14. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 8. Juli 1975, 9.06 Uhr



[1081] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 8. Juli 1975, 9.06 Uhr

14. Verhandlungstag

Das Gericht und die Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte waren anwesend:

Justizsekretär Janetzko

Justizassistent z. A. Clemens,

Die Angeklagten waren anwesend mit ihren Verteidigern:

Rechtsanwälte Becker, Dr. Heldmann, Riedel, v[on] Plottnitz, Eggler, Schnabel, Schwarz, König, Linke, Grigat.

Als Sachverständiger war Professor Dr. Rauschke anwesend.

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort. Ich darf zunächst feststellen, Herr Rechtsanwalt Schily ist nicht anwesend.

Frau Rechtsanwältin Becker?

RA’in B[ecker]:

Rechtsanwalt Schily kommt eine viertel Stunde später.

Vors.:

Danke. Herr Rechtsanwalt Künzel und Herr Rechtsanwalt Schlaegel haben mitteilen lassen, daß Sie später kommen und sich mit ihren Kollegen entsprechend verabredet haben. Im übrigen ist die Besetzung vollständig, wie ich sehe.

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz?

RA v[on ]P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, ich höre von Herrn Raspe, daß er die dienstliche Äußerung zu dem Antrag ...

Vors.:

Darf ich zunächst mal jetzt das, was noch zur Anwesenheit festzustellen ist, erledigen. Es ist mitzuteilen, daß sich Herr Rechtsanwalt, ich hoffe daß ich den Namen richtig ausspreche, Chotjewitz aus Fulda als neuer Wahlverteidiger[1] von Herrn Baader gemeldet hat. Ist bekannt, ob er heute erscheinen möchte. Weiß offenbar niemand. Herr Rechtsanwalt Chotjewitz hat Voll- [1082] macht vorgelegt. Ist nicht anwesend. Gut, dann hat Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann gebeten, Ihn als Pflichtverteidiger für Herrn Baader beizuordnen,[2] mit der Begründung, daß Herr Baader mittellos sei und Ihm nicht zuzumuten sei, die Verteidigung gebührenfrei zu führen.[3] Er sei bereit, die Pflichtverteidigung zu übernehmen, nachdem er eine Gelegenheit zur ausführlicheren Erörterung mit Herrn Baader gehabt habe. Ich möchte zu diesem Antrag die Bundesanwaltschaft bitten, Stellung zu nehmen. Sind Sie dazu imstande, oder bedarf es dazu einiger Überlegung.

- Siehe Anlage 1 und Anlage 2 des Protokolls -

BA Dr. W[under]:

Herr Vorsitzender, obwohl uns die Frage nicht ganz unvorbereitet trifft, möchten wir im Augenblick nicht endgültig dazu Stellung nehmen. Es besteht eine Neigung, und ich glaube, das kann ich jetzt schon sagen, der Bestellung als Pflichtverteidiger nicht entgegen zu treten. Wenn wir vielleicht im Laufe des Nachmittags hier endgültig eine Erklärung abgeben dürften.

Vors.:

Bitteschön.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

Sie erlauben, Herr Baader selbst möchte dazu das Wort nehmen.

Vors.:

Herr Baader, bitte.

Angekl. B[aader]:

Wir halten das für zulässig. Wir haben uns das überlegt oder für möglich, daß Heldmann hier als Pflichtverteidiger bestellt wird, weil er ohnehin in diesem Verfahren viel mehr als uns oder als mich, die bürgerliche Rechtsstaatlichkeit verteidigt. Denn wir selbst sind eigentlich in diesem Verfahren nicht zu verteidigen. Das hat der ganze Verlauf der Verhandlung bisher bereits bewiesen. Und aus dieser Funktion der Verteidigung, dessen, was hier rechtsstaatliche Reste genannt wird, halten wir es für zulässig und auch für möglich, von unserer Seite aus zu vertreten, daß er auch vom Gericht als Pflichtverteidiger bestellt wird.

[1083][4] [1084-1085][5] [1086] Vors.:

Der Antrag ist gestellt. Es wird dann nach der Stellungnahme der Bundesanwaltschaft weiteres dazu verlautbar werden. Bitte Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. W[under]:

Liegt der Antrag schriftlich vor, Herr Vorsitzender?

Vors.:

Er liegt schriftlich vor, ich kann Ihnen eine Durchschrift zukommen lassen.

BA Dr. W[under]:

Danke ja.

Eine Durchschrift des Antrags von Rechtsanwalt Dr. Heldmann auf Pflichtverteidigerbestellung, Anlage 1 zum Protokoll, wurde Bundesanwalt Dr. Wunder übergeben.

Vors.:

Dann habe ich zunächst bekannt zu geben, was der Senat beschlossen hat.

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz.

RA v[on] P[lottnitz]:

Darf ich zuvor kurz folgendes erklären? Herr Raspe hat mir berichtet, daß ihm als demjenigen, der das Ablehnungsgesuch gestellt hat, die dienstliche Äußerung, die insoweit dazu gefertigt wurden, nicht zugegangen sind. Ich bin davon ausgegangen, daß es so geschehen ist, wie auch im Falle Ensslin, daß also der Senat direkt dem Antragsteller auch Kopien der dienstlichen Äußerung zukommen läßt. Da das nicht geschehen ist, Herr Raspe aber Interesse daran hat, ich habe also nicht Gelegenheit gehabt, ihm heute den Inhalt, weil ich fünf Minuten vorher gekommen bin, zu Kenntnis zu bringen, bitte ich zunächst die Hauptverhandlung für angemessene Zeit zu unterbrechen, damit Herr Raspe überhaupt Gelegenheit bekommt ...

- Unruhe im Saal -

Vors.:

Ich bitte um Ruhe im Saal.

RA v[on ]P[lottnitz]:

... Gelegenheit bekommt, sich zu informieren, was gesagt worden ist und gegebenenfalls sich noch dazu zu erklären.

[1087] Vors.:

Herr Rechtsanwalt, die Zustellung, bzw. Übergabe an den legitimierten Verteidiger reicht aus, um die Rechte eines Angeklagten zu wahren. Das ist immer so. Es besteht also kein Grund hier, aufgrund der vorgetragenen Gesichtspunkte jetzt irgendwie zu unterbrechen.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Gibt es irgendwie eine Frage dazu, gibt es irgendwelche Kriterien, von denen abhängig ist, daß im Falle etwa Ensslin Kopien unmittelbar, unmittelbar auch der Antragstellerin, nicht nur ihrem Verteidiger, zugegangen sind, daß aber im Falle Raspe davon abgesehen wurde.

Vors.:

Ich weiß es nicht. Ich selbst bin ja nicht an der Sache beteiligt gewesen. Ich war abgelehnt.[6] Es gibt keine Kriterien darüber, aber die Rechtslage ist klar, Herr Rechtsanwalt. Es gibt kein Grund, jetzt zu unterbrechen. Ich möchte daher jetzt den Beschluß bekannt geben vom 4. Juli 1975. Er lautet wie folgt:

Die gegen den ...

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ich möchte dazu noch etwas ...

Vors.:

Nein. Jetzt wird der Beschluß bekanntgegeben.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt ich bitte jetzt ...

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ich beantrage jetzt, dem Herrn Raspe das Wort zu erteilen.

Vors.:

Ich möchte jetzt zuerst den Beschluß bekanntgeben. Herr Raspe kann lediglich zu dem Punkt wohl etwas äußern oder will er sonst was vortragen. Das müßte er sowieso zurückstellen.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ich beantrage, dem Herrn Raspe das Wort zu erteilen, falls dem vom Vorsitzenden nicht entsprochen ist, müßte ich um einen [1088] Senatsbeschluß bitten.

Vors.:

Um was geht’s. Was will Herr Raspe vortragen.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Das wollte Ihnen Herr Raspe selbst sagen.

Vors.:

Geht es um denselben Punkt hier.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, ich habe beantragt, Herr Raspe das Wort zu erteilen und darüber hat zunächst mal der Vorsitzende des Senats zu befinden.[7]

Vors.:

Herr Raspe, bitte sagen Sie, was Sie sagen wollen.

Angekl. R[aspe]:

Ja, ich wollte dazu noch ergänzen, daß also auch die Anstalt verhindert hat, obwohl ich doch schon Freitagnachmittag beantragt habe, hat es die Anstalt bis gestern einschließlich verhindert, daß ich ein Telefonat führen konnte mit meinem Rechtsanwalt, um mich also über den Inhalt dieser Dinge zu erkundigen.

Vors.:

Gut, das hat jetzt im Augenblick, ach so, wegen des Inhalts.

Angekl. R[aspe]:

Das ist genau der Punkt. Das ist genau so, daß es keine Möglichkeit gab, bis eben vor fünf Minuten, daß ich über den Inhalt mich habe informieren können.

Vors.:

Gut, das nehmen wir zur Kenntnis.

Angekl. R[aspe]:

Und genau deswegen beantrage ich eben diese Pause, um das jetzt nachholen zu können.

Vors.:

Nein, es gibt die Pause nicht, Herr Raspe. Das, was ich eben Herr Rechtsanwalt von Plottnitz gesagt habe, gilt auch für Sie. Der § 145a der StPO lautet, daß der Verteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten befindet, sowie der bestellte Verteidiger, als ermächtigt gelten, Zustellungen für den Beschuldigten in Empfang nehmen, d. h. in dem Moment, wo es dem Herrn Verteidiger zugeht, ist ein Schriftstück Ihnen auch [1089] gleichzeitig wirksam zugestellt. Es gibt also keinen Grund zu unterbrechen.

Der Beschluß lautet:

Der Vorsitzende verlas daraufhin den Beschluß vom 4. Juli 1975 aus Anlage 3 zum Protokoll. Der Beschluß ist dem Protokoll als Anlage 3 beigefügt.

Die Verlesung des Beschlusses wurde wie folgt unterbrochen: (Seite 3 Abs. 2 Satz 3)

Angekl. B[aader]:

Das ist wirklich ein starkes Stück.

Vors.:

Ich sehe auch, daß, was ja sonst bei der Bundesanwaltschaft beanstandet wird, das Heiterkeit offenbar in den Reihen der Verteidigung auslöst.

Angekl. B[aader]:

Über Ihre unverschämten Lügen.

Reg. Dir. Widera:

Ich bitte, den Angeklagten zu verwarnen.[a]

Vors.:

Herr Baader, ich verwarne Sie, wenn Sie so fortfahren,

Sie kennen die Konsequenzen.[8]

Angekl. Ensslin:

Du Faschist.

Vors.:

Frau Ensslin, ich glaube jetzt gehen Sie zu weit. Ich möchte nicht schon jetzt wieder zu der Möglichkeit greifen, daß ich Sie ausschließe. Aber wenn Sie noch einmal ein solches Wort hier verwenden, dann sind Sie ausgeschlossen, darüber dürfen Sie sicher sein. Ich wollte nur darauf hinweisen, in jedem Krankenhaus werden Patienten auf Bahren getragen, ohne daß deswegen Grund besteht, anzunehmen, sie würden deswegen sofort sterben. Ich möchte aber jetzt ... Nein, nein ich bin in der Begründung des Beschlusses, Herr Rechtsanwalt.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Es war nicht Heiterkeit, es war Entrüstung.

Vors.:

Schön, dann habe ich jetzt auf Ihre Entrüstung reagiert. Also es heißt hier ...

Der Vorsitzende fährt mit der Verlesung des Beschlusses fort.

[1090-1097][9] [1098][10] [1099][11] [1100] - Zu Seite 3 Abs. 2 fügte den Vorsitzende folgendes ein. -

Vors.:

Ich darf von mir aus hinzufügen, mir war die Trage, auch wenn das in der zusätzlichen Erklärung der Verteidigung bezweifelt wird, völlig aus dem Gedächtnis entfallen gewesen. Die Anzeige, die gegen mich gerichtet war, wegen Mordes,[12] habe ich nicht zur Kenntnis genommen.

- Rechtsanwalt Schily erschien um 9.24 Uhr -

- Zu Seite 7 Abs. 2 fügte der Vorsitzende folgendes ein -.

Vors.:

Ich füge hinzu, also beide im öffentlichen Dienst.

- Ende des Beschlusses -

Vors.:

Ich habe nun noch wegen der Terminierung nach dem 12. September 1975 einen Hinweis zu geben. Wir haben ja bisher bis zum 12.9. terminiert. An diesen Plan halten wir uns. Es wird, wie schon dort zuletzt angekündigt, am 22.9.1975 die Verhandlung fortgesetzt und folgende Verhandlungstage im September vorgesehen: 22, 23, 24 und 30. Im Oktober sind folgende Verhandlungstage vorgesehen 1.2.7.-9., 14.-16., 21.-23., 28.-30. Oktober. November 4.-6., 11.-13., 20.21. 25.-27. November und schließlich im Dezember 2.-4., 9.-11., 16.-18. Dezember. Bis dahin sehen wir einen Zeitplan vor. Wie wir uns dann über die Weihnachtstage behelfen, das werden wir noch im einzelnen abklären müssen.

RA Sch[ily]:

... ist für diese Terminstage.

Vors.:

Wer geladen ist?

RA Sch[ily]:

Wie dann geladen ist, für diese Terminstage.

Vors.:

Das können wir gegenwärtig deswegen nicht beantworten, weil wir ja den ganzen Block der Zeugen, so wie er bestanden hat, einfach vor uns herschieben, bis die Beweisaufnahme beginnt.[13] [1101] Wir beabsichtigen dann, ab dem Tage der Zeugenvernehmung möglichst diesen Zeitplan einzuhalten, mit den Ladungen. Es wird sich also erst überblicken lassen, Herr Rechtsanwalt, wenn wir klarsehen, wann wir mit der Beweisaufnahme beginnen können.

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Eine andere Frage. Ist es möglich, daß wir eine Ausfertigung des Beschlusses, der soeben vorgelesen wurde vorab, also[b] vor Aushändigung des Protokolls kriegen.

Vors.:

Das ist also eine Verfügung, ein Hinweis,[c] eine Bekanntgabe. Ich mein, ich habs nur in der handschriftlichen Form hier notiert, weil ich davon ausgehe, daß Ihnen das Protokoll ja spätestens in der nächsten Woche vorliegt und dann sind Sie ja voll über die Termine auf diese Weise informiert.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Nein. Ich meinte den Beschluß auf das Ablehnungsgesuch von Herrn Raspe.

Vors.:

Ist er Ihnen[d] nicht mitgeteilt, wir haben Ihnen ausdrücklich gestern, ich habs jedenfalls angeordnet, telefonisch mitzuteilen, daß der Beschluß hier liege und zur Abholung bereitliegt.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Nein. Ist nicht gemacht worden.

Vors.:

Wird Ihnen nachher übergeben, das ist selbstverständlich.

RA Sch[ily]:

... am 22. ist auch terminiert, an einem Montag? 22. September?

Vors.:

22. September. Ja Herr Rechtsanwalt, an diesem Tag ist glaube ich ein Feiertag in dieser Woche. Buß- und Bettag. Das ist für Sie in Norddeutschland natürlich nicht so zugänglich. Bei uns ist hier ...

RA Sch[ily]:

Wo ist denn da Buß- und Bettag?

Vors.:

Nein, das ist im Hinblick darauf, daß wir ja 10 Tage unterbrochen haben, Herr Rechtsanwalt.

RA Sch[ily]:

Ach so.

[1102] Vors.:

Um Ihnen eine kleine Entspannungsmöglichkeit zu gewähren und uns allen.

Wir haben Herrn Professor Dr. Rauschke heute wieder hier hergebeten. Darf ich Sie bitten, hier vorzukommen, wir wollen Sie heute anhören, weil noch ein Antrag im Raume steht, zu dem die Bundesanwaltschaft Stellung nehmen wollte, nachdem Sie auch sich geäußert haben, neben Herrn Dr. Henck[14].

Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Sch[ily]:

Ich habe heute meinen Stationsreferendar aus Berlin mitgebracht. Er befindet sich draußen am Schlagbaum, er heißt Lutz Seibold. Ich wollte Sie bitten, da er mir auch gleichzeitig hier als Protokollhilfe dienen soll, ihm den Zutritt zum Saal zu gestatten.

Vors.:

Wieviel Presseplätze haben wir frei. Wir haben jetzt sowieso halb zehn, wo die Nachbesetzung erfolgen kann.

RA Sch[ily]:

Wieso kann er nicht hier vorne Platz nehmen.

Vors.:

Ja, geben wir ihm hier ein Platz im Hinblick auf die Vereinbarung, die wir damals getroffen haben, daß Sie sich jeweils auch einer Protokollhilfe bedienen können. Also bitten den Herrn Referendar, wie heißt er?

RA Sch[ily]:

Seibold, Lutz Seibold.

Vors.:

Seibold zuzulassen. Herr Adler, ich bitte auch dafür zu sorgen, jetzt ist es halb zehn, daß die Presseplätze, über die 20 freizuhaltende hinaus, jetzt für das Publikum freigegeben werden. Obwohl wir uns auch jetzt noch im Stadium des Freibeweises[15] befinden, Herr Professor, weise ich Sie darauf hin, was Ihnen als Sachverständiger schon oft gesagt worden ist. Daß Sie nach bestem Wissen ein unparteiisches Gutachten abzugeben haben. Eine Vereidigung wird nicht in Betracht kommen. Ich darf zunächst um Ihre Personalien bitten.

Halt Sie kommen gleich ... Jetzt bitte.

[1103] Prof. R[auschke]:

Professor Dr. Rauschke, Joachim, 53 Jahre, verheirateter Medizinaldirektor, Leiter des Instituts für Rechtsmedizin am Gesundheitsamt der Stadt Stuttgart, mit keinem der Angeklagten verwandt oder verschwägert.

Vors.:

Danke. Sie sind Ihrer Profession nach auch Gerichtsmediziner.

Prof. R[auschke]:

Professor für gerichtliche Medizin, heute Rechtsmedizin.

Vors.:

Ja. Und gleichzeitig auch Gerichtsarzt.

Prof. R[auschke]:

Ja.

Vors.:

Haben Sie in dieser Eigenschaft mit Fragen der Verhandlungsfähigkeit[16] in den zurückliegenden Jahren zu tun gehabt.

Prof. R[auschke]:

Die Beurteilung von Verhandlungsfähigkeit und Haftfähigkeit ist Aufgabe, nach dem Gesetz der zur Vereinheitlichung des Gesundheitswesens, ist Aufgabe der Gesundheitsämter und ist in dem in viele Abteilungen aufgegliederte Gesundheitsamt der Stadt Stuttgart, der gerichtlichen Medizin zugeordnet, so daß ich seit meiner Tätigkeit in Stuttgart 1962 regelmäßig Begutachtungen zur Frage der Verhandlungsfähigkeit und Haftfähigkeit durchführe.

Vors.:

Haben Sie darüber hinaus noch irgendwelche besondere Tätigkeiten entfaltet, die Ihre Erfahrung auf diesem Gebiet erweiterten, sei es in wissenschaftlicher Hinsicht oder praktischer Hinsicht. Sind Sie selbst mal mit wissenschaftlich an die Frage herangegangen, über die praktische Tätigkeit hinaus.

Prof. R[auschke]:

Wissenschaftlich will ich nicht sagen, aber in Büchern, in denen die Aufgaben der gerichtlichen Medizin abgehandelt werden, es wird natürlich auch die Frage der Verhandlungsfähigkeit und Haftfähigkeit gestreift. Von mir ist das geschehen in der beim Thime Verlag erschienen Gutachtenfiebel von Marx. Das ist der Herausgeber in der zweiten Auflage.

[1104] Vors.:

Wir haben Sie aufgrund der Ihnen ja bekannten Umstände, es ist hier gesagt worden, es läge zwar keine Verhandlungsunfähigkeit vor, aber nach bestimmten Zeiträumen seien die Angeklagten durch ihren Gesundheitszustand nicht mehr in der Lage sich ausreichend zu konzentrieren, der Verhandlung zu folgen, deswegen haben wir Sie gebeten sich hier bei Gelegenheit im Saal aufzuhalten und Beobachtungen zu machen. Hat Ihnen der Aufenthalt hier im Saale irgendeine Beurteilungsgrundlage gegeben, die Ihnen ein allgemeines Urteil erlaubt, wie es um die Frage einer möglicherweise zeitlich beschränkten Verhandlungsunfähigkeit bestellt sein könnte.

Prof. R[auschke]:

Diese Frage ist natürlich schwierig zu beantworten, weil die Beurteilungsgrundlage doch sehr einseitig ist und meßbarer Ergebnisse und Untersuchungsbefunde entbehrt. Wenn man bedenkt, welche großen diagnostischen Möglichkeiten die Medizin zur Verfügung hat, dann ist die Beobachtung eines Menschen auf seinen Gesundheitszustand und seine psychische Leistungsfähigkeit natürlich eine sehr ungeeignete Grundlage. Ich könnte also die Frage nur negativ beantworten, ob etwas auszuschließen ist oder irgendwelche Hinweise gegeben sind. Grundsätzlich ist zu sagen, daß nach den Maßstäben, nach denen man eine Verhandlungsfähigkeit bemißt, nämlich die Fähigkeit eines Angeklagten, sich in verständiger und verständlicher Weise zu verteidigen, Prozeßerklärungen entgegenzunehmen und zu beantworten usw. keine Hinweise bisher zu beobachten waren, nach denen ich die Berechtigung hätte, zu sagen, bei einem der Angeklagten bestehen Anhaltspunkte, daß dies nicht vorhanden wäre. Aber wie gesagt, die Beurteilungsgrundlage ist sehr spärlich, es gibt Angeklagte die ich überhaupt nie ein Wort habe reden hören und da könnte ich mir natürlich nicht anmaßen zu sagen, ob hier die Fähigkeit vorliegt sich verständig und verständlich zu verteidigen. Frau Meinhof habe ich nie ein Wort reden hören. Es wäre eine Anmaßung zu sagen, die Voraussetzungen liegen vor. Ich meine, es ist natürlich daran zu denken, wenn jemand jahrelang in Haft sitzt und der die Abmagerung durch Hungern[17] hinzugekommen ist, dann sieht man einem Menschen, auch wenn er sich äußerlich wieder erholt hat, wenn das Gewicht einigermaßen wieder hergestellt ist, [1105] früheren Gewichtszustand, früheres Aussehen der Angeklagten kenne ich nicht, dann bleibt natürlich die Frage zunächst offen, ob und welche Organschäden durch diesen Ablauf eingetreten sind. Das kann man einem Menschen nicht ansehen, das müßte man durch gezielte diagnostische Untersuchungsmethoden feststellen. Und in ähnlicher Weise wird sich auch die Frage erheben, ob in der psychischen Leistungsfähigkeit irgendwelche Änderungen eingetreten sind nach drei Jahren Untersuchungshaft. Auch das kann ich schon deshalb nicht beurteilen, weil ich die Angeklagten jetzt nur wenig gehört habe und im übrigen auch vorher nie gekannt habe. Das käme ja dann auf eine vergleichende Untersuchung an. Nun, wenn man derartige Befunde hätte, dann würde sich erst die Frage anschließen lassen, liegt ein Schaden vor in körperlicher oder psychischer Hinsicht und wenn nein, ist es gut, und wenn ja, bedeutet dieser Schaden, daß die Verhandlungsfähigkeit eingeschränkt oder gar aufgehoben ist. Alles das sind Dinge, die ich hier aus der Verhandlung nicht beantworten kann. Wenn beispielsweise ein psychischer Schaden eingetreten ist, dann muß das natürlich nicht Verhandlungsunfähigkeit bedeuten, weil ein Angeklagter ja auch mit geistigen Störungen Verhandlungsfähig sein kann. Man denke beispielsweise an die Verhandlung bei Einweisungsverfahren, bei denen es sich um Geisteskranke handelt, die dennoch an der Verhandlung teilnehmen müssen.

Vors.:

Das heißt also mit den unzulänglichen Mitteln der Beobachtung haben Sie negativ keine Hinweise gefunden, daß die Angeklagten sich nicht verständigen machen könnten und nicht verstehen könnten. Sie halten aber eine Untersuchung für notwendig, um wirklich ein schlüssiges Urteil zu bekommen.

Prof. R[auschke]:

Ja. Schon deshalb, weil es sich ja um einen sehr komplizierten Prozeßstoff handelt, und weil sicherlich mit einer langen Verhandlungsdauer gerechnet werden muß. Unter diesen Aspekten ist die Frage einer Verhandlungsfähigkeit natürlich völlig anders zu beurteilen[e], als wenn etwa eine 2-3 stündige Hauptverhandlung ansteht, und nur ein Anklagepunkt zur Diskussion steht.

[1106] Vors.:

Ich habe Sie gebeten, auszuschauen und zwar ohne irgend einen Einfluß von einer anderen Seite als von der fachlich orientierten Seite, welche Mediziner für eine solche Untersuchung in Betracht kämen, weil ich der Meinung bin, es wäre günstig, hier nicht einen einzelnen Arzt mit der Untersuchung zu betrauen, sondern von vornherein ein Fachgremium zusammenzustellen. Hat das zu irgendwelchen Erfolgen geführt.

Prof. R[auschke]:

Ja, ich möchte eigentlich dem Senat folgendes raten. Die körperliche Situation, d. h. die Situation nach der Abmagerung durch Hungern könnte eben mit Funktionsstörung innerer Organe verbunden sein und in diesem Bereiche wäre dann der Internist zuständig. Andererseits das Ausgeschlossensein durch eine mehrjährige Untersuchungshaft und die Frage einer psychischen Auswirkung wird am ehesten in den Fachbereich der Psychiatrie fallen. Ich möchte eigentlich am ehesten dem Senat raten, sich an die entsprechenden wissenschaftlichen Gesellschaften zu wenden, nämlich an den Vorsitzenden oder Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin und an den Vorsitzenden oder Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und sich von dort, am besten gleich mehrere, in Betracht kommende Kapazitäten als Gutachter nennen zu lassen. Der Vorstand einer jeweiligen Fachgesellschaft weiß am besten, welcher Wissenschaftler gerade auf dem zur Rede stehenden Gebiet, also Schäden durch Hungern und Abmagerung, psychische Schäden durch Haft, in Betracht kommen und am ehesten als Gutachter geeignet sind.

Vors.:

Können Sie uns die genaueren Adressen benennen.

Prof. R[auschke]:

Die Anschrift, ich sehe gerade, daß ich den Zettel leider vergessen habe. Ich kann aber sofort durch einen Telefonanruf, könnte ich die Anschriften der Fachgesellschaften klären.

Vors.:

Haben Sie schon dort selbst irgendwelche Verbindung aufgenommen.

Prof. R[auschke]:

Nein, das habe ich bewußt nicht getan.

Vors.:

Sie wollen das ganz dem Gericht überlassen. Nicht daß der Ein- [1107] druck entsteht, Sie selbst würden auslesen.

Als Gerichtsmediziner wären Sie in der Lage, selbst beteiligt zu sein, an einer solchen Untersuchung?

Prof. R[auschke]:

Zumindest an der Befundauswertung.

Vors.:

Sind an den Herrn Sachverständigen beim Gericht weitere Fragen. Ich sehe nicht. Die Herrn von der Bundesanwaltschaft? Die Frage ist natürlich, also ich meine, dahin hätte ich Sie verstehen können, aber vielleicht bestätigen Sie das noch ausdrücklich; haben Sie aus ärztlicher Sicht, nachdem was Sie bisher beobachtet haben, Bedenken, daß wir jetzt weiter verhandeln?

Prof. R[auschke]:

Es haben sich keine Anzeichen bisher ergeben, solange ich der Verhandlung beigewohnt habe, die die Äußerung dieser Bedenken rechtfertigen würden.

Vors.:

Bei der Bundesanwaltschaft keine Fragen.

Die Herrn Verteidiger bitteschön. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Professor Rauschke, haben Sie auch schon an einer Nachmittagssitzung beobachtend teilgenommen?

Prof. R[auschke]:

An einer Nachmittagssitzung habe ich einmal teilgenommen, die ist dann aber ziemlich bald, soweit ich mich erinnere, unterbrochen worden.

RA Dr. H[eldmann]:

Ist diese Nachmittagssitzung nicht gleich nach dem Beginn unterbrochen worden.

Prof. R[auschke]:

Ja, gleich nach dem Beginn nicht, ich glaube so nach einer Stunde. Ich kann’s aber nicht mehr genau sagen.

RA Dr. H[eldmann]:

Sie haben also an einer vollständigen Nachmittagssitzung noch nicht teilgenommen.

Prof. R[auschke]:

Habe ich noch nicht teilgenommen, nein.

[1108] RA Dr. H[eldmann]:

Sie haben eben die Frage des Herrn Vorsitzenden, ob Sie als Sachverständiger Bedenken dagegen hätten, daß weiter verhandelt werden würde, die haben Sie bejaht. Ich frage, ob nicht zu differenzieren sei bei der Beantwortung einer Frage, ob in demselben Quantum weiter zu verhandeln sei, nämlich einer Vormittagssitzung und nach zweistündiger Mittagspause eine Nachmittagssitzung. Und das an drei aufeinanderfolgenden Tagen. Würden Sie auch diese Frage so undifferenziert bejahen.

Prof. R[auschke]:

Ich möchte sie gar nicht so undifferenziert bejahen. Ich bin, glaube, nicht kompetent diese Frage zu beantworten, weil ich zu wenig Einblick habe. Ich kann nur rein global sagen, daß ich bisher, soweit ich überhaupt eine Beobachtungsmöglichkeit hatte, keine Anzeichen für irgendeine auftretende unkonzentrierte oder geistige Schwäche beobachtet habe. Aber ich erwähnte ja schon, daß ich Frau Meinhof kein einziges Wort habe sagen hören. Meine Beurteilung kann sich daher auch gar nicht auf Frau Meinhof beziehen und wenn Zweifel geäußert würden, daß beispielsweise Frau Meinhof am Nachmittag konzentriert durchhalten kann, dann kann ich dagegen gar keine Einwände erheben, weil mir jegliche Grundlagen für diese Äußerungen fehlen.

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Sachverständiger, ist die Frage Verhandlungsfähigkeit lediglich mit ja oder nein zu beantworten, oder bejahen Sie meine Frage, ob es eine zeitlich beschränkte Verhandlungsfähigkeit gibt.

Prof. R[auschke]:

Es gibt sicherlich Abstufungen in der Fähigkeit, sich einer Hauptverhandlung auszusetzen. Ich glaube schwarz und weiß und ja und nein, damit ist die Beurteilung einer Leistungsfähigkeit nicht erschöpft. Es gibt zweifellos Zustände gesundheitlicher Störungen, auch temporär im Wohlbefinden, die[f] Veranlassung sein können, die Leistungsfähigkeit als eingeschränkt zu bezeichnen und mit dem Umfang des Pensums einer jeweiligen Hauptverhandlung, des Tagespensums, darauf Rücksicht zu nehmen.

RA Dr. H[eldmann]:

Sie setzen also Verhandlungsfähigkeit als eine spezielle Art von Leistungsfähigkeit.

Prof. R[auschke]:

Darf ich noch einmal bitten, die Frage zu wiederholen.

[1109] RA Dr. H[eldmann]:

Sie fassen Verhandlungsfähigkeit auf, als eine Art von Leistungsfähigkeit.

Prof. R[auschke]:

Als eine Art von Leistungsfähigkeit, ja.

RA Dr. H[eldmann]:

Und haben Sie damit nicht auch gesagt, daß Verhandlungsfähigkeit und Zurechnungsfähigkeit miteinander überhaupt nichts zu tun haben.

Prof. R[auschke]:

Überhaupt nichts will ich nicht sagen, aber es sind natürlich völlig verschiedene Begriffe. Ein Unzurechnungsfähiger kann verhandlungsfähig sein. Ein Zurechnungsfähiger muß nicht verhandlungsfähig sein, kann also auch verhandlungsunfähig sein, daran sieht man, daß es Begriffe sind, die keineswegs miteinander in Deckung gebracht werden können.

RA Dr. H[eldmann]:

Die keineswegs miteinander?

Prof. R[auschke]:

... in Deckung gebracht werden können.

RA Dr. H[eldmann]:

Darauf kommt es mir sehr an, nachdem wir hier schon anderes gehört haben. Herr Sachverständiger, mein Mandant Baader hat bei einer Körpergröße von 1.79 m, Körperlänge von 1.79 m ein Gewicht von 56 kg. Veranlaßt Sie das zu einer ärztlichen Äußerung?

Prof. R[auschke]:

Darf ich noch einmal ...

RA Dr. H[eldmann]:

1.79 m, 56 kg. Die 56 kg haben wir als Gewichtszahl, die Herr Dr. Henck gestern selbst festgestellt hat.

Prof. R[auschke]:

1.79 m ich habe nämlich zufällig, weil in der gleichen Gutachtenfiebel, in der ich über die Verhandlungsfähigkeit geschrieben habe, auch die Sollgewichte stehen. Herr Baader ist wie alt?

RA Dr. H[eldmann]:

Nach seiner Erinnerung 32.

Prof. R[auschke]:

32 ja. Größe 1.79 m, da würde sein Sollgewicht, das optimale Ge- [1110] wicht 78 kg zu betragen haben und er wiegt, wie ich mich erinnere 56 kg. Er hätte also ein Untergewicht von 22 kg. Man würde jedem Patienten anraten, sich bei dieser Situation untersuchen zu lassen

RA Dr. H[eldmann]:

Vielen Dank für diesen Rat, Herr Professor Rauschke. Jedoch, da wir vorhin davon gesprochen haben, daß Verhandlungsfähigkeit eine Art von Leistungsfähigkeit ist, meinen Sie, daß ein Mann mit 22 kg Untergewicht voll leistungsfähig sei.

Prof. R[auschke]:

Er ist möglicherweise nicht voll leistungsfähig. Nur muß ein Angeklagter in der Hauptverhandlung eher geistige Dinge leisten als körperliche Tätigkeit. Es könnte also ein in seinem Ernährungs- und Kräftezustand reduzierter Mensch gleichwohl verhandlungsfähig sein. Eher verhandlungsfähig, möchte ich sagen[g], als wenn beispielsweise irgend ein körperliches, mit starken Schmerzen einhergehendes Leiden bestünde, was es unerträglich macht, immer an einer Stelle zu sitzen, unbeweglich zu sein usw. da gibt es natürlich ganz verschiedene Schattierungen und Möglichkeiten und Gegebenheiten.

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Professor Rauschke, körperliches Leid, was ihm schwer macht zu sitzen. Ich mein, Sie halten Hämorrhoiden beispielsweise wohl offenbar für schwerer wiegend für die Verhandlungsfähigkeit als ein Untergewicht von 22 kg.

Prof. R[auschke]:

Nein, ich habe nicht von Hämorrhoiden gesprochen, Herr Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

Naja, Schwierigkeiten zu sitzen, körperliches Gebrechen, nicht.

Prof. R[auschke]:

Es gibt auch noch andere Dinge, die Schmerzen hervorrufen.

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Professor Rauschke, darf ich die Frage bitte wiederholen und zwar ganz präzise. Halten Sie einen Mann mit einem Untergewicht von 22 kg voll leistungsfähig?

Prof. R[auschke]:

Körperlich sicherlich nicht voll leistungsfähig. Wie weit sich das Untergewicht auf seine psychische Leistungsfähigkeit und Erschöpfbarkeit ausdehnt, kann ich nicht beurteilen, dazu müßte [1111] man eben konkrete Untersuchungsbefunde zur Verfügung haben.

Ich halte es aber für möglich.

RA Dr. H[eldmann]:

Sind Sie schon des öfteren in langdauernden Gerichtsverhandlungen aufgetreten, gewesen, beobachtend.

Prof. R[auschke]:

Öfter noch nicht, denn ...

RA Dr. H[eldmann]:

Haben Sie schon gehört, daß eine langdauernde Gerichtsverhandlung für einen Angeklagten eine erhebliche Belastung darstellt, die sich beispielsweise, um es gleich zu konkretisieren, bei meinem Mandanten so äußert, daß er nach einem vollen Verhandlungstag Gewichtsabnahmen bis zu einem Kilo verzeichnet.

Prof. R[auschke]:

Das halte ich nicht für ausgeschlossen und den ersten Teil Ihrer Frage kann ich auch beantworten. Ich habe natürlich gehört, daß lange Gerichtsverhandlungen eine starke Beanspruchung, natürlich auch eine starke seelische Anspannung eines Angeklagten bedeuten, gewisse Erfahrungen auf diesem Gebiet habe ich gemacht anläßlich länger dauernder KZ-Prozesse.

RA Dr. H[eldmann]:

Die Angeklagten, so auch mein Mandant, klagen übereinstimmend über Arbeitsunfähigkeit, Arbeitsunfähigkeit, die also sich äußert in mangelnder Konzentration bis hin zu einem momentanen black out. Spricht das gegen eine unbeschränkte Verhandlungsfähigkeit.

Prof. R[auschke]:

Spricht das gegen eine unbeschränkte Verhandlungsfähigkeit. Wenn diese Beschwerden zutreffen, was man durch geeignete Tests nachweisen und feststellen kann...

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Sachverständiger verzeihen Sie bitte ...

Prof. R[auschke]:

... dann halte ich es für durchaus, ich möchte meinen Satz zu Ende sprechen, dann halte ich es durchaus für möglich, daß derartige Auswirkungen vorhanden sind und daß die Beschwerden eine reale Grundlage haben.

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Sachverständiger, lassen Sie doch nicht Zweifel an Ihrer [1112] Unvoreingenommenheit durchklingen, indem Sie sagen, nachdem ich Ihnen Beschwerden geschildert habe, zunächst einmal in einem Nebensatz einleiten, in Frage stellen, ob solche Klagen zu Recht bestünden, nicht. Das erscheint mir also völlig überflüssig zu sein, und Sie provozieren die Verteidigung einen Antrag gegen Sie vorzubereiten, wenn Sie derartiges einfließen lassen. Die Mandanten, die Angeklagten haben über bestimmte Dinge geklagt, und es steht Ihnen nicht zu als Sachverständiger zunächst einmal die Berechtigung solcher Klagen hier vor Gericht in[h] Ihrer Sachverständigereigenschaft in Zweifel zu ziehen.

Prof. R[auschke]:

Das habe ich nicht bewußt getan.

RA Dr. H[eldmann]:

Sie haben gesagt, wenn das zuträfe dann. 2. Die Angeklagten klagen übereinstimmend über abnorme Hungergefühle und abnorme Eßlust und haben gleichwohl ein Untergewicht, wie Sie vorhin bei Herrn Baader feststellten, mit 22 kg. Ziehen Sie daraus Folgerungen für die Frage nach unbeschränkter Verhandlungsfähigkeit.

Prof. R[auschke]:

Da kann ich, und ich muß wiederholen, was ich eben schon gesagt habe, zunächst noch keine Folgerungen ziehen, wenn wir die Ursachen nicht genau kennen. Ich könnte mir vorstellen, daß nach einer gründlichen Untersuchung ein Fachinternist einen geeigneten Ernährungsplan aufstellen wird. Es bliebe dann abzuwarten, ob bei Einhaltung dieses Ernährungsplans die weiteren Gewichtsabnahmen fortschreiten oder ob sich eine Wende herbeiführen läßt.

Ende von Band 41

[1113] RA Dr. Heldmann:

Eine weitere Frage bitte.

Die Angekl. - so mein Mandant, Herr Baa[der] - klagen darüber, daß sie nach einem vollen Verhandlungstag wie hier - den wir ja dreimal in der Woche zu absolvieren haben im Zusammenhang - nach einem so vollen Verhandlungstag wie hier ein enormes Schlafbedürfnis hat und 12-15 Stunden in einem Stück schläft.

Haben Sie daraus Folgerungen für die Frage der unbeschränkten Verhandlungsfähigkeit?

Prof. Dr. R[auschke]:

Wie ich vorher schon sagte, kann man diese Frage nur mit realen Untersuchungsbefunden beantworten. Aber ein so gesteigertes Schlafbedürfnis würde auf eine vermehrte Erschöpfbarkeit hinweisen unter der Voraussetzung, daß der Betreffende nicht von jeher ein so großes Schlafbedürfnis hatte - Sie wissen, da gibt es erhebliche individuelle Unterschiede.

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Vors. würden Sie an diesem Punkt erlauben, den Herrn Baa[der] zu fragen, ob er auch schon in seinen früheren Lebensabschnitten ein Schlafbedürfnis von 12-15 Stunden pro Tag gehabt hat?

Vors.:

Ja.

Angekl. Baa[der]:

Nein. Ich habe im allgemeinen 6-7 Stunden am Tag geschlafen.

Aber das ist eigentlich ...

Ich wollte auch ein paar Fragen stellen. Sie haben doch ganz sicher aus der Zeitung und aus der Öffentlichkeit ...

Vors.:

Jetzt darf ich fragen, Herr RA Dr. He[ldmann], geht jetzt das Fragerecht an Herrn Baa[der] über?

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Vors., das ist Ihre Sache.

[1114] Ich bin mit meinen Fragen noch nicht zu Ende.

Ich habe aber [i] keine[j] Einwendung, daß Herr Baa[der] zunächst einmal weiterfragt, vielleicht will er an meine Frage unmittelbar anschließen.

Vors.:

Vielleicht wollen wir es in Zusammenhang lassen.

Sie haben Ihre Frage an ihn beantwortet bekommen

- kein solches Schlafbedürfnis zu früheren Zeiten -.

Wenn Sie Ihre Frage zu Ende bringen wollen.

RA Dr. He[ldmann]:

Dann schließe ich ab.

Herr Prof. Rauschke, bei welcher Indikation würden Sie das Medikament Monotrian verordnen?

Prof. Dr. R[auschke]:

Kenn ich nicht.

RA Dr. He[ldmann]:

Bitte?

Prof. Dr. R[auschke]:

Ich kenne dieses Medikament aus dem Stegreif nicht.

RA Dr. He[ldmann]:

Sie kennen es nicht.

Prof. Dr. R[auschke]:

Ich bin kein behandelnder Arzt und habe daher wenig Umgang mit Medikamenten.

RA Dr. He[ldmann]:

Sagten Sie eben:

Sie sind gar kein behandelnder Arzt?

Prof. Dr. R[auschke]:

Ich bin kein behandelnder Arzt.

RA Dr. He[ldmann]:

Ah ja.

Herr Baa[der] ist während seiner Haftzeit acht Tage lang ununterbrochen ohne jegliche Wasserzufuhr geblieben und hat in den vorangegangenen Tagen Wasser nur viertelliterweise in Joghurtbechern bekommen.

[1115] Welche medizinischen Folgen können aus einer solchen abrupten und weitgehenden Wasserentziehung diagnostiziert werden?

Prof. Dr. R[auschke]:

Wassermangel kann verschiedene organische Schäden hervorrufen, die meistens reparabel sind, unter Umständen bei starkem Wasserentzug und bei starker Austrocknung aber nicht.

RA Dr. He[ldmann]:

Wann wird dieser Zustand, von dem Sie eben gesprochen haben, einer starken Austrocknung, wann ist der nach medizinischer Erfahrung erreicht, welche Zeitdauer eines fortgesetzten Wasserentzugs?

Prof. Dr. R[auschke]:

Das kann ich nicht zuverlässig beantworten. Darüber bin ich nicht informiert.

RA Dr. He[ldmann]:

Können Sie ausschließen, daß ein über acht Tage hinweg absolut fortgesetzter Wasserentzug bleibende organische Schäden zur Folge hat?

Prof. Dr. R[auschke]:

Das kann ich zunächst theoretisch nicht ausschließen.

RA Dr. He[ldmann]:

Das können Sie theoretisch nicht ausschließen. Herr Baa[der] klagt über pfeifende Geräusche im rechten Ohr. Er nennt es auch Ohrensausen, das aber einen solchen Stärkegrad erreicht hat, daß Radioempfang für ihn dabei nicht möglich ist.

Haben Sie dazu einen medizinischen Einfall?

Prof. Dr. R[auschke]:

Einen medizinischen Einwand keinesfalls.

RA Dr. He[ldmann]:

Einfall, Einfall.

Prof. Dr. R[auschke]:

Bitte?

RA Dr. He[ldmann]:

Einfall.

[1116] Prof. Dr. R[auschke]:

Einen medizinischen Einfall?

RA Dr. He[ldmann]:

Im Sinne einer Diagnose, nicht?

Prof. Dr. R[auschke]:

Im Sinne einer Diagnose.

Ohrensausen, Ohrengeräusche können aus verschiedensten Anlässen auftreten. Es gibt organische Ohrenkrankheiten, die mit dem Auftreten von Ohrgeräuschen einhergehen; es gibt auch Vergiftungserscheinungen, die mit Ohrengeräuschen einhergehen. Hier müßte dann ein Ohrenarzt die Ursache aufklären.

Reg. Dir. Wi[dera]:

Darf ich eine Frage an Herrn RA Dr. Heldmann richten?

Vors.:

Herr RA., sind Sie bereit, sich fragen zu lassen oder wollen Sie Ihre Frage zu Ende bringen.

RA Dr. He[ldmann]:

Natürlich möchte ich meine Frage zu Ende bringen.

Aber ... Es ist dem Herrn Reg. Dir. sehr eilig und ...

bitte schön.

Reg. Dir. Wi[dera]:

Herr RA He[ldmann], der Sachverst. hat mehrmals zum Ausdruck gebracht, und eigentlich in jeder Antwort liegt immer wieder drin das, was er mehrmals expressis verbis gesagt hat:

Ich kann ja nur antworten, letztlich beurteilen durch ein Gutachten.

Deswegen meine Frage an Sie:

Was bringt es Ihnen, wenn Sie ... wenn der Herr Sachverst. in den Antworten weiter zum Ausdruck bringt, es könne theoretisch [k] diese Möglichkeit bestehen oder auch jene Möglichkeit.

Das ist meine Frage an Sie.

RA Dr. He[ldmann]:

Eine Gegenfrage, wenn Sie erlauben, Herr Wi[dera],

warum fragen Sie nicht das Gericht, warum es Herrn Prof. Rauschke hierhergebeten hat, wenn das Gericht wußte, daß Untersuchungen nicht vorliegen?

[1117] Reg. Dir. Wi[dera]:

Das brauche ich das Gericht nicht zu fragen, denn der Herr Vors. hat heute morgen erklärt, warum Herr Prof. Rauschke hier gehört werden soll.

RA Dr. He[ldmann]:

Und um jetzt herauszubekommen, ob es einen Sinn hatte, daß Herr Prof. Rauschke zweimal wenige Stunden hier als Zuhörer saß.

Deswegen frage ich, und ich habe bestimmte Symptome genannt, auf die ein Mediziner voraussehbar auch bestimmte Antworten wird geben können.

Reg. Dir. Wi[dera]:

Aber prozessual entscheidend wäre ja, daß Sie ein Gutachten so oder so bekämen. Deswegen meine Frage.

RA Dr. He[ldmann]:

Ein Gutachten, Herr Wi[dera], ich weiß nicht, ob das sehr sinnvoll ist. Ein Gutachten, das können wir ja - wie wir gehört haben - im Moment nicht haben.

Aber wir können gewisse Indikationen durch die Befragung erlangen, die vielleicht - wenn wir sie erlangt haben - diesmal dem Gericht zu denken geben werden, wie es nun wirklich mit der angeblich unbeschränkten Verhandlungsfähigkeit der Angekl. bestellt ist.

Bitte eine Zwischenfrage für Herrn Baa[der], Herr Vors.

Vors.:

Herr Baa[der], bitte.

Angekl. Baa[der]:

Ich möchte Widera fragen, warum er das gefragt hat, bzw. Herrn He[ldmann] das gefragt hat.

Wenn das so ist, wenn Sie also wissen, daß letztlich für eine Diagnose die Untersuchung oder eine Untersuchung notwendig ist, warum sind sämtliche Stellungnahmen der B. Anwaltschaft zu den Anträgen der Anwälte, Ärzte eigener Wahl nach den hier geltenden gesetzlichen Bestimmungen für die Gefangenen zuzulassen, abgelehnt worden?

Es gab insgesamt, glaube ich, fünf oder sechs Anträge, Ärzte eigener Wahl zuzulassen.

[1118] Vors.:

Herr Baa[der], wenn ...

Angekl. Baa[der]:

... innerhalb der letzten zwei Jahre, und jedesmal sind sie auf Veranlassung der B. Anwaltschaft abgelehnt worden.

Das ist doch der Punkt.

Reg. Dir. Wi[dera]:

Darf ich Ihnen antworten?

Angekl. Baa[der]:

Ja.

Reg. Dir.Wi[dera]:

Herr Baa[der], wir haben deswegen diese Stellungnahme bezogen, weil wir erst mal Anhaltspunkte brauchen, ob Untersuchungen durch diese oder jene Ärzte notwendig sind oder nicht und ob diese Anhaltspunkte bestehen - das hat Ihnen auch der Herr Vors. im Laufe dieser, ich glaube 14 Verhandlungstage, wiederholt erklärt - muß erst mal eine Untersuchung eines Arztes ergeben und dieser Arzt ist nach der Untersuchungshaftvollzugsordnung der Arzt, der in der Vollzugsanstalt tätig ist.

Angekl. Baa[der]:

Ich würde dazu sagen, es sind Ihnen im Verlauf dieser letzten 2 ½ Jahre Hunderte von Anhaltspunkten bekannt geworden und benannt worden, die eine Untersuchung von Fachärzten rechtfertigen würden und wesentlich natürlich auch - und Sie sagen, d. h. nach den Bestimmungen der Untersuchungshaft - es gibt - das zumindest habe ich gehört -, daß dieser UNO-Minimalkatalog zur Behandlung von Gefangenen, d. h. dieses minimale Menschenrecht für Untersuchungsgefangene, ihren eigenen Arzt wählen zu können, daß das in der Bundesrepublik geltendes Recht ist.[18]

Und das Problem, um das es hier geht, das doch auch im Hintergrund dieser ganzen Befragung steht, ist doch, daß den Gefangenen aus diesem Zusammenhang dieses Recht genommen wird seit 2 ½ Jahren, und in einem unmittelbaren Zusammenhang zu der Tatsache, daß die B. Anwaltschaft über ihre Stellungnahme bzw. über die von ihr abhängigen Gerichte den Gefangenen [1119] dieses Recht entzogen hat, und daß in der Folge des Entzuges dieses Rechtes drei Gefangene allein in den letzten acht Monaten im Vollzug umgebracht worden sind.[19]

Das ist doch der wesentliche Punkt und die strategische Frage überhaupt der ganzen Untersuchung.

Reg. Dir. Wi[dera]: 1

... zu Wort.

Zu den ersten zwei Dritteln - deswegen habe ich Sie unterbrochen - kann ich gar nichts sagen ...

Angekl. Baa[der]:

Ich sage zu Ihnen, Katharina Hammerschmidt wäre nicht gestorben, wenn ...

Vors.:

Herr Baa[der], lassen Sie bitte jetzt die Antwort geben, wenn Sie schon Fragen stellen.

Reg. Dir. Wi[dera]:

Die ersten zwei Drittel waren nicht verständlich, deswegen hatte ich Sie unterbrochen. Sie haben irgendwie anders als sonst ins Mikrophon gesprochen.

Zum letzten Drittel muß ich Ihnen sagen, das habe ich Ihnen bereits beantwortet, was Sie da neu eben gebracht haben; das war nichts weiter als Polemik.

Angekl. Baa[der]:

Naja ...

Vors.:

Halt, halt, halt.

Herr Baa[der], wir setzen jetzt die Anhörung des Herrn Sachverst. zunächst fort. Wir wollen jetzt keine Diskussion zwischen Ihnen und der B. Anwaltschaft zulassen.

Angekl. Baa[der]:

Ich möchte auch für die B. Anwaltschaft verständlich sein.

Vors.:

Bitte, haben Sie Fragen an Herrn Prof. Dr. Rauschke?

Angekl. Baa[der]:

Dann erlauben Sie gefälligst, daß ich das wiederhole, wenn die B. Anwaltschaft das nicht verstehen konnte, denn es war eine Replik auf die Äußerung von Widera.

[1120] Vors.:

Bitte, ja. Wiederholen Sie’s nochmals.

Angekl. Baa[der]:

Die zentrale Frage, die in Hintergrund dieser Befragung überhaupt der gesamten Arztfrage steht, ist die Tatsache, daß den Gefangenen das Recht auf einen Arzt eigener Wahl, das in der Bundesrepublik geltendes Recht ist, vorenthalten wurde, - obwohl seit drei Jahren vorenthalten wird, obwohl es in diesem Zusammenhang zahllose Anträge der Verteidigung gibt und sämtliche Rechtsmittel ausgeschöpft worden sind, und das auf den Hintergrund der Tatsache, daß den Gefangenen dieses Recht auf einen Arzt eigener Wahl verweigert worden ist, d. h. letzten Endes auf eine Untersuchung und auch auf eine Diagnose verweigert worden ist, allein in den letzten acht Monaten drei Gefangene aus diesem Zusammenhang ... aus diesem politischen Zusammenhang in Vollzug umgebracht worden sind. Das ist Hausner, das ist Holger Meins und das ist Katharina Hammerschmidt.

Vors.:

Es wird nicht wahr dadurch, daß Sie dies ständig behaupten. So ist es nicht. Abgesehen davon, Herr Baa[der] ...

Angekl. Baa[der]:

Sie bestreiten explizit, daß ein Arzt, wenn Sie einen Arzt zugelassen hätten bei Holger Meins, der den Zustand hätte konstatieren können, was Sie verhindert haben, daß er dann auch gestorben wäre.

Vors.:

Herr Baa[der], es wird nicht dadurch wahr, daß Sie das behaupten. Die Frage der Zuziehung von externen Ärzten ist von eh und je eine Rechtsfrage gewesen, über die sich der Senat aufgrund verschiedener Anträge Gedanken hat machen müssen. Er hat sie rechtlich in rechtsstaatlicher Weise beantwortet. Sie haben erst heute im Zusammenhang mit dem Ablehnungsgesuch die Ausführungen des Senats, die gerade diesen Punkt betreffen, anhören können. Es ist nicht so, wie Sie das darstellen, daß bei uns nach diesen UNO-Mindestbedingungen die Regelung der Untersuchungshaftvollzugsordnung,[20] die prak- [1121] tisch ja dasselbe besagt, außer Kraft gesetzt ist. Ich habe es Ihnen schon vorher angedeutet, um welche Gesichtspunkte es geht. Wir haben hier allgemein die Fragen zu überlegen:

Geht das nach den Grundsätzen der Untersuchungshaftvollzugsordnung?

Und wir waren der Meinung: Wenn ein begründeter Antrag vorliegt, d. h. nach einer entsprechenden Untersuchung durch Ärzte, die nicht unbedingt Ärzte Ihrer Wahl sein müssen, das entspricht übrigens auch dem Hamburger Modell[21], wo im Gegensatz zu Ihrer Behauptung nicht Ärzte der Wahl der Angekl. zugezogen worden sind sondern ganz „neutrale“ Ärzte, die benannt worden sind von einer Kommission. Wenn solche Untersuchungen stattgefunden haben, dann kann man darüber noch sich unterhalten, ob zusätzliche Ärzte Ihrer Wahl notwendig wären.

Wir haben nicht die mindeste Absicht, um das ganz klarzustellen, hier Untersuchungen zu verhindern, durch Ärzte, die vollkommen unabhängig von Staatsdienst, Justiz oder sonst irgend etwas sind, und wir werden den Weg beschreiten, den uns der Herr Sachverst. angedeutet hat. Wir werden uns mit diesen Instituten in Verbindung setzen, und ich hoffe in Ihrem eigenen Interesse, daß Sie sich mit einer solchen Lösung auch einverstanden erklären können.

Damit ist aber jetzt der Punkt abgeschlossen. Ich möchte jetzt, daß Herr Prof. Dr. Rauschke zu Ende gefragt wird, wenn Sie Fragen an ihn haben.

Haben Sie Fragen an Herrn Prof. Dr. Rauschke?

Angekl. Baa[der]:

Ich habe zu den Tatsachenbehauptungen, die Sie hier öffentlich aufgestellt haben in der Verhandlung ...

Vors.:

Jetzt ist zunächst ...

Angekl. Baa[der]:

Ein Antrag ...

Vors.:

Nein. Herr Baa[der], jetzt wird kein Antrag gestellt, jetzt wird die Anhörung des Herrn Prof. Dr. Rauschke zu Ende gebracht.

[1122] Angekl. Baa[der]:

Naja. Dann erlauben. Sie doch gefälligst, daß ich dem, was Sie hier behauptet haben, d. h. Ihren falschen Tatsachenbehauptungen, daß ich dem ...

Vors.:

Es ist keine falsche Tatsachenbehauptung.

Geben Sie zunächst eine Antwort, Herr Baa[der], haben Sie jetzt Fragen an Herrn Prof. Dr. Rauschke?

Angekl. Baa[der]:

Ich habe noch Fragen an Herrn Rauschke.

Vors.:

Dann stellen Sie sie.

Angekl. Baa[der]:

Ich habe erst ...

Vors.:

Nein. Sie stellen jetzt zuerst Ihre Fragen, sonst wird die Vernehmung von Herrn Prof. Dr. Rauschke abgeschlossen.

Angekl. Baa[der]:

Ich habe erst das Interesse, Sie haben hier Tatsachenbehauptungen aufgestellt ...

Vors.:

Das können Sie nachher geltend machen.

Angekl. Baa[der]:

Was, das kann ich also nachher geltend machen, ja?

Vors.:

Herr Baa[der], Sie können das nachher geltend machen. Jetzt wird zuerst Herr Prof. Dr. Rauschke zu Ende befragt.

Angekl. Baa[der]:

Naja, gut. Dann werde ich das nachher machen. Aber ich wollte jetzt nur noch darauf hinweisen, nachdem ich vorhin für die B. Anwaltschaft unverständlich war, daß ...

Vors.:

Nein. Stellen Sie jetzt bitte Ihre Fragen. Ich lasse nicht immer das Fragerecht, das Ihnen eingeräumt wird, zerreden durch irgendwelche Erklärungen.

Bitte, fragen Sie jetzt Herrn Prof. Dr. Rauschke, wenn Sie Fragen haben, sonst wird der Sachverst. entlassen und steht zur Befragung nicht mehr zur Verfügung.

[1123] Reg. Dir. Wi[dera]:

Herr Vors., ich bitte, Herrn Baa[der] auch darauf hinzuweisen, daß, wenn er noch einmal so beginnt, daß er jetzt fragen wolle - das ist nämlich zum dritten Mal jetzt - und dann wieder eine Einleitung bringt, daß ihm dann das Wort entzogen werden muß.

Vors.:

Herr Baa[der], Sie haben’s gehört. Die Möglichkeit besteht rechtlich.[22]

RA v[on] Pl[ottnitz]:

War das ein Antrag der B. Anwaltschaft?

Vors.:

Es war eine Anregung, Herr RA v[on] Pl[ottnitz]. So weit sind Sie ja auch wahrscheinlich in der Prozeßgeschichte erfahren.

Herr Baa[der], bitte, sind Fragen zu stellen?

Angekl. Baa[der]:

Moment. Lassen Sie mal.

RA Sch[ily]:

Also, wenn Herr Wi[dera] solche Anträge hier stellt, dann meine ich doch, sollte er darauf hingewiesen werden ...

Vors.:

Herr RA Sch[ily], darf ich Sie fragen:

Haben Sie jetzt im Augenblick das Wort? Haben Sie das Wort erteilt bekommen?

RA Sch[ily]:

Nein. Aber ’s is ja, wenn man so will, eine Frage zur Geschäftsordnung.

Vors.:

Es ist keine Frage zur Geschäftsordnung. Es war eine Anregung, der ich nicht mal stattgegeben ...

RA Sch[ily]:

Aber, Herr Vors., an sich ist es doch auch nicht üblich, die Befragung eines Sachverst. dadurch zu unterbrechen, daß der B. Anwalt einem Verteidiger Fragen stellt. Normalerweise ist das eigentlich auch nicht so, und wenn hier schon von der Entziehung des Fragerechts gesprochen wird, dann hätte sich Herr Wi[dera] auch überlegen sollen, ob ihm dann nicht das Frage- [1124] recht entzogen werden muß, wenn er solche Zwischenbemerkungen macht. Nicht wahr, er nimmt sich ja auch das Recht zu solchen Zwischenfragen oder Zwischenbemerkungen.

Vors.:

Herr RA., ich glaube, daß das Recht zu Zwischenbemerkungen ganz einseitig bisher von der Verteidigung in Anspruch genommen worden ist. Ich glaube nicht ...

RA Sch[ily]:

Glauben Sie, ja?

Vors.:

Glauben Sie’s nicht anhand des Protokolls?

RA Sch[ily]:

Nein. Das glaube ich nicht.

Vors.:

Dann sehen Sie’s mal im Protokoll nach. Dort steht’s schwarz auf weiß.

RA Sch[ily]:

Vielleicht haben wir auch mehr Anlaß dazu. Vielleicht haben wir’s aber doch genauso nicht ... Wir haben’s jedenfalls ...

Vors.:

Herr RA Sch[ily], jetzt ...

RA Sch[ily]:

Aber qualitativ hat die B. Anwaltschaft ja schon früher durch ihre eigene Mikrophonanlage[23] sich noch mehr Gehör verschaffen können als wir.

Vors.:

Es bringt nichts weiter, was Sie jetzt sagen. Ich glaube, wir sind jetzt in der Befragung von Herrn Prof. Dr. Rauschke. Wir wollen auch dabei bleiben.

Herr Baa[der], Sie hatten Fragen an Herrn Prof. Dr. Rauschke.

Angekl. Baa[der]:

Ich wollte Sie nochmals fragen zu dieser Kommission, die Sie vorschlagen.

Sie sagen, also ich wollte Sie nochmals fragen zu dieser Kommission ... Also, ich wollte Sie zunächst mal bitten, das genauer auszuführen, weil es diesbezüglich auch schon Absprachen gibt mit dem von der Verteidigung abgelehnten und vom Gericht anerkannten Gutachter Henck.

[1125] Prof. Dr. R[auschke]:

Ich habe den Senat geraten, sich an die Deutsche Gesellschaft für innere Medizin und an die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie zu wenden und möchte das jetzt noch ergänzen, daß man in Anbetracht Ihrer Hörschwierigkeiten zusätzlich noch eine Hals-Nasen-Ohren-Untersuchung durchführen sollte mit der Konsequenz, daß man dann die Deutsche Gesellschaft für - ich weiß nicht, wie sie heißt - für Hals-Nasen-Ohren-Krankheiten nehme ich an, nach einem geeigneten Gutachter befragt oder nach geeigneten Gutachtern. Ich habe dem Senat geraten, von jeder Fachgesellschaft mehrere Gutachter sich benennen zu lassen, dann haben alle Beteiligten eine Art Auswahlmöglichkeiten.

Angekl. Baa[der]:

Herr Prof. Rauschke, haben Sie ... oder Sie haben doch sicher im Zusammenhang des Hungerstreiks und der Öffentlichkeit, die um diesen Hungerstreik entstanden ist, von den Ursachen des Hungerstreiks gehört?

Prof. Dr. R[auschke]:

Habe ich Sie recht verstanden: von den Ursachen des Hungerstreiks.

Angekl. Baa[der]:

Ja, und von seinen Zielen?

Prof. Dr. R[auschke]:

Es ist akustisch nicht richtig angekommen.

Vors.:

Es ist eine Frage, die wohl außerhalb ihres Sachgebietes liegt:

Ob Sie von den Ursachen des Hungerstreiks gehört hätten.

Angekl. Baa[der]:

Und den Zielen.

Vors.:

Die Ziele sind wohl für den Herrn Sachverst. weniger wichtig. Aber ob Sie die Frage gehört haben, ist wohl im Zusammenhang noch zulässig.

Prof. Dr. R[auschke]:

Ich habe davon in der Zeitung gelesen.

[1126] Für mich ist wohl nur wichtig, daß ein Hungerstreik stattgefunden hat; daß dieser Hungerstreik das Ergebnis einer starken Abmagerung hatte; und wichtig wäre noch, wie lange dieser Zustand gedauert hat. Aber das wäre ja den Unterlagen zu entnehmen.

Angekl. Baa[der]:

Also, ich möchte Ihnen die Ursachen, den Anlaß des Hungerstreiks hier kurz vorhalten.

Es drehte sich dabei um die Haftbedingungen, d. h. es drehte sich um die zerstörenden Auswirkungen einer bestimmten Haft...

Vors.:

Kein Zusammenhang mit den Fragen an den Herrn Sachverst.

Angekl. Baa[der]:

Doch. Ich möchte ... Ich möchte. Kann ich den Zusammenhang herstellen?

Vors.:

Nein, Herr Baa[der].

Angekl. Baa[der]:

Der Zusammenhang ist folgender:

Ich möchte Herrn Prof. Dr. Rauschke fragen, ob er der Ansicht ist, in diese Kommission, also das Konzept dieser Kommission, die er hier entworfen hat, auch einbezogen werden sollten Ärzte, die ... oder Wissenschaftler, die sich mit Isolationsforschung befaßt haben?

Vors.:

Bitte. Diese Frage kann sofort beantwortet werden.

Prof. Dr. R[auschke]:

Das halte ich für möglich, daß man Ärzte auch von diesem Fachgebiet einschaltet.

Angekl. Baa[der]:

Denn es ist tatsächlich so, daß z.B. dieses Pfeifen in den Ohren nicht nur bei mir auftauchte, sondern - soweit wir wissen - bei inzwischen sieben Gefangenen, die längere Zeit, mehrere Jahre unter diesen Haftbedingungen leben.

Also, es besteht doch bestimmt ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen diesem Symptom des Pfeifens in den Ohren und der Gleichgewichtsstörungen, die offenbar damit zusammenhängen und den Haftbedingungen.

[1127] Vors.:

Die Frage ist beantwortet. Der Herr Prof. hat die Schlußfolgen gezogen. Er sagte:

Er halte es für möglich ...

Angekl. Baa[der]:

Ja. Für möglich ist etwas wenig korrekt, weil die Möglichkeit, was die Leute ...

Vors.:

Ja, Herr Baa[der], dann fragen Sie doch in dieser Richtung ... wenn Sie das verdichtet haben wollen, aber nicht immer diese Erklärungen dazu. Die sind ganz unnötig. Also ich kann die Frage übernehmen:

Halten Sie’s für notwendig?

Prof. Dr. R[auschke]:

Herr Baa[der], ich habe ja gesagt, die lange Haft könnte psychische Auswirkungen gehabt haben, und da sich das Ganze auf diesem Gebiet - auf der Isolation usw. - erstreckt und das von Ihnen jedenfalls geltend gemacht wird, wäre ich der Meinung, daß man Gutachter mit entsprechenden Erfahrungen und wissenschaftlichen Qualifikationen in diese Untersuchung einbezieht.

Ich gehöre sicherlich nicht dazu, denn ich kenne diesen Wissenschaftszweig nicht, und ich bin auch nicht über die einschlägige Literatur informiert.

Angekl. Baa[der]:

Dann wellte ich Sie noch fragen:

Verstehe ich Sie richtig, wenn Sie sagen,

nach dem, was Sie jetzt hier erfahren haben und nach der Information durch die Öffentlichkeit über Isolation, halten Sie die Zuziehung eines Wissenschaftlers oder von Ärzten, die mit der Isolationsforschung befaßt sind, für notwendig?

Prof. Dr. R[auschke]:

Halte ich für zweckmäßig oder notwendig, wie man’s nennen will, ja.

Vors.:

Keine Fragen mehr Herr Baa[der].

Herr Dr. He[ldmann], sind Sie am Ende mit den Fragen?

[1128] RA Dr. He[ldmann]:

Ich hatte mich mit diesem Komplex auch noch befassen wollen mit meinen Fragen. Aber das hat ja Herr Baa[der] mir abgenommen, und es reicht mir die Antwort des Herrn Sachverst., daß er die Zuziehung von Isolationsforschern, um es auf Kurzformel zu bringen, für zweckmäßig und - wie er zuletzt sagte - sogar notwendig hält.

Jetzt aber bitte eine letzte Frage - Herr Prof. R[auschke], damit komme ich auf Ihre erste Antwort auf die Frage des Herrn Vors. zurück -, nämlich nach dem Begriff der Verhandlungsfähigkeit, und da haben Sie zu Anfang geantwortet:

Verhandlungsfähigkeit bedeutet, sich in verständiger Weise äußern zu können.

Ist dieser Begriff nach unserer Erörterung heute nicht erweiterungsbedürftig? Reicht es also aus für die ... die Verhandlungsfähigkeit zu bejahen, wo verständig sich geäußert werden kann oder ist nicht vielmehr erforderlich, um Verhandlungsfähigkeit zu bejahen, daß man auch der Verhandlung voll und ganz geschlossen folgen kann?

Prof. Dr. R[auschke]:

Das ist völlig richtig.

RA Dr. He[ldmann]:

Danke schön.

Vors.:

Herr RA v[on] Pl[ottnitz].

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Herr Sachverst., an welchen Sitzungstagen waren Sie anwesend?

Prof. Dr. R[auschke]:

Ich kann es nicht auswendig sagen und bitte deshalb, dies aus dem Protokoll festzustellen.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Wie viele Sitzungstage waren es?

Prof. Dr. R[auschke]:

Meines Wissens waren es drei halbe Sitzungstage.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Erinnern Sie sich, ob im Verlaufe Ihrer Anwesenheit etwa der Herr Raspe etwas erklärt hat?

[1129] Prof. Dr. R[auschke]:

Der Herr Raspe hat nur heute etwas erklärt.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Hat also nichts erklärt zur Zeit Ihrer früheren Anwesenheit?

Prof. Dr. R[auschke]:

Nein.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Herr Sachverst., Sie haben erklärt, daß, und zwar auf die Frage des Vors., nach Bedenken im Zusammenhang der Fortsetzung der Hauptverhandlung jetzt, daß für Sie Hinweise nicht gegeben seien, die also die Fortsetzung jetzt in Frage stellen könnten. Andererseits haben Sie gesagt, daß alles, was Sie hier sagen, mit einem großen Unsicherheitsfaktor behaftet ist mangels meßbarer Befunde, so haben Sie sich, glaube ich, ausgedrückt.

Ist es möglich, daß im Falle der Fortsetzung jetzt, bevor meßbare Befunde vorliegen, die Verhandlungsfähigkeit beeinträchtigt ist, möglicherweise gar nicht vorhanden ist; oder halten Sie es für möglich, daß, wenn jetzt fortgesetzt wird und zu einem späteren Zeitpunkt Untersuchungen in der von Ihnen vorgeschlagenen Weise durchgeführt werden, festgestellt wird, daß die Verhandlungsfähigkeit in einem Maße beeinträchtigt oder ausgeschlossen war, das Sie jetzt - zum Zeitpunkt Ihrer jetzigen Vernehmung und auf der Grundlage Ihrer Beobachtungen - nicht feststellen konnten?

Prof. Dr. R[auschke]:

Ich möchte nicht sagen, daß ich es für möglich halte, aber ich halte es auch nicht für unmöglich, weil ich ja gar nicht weiß, was bei diesen Untersuchungen herauskommt; und Sie haben völlig recht, der Herr Raspe hat nichts gesagt - ich hab’s ja auch betont -, Frau Meinhof hat, solange ich hier bin, überhaupt kein Wort gesprochen. Ich kann also in diesem Bereiche gar keine Äußerung machen, und ich wiederhole, meine Beurteilungsgrundlage ist äußerst schmal. Es bezieht sich nur auf das, was ich entgegengenommen habe. Daraus haben sich keine greifbaren Hinweise ergeben, daß ich etwa sagen müßte:

Der ist bestimmt und ab sofort und total verhandlungsunfähig. Das ist das einzige, was ich sagen kann im Augenblick.

[1130] RA v[on] Pl[ottnitz]:

Müßten Sie dann nicht aus Ihrer ärztlichen Sicht zu der Empfehlung - weil Sie ja dem Senat auch eine andere Empfehlung gegeben haben - zu der Empfehlung gelangen, die Hauptverhandlung erst dann fortzusetzen, wenn die Frage der Verhandlungsfähigkeit oder der partiellen Verhandlungsfähigkeit durch entsprechend sichere Befunde zweifelsfrei geklärt ist?

Prof. Dr. R[auschke]:

Das müßte ich wohl erst dann tun, wenn ich selbst während der Zeit meiner Anwesenheit hier Anzeichen bemerkt hätte, die dazu zwingen; oder wenn ich aus dem, was mir gesagt würde, [l] über den bisherigen Verlauf der Verhandlung, wenn mir Informationen zuteil geworden wären, die mich dazu zwingen. Das ist aber bisher nicht der Fall gewesen.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Würden Sie als eine solche Information etwa nicht das ansehen, was hier zur Frage des Gewichts bzw. Untergewichts des Herrn Baa[der] gesagt wurde?

Prof. Dr. R[auschke]:

Nein. Das würde ich nicht ansehen. Ich meine, es gibt viele Leute mit Untergewicht. Ich habe manche Leute mit Untergewicht untersucht und die Frage der Verhandlungsfähigkeit beantworten müssen und durchaus nicht immer, wenn überhaupt, eine Verhandlungsunfähigkeit bejahen müssen.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Welche Beobachtungen müßten Sie denn hier gemacht haben, um jetzt schon sagen zu können, die Fortsetzung der Hauptverhandlung würde nicht zu vertreten sein. Wie müßten diese Beobachtungen beschaffen sein?

Prof. Dr. R[auschke]:

Da gibt es die verschiedensten Möglichkeiten, nur kann ich ja hier nicht alle konstruieren.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Konstruieren Sie mal eine.

Prof. Dr. R[auschke]:

Nein.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Ich will wissen, von welchen Kriterien in Zusammenhang mit Ih- [1131] ren Beobachtungen machen Sie die Existenz von Hinweisen oder die Nichtexistenz von Hinweisen dafür abhängig, daß im jetzigen Zeitpunkt die Verhandlungsfähigkeit beeinträchtigt ist oder nicht beeinträchtigt ist?

Prof. Dr. R[auschke]:

In körperlicher Hinsicht würde ich eine Verhandlungsunfähigkeit dann als jetzt schon gegeben bezeichnen, wenn etwa einer der Angekl. Schwächezustände hätte, sich nicht halten könnte, dauernd um Pausen bitten müßte, wenn etwa ein Angekl. mal losgelöst von diesem Verfahren über starke unerträgliche Schmerzen klagen würde und sagen würde: Ich kann mich nicht auf die Verhandlung konzentrieren; oder wenn sich bei Beantwortung von Prozeßfragen, Stellen von Anträgen usw. zeigen würde, daß hier mangelnde ... eine so erhebliche mangelnde psychische Leistungsfähigkeit, Unkonzentriertheit usw. vorliegt, daß dies zum Nachteil des Angekl. deutlich in Erscheinung treten würde.

Derartiges habe ich aber mit den Einschränkungen, Herr Raspe und Frau Meinhof - ich sagte es schon - bei den Äußerungen, die bisher getan wurden, nicht feststellen können.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Also bei Herrn Ra[spe] und Frau Me[inhof] können Sie überhaupt nichts sagen?

Prof. Dr. R[auschke]:

Ich bin gerne bereit zu wiederholen, was ich schon sagte. Von Herrn Ra[spe] habe ich heute ja die Stellungnahme, den Antrag, gehört. Er möchte gern die dienstliche Äußerung des Herrn Vors. vorher einsehen. Ich habe also Herrn Ra[spe] heute zum ersten Mal reden gehört; Frau Me[inhof] habe ich nicht reden gehört, und die entsprechenden Einschränkungen, die daraus notwendig sind, habe ich bereits betont.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Ich darf dann bitten, den Herrn Baa[der], und zwar gerade im Zusammenhang, wo mit dem Phänomen, die der Sachverst. angesprochen hat, eine Frage stellen zu lassen. Oder Herr Ra[spe] ...

[1132] Angekl. Baa[der]:

Ich frage Sie ...

Vors.:

Augenblick mal.

Bitte, wer hat jetzt im Augenblick das Fragerecht?

Angekl. Baa[der]:

Naja. Es ist so, daß Jan eine Frage hat und daß ich eine Frage hab.

Vors.:

Ja, bitte. Aber dann sollten Sie sich zu Wort melden. Darum geht’s hier.

Angekl. Baa[der]:

Ja. Das ist doch grade geschehen.

Vors.:

Nein. Das ist nicht geschehen. Sie haben sich das Wort genommen.

Angekl. Baa[der]:

Das kann ich gar nicht.

Vors.:

Sie haben’s weitergegeben, Herr v[on] Pl[ottntiz], höre ich gerade.

Herr Baa[der], ja. Bitte, die Frage.

Angekl. Baa[der]:

Sie sagen also, Schwächezustände sind für Sie nicht sichtbar. Naja, aber das ist doch nun möglich nach dem, was Ihnen hier schon vorgehalten worden ist, daß diese Schwächezustände überhaupt nicht sichtbar sind aus einer Entfernung von sechs Metern, und, wie Sie selbst sagen, ohne irgendeinen anderen Eindruck als den visuellen.

Prof. Dr. R[auschke]:

Ich verstehe Ihre Fragen rein akustisch nicht.

Können Sie sie nochmals wiederholen?

Angekl. Baa[der]:

Na. Sie haben gesagt:

Sie konnten keinen Schwächezustand bisher feststellen.

Prof. Dr. R[auschke]:

Ja.

[1133] Angekl. Baa[der]:

Aber das bedeutet doch konkret nicht, weil Sie ja keine andere Möglichkeit haben, überhaupt zu Feststellungen zu kommen, als aus 6 m Entfernung jemanden anzusehen, ...

Prof. Dr. R[auschke]:

Ja. Das ist richtig.

Angekl. Baa[der]:

... das bedeutet doch konkret nicht, daß er nicht besteht. Vielleicht ist es ein Charakteristikum dieser besonderen Art von Schwäche, daß ebengerade keine Äußerungen von den Angekl. kommen; daß sie von ihrem Erklärungs- bzw. Fragerecht keinen ... grade keinen Gebrauch machen. Also da würde ich doch sagen, daß Ulrike oder Gudrun oder auch Jan von ihrem Frage- und Erklärungsrecht wenig Gebrauch machen.

Ich verstehe nicht, warum Sie ... wie Sie dazu kommen, daraus den Schluß zu ziehen, darin wäre kein Schwächezustand sichtbar. Mir scheint das Gegenteil richtig.

Prof. Dr. R[auschke]:

Kein relevanter Schwächezustand, Herr Baa[der], aus der Erfahrung ...

Angekl. Baa[der]:

Bitte?

Prof. Dr. R[auschke]:

Augenblick, darf ich zu Ende reden, ja?

Aus der Erfahrung im Gerichtssaal in Jahrzehnten weiß man, daß Schwächezustände, die so erheblich sind, daß sie die Verhandlungsfähigkeit in Zweifel setzen, dann auch als echte Beschwerde geäußert werden, daß also das Gericht und der beobachtende Gerichtsarzt mit der Situation konfrontiert wird, und das ist bisher - solange ich jedenfalls hier war - nicht aufgetreten.

Angekl. Baa[der]:

Naja. Dann darf ich Ihnen vorhalten, daß das falsch ist, denn schon bereits am 2. Verhandlungstag ist - soviel ich weiß - festgestellt worden, daß die Gefangenen zeitweise der Verhandlung nicht konzentriert folgen können und daß sie von ihrem Erklärungs- und Fragerecht zumindest nachmittags nicht in vollem Umfang Gebrauch machen können.

[1134] Vors.:

Soll das eine Frage an den Herrn Sachverst. sein, Herr Baa[der]?

Er kann damit sicher nichts anfangen, da er nicht dabei war. Im übrigen: Ich weiß nicht, wo diese Feststellung getroffen worden ist.

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Vors., es war ein ganz eindeutiger Vorhalt, der zulässig ist, und die Wirkung dieses Vorhalts haben Sie durch Ihre wirklich nicht provozierte Zwischenschaltung verwischt. Also, ich bitte Sie ...

Vors.:

Es ist ganz seltsam, Herr RA Dr. He[ldmann], daß, wenn die Verhandlungsleitung hier ein Eingreifen gebietet, beispielsweise bei Abschweifungen, beispielsweise bei Beleidigungen, dann wird der Vorwurf erhoben und leider Gottes auch in weiter Beziehung so verstanden, es würde zerhackt. Ich habe nicht die mindeste Absicht, irgendeine Wirkung einer Frage zu zerstören oder etwas zu zerhacken; bloß dieser Vorhalt ist eine Behauptung, die dem Gericht vollkommen fremd ist. Wir haben nirgends am 2. Verhandlungstag - jedenfalls, soweit ich mich zurückerinnere daß irgendwann die Feststellung getroffen worden sei, die Angekl. könnten nicht mehr; es ist die Behauptung aufgestellt worden.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich habe Ihnen selbstverständlich keine Absichten unterstellt, sondern ich habe von der Wirkung gesprochen, die Ihre Unterbrechung jetzt gehabt hat.

Ich bitte, Herrn Baa[der] den Vorhalt wiederholen zu dürfen.

Ich selbst kann aus eigener Erinnerung sagen, daß in meiner Gegenwart Frau Me[inhof] gesagt hat zu Beginn einer Nachmittagssitzung:

Ich kann der Verhandlung nicht mehr folgen.

Vors.:

Ja. Das ist keine Feststellung; das war damals die Behauptung von Frau Me[inhof], das sagte ich ja ausdrücklich.

RA Dr. He[ldmann]:

Und das als Vorhalt hat Herr Baa[der] eben dem Herrn Sachverst. vorgehalten.

[1135] Vors.:

In dieser Form, daß die Angekl. das geltend gemacht hätten.

Das ist richtig. Das wird ja auch nicht bestritten.

Da hatten wir ja dann Herrn Dr. Henck deswegen geholt, nicht?

RA Rie[del]:

Aber, Herr Vors., in diesen Zusammenhang muß dann auch erwähnt werden, daß wirklich klar ist hier, daß Herr Dr. Henck gesagt hat, er hegt keine Zweifel daran, daß das, was die Mandanten sagen - also, das hat ja nicht nur Frau Me[inhof] geäußert, sondern auch andere Angekl. -, daß das zutrifft. Er hatte[m] keine Bedenken, das als zutreffend zu bezeichnen. Das muß in diesen Zusammenhang ja auch erwähnt werden.

Vors.:

Herr Dr. Henck hat gesagt, er glaube nicht, daß simuliert werde, aber er hat die volle Verhandlungsfähigkeit auch in diesem späten Zeitpunkt, als wir damals die Verhandlung geführt haben, bejaht in Ihrer Gegenwart.

Jetzt, Herr Baa[der], machen Sie Ihren Vorhalt.

RA Dr. He[ldmann]:

Verzeihung. Ich muß richtigstellen, damit’s nicht so ...

Sie haben eben nämlich behauptet in Gegenwart des Sachverst. Herrn Prof. Rauschke, was ich für eine unzulässige Aussage halte, Herr Vors., ein anderer Sachverst. hätte - und das ist unsere Beweisfrage hier - hätte die Verhandlungsfähigkeit uneingeschränkt bejaht. Darin kann eine sicher unbeabsichtigte Beeinflussung dieses Sachverst. liegen, und darum erlauben Sie mir, daß ich eine solche Äußerung des Vors. als für unzulässig erkläre.

Richtig ist hingegen, daß als letzte Aussage der Herr Dr. Henck gesagt hatte:

Ja, es ist möglich, daß die Angekl. zeitweise verhandlungsunfähig sind.

So meine wörtliche Niederschrift vom 2.7.75.

Vors.:

Herr RA Dr. He[ldmann], ich bezog mich auf diesen Verhandlungstag, als zum ersten Mal die Verhandlungsfähigkeit geltend gemacht wurde. Hier hatte Herr RA Rie[del] gesagt:

[1136] Herr Dr. Henck habe gesagt, das, was die Angekl. sagten, träfe zu.

Diese Darstellung stimmt nicht. Deswegen habe ich Sie berichtigt. Es war weder beabsichtigt - wie Sie ja selbst konzipieren - irgendeinen Einfluß auf die Meinung des Herrn Sachverst. auszuüben, abgesehen davon, daß ich überzeugt bin, daß dies auch nicht gelingen würde. Ich will’s nicht. Ich habe nur richtiggestellt, was Herr RA Rie[del] in dieser Form darstellte und was eben nicht zutraf,

und da sagte ich: Herr Dr. Henck hat sich so und so geäußert. Das war ja wohl zwangsläufig eine Richtigstellung.

Aber wir wollen jetzt doch zum Vorhalt kommen.

Herr Baa[der], bitte.

Angekl. Baa[der]:

Naja. Also, Sie haben jetzt gehört, daß die eingeschränkte Verhandlungsfähigkeit bzw. Verhandlungsunfähigkeit von den Gefangenen hier geltend gemacht worden ist an einem der ersten Verhandlungstage,

und Sie haben vorhin gesagt,

in anderen Verhandlungen würde, wenn Schwächezustände bzw. der subjektive Eindruck - das würde ich doch annehmen - eingeschränkter Verhandlungsunfähigkeit bzw. Verhandlungsfähigkeit geltend gemacht wird, dann würden entsprechende Veranlassungen vom Gericht getroffen.

Die Tatsache ist hier - das wollte ich Ihnen nochmals vorhalten -, daß also eingeschränkte Verhandlungsfähigkeit geltend gemacht worden ist und daß es keine Veranlassung des Gerichts zu dieser Frage gab bisher. Das ist die Situation.

Prof. Dr. R[auschke]:

Das kann ich nachträglich natürlich jetzt schlecht beurteilen. Aber daß Frau Me[inhof] beispielsweise an einer Nachmittagssitzung gesagt hat:

Ich kann der Verhandlung heute nicht folgen.

Das halte ich für durchaus möglich.

Es gibt ja im Wohlbefinden eines jeden Menschen Fluktuationen und Schwankungen.

[1137] Im übrigen möchte ich noch nachtragen zu Herrn Raspe und Frau Meinhof. Ich habe die beiden zwar nicht sich äußern hören, außer Herrn Raspe heute. Aber an dem ersten Vormittag, an dem ich hier anwesend war, ist von Herrn RA Sch[ily] die Begründung des Ablehnungsantrages verlesen worden. In dieser Zeit habe ich die Angekl. beobachtet und sehen können, daß sie sehr ausführliche Gespräche führten, an denen sie alle rege beteiligt waren, was natürlich auch gewisse Rückschlüsse ermöglicht, und dabei habe ich keine Anzeichen beobachten können.

Ich wollte nur erwähnen, daß ich meine ganze Stellungnahme ... daß ich in meine Stellungnahme auch diesen Komplex miteinbeziehe. Deshalb ändert sich aber an der Bewertung nichts.

Vors.:

Herr Raspe.

Angekl. Ra[spe]:

Naja. kommt Ihnen das nicht sehr fragwürdig vor, was Sie feststellen jetzt angesichts der Tatsachen, die Sie natürlich auch kennen, nämlich angesichts der Tatsache von drei Jahren Isolation wollen Sie also aus einer - ich wiederhole das einfach nochmals - aus einer Entfernung von einigen Metern aus der Kenntnis oder aus der Zurkenntnisnahme, daß da zwei Leute sitzen, die sich unterhalten, so gravierende Entscheidungen treffen ... so gravierende Feststellungen treffen?

Prof. Dr. R[auschke]:

Aber Herr Raspe.

Angekl. Ra[spe]:

Das muß Ihnen ungeheuer fragwürdig vorkommen, zumal, wenn ich Ihnen jetzt noch dazusage, daß z. B. Herr Henck über die Tatsache, daß ich bei der letzten ... an dem letzten Verhandlungstag, an dem er hier befragt worden ist, überhaupt an ihn Fragen gestellt habe, sich gewundert hat, d. h. mit anderen Worten: Er hat sich darüber gewandert, daß diese Isolation nach drei Jahren immer noch nicht voll gefaßt hat. Daß also immer noch offensichtlich die Fähigkeit vorhanden ist - wenn auch weniger - aber immer noch die Fähigkeit vorhanden ist, einige Fragen zu stellen. Das war seine [n] Formulierung.

[1138] Prof. Dr. R[auschke]:

Also, Herr Ra[spe], Sie fragen mich, ob nicht die Art und Weise, auf welcher Grundlage ich Sie beurteile, nicht fragwürdig ist. Sie nennen das fragwürdig. Ich stimme Ihnen völlig zu.

Ich habe von Anfang an gesagt, daß ich wenig kompetent bin, irgend etwas anzugeben.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Herr Baa[der], bitte.

Vors.:

Aber ich bitte jetzt, doch möglichst die Fragen so zu stellen, daß der Herr Sachverst. nicht sich ständig wiederholen muß; denn alles das, was jetzt gekommen ist, sind nur Bestätigungen dessen, was bereits gesagt ist.

Wer will jetzt fragen, Herr RA v[on] Pl[ottnitz] hat sich wohl zuerst gemeldet?

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Herr Baa[der], bitte.

Angekl. Baa[der]:

Ja. Dann würde ich doch sagen, Herr R[auschke], warum stellen wir nicht einfach Ihre Inkompetenz fest, weil Sie keine konkreten Ergebnisse haben, weil Sie keine Hintergrundinformationen haben, weil Sie keine Untersuchungen machen können und erklären sich also hier als inkompetent als Gutachter.

Das verstehe ich nicht.

Prof. Dr. R[auschke]:

Ja, Herr Baa[der], so einfach darf ich’s mir glaube ich nicht machen.

Ich muß meine Inkompetenz da betonen, wo es erforderlich ist, und das habe ich auch getan, und die schmale Aussagemöglichkeit, die mir zur Verfügung steht, die muß ich auch machen als Sachverst. bin ich nämlich verpflichtet, alles zu sagen, was ich aufgrund der mir zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen aussagen und beurteilen kann und das ist geschehen mit allen Einschränkungen und mit allen Einschränkungen, vor allen Dingen hinsichtlich meiner Kompetenz.

[1139] Angekl. Baa[der]:

Ich stelle Ihnen gegenüber also jetzt nochmals fest ...

Vors.:

Herr Baa[der], wir haben in Augenblick Fragerecht, keine Feststellung.

Herr RA Dr. He[ldmann] hat eine Frage.

Angekl. Baa[der]:

Es ist ein Vorhalt. Wir haben keinen Gebrauch ...

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Baa[der] hat einen Vorhalt an den Herrn Sachverständigen.

Vors.:

Das ist auch nicht das Richtige jetzt. Er hat Fragen zu stellen. Bitte jetzt doch endlich mal die Regeln einzuhalten.

Angekl. Baa[der]:

Dazu muß ich nochmals auf nen Teil der Befragung zurückkommen, der an sich schon abgeschlossen ist, nämlich zu der Frage, die Herr v[on] Pl[ottnitz] vorhin gestellt hat.

Ja. Ich stelle also nochmals fest:

Wir haben einmal gesagt, d. h. auch von den Verteidigern hier mitteilen lassen, daß wir uns nicht für verhandlungsfähig halten, und haben dann in diesem Zusammenhang nochmals den Antrag gestellt auf die Untersuchung durch Ärzte unserer Wahl, d. h. durch von Vollzug unabhängige Ärzte; denn es ist doch ... ich halte es für ein vollkommen absurdes Verfahren, daß man Ihnen hier also permanent Symptome vorhält, die auf Verhandlungsunfähigkeit hinweisen, und Sie dann sozusagen daraus zu einer Diagnose kommen sollen während der Zeugenvernehmung.

Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß das das übliche Verfahren ist.

Vors.:

Herr Baa[der], Ihre Frage.

Angekl. Baa[der]:

Die kommt noch.

Jetzt haben ... In diesem Zusammenhang sind Ihnen aber jetzt nochmals Symptome vorgehalten worden konkret von der Verteidigung und auch von uns, und ich frage Sie jetzt nochmals, [1140] ob Sie bei der Feststellung bleiben, daß die Gefangenen, also, daß es für Sie keine Hinweise gibt, daß die Gefangenen zu diesem Zeitpunkt überhaupt in der Hauptverhandlung verhandlungsunfähig sind.

Prof. Dr. R[auschke]:

Herr Baa[der], Sie begannen Ihre Frage mit der Feststellung: Ich hätte gesagt, daß Sie verhandlungsfähig sind.

Das habe ich gar nicht gesagt. Ich habe nur gesagt, daß ich aus der bisherigen Beobachtung keine Anzeichen einer Verhandlungsunfähigkeit festgestellt habe. Das ist etwas ganz anderes.

Ich würde nie sagen: Der Herr Baa[der] ist verhandlungsfähig. Punkt, aus, Schluß. Daher ja auch die Anregung der Untersuchungen.

Und ich muß wiederholen, was ich schon gesagt habe: Es mag sein - und es wird auch so sein -, daß hin und wieder Zustände auftreten, in denen man sich nicht so wohlfühlt. Aber nach dem, was ich bisher beobachtet habe, sind keine Anzeichen vorhanden, die mich dazu zwingen, dem Gericht zu raten, im Augenblick von einer Verhandlungsunfähigkeit von Ihnen vieren auszugehen.

Angekl. Baa[der]:

Da habe ich noch ’ne Frage dazu:

Das widerspricht aber Ihren Kriterien zur Verhandlungsfähigkeit, die Sie selbst angegeben haben. Sie haben nicht[o] gesagt: Verhandlungsfähig ist jemand, wenn sein subjektives Wohlbefinden in Ordnung ist, sondern Sie haben gesagt: Verhandlungsunfähigkeit liegt vor, wenn jemand der Verhandlung nicht folgen kann und wenn jemand von seinem Erklärungs- und Fragerecht nicht Gebrauch machen kann.

Die Frage des Wohlbefindens war gar nicht Gegenstand der Frage hier, und uns geht es auch nicht um unser Wohlbefinden in diesem Zusammenhang. Das wäre wirklich banal. Sondern es geht um die Tatsache, daß wir sagen: Unsere Fähigkeit, von unserem Frage- und Erklärungsrecht in dieser Verhandlung Gebrauch zu machen, ist dadurch einge- [1141] schränkt ... ist durch unseren Zustand eingeschränkt, durch die Konzentrationsschwäche und auch die Schwächezustände, die vor allen nachmittags und in Verlauf dieser drei aufeinanderfolgenden Verhandlungstage kumulieren.

Reg. Dir. Wi[dera]:

Herr Vorsitzender, ... den Angekl. Baa[der] liegende Frage ...

Vors.:

Herr B. Anw., ich erteile Ihnen damit das Wort.

Wir wollen die Regel einhalten, sonst kann ich nun wirklich mit der Verteidigung nicht zu Streich kommen.

Ich bitte.

Reg. Dir. Wi[dera]:

Pardon.

Die von den Angekl. Baa[der] vorliegende Frage ist wiederholt beantwortet worden. Ich bitte, jetzt diese Frage nicht mehr zuzulassen.

Vors.:

Herr B. Anw., vielleicht darf ich Sie darauf hinweisen, daß für das Gericht auch wesentlich ist, daß nun der Herr Sachverst. - ich möchte damit aber Herrn Baa[der] nicht abhalten - ein gewisses Anschauungsmaterial bekommt, ob die Angekl. Imstande sind, sich zu erklären, die Erklärungen des Herrn Sachverst. Verständig zu würdigen.

Ich meine, es ist die beste Gelegenheit, die der Herr Sachverst. Hat, jetzt im Augenblick dieses Wechselgespräch mit Herrn Baa[der] zu beurteilen, ob dieser Angekl. In diesem Zeitpunkt verhandlungsunfähig ist. Warum sollen wir das unterbinden?

Reg. Dir. Wi[dera]:

Deswegen, Herr Vors., habe ich so lange gewartet, um dem Herrn Sachverst. Diese Gelegenheit zu geben; denn der Herr Sachverst. Selbst hat ja jede Antwort beinahe eingeleitet mit den Worten, daß er es schon mal vorher erklärt habe.

Und ich komme erst jetzt damit.

Vors.:

Gewiß, gewiß.

Herr RA Sch[ily], bitte.

[1142] RA Sch[ily]:

... Fragen gestellt werden. Das kann ja sein, daß er seinerseits diese Auffassung vertritt. Das wäre ja hochinteressant, wenn er das hier zu Protokoll geben will.

Prof. Dr. R[auschke]:

Ich kann Sie leider nicht verstehen, Herr RA.

Vors.:

Darf ich jetzt fragen.

RA Sch[ily]:

Ich habe mich hier seit etwa einer halben Stunde gemeldet. Aber ich bitte, selbstverständlich muß da keine Reihenfolge eingehalten werden. Aber wenn vielleicht zur Kenntnis genommen wird ...

Vors.:

Doch, es wird eine eingehalten.

Aber, Herr RA, ich meine, Sie haben ...

RA Sch[ily]:

Nur, daß es zur Kenntnis gelangt, Herr Vors., daß ich mich gemeldet habe wie gesagt.

Vors.:

Wenn Sie eine Frage jetzt haben, bitte gerne.

RA Sch[ily]:

Ich habe Fragen, falls also die Fragen von Herrn Baa[der] jetzt abgeschlossen sind. Ich weiß nicht. Gut.

Also, Herr Prof. Rauschke, wenn ich das richtig mitbekommen habe, dann sehen Sie ja die Verhandlungsfähigkeit nicht so als ein ...

Welche Frage ist nicht beantwortet?

Angekl. Enss[lin]:

Die Frage ist nicht beantwortet.

Vors.:

Das ist richtig, Herr Prof. Rauschke hatte keine Gelegenheit, auf den Vorhalt, wollen wir mal so sagen, von Herrn Baa[der] zu reagieren.

RA Sch[ily]:

Richtig. Es war durch Herrn Wi[dera] abgeschnitten.

[1143] Vors.:

Wir sind der Meinung, es ist eine Vereinfachung zu sagen:

Können Sie diesen Vorhalt beantworten? Ist Ihnen der Sinn ganz klargeworden?

Prof. Dr. R[auschke]:

Akustisch habe ich dies nicht mitbekommen.

Angekl. Baa[der]:

Das war nicht ein Vorhalt, das war eine Frage, und die Frage ist natürlich berechtigt, sie ist insofern keine Wiederholung.

Vors.:

Herr Baa[der], wollen Sie - um Sie zu unterbrechen - sagen, Sie haben deswegen Schwierigkeiten, bei Ihren Befragungen wirklich bündige Antworten zu bekommen, weil Sie bis jetzt nicht imstande waren, Fragen so zu stellen, daß sie der Befragte aufnehmen kann. Sie machen viel zu lang an den Erklärungen, dann kommt die Frage.

Angekl. Baa[der]:

Das ist ja gerade das Problem.

Vors.:

Das ist das Problem, daß Sie sich kürzer fassen, ja?

Angekl. Baa[der]:

Ich frage ... die Frage war doch konkret, ob durch die neuen Tatsachen, die also jetzt hier auf den Tisch gekommen sind in der Verhandlung, also bestimmte Symptome, bestimmte Störungen der Gefangenen, nochmals die Feststellung ihres Zustands - zumindest die subjektive Feststellung ihres Zustands - ob das nicht möglicherweise, das, was Sie vorhin gesagt haben, ob Sie das nicht zwingt, das zu modifizieren, daß Sie keinerlei Anhaltspunkte haben, die auf Verhandlungsunfähigkeit hinweisen, die allerdings ... Sie haben natürlich auch keinen [1144] Anhaltspunkt, der auf Verhandlungsfähigkeit hinweist.

Das ist ja wohl das Problem.

Vors.:

Herr Baa[der], die Frage war ja wohl in sich abgeschlossen.

Haben Sie’s mitbekommen. Ich will sie Ihnen sonst erläutern.

Prof. Dr. R[auschke]:

Nein. Ich hab’s verstanden, glaube ich. Es sind keine neuen Symptome hinzugekommen, die an der bisherigen Schlußfolgerung etwas ändern.

Vors.:

Herr RA Sch[ily], Sie haben jetzt Ihre Fragen, bitte.

RA Sch[ily]:

Herr Prof. Rauschke, also wenn ich das richtig mitbekommen habe, dann sehen Sie ja die Verhandlungsfähigkeit nicht etwa so als ein kleines Segment - also meinethalben jetzt für ne halbe Stunde oder für ne Viertelstunde oder genau in dieser Minute - sondern korrekt so, daß sich die Verhandlungsfähigkeit als eine Leistungsfähigkeit ausdrücken muß für einen bestimmten Zeitraum, und Sie haben zugleich erklärt, daß die Verhandlungsfähigkeit anders zu beurteilen ist bei einem länger dauernden Prozeß, der über Monate, vielleicht sogar über Jahre hinaus sich erstreckt, als bei einem kurzen Termin in einer Verkehrssache, der vielleicht drei Stunden dauert. Habe ich Sie da richtig verstanden?

Prof. Dr. R[auschke]:

Ja, so habe ich’s ausgedrückt.

RA Sch[ily]:

Spielt dann nicht die Qualität - wenn dem so ist, wenn diese Voraussetzung richtig ist -, haben dann nicht Indizien für die Frage - also meinethalben Konzentrationsschwächen, die auftreten nach zwei Stunden Verhandlungsdauer oder der körperliche Zustand oder andere Störungen - haben diese Tatsachen nicht dann einen ganz anderen Indizwert als meinethalben bei einer zweistündigen Verkehrssache?

Prof. Dr. R[auschke]:

Unter Umständen haben sie das. Das läßt sich aber erst sagen, wenn man sie einordnen kann, und man kann sie nur einordnen, wenn eine gründliche Untersuchung durchgeführt worden ist.

[1145] RA Sch[ily]:

Davon gehe ich jetzt immer aus. Das ist für mich klar.

Das wollte ich zur Vermeidung von Wiederholungen eigentlich nicht mehr fragen, daß Sie sagen, an sich - und insofern auch abweichend von Dr. Henck - an sich eine verläßliche Aussage über Verhandlungsfähigkeit oder nicht, können Sie nur aufgrund entsprechender Untersuchungen machen.

So habe ich Sie doch richtig verstanden, nicht?

Prof. Dr. R[auschke]:

Ja. Sie haben mich zitiert und haben gefragt, ob ich... haben mit Recht wiederholt, daß ich für eine lange Verhandlungszeit strengere Maßstäbe angelegt haben möchte, und zugleich ist in Anbetracht einer langen Verhandlungsdauer mit einem großen zu bewältigenden Beweismaterial, auch meines Erachtens eine noch gründlichere Klärung der Verhandlungsfähigkeit, ärztliche Klärung erforderlich, als sonst im Regelfall.

RA Sch[ily]:

Ja. Ich will das vielleicht nochmal verdeutlichen:

Also, wir haben ja gehört, daß hier abnormes Schlafbedürfnis auftritt. Wenn man sich mal vergegenwärtigt, daß ja eine Beweisaufnahme und auch überhaupt eine Verhandlung ein einheitliches Ganzes darstellen soll, ohnehin also an die Konzentration und das Erinnerungsvermögen usw. große Anforderungen stellt, ist dann nicht die Tatsache, daß jemand, also in der Zwischenzeit meinethalben zwischen zwei Verhandlungstagen, eigentlich die ganze Zeit damit verbringen muß, um sich körperlich einigermaßen zu regenerieren, daß er also in einen Tiefschlaf versinkt und sich auf den nächsten Verhandlungstag eigentlich dann gar nicht vorbereiten kann, ein Indiz für mindest eingeschränkte Verhandlungsfähigkeit.

Prof. Dr. R[auschke]:

Das kann es sein.

RA Sch[ily]:

Das kann es sein.

[1146] Prof. Dr. R[auschke]:

Ob es im gegenwärtigen Fall so ist, vermag ich nicht zu sagen.

RA Sch[ily]:

Ja, gut. Nun haben wir aber gehört von Herrn Dr. Henck, daß die Mandanten hier keineswegs irgendwie simulieren, daß also da keinerlei Hinweise bestehen, daß simuliert wird. Wenn Sie jetzt mal davon ausgehen, daß das richtig ist, ein vermehrtes Schlafbedürfnis, ein abnorm vermehrtes Schlafbedürfnis, und Sie haben gesagt, das könnte ein Hinweis sein, wenn das richtig ist, nicht? Gut. Dann haben Sie doch jetzt eigentlich einen Hinweis auf eine Verhandlungsunfähigkeit oder eine beschränkte ...

Prof. Dr. R[auschke]:

Verhandlungsunfähigkeit ja sicherlich nicht, nicht?

RA Sch[ily]:

Naja. Verhandlungsunfähigkeit, aber jedenfalls eine Einschränkung der Verhandlungsfähigkeit.

Prof. Dr. R[auschke]:

Möglicherweise, wenn das Schlafbedürfnis dauernd so groß ist? Ein vermehrtes Schlafbedürfnis ist ja ein Zeichen der Rekonvaleszenz, und es mag damit zusammenhängen, daß die Abmagerung überwunden wurde und daß der Körper sich noch im Regenerationsstadium - wenn ich’s mal so nennen darf - befindet.

RA Sch[ily]:

Wenn ich Ihnen weiter jetzt vorhalte, daß nach der Mitteilung, die wiederum unwidersprochen geblieben ist, weil gesagt worden ist, daß keinerlei Anzeichen für Simulationen vorliegen, und wir sind ja in den ärztlichen Untersuchungen mitunter einfach auch auf das ärztliche Gespräch bzw. die ärztliche Exploration angewiesen, d. h. auch auf Mitteilungen des zu Untersuchenden bzw. des Patienten und müssen dann eben prüfen, ob das also ein ... ob man das als Angabe zugrunde legen kann. Wenn wir also hören von einem zu Untersuchenden, daß nach zwei Stunden Verhandlungsdauer die erhebliche Konzentrationsstörungen eintreten, so daß man also praktisch gar nicht [1147] mehr mitbekommt, was sich abspielt oder nur sehr ungenau, wäre das ein Hinweis auf eingeschränkte Verhandlungsfähigkeit?

Prof. Dr. R[auschke]:

Ja, das wäre ein Hinweis.

RA Sch[ily]:

Wäre dann schon der zweite.

Wenn Sie gleichzeitig hinzunehmen, daß also der körperliche Zustand in seiner Leistungsfähigkeit sehr stark reduziert ist in der Form, daß man meinethalben eben hier das Untergewicht - ein sehr starkes Untergewicht, wie ich annehmen würde, 22 Kilo Untergewicht ist ja kein Pappenstiel, wenn Sie mir diesen etwas saloppen Ausdruck erlauben - wäre das nicht ein dritter Hinweis?

Prof. Dr. R[auschke]:

Es sind ja Dinge, die miteinander verflochten sind.

RA Sch[ily]:

Ja natürlich, natürlich. Eines wirkt sich ... oder vermehrt vielleicht die Wirkung sogar des anderen.

Prof. Dr. R[auschke]:

Über die Abmagerung haben wir ja schon gesprochen und über ...

RA Sch[ily]:

Jaja. Ich meine nur, wenn Sie uns das vielleicht noch ... Wenn also mehrere Hinweise sind... da sind.

Nun habe ich Sie so verstanden, Herr Prof. Rauschke, daß Sie zunächst einmal gesagt haben: Ich kann weder das eine sagen, verhandlungsfähig noch das andere, das Gegenteil, verhandlungsunfähig, ja? Das hatten Sie doch so zum Ausdruck gebracht.

Und dann kam die Frage des Herrn Vors., ob Sie denn nun Bedenken haben, die Verhandlung fortzusetzen. Wie haben Sie denn eigentlich diese Frage verstanden? Heißt das also fortzusetzen auf unbegrenzte Zeit jetzt in dem üblichen Verhandlungsduktus, also vormittags drei Stunden, nachmittags zwei bis drei Stunden - drei Verhandlungstage - und das über möglicherweise halbes bis ein Jahr.

Haben Sie das so verstanden oder wie haben Sie das verstanden?

[1148] Prof. Dr. R[auschke]:

Das habe ich verstanden bis zu dem Zeitpunkt, da wir mehr sagen können auf der Grundlage ärztlicher Untersuchungsbefunde. Also - so habe ich’s verstanden - daß diese Interimszeit gemeint ist. Ich finde, eine Verhandlungsdauer von wöchentlich 15 Stunden ist eigentlich nicht übermäßig lang, verglichen mit anderen länger dauernden Verfahren.

RA Sch[ily]:

Ja nein. Ich meine jetzt - es geht ja hier nicht um Vergleiche mit anderen Verfahren, da wollen wir uns doch vielleicht, ich weiß nicht, mit welchen Verfahren Sie jetzt vergleichen? aber ist doch die Frage:

Was ist für Sie die Frist, wo Sie sagen, das ist unbedenklich?

Prof. Dr. R[auschke]:

Ich nehme an, daß der Senat bald Untersuchungen anordnen wird, und daß diese Untersuchungen ...

RA Sch[ily]:

Na, das sind doch jetzt Spekulationen.

Prof. Dr. R[auschke]:

Natürlich, ja,

RA Sch[ily]:

Wir wollen doch jetzt einmal ...

Prof. Dr. R[auschke]:

Ja, wer redet?

Wollen Sie mich meinen Satz ausreden lassen?

RA Sch[ily]:

Herr Prof. R[auschke], ich wollte nur bitten ...

Prof. Dr. R[auschke]:

Sie stellen eine Frage. Ich setze an, diese zu beantworten ...

Vors.:

Herr RA Sch[ily], es geht jetzt dem Herrn Prof. R[auschke] so - oder Ihnen beiden so wie uns beiden auch gelegentlich -, aber im Augenblick haben Sie ihn ja was gefragt. Lassen Sie bitte den Herrn Sachverst. antworten.

Prof. Dr. R[auschke]:n

Ich habe gerade zur Antwort angesetzt, dann müßte ich doch auch den Satz zu Ende reden dürfen. Sie haben mich nämlich gefragt, [1149] welche Zeit ich da etwa schätze, und dann habe ich grade sagen wollen, daß ich etwa so von der Vorstellung ausgegangen bin - dies ist sicherlich nicht verbindlich von der Zeitvorstellung daß der Senat Ärzte beauftragen wird, und daß diese Untersuchung etwa innerhalb von zwei Wochen stattfinden wird, und diese Interimszeit, davon bin ich bei meiner Beurteilung ausgegangen. Selbst wenn es drei Wochen sind, würde sich daran nichts ändern.

RA Sch[ily]:

Ja. Wie kommen Sie denn dann zu der Feststellung, daß Sie sagen, soll ich dann daraus entnehmen aus dieser Antwort, daß Sie sagen, für drei Wochen - im übrigen sind’s 21 Stunden, wenn man mal die Stunden zusammenrechnet; aber von den 15 Stunden müßten Sie doch vielleicht wegkommen -, aber soll ich denn aus dieser Antwort entnehmen, daß Sie sagen:

Für drei Wochen bestehen keine Bedenken, die Verhandlung fortzusetzen?

Prof. Dr. R[auschke]:

Innerhalb der drei Wochen bestehen - sofern das derzeitige Bild erhalten bleibt, durch das offenbar die Verhandlung seit ihrem Beginn, im Mai war es wohl, gekennzeichnet ist - seit Mai hat sich wohl in der Erscheinungsform der vier Angekl. nichts Wesentliches geändert und unter der Voraus...

RA Sch[ily]:

Moment. Woher nehmen Sie denn diese Kenntnis?

Prof. Dr. R[auschke]:

Und unter der Voraussetzung, daß ...

RA Sch[ily]:

Darf ich Sie mal unterbrechen?

Prof. Dr. R[auschke]:

Nein. Ich möchte mich nicht unterbrechen lassen. Ich möchte meinen Satz zu Ende reden.

RA Sch[ily]:

Nein. Wenn Sie sagen, es hat sich nichts Wesentliches geändert ...

Vors.:

Herr RA, Sie können die Frage anschließen. Der Herr Prof. hat jetzt das Recht, seine Antwort zu geben.

[1150] RA Sch[ily]:

Gut, bitte.

Prof. Dr. R[auschke]:

Unter der Voraussetzung, daß sich innerhalb der nächsten Zeit bis zum Abschluß der ärztlichen Untersuchungen ebenfalls nichts Wesentliches ändert, dafür gilt meine Beurteilung.

RA Sch[ily]:

Ja. Meine Zwischenfrage:

Haben Sie eigentlich auch Frau Enss[lin] reden hören?

Prof. Dr. R[auschke]:

Bitte?

RA Sch[ily]:

Haben Sie Frau Enss[lin] eigentlich reden hören?

Prof. Dr. R[auschke]:

Kurz, ja.

RA Sch[ily]:

Wie lange hat das ...

Prof. Dr. R[auschke]:

Ganz kurz.

Ich habe sie in wesentlichen beobachtet, als sie mit Herrn Baa[der], vornehmlich mit Herrn Baa[der] und Frau Mei[nhof] während der Verhandlung Gespräche führte, die ich natürlich ...

RA Sch[ily]:

Ja. Aber eine Erklärung von ihr haben Sie praktisch auch nicht gehört?

Prof. Dr. R[auschke]:

Nur eine kurze.

RA Sch[ily]:

Ja.

Nun sagen Sie, das hätte sich ... es[p] hätte sich im Befinden der Angekl. seit Beginn der Verhandlung nichts Wesentliches geändert. Wie kommen Sie denn zu dieser Feststellung?

Prof. Dr. R[auschke]:

Im äußeren Erscheinungsbild, so wie mir das vorgetragen wurde, und so, wie ich die Angekl. an den Tagen, an denen ich anwesend war, beobachtet habe, kann ich für einen deutlichen Wechsel keine Anhaltspunkte sehen.

[1151] RA Sch[ily]:

Von wem ist denn das vorgetragen worden?

Prof. Dr. R[auschke]:

An dem ersten Verhandlungstag, an dem ich hier erschien, und als ich den Auftrag erhielt, mich in die Verhandlung zu setzen und die Angekl. zu beobachten.

RA Sch[ily]:

Ja,[q] wer hat Ihnen denn da was vorgetragen über den bisherigen Verhandlungsablauf und die Erscheinungsformen der Angekl.?

Prof. Dr. R[auschke]:

Der Herr Richter Breucker hat mich fernmündlich aufgefordert zu erscheinen, und als ich beim ersten Mal hier war, hat er mir gesagt, daß ich die Angekl. beobachten solle, und er hat mich vorher informiert, daß die Angekl. sich miteinander unterhalten und daß man sie also[r] bei dieser Unterhaltung beobachten könne, und daß sie Prozeßerklärungen abgeben.

RA Sch[ily]:

Aha, aha.

Was ist Ihnen dann im einzelnen erzählt worden von Herrn Breucker?

Prof. Dr. R[auschke]:

Das, was ich grade sagte.

RA Sch[ily]:

Ja, können Sie uns das nochmals detailliert darstellen?

Wo hat die Unterredung stattgefunden, wie lange hat die Unterredung gedauert?

Prof. Dr. R[auschke]:

Die Unterredung hat hier auf dem Flur stattgefunden, und Herr Breucker sagte mir: Sie werden Gelegenheit haben, die Angekl. zu. beobachten.

Die Angekl. werden sich, wenn Anträge verlesen und begründet werden, haben sich bisher zum Teil rege unterhalten. Sie werden das ja dann selbst beobachten können.

Das etwa war der Inhalt der Information, die ich von Herrn Breucker bekommen habe.

RA Sch[ily]:

Und diese Feststellung haben Sie so einfach als ... auch zur Grundlage Ihrer heutigen Feststellungen gemacht?

[1152] Prof. Dr. R[auschke]:

Was Gegenteiliges ist mir nicht bekannt geworden.

RA Sch[ily]:

Ich bitte um eine kurze Pause von fünf Minuten.

Vors.:

Wird gestattet.

In fünf Minuten treffen wir uns wieder.

Pause von 10.55 Uhr - 11.25 Uhr.

Ende von Band 42.

In der Pause wurde Rechtsanwalt v. Plottnitz eine Ausfertigung des Beschlusses vom 4.7.1975 - Anlage 3 zum Protokoll - übergeben.

[1153] Fortsetzung der Verhandlung um 11.25 Uhr.

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort.

Soll ein Antrag gestellt werden?

RA Sch[ily]:

Ja.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Sch[ily]:

Rechtsanwalt Schily verlas den Antrag vom 8. Juli 1975 aus Anlage 4 zum Protokoll.

Ich muß zugeben, daß meine Handschrift schwer lesbar ist, aber ich darf’s trotzdem zu den Gerichtsakten geben.

Vors.:

Ja, danke. Wir bitten dann, das zu Protokoll zu geben.

Der Antrag wurde übergeben und ist dem Protokoll als Anlage 4 beigefügt.

Die Sitzung wird damit unterbrochen, die dienstliche Erklärung wird bis um 12.00 Uhr den Prozeßbeteiligten übergeben. Fortsetzung der Sitzung heute Nachmittag.

Verzeihung, Sie wollen noch eine Erklärung dazu abgeben.

Reg. Dir. W[idera]:

Nein, wir wollten keine Erklärung abgeben, aber wir könnten uns bis um 14.00 Uhr äußern, wenn die Erklärung bis um 12.00 Uhr vorliegt.

Vors.:

Dann würden wir die Sitzung heute nachmittag fortsetzen.

Um 15.00 Uhr ist die Fortsetzung, nun weiß ich nicht, stehen Sie uns heute nachmittag noch zur Verfügung. Ich glaube so wie die Dinge stehen, ist es sehr schlecht.

Prof. Dr. Rauschke:

Ich bin heute Nachmittag beim Landgericht in der 8. kleinen [1154][24] [1155] Strafkammer, bei der heute morgen schon zwei Sachen ausgefallen sind. Ich könnte ja um 14.00 Uhr zunächst mal zum Landgericht gehen und dann ...

Vors.:

Stehen Sie uns morgen früh zur Beendigung dieser Anhörung zur Verfügung? Wir müssen zu einem Abschluß kommen, oder sind keine Fragen mehr an den Herrn Sachverständigen, dann könnten wir ihn entlassen?

RA Sch[ily]:

Nein, nein, es sind noch eine Reihe von Fragen.

Prof. Dr. R[auschke]:

Morgen vormittag schon, aber nicht gleich zu Anfang. Das ist natürlich schlecht.

Vors.:

Das wäre nicht so ein Problem. Könnten Sie es zeitlich ungefähr angeben?

Prof. Dr. R[auschke]:

Ich glaube 11.00 Uhr, reichlich spät, nicht.

Vors.:

Gegen 11.00 Uhr? Es ist eben so, wir haben es nicht in der Hand, was bis dahin geschieht. Ich kann also nicht sagen, wir füllen das mit einem Programm, das wir vorausbestimmen könnten, aus.

RA Sch[ily]:

Ja, aber ich glaube aber auch seitens der Verteidigung besteht an sich nicht der Wunsch, hier nun, ich meine daß eine solche Situation eintritt, daß ein Antrag zu stellen ist[s]. Der ist ja auch für uns nicht vorhersehbar, aber ich halte es für nicht sinnvoll, daß nun die Vernehmung von Herrn Prof. Rauschke auseinandergerissen wird, in der Form, daß wir jetzt also noch über irgendein anderes Prozeßthema zu sprechen haben werden. Also das wäre eine unglückliche Situation, also dann würde ich es doch vorziehen, daß man irgendeine Lösung findet. Entweder heute nachmittag oder morgen in der Frühe.

Vors.:

Ja nun, heute nachmittag ist ... es ist ein großes Problem, der Kollege hängt von Ihren Gutachten sehr ab. Aber vielleicht [1156] läßt es sich noch klären. Ich würde vorschlagen, wir werden um 15.00 Uhr ja dann bekanntgeben können, bzw. da wird[t] sich es zeigen, ob der Herr Professor anwesend ist, wenn nicht, dann werden wir morgen früh einen Zeitpunkt bestimmen für den Sitzungsbeginn, der mit seinem Erscheinen verknüpft werden kann.

RA Sch[ily]:

Gut.

Vors.:

Jetzt muß ich aber unterbrechen, nicht wahr. Das Gericht ist nicht mehr in voller Besetzung.[25] Ich kann nur sagen, um 12.00 Uhr geht es weiter.

RA v[on] P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, es geht um eine Vorsitzendenverfügung.

Vors.:

Bitte.

RA v[on] P[lottnitz]:

Und zwar möchte ich beantragen

den Gefangenen heute nachmittag Umschluß zu gewähren.

Vors.:

In der bisher geübten Form? Einverstanden.

RA v[on] P[lottnitz]:

Einverstanden!

Vors.:

Einverstanden, nach dem Mittagessen wieder vor dem Vorführen, nicht wahr, diese Zeit wieder hier gemeinschaftlich.

Also um 12.00 Uhr bitte ich die Prozeßbeteiligten wieder hier zu sein. Fortsetzung 15.00 Uhr

- Die Hauptverhandlung wurde um 11.33 Uhr unterbrochen -

Ende Band 43

[1157][26] [1158-1159][27] [1160][28] [1161] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 15.04 Uhr in derselben Besetzung wie heute morgen.

RA Künzel war nunmehr auch[u] anwesend.

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort. Ich sehe, in der Besetzung wie heute vormittag, hinzugekommen ist Herr Rechtsanwalt Künzel. Herr Rechtsanwalt Riedel, darf ich darauf hinweisen, wir wollen fortsetzen. Der Senat hat in der Besetzung mit den Richtern Dr. Prinzing, Dr. Foth und Maier zum Ablehnungsgesuch der Angeklagten Ensslin folgenden Beschluß gefaßt:

Die Ablehnung des Richters am Oberlandesgericht Dr. Breucker wird als unbegründet zurückgewiesen.

G r ü n d e :

Die Angeklagte Ensslin hat Dr. Breucker abgelehnt, weil er den Sachverständigen Prof. Dr. Rauschke durch ausgewählte Vorinformationen außerhalb der Hauptverhandlung zu beeinflussen versucht habe. Der Richter hat sich hierzu wie folgt geäußert:

Ich war vom Senat beauftragt, Herrn Prof. Dr. Rauschke, der telefonisch geladen worden war und weder eine schriftliche Ladung besaß, noch den genauen Gegenstand seiner Vernehmung kannte, zu empfangen und darüber zu informieren, daß er zur Frage der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten gehört werden solle. Prof. Dr. Rauschke fragte mich, ob der Senat von ihm eine ärztliche Untersuchung der Angeklagten erwarte. Ich erklärte ihm, daß der Senat dies für wünschenswert halte, aber nach der bisherigen Erfahrung Zweifel habe, ob die Angeklagten sich von ihm, als Amtsarzt, untersuchen lassen würden. Er solle deshalb an einigen Sitzungstagen der Verhandlung beiwohnen, damit im Falle erneut vorgetragener Verhandlungsunfähigkeit ein Arzt zur Stelle sei. Da er wohl kaum Gelegenheit haben werde, die Angeklagten zu untersuchen, werde er möglicherweise auf seine Beobachtung der Angeklagten in der Hauptverhandlung angewiesen sein.

Was der Sachverständige über den Inhalt des Gespräches angibt, [1162] trifft dem Sinne nach zu (vgl. Protokollausschnitt Anl. 1).

Danach hat der Herr Sachverständige heute früh angegeben:

„Der Herr Richter Breucker hat mich fernmündlich aufgefordert, zu erscheinen, und als ich beim ersten Mal hier war, hat er mir gesagt, daß ich die Angeklagten beobachten solle und er hat mich vorher informiert, daß die Angeklagten sich miteinander unterhalten und daß man sie also bei dieser Unterhaltung beobachten könne und daß sie Prozeßerklärungen abgeben.“ Er hat dies weiter dahin ergänzt: „Die Unterredung hat hier auf dem Flur stattgefunden und Herr Breucker sagte mir, Sie werden Gelegenheit haben, die Angeklagten zu beobachten. Die Angeklagten werden sich, wenn Anträge verlesen und begründet werden, haben sich bisher zum Teil rege unterhalten. Sie werden das ja dann selbst beobachten können.

Das etwa war der Inhalt der Information, die ich von Herrn Breucker bekommen habe.“

Aus dem Hergang der Dinge kann die Angeklagte bei verständiger Würdigung nicht auf eine Voreingenommenheit des Richters schließen. Es ist[v] Aufgabe des Richters, den von ihm beigezogenen Sachverständigen mit seiner Aufgabe bekannt zu machen, ihn über die Sachlage zu unterrichten und seine Tätigkeit zu leiten (§ 78 StPO).

Für die Leitung sind keine Formen vorgeschrieben. Ob der Richter den Sachverständigen mündlich oder schriftlich innerhalb oder außerhalb der Hauptverhandlung, in Anwesenheit oder Abwesenheit der Prozeßbeteiligten, durch den Vorsitzenden, den Berichterstatter oder das ganze Kollegium, vor oder während der Erstattung des Gutachtens leitet, ist ebenso seinem Ermessen überlassen wie der sachliche Inhalt der zur Leitung dienenden Äußerungen (so BGH 3 StR 178/56 Urt. vom 27.9.1956). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, daß die Beiziehung des Sachverständigen Prof. Dr. Rauschke im Wege des Freibeweises[29] erfolgte. Dafür, daß Dr. Breucker den Sachverständigen beim Gespräch in unstatthafter Weise zu beeinflussen versucht hätte, besteht kein Anhalt, denn der allgemeine Hinweis, daß sich die Angeklagten während der Hauptverhandlung immer wieder rege unter- [1163] halten, entspricht der Beobachtung des Gerichts.

Herr Professor, Sie haben es möglich machen können, daß wir Sie gleich wieder hier haben. Ich bitte, Herr Rechtsanwalt Schily, Sie hatten geäußert, Sie hätten Fragen, ich[w] bitte, die[x] Befragung fortzusetzen.

RA Sch[ily]:

Herr Prof. Rauschke, würden Sie ... wir haben ja drei, wenn ich da wieder anknüpfen darf, drei Tatsachen erörtert, also Konzentrationsschwächen, vermehrtes Schlafbedürfnis, Untergewicht. Würden Sie beispielsweise auch das Aussehen, also beispielsweise fahle Gesichtsfarbe, für einen[y] Hinweis auf bestimmte körperliche oder psychische Zustände einqualifizieren, der vielleicht einen[z] Hinweis abgibt auf Zweifel an der unbeschränkten Verhandlungsfähigkeit?

Prof. Dr. R[auschke]:

Nein, das würde ich nicht unbedingt, denn Häftlinge, die Monate oder Jahre in der Vollzugsanstalt sind, haben erfahrungsgemäß eine blasse Hautfarbe und sehen, das weiß ich aus langjähriger Erfahrung, anders aus, als zur Zeit der Inhaftierung, weil sie nicht oder kaum noch mit der Sonne und mit der freien Luft in Berührung kommen.

RA Sch[ily]:

Ja aber überhaupt, kann man aus dem Aussehen vielleicht manches schließen? Dann kann man also praktisch nur das Verhalten, also wie der Herr Dr. Henck, der mal gesagt hat, Mimik und Gestik, das sei irgendwie ein Anknüpfungspunkt.

Prof. Dr. R[auschke]:

Es gibt Erkrankungen und gesundheitliche Störungen, die sich in Mimik und Gestik zu erkennen geben. Im vorliegenden Fall kann ich keine typischen Veränderungen sehen, es besteht bei allen vieren eine Blässe der Gesichtshaut. Sie haben ja schon darauf hingewiesen und vielleicht auch eingefallene Wangen, was mit dem Untergewicht zusammenhängt. Aber irgendwelche typischen Zeichen einer bestimmten Krankheit sind nicht zu erkennen. Natürlich kann Blässe auch Zeichen einer organischen Krankheit sein. Es gibt vielfältige Möglichkeiten, weshalb ein Mann, ein [1164] Mensch fahl oder blaß aussieht. Eine Zuordnung ist ohne, ich wiederhole es wieder, ohne Untersuchungsbefunde nicht möglich.

RA Sch[ily]:

Könnte sich aus dem äußeren Aspekt bereits ein Hinweis, vielleicht wenn man nicht 6 Meter entfernt sitzt, sondern vielleicht ein bißchen näher, auf ganz erheblich und tiefgreifende Kreislaufstörungen ergeben?

Prof. Dr. R[auschke]:

Davon kann ich nichts sagen, Blässe können bei ...

RA Sch[ily]:

Kleben Sie bitte jetzt nicht an dem Ausdruck „Blässe“.

Prof. Dr. R[auschke]:

Ja, Blässe ...

RA Sch[ily]:

Ich habe das also jetzt das als Beispiel erwähnt.

Prof. Dr. R[auschke]:

Blässe und Mimik ...

RA Sch[ily]:

Nein ich hab ... Haben Sie mich mißverstanden, Herr Professor Rauschke? Ich habe gesagt, der äußere Aspekt ganz allgemein.

Prof. Dr. R[auschke]:

Ja, der äußere Aspekt bei den vier Angeklagten deutet nicht auf eine Kreislaufschwäche hin. Eine Kreislaufschwäche würde man unter Umständen auch an einem ... an Schwellungen bestimmter Gesichtspartien, Augenlieder usw. erkennen können. Der Zustand der Gesichtsfarbe und die Haut des Aussehens des Gesichtes ist nicht verdächtig auf Kreislaufstörungen.

RA Sch[ily]:

Können Sie das nicht eigentlich nur überprüfen, wenn Sie..., Sie haben das ja mal korrekt ausgeführt. Das spielt für Sie eine erhebliche Rolle, ob Sie die Gefangene vorher einmal gesehen haben in ihrem früheren Zustand, wenn ich das richtig von heute morgen in Erinnerung behalten habe. Können Sie das eigentlich nicht beurteilen nur, ob Schwellungen beispielsweise dieser Art vorliegen, wenn Sie den Zustand vorher auch kennen?

[1165] Prof. Dr. R[auschke]:

Nein, nein, aber ich kann nur sagen, der ... das jetzige Aussehen erregt keinen Verdacht, daß Ursache der Blässe usw. Kreislaufstörungen sein müssen, die man im übrigen durch ...

RA Sch[ily]:

Moment, Sie sagten ...

Prof. Dr. R[auschke]:

... sehr einfache Untersuchungstechniken nachweisen könnte.

RA Sch[ily]:

Sie sagten doch, mit Schwellungen, Schwellungen könnten in den Gesichtspartien ...

Prof. Dr. R[auschke]:

Ja, kann ich nicht erkennen bei keinem der vier Angeklagten.

RA Sch[ily]:

Das können Sie aus 6 Meter Entfernung sagen, daß da keine Schwellungen dieser Art vorliegen?

Prof. Dr. R[auschke]:

Ich kann keine Schwellungen erkennen aus der Entfernung, aus der ich die Angeklagten bisher gesehen habe, kann ich keine solche Zeichen erkennen.

RA Sch[ily]:

Ja würden Sie dann Ihre Beobachtungen doch einschränkend sagen, von der Entfernung aus vielleicht nicht, aber ...

Prof. Dr. R[auschke]:

Hab ich doch gerade gesagt.

RA Sch[ily]:

... also nur ...

Prof. Dr. R[auschke]:

... aus der Entfernung, aus der ich sie gesehen habe, kann ich keine derartigen Anzeichen erkennen.

RA Sch[ily]:

Wenn nun der Herr Dr. Henck, der die Angeklagten aus näherem, aus näherer Distanz mal beobachtet hat, solche Feststellungen vielleicht getroffen hat. Würde sich dann Ihr Urteil ändern?

Prof. Dr. R[auschke]:

Ich bin ja, glaube ich, nur nach meinen eigenen Wahrnehmungen gefragt worden und die kann ich nicht anders interpretieren.

[1166] RA Sch[ily]:

Nein, nein wir sind ja nicht von ... Nein nein, Herr Professor Rauschke, wir sind immer noch dabei, damit wir uns richtig verstehen, bei der Frage der Hinweise, nicht. Sie sind, wenn ich das nochmal anknüpfen darf, von dem Herrn Vorsitzenden gefragt worden, haben Sie Bedenken gegen die Fortsetzung der Verhandlung und da haben Sie gesagt, ich kann ohne Untersuchung nichts feststellen weder positiv noch negativ, aber ich habe auch eben keine Hinweise, nicht?

Prof. Dr. R[auschke]:

Ja.

RA Sch[ily]:

Und nun versuche ich eben Ihnen doch zu vermitteln, daß möglicherweise doch einige Hinweise vorhanden sind und da geht es mir eben auch um die Anzeichen, die möglicherweise äußerlich erkennbaren Anzeichen von ganz erheblichen Kreislaufstörungen.

Prof. Dr. R[auschke]:

Da kann ich ...

RA Sch[ily]:

Würden Sie z. B. Blauverfärbung der Handpartien, der Finger, als Hinweis auf Kreislaufstörungen ansehen?

Prof. Dr. R[auschke]:

Nicht unbedingt.

RA Sch[ily]:

Ja, welche ...

Prof. Dr. R[auschke]:

Es gibt auch Blauverfärbung der Finger und Hände aus anderen Gründen, aus individueller Veranlagung usw. Da ich die Angeklagten vorher nicht kannte, kann ich auch nicht sagen, ob diese etwaigen Veränderungen schon vorher bestanden habe.

RA Sch[ily]:

Aber kann es ein Hinweis darauf sein?

Prof. Dr. R[auschke]:

Das kann einer sein, ja.

RA Sch[ily]:

Ja? Und Schwellungen könnten auch ein Hinweis auf Kreislauf- [1167] störungen sein, also in der Gesichtspartie beispielsweise?

Prof. Dr. R[auschke]:

Können auf Kreislaufstörungen oder auf Nierenfunktionsstörungen zurückgehen ...

RA Sch[ily]:

Nierenfunktionsstörungen also, ja.

Prof. Dr. R[auschke]:

... müssen es aber nicht.

RA Sch[ily]:

Ja wenn Sie mal, wenn Sie mal dieses Bukett von Hinweisen also Konzentrationsstörungen, diese akustischen Störungen im akustischen Wahrnehmungsbereich, Schlafstörungen, Schlafstörungen, die ich für besonders bedeutsam halte, weil ja diese Vorbereitungszeit immer zwischen den einzelnen Verhandlungstagen vorhanden sein muß, also vermehrtes Schlafbedürfnis um das korrekt auszudrücken, Untergewicht, wenn Sie also diese gesamten Tatsachen insgesamt würdigen, würden Sie dann nicht sagen, daß sind ... reicht jedenfalls aus für einen Hinweis, daß ernsthafte Zweifel an der Verhandlungsfähigkeit geltend zu machen sind.

Prof. Dr. R[auschke]:

Nein, das würde ich nicht als ernsthaften Hinweis bezeichnen. Unter Berücksichtigung dieser Anzeichen würde ich lediglich eine Möglichkeit sehen, daß irgendeine Störung vorliegen kann, die man unter Umständen im Zusammenhang mit der Frage der Verhandlungsfähigkeit sehen und diskutieren muß.

RA Sch[ily]:

Ja dann verstehe ich nicht, wo verläuft dann eigentlich für Sie die Abgrenzung zum Ernsthaften, Herr Professor Rauschke?

Muß also eigentlich der Gefangene sozusagen vor Ihren Augen zusammenbrechen, also daß Sie also sehen, der liegt jetzt hier auf dem Boden und dann sagen Sie, ja jetzt könnten doch gewisse Anzeichen vorhanden sein, daß vielleicht doch die Verhandlungsfähigkeit nicht mehr uneingeschränkt vorhanden ist.

Jetzt wird es sich nicht vermeiden lassen, die Verhandlung zu unterbrechen oder würden Sie die bloße, also diese Tatsachen, die ich Ihnen jetzt angeführt habe, ausreichend sein lassen, zu sagen[aa] ...

[1168] Naja also die Möglichkeit besteht, der Verhandlungsunfähigkeit, es müssen Untersuchungen zur Nachprüfung und jeweils nach dem Ergebnis der Untersuchung kann man dann feststellen, was der Fall ist. Ob es der Fall ist, daß verhandlungsfähig oder ob es der Fall ist, daß verhandlungsunfähig.

Prof. Dr. R[auschke]:

Daß ich einen Beschuldigten nicht erst als verhandlungsunfähig ansehe, wenn er zusammenbricht oder wenn er nichts mehr sagen kann, das habe ich nie gemeint und ich habe heute morgen auch schon erörtert, was ich, welche Umstände z. B. eine momentane Verhandlungsunfähigkeit bedingen können. Im übrigen, der zweite Teil Ihrer Frage ist eben ja von mir beantwortet worden. Solange keine Störungen vorliegen, die die Angeklagten daran hindern, sich verständig und verständlich zu äußern, sehe ich keine Hinweise zu sagen, hier muß jetzt eine Verhandlungsunfähigkeit bestehen. Und Herr Baader, den wir heute am meisten gehört haben, ist geistig so wendig gewesen, daß man doch unmöglich aus den Äußerungen, die er heute abgegeben hat, aus der Fähigkeit zu formulieren und seinen Standpunkt klar zumachen Vorhalte zu unterbreiten, etwa zu folgern hätte, er sei nicht in der Lage, Prozeßerklärungen anzugeben, abzugeben und sich dem Prozeß zu stellen.

RA Sch[ily]:

Ja aber Prof. Rauschke, nun Sie beschränken das ja zunächst mal auf Herrn Baader. Wir haben ja vier Angeklagte.

Prof. Dr. R[auschke]:

Ich habe ja eben auch nur gesagt zum Beispiel.

RA Sch[ily]:

Ja und bei den anderen?

Prof. Dr. R[auschke]:

Bei ... Herr Raspe hat sich heute auch geäußert, da muß man ebenso sagen, daß er jedenfalls heute keine Anzeichen einer ...

RA Sch[ily]:

Nur weil er zwei Sätze gesagt hat, ja?

Prof. Dr. R[auschke]:

Daß man keine Anzeichen, habe ich gesagt, aus zwei Sätzen kann man schon Anzeichen entnehmen, daß er keine Anzeichen aufgewiesen hat, daß er geistig nicht in der Lage wäre, der Verhandlung zu [1169] folgen. Bei den anderen beiden, bei Frau Ensslin und Frau Meinhof, habe ich heute morgen schon gesagt, daß ich dazu keine Stellung nehmen kann.

RA Sch[ily]:

Herr Baader hat eine Zwischenfrage.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich würde es gerne sehen, wenn Sie Ihre Befragung zu Ende brächten und keine Zwischenfragen ...

RA Sch[ily]:

Es ist offenbar, es besteht ein, das ist ja manchmal nützlich, daß auch zwischen uns manchmal nützlich, wenn ein bestimmter Sachzusammenhang besteht, daß dann nicht die Frage irgendwo wieder ... die wieder dann zu dem anderen Sachzusammenhang wieder zurückführt. Das ist ja im Interesse aller Prozeßbeteiligten. Ich gehe davon aus, daß die Frage von Herrn Baader jetzt unmittelbar an die Frage von mir anschließt und es hier manchmal gerade in dem Bereich von besonderen Nutzen, weil natürlich die Angeklagten über ihren Zustand am besten Bescheid wissen, nicht? Von allen Prozeßbeteiligten.

Vors.:

Sie verteidigen Frau Ensslin, wenn Frau Ensslin den Wunsch hätte, eine Zwischenfrage zu stellen, wie ich vorhin glaubte erkennen zu können, sie hatte die Hand hochgehoben. Das ist wieder eine ganze andere Sache. Im Augenblick sind Sie und Frau Ensslin am Fragerecht.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, es ist doch so, der Herr Prof. Rauschke nimmt ja auch, wenn ich ihm eine Frage stelle, zu Herrn Baader Stellung. Wir können das also offenbar doch nicht trennen und da wird ja Herr Prof. Rauschke auch nicht von Ihnen unterbrochen, daß Sie sagen jetzt zu Herrn Baader, äußern Sie sich jetzt gar nicht, wenn der Rechtsanwalt Schily fragt, sondern da äußern Sie sich mal nur zu Frau Ensslin, die bis heute überhaupt nichts gesagt hat.

Vors.:

Nur daß Sie mit Recht darauf hingewiesen haben, daß wir hier vier Angeklagte hätten und nicht nur Herrn Baader. Sie haben [1170] sofort wieder Ihr Fragerecht angeknüpft an die Situation von Frau Ensslin.

RA Sch[ily]:

Genau, genau, ich halte es für sinnvoll, daß wir ... daß nun nicht nur individuell, das können wir gar nicht, weil wir ja den Herrn Prof. Rauschke nicht vier Gutachten, sondern ein Gesamtgutachten hier oder eine gesamtgutachterliche Äußerung erstatten lassen. So hab ich Sie bisher verstanden, Herr Vorsitzender, wenn es anders ist, dann belehren Sie mich darüber.

Vors.:

Also Sie haben momentan keine Frage wie ich sehe, sondern geben Herrn Baader ...

RA Sch[ily]:

Ich habe noch Fragen, aber ich würde bitten, daß jetzt Herr Baader, der offenbar eine Frage hat, in diesem Sachzusammenhang eine kurze Zwischenfrage und dann kann ich meine Fragen abschließen.

Vors.:

Also das Fragerecht, Herr Dr. Heldmann, von Herrn Baader scheinen Sie auch erbitten zu wollen, Sie sitzen am Mikrophon.

RA Dr. H[eldmann]:

... für eine bessere Form halten, dann stelle ich die Bitte für Herrn Baader, jetzt eine Frage zu stellen.

Vors.:

Ja, Herr Baader, bitte.

Angekl. B[aader]:

Ja, erstmal, als erste meiner Fragen, was für eine Funktion hat denn für Sie dieser Begriff des Beispiels, in diesem Zusammenhang? Also ist mein Zustand beispielhaft, Ihrer Ansicht nach, für die anderen Gefangenen oder für alle anderen Gefangenen, die diesen Haftbedingungen unterworfen waren oder was soll das. Oder müssen Sie nicht als Arzt davon ausgehen, daß Sie, wenn überhaupt, von jedem einzelnen Gefangenen den Zustand festzustellen haben.

Prof. Dr. R[auschke]:

Ich habe Sie als Beispiel genommen für den Fall, wo jemand sich [1171] äußert und wo man aus der Art und Weise, wie er sich artikuliert, Rückschlüsse auf seine psychische Leistungsfähigkeit ziehen kann.

Angekl. B[aader]:

Ja, ich würde annehmen ...

Prof. Dr. R[auschke]:

Sie sollten nicht als Beispiel für alle vier auf Ihrer Bank dienen, also für alle andern mit verallgemeinert werden.

Angekl. B[aader]:

Ja, aber da fehlt Ihnen noch zum Beispiel auch vollkommen die Relation meiner üblichen Leistungsfähigkeit. Na, ich meine die Relation meiner üblichen Leistungsfähigkeit, fehlt Ihnen doch in der Fähigkeit zu artikulieren, zu Fragen, zu erklären.

Prof. Dr. R[auschke]:

Die Relation ist, glaube ich, in diesem Zusammenhang nicht von wesentlicher Bedeutung, wenn ich ihn nicht kenne ...

Angekl. B[aader]:

Doch, wenn ich sage meine ... nach meiner Kenntnis oder naja nach meiner Erinnerung zumindest, der Fähigkeit zu artikulieren, Zusammenhänge aufzulösen, Erklärungen zu formulieren ist diese Fähigkeit wesentlich eingeschränkt, zeitweise ist es sogar unmöglich.

Prof. Dr. R[auschke]:

Ja, das mag sein. Aber heute erreichten Sie ein Niveau, bei dem eine Verhandlungsfähigkeit sich, Verhandlungsunfähigkeit, sich gemessen an diesen Äußerungen, nicht auch nur andeutungsweise abzeichnet.

Angekl. B[aader]:

Na gut, aber ich wollte Sie noch fragen, haben Sie irgendwelche Anzeichen, mal vielleicht abgesehen von mir, für Verhandlungsfähigkeit? Sie sprechen dauernd davon, Sie hätten keine Anzeichen für Verhandlungsunfähigkeit. Haben Sie Anzeichen für Verhandlungsfähigkeit?

Prof. Dr. R[auschke]:

Die Frage habe ich glaube schon vorweg ausreichend beantwortet.

Angekl. B[aader]:

Das habe ich nicht ... das würde ich nicht sagen. Sie haben über [1172] mich gesprochen, aber Sie ... aber z. B. über die drei anderen Gefangenen haben Sie hier nicht gesprochen?

Prof. Dr. R[auschke]:

Bitte? Das habe ich jetzt nicht verstanden.

Angekl. B[aader]:

Na also der Punkt, der Punkt ... Sie haben nicht über die drei anderen Gefangenen gesprochen. Die Frage ist doch, Sie sagen, was letzten Endes, wenn man zusammenfaßt, was Sie hier äußern, ist doch der permanente Versuch hier sichtbar, wo Sie keinerlei Ergebnisse haben und wo letztlich keinerlei Information haben über den Zustand der Gefangenen, also sozusagen für Sie keine Diagnose möglich ist, Sie dennoch versuchen permanent Feststellungen über den Zustand der Gefangenen zu treffen. Das ist doch wohl korrekt wiedergegeben.

Vors.:

Die Frage braucht nicht beantwortet zu werden. Sie ist nun hier schon dutzende Male, möchte ich behaupten, beantwortet worden.

Angekl. B[aader]:

Ja dann (Zwischenruf eines Rechtsanwalts) entschuldige, ich möchte da noch weiter ... dann würde ich doch sagen, würden Sie vielleicht sagen, daß die Tatsache, daß jemand sich nicht äußert in der Verhandlung, auf Verhandlungsunfähigkeit hinweisen könnte?

Prof. Dr. R[auschke]:

Nein, das muß nicht auf[bb] Verhandlungsunfähigkeit hinweisen, wenn jemand keine Prozeßerklärungen abgibt, kann das ja reinen prozessualen Ursprung haben, ohne hier ...

Angekl. B[aader]:

Kann ...

Prof. Dr. R[auschke]:

Lassen Sie mich doch mal ausreden, Herr Baader. Ohne mit dem Gesundheitszustand in Verbindung zu stehen, dort wo keine Äußerungen abgegeben wurden und ich lediglich darauf angewiesen war, etwa die Mimik, Gestik, Bewegungen usw. bei Gesprächen zu beobachten, habe ich ja betont, die Beurteilungsgrundlage ist zu gering. Ich kann daher weder etwas für[cc], noch gegen die vorhandene Verhandlungs- [1173] fähigkeit sagen.

Angekl. B[aader]:

Naja, ich wollte nochmal Sie fragen. Sie haben also, Sie haben heute vormittag festgestellt, das war auch Gegenstand des Ablehnungsantrags, daß sich der Zustand, also Sie kamen sozusagen durch die Vorinformation oder durch die Beeinflussung durch den Richter Breucker zu dem Schluß, daß sich der Zustand der Gefangenen während der Hauptverhandlung hier nicht verschlechtert hat. Ist das richtig?

Prof. Dr. R[auschke]:

Ja.

Angekl. B[aader]:

Naja, dazu ist zu sagen, halte ich Ihnen vor, daß unsere Feststellung ist, daß sich der Zustand mit jedem Verhandlungstag bisher verschlechtert hat und zwar was. Also daß sozusagen die Wirkungen der Isolation, wie wir sie kennen und ...

Prof. Dr. R[auschke]:

Die Wirkungen ... ich habe nicht verstanden.

Angekl. B[aader]:

Die Wirkungen der Isolation, der Haftbedingungen, wie wir sie kennen, nicht etwa aufgehoben sind durch die Tatsache der Hauptverhandlung, sondern daß sie jetzt erst eigentlich in Erscheinung treten und kulminieren durch Konfusion, durch ... Das wechselt natürlich sehr stark. Es ist ein sehr labiler Zustand, aber es sind dazwischen Phasen, in denen Konzentration vollkommen unmöglich wird, stundenweise. Also bei mir kann ich das z. B. heute mittag sagen, über einen Zeitraum von 1 ½ Stunden war ich unfähig auch nur einen Satz aufzuschreiben. Und das geht den anderen Gefangenen auch so. Das mal als Vorhalt. Könnte das vielleicht, könnte das vielleicht Ihre Einschätzung beeinflussen?

Prof. Dr. R[auschke]:

Ich habe schon heute vormittag gesagt, daß die Folgen der mehrjährigen Haft nur durch eine psychiatrische Untersuchung aufgedeckt werden könnte. Warum erwarten Sie von mir jetzt Äußerungen, die ich dazu gar nicht geben kann.

[1174] Angekl. B[aader]:

Ja, weil Sie eine Feststellung getroffen haben. Sie haben die Feststellung getroffen, der Zustand hätte sich Ihrer Einschätzung nach nicht verschlechtert und ich halte Ihnen jetzt vor, daß er sich unserer Einschätzung und Erfahrung nach verschlechtert hat. Deswegen bin ich darauf[dd] nochmal zurückgekommen.

Prof. Dr. R[auschke]:

Ja, es mag sein. Ich habe aber keine Änderung im Zustandsbild gesehen ...

Angekl. B[aader]:

... Zustand ...

Prof. Dr. R[auschke]:

... sind sich, falls Störungen ...

Angekl. B[aader]:

Naja, aber ...

Prof. Dr. R[auschke]:

... da sind, zusammenzunehmen oder so.

Angekl. B[aader]:

Dann sind wir ja wieder an der Kernfrage, daß Sie eben tatsächlich überhaupt keine, also daß Sie im Grunde zur Feststellung überhaupt nicht kommen können, zu verbindlichen, weil Ihnen Informationen fehlen.

Vors.:

... keine Antwort darauf. Es ist auch klar vom Herrn Sachverständigen gesagt worden, daß ein sicheres Urteil erst möglich ist, nach den entsprechenden Untersuchungen, die der Senat ja jetzt einzuleiten beabsichtigt. Er hat mit den beschränkten Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen, seine Meinung geäußert, Herr Baader, darüber können Sie sich nun nicht hinwegsetzen wollen. Es ist einfach so, daß man auch von außen her, das kann Ihnen jeder Richter aus der Erfahrung bestätigen, gewisse Rückschlüsse ziehen kann, auf die Fähigkeit eines Menschen, sich verständlich zu machen und zu verstehen und nur um diese Frage geht es.

RA Sch[ily]:

Darf ich mal an die Frage anknüpfen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, ich glaube Herr Rechtsanwalt ...

[1175] Vors.:

Wer hat, wer will noch weiter fragen?

RA Sch[ily]:

Ich habe eine Zwischenfrage. Ich würde gerne mal an diese Frage anknüpfen. Halten Sie eigentlich die Beobachtung eines Mitglieds des Senats während den Hauptverhandlung, die Sie ja vorbehaltlos Ihrem Gutachten zugrunde gelegt haben, für bedeutungsvoller, als das, was Sie aus den eigenen Beobachtung den Gefangenen während des gesamten Tageszeitraums und das muß ja bei den Beurteilung, das haben Sie meiner Meinung nach korrekt hier so auch dargestellt, daß man ja nicht nur die Verhandlung selbst sehen muß, sondern auch die Zwischenräume, nicht. Ich glaube da haben wir uns richtig verstanden, Herr Prof. Rauschke.

Prof. Dr. R[auschke]:

Ja, ja.

RA Sch[ily]:

Daß ja das dazu gehört, nicht und muß sich ja der ... den Betreffende muß sich ja auch irgendwie vorbereiten wieder können auf den, also man muß den gesamten Zeitraum, Sie sagen mit Recht, meiner Meinung nach, es ist ein großen Unterschied ob Verkehrssache zwei Stunden oder ob es eben eine Verhandlung ist, die über Monate geht. Hat das für Sie den gleichen Aussagewert, bei Ihrer ärztlichen Beurteilung, wenn Sie jetzt hören, Herr Baader kann sich mittags nicht konzentrieren oder von Frau Meinhof gehört haben, daß sie sich nicht länger als zwei Stunden hier eigentlich auf die Verhandlung konzentrieren kann, wie wenn Sie von der anderen Seite von Herrn Dr. Breucker hören, also die haben sich mal während den Verhandlung hier auch unterhalten.

Prof. Dr. R[auschke]:

Die Einführung von Herrn Dr. Breucker war ein Anknüpfungspunkt, auf den ich als Sachverständiger ja nicht verzichten kann und er war dann der Ausgangspunkt.

RA Sch[ily]:

Ja.

Prof. Dr. R[auschke]:

Alle übrigen Beobachtungen habe ich selbst gemacht. Herr Baader sagt, wir können uns zunehmend schlechter konzentrieren. Das [1176] mag sein. Ich habe aber, solange ich hier bin und die Angeklagten Gelegenheit habe zu beobachten, keinen signifikanten Rückgang festgestellt, damit will ich nicht sagen, daß die Erklärung von Herrn Baader unrichtig sein muß. Sie zeigt aber, daß eine gewisse Reserve in der Kapazität vorhanden ist und daß im Augenblick noch genügend Anpassungsfähigkeit besteht.

RA Sch[ily]:

Nein, ich meine ob jetzt also eine Aussage, meinetwegen auch eines Verteidigers die er beobachtet hat, die er vielleicht hier gemacht hat, z. B. der Kollege Riedel hat Ihnen ja mitgeteilt, etwas aus einem anderen Verhandlungstag oder was Ihnen hier einer der Gefangenen mitteilt über die Erfahrung und jetzt lassen wir mal ruhig Herrn Baader raus, der Herr Vorsitzender sagt ja immer, ich soll hier was für Frau Ensslin sagen. Wenn also da die Mitteilung besteht, daß also nur zwei Stunden Konzentrationsfähigkeit, hat das für Sie den gleichen Anknüpfungs... ist das für Sie nicht auch ein Anknüpfungstatsache, wie die Mitteilung, wie die Beobachtung eines Richters hier während der Verhandlung.

Prof. Dr. R[auschke]:

Natürlich.

RA Sch[ily]:

Ja und da frage ich Sie ja, welche Schlußfolgerung ziehen Sie denn aus diesen Anknüpfungstatsachen, die Ihnen jetzt mitgeteilt werden?

Prof. Dr. R[auschke]:

Ja, ich finde, daß man sich nur zwei Stunden, nur zwei Stunden konzentrieren könnte, würde ja schon einen[ee] recht desolaten Zustand voraussetzen, den ich aber bei den Angeklagten nicht feststellen kann. Ich habe heute vormittag schon gesagt, 15 Verhandlungsstunden in der Woche sind ja eigentlich keine besonders hohe Stundenzahl.

RA Sch[ily]:

Also bleiben Sie mal von den 15 Stunden weg, wie gesagt 21.

Prof. Dr. R[auschke]:

Ja, die sind aber doch Realität, meine ich.

RA Sch[ily]:

Ja also, ich meine, wenn man von 2 - bis 5.00 Uhr ...

[1177] Prof. Dr. R[auschke]:

Vormittags bin ich, ist heute vom Herrn Vorsitzenden gesagt worden, vormittags drei Stunden und nach nachmittags zwei Stunden, fünf mal drei sind 15.

Vors.:

Heute sind es keine fünf, heute werden es nicht fünf werden, nach der Erfahrung sind es keine fünf im Schnitt.

RA Sch[ily]:

Kommt darauf an, also ...

Vors.:

Wir können ruhig mit dem Wert rechnen und rechnen dann zuungunsten der Verhandlungsunfähigkeit.

Prof. Dr. R[auschke]:

Das ist ein Zeitmaß, das man in anderen vielleicht nicht ganz vergleichbaren Verhandlungen, beispielsweise dem Gericht empfiehlt, wenn man eine Einschränkung der Verhandlungsfähigkeit feststellt.

RA Sch[ily]:

Herr Prof. Rauschke, ein bisschen drehen wir uns im Kreise. Sie sagen doch selber, daß (ob) die Gefangenen sich in einem desolaten Zustand befinden oder nicht. Insofern haben wir doch Übereinstimmung erzielt. Das können Sie überhaupt nur aufgrund verschiedener medizinischer Untersuchungen feststellen, nicht?

Prof. Dr. R[auschke]:

Ja ...

RA Sch[ily]:

... das dem würde ich ...

Prof. Dr. R[auschke]:

Ja, aber ein desolater Zustand, würde ich sagen, ist etwas mehr, das müßte man auch, aus dem Aspekt her erkennen[ff] können und von den Äußerungen ...

RA Sch[ily]:

Also wenn jemand sich nicht länger, also wenn einer in einem so desolaten Zustand ist, wie Sie sagen, daß er sich nicht länger als zwei Stunden konzentrieren kann, woran erkennt man das dann am äußeren Aspekt?

[1178] Prof. Dr. R[auschke]:

An einer Erschöpfung, an einem Nachlassen der geistigen Kräfte und daran, daß der Betreffende sich meldet und sich beschwert und sagt, ich kann jetzt nicht mehr ...

RA Sch[ily]:

Moment, daß er sich meldet ...

Prof. Dr. R[auschke]:

Und warten Sie mal einen Moment, wenn ich etwas sage.

RA Sch[ily]:

Ja, das würde ich jetzt ... nur damit auch das richtig akustisch hier alles mitbekomme. Also woran erkennen ... Sie haben an sich vom äußeren Aspekt gesprochen, aber dachte, ich, wußte eigentlich nicht, daß man das Nachlassen der geistigen Kräfte ohne weiteres am äußeren Aspekt erkennen kann, aber vielleicht täusche ich mich da.

Prof. Dr. R[auschke]:

Doch, Herr Rechtsanwalt Schily, das kann man auch am äußeren Aspekt erkennen ...

RA Sch[ily]:

Ja?

Prof. Dr. R[auschke]:

Darf ich zu Ende reden.

RA Sch[ily]:

Ja bitte.

Prof. Dr. R[auschke]:

Man kann das am äußeren Aspekt sehr wohl erkennen, denn man sieht dem, den Gesichtszügen des Betreffenden an, ob er noch zuhört, ob er auffaßt oder ob er das nicht mehr tut, ob er völlig teilnahmslos dasitzt. Da gibt es schon durchaus Erkennungskriterien.

Vors.:

Nun, Herr Rechtsanwalt, Entschuldigung wenn ich eines sage. Wir haben die Absicht die Untersuchungen, wie sie heute früh angedeutet worden sind, hier durchführen zu lassen. Im Rahmen des Freibeweises war es das Ziel mit dem Herrn Sachverständigen festzustellen, ob eine solche Untersuchung, wie sie auch Herr Dr. Henck ja für empfehlenswert gehalten hat[gg], empfehlenswert ist. [1179] Wie es steht in der Zwischenzeit, ob wir die Gelegenheit haben, mit den Angeklagten weiterzuverhandeln oder ob der Zustand erkennbar schon so sei, daß diese Gefahr, daß die Gefahr bestünde, daß man nicht weiterkommt. Diese Fragen im Zusammenhang mit dem Freibeweis, den wir hier einziehen, sind weitgehend beantwortet. Die rein theoretische Erörterung, die sich jetzt daran anknüpft mit den Herrn Sachverständigen, scheint uns im Hinblick darauf, daß wir ja schon bekannt haben, daß es zu den Untersuchungen kommt, einfach überflüssig und auch insgesamt nicht sehr sinnvoll.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, es ist mir ... ich bin Ihnen sehr dankbar für den Hinweis, daß Sie sagen, also der Senat beabsichtigt diese Untersuchungen durchführen zu lassen. Es ist immerhin offenbar ein gewisser Fortschritt, der hier zu verzeichnen sein könnte, aber ...

Vors.:

Darf ich Sie gleich darauf hinweisen, am 1. Tag, als der Prof. Rauschke hier war, habe ich ihn bitten lassen durch Herrn Dr. Breucker und selbst bei einem ganz kurzen Gespräch, als wir uns begrüßt haben, sich auf diese Frage zu konzentrieren. Es war uns wichtig, ein Arztgremium zu finden, das die Untersuchung durchführen kann.

RA Sch[ily]:

Aber ich darf doch vielleicht darauf hinweisen, daß Sie selbst die Frage aufgeworfen haben, ob Bedenken bestehen, vom gegenwärtigen Erkenntnisstand die Verhandlung fortzusetzen, bevor die Ergebnisse dieser Gutachten vorliegen. Und ich dachte, ich hätte mich insoweit verständlich gemacht, daß meine Befragung des Herrn Prof. Rauschke sich ausschließlich auf diese Frage jetzt bezieht, ob Hinweise bestehen, die zu Zweifeln Anlaß geben, schon vom gegenwärtigen Erkenntnisstand, daß die Verhandlungsfähigkeit zumindestens beschränkt ist. Und das ist doch der Punkt, bei dem wir jetzt angelangt sind. Ich gehe gar nicht mehr davon aus, daß oder ich erörtere gar nicht mehr oder das ist nicht mehr Ziel der Befragung, ob die Untersuchungen notwendig sind. Das hat ja die Verteidigung immer erklärt von Anbeginn an, daß diese Untersuchungen notwendig [1180] seien und es ist insofern erfreulich, daß der Herr Prof. Rauscke das jetzt hier bestätigt. Und ich glaube auch, daß ein medizinisch verantwortlich Handelnder gar nicht anders sich äußern kann, als es insoweit der Herr Prof. Rauschke getan hat, aber die andere Frage, die ist noch nicht beantwortet.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, wir können sie in der Form, wie Sie fragen wollen, nicht weiter treiben. Sie sagen, Herr Dr. Breucker hat erklärt, die Angeklagten unterhalten sich gelegentlich rege in der Hauptverhandlung. Das ist ein Faktum, daß das Gericht mitbeobachtet hat, das stimmt. Umgekehrt aber versuchen Sie nun Antworten des Herrn Sachverständigen ständig anhand von Vorhaltung zu gewinnen, die nicht auf irgendwelche überprüfbaren Fakten im Augenblick beruhen. Sie sagen, wir haben die und die Symptome usw. und sofort, aber vernünftige Rückschlüsse kann doch der Herr Sachverständige daraus erst ziehen, wenn er diese Symptome durch Untersuchung, sei es selbst oder durch andere Ärzte, wirklich bestätigt hat.

RA Sch[ily]:

Ja, ich glaube Sie haben jetzt genau den Punkt der Meinungsverschiedenheit getroffen nicht wahr, daß Sie also Beobachtungen, die Herr Breucker aus, ich weiß nicht die Entfernung habe ich noch nicht gemessen, macht vom Richtertisch hier, daß Sie die also mehr, höher bewerten, als die Mitteilung von Herrn Baader beispielsweise, daß er einen[hh] täglichen Gewichtsverlust erleidet oder [ii] die Mitteilung von Frau Meinhof, daß sie sich nicht länger als 2 Stunden konzentrieren kann.

Vors.:

Nein, Herr Rechtsanwalt, verzeihen Sie, wenn ich sage, das ist bestimmt falsch beurteilt, wenn Sie es[jj] so sagen. Sehen Sie die Beobachtung, daß sich die Angeklagten unterhalten, ist jedem Laien zugänglich. Der ganze Senat hat das jetzt schon dutzendfach beobachtet. Die Feststellung, ob der Gewichtsverlust tatsächlich in dieser Form stattfindet, war bislang nicht möglich. Soweit ich unterrichtet bin, ist Herr Baader gestern zum ersten Mal gewogen worden durch ... in Beisein von Herrn Dr. Henck. Es [1181] sei denn, er hätte sich selbst gewogen, aber das sind ja keine, für uns im Augenblick überprüfbaren Wiegevorgänge, die wir nun tatsächlich hier einführen könnten.

RA Sch[ily]:

Vielleicht ...

Vors.:

Genauso ...

RA Sch[ily]:

... Herr Baader hat offenbar eine andere Information dazu, daß er ...

Vors.:

Sind Sie schon mehrfach durch Außenstehende oder unter Beobachtung von Außenstehende gewogen worden?

Angekl. B[aader]:

Ja, Außenstehende gibt es in diesem Trakt da oben nicht, sondern da gibts eben dann nur Leute, die drin stehen, wenn sie drin sind.

Vors.:

Und bitte, wer ist das?

Angekl. B[aader]:

Naja, ich würde doch mal sagen, daß das wesentliche an der ganzen Sache ist doch, daß Sie bisher, also Sie ... schön, Sie sagen, daß, Sie unterstellen die Gefangenen ...

Vors.:

Herr Baader, sind Sie ...

(Angeklagter Baader und der Herr Vorsitzende reden durcheinander)

Vors.:

Es hat keinen Wert, bitte mal das Mikrophon abzustellen.

Herr Baader, ich will Ihnen das Wort nicht abschneiden, ich habe es Ihnen oft genug gesagt, aber Sie sollen bei der Sache bleiben. Wir sind jetzt bei der Frage angelangt, ob z. B. Ihr Gewichtsverlust mehr ist, als bisher eine Feststellung von Ihnen selbst oder eine Behauptung. Ich habe bis jetzt nur ein Datum, nämlich, daß Sie gestern 56 Kilo gewogen hätten. Wenn wir heute wiegen könnten, bitte dann haben wir schon eine Kontrollmöglichkeit. Lassen Sie sich nachher mal wiegen.

[1182] Angekl. B[aader]:

Kann ich nur[kk] dazu sagen, es ist zwar sehr nett, aber die Sache ist einfach die, daß da eine Waage im Bad steht, daß also jeder der Gefangenen sich selbst wiegen kann.

Vors.:

Gut, Selbstbedienung[ll]. Ich frage, ob Außenstehende dabei waren?

Angekl. B[aader]:

Das ist doch wohl nicht der Punkt. Der Punkt ...

Vors.:

Doch, das ist der Punkt, Herr Baader.

Angekl. B[aader]:

... ist doch Ihre unterschwellige Unterstellung, daß die Gefangenen simulieren, bzw. Symptome behaupten, eine Symptomatik behaupten, die nicht vorhanden ist. Und dazu erinnere ich Sie nochmal an die Formulierung von Henck, daß er auf keinen Fall davon ausgeht, daß die Gefangenen simulieren könnten, d. h. aus seiner Beobachtung über mehrere Monate des Zustands der Gefangenen, geht er davon aus, daß die Symptome, die also hier auch im Zusammenhang der Verhandlung aufgetaucht sind, richtig und glaubwürdig beschrieben werden. Das ist doch ein ganz wesentlicher Punkt.

Vors.:

Sie meinen also, weil Herr Dr. Henck den Eindruck gewonnen hat, Sie simulierten nicht, müßten wir alle Daten, die Sie angeben, nun ohne eine Nachprüfungsmöglichkeit übernehmen.

Angekl. B[aader]:

Nein, das habe ich nie gesagt, sondern der wesentliche Punkt ist nicht etwa, daß Sie uns unbedingt glauben wollen, sondern daß Sie die Überprüfung durch Ärzte, d. h. durch eine Untersuchung, durch eine medizinische Untersuchung bisher ja verhindert haben. Sie ist ja nun nicht nur seit erst 2 Wochen beantragt, sondern ich würde sagen, seit der Senat zuständig ist, für die Haftbedingungen dieser Gefangenen,[30] beantragt die Verteidigung in regemäßigen Abständen, die ärztliche Untersuchung der Gefangenen.

Vors.:

Herr Baader, ... versucht werden. Es gab einen Arzt ...

[1183] Angekl. B[aader]:

Und bisher ist sie verhindert worden.

Vors.:

... der Sie untersuchen hätte können, wie gesagt Sie wissen ...

Angekl. B[aader]:

Welcher Arzt?

Vors.:

Lassen Sie sich heute abend wiegen ...

Angekl. B[aader]:

Ich frage Sie mal ...

Vors.:

Sehen Sie, gestern haben Sie sich wiegen lassen, wir wollen mal heute feststellen, ob Sie tatsächlich ein Kilogramm im Laufe des heutigen Tages verloren haben. Beispielsweise wäre das ein Anhaltspunkt dafür, daß wir in der Tat jetzt dringlich um diese Untersuchung bemüht sein wollen. Was wir im Übrigen sowieso Vorhaben. Wenn Fragen ...

Angekl. B[aader]:

Moment mal, ich ...

Vors.:

... jetzt an den Herrn Sachverständigen im Zusammenhang ...

Angekl. B[aader]:

... verstehe das nicht ganz. Inwiefern wäre das ein Anhaltspunkt. Haben Sie nicht seit zwei[mm] Jahren Anträge vorliegen, die zeigen, daß wir um diese Untersuchung tatsächlich bemüht sind.

Vors.:

Nein, sie zeigen etwas ganz anderes, aber darüber rede ich jetzt nicht[nn], weil wir noch bei der Befragung des Herrn Sachverständigen sind. Wenn Sie Fragen an ihn haben, dann stellen Sie die Frage, bitte.

Angekl. B[aader]:

Ja, ich wollte. Sie haben gesagt, daß nur eine psychiatrische Untersuchung den Zustand der Gefangenen feststellen kann und gleichzeitig haben Sie die Deutsche Gesellschaft für[oo] Psychiatrie empfohlen, als die Instanz, an die der Senat sich zu wenden hat. Ich wollte Sie fragen, ob Sie den Widerspruch kennen, zwischen der Psychoanalyse, sagen wir mal die Richtung Tillmann-Moser. Kennen Sie das Buch „Repressive Kriminalpsychiatrie“ von Moser?

[1184] Prof. Dr. R[auschke]:

Ich habe nicht verstanden.

Angekl. B[aader]:

Kennen Sie das Buch „Repressive Kriminalpsychiatrie“ von Moser?

Vors.:

Der Herr Sachverständige hatte uns eine Empfehlung gegeben für die Zusammenstellung eines Fachgremiums zu Ihrer Untersuchung und zwar lauter Ärzte, die mit Sicherheit unabhängig vom Vollzug sind. Damit meinen wir, einem Grundanliegen von Ihnen entgegenzukommen. Die Frage, ob er nun irgendwelche Unterschiede in der fachwissenschaftlichen Richtung kenne, hat hier überhaupt keinen Zusammenhang.

Angekl. B[aader]:

Das ist keine Frage der Fachwissenschaft.

Vors.:

Es ist auch keine Frage der Kompetenz eines Sachverständigen, wenn er uns den Vorschlag macht, ein bestimmtes Institut heranzuziehen ...

Angekl. B[aader]:

... Sie also begriffen, was ich meine.

Vors.:

... um Ärzte benannt zu bekommen. Herr Baader, die Frage kann nicht zugelassen werden im Zusammenhang mit den Fragen, die wir an den Herrn Sachverständigen jetzt im Freibeweis stellen, hat sie überhaupt nichts zu suchen.

Angekl. B[aader]:

Ich wollte, entschuldigen Sie, ich stelle diese Frage im Zusammenhang nach der Frage der Qualifikation bzw. der möglichen Abhängigkeit dieses Sachverständigen hier.

Vors.:

Es ist keine Frage der Qualifikation oder Abhängigkeit. Das Gericht kann davon Gebrauch machen oder auch nicht.

Angekl. B[aader]:

Nein, das ist nicht der Punkt.

Vors.:

Im Übrigen ist das Spektrum der uns möglicherweise vorschlagenden Ärzte ja so breit, daß man darüber auch noch reden kann, was oder wen wir dann von diesen Ärzten heranziehen. Das hat keinen Sinn [1185] jetzt die Frage, ich lasse sie nicht zu.

Angekl. B[aader]:

Ich will ... Das hat insofern die wesentliche Bedeutung in diesem Zusammenhang, weil diese Gesellschaft für Psychiatrie, eine Vereinigung gerichtsmedizinischer Kapazitäten in der Bundesrepublik ist, die als besonders reaktionär bekannt ist. Es gibt eine Kontroverse zwischen der psychoanalytisch orientierten Psychiatrie und dieser Gesellschaft, in der Vorwürfe erhoben worden sind von liberalen und sozialdemokratischen, sozialdemokratisch orientierten Psychoanalytikern Tillmann-Moser als Beispiel, wie der Vorwurf des Faschismus. Das ist doch wirklich eine ganz zentrale Sache, außerdem ist das nicht ... tritt sie nicht zum ersten Mal im Zusammenhang dieses Verfahrens auf, diese Gesellschaft für Psychiatrie, sondern der Gerichtspsychiater Witter ... Also überhaupt grundsätzlich sind in dieser Vereinigung mal Leute wie Beier, Witter, Debor, d. h. Psychiater organisiert, die dem[pp] medizinischen, operativen Eingriff, den chirurgischen Eingriff an Gefangenen fordern, die aufgrund ihres politischen Widerstands gegen den Vollzug nicht resozialisierbar sind. Das ist also wesentlich. Operative Eingriffe bei Gefangenen und Witter ist der Psychiater, der ist dort organisiert und ist auch, und hat auch einen ziemlichen Ruf in der Gerichtspsychiatrie. Witter ist der Mann, der die Zwangsszintigrafie bei Ulrike[31] in Köln empfohlen und versucht hat, also sich bereiterklärt hat, sie durchzuführen. Er hat sogar einen Versuch unternommen. Er hat sich also auf eine unglaubliche Weise, also auf eine wirklich unglaubliche Weise, angedient, der Bundesanwaltschaft.

Vors.:

Herr Baader, wir können es abkürzen. Herr Professor, können Sie uns sagen, wieviel Ärzte möglicherweise in diesem Institut zusammengeschlossen sind. Läßt sich das überhaupt sagen.

Prof. Dr. R[auschke]:

Nein. Herr Baader ist da insofern falsch informiert. Die deutsche Gesellschaft für Psychiatrie hat mit der deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin, früher gerichtliche Medizin, überhaupt nichts [1186] zu tun. Es gibt[qq] zwei Fachgesellschaften, die völlig parallel laufen. Unter den Psychiatern in der deutschen Gesellschaft für Psychiatrie sind diejenigen vereinigt, die ausschließlich als Kliniker tätig sind und ebenso diejenigen, die sich als gerichtliche Gutachter betätigen. Wenn man einen Psychiater auswählen will, der ein reiner Kliniker ist, ohne Berücksichtigung der gerichtlichen Psychiatrie, dann wird[rr] man ihn auch in der deutschen Gesellschaft für Psychiatrie angesiedelt finden. Wenn Herr Baader eben sagte, fragte, ob mir bekannt ist, daß die Psychoanalyse etwas anderes ist, - Sie ist[ss] natürlich etwas ganz anderes. Die Psychoanalytiker gehen von der normalen Psychologie aus und die haben eine eigene Gesellschaft. Es gibt eine deutsche Gesellschaft für Tiefenpsychologie, die natürlich zur Diskussion steht.

Angekl. B[aader]:

Das ist ein Irrtum hier.

Ich habe nicht gesprochen von der Widerspruchpsychiatrie, Psychoanalyse, sondern ich habe gesprochen von Widersprüchen innerhalb der Psychiatrie, zwischen den reaktionären Psychiatern und psychoanalytisch orientierten Psychiatern. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Und Tillmann-Moser ist z. B. Psychiater.

Prof. Dr. R[auschke]:

Den Unterschied gibt es, das ist ganz klar.

Vors.:

Ist, die jetzt ...

Angekl. B[aader]:

Ja bitte ...

Vors.:

... eingetretene Besorgnis, daß die Gesellschaft, die Sie uns hier empfehlen, in irgendeiner Weise ideologisch oder in ihrer politischen Grundeinstellung gefärbt wäre, so daß hier nur eine bestimmte Art von Ärzten sich versammelte, je nach ihrer politischen Einstellung. Ist die irgendwo ...?

Prof. Dr. R[auschke]:

Nein, die deutsche ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, Sie haben Bedenken gegen die Frage.

RA Sch[ily]:

Es geht ja nicht um irgendwie, es gibt ja doch, man muß [1187] auch wissen, daß verschiedene Schulen dort im Bereich ...

Vors.:

Ja, das wissen wir auch.

RA Sch[ily]:

... aber da vielleicht die Frage, nicht? Die zielt ja doch in der Richtung, wenn ich Herrn Baader richtig verstanden habe.

Prof. Dr. R[auschke]:

Die deutsche Gesellschaft für Psychiatrie ...

RA Sch[ily]:

... bestimmte Schule vorherrschend ist in dieser ...

Vors.:

Ja aber Herr Rechtsanwalt, es ist doch völlig witzlos, sich jetzt darüber zu unterhalten, denn er weiß doch gar nicht, wenn wir hier einen Strauß von Namen benannt bekommen und es wird dann eine Unterhaltung geben, möglicherweise auch mit Ihnen darüber, wen wir hier davon nehmen könnten.

Das wir uns jetzt schon über den Streit oder einen Streit entfachen, daß es doch verschiedene Schulen gibt. Warten Sie doch ab, ob nicht eine Ihnen genehme Schule zu Wort kommt.

Prof. Dr. R[auschke]:

Der deutschen Gesellschaft für Psychiatrie gehören sämtliche Psychiater an und natürlich auch die verschiedensten psychiatrischen Schulen und auch die mehr psychoanalytisch eingestellten psychiatrischen Schulen.

Vors.:

Also lassen Sie’s doch bitte, wenn uns mal ein Namensvorschlag gemacht ist, auf die Auslese, die wir möglichst neutral treffen, selbstverständlich ankommen und nicht jetzt schon vorher.

Herr Baader.

Angekl. B[aader]:

Ich wollte Sie fragen, wer macht den nun, also weil das gerade aktuell ist und weil wir dazu auch verschiedene Anträge gestellt haben.

[1188] Vors.:

Das Gericht bestimmt Sachverständige.

Angekl. B[aader]:

Wer macht den Vorschlag? Sie sprachen doch von einem Strauß von Psychiatern, was ja wirklich eine fürchterliche Vorstellung ist; von einem Strauß von Psychiatern. Wer sucht denn nun diesen Strauß sozusagen aus?

Vors.:

Herr Baader, Sie haben das Hamburger Modell zitiert und ich habe nach Nachprüfung erfahren, daß in Hamburg insgesamt, für die Untersuchungen, eine Namensliste von 30 Ärzten erstellt wurde. Und daraus wurde nach völlig neutralen Gesichtspunkten ...

Angekl. B[aader]:

Ja da waren natürlich 30 Psychiater ...

Vors.:

... ein Fachgremium zusammengezogen.

Angekl. B[aader]:

Ja aber[tt] da war ein wesentlicher Unterschied, das muß man mal festhalten, da ging es ... wir haben natürlich, also wir haben überhaupt keine Probleme, wenn sozusagen Sie ...

Vors.:

Haben Sie jetzt, Herr Baader im Augenblick noch Fragen?

Angekl. B[aader]:

... wenn sozusagen Sie vorschlagen, die Ärzte, die ganzen physischen Untersuchungen ...

Vors.:

Herr Baader, Sie wollen jetzt im Vorfeld dieser ganzen Geschichte schon wieder mit Einwendungen kommen. Ich sehe im Augenblick keinen Zusammenhang zu den Fragen, die an den Herrn Sachverständigen zu stellen sind. Diese Bedenken, die Sie jetzt haben, die können Sie uns außerhalb der Hauptverhandlung selbst oder durch Ihren Herrn Verteidiger vortragen lassen. Nachdem hier immer geltend gemacht wird, daß die Verhandlungsfähigkeit begrenzt sei, müssen wir uns in der Hauptverhandlung darauf beschränken, das, was wirklich in der Hauptverhandlung erledigt werden muß, zur Sprache zu bringen. Alles Übrige können wir außerhalb der Haupthandlung machen.

[1189] Angekl. B[aader]:

Kann ich ... gut. Kann ich ...

Vors.:

Daher sind jetzt Fragen an den Herrn Sachverständigen zu stellen, wenn nicht, wird der Herr Sachverständige entlassen.

Herr Dr. Heldmann oder Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, Sie ...

Angeklagter B.:

Ich wollte aber noch eine Frage stellen, ich wollte ...

Vors.:

Aber an den Herrn Sachverständigen, nicht an das Gericht.

Angekl. B[aader]:

Ja genau. Ich wollte Sie bitten ... Sie haben gesagt, selbstverständlich gibt es Widersprüche. Dann würde ich Sie doch bitten, über diese Widersprüche oder Sie haben glaube ich gesagt: Unterschiede, dann würde ich Sie doch bitten über diesen Unterschied etwas zu erklären hier.

Vors.:

Nein. Hat hier für die Frage nichts tun. Wir haben erfahren, daß alle Fachrichtungen unter diesem Fachverband oder dieser Institution vereinigt sind. Folglich hat es keinen Sinn uns auseinanderklamüsern zu wollen, was nun der Eine und der Andere meint. Dafür hat der Sachverständige nichts zu sagen. Er ist nur da, um diesen begrenzten Fragenkreis, der jetzt den ganzen Tag schon angedeutet wurde, zu beantworten. Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, ich glaube ... oder Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, mir ist es gleichgültig.

RA v[on] P[lottnitz]:

Ich habe zunächst einmal folgende[uu] Frage: Herr Sachverständiger, Sie gehen bei Ihren gutachtlichen Äußerungen immer von der Feststellung aus, die Gefangenen hätten drei Jahre Untersuchungshaft hinter sich. Ich will in diesem Zusammenhang vorhalten, was Ihr Kollege Dr. Henck zu den besonderen Bedingungen dieser Haft gesagt hat, dieser Untersuchungshaft. Er hat gesagt, er sei 20 Jahre Arzt, Gefängnisarzt, und er habe solche Haftbedingungen noch nie erlebt und gemeint waren die Beschränkung sozialer Kontakte im Vollzuge der Untersuchungshaft. Frage dazu nach diesem Vorhalt, ist [1190] Ihnen bekannt, sind Ihnen die physiologischen und psychologischen Auswirkungen der Isolation von Gefangenen bekannt?

Prof. Dr. R[auschke]:

Die Frage ist eigentlich schon beantwortet. Ich habe bereits heute vormittag gesagt, daß ich die einschlägige Literatur nicht kenne, also nicht in mein Fachgebiet fällt.

RA v[on] P[lottnitz]:

Gut, dann habe ich keine Frage mehr.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, bitte.

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Prof. Rauschke, Sie haben von Ihren Beobachtungen gesprochen, aus denen Sie zu gewissen Diagnosen gekommen sind und haben als Beobachtung geschildert, während der Verlesung eines Antrags des Kollegen Schily, hätten die Angeklagten rege miteinander gesprochen. Meine Frage ist, halten Sie dies, gerade das für den Beleg für die hier in Frage stehende Fähigkeit der Verhandlung strikt folgen zu können?

Prof. Dr. R[auschke]:

Ja, soweit ... Ich kann nur einen Eindruck wiedergeben und mein Eindruck ging dahin, daß der ... daß was verlesen wurde, den Angeklagten bereits bekannt war und daß sie daher akustisch nicht auf den verlesenen Text hörten, sondern die Zeit nutzten, sich zu unterhalten und Meinungen auszutauschen.

RA Dr. H[eldmann]:

Sie haben also eine gutachterliche Äußerung abgegeben aufgrund einer eigenen Feststellung[vv] über deren Richtigkeitsgehalt Sie sich jedoch nicht vergewissert haben. Sie haben unterstellt, den Angeklagten sei der Inhalt dieses Antrags bekannt gewesen. Woher wissen Sie das?

Prof. Dr. R[auschke]:

Ich habe gesagt, ich hatte den Eindruck, ich habe es so vermutet. Dem ganzen Gebahren nach, legten die Angeklagten [1191] gar keinen Wert darauf, sich den Text anzuhören. Sie unternahmen gar keine Anstalten, sondern haben sich sehr rege, wirklich das muß ich nochmal wiederholen und betonen, sehr rege miteinander unterhalten und ihre Meinungen ausgetauscht.

RA Dr. H[eldmann]:

Käme für einen unvoreingenommen Betrachter, der als Sachverständiger auftritt und etwa unbeeinflußt ist[ww] durch vorangegangene Richteräußerungen, käme dann nicht[xx] etwa auch[yy] die Möglichkeit in Betracht, daß diesem langen, zu verlesenden Antrag die Angeklagten nicht gefolgt sind, statt dessen parliert haben, weil sie ihm nicht folgen konnten.

Prof. Dr. R[auschke]:

Nein, nein der Eindruck sprach genau für das Gegenteil.

RA Dr. H[eldmann]:

Eine letzte Frage bitte. Sind Ihnen ... Ist Ihnen das ein Begriff „Deprivationsschäden“ bekannt?

Prof. Dr. R[auschke]:

Der Begriff ist mir bekannt. Ich habe aber eben schon gesagt, ich kenne die einschlägige Literatur nicht.

RA Dr. H[eldmann]:

Sie haben aber ...

RA Sch[ily]:

Ich habe eine kurze Zwischenfrage.

RA Dr. H[eldmann]:

Ja, bitte.

Vors.:

Ja darf ... Augenblick. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, Sie haben doch das Fragerecht, wollen Sie es abtreten.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich habe schon gesagt, bitteschön.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Sch[ily]:

... eine Frage, weil’s in den Zusammenhang gehört. Wie stellt man ... Wie macht man eigentlich ... Wie hat man so einen Eindruck, wie ist der objektivierbar? Sie sagten, [1192] Sie hatten den bestimmten Eindruck, daß die den, die Angeklagten den Antrag kannten und sich nun irgendwie rege unterhielten und deshalb auch ein Hinweis auf Verhandlungsfähigkeit. Wie kommt das ... wie wird das objektiviert, so einen Eindruck.

Prof. Dr. R[auschke]:

Es ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, muß wirklich einer solchen Frage nachgegangen werden und ich möchte sagen, uns[zz] die Zeit gestohlen werden, denn daß jeder Mensch in der Lage ist, Eindrücke zu gewinnen, ob sich jemand angeregt unterhält oder nicht oder zuhört oder nicht. Das ist eigentlich eine solche Erfahrungstatsache, daß man doch darüber nicht ein Sachverständigen noch befragen muß, wie man zu solchen Eindrücken gelangt. Sie kriegen doch solche Eindrücke auch täglich.

RA Sch[ily]:

Ja sicher, nur der ... hier haben wir es ja nicht mit einem Laien zu tun, sondern mit einem Sachverständigen, der daraus bestimmte Folgerungen zieht, ja. Wissen Sie, wenn das nur so ein Eindruck wäre, den er vielleicht später in seinem Tagebuch festhält, dann würde ich sagen, ist es tatsächlich nicht der Zeit wert darüber zu reden. Aber das ist ja doch die Anknüpfungstatsache, die ja im Vordergrund der Überlegung von Herrn Prof. Rauschke gestanden hat und steht. Und dann allerdings würde ich fragen, wie kommt oder wo ist die Objektivierbarkeit, zu sagen, es ist ein Zustand bei den Angeklagten vorhandengewesen, daß sie also den Antrag kannten und offenbar daran nicht interessiert waren, den nun nochmal akustisch wahrzunehmen und deshalb sich angeregt ihre Meinungen ausgetauscht haben oder ob es ein anderer, sowie der Kollege Dr. Heldmann es als Alternative gebildet hat, daß sie vielleicht in der Tat gar nicht sich auf die Verhandlung konzentrieren konnten und eben sich ablenken ließen oder abgelenkt waren und hier da, wie gesagt wurde „parliert“, ich nehme den Ausdruck auf. Wie kann man das objektiv abgrenzen?

[1193] Prof. Dr. R[auschke]:

Das kann man[aaa] sehr gut abgrenzen.

RA Sch[ily]:

Ja?

Prof. Dr. R[auschke]:

Man kann es an Hand der Mimik beobachten, man kann auch beobachten, wenn etwa in dem verlesenen Text irgendwelche Höhepunkte kommen, daß das Gespräch ununterbrochen weitergeführt wird und daß ganz offensichtlich eine, ich möchte es nennen, eine Abschaltung gegenüber dem vorliegt, was da verlesen wird und sich die Beteiligten ausschließlich auf ihr eigenes Gespräch konzentrieren. Das kann man[bbb] als Arzt erkennen.

RA Sch[ily]:

Das kann man also erkennen, ob das das Eine oder das Andere ist, ja?

Prof. Dr. R[auschke]:

Ja.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

Eine letzte Frage an den Herrn Sachverständigen. Sie sagten heute vormittag, das Mittel, das Medikament, Monotrean sei Ihnen nicht bekannt.

Prof. Dr. R[auschke]:

Nein.

RA Dr. H[eldmann]:

Das Mittel Monotrean wird hier nach der Rezeptur verabreicht zur Therapie von Schwindelerscheinungen verschiedener Genese. Können Sie aus dieser Therapie, aus dieser Indikation, Schlüsse ziehen auf unbeschränkte Verhandlungsfähigkeit, ich wiederhole Schwindelerscheinungen verschiedener Genese?

Prof. Dr. R[auschke]:

Nein, es besteht keine Möglichkeit aus der Tatsache, daß ein Medikament und welches Medikament verordnet wurde, Rück- [1194] schlüsse zu ziehen auf die Art der Krankheit und dann wieder Rückschlüsse zu ziehen auf die Verhandlungsfähigkeit, das ist nicht möglich, eine ...

RA Dr. H[eldmann]:

Nein, meine letzte Frage, Verzeihung Herr Professor, Sie haben mich vielleicht nicht verstanden. Meine letzte Frage war, die Indikation Schwindelerscheinungen läßt wenig Rückschlüsse zu auf die Frage der unbeschränkten Verhandlungsfähigkeit.

Prof. Dr. R[auschke]:

Ich möchte zuerst mal die Zusammensetzung des Medikaments kennen. Die sagt mir mehr als der Fabrikname.

RA Dr. H[eldmann]:

Ninenum, Hitroklorikum und Papaverinum.

Prof. Dr. R[auschke]:

Ja.

RA Dr. H[eldmann]:

Hilft das Ihnen weiter?

Prof. Dr. R[auschke]:

Haben Sie da den Zettel da?

Prof. Dr. Rauschke liest den Zettel über das Medikament „Monotrean“.

RA Dr. H[eldmann]:

Also überwiegender Bestandteil[ccc] heißt Chinin, nicht?

(Prof. Dr. Rauschke spricht ohne Mikrophon)

Und nach dem Sie’s nun selbst gelesen haben. Können wir daraus eine Sachverständigenerklärung machen?

Prof. Dr. R[auschke]:

Ein Medikament, das die Hirndurchblutung fördert. Aber aus der Tatsache der Verordnung dieses Medikaments kann ich keine Schlüsse ziehen, weshalb es nun verordnet wurde und dann kann ich, dann sind auch keine Schlußfolgerungen möglich, wie sich dieser Zustand im ... zur gegebener Fragestellung auswirkt.

RA Dr. H[eldmann]:

Sie haben verkürzt wiedergegeben, es heißt also nicht etwa, wie Sie gesagt haben, es förderte die Hirndurchblutung, sondern [1195] da heißt es, es ist bestimmt vasomotorische und speziell kapilaremotorische Dysfunktionen auszugleichen. Was bedeutet das?

Prof. Dr. R[auschke]:

Das bedeutet, Sie haben vielleicht schon mal gehört von einer vegetativen Dystonie, also einer Fehlsteuerung des vegetativen Nervensystems, das sich ja auch auf das Kapillarsystem, also die feinen Blutgefäße auswirkt und hier eine Regulation schafft. Eine vegetative Dystonie, wenn wir das mal als Grundlage „leiten“ annehmen wollen, daß die Verordnung dieses Medikamentes erforderlich machte, ist an sich kein Zustand der Verhandlungsunfähigkeit bedingt.

RA Dr. H[eldmann]:

Und würden Sie, nach dem, was Sie eben erklärt haben, nicht annehmen müssen als Sachverständiger, daß damit genau das Deprivationssympton beschrieben wird?

Prof. Dr. R[auschke]:

Wie heiß das?

RA Dr. H[eldmann]:

Das Deprivationssymptom, d. h. also Deprivation ... die sogenannte sensorische Deprivation als Folge einer langdauernden Totalisolierung.

Prof. Dr. R[auschke]:

Das kann ich nicht beurteilen.

RA Dr. H[eldmann]:

Können Sie nicht beurteilen. Eine allerletzte Frage, gibt es Ihnen als Sachverständigen zu denken, daß dieses Mittel, von dem wir hier gesprochen haben, sämtlichen Angeklagten hier in einer übernormalen Dosis täglich verabreicht wird? Als Norm werden 3[ddd] Dragees bezeichnet, alle Angeklagten erhalten aber pro Tag 4.

Prof. Dr. R[auschke]:

Dazu kann ich, ich sag’s schon, dazu kann ich nicht Stellung nehmen.

RA Dr. H[eldmann]:

Nicht sagen, Dankeschön.

[1196] Vors.:

Herr Raspe.

Angekl. R[aspe]:

Ja ich wollte Sie nochmal fragen, wenn Sie sagen, daß Sie also Deprivationsschäden, also Deprivationen - den Begriff - nicht kennen.

Prof. Dr. R[auschke]:

Denn Begriff „Deprivation“ kenne ich schon.

Angekl. R[aspe]:

Also den genauen Zusammenhang nicht kennen und so also auch, nicht genau sagen können, bzw. nicht genau kennen, was Deprivationsschäden sind. Ja, wie können Sie dann schlußfolgern und schließen, daß diese Deprivationsschäden nicht vorliegen?

Prof. Dr. R[auschke]:

Ich weiß ...

Angekl. R[aspe]:

Zumal, zumal Deprivationsschäden nicht sichtbar sind. Das ist ja gerade eines ihrer Kriterien, also eines ihrer Kennzeichen. Wie können Sie also sagen, es liegt nicht vor?

Vors.:

Ich lasse die Antwort zu, obwohl auch diese Frage schon 20 mal heute beantwortet worden ist.

Prof. Dr. R[auschke]:

Herr Raspe, ich habe nicht gesagt, daß ich nicht weiß, was Deprivation ist. Ich weiß nur nicht wie ..., kenne nur nicht die Behandlung mit dem Medikament Monotrean, wie es heißt und hab gesagt, daher kann ich zu der Dosierung usw. nicht Stellung nehmen. Im übrigen habe ich heute vormittag betont, daß es gerade das Ziel einer psychiatrischen Untersuchung sein muß, die Auswirkungen in psychischer Hinsicht, die Auswirkungen der Haft, in psychischer Hinsicht auf, überhaupt auf das Vorhandensein und dann[eee] auf die Frage zu beurteilen, ob und wieweit die Verhandlungsfähigkeit dadurch beeinträchtigt wird.

Vors.:

Ich möchte jetzt die Befragung des Herrn Sachverständigen abschließen. Es hat keinen Sinn jetzt ein Examen hier an- [1197] zustellen über Deprivationsschäden. Wir wissen ja nicht, ob diese Symptome, die hier geäußert werden, überhaupt etwas damit zu tun haben. Der Senat ist darüber unterrichtet, daß von[fff] [ggg] einer vollständigen Isolation, wie sie für die Deprivationsforschung - wo der Ausgangspunkt ist - keine Rede sein konnte. In der ganzen Zeit nicht, die drei Jahren.

Und in der Zeit, in der der Senat die Haftbedingungen bestimmt hat, erst recht nicht.

Sind seitens der Bundesanwaltschaft noch irgendwelche ...

RA Dr. H[eldmann]:

Frau Meinhof weiß das besser.

Vors.:

Ich spreche davon, wie der Senat die Bedingungen übersieht, das ist das einzige, was möglich ist. Wir haben hier jetzt die Fachgesellschaft ...

Angekl. B[aader]:

Wir haben ... aufgestellt.

Vors.:

Herr Baader, wir haben hier jetzt die Fachgesellschaften benannt. Ich würde die Herrn Verteidiger jetzt nach Schluß der Sitzung bitten, ganz kurz mit uns nochmals die Namen anzugucken, d. h. mit mir. Ich bleibe geschwind hier mit dem Zettel, damit Sie von vornherein die Möglichkeit haben zu wissen, was in Betracht kommt. Und wenn Sie irgendwelche Nachforschungen darüber anstellen wollen, können Sie es ja jederzeit tun. Keine Fragen mehr, ich sehe nicht, dann danke ich Ihnen. Verzeihung, Herr Schily, Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Sch[ily]:

... Prof. Rauschke auch die Namen, die wir mal in Vorschlag gebracht haben, bekanntgegeben worden?

Vors.:

Sie sind ihm nicht bekanntgegeben worden. Ich kann das aber gleich nachholen. Das ist kein Problem, wir haben ja den Antrag beim Protokoll, das kann ich rausziehen.

RA Sch[ily]:

Und dann können wir ja mal Herrn Prof. Rauschke auch nochmal fragen in der Richtung, ob wir da ...

[1198] Vors.:

Wir sprechens durch, das könnten wir machen.

Herr Baader, haben Sie noch eine Frage, die zur Sache gehört?

Bitte.

Angekl. B[aader]:

Sie haben heute morgen gesagt, Sie halten für notwendig, die Zuziehung zu dieser Untersuchung eines Psychiaters oder eines Facharztes für Psychiatrie, der besonders oder in besonderem mit der Isolationsforschung befaßt ist. Das war Ihre wörtliche Formulierung. Sie haben die Notwendigkeit bejaht, um zur Feststellung eben von möglichen oder von[hhh] Deprivationsschäden zu kommen. Welchen Arzt haben Sie in diesem Zusammenhang empfohlen?

Prof. Dr. R[auschke]:

Ich habe keinen Arzt namentlich empfohlen. Ich habe überhaupt keinen Arzt namentlich empfohlen ...

Angekl. B[aader]:

Also dann habe ich das mißverstanden.

Prof. Dr. R[auschke]:

Ich habe dem Senat empfohlen, sich an[iii] die entsprechenden Fachgesellschaften zu wenden, weil der Vorsitz der Vorstand einer medizinischen Fachgesellschaft den besten Überblick darüber hat, welcher Gutachter oder welche Gutachter sich für die gegebene gutachtliche Fragestellung am besten eignet.

Vors.:

Und wir werden dieser Anregung nachgehen. Es wird nichts schaden, wenn Sie sich mal die Namen, die hier benannt worden sind, der anderen Ärzte durchsehen. Wenn Sie aus Ihrer besonderen Fachkenntnis heraus sagen könnten, dieser Mann ist besonders geeignet, der eine oder der andere, dann könnte der ja zu dem Vorschlag notfalls hinzukommen.

Ich habe die Absicht damit heute die Sitzung zu beenden.

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz.

RA v[on] P[lottnitz]:

Frage: Wäre es möglich, daß die Verteidiger vielleicht eine [1199] Fotokopie der von Ihnen ... der Ihnen bereits vorliegenden Liste erhalten, dann könnten wir ...

Vors.:

Das ist keine Liste, es ist ... sind die Vorsitzende der medizinischen Fachgesellschaften benannt. Das sind also die drei für innere Medizin, Psychiatrie, Hals-Nasen-Ohren und wir denken daran, ob wir nicht noch einen Urologen mit zuziehen müßten

Angekl. B[aader]:

Unbedingt, ja.

Vors.:

Eben und darüber werden wir uns ganz geschwind außerhalb der Sitzung unterhalten. Sie können ja jederzeit sich das mit angucken.

Prof. Dr. R[auschke]:

Darf ich fragen, Urologe wegen der Nieren.

Vors.:

Ja.

Prof. Dr. R[auschke]:

Wegen der Nierenstörungen, das fällt an sich mehr in den ...

Vors.:

Innere Medizin.

Prof. Dr. R[auschke]:

Ja vielleicht auch zusätzlich Urologie, aber primär einmal in die, in das Fachgebiet der Inneren Medizin.

Vors.:

Gut, damit wollen wir die ... Verzeihung die Bundesanwaltschaft will sich noch äußern.

BA Dr. W[under]:

Wir möchten gerne zu den gestellten Anträgen auf Gegenüberstellung Stellung nehmen.

Vors.:

Zu welchen?

BA Dr. W[under]:

Es ist heute der Antrag gestellt worden, daß die Ärzte einander gegenübergestellt werden. Herr Dr. Henck und Herr Dr. Teuns ...

[1200] Vors.:

Dieser Antrag ...

BA Dr. W[under]:

... Der Antrag steht ihm Raum und wir würden gerne Stellung nehmen.

Vors.:

Ja, aber nicht heute mehr, denn ich beabsichtige jetzt Schluß zu machen, Herr Bundesanwalt. Der Antrag steht im Raume, das habe ich heute früh erwähnt. Über den werden wir heute nicht mehr entscheiden, dazu kann morgen Stellung genommen werden. Es ja nur die Voraussetzung, die Sie gestellt hatten, daß Sie beide Sachverständigen vorher gehört haben.

Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Sch[ily]:

... den Prof. Rauschke richtig verstanden, er sagte wir oder der Senat möge sich an diese Gesellschaften wenden ...

Vors.:

Er schlage das dem Senat vor.

RA Sch[ily]:

... vor, ja. Damit man dann, aber nicht gesagt hat, wir ... der Senat möge die drei Vorsitzenden dieser Gesellschaften bestellen, nicht?

Vors.:

Diese Herrn sollen uns Namenslisten liefern sozusagen.

RA Sch[ily]:

Genau, so hatte ich’s dann richtig verstanden.

Vors.:

Genau richtig verstanden.

Prof. Dr. R[auschke]:

Und zwar möglichst viele, nicht.

Vors.:

Gut. Wir werden also morgen früh uns zuerst und darüber ist sich der Senat im Klaren, über die Frage, ob es eine Gegenüberstellung der Ärzte bedarf, es war nur eine Gegenüberstellung Dr. Henck und Teuns beantragt, nicht Prof. Rauschke.

[1201] Vors.:

Schluß der Sitzung.

Morgen früh Fortsetzung um 9.00 Uhr. Wir danken Ihnen schön, Herr Prof. Rauschke.

Prof. Dr. Rauschke übergab eine Liste der Vorsitzenden Medizinischer Fachgesellschaften als Anlage 5 zum Protokoll.

Der Sachverständige blieb unvereidigt und wurde um 16.10 Uhr entlassen.

- Die Sitzung wurde um 16.10 Uhr beendet -

Ende Band 44

[1202][32]


[1] § 137 Abs. 1 StPO lautet: „Der Beschuldigte kann sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers bedienen. Die Zahl der gewählten Verteidiger darf drei nicht übersteigen“.

[2] In den Fällen der notwendigen Verteidigung ist die Mitwirkung eines Verteidigers oder einer Verteidigerin gesetzlich vorgeschrieben (§ 141 StPO a.F.; seit dem 13.12.2019 [Gesetz zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019, BGBl. I, S. 2128] ist die Bestellung in manchen Fällen von einem Antrag des/der Beschuldigten abhängig, § 141 Abs. 1 StPO). Die notwendige Verteidigung ergab sich in diesem Verfahren daraus, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht stattfand (§ 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO) und dem Vorwurf eines Verbrechens (§ 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO; ein Verbrechen liegt vor bei einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr, § 1 Abs. 1 StGB a.F.; heute: § 12 Abs. 1 StGB), sowie der Inhaftierung der Beschuldigten für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten (§ 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO a.F.; heute ist die zeitliche Vorgabe entfallen). Auch zuvor gewählte Verteidiger/innen können als Pflichtverteidiger/innen bestellt werden. Für einige der sog. Vertrauensverteidiger/innen war dies geschehen; für die drei Andreas Baader beigeordneten Vertrauensverteidiger Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele war die Bestellung allerdings noch vor Beginn der Hauptverhandlung aufgehoben worden, bevor sie schließlich ganz von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen wurden (s. dazu die Ausführungen des Vorsitzenden Dr. Prinzing am 3. Verhandlungstag, S. 235 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Der vierte (Pflicht-)Verteidiger seines Vertrauens, Rechtsanwalt Siegfried Haag, tauchte nur wenige Tage vor Beginn der Hauptverhandlung unter und schloss sich der RAF an (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 212 f.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 69; s. auch die Presseerklärung Haags in Anlage 1 zum Protokoll vom 21.5.1975, S. 12 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Rechtsanwalt Dr. Heldmann legitimierte sich schließlich am 4. Verhandlungstag für ihn als Wahlverteidiger (§§ 137 Abs. 1 Satz 1, 138 StPO).

[3] Da die Beiordnung dem öffentlichen Interesse dient, dafür zu sorgen, dass Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhalten und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird (BVerfG, Beschl. v. 8.4.1975 - Az.: 2 BvR 207/75, BVerfGE 39, S. 238, 242), hat sie u.a. zur Folge, dass der/die beigeordnete Verteidiger/in einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse erhält (damals § 97 BRAGO, inzwischen ersetzt durch § 45 Abs. 3 RVG). Dies ist bei Wahlverteidiger/innen nicht der Fall, weshalb aufwendige und lang andauernde Prozesse gegen mittellose Mandant/innen mit einem Wahlmandat kaum zu bewältigen sind.

[4] Anlage 1 des Protokolls vom 8.7.1975: Antrag des Rechtsanwalts Dr. Heldmann auf Bestellung als Pflichtverteidiger für Andreas Baader.

[5] Anlage 2 des Protokolls vom 8.7.1975: Antrag des Rechtsanwalts Chotjewitz auf Erteilung einer Dauer-Besuchs- und Sprecherlaubnis in Bezug auf den Angeklagten Baader sowie Strafprozessvollmacht.

[6] Eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit hatte nach damaliger Rechtslage zur Folge, dass der/die abgelehnte Richter/in vorläufig amtsunfähig wurde und damit ab dem Zeitpunkt der Ablehnung nicht mehr an Entscheidungen mitwirken durfte; eine Ausnahme galt nur für unaufschiebbare Handlungen (§ 29 StPO a.F.). Unaufschiebbar ist eine Handlung dann, wenn sie wegen ihrer Dringlichkeit nicht aufgeschoben werden kann, bis ein/e Ersatzrichter/in eintritt (BGH, Beschl. v. 3.4.2003 - Az.: 4 StR 506/02, BGHSt 48, S. 264, 265; BGH, Urt. v. 14.2.2002 - Az.: 4 StR 272/01, NStZ 2002, S. 429, 430). Nachdem zwischenzeitliche Gesetzesänderungen weitere Mitwirkungsmöglichkeiten u.a. bei in der Hauptverhandlung gestellten Ablehnungen ermöglichten, wurde das Verfahren nach einer Ablehnung durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10.12.2019 (BGBl. I, S. 2121) grundlegend neu geregelt. Nach § 29 Abs. 1 StPO sind zwar weiterhin nur unaufschiebbare Handlungen gestattet; die Hauptverhandlung wird aber nach § 29 Abs. 2 Satz 1 StPO gesetzlich als unaufschiebbar eingeordnet. Bis zur Entscheidung über die Ablehnung (Frist: zwei Wochen, Abs. 3) findet diese nun unter Mitwirkung des/der abgelehnten Richter/in statt. Wird die Ablehnung für begründet erklärt, ist der seit Anbringung des Ablehnungsgesuchs durchgeführte Teil der Hauptverhandlung zu wiederholen, es sei denn, dies ist nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand möglich (Abs. 4).

[7] Der/Die Vorsitzende leitet die Hauptverhandlung (§ 238 Abs. 1 StPO). Wird eine sachleitungsbezogene Anordnung durch eine/n Prozessbeteiligte/n als unzulässig beanstandet, entscheidet hierüber das Gericht (§ 238 Abs. 2 StPO), in diesem Fall der Senat.

[8] § 177 GVG eröffnet die Möglichkeit, Angeklagte wegen ordnungswidrigen Benehmens aus dem Sitzungszimmer zu entfernen. Nach § 231b Abs. 1 StPO kann die Hauptverhandlung sodann in Abwesenheit der Angeklagten fortgeführt werden, wenn das Gericht ihre Anwesenheit nicht für unerlässlich hält und solange weitere schwerwiegende Störungen zu befürchten sind.

[9] Anlage 3 zum Protokoll vom 8. Juli 1975: Beschluss des OLG Stuttgart vom 4.7.1975 (Zurückweisung der gegen den Vorsitzenden Dr. Prinzing sowie die Richter am OLG Dr. Foth, Maier und Dr. Berroth gerichteten Ablehnungen als unbegründet).

[10] Aktenvermerk vom 4.7.1975: Telefonische Eröffnung des Beschlusses (Zurückweisung der Ablehnungen) gegenüber Dr. Prinzing und Dr. Foth.

[11] Aktennotiz vom 7.7.1975: Verständigung des Rechtsanwaltbüros von Plottnitz über den Beschluss vom 4.7.1975 und wörtliche Verlesung des Tenors.

[12] Rechtsanwalt von Plottnitz, früherer Verteidiger des verstorbenen Holger Meins, stellte im Namen der Angehörigen sowie im eigenen Namen eine Strafanzeige gegen den Vorsitzenden Dr. Prinzing u.a. wegen Beteiligung am Mord an Holger Meins durch Unterlassen der erforderlichen Hilfsmaßnahmen. Auszüge der Strafanzeige sind abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 195 f.; vollständig, aber schlecht lesbar, findet sich die Strafanzeige auch im Anhang der Anlage 1 zum Protokoll vom 19. Juni 1975, 7. Verhandlungstag, S. 644 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[13] Die Hauptverhandlung beginnt nach dem Aufruf der Sache und Feststellung der Anwesenheit mit der Vernehmung der Angeklagten zur Person, an die sich die Verlesung der Anklage (heute außerdem: Mitteilung über ggf. stattgefundene Erörterungen) sowie die Vernehmung der Angeklagten zur Sache anschließen. Hierauf folgt die Beweisaufnahme (§§ 243, 244 StPO). Aufgrund vorrangiger Anträge begann die Beweisaufnahme in diesem Verfahren erst am 43. Verhandlungstag.

[14] Dr. Henck war während des Prozesses als Anstaltsarzt in Stuttgart-Stammheim tätig und wurde als erster Sachverständiger zur Frage der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten angehört (S. 357 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 5. Verhandlungstag; s. auch S. 937 ff. an diesem Verhandlungstag sowie S. 1725 ff., 21. Verhandlungstag). Eine Untersuchung durch ihn lehnten die Angeklagten ab. Andreas Baader beschrieb das Verhältnis zu ihm wie folgt: „Das Verhältnis zu Henck ist ein Zwangsverhältnis, d. h. er hat unter [...] Anwendung urmittelbaren Zwangs durch 6 Vollzugsbeamte die Zwangsernährung - oder wie ein anderer Vollzugsarzt, typischer Sadist, sagt, die Schlauchorgie - in Stammheim während des Hungerstreiks durchgeführt, zuletzt so, wie ich das hier erklärt habe, daß es physische Folter war; darin besteht das Verhältnis zu Henck“ (S. 1243 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 15. Verhandlungstag).

[15] Das Freibeweisverfahren findet Anwendung zum Beweis von Tatsachen, die nicht die Straf- oder Schuldfrage, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe, betreffen. Im Unterschied zum dort anzuwendenden Strengbeweisverfahren ist das Gericht im Freibeweisverfahren nicht auf die Wahl bestimmter Beweismittel beschränkt, sondern kann grundsätzlich alle verfügbaren Erkenntnisquellen nutzen; auch an die im Strengbeweisverfahren vorgeschriebene Form ist es nicht gebunden (BGH, Urt. v. 28.6.1961 - Az.: 2 StR 154/61, BGHSt 16, S. 164, 166).

[16] Verhandlungsfähigkeit ist die Fähigkeit „in und außerhalb der Verhandlung seine Interessen vernünftig wahrzunehmen, die Verteidigung in verständiger und verständlicher Weise zu führen sowie Prozesserklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen“ (BGH, Beschl. v. 8.2.1995 - Az.: 5 StR 434/94, BGHSt 41, S. 16, 18). Die Verhandlungsunfähigkeit bildet ein vorübergehendes oder dauerndes Verfahrenshindernis (§§ 205, 206a StPO). Eingeschränkter Verhandlungsfähigkeit kann durch die Anordnung besonderer Maßnahmen (ärztliche Unterstützung, Einlegung von Erholungspausen o.ä.) begegnet werden (s. dazu auch Rechtsanwalt Dr. Heldmann auf S. 1255 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 15. Verhandlungstag). Bei vorsätzlicher und schuldhafter Herbeiführung der Verhandlungsunfähigkeit kann die Hauptverhandlung in Abwesenheit des/der Angeklagten durchgeführt werden (§ 231a StPO).

[17] Von September 1974 bis Februar 1975 führten insgesamt 40 Gefangene, darunter die Angeklagten, den insgesamt dritten und längsten Hungerstreik durch, um gegen die Haftbedingungen zu protestieren, die sie als Isolationsfolter bezeichneten (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 117; die Hungerstreikerklärung ist abgedruckt in Komitees gegen Folter an politischen Gefangenen in der BRD, Der Kampf gegen die Vernichtungshaft, S. 14 ff.; s. zu den Haftbedingungen Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 97 ff., insbesondere 103 ff. zum Vorwurf der Isolationsfolter; Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 270 ff.). RAF-Mitglied Holger Meins, ursprünglich ebenfalls Beschuldigter im Stammheimer Verfahren, überlebte ihn nicht: Im November 1974 starb er an den Folgen der Mangelernährung (Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 58).

[18] Die „Mindestgrundsätze für die Behandlung der Gefangenen“ der Vereinten Nationen von 19757/77 sehen in Nr. 91 vor: „Untersuchungsgefangenen ist auf begründeten Antrag zu gestatten, sich von ihrem eigenen Arzt oder Zahnarzt besuchen und behandeln zu lassen, wenn sie die anfallenden Kosten tragen können.“ Dieser Grundsatz ist auch in der revidierten Fassung von 2015 (sog. Mandela-Rules) in Nr. 118 enthalten. Verbindlich sind diese Resolutionen der VN-Generalversammlung nicht, da diese lediglich Empfehlungen aussprechen kann (Art. 9 ff. der Charta der Vereinten Nationen).

[19] Gemeint sind Holger Meins, Siegfried Hausner und Katharina Hammerschmid. Siegfried Hausner und Holger Meins starben, während sie sich in Haft und damit in Obhut des Staates befanden. Holger Meins, ursprünglich Mitangeschuldigter im Stammheim-Prozess, starb noch vor Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) am 9. November 1974 in Untersuchungshaft in Wittlich an den Folgen des dritten Hungerstreiks (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 117 ff.). Siegfried Hausner erlag Verletzungen, die er während der Geiselnahme in der Deutschen Botschaft in Stockholm im April 1975 erlitten hatte (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 512, 515 f.; Forsbach, Die 68er und die Medizin, 2011, S. 95 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 766 Anm. 80). Auch Katharina Hammerschmidt befand sich zunächst noch in Untersuchungshaft. Dort traten schon bald erste Symptome einer Krebserkrankung auf. Die von Hammerschmidt geäußerten gesundheitlichen Probleme wurden von den Gefängnisärzten aber nur unzureichend untersucht, weshalb der Tumor lange Zeit unerkannt blieb. Aufgrund der fortschreitenden Erkrankung wurde sie im Januar 1974 entlassen und starb schließlich Ende Juni 1975 in West-Berlin (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 196 ff.; Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa, 2014, S. 329). Für alle drei Tode machten die Angeklagten staatliche Akteure verantwortlich (s. dazu auch die Ausführungen von Andreas Baader auf S. 586 f., 6. Verhandlungstag).

[20] Bei der Untersuchungshaftvollzugsordnung (UVollzO) handelt es sich nicht um ein förmliches Gesetz, sondern um eine Verwaltungsvorschrift des Bundes zur Ausgestaltung der Untersuchungshaft, die sich an die Leitungen der Haftanstalten richtet. Für Gerichte ist sie nicht bindend (BVerfG, Beschl. v. 19.2.1963 - Az.: 1 BvR 610/62, BVerfGE 15, S. 288, 294). Nr. 56 Abs. 1 UVollzO lautet: „Der Gefangene wird vom Anstaltsarzt gesundheitlich betreut. Mit Zustimmung des Richters und nach Anhören des Anstaltsarztes kann dem Gefangenen gestattet werden, auf eigene Kosten einen beratenden Arzt hinzuzuziehen.“ Der UVollzO kommt mittlerweile keine Bedeutung mehr zu, seit durch das Föderalismusreformgesetz vom 28.8.2006 die Gesetzgebungskompetenz für die Untersuchungshaft den Ländern übertragen wurde und diese sämtlich von ihrer Ersetzungskompetenz (Art. 125a Abs. 1 GG) Gebrauch gemacht haben.

[21] Unter der Bezeichnung „Hamburger Modell“ schilderte der Anstaltsarzt Dr. Henck die Vorgehensweise in Hamburg, wo die Inhaftierten seinen Angaben zufolge von Ärzten ihres Vertrauens untersucht und pathologische Befunde dem Anstaltsarzt zur weiteren Behandlung übermittelt wurden (s. die Ausführungen auf S. 400 und 948 des Protokolls der Hauptverhandlung, Verhandlungstage 5 und 12).

[22] Die/Der Vorsitzende kann ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen nach § 141 Abs. 2 StPO zurückweisen. Daraus folgt aber grundsätzlich noch nicht die Befugnis, das Fragerecht im Ganzen zu entziehen und Fragen eines/einer Prozessbeteiligten gar nicht mehr zuzulassen. Nach der Rechtsprechung soll es aber zulässig sein, das Fragerecht bei fortgesetztem und erheblichem Missbrauch etwa im Hinblick auf eine/n konkrete/n Zeug/in zu entziehen, wenn das Gericht davon überzeugt ist, dass das Fragerecht nur noch für Fragen beansprucht werden wird, die zurückzuweisen wären (BGH, Beschl. v. 13.2.1973 - Az.: 5 StR 577/72, MDR 1973, S. 371 f.; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.10.1977 - Az.: 3 Ss 314/77, NJW 1978, S. 436 f.; krit. Gaede, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl. 2016, § 241 Rn. 32 f.; Strate, StV 1981, S. 261, 263 f.).

[23] Rechtsanwalt Schily äußerte am 5. Verhandlungstag die Vermutung, die Bundesanwaltschaft verfüge - anders als die Verteidigung - über eine selbstständige Mikrofonanlage, mit welcher sie die eigenen Mikrofone selbsttätig einschalten könne (S. 404 des Protokolls der Hauptverhandlung, 5. Verhandlungstag). Der Vorsitzende Dr. Prinzing nahm am 6. Verhandlungstag dahingehend Stellung, einfachheitshalber seien bei der Bundesanwaltschaft dieselben Anlagen angebracht worden, wie bei Gericht und Protokollführung. Eine Benachteiligung der Verteidigung wies er zurück, ließ aber „um auch den leisesten Zweifel auszuräumen“ die Anlagen der Bundesanwaltschaft austauschen (S. 541 f. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[24] Anlage 4 zum Protokoll vom 8.07.1975: Ablehnung des Richters Dr. Breucker wegen Besorgnis der Befangenheit durch die Angeklagte Ensslin.

[25] Eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit hatte nach damaliger Rechtslage zur Folge, dass der/die abgelehnte Richter/in vorläufig amtsunfähig wurde und damit ab dem Zeitpunkt der Ablehnung nicht mehr an Entscheidungen mitwirken durfte; eine Ausnahme galt nur für unaufschiebbare Handlungen (§ 29 StPO a.F.). Unaufschiebbar ist eine Handlung dann, wenn sie wegen ihrer Dringlichkeit nicht aufgeschoben werden kann, bis ein/e Ersatzrichter/in eintritt (BGH, Beschl. v. 3.4.2003 - Az.: 4 StR 506/02, BGHSt 48, S. 264, 265; BGH, Urteil vom 14.2.2002 - Az.: 4 StR 272/01, NStZ 2002, S. 429, 430). Nachdem zwischenzeitliche Gesetzesänderungen weitere Mitwirkungsmöglichkeiten u.a. bei in der Hauptverhandlung gestellten Ablehnungen ermöglichten, wurde das Verfahren nach einer Ablehnung durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10.12.2019 (BGBl. I, S. 2121) grundlegend neu geregelt. Nach § 29 Abs. 1 StPO sind zwar weiterhin nur unaufschiebbare Handlungen gestattet; die Hauptverhandlung wird aber nach § 29 Abs. 2 Satz 1 StPO gesetzlich als unaufschiebbar eingeordnet. Bis zur Entscheidung über die Ablehnung (Frist: zwei Wochen, Abs. 3) findet diese nun unter Mitwirkung des/der abgelehnten Richter/in statt. Wird die Ablehnung für begründet erklärt, ist der seit Anbringung des Ablehnungsgesuchs durchgeführte Teil der Hauptverhandlung zu wiederholen, es sei denn, dies ist nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand möglich (Abs. 4).

[26] Verfügung: Stellungnahmefrist zur dienstlichen Äußerung des Richters Dr. Breucker.

[27] Dienstliche Äußerung des Richters Dr. Breucker nebst Anlage.

[28] Antrag der Bundesanwaltschaft auf Zurückweisung der Ablehnung als unbegründet.

[29] S. bereits Fn. 15.

[30] Ab dem Zeitpunkt der Erhebung der öffentlichen Klage ist das Gericht der Hauptsache zuständig für den Vollzug der Untersuchungshaft und damit auch für Entscheidungen über die Haftbedingungen (§ 126 Abs. 2 StPO).

[31] Mit Beschluss vom 13.7.1973 gab der Untersuchungsrichter am BGH Knoblich dem Antrag der Bundesanwaltschaft statt, Ulrike Meinhof - notfalls gegen ihren Willen unter Anwendung von Narkose - auf ihre Zurechnungsfähigkeit während der Tatzeit untersuchen zu lassen. Hintergrund war, dass sie sich 1962 aufgrund eines gutartigen Tumors einer Gehirnoperation unterziehen musste, sodass der Verdacht einer Beeinträchtigung durch einen Tumor aufkam. Zu den genehmigten Behandlungen zählten Röntgenaufnahmen und eine Szintigraphie des Gehirns. In einem offenen Brief wandten sich 70 Ärzte und Medizinalassistenten direkt an den Richter am BGH Knoblich mit der Aufforderung, diesen Beschluss aufzuheben (der Brief ist abgedruckt in Komitees gegen Folter an politischen Gefangenen in der BRD, Der Kampf gegen die Vernichtungshaft, S. 133 f.). Dies geschah schließlich auch auf Antrag der Bundesanwaltschaft, allerdings mit der Begründung, die Untersuchung sei aufgrund neuer Erkenntnisse überflüssig geworden (so Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 115 f.; s. dazu auch Ulrike Meinhof am 19. Verhandlungstag, S. 1541 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[32] Anlage 5 zum Protokoll vom 8. Juli 1975: Liste der Vorsitzenden verschiedener medizinischer Fachgesellschaften.


[a] Maschinell eingefügt: Reg. Dir. Widera: Ich bitte, den Angeklagten zu verwarnen.

[b] Maschinell eingefügt: vorab, also

[c] Maschinell eingefügt: ein Hinweis,

[d] Maschinell ersetzt: Ich sehe durch Ist er Ihnen

[e] Handschriftlich ersetzt: verurteilen durch beurteilen

[f] Maschinell eingefügt: die

[g] Maschinell eingefügt: möchte ich sagen

[h] Handschriftlich eingefügt: in

[i] Handschriftlich durchgestrichen: noch

[j] Handschriftlich ergänzt: keine

[k] Handschriftlich durchgestrichen: jede

[l] Handschriftlich durchgestrichen: wenn

[m] Handschriftlich ergänzt: hatte

[n] Handschriftlich durchgestrichen: Verwun

[o] Maschinell ersetzt: nämlich durch nicht

[p] Maschinell eingefügt: es

[q] Maschinell eingefügt: Ja,

[r] Maschinell eingefügt: also

[s] Handschriftlich eingefügt: ist

[t] Handschriftlich durchgestrichen: wird’s

[u] Maschinell eingefügt: nunmehr auch

[v] Handschriftlich eingefügt: ist

[w] Maschinell eingefügt: ich

[x] Handschriftlich eingefügt: die

[y] Handschriftlich ergänzt: einen

[z] Handschriftlich ergänzt: einen

[aa] Handschriftlich ersetzt: sein durch sagen

[bb] Handschriftlich eingefügt: nicht auf

[cc] Handschriftlich ersetzt: führen durch für

[dd] Maschinell ersetzt: auch durch darauf

[ee] Handschriftlich ergänzt: einen

[ff] Maschinell ergänzt: erkennen

[gg] Handschriftlich eingefügt: hat

[hh] Maschinell eingefügt: einen

[ii] Handschriftlich durchgestrichen: daß

[jj] Handschriftlich eingefügt: es

[kk] Maschinell eingefügt: nur

[ll] Handschriftlich ersetzt: Selbstbedingung durch Selbstbedienung

[mm] Handschriftlich ersetzt: drei durch zwei

[nn] Handschriftlich eingefügt: nicht

[oo] Handschriftlich ersetzt: zur durch für

[pp] Handschriftlich eingefügt: dem

[qq] Handschriftlich eingefügt: gibt

[rr] Handschriftlich ergänzt: wird

[ss] Handschriftlich eingefügt: - Sie ist

[tt] Maschinell eingefügt: aber

[uu] Maschinell ersetzt: die durch folgende

[vv] Handschriftlich ersetzt: Eignung der Stellung durch eigenen Feststellung

[ww] Handschriftlich eingefügt: ist

[xx] Handschriftlich ersetzt: an sich durch dann nicht

[yy] Handschriftlich eingefügt: auch

[zz] Handschriftlich eingefügt: uns

[aaa] Handschriftlich eingefügt: man

[bbb] Handschriftlich eingefügt: man

[ccc] Handschriftlich ergänzt: Bestandteil

[ddd] Maschinell eingefügt: 3

[eee] Maschinell eingefügt: dann

[fff] Handschriftlich eingefügt: von

[ggg] Handschriftlich durchgestrichen: man

[hhh] Maschinell eingefügt: von

[iii] Maschinell eingefügt: sich an