165. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Mittwoch, den 1. Dezember 1976, um 9.02 Uhr.



[12802] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Mittwoch, den 1. Dezember 1976, um 9.02 Uhr.

(165. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft, mit Ausnahme von OStA Zeis, erscheinen in derselben Besetzung wie am ersten Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte sind anwesend:

JOS Janetzko und

Just. Ass. Clemens.

Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]

Als deren Verteidiger sind erschienen:

RAe Eggler, Künzel, Schnabel, Schwarz und Grigat.

Als Zeugin ist anwesend:

Inga Hochstein - vorgeführt aus U-Haft JVA Hamburg -.

Vors.:

Ich bitte, Platz zu nehmen.

Wir setzen die Sitzung fort.

Herr RA Schily hat Verspätung mitteilen lassen; er wird etwa in 20 Minuten eintreffen.

Wir können dann sogleich beginnen mit der Zeugin Frau Hochstein, die auf heute früh geladen ist.

Die Zeugin Hochstein wird gem. § 57 StPO[2] belehrt.

Da die Zeugin mit der Aufnahme ihrer Aussage auf das Gerichtstonband nicht einverstanden ist,[3] wird in der Folge das Tonbandgerät ausgeschaltet solange sich die Zeugin äußert.

Die Zeugin Hochstein wird nunmehr gem. § 55 StPO[4] belehrt.

[12803] Zeugin Ho[chstein]:

Ich möchte vorher noch erklären: Ich habe die Ladung am Freitag ganz kurzfristig bekommen. Auf dieser Ladung stehen keine Beweisthemen und auch nicht, warum ich als Zeugin geladen bin.

Vors.:

Ich will Ihnen gerne Antwort geben, Frau Hochstein. An sich ist es üblich, einen Zeugen zu laden: er kriegt den Termin mitgeteilt und kriegt die Vorschriften mitgeteilt, die bestehen für den Fall seines unentschuldigten Ausbleibens.[5] Beweisthemen werden normalerweise nicht benannt. Aber es ist Ihnen wohl - jedenfalls im Auftrag des Gerichts - dann mitgeteilt worden, daß es sich um Ingeborg Barz[6] handle. Dieses allgemeine Beweisthema ist doch gegeben worden?

Zeugin Ho[chstein]:

Ja. Und von wem bin ich geladen worden, und wer hat den Antrag gestellt?

Vors.:

Das werde ich Ihnen jetzt gleich sagen: Das Gericht hat Sie geladen, sonst wären Sie ja nicht hierher gebracht worden ...

Zeugin Ho[chstein]:

... auf Antrag der Wahlverteidigung?

Vors.:

...auf Antrag der Wahlverteidigung. Sie können das als Wahlverteidigung bezeichnen.[7] Es sind die Herren, die hier genauso ihre Pflicht tun wie die andern Herrn Verteidiger - wir kennen diesen Unterschied nicht -, und außerdem sind die Herrn genauso Pflichtverteidiger wie die übrigen Herrn.[8]

Die Personalien der Zeugin werden wie folgt festgestellt:

Inga Hochstein, [Tag].[Monat].1946, berufslos,

z.Zt. in der JVA Hamburg;

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert;

wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Im übrigen darf ich Ihnen jetzt sagen, daß die Verteidigung in Ihr Wissen eine ganz kurze Bekundung stellt: Sie sollen nämlich angeben können, daß Sie Ende November 1973 in Aumühle bei Hamburg Ingeborg Barz getroffen und gesprochen hätten und daß Sie sie dann nochmals gesehen hätten am 20.1.1975, ebenfalls in Hamburg.

Das ist alles, was die Verteidigung von Ihnen wissen will.

Können Sie dazu etwas sagen?

Zeugin Ho[chstein]:

Ich werde dazu etwas sagen.

Ich werde aussagen, daß Ingeborg Barz lebt, weil ich Sie 2 x getroffen habe.

[12804] Die Zeugin macht weiter Angaben zur Sache und führt dabei im wesentlichen aus:

Ich mache diese Aussage jetzt, obwohl Andreas, Gudrun und Jan schon seit längerem von dieser Tatsache wissen. Das erste Mal habe ich etwas darüber gesagt, als Ende April/Anfang Mai 1975 in der Presse das Gerücht mit Müller als Apparat auftauchte. Diese Kampagne zielt gegen Andreas als Muster dieser ganzen Konstruktion. Das zweite Mal habe ich dazu etwas gesagt, als Ulrike ermordet worden war,[9] als klar wurde, daß die B. Anwaltschaft Müller einsetzen will.

Ingeborg Barz kann gar nicht auftreten, selbst wenn sie wollte, weil ihr Erscheinen eine Frage auf Leben oder Tod ist. Weil Buback[10] das weiß, nutzt er das aus, um den schon gekippten Kronzeugen Müller[11] doch noch zu retten.

Ich habe Ingeborg Barz zweimal getroffen, das erstemal Ende 1973. Ich kann nur versuchen, den Zeitpunkt einzugrenzen. Ich bin Ende November 1973 aus Holland gekommen. An der Grenze bin ich mit mehreren anderen Personen festgehalten worden. Am [Tag].[Monat]. habe ich Geburtstag. Ich weiß noch genau, daß das Treffen kurz, nachdem ich aus Holland zurückkam, aber noch vor meinem Geburtstag stattfand. Ich bin sicher, daß es noch im November war.

Ingeborg hat den Treffpunkt bestimmt. Sie lebte illegal und ich legal. Der Treffpunkt war Aumühle bei Hamburg. Wir gingen dort spazieren. Ingeborg ist nach mir gekommen und vor mir wieder gegangen. Ich mußte warten, bis sie wieder weggegangen war. Sie hat mich angesprochen. Ich denke, Sie hat in einem Auto gesessen. Der Grund des Treffens war damals:

Sie wollte von mir wissen, ob es eine Möglichkeit im Ausland gibt. Ich konnte ihr aber nicht helfen. Ich mußte fünfzehn Minuten warten, bis sie wieder weg war.

Das zweite Treffen fand um den 20. Januar 1975 auch in Hamburg statt. Es war in einem Lokal in der Wandsbeker Landstraße, glaube ich; es war jedenfalls eine große Straße an der U-Bahn Markstraße. Sie wollte von mir ein bestimmtes Medikament haben. Sie war krank, brauchte Hilfe und wurde [12805] gesucht. Sie wollte eine Adresse von einem Arzt haben, wo es möglich war, eine kontinuierliche Behandlung zu bekommen, über das Medikament und die Art der Krankheit werde ich keine Aussage machen.

Ich kann natürlich etwas über das Aussehen von Ingeborg Barz sagen; aber ich mache es nicht, um sie nicht auszuliefern. Ich kann noch sagen, daß es ganz logisch war, daß sie zu mir Kontakt aufnahm, weil ich sie noch aus der Westberliner Zeit im Jahre 1971 kannte.

Über die Größe von Ingeborg Barz kann ich sagen, daß sie ein Stück kleiner war als ich. Ich bin 1,71 oder 1,72 m.

Rechtsanwalt Schlaegel erscheint um 9.15 Uhr im Sitzungssaal.

Das ist alles.

Vors.:

Wissen die Angeklagten das, was Sie uns jetzt vortragen?

Zeugin Ho[chstein]:

Die Angeklagten wissen das nach Anfang Mai 1975.

Vors.:

Sie sagten ja, das hätten Sie schon früher mitgeteilt.

Können Sie das zeitlich ungefähr eingrenzen?

Zeugin Ho[chstein]:

Ich sagte vorhin, als die ersten Meldungen über das Gerücht auftauchten.

Vors.:

Wenn Sie Frau Barz kennen.[a] War das eine engere Bekanntschaft?

Zeugin Ho[chstein]:

Ich kenne sie aus dem Jahre 1971.

Vors.:

War das ’ne engere Bekanntschaft, oder haben Sie sie da nur gelegentlich mal gesehen?

Zeugin Ho[chstein]:

Ich habe vorhin schon am Anfang gesagt, daß ich Fragen des Gerichts nicht beantworten werde.

Auf Hinweis des Vorsitzenden, daß ein Zeuge Fragen des Gerichts zu Glaubwürdigkeit hinnehmen muß, wenn er seine Aussage nicht selbst entwerten will:

Zeugin Ho[chstein]:

Was ich gesagt habe, spricht für sich.

Die Zeugin steht auf und will den Sitzungssaal verlassen. Sie wird von zwei Vollzugsbeamten daran gehindert, wieder auf ihren Platz zurückgebracht und vom Vorsitzenden ermahnt.

Vors.:

Wir wollten im Anschluß daran Frau Barz hören - die Mutter von Ingeborg Barz. Sie ist krank. Sie sollte uns nur die Frage beantworten, ob sie irgend etwas von ihrer Tochter gehört hat. Sie ist die Mutter, und sie wartet seit 1972 [12806] - das entnehmen wir hier einer vorliegenden Vernehmung - vergeblich auf irgendein Lebenszeichen ihrer Tochter, von der sie bis dahin - das halte ich Ihnen vor - angegeben hat, sie habe sich in unregelmäßigen Abständen, aber immer bei ihr gemeldet.

Hat Ihnen die Tochter bei diesen Treffen einen Auftrag gegeben, der Mutter eine Nachricht zu überbringen: Mach dir keine Sorgen; ich bin noch am Leben. Ist das geschehen?

Zeugin Ho[chstein]:

Dazu kann ich noch sagen, daß Ingeborg es als Fehler erkannt hat, früher ihre Mutter anzurufen.

Vors.:

Warum? Was hat sie für eine Begründung dafür, daß sie eine Mutter in der Sorge läßt, die Tochter sei tot?

Zeugin Ho[chstein]:

Mein Name ist Inga Hochstein und nicht Ingeborg Barz. Ich habe meine Aussage abgeschlossen.

Vors.:

Sie haben also dazu nichts zu sagen, ob Ingeborg Barz Ihnen gegenüber - als einer legal lebenden Bekannten oder Freundin - nicht wenigstens die Bitte geäußert hat, der Mutter einen Tipp zu geben, daß sie noch am Leben ist? Dazu äußern Sie sich nicht?

Zeugin Ho[chstein]:

Ich werde überhaupt nichts weiter dazu sagen, um sie nicht auszuliefern.

Der Zeugin wird die zu den Akten gehörende Lichtbildmappe mit der Bitte vorgelegt, die Bildnummer anzugeben, von der sie glaubt, daß das Bild Ingeborg Barz darstellt.

Die Zeugin erklärt, daß die Bildnummer 132 Ingeborg Barz darstelle.

Vors.:

Das trifft zu.

Sie sagen, Sie hätten um den 20. Januar 1975 herum dieses Treffen gehabt.

Zeugin Ho[chstein]:

Ja.

Auf den Vorhalt des Vorsitzenden, daß die Mutter der[b] Ingeborg Barz nach den vorliegenden Akten 1 BJs 31/75 Monate später, nämlich erst am 3.5.75 Aussagen bei der Polizei gemacht und danach gesagt habe: „Meine Tochter habe ich am 2. auf 3.12.71 zuletzt gesehen ...“, daß die Mutter danach ferner geschildert habe, [12807] während einer Betriebsfeier am 22. Februar 72 den letzten Anruf von Ihrer Tochter bekommen und dabei bemerkt zu haben, daß diese einen völlig veränderten Eindruck gemacht habe: Sie sei sehr traurig gewesen, fast kläglich, im Gegensatz zu ihrer sonstigen Stimmungslage bei den Anrufen, und habe der Mutter gesagt, sie fehle ihr so, sie würde sich am liebsten stellen, und seither habe die Mutter von ihrer Tochter keinerlei Lebenszeichen mehr erhalten und die daran geknüpfte Frage, wie es möglich sei, daß die Tochter die Mutter in diesen Sorgen und Ängsten zurücklasse, wenn sie die Gelegenheit gehabt hätte, der Mutter wenigstens über die Zeugin Nachricht zukommen zu lassen, daß sie noch lebe[c], erklärt die Zeugin Hochstein:

Also daß mich Ihre Tränenstories nicht interessieren.

Vors.:

Danke. Ich hab keine Fragen mehr an die Zeugin.

Bitte sehr, Herr Dr. Foth.

Richter Dr. Foth:

Frau Hochstein, Sie sagten ja vorhin, Frau Barz habe Sie auch gefragt, ob Sie eine Möglichkeit im Ausland für sie wüßten.

Hat Frau Barz Ihnen bei dieser Gelegenheit etwas gesagt, ob sie auch schon mal im Ausland gewesen sei? Hat sie nichts gesagt darüber?

Zeugin Ho[chstein]:

Selbstverständlich nicht, weil es keine Funktion gehabt hätte.

Richter Dr. Fo[th]:

„Weil es keine Funktion gehabt hätte“. Was?

Soll die Auslandsreise Barz keine Funktion gehabt haben oder wie oder was? Das müßten Sie schon näher erklären.

Zeugin Ho[chstein]:

Es gibt dazu nichts zu erklären. Warum soll ich etwas sagen, was mich nichts angeht?

Richter Dr. Fo[th]:

Sie meinen, sie hätte Ihnen nichts gesagt, weil Sie’s vielleicht nichts angehe? Ich fragte nur, weil es schon mal gesagt wurde, Frau Barz sei auch in dieser Zeit in Irland gewesen. Da wissen Sie also nichts davon?

Zeugin Ho[chstein]:

Ist mir nicht bekannt.

Vors.:

Sonstige Fragen?

OStA Hol[land]:

Frau Hochstein, zunächst mal die eine Vorfrage:

Sie haben vorhin erklärt, Sie wollten auf Fragen des Gerichtes keine Antwort geben.

Ist da die Bundesanwaltschaft miteinbezogen?

[12808] Zeugin Ho[chstein]:

Ja.

OStA Ho[lland]:

Danke schön. Dann habe ich keine Fragen mehr.

Vors.:

Die Herrn Verteidiger?

Es ist jetzt die Frage zu prüfen, ob die Zeugin zu vereidigen ist. Dazu, Frau Zeugin, käme es auch darauf an, ob Sie vorher im Interesse irgendeiner hier beteiligten Seite Absprachen getroffen hätten. Deswegen die Frage: Warum beantworten Sie die Fragen des Gerichts und der Bundesanwaltschaft nicht? Haben Sie darüber ...

Zeugin Ho[chstein]:

Es ist hier schon mehrmals erklärt worden, daß wir die Fragen derjenigen nicht beantworten werden, die uns vernichten wollen.

Vors.:

Von wem ist das Ihnen erklärt worden, daß Sie keine Fragen beantworten sollen?

Zeugin Ho[chstein]:

Von jedem von uns, der hier aufgetreten ist.

Vors.:

Ich meine, hat da vorher eine Absprache stattgefunden?

Sie sind doch, soweit ich weiß, in Untersuchungshaft.

Zeugin Ho[chstein]:

Selbstverständlich keine Absprachen; aber ich lese Zeitung.

Vors.:

Werden irgendwelche Anträge zu der Frage der Vereidigung vorgetragen? Die Herrn Verteidiger nicht? Wie stellt sich die Bundesanwaltschaft zu der Frage?

OStA Ho[lland]:

Unvereidigt wegen Verdachts der Tatbeteiligung,[12] würden wir sagen.

Vors.:

Das ist ein Gesichtspunkt, der uns zu der Frage zwingt, warum Sie gegenwärtig in U-Haft sind?

Zeugin Ho[chstein]:

Ich weiß nicht genau, was das ist. Irgendwie mit § 129 StPO[13]. Mir ist aber nicht ganz klar, warum ich seit zwei Jahren in U-Haft bin.

Vors.:

Wir haben einen Vermerk, daß Sie in U-Haft säßen wegen Unterschlagung und Urkundenfälschung. Kann das stimmen? Und dann ist noch ein zweiter Haftbefehl vermerkt vom 1.4.75. Da ist überhaupt der Gegenstand nicht angegeben. Können Sie uns da nicht weiterhelfen?

Zeugin Ho[chstein]:

Nee, ich kann Ihnen da nicht weiterhelfen.

Vors.:

Ich bitte, die Zeugin nochmals zurückzubringen; wir müssen hier in der Tat wegen der Frage der Vereidigung noch Nachforschungen anstellen. Wir treffen uns in einer Viertelstunde wieder.

Pause von 9.30 Uhr bis 9.50 Uhr.

Ende von Band 757

[12809] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 9.50 Uhr

Bei Fortsetzung der Hauptverhandlung sind Rechtsanwälte Schily und Weidenhammer nunmehr auch anwesend.

OStA Holland ist nicht mehr anwesend.

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort.

Es war nur noch die Frage der Vereidigung der Frau Zeugin zu überprüfen. Die Zeugin soll unvereidigt bleiben wegen des Verdachtes der Tatbeteiligung, zumindest im Hinblick auf die Fortführung der kriminellen Vereinigung durch die Angeklagten.

Die Zeugin Hochstein bleibt gemäß § 60 Ziff. 2 StPO wegen des Verdachts der Tatbeteiligung unvereidigt und wird im allseitigen Einvernehmen um 9.51 Uhr entlassen und abgeführt.

Vors.:

Wir haben gestern schon durch Herrn Rechtsanwalt Heldmann schriftlich vorbereitete Anträge zur Vorbearbeitung bekommen. Die Frage wird natürlich sein, Herr Rechtsanwalt Schily, ich weiß nicht, ob Sie auch diese Anträge mitstellen können, oder Herr Rechtsanwalt Weidenhammer; denn es wäre natürlich nicht sehr sinnvoll ... Aber Sie können natürlich an seiner Stelle sich hier nicht äußern, es sei denn Sie übernehmen diese Anträge als eigene.

RA Schi[ly]:

Nein, das kann ich nicht machen.

Vors.:

Können Sie nicht tun.

Herr Rechtsanwalt Weidenhammer.

RA Wei[denhammer]:

Dasselbe gilt auch für mich.

Vors.:

Haben Sie irgendeinen Hinweis, warum Herr Rechtsanwalt Heldmann heute nicht erscheint als Pflichtverteidiger?[14]

RA Schi[ly]:

Ich habe hier mehrere Anträge schriftlich.

Vors.:

Aber es ist natürlich so, wenn wir dann wissen, daß hier sowieso schon Anträge noch beabsichtigt sind, dann setzt sich ja diese Kette von Anträgen, die dann immer beim Auslaufen der vorhergestellten wieder neu kommen, fort, und [12810] damit natürlich auch das Verfahren zwangsläufig. Deswegen wäre uns sehr daran gelegen, daß diese Anträge rechtzeitig gestellt werden. Ich könnte vielleicht folgendes machen: Herr Rechtsanwalt Schwarz und Herr Rechtsanwalt Schnabel, wenn Sie sich diese Anträge mal ansehen wollten, ob Sie imstande sind[d] diese Anträge zu stellen?

RA Schw[arz]:

Herr Vorsitzender, ich sehe mir diese Anträge gerne an. Ich werde sie aber auf keinen Fall als eigene Anträge stellen.[15]

Vors.:

Nun, Sie sind auch Verteidiger des Angeklagten Baader und nur insofern, sie sollen ja im Namen des Angeklagten Baader gestellt werden, und deswegen die Frage an Sie.

RA Schw[arz]:

Das ist mir klar, und ich werde gerne Einblick nehmen, aber ich kenne natürlich die Überlegungen des Herrn Heldmann nicht, die ihn zu diesen Anträgen geführt haben.

Vors.:

Dann werde ich Ihnen diese Anträge auch gar nicht extra zuleiten. Und, Herr Rechtsanwalt Schnabel, für Sie gilt dasselbe, wie ich annehme oder wie betrachten Sie es?

OStA Holland erscheint um 9.53 Uhr wieder im Sitzungssaal.

Den Rechtsanwälten Schnabel und Schwarz werden die von Rechtsanwalt Dr. Heldmann (RA Pfaff) vorab schriftlich überreichten Anträge - siehe Anlagen 8 und 9 zum heutigen Protokoll - zur Einsicht vorgelegt.

Herr Rechtsanwalt Schily, dann darf ich Ihnen das Wort geben.

RA Schi[ly]:

Ja. Die Anträge liegen wieder schriftlich vor, also zur Erleichterung des Protokolls.

Rechtsanwalt Schily verliest nunmehr den aus Anlage 1 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrag, der anschließend übergeben und dem Protokoll in Ablichtung beigefügt wird.

Rechtsanwalt Schily verliest nunmehr den aus Anlage 2 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrag, der anschließend übergeben und dem Protokoll in Ablichtung beigefügt wird.

[12811][16] [12812][17] [12813] In Ergänzung des schriftlich vorliegenden Antrags fügt Rechtsanwalt Schily folgendes an:

Vielleicht zum Verständnis, der Herr Liepe ist von der Frau Fisch erwähnt worden; also ich müßte vielleicht ergänzen, den Kriminalbeamten Werner Liepe.

Daraufhin verliest Rechtsanwalt Schily den aus Anlage 3 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrag, der anschließend übergeben und dem Protokoll in Ablichtung beigefügt wird.

Rechtsanwalt Schily verliest nunmehr den aus Anlage 4 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrag, der anschließend übergeben und dem Protokoll in Ablichtung beigefügt wird.

In Ergänzung des schriftlich vorliegenden Antrags fügt Rechtsanwalt Schily folgendes an:

Zu der Anschrift darf ich anmerken. Der Verteidigung ist die Anschrift von Herrn Gehlen nicht bekannt. Und ich nehme auch an, daß eine Anfrage bei irgendeinem Einwohnermeldeamt wohl kaum zum Erfolg führen wird. Aber es ist davon auszugehen, daß der Bundesnachrichtendienst in[e] Pullach nach wie vor über die ladungsfähige Anschrift verfügt.

Daraufhin verliest Rechtsanwalt Schily den aus Anlage 5 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrag, der anschließend übergeben und dem Protokoll in Ablichtung beigefügt wird.

Rechtsanwalt Schily verliest nunmehr den aus Anlage 6 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrag, der anschließend übergeben und dem Protokoll in Ablichtung beigefügt wird.

In Ergänzung des schriftlich vorliegenden Antrags fügt Rechtsanwalt Schily folgendes an:

Wobei ich ausdrücklich anmerke, weil das schon mal zu Mißverständnissen geführt hat, daß die Beweisbehauptung dahingeht, daß also aus einer ausgelobten Belohnung ihm [12814] diese Zuwendung gemacht werden sollte.

Rechtsanwalt Schily verliest nunmehr den aus Anlage 7 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrag, der anschließend übergeben und dem Protokoll in Ablichtung beigefügt wird.

Soweit die Beweisanträge.

Vors.:

Sonstige Anträge?

RA Schily:

Ja, ich darf nur noch auf folgendes hinweisen, ich habe mich telefonisch um beschleunigte Übersendung der Protokolle über die Vernehmung, über die Vernehmung des Herrn Bundesanwalt Dr. Krüger bemüht. Es ist mir auch gesagt worden, sie seien am Montag abgesandt worden, sind aber gestern leider nicht in Berlin eingetroffen. Ich habe das bereits in einer früheren Hauptverhandlung angekündigt, daß ich ja, insoweit sich Herr Bundesanwalt Dr. Krüger auf eine fehlende Aussagegenehmigung[18] berufen hat, um eine Erweiterung der Aussagegenehmigung nachsuchen werde. Ich hoffe, daß das Schreiben noch heute herausgehen kann und daß auch in Kürze dann darüber entschieden wird. Und falls also der, dem Antrag auf Erweiterung der Aussagegenehmigung stattgegeben werden sollte, werde ich zu diesen Beweisthemen Herrn Bundesanwalt Dr. Krüger erneut benennen.

Ferner darf ich ankündigen, daß evtl. die Verteidigung doch aufgrund der gestrigen Aussagen des Zeugen Mann ausdrücklich den Antrag stellen muß[f], den Journalisten[g] Schwarberg als Zeugen zu vernehmen. Mir liegt natürlich noch nicht die genaue, das genaue Protokoll vor. Ich will das aber auch vorsorglich ankündigen, daß nach Studium der Aussage von Herrn Mann dieser Beweisantrag in Betracht kommt, voraussichtlich mit dem ergänzenden Antrag auf Verlesung des seinerzeit im „Stern“ erschienen Artikels, den möglicherweise Herr Schwarberg verfaßt hat.

Vors.:

Das ist bereits geschehen, das letztere.

RA Schi[ly]:

Der ist bereits verlesen worden?

Vors.:

Auszugsweise.

Da darf ich darauf hinweisen, ich glaube, das ist gestern nicht mehr geschehen, daß wir versuchen wollten, Herrn Schwarberg [12815-12816][19] [12817][20] [12818][21] [12819-12820][22] [12821-12822][23] [12823] heute in der Sitzung zu haben, das ist mißlungen.Die Geschäftsstelle hat angerufen; Herr Schwarberg hat von sich aus der Geschäftsstelle gegenüber erklärt, er werde im Falle der Vorladung in jedem Punkte, wo es irgendwie möglich ist, von seinem Zeugnisverweigerungsrecht als Journalist[24] Gebrauch machen. Er sei nicht bereit zu diesem Artikel sonst irgend etwas, irgendeine Auskunft zu geben. Das hat uns veranlaßt zunächst mal die Bemühungen, Herrn Schwarberg hierher zu bitten, einzustellen, und ich würde vorschlagen, daß das auch bei den Überlegungen der Verteidigung, wo es ja früher, nach Ihren Aussagen, eine Rolle gespielt hat, erneut eine Rolle spielt. Es hat wohl wenig Sinn, einem Zeugen dann hier bloß die Erklärung abzulocken, daß er nichts sagt zu all den Dingen.

Ist sonst ein Antrag zu stellen?

RA Schi[ly]:

Ich würde nur noch gerne wissen, ich habe gehört, daß Herr Habekost erkrankt sei.

Vors.:

Ja.

RA Schi[ly]:

Ich würde gerne wissen wie der Senat hinsichtlich des Zeugen Habekost verfahren wird.

Vors.:

Auch das ist gestern alles gesagt worden. Ich meine, wir sehen ja jetzt, Herr Rechtsanwalt Schily, auch wieder mit diesen Anträgen von Herrn Rechtsanwalt Dr. Heldmann, wohin dieses Verfahren gekommen wäre, wenn wir uns hätten verlassen müssen darauf, daß die Herren Verteidiger des Vertrauens das Verfahren allein betreiben,[25] wie es ursprünglich von den Herrn Verteidigern des Vertrauens immer wieder verlangt worden war. Es sind Wiederholungen, wie gesagt, ...

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, ich weiß nicht, was solche Bemerkungen sollen. Es wäre besser gewesen, man hätte ...

Vors.:

Es war kein Anwalt gestern ...

RA Schi[ly]:

... man hätte die Akten 3 ARP[26] vor Beginn der Hauptverhandlung mal auf den Tisch gelegt und man hätte der Verteidigung eine vernünftige Vorbereitung dieses Verfahrens eingeräumt. Dann wären diese ganzen Schwierigkeiten, die jetzt entstehen, nicht entstanden; so ist es doch.

Vors.:

Nein.

RA Schi[ly]:

Wir wollen doch mal nicht die Dinge auf den Kopf stellen ...

[12824] Vors.:

Nein, Sie sollen ...

RA Schi[ly]:

... und davon habe ich von Ihnen bisher noch nicht eine einzige Bemerkung gehört. Und ich finde es doch eigentlich einigermaßen merkwürdig, daß Sie jetzt wieder hier diese Erklärung dieser Art hier abgeben wollen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, Sie stellen die Dinge auf den Kopf. Die zwei Dinge haben überhaupt keine Verbindung ...

RA Schi[ly]:

Was, ich stell die Dinge auf den Kopf?

Vors.:

Natürlich stellen Sie es auf den Kopf. Es geht jetzt um die Anwesenheit der Verteidigung. Sie stellen Fragen die gestern besprochen worden sind; gestern nachmittag ist aufgrund der Erklärung der Angeklagten[27] kein Verteidiger des Vertrauens, wie sie sich bezeichnen, anwesend gewesen, obwohl diese Herren Sie als Pflichtverteidiger vertreten. Ich habe volles Verständnis für die Haltung, aber in der Tat muß eben von Ihrer Seite dafür Sorge getragen werden, daß Sie anwesend sind, und nur um diesen Punkt geht es im Augenblick; und nicht mal zur Stellung eines Antrags ist jemand anwesend im Augenblick. Und Sie wissen, daß das Verzögerungen sind. Das hat mit diesen Akten aber auch nicht das mindeste zu tun.

RA Schi[ly]:

Meine Anträge haben was mit den Akten selbstverständlich zu tun.

Vors.:

Ich habe nicht von Ihren Anträgen gesprochen, sondern, daß Sie jetzt lauter Fragen stellen, die gestern lang und breit besprochen worden sind, und daß sich eben immer wieder zeigt, wie dieses Verfahren gediehen wäre, wenn man sich hätte darauf verlassen müssen, daß Sie das Verfahren alleine betreiben. Und das ist meine Auffassung, die werde nicht hinter dem Berge halten.

RA Schi[ly]:

Ja, wie halten ...

Vors.:

Darf ich jetzt fragen, sind die Herren Verteidiger des Angeklagten Baader willens, diese Anträge von sich aus zu stellen?

Ich sehe nicht. Dann will ich hier jetzt bekanntgeben, daß gestern noch Herr Rechtsanwalt Pfaff aufgrund seiner Mitteilung, daß er nachmittags an der Sitzung nicht mehr teilnehmen will, zwei Schriftstücke übergeben hat - vorbereitete Beweisanträge von Herrn Dr. Heldmann. Sie lauten, [12825] ich möchte die dem Gericht zugänglich gemachten und unterschriebenen Anträge hier durch Verlesen bekanntgeben. Wir können dann dem unter Umständen von Amtswegen[28] nachgehen.

Der Vorsitzende gibt nunmehr den Inhalt der von Rechtsanwalt Dr. Heldmann (RA Pfaff) vorab schriftlich überreichten Beweisanträge[h], die in Ablichtung dem Protokoll als Anlagen 8+9 beigefügt werden, bekannt.

Wir werden uns dann überlegen, ob wir das auch einbeziehen in das Beweisprogramm für die kommende Woche. Ich bitte die Herren Verteidiger - und auch die übrigen Herren Prozeßbeteiligten natürlich - sich darauf einzustellen, daß diese Möglichkeit besteht.

Herr Habekost ist krank. Der Arzt hat uns mitgeteilt - gestern verlesen worden - zumindestens noch[i] auf zwei Wochen. Herr Habekost selbst hat eine andere Auffassung davon. Er ist der Meinung, daß er nächste Woche wieder zur Verfügung stünde. Am Dienstag allerdings wird er beansprucht für das Kaiserslauterner Verfahren.[29] Wir könnten ihn frühestens am Mittwoch oder Donnerstag hier hören; immer unter der Voraussetzung, daß der Arzt ihm letztlich die Genehmigung doch gibt, zu reisen. Er hat eine [Gesundheitsdaten] hinter sich und da ist es unter Umständen denkbar, daß der Arzt sagt, kommt überhaupt nicht in Frage. Insofern hängen wir in der Luft. Aber ich habe gestern schon darauf hingewiesen, für die nächste Woche muß jedenfalls damit gerechnet werden, daß hier auch Herr Habekost als Zeuge gehört wird, je nachdem wie es ärztlich ausgeht. Herr Rechtsanwalt Weidenhammer, haben Sie Anträge zu stellen?

RA Wei[denhammer]:

Danke, im Augenblick noch nicht.

Vors.:

Es ist mir gesagt worden, daß Herr Raspe die Absicht hätte, hier in der Sitzung zu erscheinen, und daß Sie keine Anträge stellen sollten, auf seine Bitte hin, bevor er nicht anwesend sei. Ich habe das so verstanden, daß wir Ihnen das weiterübermitteln sollten. Aber ich glaube, Sie sind jetzt selbst davon informiert.

Ich würde Sie doch bitten, wenn schon jetzt die Anträge ersichtlich sind, dann sollten die eigentlich von der Verteidigung unabhängig davon, ob der Angeklagte anwesend ist [12826] oder nicht, gestellt werden können.

RA Wei[denhammer]:

Herr Vorsitzender, ich möchte in dieser Angelegenheit zunächst mal mit ihm sprechen. Ich weiß also überhaupt nicht, um was es geht, was für eine Veranlassung gewesen ist ...

Vors.:

Er hat es gegenüber ...

RA Wei[denhammer]:

... und ich kann mich dazu nicht äußern.

Vors.:

... - Verzeihung - er hat es gegenüber einem Aufsichtsbeamten so geäußert. Ich habe es Ihnen jetzt mitgeteilt. Also offenbar sind da Anträge, stehen da im Raume. Ich wäre Ihnen dann aber dankbar, daß Sie das Verfahren, das Herr Dr. Heldmann hier nun vernünftigerweise [j] mal so praktiziert hat, auch praktizieren würden, wenn Sie sehen, daß solche Anträge gestellt werden sollen, uns vielleicht schriftlich vorzutragen.

RA Wei[denhammer]:

Gewiß.

Vors.:

Wäre Ihnen mit einer halben Stunde Pause zwecks Rücksprache mit Herrn Raspe gedient?

RA Wei[denhammer]:

Ja, wenn er bereits im Mehrzweckgebäude[30] ist, könnte ich damit hinkommen.

Vors.:

Ist anwesend.

Wir treffen uns in einer halben, d. h. wir treffen uns um 10.45 Uhr wieder, dann können Sie gegebenenfalls die Anträge stellen; bis dahin Unterbrechung.

RA Wei[denhammer]:

Ja, Danke sehr.

Pause von 10.09 Uhr bis 10.49 Uhr

Vors.:

Bitte, Herr Rechtsanwalt Weidenhammer.

RA Wei[denhammer]:

Herr Vorsitzender, ich habe mit - die Pause benutzt, um mit dem Gefangenen Raspe über den Antrag zu sprechen. Es ist in der Tat so, daß hier noch einige Dinge abzuklären sind. Er ist in wesentlichen Teilen unvollständig und ich müßte noch bitten, mir annähernd eine Woche zur Verfügung zu stellen, um das hinreichend abzuklären. Also ich bin im Augenblick außerstande den Antrag jetzt schon zu Protokoll zu geben.

Vors.:

Wir können daran nichts ändern. Es ist Ihr Recht, die Anträge zu stellen, wann Sie sie für stellbar halten.[31]

Ja, ich glaube, dann wären wir jetzt am Ende des Sitzungsprogrammes ...

[12827][32] [12828][33] [12829] RA Wei[denhammer]:

Herr Vorsitzender, ...

Vors.:

Bitte.

RA Wei[denhammer]:

... ich habe auch die Pause benutzen können mit Herrn Rechtsanwalt Dr. Heldmann zu telefonieren, ...

Vors.:

Ja, das interessiert.

RA Wei[denhammer]:

... der mir telefonisch den Inhalt dieser Anträge bekanntgemacht und mich gebeten hat, sie für ihn hier in der Sitzung zu stellen. Ich möchte ...

Vors.:

Das wäre wohl nicht möglich, sondern Sie könnten sie nur als eigene übernehmen.

RA Wei[denhammer]:

Ja, ich würde sie dann als eigene übernehmen, müßte aber zunächst mal Einsicht nehmen in die Anträge selbst, in die Schriftstücke, und würde sie dann als eigene stellen.

Vors.:

Wir haben jetzt im Augenblick uns[k] einen Durchschlag hier, aber das kommt ja zu Protokoll dann, der Text, nicht?

Rechtsanwalt Weidenhammer werden nunmehr Durchschläge der von Rechtsanwalt Dr. Heldmann (RA Pfaff) vorab überreichten Beweisanträge - siehe Anlagen 8+9 zum heutigen Protokoll - vorgelegt.

RA Wei[denhammer]:

Für den Angeklagten Raspe stelle ich den Antrag

den Herrn Kriminalhauptkommissar Schneider, zu laden über das Bundeskriminalamt, als Zeugen zu vernehmen, und zwar zum Beweis der Tatsache,

daß Gerhard Müller am 8.5.1975 anläßlich seiner Erläuterungen zum sogenannten Ensslin-Kassiber[34] ausgesagt hat:

er kenne keine Verbindungen von Susanne Mordhorst zur Roten-Armee-Fraktion.

- - -

Des weiteren

Herrn Rolf Mauer, zu laden über das Bundeskriminalamt,

Herrn Dieter Hartmann, zu laden über die Anschrift des Rechtsanwalts Huth, 53 Bonn-Bad Godesberg, Bahnhofstraße 26,

[12830] als Zeugen zu laden und zu vernehmen zum Beweis der Tatsache,

daß die Zeugen am 21.1.1974 in Frankfurt mit Ingeborg Barz zusammengetroffen sind.

- - -

Vors.:

Wir danken Ihnen.

Nun, haben Sie irgendwelche Gründe erfahren können, warum Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann heute nicht in der Sitzung erscheint?

RA Wei[denhammer]:

In der Kürze des Gesprächs war zu eruieren, daß es Schwierigkeiten mit seinem Kraftfahrzeug gegeben hat, daß sich auch im Augenblick noch in der Reparaturwerkstatt befinden soll, und es ihm aus diesem Grunde nicht möglich, war hier zu erscheinen.

Vors.:

Dafür gibt es ja normalerweise ein Telefon, aber da können Sie nichts dazu.

Nun noch der Hinweis, wir müssen uns darauf einstellen, so wie die Dinge laufen, daß wir auch die Weihnachtspause schon vorplanen müssen. Wir werden das heute noch festlegen. Wenn die Herren Prozeßbeteiligten in der Richtung irgendwelche Rückfragen noch haben, vor der nächsten Sitzungswoche, wo ich es dann offiziell bekanntgeben kann, kann es also spätestens ab[l] Donnerstag bei der Geschäftsstelle erfragt werden, wie die Dinge liegen.

Sind sonstige Äußerungen, Anträge ...? Nicht mehr.

Dann wären wir am Ende des heutigen Sitzungstages.

Wir setzen am kommenden Dienstag fort. Ich kann im Einzelnen noch nicht genau festlegen, welche Zeugen gehört werden.

Wir bemühen uns[m], aus dem Kreise der gestellten Anträge möglichst frühzeitig die Zeugen am Dienstag hierherzubestellen.

Wir werden das noch schriftlich dann mitteilen, aber jetzt läßt sich noch nicht voraussehen, welche Zeugen nun tatsächlich an diesem Tage erreichbar sein werden. Auf jeden Fall: sämtliche benannten Zeugen könnten im Laufe der drei nächsten Sitzungstage in der kommenden Woche gehört werden. Ich bitte, daß sich die Prozeßbeteiligten darauf einstellen.

[12831] Damit bis zum kommenden Dienstag Unterbrechung.

Ende der Sitzung um 10.54 Uhr

Ende Band 759


[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 – Az.: 1 StE 1/74 – StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[2] § 57 StPO a.F. schrieb für die Belehrung von Zeug/innen vor: „Vor der Vernehmung sind Zeugen zur Wahrheit zu Ermahnen und darauf hinzuweisen, daß sie ihre Aussage zu beeidigen haben, wenn keine im Gesetz bestimmte oder zugelassene Ausnahme vorliegt. Hierbei sind sie über die Bedeutung des Eides, die Möglichkeit der Wahl zwischen dem Eid mit religiöser oder ohne religiöse Beteuerung sowie über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren.“ Im Unterschied dazu ist die Vereidigung von Zeug/innen heute nur noch die Ausnahme (§ 59 StPO).

[3] Zu den Besonderheiten dieses Verfahrens gehörte es, dass sich die Prozessbeteiligten darauf einigten, ein gerichtliches Wortprotokoll als Arbeitsgrundlage anzufertigen (s. dazu S. 4 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Nach der damaligen Rechtsprechung bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung stets der Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 – Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 – Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 339). Heute wird die gerichtliche Tonbandaufnahme z.T. auch ohne Zustimmung der Beteiligten für zulässig erachtet (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 35; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 13).

[4] Nach § 55 Abs. 1 StPO steht Zeug/innen ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, wenn sie sich selbst oder ihre Angehörigen (§ 52 Abs. 1 StPO) durch die Beantwortung einer Frage der Gefahr aussetzen würden, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt werden.

[5] § 51 StPO enthält die Folgen des (unentschuldigten) Ausbleibens von Zeug/innen. Wurden sie ordnungsgemäß geladen, so werden ihnen die durch das Ausbleiben entstandenen Kosten auferlegt; zudem wird ein Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft festgesetzt. Wird das Ausbleiben genügend entschuldigt, so unterbleiben diese Anordnungen oder werden wieder aufgehoben (Abs. 2).

[6] Ingeborg Barz war ein frühes Mitglied der RAF. Zuvor war sie Teil der Hilfsorganisation Schwarze Hilfe und bildete u.a. gemeinsam mit Angela Luther, Inge Viett, Verena Becker und Waltraud Siepert eine feministische Gruppe namens Die schwarze Braut. Über Barz’ Position in der RAF ist nicht viel bekannt. 1971 soll sie beim Überfall auf eine Bank in Kaiserslautern mitgewirkt haben. Von der Verhaftungswelle 1972 war Barz nicht betroffen, gilt aber wie Angela Luther seitdem als verschwunden. Über ihren Verbleib existieren nur Spekulationen. Unter anderem stand der Verdacht im Raum, dass sie als Spitzel des Verfassungsschutzes enttarnt und von Baader erschossen worden sei (Kraushaar, Verena Becker und der Verfassungsschutz, 2010, S. 31 ff., 37 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S 299, 820). Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass die Behauptung, Baader habe Barz erschossen, von Gerhard Müller aufgestellt worden sei, um Baader wahrheitswidrig zu belasten (s. den Beweisantrag des Rechtsanwalts Dr. Heldmann am 142. Verhandlungstag, S. 11467 des Protokolls der Hauptverhandlung). Durch den Beweis der Unwahrheit dieser Tatsache sollte die Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen Müller insgesamt erschüttert werden (s. dazu etwa die Diskussion um den am 147.Verhandlungstag gestellten Beweisantrag, S. 11684 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Zu den Angaben, die Müller über in diesem Zusammenhang gemacht haben soll, s. auch die Ausführungen des Vernehmungsbeamten KHK Opitz am 152. Verhandlungstag (S. 11855 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[7] Gemeint sein dürften die „Vertrauensverteidiger/innen“; manche dieser ursprünglich gewählten Verteidiger/innen (§§ 137, 138 StPO) waren den Angeklagten allerdings als Pflichtverteidiger/innen (§ 141 StPO) beigeordnet worden. Nach zwischenzeitlichen Entpflichtungen traf das zu diesem Zeitpunkt noch auf die Rechtsanwälte Dr. Heldmann (für den Angeklagten Baader) und Schily (für die Angeklagte Ensslin) zu. Vertrauensverteidigung ist kein offizieller Begriff, dient aber hier der Abgrenzung zu denjenigen Pflichtverteidigern, die den Angeklagten zusätzlich gegen ihren Willen durch das Gericht beigeordnet worden waren (Fn. 8).

[8] Den Angeklagten wurden neben ihren Vertrauensverteidiger/innen je zwei Verteidiger (gegen ihren Willen) durch das Gericht als zur Sicherung des Verfahrens beigeordnet. Zwischen der Vertrauensverteidigung und dem Senat bestand allerdings Uneinigkeit darüber, ob die Verteidigung durch sie auch ordnungsgemäß sei (s. dazu bereits die Diskussionen am 1. Verhandlungstag, S. 90 ff., sowie den Entpflichtungsantrag der Rechtsanwältin Becker in Anlage 1 zum Protokoll vom 10.06.1975, S. 184 ff., 3. Verhandlungstag). Die Angeklagten lehnten die von ihnen sog. Zwangsverteidiger vehement ab und weigerten sich, mit ihnen zu reden. Ulrike Meinhof führte am 1. Verhandlungstag aus: „Es handelt sich bei diesen Verteidigern um Zwangsverteidiger, die als Instrumente der B. Anwaltschaft ohne jede Kompetenz, abhängige Staatsschutzverteidiger sind, d. h. ihrer Funktion in diesem Prozeß nach Vertreter der Anklagebehörden und der Staatsschutzabteilung“ (S. 85 des Protokolls der Hauptverhandlung). Auch in der Literatur war diese Vorgehensweise – die Beiordnung von Pflichtverteidiger/innen gegen den Willen der Angeklagten neben vorhandenen (Wahl-)Verteidiger/innen – lange umstritten (s. dazu Thomas/Kämpfer, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, § 141 Rn. 6). Die Rechtsprechung ließ diese sog. Sicherungsverteidigung zu (BVerfG, Beschl. v. 28.3.1984 – Az.: 2 BvR 275/83, BVerfGE 66, S. 313, 321; BGH, Urt. v. 11.12.1952 – Az.: 3 StR 396/51, BGHSt 3, S. 395, 398; s. auch EGMR, Urt. v. 25.9.1992 – Az.: 62/1991/314/385, EuGRZ 1992, S. 542, 545 f.). Erst mit dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 (BGBl. I, S. 2128) wurde hierfür in § 144 StPO auch eine gesetzliche Regelung geschaffen.

[9] Am Morgen des 9. Mai 1976 wurde Ulrike Meinhof tot in ihrer Zelle aufgefunden. Die Umstände ihres Todes – offiziell Suizid durch Erhängen – wurden, nicht zuletzt durch die Vertrauensverteidigung, erheblich angezweifelt. Meinhofs Tod wurde zu einem medial breit diskutierten Ereignis (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 394 ff.; Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 268 ff.; März, Linker Protest nach dem Deutschen Herbst, 2012, S. 159 ff.; Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa, 2014, S. 398 ff.). Der Angeklagte Raspe erklärte am 109. Verhandlungstag: „Wir glauben, daß Ulrike hingerichtet worden ist; wir wissen nicht, wie, aber wir wissen, von wem“ (S. 9609 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[10] Siegfried Buback war zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung Generalbundesanwalt und damit Leiter der Strafverfolgungsbehörde „Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof“, welche das Amt der Staatsanwaltschaft beim BGH (§ 142 Nr. 1 GVG), sowie in den zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug gehörenden Strafsachen (§ 120 Abs. 1 und 2 GVG) ausübt (§ 142a Abs. 1 GVG).

[11] Gerhard Müller war ein ehemaliges Mitglied der RAF und einer der Hauptbelastungszeugen in diesem sowie in weiteren Verfahren gegen Mitglieder der RAF. Er wurde ab dem 124. Verhandlungstag als Zeuge vernommen. Die Verteidigung versuchte u.a. zu beweisen, dass die umfassende Aussage Müllers durch das Versprechen diverser ungesetzlicher Vorteile unzulässig beeinflusst worden sei (s. hierzu etwa die Beweisanträge in den Anlagen 4 bis 19 zum Protokoll zum 20.7.1976, S. 10643 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 128. Verhandlungstag; s. zu den Vorwürfen der Verteidigung auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 305 ff.). Die Schaffung einer speziellen gesetzlichen Kronzeugenregelung wurde zum damaligen Zeitpunkt zwar diskutiert, erfolgte aber zunächst nicht. Während bereits mit Gesetz vom 28.7.1981 (BGBl. I, S. 681) eine Kronzeugenregelung für Betäubungsmitteldelikte geschaffen wurde (§ 31 BtMG), geschah dies erst 1989 auch für terroristische Straftaten (BGBl. I, S. 1059, 1061). Diese Regelung trat jedoch zum 1.12.1999 wieder außer Kraft. Erst seit dem 1.9.2009 gibt es im deutschen Strafrecht mit § 46b StGB eine allgemeine Kronzeugenregelung (eingeführt durch das 43. Strafrechtsänderungsgesetz vom 29.7.2009, BGBl. I, S. 2288).

[12] Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung war die Vereidigung von Zeug/innen nach § 59 f. StPO a.F. grundsätzlich vorgeschrieben. Ausnahmen galten nur für wenige Vereidigungsverbote, darunter bei Personen, die selbst wegen der Beteiligung der gegenständlichen Tat verdächtig oder bereits verurteilt worden waren (§ 60 Nr. 2 StPO). Außerdem hatte das Gericht die Möglichkeit, in bestimmten Fällen von der Vereidigung abzusehen (§ 61 StPO a.F.). Im Unterschied dazu bestimmt der heutige § 59 Abs. 1 Satz 1 StPO, dass eine Vereidigung nur dann erfolgt, wenn es das Gericht wegen der ausschlaggebenden Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung einer wahren Aussage nach seinem Ermessen für notwendig hält.

[13] Gemeint sein dürfte § 129 StGB (Straftatbestand der Bildung krimineller Vereinigungen).

[14] Da die Beiordnung dem öffentlichen Interesse dient, dafür zu sorgen, dass Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhalten und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird (BVerfG, Beschl. v. 8.4.1975 – Az.: 2 BvR 207/75, BVerfGE 39, S. 238, 242), gehen mit der Bestellung als Pflichtverteidiger/in besondere Pflichten einher. Darunter fällt auch die Anwesenheitspflicht während der Hauptverhandlung, und zwar unabhängig davon, ob weitere (Pflicht-)Verteidiger/innen anwesend sind (OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.12.2015 – Az: 2 Ws 203/15, NStZ 2017, S. 436, 437 f.).

[15] Die Rechtsanwälte Schnabel und Schwarz gehörten zu den Verteidigern, die den Angeklagten gegen ihren Willen zur Sicherung des Verfahrens beigeordnet worden waren (Fn. 8).

[16] Anlage 1 zum Protokoll vom 1. Dezember 1976: Beweisantrag des Rechtsanwalts Schily auf Vernehmung des Kriminalbeamten Eimecke als Zeugen.

[17] Anlage 2 zum Protokoll vom 1 Dezember 1976: Beweisantrag des Rechtsanwalts Schily auf Vernehmung von Herrn Liepe als Zeugen.

[18] Landes- und Bundesbeamt/innen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet bezüglich aller Angelegenheiten, die ihnen im Rahmen ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgeworden sind. Aussagen vor Gericht hierüber sind nur nach und im Umfang der Genehmigung durch den jeweiligen Dienstherrn gestattet (heute geregelt in § 37 Abs. 1 und 3 BeamtStG für Landesbeamt/innen und in § 67 Abs. 1 und 3 BBG für Bundesbeamt/innen; für den Stand 1975 galten für Landesbeamt/innen noch Landesgesetze, die sich allerdings an § 39 des Beamtenrechtsrahmengesetzes vom 1.7.1957 orientieren mussten; für Bundesbeamt/innen galt § 61 BBG a.F.). § 54 Abs. 1 StPO stellt sicher, dass die Verschwiegenheitspflicht auch im Falle einer Vernehmung als Zeug/in in einem Strafprozess fortbesteht.

[19] Anlage 3 zum Protokoll vom 1. Dezember 1976: Beweisantrag des Rechtsanwalts Schily auf Vernehmung des Rechtsanwalts Becher als Zeugen.

[20] Anlage 4 zum Protokoll vom 1. Dezember 1976: Beweisantrag des Rechtsanwalts Schily auf Vernehmung des früheren Leiters des BND Gehlen als Zeugen.

[21] Anlage 5 zum Protokoll vom 1. Dezember 1976: Beweisantrag des Rechtsanwalts Schily auf Vernehmung von Herrn Collisi als Zeugen.

[22] Anlage 6 zum Protokoll vom 1. Dezember 1976: Beweisantrag des Rechtsanwalts Schily auf Vernehmung von Herrn Konieczny als Zeugen.

[23] Anlage 7 zum Protokoll vom 1. Dezember 1976: Beweisantrag des Rechtsanwalts Schily auf Vernehmung des Vorsitzenden Richters am KG Berlin Zelle als Zeugen.

[24] § 53 StPO enthält das Zeugnisverweigerungsrecht für Angehörige bestimmter Berufsgruppen zur Wahrung des Berufsgeheimnisses. Darunter fallen nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StPO auch bestimmte Personen aus dem Presse- und Rundfunkbereich.

[25] In den Fällen der notwendigen Verteidigung ist die Mitwirkung eines Verteidigers oder einer Verteidigerin gesetzlich vorgeschrieben (§ 141 StPO a.F.; seit dem 13.12.2019 [Gesetz zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019, BGBl. I, S. 2128] ist die Bestellung in manchen Fällen von einem Antrag des/der Beschuldigten abhängig, § 141 Abs. 1 StPO). Gegen unverteidigte Angeklagte darf daher nicht verhandelt werden. Da den Angeklagten aber je zwei weitere Verteidiger zur Sicherung des Verfahrens beigeordnet worden waren (Fn. 8), konnte die Hauptverhandlung trotz zwischenzeitlicher Abwesenheit der Vertrauensverteidigung fortgesetzt werden. Die notwendige Verteidigung ergab sich in diesem Verfahren daraus, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht stattfand (§ 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO) und dem Vorwurf eines Verbrechens (§ 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO; ein Verbrechen liegt vor bei einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr, § 1 Abs. 1 StGB a.F.; heute: § 12 Abs. 1 StGB), sowie der Inhaftierung der Beschuldigten für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten (§ 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO a.F.; heute ist die zeitliche Vorgabe entfallen).

[26] Die auch als „Geheimakte“ bezeichnete Akte „3 ARP 74/75 I“ enthielt Aussagen des Belastungszeugen und ehemaligen RAF-Mitglieds Gerhard Müller. Für diese Akte hatte der damalige Bundesjustizminister Vogel zunächst eine umfassende Sperrerklärung nach § 96 StPO („Die Vorlegung oder Auslieferung von Akten oder anderen in amtlicher Verwahrung befindlichen Schriftstücken durch Behörden und öffentliche Beamte darf nicht gefordert werden, wenn deren oberste Dienstbehörde erklärt, daß das Bekanntwerden des Inhalts dieser Akten oder Schriftstücke dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde“) abgegeben. Die Verteidigung bemühte sich lange darum, Einblick in die Akte zu erhalten. Die Prüfung und Entscheidung darüber, die Sperrerklärung wieder aufzuheben, wurde schließlich der Bundesanwaltschaft anvertraut (s. die Mitteilung des Vorsitzenden Dr. Prinzing am 157. Verhandlungstag, S. 12215 des Protokolls der Hauptverhandlung). Am 158. Verhandlungstag gab die Bundesanwaltschaft nach erneuter Prüfung einen Großteil der Akte heraus (S. 12262 des Protokolls der Hauptverhandlung; s. zu den Vorgängen und Vermutungen rund um diese Akte auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 368 ff.). Am 159. Verhandlungstag wurde ein Schreiben des Bundesjustizministers bekanntgegeben, in welchem die letzten noch geheimhaltungsbedürftigen Passagen konkretisiert wurden (s. Anlage 2 zum Protokoll vom 9.11.1976, S. 12306 des Protokolls der Hauptverhandlung, 159. Verhandlungstag).

[27] Nachdem die Angeklagten am vorigen Verhandlungstag mitteilen ließen, sie akzeptierten die Rechtsanwälte Geulen und Pfaff als Vertreter der Vertrauensverteidiger Dr. Heldmann und Schily nicht (s. die Erklärung in Anlage 4, S. 12744 des Protokolls der Hauptverhandlung, 164. Verhandlungstag), nahmen diese nicht weiter an der Hauptverhandlung teil.

[28] Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind (§ 244 Abs. 2 StPO). Damit trifft die Aufklärungspflicht das Gericht unabhängig von Anträgen der Verfahrensbeteiligten.

[29] Vor dem LG Kaiserslautern fand zu dieser Zeit die Hauptverhandlung gegen die RAF-Mitglieder Manfred Grashof, Wolfgang Grundmann und Klaus Jünschke statt. Vorgeworfen wurden ihnen neben der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung verschiedene Straftaten im Zusammenhang mit einem Banküberfall in Kaiserslautern am 22. Dezember 1971, bei dem der Polizeiobermeister Herbert Schoner erschossen wurde, sowie im Zusammenhang mit der Verhaftung von Grundmann und Grashof am 2. März 1972, bei der der Kriminalhauptkommissar Eckhart durch einen Schuss durch Grashof schwer verletzt wurde und schließlich am 22. März 1972 seinen Verletzungen erlag; dem Angeklagten Jünschke ferner die Beteiligung an der Herbeiführung der Explosion in Frankfurt am Main am 11.5.1972. Jünschke und Grashof wurden am 2.6.1977 je zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe, Grundmann zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von vier Jahren verurteilt (Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 30 ff., 322; s. zu den Tatvorwürfen und späteren Verurteilungen auch DER SPIEGEL, Ausgabe 24/77 vom 6.6.1977, S. 104).

[30] Die Hauptverhandlung fand in dem sog. Mehrzweckgebäude (auch „Mehrzweckhalle“) statt, einem Gerichtsgebäude aus Stahl und Beton, das in Vorbereitung auf den Prozess unmittelbar neben dem Gefängnis für etwa 12 Millionen DM errichtet wurde (Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 1. Aufl. 2017, S. 69; krit. hierzu auch Tenfelde, Die Rote Armee Fraktion und die Strafjustiz, 2009, S. 100 f.).

[31] Grundsätzlich haben die Verfahrensbeteiligten bis zum Beginn der Urteilsverkündung das Recht, Beweisanträge zu stellen, das Gericht ist zur Entgegennahme verpflichtet (BGH, Urt. v. 3.8.1966 – Az.: 2 StR 242/66, BGHSt 21, S. 118, 123). Beweisanträge, die zum Zweck der Prozessverschleppung gestellt werden, konnten allerdings nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO a.F. abgelehnt werden. Der Ablehnungsgrund der Prozessverschleppung wurde mit Wirkung zum 13.12.2019 durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens (BGBl. I, S. 2121) aufgehoben, was allerdings nicht zur Folge hat, dass derartige Anträge nun ungehindert gestellt werden könnten; vielmehr sieht § 244 Abs. 6 Satz 2 StPO nun vor, dass ein solcher Antrag nicht mehr durch förmlichen Beschluss abgelehnt werden muss. Zudem wurde mit dem Gesetz zur effektiveren und praxistauglichen Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17.8.2017 (BGBl. I, S. 3202) die Möglichkeit geschaffen, Beweisanträge, die nach Ablauf einer zuvor gesetzten Frist gestellt werden, erst im Urteil zu bescheiden (§ 244 Abs. 6, Satz 2-5 StPO). Hierdurch sollte der Umgang mit verfahrensverzögernden Beweisanträgen vereinfacht werden (s. die Begründung in BR-Drs. 796/16, S. 34).

[32] Anlage 8 zum Protokoll vom 1. Dezember 1976: Beweisantrag des Rechtsanwalts Dr. Heldmann auf Vernehmung des KHK Schneider als Zeugen.

[33] Anlage 9 zum Protokoll vom 1. Dezember 1976: Beweisantrag des Rechtsanwalts Dr. Heldmann auf Vernehmung der Herren Mauer und Hartmann als Zeugen.

[34] Gemeint ist hier das bei der Festnahme von Ulrike Meinhof gefundene und offenbar von Gudrun Ensslin stammende Schreiben, in welchem sich Schilderungen konkreter Geschehnisse im Zusammenhang mit der Verhaftung Ensslins befanden (das Schreiben wird am 59. Verhandlungstag thematisiert, S. 5396 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung; Auszüge finden sich im Urteil auf S. 152). Da es nur wenige Tage nach der Verhaftung Ensslins außerhalb der Haftanstalt aufgefunden wurde, wurde schnell der Verdacht geäußert, Rechtsanwalt Schily habe diesen Kassiber im Rahmen eines Anwaltsbesuches illegal aus der Haftanstalt herausgeschmuggelt. Sichere Beweise hierfür gab es allerdings nicht (s. hierzu Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 65 ff.).


[a] Maschinell eingefügt: Wenn Sie Frau Barz kennen.

[b] Maschinell eingefügt: der

[c] Handschriftlich durchgestrichen: leben

[d] Maschinell eingefügt: sind

[e] Handschriftlich eingefügt: in

[f] Maschinell eingefügt: muß

[g] Maschinell ergänzt: Journalisten

[h] Handschriftlich ersetzt: Beweisantrag durch Beweisanträge

[i] Maschinell eingefügt: noch

[j] Handschriftlich durchgestrichen: es

[k] Handschriftlich ersetzt: durch durch uns

[l] Handschriftlich ersetzt: am durch ab

[m] Handschriftlich eingefügt: uns