147. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 23. September 1976 um 14.02 Uhr



[11663] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 23. September 1976 um 14.02 Uhr.

147. Verhandlungstag

Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte sind anwesend:

Just. Ass. Clemens

Just. Ass. z. A. Scholze

Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]

Als deren Verteidiger sind erschienen:

Rechtsanwälte Dr. Heldmann, Eggler, Künzel, Schnabel, Schwarz und Grigat.

Als Zeuge ist anwesend:

KHK Rolf Schneider

Vors.:

Bitte Platz zu nehmen. Wir setzen die Sitzung fort. Herr Rechtsanwalt Schlaegel hat sich entschuldigt für den heutigen Nachmittag. Wir kommen zur Vernehmung heute der Zeugen Schneider und Geisler. Herr Schneider ist anwesend.

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Herrn Schily habe ich zu entschuldigen; er ist von Athen noch nicht zurück.

Vors.:

Dankeschön. Herr Wolf ist nicht erreicht worden. Es wird sich nachher dazu[a] eine Frage erheben.

Herr Schneider, es liegt hier für beide, das heißt für alle drei Zeugen eine Aussagegenehmigung[2] vor, die ich, bevor wir in Ihre Vernehmung eintreten, bekanntgeben möchte. Per Fernschreiben, das heute früh eingegangen ist, ist folgendes mitteilt worden:

Der Vorsitzende verliest das Fernschreiben vom 23.9.1976, das dem Protokoll als Anlage 1 beigefügt ist.

[11664] Vors.:

Ich habe Ihnen heute früh diese Aussagegenehmigung inhaltlich, nachdem ich gehört habe, daß Sie im Hause sind, mitteilen lassen, so daß Sie also den Umfang Ihrer Berechtigung selbst jetzt überprüfen konnten. Die Belehrung[3] ist erteilt worden, gestern schon, ich beziehe mich darauf. Sie haben auch gestern schon die Zustimmung zur Aufnahme auf das Tonband gegeben.[4]

Der Zeuge Schneider macht folgende Angaben zur Person:

Rolf Schneider,

37 Jahre, Kriminalhauptkommissar, Bundeskriminalamt Abteilung Terrorismus,

wohnhaft in Bonn.

Mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert; wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Sie sind ja bereits im Verfahren hier gehört und wohl auch vereidigt worden. Sie haben das Beweisthema jetzt eben nochmals benannt bekommen, und ich habe es auch gestern schon angedeutet; und es liegt Ihnen sogar anhand dieser Aussagegenehmigung schriftlich vor. Zunächst die Vorfrage, waren Sie bei Vernehmungen, Anhörungen des Zeugen Gerhard Müller[5] beteiligt gewesen?

Zeuge Schn[eider]:

Ich war bei Vernehmungen und Befragungen des Gerhard Müller beteiligt gewesen und zwar im Juni 1972, unmittelbar im Zusammenhang mit der Festnahme und Überführung von Hannover nach Karlsruhe und von Karlsruhe nach Bonn. Im Hubschrauber habe ich den Zeugen Müller, den seinerzeit Beschuldigten Müller, nach Belehrungen gefragt über seinen bisherigen Werdegang und eben seinen bisherigen Aufenthalt. In dieser Hinsicht hat er mir auch Auskünfte gegeben, wo er also geboren wurde oder worden war und was er beruflich getan hat.

Vors.:

Ist im Zusammenhang mit solchen Vernehmungen oder Anhörungen, an denen Sie selbst beteiligt waren oder von denen Sie gehört haben, bekannt geworden, daß seitens der Ermittlungsbehörden Herrn Müller als Gegenleistung für eine Aussage zugesagt worden ist unter anderem 50 % Straferlaß, Pressekontakte, die sich für ihn wirtschaftlich vorteilhaft auswirken würden, und andererseits angedroht worden, daß, wenn er nicht aussage, müßte er mit einer [11665][6] [11666] lebenslangen Freiheitsstrafe rechnen?

Zeuge Schn[eider]:

Mir ist darüber nichts bekannt geworden. Ich selbst habe auch keine Zusicherungen in irgendeiner Form gemacht, auch selbst bei einem Gespräch im Juni 72 im Gebäude der Bundesanwaltschaft. Ich habe ihm lediglich das Strafgesetzbuch vorgelegt, den [§ ]129[ StGB] unter Hinweis, daß wir nicht berechtigt sind, Rechtsberatung vorzunehmen. Er soll sich das aber mal durchlesen und mit dem Anwalt darüber sprechen, insbesondere mit dem § 129 Abs. 6[ StGB];[7] mehr ist nicht geschehen.

Vors.:

Haben Sie sich damals, das kann wohl im Rahmen dieser Aussagegenehmigung auch erfragt werden, auf den § 129[ StGB] beschränkt oder sind ihm weitere Strafvorschriften vorgehalten worden, die in Betracht kämen?

Zeuge Schn[eider]:

Soweit ich mich heute noch erinnern kann, war es nur der [§ ]129 Abs. 6[ StGB].

Vors.:

Es ist hier ja angedeutet, diese Drohung gegenüber Müller, wenn er nicht spure, müsse er mit lebenslanger Freiheitsstrafe rechnen. Das ist eine Strafe, die ohnedies nur im Zusammenhang mit Mord[8] angedroht werden könnte. War davon irgendwie die Rede im Zusammenhang mit den Vernehmungen oder Anhörungen?

Zeuge Sch[neider]:

Es war davon überhaupt nicht die Rede. Und im übrigen möchte ich hier auch bemerken, daß es auch nicht im Interesse der Ermittlungsbeamten und auch des Bundeskriminalamtes liegt, mit solcher Art Vorgehen irgendwelche Aussagen zu erzwingen oder zu erhalten.

Vors.:

Wenn also hier behauptet wird, Sie würden das bekunden, daß solche Gegenleistungen versprochen worden seien, beziehungsweise solche Drohungen ausgesprochen worden seien, dann können Sie, wenn ich Ihre bisherige Aussage richtig verstehe, zusammenfassend darauf einfach „nein“ sagen, „das stimmt nicht“.

Zeuge Schn[eider]:

Das kann ich.

Vors.:

Haben Sie Kenntnis von irgendwelchen Kollegen, die mit Ihnen drüber gesprochen haben, daß die etwa in dieser Weise vorgegangen wären?

Zeuge Schn[eider]:

Habe ich keine.

Vors.:

Danke. Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Beim Gericht sehe ich nicht. Die Herren der Bundesanwaltschaft? Keine Fragen. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, bittesehr.

RA Dr. He[ldmann]:

Vorhalt an den Herrn Zeugen: In seinem eigenen Verfahren [11667] in Hamburg[9] hat Herr Müller - dort als Angeklagter - den folgenden Beweisantrag gestellt, nämlich: „In der Zeit von seiner Verhaftung bis zum 7.2.73 haben verschiedene Beamte versucht, ihn zu Aussagen gegen die RAF zu bewegen. Der Beamte Wolf von der Sicherungsgruppe Bonn[10] hat ihm bedeutet, er würde auch finanziell gut wegkommen, wenn er aussagen würde. Es haben ihn die Beamten Wolf, Geisler, Schneider von der Sicherungsgruppe des BKA usw. aufgesucht. Man hat ihm verschiedentlich bedeutet, daß man auch anders könne, wenn er nicht aussage.“ Dieses war der Vorhalt und meine daran anschließende Frage ist: Können Sie das, was ich Ihnen als Beweisthema in jenem Prozeß vorgelesen habe, insoweit bestätigen, nämlich, versucht, ihn zu Aussagen zu bewegen, bedeutet, er würde auch finanziell gut wegkommen, wenn er aussagen würde, verschiedentlich bedeutet, man könne auch anders, wenn er nicht aussage.

Zeuge Schn[eider]:

Ich kann dies nicht bestätigen. Soweit mir noch in Erinnerung ist, war das einzige Zusammensein nach der Festnahme des Gerhard Müller bis 73, also der Zeitpunkt der Überführung von Hannover nach Karlsruhe und von Karlsruhe nach Bonn. Und ich selbst habe keine derartigen Vorgaben[b] gemacht gegenüber dem seinerzeit Beschuldigten Müller.

RA Dr. He[ldmann]:

Sind Ihnen solche Äußerungen während Vernehmungen des Herrn Müller bekannt geworden, bekannt geworden von oder durch andere Kollegen?

Zeuge Schn[eider]:

Ich habe bereits vorhin schon bekundet, daß mir nichts darüber bekannt geworden ist, und daß auch von meiner Seite aus in dieser Richtung nichts geschehen ist.

RA Dr. He[ldmann]:

Sie haben also, habe ich recht verstanden, Sie haben Müller nur ein einziges Mal als Vernehmungsbeamter gesprochen?

Zeuge Schn[eider]:

Im Juni 72.

RA Dr. He[ldmann]:

Das bedeutet, Sie haben Müller auch sonst zu keiner anderen Zeit und an keinem anderen Ort gesprochen oder gesehen?

Zeuge Schn[eider]:

Insoweit liegt keine Aussagegenehmigung vor, um diese Frage zu beantworten.

RA Dr. He[ldmann]:

Haben Sie Müller bei diesem Gespräch, wie bezeichnen Sie es, als Gespräch oder als Vernehmung?

Zeuge Schn[eider]:

Ich habe Ihre Frage nicht ganz verstanden.

RA Dr. He[ldmann]:

Wie bezeichnen Sie ihre Zwiesprache mit Herrn Müller, als ein Gespräch oder als eine Vernehmung?

Zeuge Schn[eider]:

Das war ein Gespräch.

[11668] RA Dr. He[ldmann]:

Haben Sie darüber Unterlagen angefertigt?

Zeuge Schn[eider]:

Über den Lebenslauf des Gerhard Müller, ja. Das müßte sich in den Personenakten des Müller befinden.

RA Dr. He[ldmann]:

Über den weiteren Inhalt des Gesprächs?

Zeuge Schn[eider]:

In diesem Vermerk oder Befragungsvermerk oder Gesprächsvermerk ist das niedergelegt, was ich mit Herrn Müller besprochen hatte oder gesprochen hatte.

RA Dr. He[ldmann]:

Alles?

Zeuge Schn[eider]:

Alles.

RA Dr. He[ldmann]:

Haben Sie ihn als Beschuldigten oder als Zeugen vernommen?[11]

Zeuge Schn[eider]:

Als Beschuldigten selbstverständlich.

RA Dr. He[ldmann]:

Ist Ihnen etwas bekannt geworden von Aussagen Müllers, Andreas Baader hätte Ingeborg Barz[12] erschossen?

Zeuge Schn[eider]:

Ich muß nochmal wiederholen, daß sich insoweit meine Aussagegenehmigung nicht erstreckt oder auf diese Frage.

RA Dr. He[ldmann]:

Das habe ich mir schon gedacht. Und bei dieser Aussagegenehmigung hat es keinen Sinn, weitere Fragen zu stellen. Darf ich bitten, daß ich nachher eine Fotokopie dieser Aussagegenehmigung erhalte?

RA Dr. Heldmann wird eine Durchschrift des Fernschreibens vom 23.9.1976 (Anlage 1 zum Protokoll) übergeben.

Vors.:

Herr Schneider, Sie haben vor sich vorhin ein Schriftstück liegen gehabt. Handelt es sich da eventuell um den besagten Gesprächsvermerk?

Zeuge Schn[eider]:

Nein, nein. Der müßte ...

Vors.:

Nun, es war nur eine Frage. Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Herr Rechtsanwalt Schnabel.

RA Schn[abel]:

Herr Zeuge, kennen Sie beim Bundesinnenministerium einen Herrn Dr. Hartkopf? Wenn ich das richtig verstanden habe, den Namen vorher, ich glaube, so lautete das.

Zeuge Schn[eider]:

Also vom Sehen her sicherlich, aus der Presse wohl; und ich weiß, daß er Staatssekretär ist, wenn ich nicht falsch informiert bin.

RA Schn[abel]:

Wissen Sie das oder glauben Sie das?

Zeuge Schn[eider]

 Ja, das weiß ich zumindest.

RA Schn[abel]:

Danke.

Der Zeuge KHK Schneider versichert die Richtigkeit seiner Aussage unter Berufung auf seinen bereits geleisteten Eid (§ 67 StPO)[13] und wird vorläufig um 14.14 Uhr entlassen.

Vors.:

Herrn Geisler, bitte.

[11669] RA Schn[eider]:

Dürfte ich nur mal die Pause insofern ausnützen: Ich kenne die Hierarchie[c] in Bonn nicht so sehr gut. Mir ist dieser Name kein Begriff. Stimmt das, daß das der Staatssekretär ist, also gibt es einen solchen ...

Vors.:

Ja, es stimmt. Und ich darf noch dazu bemerken, um Sie ganz sicher zu machen: Dieses Fernschreiben mit Inhalt ist mir telefonisch vorher mitgeteilt worden durch den persönlichen Referenten des Innenministers; und ich kann bestätigen, daß er es war.

Der Zeuge KHK Winfried Geisler erscheint um 14.15 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Herr Geisler, die Aussagegenehmigung, das heißt der Umfang der Aussagegenehmigung ist Ihnen bekannt. Ich habe Ihnen das ja zukommen lassen, damit Sie selbst sich darüber ein Bild verschaffen können, wie weit Sie berechtigt sind, auf die Beweisthemen, die die Verteidigung angegeben hat, hier Auskunft zu geben. Sie sind gestern schon belehrt worden. Ich beziehe mich auf die Belehrung, auch Ihre Zustimmung zur Aufnahme eines Tonbandprotokolls in Ihrem Falle.

Der Zeuge KHK Geisler macht folgende Angaben zur Person:

Winfried Geisler,

40 Jahre, Kriminalhauptkommissar beim BKA Abteilung TE,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert; wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft

Vors.:

Sie sollen über Vorhalte oder Versprechungen oder Drohungen gegenüber dem hier gehörten Zeugen Müller, den Sie vielleicht in der Rolle als Beschuldigter kennengelernt haben, Auskunft geben können. Daher die Vorfrage: Haben Sie mit Gerhard Müller Gespräche oder Vernehmungen durchgeführt?

Zeuge Gei[sler]:

Jawohl.

Vors.:

Bitte, wenn Sie uns das schildern können im Rahmen dessen, was Ihnen genehmigt ist.

Zeuge Gei[sler]:

Nun, nach der Festnahme des Herrn Müller Mitte Juni 72 wurde er dem Ermittlungsrichter vorgeführt und anschließend nach Bonn verbracht. Erst ab diesem Zeitpunkt, ab Bonn, hatte ich Kontakt mit ihm. Sachbearbeiter in der Sache Müller war mein Kollege Hans Wolf; und ich bin ihm zur Unterstützung kurzfristig zugeteilt worden. [11670] Der Herr Müller, der wurde in der Haftanstalt Bonn untergebracht. Gemeinsam mit Herrn Wolf Habe ich ihn dort abgeholt und die Absicht gehabt, einen Vernehmungsversuch mit Herrn Müller durchzuführen. Herr Müller machte meines Wissens - ich berufe mich diesbezüglich auf die vorliegenden schriftlichen Unterlagen; ich sage das jetzt hier aus dem Gedächtnis - zur Person und auch teilweise über seinen Werdegang Angaben und - wenn ich mich recht erinnere - auch über die Eigentumsverhältnisse der bei ihm vorgefundenen Gegenstände. Der Herr Müller äußerte dann den Wunsch, mit seiner Mutter sprechen zu dürfen. Zuständig damals zur Genehmigung war der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof.[14] Der Herr Wolf hat dort um Genehmigung nachgesucht. Und dann kam ein oder zwei Tage später die Familie Müller nach Bonn gereist. Ich glaube, es war ein Samstag oder ein Sonntag. Ich kann es nicht mehr genau sagen; aber das müßte alles aktenkundig sein.

Vors.:

Waren Sie bei der Begegnung der Eltern mit dem Sohne anwesend?

Zeuge Gei[sler]:

War ich anwesend, ja.

Vors.:

Ist das auch benützt worden zu einem weiteren Gesprächs- oder Vernehmungsversuch?

Zeuge Gei[sler]:

Bitte?

Vors.:

Ist nun diese Begegnung Eltern - Sohn, der Besuch, ist das von Ihrer Seite auch benützt worden zu einem Gesprächs- oder Vernehmungsversuch?

Zeuge Gei[sler]:

Zu den Eltern oder zu Herrn Müller?

Vors.:

Zu Herrn Müller. Daß Sie versucht haben, bei dieser Gelegenheit Herrn Müller auch zu hören?

Zeuge Gei[sler]:

Bei dieser Gelegenheit, nein. Da brauchen wir ja nicht die Eltern dazu.

Vors.:

Es hätte ja sein können, daß [d] unter dem Einfluß der persönlicheren Atmosphäre, die vielleicht durch den Besuch der Eltern entsteht, die Polizei auch versucht, hier Herrn Müller zum Gespräch zu veranlassen. Das wäre kein solch undenkbares Vorgehen, auch nicht unzulässig. Ist das nicht geschehen?

Zeuge Gei[sler]:

Das ist nicht geschehen.

Vors.:

Sonstige Begegnungen, bei denen Sie Vernehmungen oder Gespräche mit Herrn Müller gehabt haben?

Zeuge Gei[sler]:

Ja, ich habe zu einem späteren Zeitpunkt nochmal - Datum kann ich jetzt nicht sagen - eine Besuchsüberwachung gemacht in Ossendorf[e]; da war der Bruder des Herrn Müller anwesend. Und dann noch ein Flug nach Berlin als Müller[f] zu dem Mahler-Prozeß[15] verbracht worden ist.

[11671] Vors.:

Als Begleitperson?

Zeuge Gei[sler]:

Als Begleitperson, ja.

Vors.:

Sind Bei diesen Kontakten, die Sie mit Herrn Müller hatten, von Ihrer Seite oder mit Ihrer Kenntnis von anderer Seite Herrn Müller Versprechungen gemacht worden, wenn er aussagen würde, dann würde ihm beispielsweise ein Straferlaß von 50 % Strafermäßigung winken oder man würde ihm Pressekontakte einräumen, die er dann wirtschaftlich ausnützen könnte, so daß er auf die Weise zu Geld käme und umgekehrt, wenn er nicht aussage, müsse er mit lebenslanger Freiheitsstrafe rechnen.

Zeuge Gei[sler]:

Lassen Sie mich bitte zunächstmal mit den Pressekontakten anfangen, daß das nicht in Vergessenheit gerät, das hätte ich vorher schon sagen müssen. Der Vater des Herrn Müller, der kam dann mit Ehefrau und den weiteren Kindern, und richtete seinem Sohn aus, daß bereits schon ein Herr von der Presse bei ihm gewesen sei, mit ihm also schon Kontakt aufgenommen, vorher aufgenommen hatte, ehe er seinen Sohn gesprochen hatte.

Vors:

Es geht jetzt mehr um das ...

Zeuge Gei[sler]:

Des weiteren ist dem Herrn Müller der § 129[ StGB] bekannt gemacht worden. Ich nehme an, daß Herr Müller den auch vorher schon kannte. Ich meine, daß das legitim sei, daß man nicht nur die Absätze 1 bis 5, sondern auch den Absatz 6 dem Beschuldigten bekannt gibt. Und Versprechungen von unserer Seite sind da nicht geschehen; denn es läßt sich aus dem Absatz 6 klar erkennen, daß nur das Gericht dazu in der Lage ist, die Strafe zu mindern oder auszusetzen. Und soweit wird das der Herr Müller auch verstanden haben; das nehme ich an, er hat das gelesen.

Vors.:

Hier ist ganz konkret im Beweisantrag die Rede: Sie könnten bekunden, daß Herrn Müller 50 % Straferlaß, sowie eben Pressekontakte mit wirtschaftlichen Vorteilen versprochen worden seien für eine Aussage als Gegenleistung.

Zeuge Gei[sler]:

Das hat er weder von mir versprochen bekommen, noch in Anwesenheit meiner Person von einer anderen Person.

Vors.:

Ist Ihnen bekannt geworden, ob irgend einer Ihrer Kollegen derartige Versprechungen gemacht hat gegenüber Herrn Müller?

Zeuge Gei[sler]:

Das ist nicht üblich, sowas gibt es nicht. Man kann derartige Versprechungen ja nicht machen, weil die sind ja von Seiten der Polizei und von[g] der Justiz nie einzuhalten.

Vors.:

Also Sie sagen damit ‚nein‘. Ihnen ist nicht[h] bekannt. Sie selbst nicht, aber auch von Kollegen ist Ihnen derartiges nicht bekannt.

[11672] Zeuge Gei[sler]:

Ist mir nicht bekannt. Ich muß mich verbessern, nicht von Seiten der Justiz, sondern ich wollte sagen von Seiten der Polizei und der Staatsanwaltschaft.

Vors.:

Nun, wenn Sie den § 129[ StGB] bekannt gegeben haben, könnte es sein, daß man Herrn Müller auch noch eine andere Vorschrift, Strafvorschrift vorgehalten hat und ihn[i] darauf hingewiesen hat, daß die für ihn von Bedeutung werden könnte, außer § 129[ StGB]?

Zeuge Gei[sler]:

Ist mir im Moment nicht in Erinnerung. Wenn das geschehen sein sollte, so wird das auch schriftlich niedergelegt worden sein.

Vors.:

Hier wird davon geredet, es sei ihm bedeutet worden, er habe, wenn er nicht aussage, mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu rechnen. Das könnte ja nur in Anknüpfung an den § 211[ StGB][16] geschehen sein.

Zeuge Gei[sler]

An [§ ]211[ StGB], denn [§ ]129[ StGB] sagt das nicht aus, ja.

Vors.:

Wissen Sie, ob ihm aus § 211[ StGB] vorgehalten worden ist?

Zeuge Gei[sler]:

Ich weiß es nicht.

Vors.:

Haben Sie so etwas getan?

Zeuge Gei[sler]:

Ich habe das nicht getan.

Vors.:

Haben Sie erfahren, ob es andere Kollegen getan haben?

Zeuge Gei[sler]:

Auch nicht erfahren.

Vors.:

Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Sehe ich beim Gericht nicht. Die Bundesanwaltschaft? Auch nicht. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Zeuge, in seinem eigenen Strafverfahren vor dem Landgericht Hamburg hat genau vor einem Jahr, nämlich am 13.9.75, das ist ein Vorhalt, Herr Müller unter Beweis gestellt, ich zitiere:

„In der Zeit von seiner Verhaftung bis zum 7.2.73 haben verschiedene Beamte versucht, ihn zu Aussagen gegen die RAF zu bewegen. Der Beamte Wolf von der Sicherungsgruppe Bonn hat ihm bedeutet, er würde auch finanziell gut wegkommen, wenn er aussagte. Es haben ihn die Beamten Wolf, Geisler, Schneider von der Sicherungsgruppe des BKA usw. aufgesucht. Man hat ihm verschiedentlich bedeutet, daß man auch anders könne, wenn er nicht aussage.“

Haben Sie den Inhalt dieses Vorhalts verstanden?

Zeuge Gei[sler]:

Ich habe gerade den Kontakt, den ich mit Herrn Müller hatte, geschildert. Ein weiterer Kontakt hatte ich mit Herrn Müller nicht.

RA Dr. He[ldmann]:

Ist Ihnen, nachdem ich das vorgehalten habe, also Müllers eigene Bekundung in der Form eines Beweisantrags, ist Ihnen danach etwas in Erinnerung gekommen, was Ihnen bei der Vernehmung durch den Herrn Vorsitzenden noch nicht in Erinnerung war, nicht mehr in Erinnerung war? Nicht.

Zeuge Gei[sler]:

Ich wüßte nicht.

[11673] Zeuge Gei[sler]:

Ich berufe mich grundsätzlich[j] auf das, was zu Papier gebracht worden ist.

RA Dr. He[ldmann]:

Ja, das geht höchst beschränkt hier[k] nur. In erster Linie ist es ja nur gerade, sind Sie gerade hierher geladen worden, um selbst auszusagen, nicht um auf Papiere zu verweisen[l]. Also jetzt wollten Sie sich auf Papiere berufen, und ich frage deswegen noch einmal: Können Sie das, was hier steht, daß Müllers Aussage in der Form eines Beweisantrags, können Sie das bestätigen?

Zeuge Gei[sler]:

Nun das stimmt nicht, was da steht.

RA Dr. He[ldmann]:

Das stimmt nicht.

Zeuge Gei[sler]:

Für meine Person.

RA Dr. He[ldmann]:

Das stimmt nicht für Ihre Person. Wie, haben Sie eine Erklärung dafür, daß es relativ lange gedauert hat, bis wir[m] die Aussagegenehmigung für Sie erhalten hatten?

Zeuge Gei[sler]:

Keine Erklärung.

RA Dr. He[ldmann]:

Wissen nicht, warum so lange?

Zeuge Gei[sler]:

Nein.

RA Dr. He[ldmann]:

Haben Sie, bevor die Eltern - Sie sprachen von einem Besuch der Eltern - bevor die Eltern Herrn Müller selbst dann aufgesucht haben, haben Sie mit den Eltern gesprochen?

Zeuge Gei[sler]:

Nein.

RA Dr. He[ldmann]:

Auch nicht mit der Mutter alleine?

Zeuge Gei[sler]:

Auch nicht mit der Mutter alleine.

RA Dr. He[ldmann]:

Wie lange insgesamt haben Sie Herrn Müller vernommen? Sie sagten vorhin ...

Zeuge Gei[sler]:

Sie dürfen nicht nur von Vernehmung sprechen, nicht daß Sie annehmen, der Herr Müller sei den ganzen Tag bei uns gewesen. Der war ja in der Haftanstalt in Bonn, und ist zu Vernehmungszwecken lediglich dann aus der Haftanstalt geholt worden. Und der Herr Müller, der hatte da auch keine[n] Einwendungen. Der Herr Müller war übrigens auch - das sollte gesagt werden - gesprächig. Lediglich wenn er zu konkreten Sachen gefragt wurde, und das haben wir auch getan, das habe ich im Moment noch nicht angesprochen. Der Herr Müller, der ist gefragt worden konkret, ob er noch Kenntnis davon hat, ob in irgendwelchen konspirativen Wohnungen noch Sprengmittel liegt, lagern. Ich meine, das ist Aufgabe der Polizei, da hier derartige Gefahren von der Allgemeinheit noch abzuwenden, soweit das möglich ist.

RA Dr. He[ldmann]:

Ja, dagegen möchte ich gar nichts einwenden. Nur was mich da mehr interessiert ist: Haben Sie Herrn Müller auch über bestimmte [11674] Sachkomplexe vernommen? Sie haben jetzt einen genannt. Sie haben genannt die Frage, ob noch Sprengstoff in verschiedenen, Sie nannten es „konspirativen“ Wohnungen lagern. Haben Sie ihn zu weiteren ...

Zeuge Gei[sler]:

Dies war etwa zwei/drei Tage, vielleicht auch vier nach seiner Festnahme.

RA Dr. He[ldmann]:

... zu weiteren sachlichen Komplexen vernommen?

Zeuge Gei[sler]:

Kann ich mich im Moment nicht erinnern.

RA Dr. He[ldmann]:

Auf meine vorvorige Frage antworteten Sie: „Es handle sich nicht nur um Vernehmungen.“ Unterscheiden Sie auch zwischen Vernehmungen und Gespräch?

Zeuge Gei[sler]:

Sicher unterscheide ich zwischen einem Gespräch und Vernehmungen.[17] Aber ich wollte damit sagen, daß alles schriftlich fixiert[o] worden ist: In welcher Zeit der Herr Müller bei uns war, wann er von der Haftanstalt abgeholt worden ist, wie lange die Besuchsdauer der Eltern war, wann er wieder in die Haftanstalt zurück gebracht worden ist.

RA Dr. He[ldmann]:

Sie sagen es ist alles schriftlich fixiert worden. Wo befinden sich die Protokolle, die Sie angefertigt haben? Also entweder Vernehmungsprotokolle oder Gesprächsvermerke.

Zeuge Gei[sler]:

Die müßten sich in den Sachakten Müller befinden.

RA Dr. He[ldmann]:

Wissen Sie, ob Sie ...

Zeuge Gei[sler]:

Ich habe zum Ausdruck gebracht, daß ich also nicht, ich war Sachbearbeiter in anderen Verfahren, daß ich nur kurzfristig bei der Sache Müller tätig war.

RA Dr. He[ldmann]:

Nur kurzfristig.

Zeuge Gei[sler]:

Ja.

RA Dr. He[ldmann]:

Der Sachbearbeiter, so sagten Sie vorhin, war Herr Wolf. War Herr Wolf es durchgehend oder auch nur kurzfristig?

Zeuge Gei[sler]:

Bitte?

RA Dr. He[ldmann]:

War Herr Wolf als Sachbearbeiter ebenfalls nur[p] kurzfristig tätig oder durchgehend?

Zeuge Gei[sler]:

Meines Erachtens nicht durchgehend. Ich kann das aber nicht genau sagen; das läßt sich aber feststellen. Ich bin kein Dienstvorgesetzter von Herrn Wolf. Deshalb kann ich mir da kein Urteil erlauben.

RA Dr. He[ldmann]:

Haben Sie Herrn Müller, Sie sagten, Sie erinnern sich nicht an weitere Tatkomplexe als an den, ob Sprengstoffe noch lagern, erinnern Sie sich, jetzt Frage an die Vernehmung, an Vernehmungen [11675] zur Erschießung des Polizeibeamten Schmid[18] in Hamburg?

Zeuge Gei[sler]:

Ich habe doch klar zum Ausdruck gebracht, inwieweit ich mit Herrn Müller zu tun habe. Oder nehmen Sie an, daß ich sämtliche Vernehmungsprotokolle, die bei uns geführt werden, lese?

RA Dr. He[ldmann]:

Meine Frage war an Sie gerichtet und darum, vielleicht können wir doch anders darauf antworten als den Hinweis auf irgendwelche Vernehmungsprotokolle. Meine Frage war: Haben Sie mit Müller über die Erschießung des Polizeibeamten Schmid in Hamburg gesprochen?

Zeuge Gei[sler]:

Nein.

RA Dr. He[ldmann]:

Haben Sie mit Müller über Ingeborg Barz gesprochen?

Zeuge Gei[sler]:

Nein.

RA Dr. He[ldmann]:

Ist Ihnen bekannt geworden, daß Müller ausgesagt hat, Andreas Baader hätte Ingeborg Barz erschossen?

Zeuge Gei[sler]:

Herr Vorsitzender, ich habe eine Frage. Das gehört doch wohl nicht mehr ...

Vors.:

Wird nicht gedeckt durch Ihre Aussagegenehmigung; das ist wohl richtig. Das ist gerade das Beweisthema, das auch ausgenommen ist. Es liegt Ihnen ja vor, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann[q]. Und der Vergleich mit den gestellten[r] Beweisanträgen ergibt’s also[s] ohne weiteres.

RA Dr. He[ldmann]:

Natürlich weiß ich es. Nur ist die Frage, ob der Herr Zeuge vielleicht dazu etwas sagen kann, was er für vertretbar hält. Offenbar darf er dazu kein Wort sagen, so daß ich damit meine Fragen abschließe. Danke.

Vors.:

Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Sehe ich nicht. Einwendung gegen die Vereidigung? Auch nicht.

Der Zeuge KHK Geisler wird vorschriftsmäßig vereidigt und im allseitigen Einvernehmen um 14.31 Uhr entlassen.

Der Zeuge KHK Schneider wird ebenfalls um 14.31 Uhr endgültig entlassen.

BA Dr. Wu[nder]:

Herr Vorsitzender, ich würde gern[t] eine kurze Erklärung nach § 257 StPO[19] abgeben.

Vors.:

Bittesehr, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. Wu[nder]:

In das Wissen auch der heute vernommenen Zeugen wurde von der Verteidigung gestellt, daß dem anderweitig Beschuldigten Gerhard Müller Zusagen für 50 % Straferlaß und Pressekontakte mit entsprechenden Honoraren seitens der Ermittlungsbeamten gemacht worden seien, und daß Müller auch bedeutet worden sei, andernfalls [11676] habe er mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu rechnen. Das würden - so der Beweisantrag - diese Zeugen bekunden. Ich darf die Aussagen dieser beiden Beamten zusammenfassen: Nichts, aber auch gar nichts von dem, was man von ihnen erwartet hat, was die, Verteidigung von ihnen erwartet hat, haben diese Zeugen, die unter Eid stehen, bestätigt. Ein weiterer Versuch, die Glaubwürdigkeit Müllers auf alle denkbare Weise anzugreifen, schlug fehl.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, [§ ]257[ StPO]?

RA Dr. He[ldmann]:

[§ ]257[ StPO]. Gerade an diesem, wie an vorangegangenen Beweisverfahren zur Person des Herrn Müller, zu seiner Zeugeneigenschaft hier, insbesondere aber zu seiner Glaubwürdigkeit und insbesondere zu den Fragen, inwieweit er für seine Aussage hier programmiert oder beeinflußt worden ist, wie also schon vorangegangene Beweiserhebungen hier, zeigt auch diese grell das, was in diesem Verfahren unter Waffengleichheit verstanden wird. Nämlich: Ungestraft, unwidersprochen darf der von der Anklagebehörde benannte Zeuge besonderer Qualität über Vernehmungsbeamte, nämlich solche, wie wir es schriftlich haben, solche von K4 in Hamburg, in die Presse geben lassen, Andreas Baader habe per Fememord seine Genossin Ingeborg Barz liquidiert. Jeder von uns, die hier im Saale sitzen, weiß wohl oder ahnt oder vermutet, daß Müller damit gelogen hat, wie wir wissen aus Haß gegen Baader. Da, wo die Verteidigung wiederholt angesetzt hat und sie wird, das kann ich jetzt beiläufig schon sagen, was ich in der gestrigen Hauptverhandlung noch nicht wußte, sie wird noch einmal dazu ansetzen, abgesehen von den Aussageerzwingungsverfahren[u] vor den Verwaltungsgerichten Köln und Hamburg.[20] Da wo die Verteidigung ansetzt, um dieser dicken Lüge, die durch die gesamte inländische Presse jedenfalls gegangen ist, Müller dieser dicken Lüge aus Haß gegen den Angeklagten hier zu überführen, da wird die Wahrheitsermittlung vereitelt durch Beschränkungen oder völlige Versagung von Aussagegenehmigungen. Ich wiederhole: Das zeigt deutlich, wie vieles andere, wieder deutlich, wie es in diesem Verfahren um das prozeßuale Grundrecht auf Waffengleichheit im Strafprozeß bestellt ist. Und wo man noch kopfschüttelnd steht, dann wird die Verweigerung, vor diesen Aussageverweigerungen, dann werden die Begründungen dafür vollends unverständlich, wo sie heißen: Würde nun der Leiter der Abteilung K4 im Kriminalamt der Hansestadt Hamburg als Zeuge befragt werden, ob Müller Andreas Baader beschuldigt hat, und ob die zwischenzeitlich [11677] erlangten Erkenntnisse die Unwahrheit dieser Beschuldigungen[v] erwiesen haben, wird verwehrt auszusagen mit dieser Begründung, diese Aussage schadete dem Wohl des Bundes. Ich habe schon einmal angerührt, ich spreche es jetzt ganz aus, offenbar schadet dem Wohl des Bundes, die Wahrheit über den Zeugen Müller zu erfahren. Offenbar schadet dem Wohl des Bundes, bestimmte Vernehmungsmethoden bekannt werden zu lassen und Erkenntnisse über die Unglaubwürdigkeit des Zeugen Müller im Prozeß bekannt werden zu lassen. Und so, ich komme zum Schluß, tut sich der Herr Vertreter der Bundesanwaltschaft leicht, wenn er sagt: Und wieder ist ein Versuch, die Unglaubwürdigkeit Müllers in der Hauptverhandlung zu demonstrieren, fehlgeschlagen. Natürlich müssen solche Versuche, kommen sie von der Verteidigung, fehlschlagen, wenn jeweils die vorgesetzten [w] Behörden den Beamten[x] verbieten, zu den Beweisthemen der Verteidigung auszusagen, und dementsprechend die Beamten sich weigern müssen, Fragen zu beantworten. Genau das, was Sie meinen, Herr Bundesanwalt Wunder, habe die heutige Beweisaufnahme ergeben, genau hat sie das nicht, genau das hat sie nicht ergeben, was Sie leicht erkennen können, wenn Sie die Texte unserer dahingehenden Beweisanträge studieren.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, Ihre Ausführungen lassen die Möglichkeit erkennen, daß weitere Anträge gestellt werden. Ich bitte, das zu tun.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich kann diesen Antrag im Moment noch nicht stellen, weil ich seit gestern Abend die Vorinformation, aber noch nicht die Information habe, um das Beweisthema, um das Beweismittel genau zu beschreiben. Ich kann diesen Beweisantrag ... Ich werde ihn[y] am Dienstag stellen können ...

Vors.:

Aber ich muß Sie darauf hinweisen: Sollte etwa - das ist eine rein theoretische Erwägung - das Gericht jetzt im Stande sein, die Beweisaufnahme zu schließen, sollte! (es muß ja noch über einiges entschieden werden, wir wollen ja sowieso eine Pause einlegen), dann käme der Beweisantrag zu spät. Die reine Ankündigung, daß möglicherweise ein Antrag gestellt wird[z] würde kein Grund sein, die Beweisaufnahme nicht zu schließen. Ich stelle also fest, Anträge stellen Sie im Augenblick nicht.

RA Dr. He[ldmann]:

Wie lange werden Sie von sich aus eine Pause machen?

Vors.:

Es ist beabsichtigt, noch einige Entscheidungen hier zu treffen. Wir müssen zum Beispiel auch über den Antrag „Vernehmung Pohle“ noch entscheiden. Es ist auch noch zu überlegen, was man im Hinblick auf die Beschränkung der Aussagegenehmigung nun hinsichtlich des Zeugen Wolf zu veranlassen hat, gegebenenfalls in welcher Form er noch gehört [11678] werden müßte. Dazu können sich auch die Beteiligten hier jetzt äußern. Zu diesen Überlegungen würden wir uns eine Pause von einer halben Stunde vielleicht einräumen. Würde Ihnen das ausreichen, um sich zu Ihrem Beweisantrag die nötigen Gedanken zu machen?

RA Dr. He[ldmann]:

Ich werde das jedenfalls versuchen. Wenn Sie mir erlauben, möchte ich vorher zu den beiden eben von Ihnen aufgeworfenen Fragen noch je kurz etwas sagen.

Ihre Frage, wie fahren wir fort mit der Vernehmung des Zeugen Pohle. Die Verteidigung hält trotz der Enttäuschung mit den Aussagebeschränkungen - Aussagegenehmigung kann man dazu nicht mehr sagen - mit den Aussagebeschränkungen für die beiden hier vernommenen Beamten daran fest, Herrn Wolf als Zeugen zu vernehmen. Das rechtfertigt sich daraus, nach den heute hier gehörten Zeugenaussagen, daß Wolf derjenige gewesen ist, das hat uns der Zeuge Geisler gesagt, der Sachbearbeiter für Herrn Müller war, während Herr Geisler von sich selbst gesagt hat, er sei nur kurzfristig mit dem Fall Müller befasst gewesen. Soweit Beweisantrag Wolf.

Zum Beweisantrag Pohle, über den beraten, der wohl demnächst entschieden werden wird, noch folgender rechtliche Hinweis, den Herr Schily und ich vorgestern, soweit ich mich erinnere, wohl nicht gegeben haben. Es geht um die, wahrscheinlich um die Frage, ob Pohle, solange er in Griechenland ist, geeignetes Beweismittel sein wird in dem Sinne des früheren Senatsbeschlusses, den Sie vorgestern verkündet haben. Dazu, genau für diese Frage, weise ich auf die Arbeit von Helmut von Weber in der Festschrift für Helmut Meier, Berlin 1965 hin, wo Weber ausführt, daß, so auch für Griechenland, daß hier die Regel zu beachten ist, daß auf ein entsprechendes Ersuchen dem Deutschen Richter oder dem Deutschen Gericht oder den Vertretern der Anklagebehörde bei dem vernehmenden griechischen Richter von dem vernehmenden griechischen Richter Zutritt zu der Zeugenvernehmung gewährt wird, und daß auf entsprechende Anregung, auf entsprechenden Wunsch der griechische Richter auch Fragen oder Vorhalte der deutschen Prozeßbeteiligten weiterleitet an den Zeugen. So daß auch unter diesen Umständen nach jenen, die wir vorgestern vorgetragen haben, die Rechtsfrage, ob Pohle, solange er in Griechenland ist, nun wirklich ein ungeeignetes Beweismittel[21] sei, ich denke, erneut zu überdenken wären.

[11679] Vors.:

Sonstige Äußerungen? Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. Wu[nder]:

Herr Vorsitzender, nicht hierzu, aber einen Vorschlag, nachdem Herrn Dr. Heldmann mit seinem Mandanten sprechen wird. Das Problem Barz wird von der Verteidigung so sehr in den Vordergrund gerückt, daß ich meine: Es wäre seitens der Verteidigung am ehesten doch dadurch aus der Welt zu schaffen, Ingeborg Barz, falls sie noch lebt, und dann wäre sicher ihre Anschrift bekannt, hier als Zeugin zu benennen und laden zu lassen.

RA Dr. He[ldmann]:

Darf ich sofort gegenfragen?

Vors.:

Bitte.

RA Dr. He[ldmann]:

Zunächst, Herr Bundesanwalt Wunder, zweifle ich eigentlich nicht daran, daß Ihnen bekannt ist, daß die Ermittlungsbehörden, das sind also sicher die Bundesanwaltschaft, gewiss aber das BKA, die Sicherungsgruppe Bonn oder heute die Abteilung TE, wohl wissen, daß Ingeborg Barz nach der Verhaftung von Andreas Baader jedenfalls noch gelebt hat. Aber soweit, und meine direkte Frage an Sie auf Ihre Anregung hier[aa] an unsere Adresse: Kann die Bundesanwaltschaft versichern, daß Ingeborg Barz, sollte sie als Zeugin hier auftreten, freies Geleit herein und hinaus erhalten wird?

BA Dr. Wu[nder]:

Herr Rechtsanwalt, darüber wäre zu gegebener Zeit zu sprechen. Ich will es keinesfalls ausschließen.

RA Dr. He[ldmann]:

Und darf ich Sie um die[bb] kurze Erläuterung bitten, was Sie im Moment unter „gegebener Zeit“ verstanden haben?

Vors.:

Es ist wohl daran gedacht, sobald der Antrag gestellt ist und insbesondere diesem Antrag Umstände zugrunde liegen, die das Leben von der Zeugin wahrscheinlich machen, im gegenwärtigen Zeitpunkt. Das ist wohl drunter zu verstehen. Ich meine, vorher sich über das freie Geleit zu unterhalten, wenn man damit rechnen muß, das ist nicht auszuschließen, daß die betroffene Person gar nicht mehr am Leben ist, das ist witzlos. Ich nehme an, daß das gemeint war.

Damit machen wir jetzt diese Pause. Wir wollen uns vielleicht bis[cc] halb vier Uhr die Zeit nehmen, um auch sicher zu sein, daß, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, Sie sich über den noch eventuell zu stellenden Antrag schlüssig werden können. Halbvier Fortsetzung.

Pause von 14.45 Uhr bis 15.45 Uhr.

Ende von Band 685.

[11680] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 15.45 Uhr.

Vors.:

Wir können fortsetzen. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, kommt ein Antrag?

RA Dr. He[ldmann]:

Ja. Beweisantrag:

Herrn Heinz Schwarz, Innenminister des Landes Rheinland-Pfalz in Mainz, als Zeugen zu hören zum Beweis dafür,

daß Ingeborg Barz im November 1973 also ca. ½ Jahr nach der Festnahme von Andreas Baader, daß Ingeborg Barz im November 1973 bei der Firma Walter KG in Kiel 250 kg Hexametylen Tetramin und 300 kg rauchende Salpetersäure bestellt und den Rechnungsbetrag von 3779,-- DM mit handschriftlich, mit handschriftlich ausgefüllter Zahlkarte überwiesen hat.

2. Beweisantrag:

Die Geschäftsführung der Fa. Walter KG in Kiel gem. § 95 StPO[22] aufzufordern, das Original, oder falls dieses nicht mehr vorhanden ist, die Fotokopie des Zahlkartenabschnitts über 3779,-- DM dem Gericht vorzulegen, mit welchem ihre, nämlich der Firma Walter KG, ihre Rechnung vom November 1973 über 250 kg Hexametylen Tetramin und 300 kg rauchende Salpetersäure bezahlt worden ist.

3. Beweisantrag:

Herrn Ottmar Bergmann in Frankfurt als Zeugen zu vernehmen zum Beweis für die Tatsache,

daß im Herbst 1975 2 Beamte des Landeskriminalamts Rheinland-Pfalz ihn über sein früheres Mandatsverhältnis zur Ingeborg Barz befragt und in diesem Zusammenhang geäußert haben: Sie fahndeten nach Ingeborg Barz, also Herbst 75, es sei dringend erforderlich, deren Verbleib festzustellen, denn wenn sie noch lebte, seien die gesamten Aussagen des Gerhard Müller nichts mehr wert.

4. Beweisantrag:

Zum Beweis dafür,

daß die Aussagen der Zeugen Bernhard Honke - das sind die Bl. 4230 ff. des Tonbandpro- [11681] tokolls, und des Zeugen Knut Müller, - das sind die Bl. 8244 ff. des Tonbandprotokolls, über den Anlaß, den Zweck und die Rechtfertigung des vom Zeugen Honke auf Andreas Baader abgegebenen gezielten Schusses unrichtig sind.

Insbesondere diejenigen, dieser Schuß sei gem. § 5 - wohl - des Hessischen Gesetzes über die Anwendung unmittelbaren Zwangs[23] notwendig gewesen, um unter Beachtung des gesetzlichen Gebots der Verhältnismäßigkeit,[24] um Baader a) fluchtunfähig zu machen, so der Zeuge Honke in seinen Aussagen, insbesondere auf den Bl. 4245 u. 4246; der Zeuge Müller nach Tonbandprotokoll-Bl. 8281, 8286, 8323; b) Baader angriffsunfähig zu machen, so Herr Müller als Zeuge auf Bl. 8267 mit folgendem des Tonbandprotokolls. Daß also diese Aussagen unwahr sind.

Zum Beweis dafür nenne ich als sachverständigen Zeugen:[25] Herrn Dr. Kahnamui, Justizvollzugsanstalt Düsseldorf.

Er wird bekunden, daß die von ihm behandelte Schußwunde des Herrn Baader durch ein Dum-Dum-Geschoß verursacht worden ist und ...

(nach einer unverständlichen Bemerkung eines Vertr. der BAnw.).

... Habe ich das Wort oder hats der Herr der Bundesanwaltschaft?

Vors.:

Ich habe nicht bemerkt, daß einer der Herren der Bundesanwaltschaft das Wort ergriffen hätte. Bemerkungen sind gelegentlich auch von der Verteidigerbank vernommen worden, ohne daß deswegen der Verdacht entstanden wäre ...

RA Dr. He[ldmann]:

Ich wollte mich vergewissern ...

Vors.:

... sie hätten das Wort damit ergriffen.

RA Dr. He[ldmann]:

Er wird bekunden, a) daß die von ihm behandelte Schußwunde des Herrn Baader durch ein Dum-Dum-Geschoß verursacht worden ist und b) eine Körperstelle getroffen hat, deren Schußverletzung regelmäßig zum Tode führt.

Ich beantrage ferner erneut, aus neuem tatsächlichen Gesichtspunkt,

die Beweisaufnahme nicht zu schließen und zwar bis zum Mittwoch der kommenden Woche, Mittwoch, den 29.9.,

[11682] weil nämlich nach Auskunft des Verwaltungsgerichts Köln morgen eine Entscheidung im Anordnungsverfahren zugestellt werden wird, morgen, Freitag, 24.9., und Mittwoch, 29.9., ein Urteil im Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht Köln, ein Urteil zugestellt werden wird. Ich bin informiert darüber und das gibt diesem Antrag, meine ich, eine besonderes Gewicht, eine besondere Aktualität, aber auch Dringlichkeit. Ich bin informiert darüber, daß vom, morgen vom Verwaltungsgericht Köln eine Bescheidungsanordnung zu erwarten sein wird und am Mittwoch vom Verwaltungsgericht Köln ein Bescheidungsurteil, nicht zu erwarten sein, zugestellt werden wird ...

Vors.:

Was bedeutet dieser Begriff, ein ...

RA Dr. He[ldmann]:

Bescheidungsanordnung, Bescheidungsurteil bedeutet - es ist ein Terminus aus dem Verwaltungsgerichtsverfahren - ...

Vors.:

Nun, Sie wollen damit[dd] andeuten, daß Sie erfolgreich sein könnten damit?

RA Dr. He[ldmann]:

Bedeutet, daß antragsgemäß der Bescheid aufgehoben worden ist und der Antragsgegner verpflichtet wird, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.[26]

Vors.:

Also ein Verpflichtungsurteil, Verpflichtungsbescheid. So war es wohl zu verstehen. Sonstige Anträge, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann?

RA Dr. He[ldmann]:

Ich nicht, meine telefonische Rücksprache mit dem Büro Schily jedoch hat ergeben, daß Herr Schily beabsichtigt, in der nächsten Woche, was er heute tun wollte, aber es ist unklar, warum er nicht hier ist. Sein Büro hat keine Nachricht. Es ist also, es muß vermutet werden, daß er irgendwo aufgehalten worden ist. Seine Ankunft war angezeigt für heute gegen 11.30 Uhr, Flughafen Frankfurt, und wir waren dann, wir hatten so vereinbart, daß wir zusammen hierherfahren. Also wir müssen davon ausgehen, daß sein Ausbleiben in diesem Termin unverschuldet ist. Büro Schily hat mir gesagt, daß Herr Schily in der nächsten Sitzung einen oder mehrere weitere Beweisanträge stellen wird.

[11683] Vors.:

Darf ich noch die Frage an Sie richten, weil wir uns ja nun mit dem Gedanken allmählich vertraut machen müssen, ob diese Anträge und die Art, wie sie gestellt werden in der Reihenfolge, nicht unter dem schon[ee] gestern angedeuteten Gesichtspunkt der Verschleppung[27] mal geprüft werden müssen. Warum sind beispielsweise Anträge, wie sie hier gestellt werden, zur Widerlegung der Aussagen Honke und des Zeugen Knut Müller nicht früher ...

RA Dr. He[ldmann]:

Ich will Ihnen die Frage gern beantworten. Ich meine aber, daß ich die Antwort vorhin schonmal gegeben habe. Ich habe diese Information, die Vorinformation gestern Abend nach Rückkehr von Stammheim in mein Büro als Telefonnotiz vorgefunden ...

Vors.:

Für Herrn Kahnamui, der ist doch schon früher benannt worden.[ff]

RA Dr. He[ldmann]:

Nein, Herr Kahnamui nicht ...

Vors.:

Danach frage ich im Augenblick.

RA Dr. He[ldmann]:

Also Sie fragten nach der ...

Vors.:

Herr Kahnamui ist benannt worden im Zusammenhang mit der Schußwunde. Warum ist dann nicht das weitere gleich auch mit angegeben worden?

RA Dr. He[ldmann]:

Hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Zeugen Müller und Honke ...

Vors.:

Richtigkeit der Aussagen ...

RA Dr. He[ldmann]:

... einfach, ganz einfach deswegen, weil die Vernehmungsprotokolle, die gerade in diesen beiden Fällen sehr umfangreich durchgearbeitet werden mußten und da, wenn Sie mich so fragen, und unter dem genannten Gesichtspunkt frage ich also zurück: Wieso hat das Gericht nicht selbst bei meinem früher gestellten Antrag auf Zeugeneinvernahme des Herrn Kahnamui auch diesen Gesichtspunkt berücksichtigt, denn es ergibt sich aus den Beweisthemen, für die Herr Kahnamui als Zeuge benannt worden ist, daß, wird er das Beweisthema so bestätigen, es jedenfalls partiell mit der Glaubwürdigkeit der Zeugen Honke und des Zeugen Knut Müller, um die jedenfalls partiell geschehen ist.

Vors.:

Sie haben am 8.9. den Antrag gestellt, mit dem Zeugen zu beweisen, daß ein Dum-Dum-Geschoß verwendet worden sei und daß eine Hauptschlag... in der Gegend jedenfalls, am [11684] Körper getroffen worden sei, in deren Nähe eine Hauptschlagader verlaufe. Darüber hat das Gericht befunden. Es hat keinen Grund gehabt, über irgendetwas weiteres zu befinden. Beweisanträge umfassend zu stellen und vollständig ist Aufgabe der Verteidigung, und nicht das Gericht hat zu erforschen, was schließlich alles damit gemeint sein könnte. Will sich sofort jemand zu diesen gestellten Anträgen äußern? Herr Bundesanwalt Widera.

Reg. Dir. Wi[dera]:

Die Anträge, die Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann gestellt hat, und die sich auf Ingeborg Barz beziehen, sind sämtlichst für das Verfahren ohne Bedeutung. Denn was soll der Nachweis, daß Ingeborg Barz noch lebt, wenn wir noch keinen Beweis dafür haben, daß der Zeuge Müller behauptet haben soll, sie sei nicht mehr am Leben. Zu dem Beweisantrag, der sich auf die Zeugen Honke und Müller bezieht, müßte Herrn Rechtsanwalt Dr. Heldmann schon aus den Fragen des Herrn Vorsitzenden deutlich geworden sein, daß man zu diesem Antrag nur sagen kann, daß er mit der Absicht der Prozeßverschleppung gestellt ist. Denn es ist einfach unwahr, daß die Protokolle erst seit kurzem zur Durcharbeitung zur Verfügung stehen. Sie liegen seit Monaten vor. Im übrigen ist meines Erachtens dieser Beweisantrag auch deshalb abzulehnen, weil es sich hier nicht um eine Beweisbehauptung handelt, sondern es handelt sich hier um eine Rechtsfrage,[28] die, wenn es wirklich darauf ankommen sollte, der Senat in der Lage sein wird, zu entscheiden. Zu dem Beweisantrag mit dem Dum-Dum-Geschoß einmal sind wir ebenfalls der Auffassung, wie aus der Frage des Herrn Vorsitzenden eben angeklungen ist, daß dieses Thema bereits durch die Entscheidung des Senats erledigt ist. Zum anderen halten wir es für mindestens einen Mangel an Verschämtheit, wenn ein solcher Antrag gestellt wird, denn jedem sollte mindestens nach der Begründung für unseren [gg] gegenbeweislich gestellten Antrag klar sein, daß schon aus der Wunde, über deren Art wir hier in der Beweisaufnahme etwas gehört haben, schon für jeden Laien klar ist, daß es sich nicht um ein Dum-Dum-Geschoß gehandelt haben kann, denn sonst wäre nicht viel von den getroffenen Teilen [11685] des Angeklagten Baader übriggeblieben. Ganz davon abgesehen, daß die Beweisaufnahme bisher nur erbracht hat, daß Dum-Dum-Geschoße allerdings verwandt und gefunden worden sind in konspirativen Wohnungen. Nämlich diese sogenannte Hohlspitzmunition, von der hier die Rede war, die die Wirkung von Dum-Dum-Geschoßen hat. Das, was ich noch sagen will, betrifft jetzt nicht die Beweisanträge, sondern ich meine, sollte ich Herrn Rechtsanwalt Dr. Heldmann überhaupt richtig verstanden haben, daß Herr Rechtsanwalt Schily noch, wenn er mal wieder kommt, Beweisanträge stellen will, daß eine solche Erklärung prozessual ohne Bedeutung ist.

Vors.:

Sonstige Äußerungen? Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann., aber ich bitte, an sich das Erwiderungsrecht - es[hh] ist eine Meinung gewesen, die geäußert wurde, nichts Tatsächliches neu gebracht - sich[ii] kurz zu fassen.

RA Dr. He[ldmann]:

Die Beweisanträge hinsichtlich der Zeugin, hinsichtlich der Ingeborg Barz sind natürlich von erheblicher Relevanz, wie selbst Herr Widera nicht übersehen kann. Die Behauptung, es sei kein Beweis erbracht, Müller habe behauptet, Andreas Baader habe Ingeborg Barz durch Genickschuß umgebracht, diese Behauptung ist halbrichtig, denn die Ermittlungsbehörden wissen ganz genau und darum haben sie auch etwa meterweise, quadratmeterweise Rheinufer in Gegenwart des Zeugen Müller umgebaggert, wissen ganz genau, und es ging durch die gesamte Deutsche Presse, die Pressemitteilungen habe ich zu einem Teil hier in meinen Mappen, sie sind ja nicht unbekannt, daß Müller diese Verdächtigung ausgesprochen hat. Genauso sehe ich es, wie nach der von mir beantragten Aussage des Herrn Bergmann als Zeugen, die Beamten, die Fahndungsbeamten des Landeskriminalamts Rheinland-Pfalz es gesehen haben, wenn die Ermittlungen ergeben, daß sie noch lebt, jedenfalls gelebt hat nach der Festnahme Baaders, und darauf zielen die Beweisanträge 1-3 von heute. Wenn dieser Beweis erbracht ist, dann sind die gesamten Aussagen des Gerhard Müller als Zeugen nichts mehr wert. Zum 2. Die Äußerungen des Herrn Bundesanwalts Widera zu meinem [11686] 4. Antrag, den er würdigte als den Versuch einer Prozeßverschleppung. Ich habe selbstverständlich nicht gesagt, was sie als eine unwahre Äußerung von mir soeben qualifiziert haben, daß erst seit kurzem die Protokolle der Vernehmungen Honke und Müller zur Verfügung stünden, sondern ich habe gesagt, diese Vernehmungsprotokolle, die ungewöhnlich umfangreich sind, mußten im Hinblick auf diesen Antrag erneut durchgearbeitet werden. Das habe ich gesagt. Und die Aussage des Herrn Bundesanwalts Widera nach der Art der Wunde sei der Schuß mit[jj] Dum-Dum-Geschoß schon auszuschließen. Gerade das wird der Zeuge hier entweder verneinen oder bestätigen, nach dem hier gestellten Beweisantrag aber bestätigen, wie ich informiert bin. Nämlich gerade aus der Art der Wunde kann der Mediziner, der Chirurg, jedenfalls sagen, ob es ein normales Geschoß war, wie die Herren Bundesanwälte hier behauptet haben, oder ob es eben ein Dum-Dum-Geschoß war. Und dabei, dafür tut nichts zur Sache, daß ebenfalls nach Äußerung des Herrn Widera, wie er sagte, Dum-Dum-Geschoße in konspirativen Wohnungen verwendet worden seien.

Vors.:

Wir werden uns jetzt zur Beratung über diese Anträge zurückziehen. Es wird in einer ½ Stunde, also 5 Minuten nach Halbfünf, bekanntgegeben, wie es weitergehen wird.

Pause von 16.03 Uhr bis 17.06 Uhr.

Vors.:

Zunächst ist folgender Beschluß bekanntzugeben:

Der von Rechtsanwalt Schily erneut gestellte Antrag, Rolf Pohle durch den griechischen Untersuchungsrichter in Griechenland vernehmen zu lassen, wird abgelehnt.

Gründe: Der Senat hat in seinem Beschluss vom 21.9.1976 den jetzt wiederholten Antrag, Rolf Pohle in Griechenland vernehmen zu lassen, abgelehnt, weil nur seine Vernehmung in der Hauptverhandlung zur Wahrheitsfindung beitragen könnte, [11687] die Vernehmung in Griechenland durch einen griechischen Richter dagegen völlig ungeeignet wäre.

An dieser Entscheidung ändern weder die Ausführungen in dem schriftlich überreichten neuen Antrag etwas - sie liegen durchweg neben der Sache - noch die nur mündlich dazu angebrachten Ergänzungen. Die von Rechtsanwalt Dr. Heldmann erwähnte Möglichkeit der Teilnahme eines oder mehrerer Richter des Senats an einer Vernehmung in Griechenland ist im Beschluß vom 21.9.76 schon erörtert worden.

Der Hilfsantrag gibt keinen Anlass, die Hauptverhandlung zu unterbrechen. Ob Rechtsanwalt Schily mit Rolf Pohle Briefe wechselt, ist seine Sache. Sollte eine schriftliche Erklärung von Rolf Pohle vorliegen, so wäre gemäß § 251 Abs. 2 StPO[29] über ihre Verlesung zu entscheiden. Es liegt auf der Hand, daß einer solchen Erklärung nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnisse keinesfalls mehr Beweiswert zukäme als der Vernehmung durch den griechischen Richter. Zwar entfiele die Übersetzung, doch wäre i.ü., wie im Beschluss vom 21.9.1976 ausgeführt, keinerlei Überprüfung der Glaubwürdigkeit möglich.

Soweit die Verteidigung erneut auf den angeblichen Fundort der Waffe hinweist, liegt ohnedies ein bloßer Ermittlungsantrag[30] vor. Ihm nachzugehen, sieht der Senat umsoweniger Anlass, als nicht ersichtlich ist, inwiefern mit der Waffe, selbst wenn sie gefunden würde, geklärt werden könnte, ob Gerhard Müller am 22.10.1971 mit ihr auf den Polizeimeister Schmid geschossen hat. Übrigens will Rechtsanwalt Schily Herrn Pohle nicht fragen, wo sich die Waffe befindet, sondern nur, ob er die Stelle kenne. Auch der Anschlußantrag von Herrn Rechtsanwalt Dr. Heldmann ist damit erledigt.

- - -[kk]

Im übrigen wird über die gestellten Anträge heute nicht mehr entschieden. Es ist jedoch für Dienstag, darauf sei hingewiesen, nicht in Aussicht genommen, Zeugen zu laden.

Es ist noch offen, ob der Zeuge Wolf zu hören ist. Es könnte sein, daß er nicht gehört wird. Aber ich bitte die Beteiligten, sich jedenfalls auf die Möglichkeit einzurichten, [11688] daß der Zeuge Wolf am Dienstag gehört werden könnte. Es könnte sein, ich sage das mit allen Vorbehalten, daß am Dienstag früh Entscheidungen bekanntgegeben werden, die das bisherige Beweisprogramm einschließlich der heutigen Anträge erledigen würden. Wenn dann keine Veränderung der Umstände, die wir heute kennen, eintreten würde oder wenn keine neuen Anträge gestellt werden, könnte der Beginn der Plädoyers, wir sind wieder in derselben Situation wie seit Tagen, um nicht zu sagen seit Wochen, ins Auge gefaßt werden. Die Ankündigung von Herrn Rechtsanwalt Dr. Heldmann, Herr Rechtsanwalt Schily habe vor, Beweisanträge zu stellen, ist für uns etwas verwunderlich. Herr Rechtsanwalt Schily ist direkt von hier aus nach Athen gereist und scheinbar nicht zurück. Die Auskunft über diese Absicht kommt vom Büro. Herr Rechtsanwalt Schily hat aber in der Sitzung hier vor seinem Abflug erklärt, er habe keine Anträge mehr. Demgemäß müßte er trotzdem Anträge in seinem Büro gelegen haben, sonst könnte ja das Büro das nicht wissen, diese Erklärung abgegeben haben. Und, wiegesagt, das wäre doppelt erstaunlich, als Herr Rechtsanwalt Schily hier zugesagt hat, für den Fall, daß er Anträge in Aussicht nehme oder gar schon schriftlich vorbereite, würde er sie selbstverständlich dem Senat rechtzeitig und so rasch wie möglich zur Kenntnis bringen. Wir können also auf diese Ankündigung ansich nicht bauen. Es könnte sein, daß ein Irrtum vorliegt. Wir hoffen das, denn sonst wären, wiegesagt, diese Ausführungen nicht so recht verständlich.

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Rechtsanwalt Schily wird sich auch insoweit sicher am Dienstag selbst verständlich machen.

Vors.:

Wir sind damit am Ende. Fortsetzung am Dienstag um 9.00 Uhr.

Ende der Hauptverhandlung 17.11 Uhr.

Ende des Bandes 686.


[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - Az.: 1 StE 1/74 - StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[2] Landes- und Bundesbeamt/innen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet bezüglich aller Angelegenheiten, die ihnen im Rahmen ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgeworden sind. Aussagen vor Gericht hierüber sind nur nach und im Umfang der Genehmigung durch den jeweiligen Dienstherrn gestattet (heute geregelt in § 37 Abs. 1 und 3 BeamtStG für Landesbeamt/innen und in § 67 Abs. 1 und 3 BBG für Bundesbeamt/innen; für den Stand 1975 galten für Landesbeamt/innen noch Landesgesetze, die sich allerdings an § 39 des Beamtenrechtsrahmengesetzes vom 1.7.1957 orientieren mussten; für Bundesbeamt/innen galt § 61 BBG a.F.). § 54 Abs. 1 StPO stellt sicher, dass die Verschwiegenheitspflicht auch im Falle einer Vernehmung als Zeug/in in einem Strafprozess fortbesteht.

[3] § 57 StPO a.F. schrieb für die Belehrung von Zeug/innen vor: „Vor der Vernehmung sind Zeugen zur Wahrheit zu Ermahnen und darauf hinzuweisen, daß sie ihre Aussage zu beeidigen haben, wenn keine im Gesetz bestimmte oder zugelassene Ausnahme vorliegt. Hierbei sind sie über die Bedeutung des Eides, die Möglichkeit der Wahl zwischen dem Eid mit religiöser oder ohne religiöse Beteuerung sowie über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren.“ Im Unterschied dazu ist die Vereidigung von Zeug/innen heute nur noch die Ausnahme (§ 59 StPO).

[4] Zu den Besonderheiten dieses Verfahrens gehörte es, dass sich die Prozessbeteiligten darauf einigten, ein gerichtliches Wortprotokoll als Arbeitsgrundlage anzufertigen (s. dazu S. 4 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Nach der damaligen Rechtsprechung bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung stets der Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 - Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 - Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 339). Heute wird die gerichtliche Tonbandaufnahme z.T. auch ohne Zustimmung der Beteiligten für zulässig erachtet (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 35; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 13).

[5] Gerhard Müller war ein ehemaliges Mitglied der RAF und einer der Hauptbelastungszeugen in diesem sowie in weiteren Verfahren gegen Mitglieder der RAF. Er wurde ab dem 124. Verhandlungstag als Zeuge vernommen. Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass die umfassende Aussage Müllers, mit der er die Angeklagten schwer belastete, u.a. durch das Versprechen diverser ungesetzlicher Vorteile unzulässig beeinflusst worden war (s. hierzu etwa die Beweisanträge in den Anlagen 4 bis 19 zum Protokoll zum 20.7.1976, S. 10643 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 128. Verhandlungstag; s. zu den Vorwürfen der Verteidigung auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 305 ff.).

[6] Anlage 1 zum Protokoll vom 23. September 1976: Partielle Aussagegenehmigungen für die Zeugen Geisler, Winfried und Wolf.

[7] § 129 StGB enthält den Straftatbestand der Bildung krimineller Vereinigungen. § 129 Abs. 6 StPO a.F. (heute: Abs. 7) enthält eine Regelung für den Fall der sog. tätigen Reue: „Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 15 [heute: § 49 Abs. 2 StGB]) oder von einer Bestrafung nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Täter sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Vereinigung oder die Begehung einer ihren Zielen entsprechenden Straftat zu verhindern, oder 2. freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß Straftaten, deren Planung er kennt, noch verhindert werden können; erreicht der Täter sein Ziel, das Fortbestehen der Vereinigung zu verhindern, oder wird es ohne sein Bemühen erreicht, so wird er nicht bestraft.“

[8] Für Mord (§ 211 StGB) ist die einzig vorgesehene Sanktion eine lebenslange Freiheitsstrafe. Daneben war die lebenslange Freiheitsstrafe auch bereits bei einem Totschlag in besonders schwerem Fall (§ 212 Abs. 2 StGB) möglich. Heute finde sich die lebenslange Freiheitsstrafe auch in verschiedenen Tatbeständen des Völkerstrafgesetzbuches (z.B. bei Völkermord, § 6 Abs. 1 VStGB, oder dem Verbrechen der Aggression, § 13 Abs. 1 VStGB).

[9] Am 30. Juni 1975 begann das Verfahren gegen Irmgard Möller und Gerhard Müller vor dem Landgericht Hamburg. Die Anklagevorwürfe betrafen u.a. das Geschehen um die versuchte Festnahme des RAF-Mitglieds Margrit Schiller, in deren Verlauf ein Polizeibeamter erschossen, ein weiterer verletzt wurde. Der getötete Polizeibeamter Norbert Schmid war das erste Todesopfer der RAF. Der genaue Tatvorgang, insbesondere die Täterschaft, konnte bis heute nicht aufgeklärt werden. Irmgard Möller wurde mit Urteil vom 16.3.1976 u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Urkundenfälschung und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von viereinhalb Jahren, Gerhard Müller u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Beihilfe zum Mord, Beteiligung an Bombenanschlägen und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zehn Jahren verurteilt (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 113 ff.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 29).

[10] Die Sicherungsgruppe ist eine Abteilung des Bundeskriminalamtes. Die SoKo B/M (Sonderkommission Baader/Meinhof) wurde 1971 als Teil der Sicherungsgruppe für Ermittlungen betreffend die RAF eingerichtet (Klaus, Sie nannten mich Familienbulle, 2008, S. 23).

[11] Die Eigenschaft einer Person als Beschuldigte/r wird ab der Eröffnung des Ermittlungsverfahrens angenommen (BGH, Urt. v. 18.10.1956 - Az.: 4 StR 278/56, BGHSt 10, S. 8, 11; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, Einl. Rn. 76 f.) Die Beschuldigteneigenschaft hat u.a. zur Folge, dass die Person nicht mehr als Zeug/in, sondern nur als Beschuldigte/r unter Wahrung der Beschuldigtenrechte vernommen werden darf. Hierzu gehört, dass sie zu Beginn der (ersten) polizeilichen Vernehmung über ihre Rechte zu belehren ist; ihr ist zu eröffnen, welche Tat ihr zur Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen (§§ 163a, 136 StPO).

[12] Ingeborg Barz war ein frühes Mitglied der RAF. Zuvor war sie Teil der Hilfsorganisation Schwarze Hilfe und bildete u.a. gemeinsam mit Angela Luther, Inge Viett, Verena Becker und Waltraud Siepert eine feministische Gruppe namens Die schwarze Braut. Über Barz’ Position in der RAF ist nicht viel bekannt. 1971 soll sie beim Überfall auf eine Bank in Kaiserslautern mitgewirkt haben. Von der Verhaftungswelle 1972 war Barz nicht betroffen, gilt aber wie Angela Luther seitdem als verschwunden. Über ihren Verbleib existieren nur Spekulationen. Unter anderem stand der Verdacht im Raum, dass sie als Spitzel des Verfassungsschutzes enttarnt und von Baader erschossen worden sei (Kraushaar, Verena Becker und der Verfassungsschutz, 2010, S. 31 ff., 37 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S 299, 820). Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass die Behauptung, Baader habe Barz erschossen, von Gerhard Müller aufgestellt worden sei, um Baader wahrheitswidrig zu belasten (s. den Beweisantrag des Rechtsanwalts Dr. Heldmann am 142. Verhandlungstag, S. 11467 des Protokolls der Hauptverhandlung). Durch den Beweis der Unwahrheit dieser Tatsache sollte die Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen Müller insgesamt erschüttert werden (s. dazu etwa die Diskussion um den am 147. Verhandlungstag gestellten Beweisantrag, S. 11684 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Zu den Angaben, die Müller über in diesem Zusammenhang gemacht haben soll, s. auch die Ausführungen des Vernehmungsbeamten KHK Opitz am 152. Verhandlungstag (S. 11855 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[13] Der Zeuge Schneider wurde bereits am 47. Verhandlungstag als Zeuge vernommen und vereidigt. § 67 StPO ermöglicht das Berufen auf einen früheren Eid, wenn Zeug/innen im selben Hauptverfahren erneut vernommen werden.

[14] Vor Erhebung der öffentlichen Klage ist für die Vornahme gerichtlicher Untersuchungshandlungen grundsätzlich dasjenige Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die antragstellende Staatsanwaltschaft ihren Sitz hat (§ 162 StPO). Hat der Generalbundesanwalt die Ermittlungen übernommen, so sind auch die Ermittlungsrichter/innen des BGH zuständig (§ 168a Abs. 1 Satz 2 StPO a.F.; heute § 169 Abs. 1 Satz 2 StPO). Grundsätzlich ist zwar die Staatsanwaltschaft die Herrin des Ermittlungsverfahrens, d.h. Ermittlungshandlungen führt sie entweder selbst oder unter Zuhilfenahme der Polizeibehörden durch (§§ 160 Abs. 1, 161 StPO). Auch jenseits derjenigen Untersuchungshandlungen, für die richterliche Anordnungen gesetzlich vorgeschrieben sind, kann sie allerdings gerichtliche Untersuchungshandlungen beantragen (§ 162 StPO). So hat die richterliche im Vergleich zur polizeilichen Zeugenvernehmung den Vorteil, dass in bestimmten Situationen nur die Verlesung des richterlichen, nicht jedoch des polizeilichen Vernehmungsprotokolls in der Hauptverhandlung zulässig ist (§ 251 Abs. 1 StPO a.F.; entspricht heute weitestgehend § 251 Abs. 2 StPO). Auch die Vernehmung der Verhörperson ist im Falle einer richterlichen Vernehmung in bestimmten Fällen von dem aus § 252 StPO hergeleiteten Beweisverwertungsverbot ausgenommen (s. dazu Ellbogen, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl. 2016, § 252 Rn. 47 ff.). Im Verfahren gegen die vernommene Person selbst kommt zudem - sofern sie als Beschuldigte richterlich vernommen wurde - eine Verlesung nach § 254 Abs. 1 StPO in Betracht (heute ergänzt um die Möglichkeit der Vorführung von Bild-Ton-Aufzeichnungen einer solchen Vernehmung).

[15] Rechtsanwalt Horst Mahler war ein führendes Mitglied der ersten RAF-Generation. Seine zentrale Rolle bei der Entstehung der RAF ist jedoch gegenüber den hier Angeklagten Baader, Ensslin und Meinhof in den Hintergrund gerückt. Er war maßgeblich an der Vorbereitung der als „Geburtsstunde der RAF“ bezeichneten Befreiung Baaders aus der Haft im Mai 1970 beteiligt. Im September 1970 überfiel er u.a. zusammen mit Andreas Baader und Irene Goergens eine Bank in West-Berlin; bereits eine Woche später wurde er verhaftet. Im Jahr 1972 begann der Prozess gegen ihn vor dem Kammergericht Berlin wegen gemeinschaftlich begangenen Raubes in Tateinheit mit der Gründung einer kriminellen Vereinigung. Im Februar 1973 wurde er zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zwölf Jahren verurteilt. Unter Einbeziehung dieser Strafe wurde er im November 1974 aufgrund seiner Beteiligung an der Baader-Befreiung zu einer (Gesamt-)Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Zwischen Mahler und dem Führungsduo Baader/Ensslin ergaben sich immer wieder Differenzen. Spätestens mit der Ablehnung seiner Freilassung im Austausch gegen den im Februar 1975 entführten Politiker Peter Lorenz sagte er sich endgültig von der RAF los. Nach seiner Haftentlassung im Jahr 1980 durchlief Mahler eine radikale politische Kehrtwende. Ende der 90er Jahre bekannte er sich erstmals öffentlich zum Rechtsradikalismus, im Jahr 2000 trat er in die NPD ein. Wegen antisemitischer Hetze wurde er mehrfach wegen Volksverhetzung und Holocaustleugnung zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt (Jander, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 372 ff.; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 40 ff., 53, 67 f.).

[16] § 211 StGB enthält den Straftatbestand des Mordes, d.h. die vorsätzliche Tötung einer Person bei gleichzeitigem Vorliegen eines sog. Mordmerkmals. Zu den Mordmerkmalen gehören bestimmte, besonders verwerfliche Beweggründe (das Töten aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen), Tatmodalitäten (heimtückisch, grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln) und Absichten (um eine Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken).

[17] Formlose Gespräche mit Beschuldigten oder Zeug/innen sind in der StPO nicht vorgesehen. Soweit die Auskunftsperson der zu vernehmenden Person in amtlicher Funktion gegenübertritt und in dieser Eigenschaft Auskunft verlangt, handelt es sich um eine Vernehmung (sog. formeller Vernehmungsbegriff, s. auch BGH, Beschl. v. 13.5.1996 - Az.: GSSt 1/96, BGHSt 42, S. 139, 145; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 136a Rn. 4). Mit der Einordnung als (Beschuldigten-)Vernehmung gehen bestimmte rechtliche Anforderungen einher, wie z.B. die Belehrungspflicht (§§ 136, 163a Abs. 4 StPO). Auch bei sog. informatorischen Befragungen, in denen noch keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Behandlung einer Person als Beschuldigte/r vorliegen, handelt es sich um Vernehmungen, allerdings nicht um Beschuldigten-, sondern um Zeugenvernehmungen (Schuhr, in Knauer/Kudlich/Schneier [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, Vor §§ 133 ff. Rn. 43; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, Einl. Rn. 79). Ist dies der Fall, kann es sich um eine verbotene Beweismethode gem. § 136a StPO handeln (Gleß, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 4/1, 27. Aufl. 2019, § 136a Rn. 44).

[18] Der Polizeibeamte Norbert Schmid wurde bei einem Festnahmeversuch des RAF-Mitglieds Margrit Schiller erschossen. Er war das erste Todesopfer der RAF. Der genaue Tatvorgang, insbesondere die Täterschaft, konnte bis heute nicht aufgeklärt werden. Schiller selbst belastete Gerhard Müller schwer, der mit Urteil vom 16.3.1976 vom LG Hamburg zwar für andere Taten, nicht aber für den Mord an Schmid verurteilt wurde (Fn. 9). Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass der Freispruch Müllers in Bezug auf den Mord an Norbert Schmid Teil einer unzulässigen Absprache mit den Strafverfolgungsbehörden gewesen sei (s. dazu etwa die Beweisanträge in den Anlagen 8 und 12 zum Protokoll vom 20.7.1976, S. 10649 f., 10659 des Protokolls der Hauptverhandlung, 128. Verhandlungstag).

[19] Der Verteidigung sowie der Staatsanwaltschaft ist auf Verlangen nach § 257 Abs. 2 StPO nach jeder einzelnen Beweiserhebung die Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären.

[20] Zu dieser Zeit waren verwaltungsrechtliche Klagen sowie Anträge auf einstweilige Anordnungen der Angeklagten Ensslin und Baader vor dem VG Köln bzw. dem VG Hamburg auf Erteilung von zuvor versagten Aussagegenehmigungen anhängig. Zum Antrag auf einstweilige Anordnung vor dem VG Köln s. Anlage 2 zum Protokoll vom 31. August 1976 (S. 11426 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 141. Verhandlungstag); der Antrag vor dem VG Hamburg befindet sich in Anlage 1 zum Protokoll vom 21. September 1976 (S. 11597 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 145. Verhandlungstag).

[21] § 244 Abs. 3 bis 6 StPO enthalten die abschließenden Gründe, aus denen Beweisanträge abgelehnt werden können, darunter in § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO a.F. (heute: § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 StPO), wenn das Beweismittel „völlig ungeeignet“ ist. Der Senat hatte aus diesem Grund den Beweisantrag des Rechtsanwalt Schily, den in Griechenland inhaftierten Zeugen Rolf Pohle im Wege der Rechtshilfe in Griechenland vernehmen zu lassen, abgelehnt (S. 11589 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 145. Verhandlungstag). Rechtsanwalt Schily wiederholte den Antrag daraufhin, verbunden mit dem Hilfsantrag auf die schriftliche Einholung von Angaben und Verlesen des Antwortschreibens in der Hauptverhandlung (S. 11596 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, ebenfalls 145. Verhandlungstag; s. auch die ergänzende Begründung des Rechtsanwalts Dr. Heldmann, S. 11608 ff.). Für die Ladung von im Ausland befindlichen Zeug/innen wurde mit § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO (eingeführt durch das Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege vom 11.1.1993 [BGBl. I, S. 50]) inzwischen eine weitere Ablehnungsmöglichkeit geschaffen: Ein entsprechender Beweisantrag kann abgelehnt werden, wenn die Vernehmung nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist.

[22] Wer einen Gegenstand, der als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein kann (§ 94 StPO) in Gewahrsam hat, ist nach § 95 Abs. 1 StPO zur Herausgabe verpflichtet.

[23] § 5 des Hessischen Gesetzes über die Anwendung unmittelbaren Zwangs bei Ausübung öffentlicher Gewalt regelte in der damaligen Fassung den Schusswaffengebrauch durch die Polizei: „Der Schusswaffengebrauch ist nur zulässig 1. gegen Personen, die a) bei der Ausführung einer strafbaren Handlung, die sich den Umständen nach als ein Verbrechen darstellt, auf frischer Tat betroffen werden oder dringend verdächtig sind, ein Verbrechen begangen zu haben und b) sich der erfolgten oder bevorstehenden Festnahme durch die Flucht zu entziehen versuchen oder einer Aufforderung, Waffen oder andere gefährliche Werkzeuge abzulegen, nicht Folge leisten oder sich anschicken, sie ohne Erlaubnis wieder aufzunehmen [...]“ (GVBl. Hessen v. 9.12.1950, S. 247 f.).

[24] Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gilt für alle Grundrechtseingriffe der staatlichen Gewalt. Danach müssen staatliche Eingriffe einen legitimen Zweck verfolgen und zur Erreichung des Zwecks auch geeignet, erforderlich und angemessen sein. Dafür muss unter allen zur Verfügung stehenden, gleichermaßen geeigneten Mitteln immer das mildeste ausgewählt werden; der Nutzen der Maßnahme darf auch nicht außer Verhältnis zu der damit einhergehenden Beeinträchtigung stehen. Ein Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip führt zur Rechtswidrigkeit der Maßnahme (Grzeszick, in Maunz/Düring [Begr.], Grundgesetz-Kommentar, 92. Ergänzungslieferung Stand August 2020, Art. 20 Rn. 110 ff.).

[25] Die Aufgabe von Zeug/innen ist es, eine persönliche Wahrnehmung über einen in der Vergangenheit liegenden Vorgang zu bekunden (BGH, Urt. v. 12.3.1969 - Az.: 2 StR 33/69, BGHSt 22, S. 347, 348), wobei es nur auf Tatsachen ankommt. Dazu gehören auch sog. innere Tatsachen, wie die eigene Überzeugung und bestimmte Motive (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, Vor § 48 Rn. 2). Im Unterschied dazu vermitteln Sachverständige Sachkunde oder wenden diese bei der Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts an. Bei der Bekundung von Tatsachen ist zu unterscheiden: Wurde die bekundete Tatsache im Rahmen eines behördlichen Auftrages aufgrund der besonderen Sachkunde wahrgenommen, fällt auch die Tatsachenbekundung in den Aufgabenbereich der Sachverständigen. Wurde die Tatsache hingegen ohne Auftrag, aber dennoch aufgrund einer gewissen Sachkunde wahrgenommen, sind die Regeln für den Zeugenbeweis anwendbar (sog. sachverständiger Zeuge, § 85 StPO; s. zur Abgrenzung Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 85 Rn. 2 f.).

[26] Ist die Ablehnung eines begehrten Verwaltungsakts (hier: die Aussagegenehmigung) rechtswidrig, und wird der/die Klägerin dadurch in seinen/ihren Rechten verletzt, sieht § 113 Abs. 4 VwGO a.F. (heute: Abs. 5) zwei mögliche Urteile vor: Das sog. Vornahmeurteil (§ 113 Abs. 4 Satz 1 StPO a.F.) verpflichtet die Verwaltungsbehörde unmittelbar zum Erlass des begehrten Verwaltungsaktes. Dies ist allerdings nur möglich, wenn die Sache spruchreif ist, d.h. die Sache durch das Gericht selbst entschieden werden kann und kein weiterer Entscheidungsspielraum der Behörde besteht. Andernfalls ergeht ein sog. Bescheidungsurteil (§ 113 Abs. 4 Satz 2 VwGO a.F.), das die Verwaltungsbehörde verpflichtet, den/die Kläger/in unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

[27] Grundsätzlich haben die Verfahrensbeteiligten bis zum Beginn der Urteilsverkündung das Recht, Beweisanträge zu stellen, das Gericht ist zur Entgegennahme verpflichtet (BGH, Urt. v. 3.8.1966 - Az.: 2 StR 242/66, BGHSt 21, S. 118, 123). Beweisanträge, die zum Zweck der Prozessverschleppung gestellt werden, konnten allerdings nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO a.F. abgelehnt werden. Der Ablehnungsgrund der Prozessverschleppung wurde mit Wirkung zum 13.12.2019 durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens (BGBl. I, S. 2121) aufgehoben; was allerdings nicht zur Folge hat, dass derartige Anträge nun ungehindert gestellt werden könnten; vielmehr sieht § 244 Abs. 6 Satz 2 StPO vor, dass ein solcher Antrag nun gar nicht mehr durch förmlichen Beschluss abgelehnt werden muss. Zudem wurde mit dem Gesetz zur effektiveren und praxistauglichen Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17.8.2017 (BGBl. I, S. 3202) die Möglichkeit geschaffen, Beweisanträge, die nach Ablauf einer zuvor gesetzten Frist gestellt werden, erst im Urteil zu bescheiden (§ 244 Abs. 6, Satz 2-5 StPO). Hierdurch sollte der Umgang mit verfahrensverzögernden Beweisanträgen vereinfacht werden (s. die Begründung in BR-Drs. 796/16, S. 34).

[28] Gegenstand der Beweisführung sind (konkrete) Tatsachen; die Beweisführung über das anzuwendende inländische Recht ist unzulässig (Krehl, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 244 Rn. 3). Ggf. kann aber durch Auslegung zu ermitteln sein, ob sich der Beweisantrag auf die hinter einer Rechtsfrage stehende Tatsache bezieht.

[29] Grundsätzlich darf die Vernehmung einer Person über Tatsachen, die sie wahrgenommen hat, nicht durch die Verlesung einer früheren Vernehmung oder einer schriftlichen Erklärung ersetzt werden (§ 250 Satz 2 StPO). Die §§ 251 ff. StPO enthalten jedoch enge Ausnahmen von diesem Grundsatz, darunter in § 251 Abs. 2 StPO a.F. (heute: § 251 Abs. 1 Nr. 3 StPO) die Möglichkeit, Niederschriften über eine (nichtrichterliche) Vernehmung, oder andere schriftliche Äußerungen zu verlesen, wenn der/die Zeug/in in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann.

[30] Ein Beweisantrag erfordert grundsätzlich die hinreichende Konkretisierung sowohl der zu beweisenden Tatsache, als auch des Beweismittels (früher bereits ständige Rechtsprechung, s. etwa BGH, Urt. v. 23.1.1951 - Az.: 1 StR 37/50, BGHSt 1, S. 29, 31; BGH, Urt. v. 7.5.1954 - Az.: 2 StR 27/54, BGHSt 6, S. 128, 129; BGH, Urt. v. 12.8.1960 - Az.: 4 StR 48/60, NJW 1960, S. 2156, 2157; heute definiert in § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO). Ein Beweisermittlungsantrag liegt hingegen vor, wenn entweder die Beweistatsache oder das Beweismittel nicht hinreichend konkretisiert ist. Die Unterscheidung ist deshalb von Bedeutung, da § 244 Abs. 3-6 StPO begrenzte und abschließende Ablehnungsgründe für Beweisanträge enthält. Liegt keiner dieser Ablehnungsgründe vor, ist dem Beweisantrag zu entsprechen. Beweisermittlungsanträge berücksichtigt das Gericht hingegen nur nach § 244 Abs. 2 StPO im Rahmen seiner allgemeinen Aufklärungspflicht, die Ablehnung eines Beweisermittlungsantrags ist nicht auf die Gründe des § 244 Abs. 3-6 StPO beschränkt.


[a] Maschinell eingefügt: dazu

[b] Maschinell ersetzt: Vorgang durch Vorgaben

[c] Handschriftlich eingefügt: Hierarchie

[d] Handschriftlich durchgestrichen: er

[e] Maschinell ersetzt: Ossenbach durch Ossendorf

[f] Handschriftlich ersetzt: ... durch Müller

[g] Maschinell eingefügt: von

[h] Handschriftlich durchgestrichen: nichts

[i] Maschinell eingefügt: ihn

[j] Maschinell eingefügt: grundsätzlich

[k] Maschinell eingefügt: hier

[l] Maschinell ersetzt: zurückzuverweisen durch zu verweisen

[m] Maschinell ersetzt: Sie durch wir

[n] Maschinell ergänzt: keine

[o] Maschinell ersetzt: skizziert durch fixiert

[p] Maschinell eingefügt: nur

[q] Maschinell eingefügt: Dr. Heldmann

[r] Maschinell ersetzt: ... durch den gestellten

[s] Maschinell eingefügt: also

[t] Maschinell eingefügt: gern

[u] Maschinell ersetzt: Aussageerzielungsverfahren durch Aussageerzwingungsverfahren

[v] Handschriftlich ergänzt: Beschuldigungen

[w] Maschinell durchgestrichen: der

[x] Maschinell eingefügt: den Beamten

[y] Maschinell eingefügt: Ich werde ihn

[z] Maschinell ersetzt: werden durch wird

[aa] Maschinell eingefügt: hier

[bb] Maschinell eingefügt: die

[cc] Maschinell ersetzt: mit durch bis

[dd] Maschinell ergänzt: damit

[ee] Maschinell eingefügt: schon

[ff] Maschinell eingefügt: worden.

[gg] Maschinell durchgestrichen: einen

[hh] Handschriftlich eingefügt: es

[ii] Handschriftlich eingefügt: sich

[jj] Maschinell ersetzt: nicht durch mit

[kk] Handschriftlich eingefügt: - - -