Dr. Prinzing am 157. Verhandlungstag, S. 12215 des Protokolls der Hauptverhandlung), gab diese schließlich am 158. Verhandlungstag nach erneuter Prüfung einen Großteil der Akte heraus (S. 12262 des Protokolls der Hauptverhandlung; s. zu den Vorgängen und Vermutungen rund um diese Akte auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 368 ff.). Am 159. Verhandlungstag wurde ein Schreiben des Bundesjustizministers bekanntgegeben, in welchem die letzten noch geheimhaltungsbedürftigen Passagen konkretisiert wurden (s. Anlage 2 zum Protokoll vom 9.11.1976, S. 12306 des Protokolls der Hauptverhandlung, 159. Verhandlungstag).

[17] Der frühere Vorsitzende Dr. Prinzing hatte die Beweisaufnahme bereits am Ende des 148. Verhandlungstages geschlossen (S. 11767 des Protokolls der Hauptverhandlung) und die Bundesanwaltschaft ab dem 149. Verhandlungstag plädiert. Auch nach Schließung der Beweisaufnahme bleibt jedoch ein Wiedereintritt möglich. Die Verfahrensbeteiligten haben bis zum Beginn der Urteilsverkündung das Recht, Beweisanträge zu stellen, das Gericht ist zur Entgegennahme verpflichtet (BGH, Urt. v. 3.8.1966 – Az.: 2 StR 242/66, BGHSt 21, S. 118, 123). Der Wiedereintritt wird – auch konkludent – angenommen, sobald Verfahrensvorgänge durchgeführt werden, die für die Sachentscheidung des Gerichts von Bedeutung sein können; dies sind insbesondere Prozesshandlungen, die in den Bereich der Beweisaufnahme fallen, aber auch wenn sonst der Wille des Gerichts erkennbar wird, es wolle mit den Prozessbeteiligten in der Beweisaufnahme fortführen. Dies kann bereits bei der Erörterung von Anträgen der Fall sein (BGH, Beschl. v. 5.2.2019 – Az.: 3 StR 469/18, NStZ 2019, S. 426 f. m.w.N.).

[18] Der Beschluss findet sich in Anlage 1 zum Protokoll vom 20. Januar 1977, S. 13261 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 174. Verhandlungstag.

[19] Mit Urteil vom 7.5.1954 entschied der BGH, dass der allgemeine Antrag auf Heranziehung von Akten aus einem anderen Verfahren kein Beweisantrag, sondern lediglich ein „Beweisermittlungsvorschlag“ sei. Dies begründete das Gericht mit der fehlenden Konkretisierung des Beweismittels (s. Fn. 10), da die Prozessakten „eine Sammlung von vielen Urkunden und sonstigen Vorgängen“ seien und die in Bezug genommenen Urkunden daher konkret hätten bezeichnet werden müssen (BGH, Urt. v. 7.5.1954 - Az.: 2 StR 27/54, JR 1954, S. 253). In dem Antrag des Rechtsanwalts Schily fehlt es zudem auch an einer konkreten Beweistatsache..

[20] Notwendigerweise Gegenstand der Hauptverhandlung ist alles, was der Beantwortung der Schuld- und Straffrage dient, d.h. der Tathergang, die Schuld der/des Angeklagten sowie die Höhe der Strafe, da nur solche Tatsachen zur Begründung des Urteils herangezogen werden dürfen, die (prozessordnungsgemäß) in die Hauptverhandlung eingeführt wurden (§ 261 StPO). Auch andere Prozesshandlungen (Erklärungen und Anträge) erfolgen regelmäßig innerhalb der mündlichen Verhandlung mündlich (vgl. zur Form auch Kudlich, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, Einl. Rn. 337; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, Einl. Rn. 124). Für manche Prozesshandlungen finden sich zudem besondere gesetzliche Regeln zum Verfahren (z.B. zu Ablehnungsgesuchen in §§ 25, 26 StPO). Sind Vorgänge verfahrensrechtlich jedoch nicht geregelt und beziehen sie sich nicht unmittelbar auf die oben beschriebenen Inhalte, müssen sie nicht Gegenstand der Hauptverhandlung sein.

[21] S. hierzu bereits Fn. 1.

[22] Art. 103 Abs. 1 GG lautet: „Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.“

[23] Sachleitungsbezogene Anordnungen des/der Vorsitzenden können als unzulässig beanstandet werden (§ 238 Abs. 2 StPO). Über die Beanstandung entscheidet sodann das Gericht, in diesem Fall der Senat in voller Besetzung.

[24] S. Fn. 2.

[25] Grundsätzlich ist eine Verpflichtungsklage auf Erteilung eines Verwaltungsakts (hier: Erteilung einer Aussagegenehmigung) nur zulässig, wenn die Ablehnung desselbigen vorher in einem behördlichen Vorverfahren überprüft wurde (§ 68 Abs. 2 VwGO). Entscheidet die Behörde jedoch innerhalb angemessener Frist nicht, ist eine Klage abweichend davon auch ohne ein solches Vorverfahren zulässig, in der Regel jedoch nicht früher als drei Monate nach Stellen des Antrages auf Vornahme des Verwaltungsaktes (sog. Untätigkeitsklage, § 75 VWGO).

[26] § 223 StPO ermöglicht die Vernehmung durch eine/n ersuchte/n oder beauftragte/n Richter/in, wenn dem Erscheinen von Zeug/innen in der Hauptverhandlung nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen, oder ihnen das Erscheinen wegen großer Entfernungen nicht zugemutet werden kann.

[27] Lehnt der/die Vorsitzende die Ladung einer Person ab, so können Angeklagte die Person selbst unmittelbar laden (§ 220 Abs. 1 StPO). Für diese „präsenten Beweismittel“ enthielt § 245 StPO a.F. im Vergleich zu absenten Beweismitteln nur sehr eingeschränkte Ablehnungsgründe; die Ablehnung präsenter Beweismittel war nur möglich, wenn die Beweiserhebung unzulässig war oder nur zum Zwecke der Prozessverschleppung beantragt wurde. Für präsente Beweismittel bestand daher eine verstärkte Beweiserhebungspflicht des Gerichts (Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 32. Aufl. 1975, § 245 Anm. 1). Inzwischen wurde die Erstreckung der Beweisaufnahme auf präsente Beweismittel von einem vorherigen Beweisantrag abgängig gemacht, welcher in seinen Ablehnungsgründen denen für absente Beweismittel weiter angenähert wurde (§ 245 Abs. 2 StPO).


[a] Maschinell eingefügt: - Rechtsanwalt Grigat erscheint um 10.10 Uhr im Sitzungssaal. -

[b] Handschriftlich eingefügt: - - -

[c] Maschinell eingefügt: des Bundesanwalts

[d] Handschriftlich ersetzt: auch durch auf

[e] Maschinell ersetzt: ... durch von 30igen

[f] Handschriftlich durchgestrichen: Zu

[g] Handschriftlich ersetzt: die durch ihr

[h] Handschriftlich durchgestrichen: Herrn

[i] Handschriftlich durchgestrichen: hätten

[j] Handschriftlich ergänzt: Herrn

[k] Maschinell durchgestrichen: Akteneinsichten