127. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 15. Juli 1976, 9.07 Uhr



[10491] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 15. Juli 1976, 9.07 Uhr

- 127. Verhandlungstag -

Gericht und. Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte sind anwesend:

Just. O. Sekr. Janetzko

Just. Ass. z A. Scholze.

Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]

Als Verteidiger sind anwesend:

Rechtsanwälte Schily, Dr. Hoffmann, Künzel, Schnabel, Grigat.

Als Zeuge ist anwesend:

Gerhard Müller - vorgeführt aus Untersuchungshaft - mit seinem Rechtsanwalt[2] Huth.

Vors.:

Bitte Platz zu nehmen. Wir setzen die Sitzung fort. Es haben sich die Herren Rechtsanwälte Eggler, Schwarz und Herr Rechtsanwalt Herzberg, für Herrn Rechtsanwalt Schlaegel, für die erste Zeit der heutigen Vormittagssitzung entschuldigt. Die Verteidigung ist aber gewährleistet. Das Wort, das heißt das Fragerecht, Herr Rechtsanwalt Schily, hatten Sie gestern. Ich bitte Sie, fortzufahren.

RA Schi[ly]:

Herr Müller, mit wieviel Journalisten haben Sie während Ihrer Haftzeit gesprochen?

Zeuge Mü[ller]:

Ungefähr 3. Wobei ich nicht weiß, ob einer davon ein Journalist war oder ein Rechtsanwalt.

RA Schi[ly]:

Können Sie mal sagen wer das war?

Zeuge Mü[ller]:

Unter anderem ein Herr Zimmer, ein Herr Schwarberg und ein Herr Ruch.

RA Schi[ly]:

Das letzte habe ich schlecht verstanden.

Zeuge Mü[ller]:

Ruch.

RA Schi[ly]:

Hoch?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

[10492] RA Schi[ly]:

Wie hoch, im Gegensatz zu tief.

Zeuge Mü[ller]:

Bitte?

RA Schi[ly]:

Hoch, wie Gegensatz von Tief.

Zeuge Mü[ller]:

Nein, wie Ruch und Ruchbar.

RA Schi[ly]:

Ach der Herr Ruch, das war der Herr Ruch. Und der erste, der Herr Zimmer, von welcher Zeitung war der?

Zeuge Mü[ller]:

„Spiegel“.

RA Schi[ly]:

Und Herr „Schwarberg“?

Zeuge Mü[ller]:

„Stern“. Da fällt mir gerade noch im Moment Herr Petschel ein. Der ist auch vom Stern.

RA Schi[ly]:

Waren das alle Journalisten mit denen Sie gesprochen haben?

Zeuge Mü[ller]:

Es waren alle, die mir jetzt einfallen.

RA Schi[ly]:

Mit Rundfunkjournalisten haben Sie da mal gesprochen?

Zeuge Mü[ller]:

Achso ja, es war noch da ein Herr Aust, er ist beim Norddeutschen Rundfunk.

RA Schi[ly]:

Und vom Fernsehen?

Zeuge Mü[ller]:

Es war dann noch da ein Herr Döbel, der arbeitet zumindest gelegentlich für das[a] ZDF.

RA Schi[ly]:

Sonst noch jemand?

Zeuge Mü[ller]:

Das sind im Moment alle, die mir einfallen.

RA Schi[ly]:

Wo haben diese[b] Gespräche stattgefunden? Im Gefängnis oder außerhalb?

Zeuge Mü[ller]:

Im Gefängnis.

RA Schi[ly]:

Sämtliche dieser Journalistengespräche, ja?

Zeuge Mü[ller]:

Ja. Na moment, ich habe mal ein paar Worte gewechselt im Gerichtssaal. Das ist dann das Strafjustizgebäude und ist nicht mehr das Gefängnis.

RA Schi[ly]:

Welche Dauer hatten diese Journalistengespräche, also jetzt von der Stundenzahl oder wenn es weniger als eine Stunde war?

Zeuge Mü[ller]:

Das war verschieden.

RA Schi[ly]:

Können Sie mal etwa sagen ...

Zeuge Mü[ller]:

Ja können Sie nicht fragen, welchen Journalisten Sie meinen und ...

RA Schi[ly]:

Ja, wir können es ja durchgehen. Wie lange haben Sie mit Herrn Zimmer gesprochen? Wie lange mit Herrn Schwarberg, Herrn Ruch, Herrn Petschel, Herrn Augst und Herrn Döbel? Die Namen haben Sie ja genannt.

[10493] Zeuge Mü[ller]:

Ich habe mehrmals mit den Herren gesprochen ...

OStA Ze[is]:

Herr Vorsitzender, ich will die Frage beanstanden.

Der Bundesanwaltschaft ist ein[c] Sachzusammenhang nicht ersichtlich. Wenn Herr Rechtsanwalt Schily vielleicht das erklären könnte, [d] wollen wir uns überlegen, oh wir die Beanstandung zurücknehmen.

RA Schi[ly]:

Herr Zeis, Sie werden sich vielleicht erinnern, daß ich davon gesprochen habe und auch den Herrn Müller danach gefragt habe, ob es zu den Angeboten, die Herrn Müller gemacht wurden sind, auch gehörte, daß er ihm Pressekontakte gestattet und vermittelt werden; und ich glaube, daß doch da die Art und Umfang der Pressekontakte von Bedeutung sein könnte, um dann insgesamt die Aussage von Herrn Müller zu beurteilen.

OStA Ze[is]:

Herr Rechtsanwalt Schily, da bin ich anderer Auffassung. Ich vermag also nicht einzusehen, weshalb die Länge eines Gesprächs, zum Beispiel mit dem Herrn Zimmer, in irgendwelcher Weise mit der Glaubwürdigkeit des Herrn Müller zusammenhängen könnte. Wir bleiben bei unserer Beanstandung, Herr Vorsitzender.[3]

Vors.:

Es ist so, daß die Frage darauf abzielt, ob dem Zeugen irgendwelche Vorteile für seine Bereitschaft, Aussagen zu machen, gewährt worden sind. Hierzu gehörten auch die wirtschaftliche Verwertung seiner Kenntnisse gegenüber der Presse; und im weitesten Zusammenhang wird man das wohl noch unter diese berechtigte Frage bringen können, welcher Art, welches Ausmaß solche Genehmigungen, mit der Presse zu sprechen, hatten, um eben hier diese Frage des ... der Vorteilsgewährung zu überprüfen. Ich möchte also diese Frage zulassen, würde allerdings bitten, die Grenzen nicht allzusehr auszudehnen bei diesen Fragen. Bitte, Herr Rechtsanwalt.

Zeuge Mü[ller]:

Herr Schily, ich will Ihnen nochmal sagen, Sie haben mir schonmal diese Frage gestellt, daß ich verneint habe, als Sie gefragt haben, ob mir Pressekontakte angeboten worden sind, von der Polizei, eben in dem Sinne einer indirekten Geldvermittlung. Es war nicht der Fall. Alle diese Kontakte und Journalisten, die ich hatte, mit Journalisten, die ich hatte, und die jetzt genannt wurden, die sind ent- [10494] weder so zustande gekommen, daß ich von diesen Journalisten angesprochen wurde oder daß ich sie[e] auch selbst angesprochen habe. So ist es eben zu verstehen ...

RA Schi[ly]:

Ja, aber wenn Sie jetzt freundlicherweise mal meine Frage beantworten, nach der Dauer dieser Gespräche.

Zeuge Mü[ller]:

Na, dann bitte ich um eine genaue Frage, welches Gespräch, wann, mit welchen Journalisten ...

RA Schi[ly]:

Ja, ich geh dann alle Namen durch, das habe ich ja hier. Herr Zimmer, wie lange hat der mit Ihnen gesprochen? Hat er mehrfach mit Ihnen gesprochen?

Zeuge Mü[ller]:

Ich habe mit Herrn Zimmer öfters gesprochen.

RA Schi[ly]:

Wie oft?

Zeuge Mü[ller]:

Mindestens zweimal.

RA Schi[ly]:

Und wielange?

Zeuge Mü[ller]:

Ich könnte da höchstens Schätzungen abgeben.

RA Schi[ly]:

Na ja, schätzen Sie.

Zeuge Mü[ller]:

Einmal eine halbe Stunde und vielleicht mal eine Dreiviertelstunde.

RA Schi[ly]:

Und mit dem Herrn Schwarberg? Haben Sie mit Herrn Schwarberg und Herrn Petschel jeweils zusammen gesprochen oder waren das getrennte Gespräche?

Zeuge Mü[ller]:

Herr Schwarberg und Herr Petschel, die waren zusammen bei mir. Ich habe da nicht auf die Uhr geguckt. Also das hat immer der Anstaltsbeamte gemacht. Der hat nämlich einen richterlichen Beschluß gehabt; und da stand es drauf, wielange das[f] dauern darf.

RA Schi[ly]:

Wissen Sie es nicht mehr?

Zeuge Mü[ller]:

Also ich kann das ...

RA Schi[ly]:

Wie oft war denn[g] der[h] Herr Schwarberg bei Ihnen?

Zeuge Mü[ller]:

Einmal oder zweimal.

RA Schi[ly]:

Und wielange das gedauert hat ...

Zeuge Mü[ller]:

Kann ich nicht mehr sagen.

RA Schi[ly]:

Herrn Ruch, da haben wir, glaube ich, schon drüber gesprochen; er war einmal bei Ihnen, nicht?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Der Herr Aust.

Zeuge Mü[ller]:

Ungefähr 1 Stunde.

RA Schi[ly]:

Einmal?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

[10495] RA Schi[ly]:

Und der Herr Döbel?

Zeuge Mü[ller]:

Schätzungsweise auch 1 Stunde.

RA Schi[ly]:

Sind da jeweils Honorare bezahlt worden für diese Presse-Gespräche?

Zeuge Mü[ller]:

Für die G... ich habe mal von Herrn Zimmer ein kleines Honorar bekommen, für eine Information, die er verwerten konnte. Ich habe für mein Stern-Interview habe ich Honorar bekommen. Ich soll vom ZDF ein Honorar bekommen. Ich habe es noch nicht erhalten, jedenfalls bei mir ist es noch nicht angekommen. Ob Herr Aust ein Honorar zahlt, das weiß ich nicht.

RA Schi[ly]:

Ist darüber gesprochen worden, daß Herr Aust ein Honorar zahlen soll?

Zeuge Mü[ller]:

Ja wenn, dann ganz mickrig.

RA Schi[ly]:

Was verstehen Sie unter mickrig?

Zeuge Mü[ller]:

Na ja, vielleicht 20 Mark oder 50 Mark.

RA Schi[ly]:

Haben Sie irgendwelche Honorarvereinbarungen getroffen ... mit Presseorganen? Also eine schriftliche Vereinbarung, das soll gezahlt werden, dann mache ich das.

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Die Gespräche, wurden die sämtlich von Staatsschutzbeamten überwacht?

Zeuge Mü[ller]:

Teils, teils.

RA Schi[ly]:

Sagen Sie, haben Sie ... Sie haben ja nun geschildert ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, darf ich zur Erläuterung bitten, was ist das für ein Begriff, der Staatsschutzbeamte hier als überwachendes Organ.

RA Schi[ly]:

Es gibt doch Staatsschutzabteilung; haben wir doch schon von dem Zeugen gehört.

Vors.:

Meinen Sie also Beamte etwa des Bundeskriminalamtes?

RA Schi[ly]:

Zum Beispiel wäre ja, gibt es auch eine Staatsschutzabteilung; es gibt aber auch, haben wir von dem Zeugen gehört, eine Staatsschutzabteilung bei der Hamburger Kripo, nicht!

Vors.:

Es wäre natürlich denkbar, daß die Überwachung genauso auch durch Angehörige des Vollzugsdienstes stattgefunden hat. Also Herr Müller, da bitte ich dann zu präzisieren, wenn solche Fragen gestellt werden.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, nur damit wir uns hier richtig [10496] verstehen, Ist Ihnen der Begriff Staatsschutz völlig fremd oder ...?

Vors.:

Ein Staatsschutzbeamter ist uns kein Begriff im Zusammenhang mit der Überwachung von Besuchen bei einem Untersuchungsgefangenen.

RA Schi[ly]:

Ach so, aber ist Ihnen noch nie bekannt geworden, daß sehr häufig bei solchen Gesprächen eines Untersuchungsgefangenen aus einem politischen Verfahren Staatsschutzbeamte auch bei Besuchen von Angehörigen anwesend sind?

Vors.:

Mein Wissenstand ist für Sie jetzt im Augenblick sicher nicht so interessant. Ich bitte Sie also jetzt weiterzufahren.

RA Schi[ly]:

Herr Müller, also Sie sagten ja teils, teils. Wir haben ja nun gehört, von Ihnen einige Geldquellen. Sie haben Zuwendungen in relativ geringer Höhe von der „Roten Hilfe“[4] bekommen, dann haben Sie Pressehonorare bekommen, wo wir leider nicht weiter fragen dürfen, wie hoch die waren. Von Ihrer Anwältin, habe ich, glaube ich, auch noch gehört, nicht? Haben Sie mal ... war das nun, das Geld, was Sie von Ihrer Anwältin bekommen haben, war das aus eigenen Mitteln der Anwältin oder war es sozusagen zu treuen Händen von Ihnen ...

Vors.:

Aber an sich ist die Frage beantwortet. Sie wissen, daß das das Honorar für ein „Stern-Interview“ gewesen sein soll, laut der Kauskunft.

RA Schi[ly]:

Nein, dann danke ich für den Hinweis, das habe ich nicht ...

Vors.:

Ja das hat der Zeuge gestern beantwortet.

RA Schi[ly]:

Danke. Haben Sie außer diesen Geldzuwendungen noch weitere erhalten?

Zeuge Mü[ller]:

Im Moment erinnere ich mich an keine weiteren.

RA Schi[ly]:

Eins haben wie noch vergessen. Ihre Eltern haben Sie auch, Ihre Verwandten wohl in geringer Höhe, aber im Moment können Sie da vielleicht nochmal nachdenken, Herr Müller. Ich weiß nicht, ob Ihnen da so die Übersicht vollkommen schwerfällt.

Zeuge Mü[ller]:

Ich habe die Frage beantwortet.

RA Schi[ly]:

Ich würde Sie bitten, nochmal, weil Sie sagen, im Moment fällt mir nichts anderes ein, würde ich Sie bitten, doch vielleicht mal drüber nachzudenken. Vielleicht nach einem Moment Ihnen doch noch was einfällt.

[10497] Zeuge Mü[ller]:

Ja, ich habe das gesagt.

Vors.:

Herr Müller, Sie haben die Einschränkung gemacht „im Moment falle Ihnen nichts mehr ein“. Das klingt so, daß es möglicherweise bei Nachdenken möglich wäre, daß Ihnen doch noch was einfiele, das ist der Wunsch.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, zum Beispiel von Rechtsanwalt Ströbele, jetzt kommt mir’s, also der hat, also nicht direkt, doch, unter anderem ist auch entweder direkt von Rechtsanwalt Ströbele Geld gekommen oder es ist von ihm vermittelt worden. Da war auch mal was mit der Roten Hilfe Bochum oder so was.

RA Schi[ly]:

Und weitere Geldzuwendungen?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, da fällt mir im Moment echt nichts mehr ein.

RA Schi[ly]:

Haben Sie noch Geldzusagen von irgendjemanden.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, wenn man so will, vom ZDF natürlich.

RA Schi[ly]:

Ja, da haben Sie ja schon davon gesprochen. Sagen Sie, der hier für Sie anwesende und tätige Herr Verteidiger, ist der Ihnen vom Gericht bestellt worden oder haben Sie den gewählt?

Zeuge Mü[ller]:

Den habe ich gewählt.

RA Schi[ly]:

Wie kam diese Wahl zustande. Von wem ist Ihnen der Herr Kollege empfohlen worden?

Zeuge Mü[ller]:

Ich habe keinen geeigneten Anwalt gekannt, und habe unter anderem Vernehmungsbeamte gefragt, ob sie mir einen solchen Anwalt vermitteln könnten. Das ist geschehen, mir ist die Adresse mitgeteilt worden. Ich habe mich an Herrn Huth gewandt, habe ihn angefragt, ob er die Sache machen wolle, also in meinem Prozeß Beistand sein wolle; und er hat in dieser Hinsicht zugestimmt.

RA Schi[ly]:

Welche Vernehmungsbeamten waren denn das, die Sie da gefragt haben?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, ich habe das unter anderem mal einem Herrn Stellmacher gesagt.

RA Schi[ly]:

Stellmacher. Und der hat Ihnen dann den Namen des Kollegen genannt, ja?

Zeuge Mü[ller]:

Nein, das war ein anderer Beamter vom BKA. Ich habe aber den Namen nicht im Kopf.

RA Schi[ly]:

Überlegen Sie doch mal. Ich kann Ihnen ja hier vielleicht mal einige Namen vorhalten. Habekost?

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

[10498] RA Schi[ly]:

Herr Freimuth?

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Ja, überlegen Sie vielleicht[i] mal. Herr Wolf?

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Herr Geißler?

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Herr Schneider?

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Mit wieviel Beamten vom BKA hatten[j] Sie denn überhaupt Gesprächskontakt, wenn ich das nochmal fragen darf?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, soll ich das so allgemein verstehen, wie Sie das sagen?

RA Schi[ly]:

Ja, ganz recht.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das waren massig.

RA Schi[ly]:

Ja gut. Können Sie mal die Zahl vielleicht, damit wir uns erst mal auf eine Zahl verständigen können.

Zeuge Mü[ller]:

Das ist schwierig, also ich habe ja bei Ausführungen so mit jedem geredet.

RA Schi[ly]:[k]

Es gibt ja sicherlich darunter auch wiederum Personen, mit denen Sie öfter zusammengetroffen sind.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, die Vernehmungsbeamten von der Vernehmung, die haben Sie ja da, die Namen.

RA Schi[ly]:

Ja nun, das[l] müssen ja nicht die Beamten sein, mit[m] denen Sie sonst auch noch Gespräche geführt haben, auch diese informellen Gespräche. Darauf kommen wir aber nochmals zurück. Mich interessiert jetzt eigentlich nur, wer Ihnen den Kollegen Huth empfohlen hat?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, ich habe ja bereits gesagt, wie das gelaufen ist.

RA Schi[ly]:

Ja, nur[n] den Namen haben Sie noch[o] nicht genannt, des Kriminalbeamten, der Ihnen den Kollegen empfohlen hat.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, ich kann da nicht einfach einen Namen in den Raum stellen, ...

RA Schi[ly]:

Nein, das[p] sicher nicht; aber ich könnte mir vorstellen, daß Sie bei Anstrengung Ihres Gedächtnisses noch auf den Namen kommen könnten.

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Das können Sie nicht?

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Sagen Sie, wer bezahlt denn den Anwalt?

[10499] Vors.:

Herr Rechtsanwalt ...

Zeuge Mü[ller]:

Muß ich diese Frage beantworten?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich möchte jetzt tatsächlich auch die Frage stellen. Sie sind ja gestern schon in den Bereich der anwaltschaftlichen Vertraulichkeit eingedrungen; wir mußten eine Entscheidung machen. Können Sie erläutern, was hinter diesen Fragen steckt, in Richtung auf den Sachzusammenhang.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, soll das eigentlich nicht deutlich sein, wenn ein Anwalt von den Vernehmungsbeamten empfohlen wird, ob die Frage nicht von Bedeutung sein könnte, ob der Kollege von 3. Seite bezahlt wird. Mal sehr vorsichtig ausgedrückt.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, selbst wenn das so wäre, von 3. Seite, was ist das mit dem Sachzusammenhang ... Was sollen Sie für eine Behauptung damit ...

RA Schi[ly]:

Sie würden sich nicht dafür interessieren wollen, ob der Kollege, beispielsweise, also um das mal deutlich auszusprechen, vielleicht aus dem Staatssäckel bezahlt wird?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, ich glaube, soviel wären Sie eigentlich Ihrem Stande schuldig, daß Sie in dieser Richtung sich vielleicht vorher hätten mal bei Ihrem Kollegen hätten erkundigen können, ob es notwendig ist, eine solche Behauptung hier, in der Form, durch Fragen an den Zeugen zu belegen. Vielleicht hätte Ihnen der Herr Rechtsanwalt dazu sofort etwas sagen können.

RA Schi[ly]:

Wissen Sie, Herr Vorsitzender, daß Sie sich jetzt hier noch als Ehrengericht[5] fühlen, das ist Ihre Sache. Aber ich glaube, daß es nicht standesrechtlich angemessen wäre, daß ich auf den Kollegen, der einen Zeugen hier vertritt, zugehe, - übrigens, ich stelle gar keine Behauptung auf. Ich kann gar keine Behauptung aufstellen, ... aber ich frage ...

Vors.:

Sie müssen einen Sachzusammenhang darstellen, und den müssen Sie uns jetzt klarmachen.

RA Schi[ly]:

Ich frage. Ja an den Sachzusammenhang, den sollten Sie eigentlich erkennen; aber den wollen Sie vielleicht nicht erkennen, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich weiß bloß ... daß es ...

RA Schi[ly]:

Ich glaube, daß es ... daß es notwendig ist, aufzuklären, ob der Herr Müller den ihm von Vernehmungsbeamten empfohlenen Kollegen selbst bezahlt, oder ob eine 3. Seite dafür aufkommt.

[10500] Vors.:

Also ich darf feststellen, Sie hegen offenbar gegenüber Anwälten ein Mißtrauen, das ich nicht so ganz verstehe, als Richter. Aber bitte Herr Müller, können Sie die Frage beantworten?

Zeuge Mü[ller]:

Ja ich hab ja gefragt ...

RA Schi[ly]:

Also ich weise das zurück, Herr Vorsitzender, daß Sie hier jetzt versuchen, das so als Angriff auf den Kollegen zu sehen. Das ist, ... da sind Sie vollkommen im Irrtum. Ich frage den Zeugen ...

RA Huth:

Ich bin bereit

Vors.:

Augenblick, die Frage, Herr Rechtsanwalt, es ist liebenswürdig, daß Sie hier die Sache erleichtern wollen, - aber die Frage ist an den Herrn Zeugen gerichtet, und jetzt ist die Frage zunächst, ob wir sie zulassen. Also Sie wollen die Frage gestellt haben, weil Sie was aufklären wollen?

RA Schi[ly]:

Also das habe ich doch nun erläutert, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Aber bitte, ganz klar, ob der Herr Rechtsanwalt aus dem Staatssäckel bezahlt wird.

RA Schi[ly]:

Ich habe gefragt, ob ... das habe ich nicht gefragt.

Ich habe gefragt, zum Beispiel, daß das eine Möglichkeit wäre, angedeutet. Aber ich habe gefragt, bezahlt der Herr Müller den Anwalt selber oder wird er von 3. Seite bezahlt?

Vors.:

Wollen Sie die Frage beantworten, Herr Müller? Wenn Sie es wollen, dann brauchen wir hier keine Entscheidung. Sonst müssen wir uns überlegen, ob eine solche Frage zulässig ist.

Zeuge Mü[ller]:

Ich habe gefragt, ob ich diese Frage beantworten muß?

Vors.:

Sie wollen es also von sich aus nicht. Will sich die Bundesanwaltschaft dazu äußern?

BA Dr.Wu[nder]:

Herr Vorsitzender, wir könnten auch nur Herrn Müller fragen, ob er von seinem Herrn Rechtsanwalt bereits seine Rechnung erhalten hat. Mehr können wir dazu nicht sagen. Und ich nehme an, das ist sicher noch nicht der Fall. Also dürfte die ganze Geschichte wahrscheinlich überhaupt noch in der Luft hängen, wie es doch oft bei solchen Mandatsverhältnissen der Fall ist ...

Vors.:

Es geht nicht jetzt um die konkrete Abwicklung, sondern lediglich darum, ob die Frage zulässig ist. Wer die Kosten für die Übernahme des Mandats trägt.

RA Schi[ly]:

Herr Wunder, ich darf ... Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, ich [10501] darf vielleicht doch noch kurz erwidern. 1. mal kennen Sie ja vielleicht doch die Institution eines Honorarvorschusses. Und dann gibt es ja eben auch durchaus Vereinbarungen darüber, wie und von wem Honorar gezahlt werden soll. Im übrigen, Herr Vorsitzender, finde ich Ihre Verfahrensweise, das habe ich auch gestern schon festgestellt, doch einigermaßen bedenklich, über die Zulässigkeit von Fragen, also ob sachzugehörig oder nicht, da haben Sie zu entscheiden. Und Sie haben sich darüber eine Rechtsmeinung zu bilden. Und wenn ich eine Frage stelle, dann können Sie sagen, entweder stillschweigend, ich lasse sie zu oder ich lasse sie nicht zu, wenn sie meinen, sie ist nicht sachzugehörig. Aber daß Sie eine solche Überlegung erst dann anstellen, wenn der Herr Zeuge meint, also er will sie nicht mehr beantworten, das allerdings, da muß ich sagen, ob diese Reihenfolge die richtige ist, das halte ich für sehr fragwürdig.[6]

Vors.:

Ich empfehle Ihnen die Lektüre dann unseres gestrigen Beschlusses; dazu ist dazu[q] Stellung genommen worden, zu diesem Punkte, daß die Frage der Zulässigkeit abhängen kann davon, ob ein Zeuge bereit ist, zu beantworten. Jetzt aber im übrigen würde ich vielleicht folgenden Vorschlag machen. Wenn Sie den Weg beschreiten wollten, daß Sie vielleicht den Herrn Rechtsanwalt Huth selbst nachher fragen, das braucht nicht in der Sitzung zu sein, und jetzt diese Frage zurückzustellen ...

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, wie komme ich dazu den Kollegen zu fragen; der[r] ist mir auch keine Antwort schuldig.

Vors.:

Dann werden wir drüber entscheiden, ob die Frage zulässig ist. Die Bundesanwaltschaft hat keinen Sachzusammenhang gesehen, wie ich gehört habe. Das würde also bedeuten beantragt: Die Nichtzulassung der Frage.[7] Wir werden uns darüber Gedanken machen.

Pause von 9.30 Uhr bis 10.00 Uhr

Bei Fortsetzung der Hauptverhandlung:

RAe. Dr. Heldmann und Herzberg (als ministeriell bestellter Vertr. f. RA Schlaegel) sind [s] nunmehr auch anwesend.

Vors.:

Bevor ich jetzt den Beschluß bekanntgebe, muß ich draufhinweisen. Es ist hier wegen der Benützung der Klimaanlage [10502] kein Konsensus unten den Beteiligten vorhanden. Aber die ganz überwiegende Mehrheit der Prozeßbeteiligten legt Wert darauf, daß diese Klimaanlage in Gang gesetzt wird, mit Rücksicht auf die sonst hier schlechten Luftbedingungen. Dem überwiegenden Willen entsprechend habe ich jetzt, Herr Rechtsanwalt Schnabel, doch drauf hingewiesen, ich weiß Ihr Platz ist in der Richtung ungünstig. Aber vielleicht läßt es sich dadurch bewerkstelligen oder etwas für Sie mildern, daß Sie einen oberen Sitz einnehmen, so daß Sie nicht direkt unter der Klimaanlage sitzen. Sie wird also jetzt wieder eingestellt.

Der Senat hat folgenden Beschluß gefaßt:

Die von Rechtsanwalt ...

RA Schi[ly]:

... wegmachen, ich bin eigentlich nicht gefragt worden. Also falls Sie da irgendwie eine Abstimmung gemacht haben, wollt[t] ich[u] das nur erwähnen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, keine Abstimmung, sondern es ist uns vom Sitzungswachtmeister mitgeteilt worden, daß es gewünscht werde, von der Mehrheit. Im übrigen darf ich drauf hinweisen: Sie selbst haben sich ja seinerzeit immer lebhaft dafür interessiert, daß hier keine Sauna entsteht. Und wir durften bei Ihnen also zumindest unterstellen ...

Der Senat hat folgenden Beschluß gefaßt:

Die von Rechtsanwalt Schily gestellte Frage ist unzulässig, weil sie in ihrer allgemeinen Fassung, wer den Rechtsanwalt des Zeugen bezahle, sowohl den durch § 55 StPO[8] geschützten Bereich als auch den Schutz der Privatsphäre im Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandanten[9] verletzen könnte.

Prof. Dr. Azzola erscheint um 10.02 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt bitte.

RA Schi[ly]:

Ja, darf ich den Beschluß dann so verstehen, daß ich die Frage also nicht in allgemeiner Form, dann muß ich es halt in konkreter Form stellen, Herr Müller, wird der, Ihr Herr Verteidiger von 3. Seite bezahlt?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, das fällt auch unter diese allgemeine Form. Ich habe es Ihnen ja schon angedeutet. Wenn Sie in [10503] eine ganz[v] bestimmte Richtung gehen wollten, und sei nicht verhohlen, das ergibt sich ja[w] aus der Entscheidung, da könnte die Entscheidung anders ausfallen, aber die müßte dann aufgedeckt werden, um was es Ihnen geht.

RA Schi[ly]:

Herr Müller, diese Pressekontakte, deren Anzahl Sie ja uns jetzt geschildert haben. Bei Ihrer Entscheidung, zu welchem Zeitpunkt Sie nun von den informellen Aussagen zu offiziellen Aussagen übergingen, spielte dabei auch eine Rolle, inwieweit Sie Ihre Bekundung publizistisch auswerten konnten?

Zeuge Mü[ller]:

Wie soll ich das verstehen?

RA Schi[ly]:

Ich dachte die Frage ist verständlich; kann sie aber nochmal stellen. Bei Ihrer Entscheidung, zu welchem Zeitpunkt Sie von den informellen Aussagen zu offiziellen Aussagen übergingen[x], spielte dabei auch eine Rolle, wie Sie Ihre Information publizistisch auswerten können?

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Etwa in dem Sinne, daß Sie möglichst viel dafür herausschlagen wollten[y], an Honoraren?

Zeuge Mü[ller]:

Ist das letztere eine Frage?

RA Schi[ly]:

Ja. Wollten Sie möglichst viel herausschlagen an Honoraren für Sie.

Zeuge Mü[ller]:

Das ist selbstverständlich, wenn ich mit der Presse verhandle.

RA Schi[ly]:

Nein, ich meine jetzt die, ... den Zeitpunkt, daß Sie also, wie Sie sich hier verhalten mit der Aussage.

Zeuge Mü[ller]:

Sind das jetzt zwei Fragen oder eine?

RA Schi[ly]:

Nein, das ist eine Frage. Ob Sie möglichst viel herausschlagen wollten, und insofern auch den Zeitpunkt des Überganges auf die offiziellen Aussagen dann hinausschieben wollten?

Zeuge Mü[ller]:

Ich habe vorhin gesagt, daß kein Zusammenhang besteht, daß ich aber natürlich bei meinen Verhandlungen bestrebt war, soviel wie möglich herauszuschlagen.

RA Schi[ly]:

Haben Sie eigentlich auch mit Beamten des Verfassungsschutzes gesprochen?

Zeuge Mü[ller]:

Wie meinen Sie das?

RA Schi[ly]:

Herr Müller, sind Sie eigentlich so schwer von Begriff.

[10504] Zeuge Mü[ller]:

Es gibt Landesverfassungsschutz, es gibt Bundesverfassungsschutz.

RA Schi[ly]:

Ich meine alle in Betracht kommenden Verfassungsschutzämter.

Zeuge Mü[ller]:

Wissentlich habe ich mit keinem solchen Beamten gesprochen.

RA Schi[ly]:

Wissentlich nicht.

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Und unwissentlich?

Zeuge Mü[ller]:

Das kann ich ja nicht wissen.

RA Schi[ly]:

Ja, ich meine, sind mal Beamte bei Ihnen gewesen, die nicht gesagt haben, von welcher Dienststelle sie kommen?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das war der Fall. Aber ich bin in solchen Fällen immer davon ausgegangen, daß sie wie andere Beamte, die ich kannte, eben zu bestimmten Dienststellen gehörten.

RA Schi[ly]:

Zu welchen?

Zeuge Mü[ller]:

Zum Beispiel zu den verschiedenen Abteilungen bei der Kriminalpolizei, beziehungsweise ehemalige Sicherungsgruppe in Bonn,[10] heute Abteilung TE.

RA Schi[ly]:

Ja, aber daß einer mal zu Ihnen gekommen ist und ausdrücklich[z] gesagt hätte, also er kommt von einer anderen Dienststelle, also nicht von der Kripo.

Zeuge Mü[ller]:

Achso, Moment jetzt fällt mir was ein. Das weiß ich aber nicht sicher, weil ich kenne die Verhältnisse in Berlin nicht. Bei mir war mal ein Beamter, der hatte einen Ausweis, wie heißt das dort, Senat des Innern. Da war so ein diagonaler Querstreifen drauf.

RA Dr. Hoffmann verläßt um 10.07 Uhr den Sitzungssaal.

Das ist möglich, daß der vom Berliner Verfassungsschutz gekommen ist, aber ...

RA Schi[ly]:

Was wollte der von Ihnen?

Zeuge Mü[ller]:

Bitte?

RA Schi[ly]:

Was wollte der von Ihnen?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, der wollte mit mir einen Kontakt herstellen.

RA Schi[ly]:

Was war der Inhalt des Gespräches?

Zeuge Mü[ller]:

Ja Moment mal, das ging, na er wollte mich so wie ich das verstanden habe, wollte er mich[aa] dazu bewegen, Aussagen zu machen. Er sprach dann eben einige Sachen an, von denen [10505] er meinte, er könne mich motivieren.

RA Dr. Hoffmann erscheint wieder um 10.08 Uhr im Sitzungssaal.

RA Schi[ly]:

Welche waren das?

Zeuge Mü[ller]:

Er sprach zum Beispiel mein Verhalten an im Berliner Mahler-Prozeß,[11] das aus seiner Sicht anders gewesen sei, als das Verhalten der anderen Angeklagten, die dort auch als Zeugen aufgetreten waren, das war zum Beispiel 1 Punkt. Ja, mehr fällt mir im Moment nicht ein.

RA Schi[ly]:

Und war das nun der einzige Beamte, bei dem Sie die Vermutung, habe ich wohl richtig verstanden, hatten, er könnte vom Verfassungsschutz sein oder waren noch weitere bei Ihnen?

Zeuge Mü[ller]:

Also mit der Einschränkung eben[bb], daß wissentlich weitere bei mir nicht waren.

RA Schi[ly]:

Haben Sie mal mit Angehörigen von inländischen oder ausländischen Geheimdiensten gesprochen?

Zeuge Mü[ller]:

Was meinen Sie damit?

RA Schi[ly]:

Na zum Beispiel vom BND. Sagt Ihnen der Name was?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, Sie meinen damit wahrscheinlich den Bundesnachrichtendienst in Pullach.

RA Schi[ly]:

So ist es. Die Abkürzung ist BND. Oder vom MAD.

Militärischen Abschirmdienst - heißt es wohl -[cc], Abwehrdienst, ich bin mir nicht ganz sicher.[dd]

Zeuge Mü[ller]:

Dafür gilt dasselbe, wie das, was ich in bezug auf den Verfassungsschutz gesagt habe.

RA Schi[ly]:

Also wissentlich nichts, es könnte sein, aber dann hätten Sie es nicht erkannt.

Zeuge Mü[ller]:

Genau.

RA Schi[ly]:

Mit Staatsanwälten oder Bundesanwälten, haben Sie da gesprochen?

Zeuge Mü[ller]:

Ich habe mit Staatsanwälten gesprochen.

RA Schi[ly]:

Ja, mit Bundesanwälten nicht?

Zeuge Mü[ller]:

Habe ich hier bereits gesagt, mit Herrn Wunder zum Beispiel.

RA Schi[ly]:

Zum Beispiel, und weiteren.

Zeuge Mü[ller]:

Mit weiteren Bundesanwälten habe ich nicht gesprochen.

RA Schi[ly]:

Und mit welchen Staatsanwälten?

Zeuge Mü[ller]:

Herr Detgen und Herr Schulze.

RA Schi[ly]:

Können Sie mir sagen, bei welcher Dienststelle die sind?

[10506] Zeuge Mü[ller]:

Beim Landgericht Hamburg.

RA Schi[ly]:

Was war denn der Gegenstand dieser Gespräche mit den Herrn Staatsanwälten.

Zeuge Mü[ller]:

Das waren die Staatsanwälte in meinem Verfahren.[12]

RA Schi[ly]:

Haben Sie im Prozeß mit denen gesprochen oder was?

Oder außerhalb des Prozesses?

Zeuge Mü[ller]:

Während des Prozesses.

RA Schi[ly]:

Aber außerhalb des Prozesses nicht?

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Nun, wir haben das ja schonmal so ein bißchen angefangen, Herr Müller. Sie haben so geschildert, Ihre, die Besuche, die Sie bekommen haben[ee], von Herrn Wolf, von Herrn Geißler, von Herrn Schneider; und mich würde doch einmal interessieren, wenn Sie mal die Gesamtzeit, Sie können gerne da irgendwie diese Zäsur, Sie machen ja eine Zäsur, also eine zeitliche Unterbrechung, wo Sie sagen, da habe ich mich dann entschlossen, Aussagen zu machen. Wenn Sie doch einmal so insgesamt, vielleicht Schätzungen notwendig, weil es sehr viele Besuche waren. Aber wenn Sie einmal schätzen würden, wie oft bis Sie die erste Aussage zur Sache gemacht haben, von Beamten aufgesucht worden sind?

Zeuge Mü[ller]:

Wie soll ich das verstehen, wie oft oder wieviele oder ...

RA Schi[ly]:

Wie oft. Jetzt lassen wir mal, ob da einer oder zwei kamen, beiseite die Frage, sondern wie oft da Besuche stattgefunden haben?

Zeuge Mü[ller]:

In Köln waren das schätzungsweise 5.

RA Schi[ly]:

Wielange waren Sie in Köln?

Zeuge Mü[ller]:

Von August 72 bis Anfang 74.

RA Schi[ly]:

August 72 bis Anfang 74, da waren 5 Besuche.

Zeuge Mü[ller]:

Ja schätzungsweise.

RA Schi[ly]:

Mehr nicht?

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Das ist immerhin in einem Zeitraum von über einem Jahr.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, es ist mehr als 1 Jahr.

RA Schi[ly]:

5 Besuche von Kriminalbeamten, schätzungsweise.

Wie verläßlich ist diese Schätzung, Herr Müller?

[10507] Können Sie sich da irren um 100 % oder kann da nur, wie würden Sie das ...

Zeuge Mü[ller]:

30 % Toleranz würde ich sagen.

RA Schi[ly]:

Also sicherlich nicht dann[ff] mehr als 10 Mal?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Und danach. Und bis so[gg], also Anfang 74, das darf ich vielleicht nochmal zu meiner Vergewisserung festhalten, da hatten Sie noch keinerlei Aussage zur Sache gemacht?

Zeuge Mü[ller]:

Moment, ich möchte hier jetzt das, was ich gesagt habe, nochmal revidieren. Ich habe jetzt die Besuche nicht mit eingerechnet, die anhand von Verwandten- oder Bekanntenbesuchen, also wenn dann eben die Gespräche überwacht wurden von einzelnen Beamten, bei Verwandten-, beziehungsweise Bekanntenbesuchen[hh], die habe ich jetzt nicht mit eingerechnet.

RA Schi[ly]:

Ja, wobei mich da nur interessieren würde, wenn die Beamten da also stumm dabeigesessen haben und nur zugehört haben, dann würde mich das auch nicht interessieren, sondern nur, wenn anläßlich eines Verwandtenbesuches vielleicht der Beamte dann auch mit Ihnen ins Gespräch gekommen ist, dann würde ich Sie bitten, das mitzurechnen.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, da muß ich nochmal nachrechnen, das wird ein bißchen schwieriger.

RA Schi[ly]:

Wir haben ja Zeit.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, es hat also solche Versuche gegeben; aber das sind jetzt auch wieder meiner Schätzung nach, das würde die Zahl nicht mehr als um das Doppelte erhöhen ...

RA Schi[ly]:

Bleiben wir bei 10 dann.

Zeuge Mü[ller]:

Genau, also plus minus 30 %.

RA Schi[ly]:

Also dann[ii] sagen wir ganz großzügig bis 15, so zwischen 10 und 15 Besuchen. Würde das hinkommen? Das wären dann nochmals 50 % sozusagen ...[jj]

Zeuge Mü[ller]:

Ne, das wäre ja dann zwischen 7 und ...

RA Schi[ly]:

Ja, Sie sagen ja etwa 10 Besuche, Hier kommt es ja jetzt nicht auf einen Besuch mehr oder weniger an, also in etwa nur die Größenordnung ...

Zeuge Mü[ller]:

7 bis 13 ungefähr.

RA Schi[ly]:

Ja, 7 bis 13. Und nur, daß wir uns da vielleicht nochmal vergewissern. Bis Anfang 74 haben Sie noch keinerlei Aussage zur Sache gemacht?

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Auch nicht in irgendeinem Art informellen Gespräch?

[10508] Zeuge Mü[ller]:

Nein. Ich habe Aussagen gemacht und zwar im Mahler-Prozeß.

RA Schi[ly]:

Ja, ne das ist ja eine Zeugenaussage. Ich meine jetzt Sie als Beschuldigter; da haben Sie noch keine Aussagen. So nun kommt Anfang 74, jetzt wenn Sie mal von dem Zeitraum bis heute sozusagen, wie oft waren dann die Herren bei Ihnen?

Zeuge Mü[ller]:

Mir fällt noch was ein zu der Zeit in Köln. Das war bei mir also eine Zellendurchsuchung; da waren auch welche da. Aber da war ich so sauer; da habe ich überhaupt nicht mit denen geredet.

RA Schi[ly]:

Haben Sie gar nicht geredet. Na das interessiert ja nicht, wenn da nur [kk] jemand da war, aus irgendwelchen Gründen, Zellendurchsuchung oder Überwachung. Mich interessiert nur Gespräche, damit wir uns richtig verstehen. Und jetzt 74, jetzt haben wir den weiteren Zeitraum bis heute. Was würden Sie schätzen, wie oft die Herren bei Ihnen waren?

Zeuge Mü[ller]:

74 bis heute.

RA Schi[ly]:

Ja, das ist ja nun ein längerer Zeitraum, es sind ja nun über 2 Jahre.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, da war eine[ll] Zellendurchsuchung auch nochmal. Und da ist auch nichts gelaufen. Und also bis Anfang 75 war überhaupt nichts. Also es gab natürlich, Beamte[mm] waren da, bei Besuchen[nn] zum Beispiel, bei dieser Zellendurchsuchung. Und ich erinnere mich da nicht, daß da nochmal Versuche gegeben hat, in der Art eines Gespräches, wie Sie es meinen, die hatten es einfach aufgegeben. Ja, und dann Anfang 75, da habe ich mich dann an die Beamten gewendet und [oo] gesagt, ich möchte einen Beamten von K 4 sprechen.

Das stand im Zusammenhang mit der Lorenz-Entführung.[13] Ich möchte da Angaben machen. Und von da an kamen öfters Beamte zu mir. Jetzt hier eine genaue Schätzung abzugeben ...

RA Schi[ly]:

Ja, bleiben wir doch[pp] vielleicht erstmal nochmal in dem Zeitraum jetzt Anfang 74 bis Anfang 75. Da sagen Sie, haben eigentlich Gespräche nicht mehr stattgefunden. Darf ich das so verstehen, daß auch die Herren da nicht etwa so mit Ihnen gesprochen, sondern ein[qq] ein Gespräch kann sehr einseitig auch verlaufen. Das heißt, daß eben nur die Beamten reden, und Sie zuhören und sagen ne, mit den[rr] Achseln zucken oder sagen, ich hab hier nichts zu sagen. [10509] Wollen Sie sagen, daß auch diese einseitigen Gespräche da[ss] nicht stattgefunden haben oder wollen Sie sagen, es waren eben nur einseitige Gespräche.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, da müssen wir uns jetzt über die Definition klar werden. Sie haben vorhin gesagt, Gespräche. Und Gespräche sind ... ist[tt] eine Kommunikation zwischen zwei Menschen, so wie ich das verstehe.[uu]

RA Schi[ly]:

Dann darf ich das vielleicht präzisieren. Also ich meine auch solche Zusammentreffen mit Beamten, wo als meinethalben nur die Herren Ihnen bestimmte Vorhalte machten und Ihnen sagen, hören Sie mal zu, was man da sich so vorstellen kann.

Zeuge Mü[ller]:

Also Sie meinen in dem Sinne, daß ich angesprochen werde, daß man versucht zu erreichen, daß ich eben Aussagen mache, nicht unbedingt dahin abgehend, daß da ein regelrechtes Gespräch stattfindet.

RA Schi[ly]:

Genau, derlei Gespräche. Ob die in der Zeit zwischen Anfang 74 und Anfang 75 stattgefunden haben, und wenn ja, in welcher Zahl?

Zeuge Mü[ller]:

Also die Situation war, wie ich bereits gesagt habe, so, daß, die haben das aufgegeben; die haben gesagt, da ist nichts mehr zu holen. Also es gab auch nicht, jetzt, wie Sie es jetzt formulieren, also diese Versuche ...

RA Schi[ly]:

Gab es in der Tat zwischen Anfang 74 und Anfang 75 nicht?

Zeuge Mü[ller]:

Nein. Angesprochen worden wäre, hören Sie mal, Herr Müller, wie ist es oder so.

RA Schi[ly]:

Oder Vorhalte, daß man Ihnen bestimmte Vorhalte gemacht hat und sagt, Herr Müller wissen Sie, an sich[vv] brauche [ww] Ihre Aussage gar nicht. Hier in den Akten haben wir das und das festgestellt, und für uns ist der Fall sowieso klar.

Zeuge Mü[ller]:

Nein. Gespräche in diesem Sinne hat es nicht gegeben.

RA Schi[ly]:

Nun kommt also Anfang 75, jetzt kommt Ihr Entschluß, sich da zu äußern. Und wie oft waren nun die Herren bei Ihnen von[xx] Anfang 75 bis heute?

Zeuge Mü[ller]:

Das war bis zu meinem Termin, war das, ich kann da jetzt nur sagen, ziemlich oft.

RA Schi[ly]:

Ja, das würde ich Sie bitten, ein bißchen genauer zu sagen. Und da würde ich Sie[yy] bitten, auch vielleicht so Ausführungen oder was mit einzubeziehen, wo Sie ja dann auch sicherlich Gespräche geführt haben, möchte ich annehmen. [10510] Wenn Sie das mal vielleicht doch ...

Zeuge Mü[ller]:

Wie meinen Sie das jetzt, also nicht nun Besuche sondern auch Ausführungen?

RA Schi[ly]:

Ja, alle Gespräche, sei es innerhalb der Anstalt, außerhalb der Anstalt, würde ich Sie bitten, uns zu schildern, an der Zahl. Nur erst mal die Zahl.

Zeuge Mü[ller]:

Da muß ich jetzt mal rechnen. Wann war die Lorenz-Entführung?

RA Schi[ly]:

Sie sagten doch Anfang 75.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, ich meine vom Datum, vom Monat her.

RA Schi[ly]:

Also ich habe es nicht im Kopf.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, ich auch nicht; aber ich brauche das ungefähr zur Schätzung.

RA Schi[ly]:

März 75 höre ich jetzt in etwa.[zz] Vielleicht kann das Gericht eine Hilfe geben.

Vors.:

Da wir uns über den genauen Monat auch nicht im Klaren sind, können wir Ihnen nicht weiterhelfen. Aber wir [aaa] meinen auch, wahrscheinlich lag es sogar früher, eher Februar.

Zeuge Mü[ller]:

Ende Febraur, Anfang März kann das sein.

Vors.:

Aber ich könnte Ihnen Aufklärung geben, wie oft die Vernehmungen[bbb] stattgefunden haben, weil ich der Meinung bin, daß das aus den Ihnen vorliegenden Vernehmungsprotokollen hervorgeht.

RA Schi[ly]:

Danach habe ich nur nicht gefragt, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Sicher, aber es ist die Frage, ob es notwendig ist, Dinge, die jedem zugänglich sind, der hier die Akten hat, zu erfragen.

RA Schi[ly]:

Ja nun, ich frage doch gar nicht danach, nicht nach den Zahlen der Vernehmungen, sondern ich hab ganz anders gefragt.

Vors.:

Ja, Sie haben es noch[ccc] ausgeweitet. Aber da könnte man sagen, ob zu der bekannten Zahl noch diese weiteren Gespräche kamen.

Aber bitte, ich möchte nicht ins Fragerecht eingreifen; es ist alles zulässig, was Sie fragen.

RA Schi[ly]:

Ja[ddd] dann können wir doch[eee] weitermachen.

Ende des Bandes 607.

[10511] Zeuge Mül[ler]:

Schätzungsweise ungefähr 20.

RA Schi[ly]:

20? Einschließlich Ausführung?

Zeuge Mül[ler]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Und haben die Befragungen ausschließlich im Gefängnis stattgefunden oder auch in anderen Dienststellen?

Zeuge Mül[ler]:

Teils, teils.

RA Schi[ly]:

Und wie würden Sie das aufgliedern. Waren mehr in der Haftanstalt oder waren mehr außerhalb?

Zeuge Mül[ler]:

Ja genau kann ich das nicht mehr sagen. Ich würde ungefähr schätzen, auch teils, teils, also halbe, halbe.

RA Schi[ly]:

Fifty, fifty. Und wo haben die dann außerhalb stattgefunden, diese Besprechungen?

Zeuge Mül[ler]:

Was für Besprechungen?

RA Schi[ly]:

Naja, diese Gespräche?

Zeuge Mül[ler]:

Die haben, wenn sie außerhalb stattgefunden haben, im Polizeipräsidium in Hamburg stattgefunden.

RA Schi[ly]:

Ist Ihnen etwas darüber bekannt, Herr Müller, ob die von Ihnen dann formulierten Angaben, die zum Teil schriftlich fixiert worden sind und auch zum Teil unterzeichnet worden sind, dann Inhalt der Akten 3 ARP 74/75 I der Bundesanwaltschaft geworden sind.

Zeuge Mül[ler]:

Was ist das?

RA Schi[ly]:

Vielleicht ist Ihnen aus dem Hamburger Verfahren ein Schreiben bekannt geworden, indem dieses Aktenzeichen erwähnt wird, mit einer bestimmten Entscheidung des Bundesjustizministers.[14] Können Sie sich daran erinnern?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, sowas habe ich gehört.

RA Schi[ly]:

Ja. Und ist Ihnen darüber etwas bekannt, ob die Akten, die von dem Herrn Bundesjustizminister nicht freigegeben werden, ob da sich Ihre Aussagen in dieser Akte befinden?

Zeuge Mül[ler]:

Das ist möglich.

RA Schi[ly]:

Haben Sie irgendwelche Anhaltspunkte dafür, inwieweit Angaben von Ihnen, wenn sie öffentlich bekannt werden, der Bundesrepublik Schaden zufügen könnten?

Zeuge Mül[ler]:

Wie soll ich das verstehen?

RA Schi[ly]:

Das kann ich Ihnen erklären. Weil der Herr[fff] Bundesjustizminister erklärt hat, daß er den Zugang zu diesen Akten ...

Vors.:

Also diese Frage möchte ich nicht zulassen und zwar einfach deswegen: Das ist eine Rechtsfrage, über die der Bundesjustizminister [10512] oder Innenminister zu entscheiden hat. Aber das ist doch keine Frage an einen Zeugen.

RA Schi[ly]:

Aber ich habe doch nach Tatsachen gefragt ...

Vors.:

Nein.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Tatsächliche Anhaltspunkte ...

Vors.:

Das allgemeine Umreißen von tatsächlichen Anhaltspunkten, das müßten Sie schon genauer, welche Tatsachen Sie im Auge haben, bekunden. Jedenfalls ein Zeuge ist hier sicher überfordert, eine solche Beurteilung hier ...

RA Schi[ly]:

Das ist eine andere Frage, ob er überfordert ist. Das hat doch mit der Zulässigkeit der Frage nichts zu tun, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Doch. Sie können Zeugenfragen stellen. Dazu gehören Rechtsfragen nicht.

RA Schi[ly]:

Ja, das ist doch eine Tatsachenfrage. Seit wann darf ich denn nach Tatsachen nicht mehr fragen?

Vors.:

Sie dürfen nach Tatsachen fragen, aber nicht nach Beurteilungen des Zeugen, Rechtsbeurteilungen.

RA Schi[ly]:

Das ist keine Rechtsbeurteilung.

Vors.:

Natürlich.

RA Schi[ly]:

Nein.

Vors.:

In dieser Form lasse ich die Frage nicht zu.

RA Schi[ly]:

Dann bitte ich um einen Senatsbeschluß.[15]

Vors. (Nach geheimer Umfrage):

Der Senat hat beschlossen:

Die Frage ist nicht zulässig. Auch die in eine Tatsachenfrage gehüllte Formulierung kann nicht verdecken, daß es hier um eine rechtliche Beurteilung gehen soll.

Zeuge Mül[ler]:

Herr Schily, ich muß auch noch mal korrigieren. Ich hab da vorhin die Zahl gesagt, ungefähr 20. Das schließt jetzt nicht diese Vernehmung ein, die polizeiliche Vernehmung, die hier vorliegt.

RA Schi[ly]:

Die wir hier vorliegen haben. Das ist klar. Also die schließen Sie dabei aus. Aber die Gespräche, das war ja auch an sich der wesentliche Inhalt der Frage, da sagen Sie, das sind etwa 20 gewesen. Wobei wir uns darüber klar sind, daß das eine Schätzung ist. Es können auch 21 oder 19 gewesen sein. Aber etwa in dem Bereich.

[10513] Zeuge Mül[ler]:

Ja es können auch. 15 oder 25 gewesen sein.

RA Schi[ly]:

Genau. Aber das ist etwa die Schwankungsbreite, die wir da bei der Schätzung vielleicht einrechnen müssen. Ja?

Zeuge Mül[ler]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Sagen Sie, haben Sie eigentlich in diesen Pressegesprächen einmal erklärt, wenn Sie erst mal reden würden, dann könnte die Bundesanwaltschaft ihre Anklage wegschmeißen, weil alles ganz anders gewesen sei, als die Bundesanwaltschaft sagt, hier zugrunde legt in der Anklageschrift?

Zeuge Mül[ler]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Haben Sie nie gesagt?

Zeuge Mül[ler]:

Nein.

Vors.:

Darf ich vielleicht bitten. Es ist ja ansich eine Frage aus einem Zeitungsbericht heraus. Ich glaube die Frage, Herr Rechtsanwalt Schily, hat sich in zwei Teil... läßt sich in zwei Teile auflösen.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, ob sich eine Frage auflösen läßt oder nicht, das ist eine andere Frage. Aber jetzt bin ich doch bei der Befragung. Und ich würde doch bitten, das jetzt nicht zu unterbrechen.

Vors.:

Sie täuschen sich. Ich muß, wenn ich das Gefühl habe, daß ein Zeuge unter Umständen eine Frage mißverstanden haben könnte, ihn davor bewahren, daß er etwas falsches bekundet. Deswegen muß ich eingreifen in diesem Fall, und tue das auch.

RA Schi[ly]:

Haben Sie den Eindruck, daß hier der Zeuge irgendetwas nicht begreift?

Vors.:

Den Eindruck habe ich, daß Sie an diese Frage eine weitere Kommentierung angeknüpft haben, die er möglicherweise als eine Behauptung begreifen sollte, die er aufgestellt hatte.

RA Schi[ly]:

Ja ganz richtig, ja.

Vors.:

Eben und dann war die Antwort möglicherweise in einem Teil richtig, im anderen Teil falsch. Und deswegen möchte ich Sie vielleicht bitten, doch die Fragen in diesen beiden Teilen nochmals zu stellen, damit der Zeuge hier nicht irgendwie irregeführt wird.

RA Schi[ly]:

Ich stelle Ihnen anheim, selber zu fragen, wenn Sie da ...

Vors.:

Haben Sie in irgend einem Interview einmal erklärt, wenn Sie auspackten, könne die Bundesanwaltschaft oder der Generalbundesanwalt mit seiner Anklage einpacken?

[10514] Zeuge Mül[ler]:

In einem Interview?

Vors.:

Ja.

Zeuge Mül[ler]:

Nein.

Vors.:

Oder in einem Gespräch mit irgend einem sonstigen, der mit Ihnen ins Gespräch gekommen ist?

Zeuge Mül[ler]:

Auch nicht. Es bezieht sich offensichtlich auf eine Sache, die im Spiegel stand ...

Vors.:

So ist es.

Zeuge Mül[ler]:

Da hat unkorrekterweise der Journalist ein Brief von mir zitiert. Das ist aber nicht Gegenstand eines Interviews oder eines Gesprächs gewesen, sondern eines Briefwechsels.

Vors.:

Gut. Dann ist das erste geklärt. Und das zweite, Herr Rechtanwalt Schily hat daran noch angehängt - und ich weiß nicht, ob das auch veröffentlicht worden ist -, es sei alles ganz anders gewesen als in der Anklage stehe. Haben Sie das in diesem Brief behauptet?

Zeuge Mül[ler]:

So wörtlich stand das meine Erinnerung nach nicht drin, sondern ...

Vors.:

Auch sinngemäß?

Zeuge Mül[ler]:

Nein, sinngemäß auch nicht, weil das ja gar nicht stimmt.

Vors.:

Also das war nur die Auflösung in diese beiden Teile. Dankeschön.

Bitte, Herr Rechtsanwalt Schily?

RA Schi[ly]:

Ja, Herr Müller, nun haben Sie ja Ihre frühere Falschaussage hinsichtlich des Herrn Hoff[16] berichtigt. Sind denn nun eigentlich alle Ereignisse, die Sie früher in der polizeilichen Aussage geschildert haben, hinsichtlich des Herrn Hoff, sind die alle richtig?

Zeuge Mül[ler]:

Auf was beziehen Sie sich?

RA Schi[ly]:

Naja, Sie haben doch einiges da geschildert, z.B. auch mit der genauen[ggg] Person, also als Beispiel mal, daß der Herr Meins habe Ihnen eine genaue Personenbeschreibung gegeben und Ihnen auch Einzelheiten der Lebensumstände und daß er mit einer Amerikanerin zusammen lebte ... Und das sei dann aber nicht zu dem Treffen gekommen. Diese ganze Geschichte ist die nun richtig oder falsch.

Zeuge Mül[ler]:

Soll ich das verstehen nur in Bezug auf die Erzählung von Meins?

RA Schi[ly]:

Jetzt diese Geschichte, daß der Herr Meins, daß Sie mal für den Herrn Meins ein Treffen wahrnehmen sollten. Ist das richtig oder ist das falsch?

[10515] Zeuge Mül[ler]:

Ja Sie fragen, ich versteh das jetzt nicht. Zuerst bezieht sich das auf das, was mir Meins erzählt hat, und jetzt fragen Sie nach einem Treff, einem Aushilfstreff, den ich wahrnehmen sollte. Also können Sie sich bitte mal ... klar ausdrücken.

RA Schi[ly]:

Ja mich würde interessieren, ob die Geschichte, als Beispiel jetzt, ich würde dann nachher allgemeiner fragen, ob die Geschichte, die Sie berichtet haben, in der polizeilichen Aussage, daß Sie für Herrn Meins einmal ein Treff mit dem Herrn Hoff wahrnehmen sollten, daß er Ihnen zu diesem Zweck die Werkstatt gezeigt habe. Daß er Ihnen eine genaue Personenbeschreibung und Einzelheiten zu den Lebensumständen dieser Person genannt habe. Und daß es dann zu diesem Treffen nicht gekommen sei. Ob diese ganze Geschichte richtig ist oder falsch?

Zeuge Mül[ler]:

Die ist korrekt.

RA Schi[ly]:

Die stimmt.

Zeuge Mül[ler]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Und wann hat die stattgefunden?

Zeuge Mül[ler]:

Ja ich kann das nur auf das Frühjahr 1972 eingrenzen.

RA Schi[ly]:

Können Sie nicht versuchen, mal ein bißchen zu konkretisieren, zeitlich?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, schätzungsweise Anfang März, Ende April.

RA Schi[ly]:

Ende April.

Vors.:

Das kann ja wohl nicht stimmen. Anfang März, Ende April, ist es so gesagt worden oder meinten Sie Ende März, Anfang April? Wenn Sie es eingrenzen sollen. Oder wollen Sie sagen, es kommt sowohl der Monate März als auch April ... voll in betracht.

Zeuge Mül[ler]:

Das wollte ich damit sagen.

Vors.:

Dankeschön.

Zeuge Mül[ler]:

Herr Vorsitzender, kann ich um eine Pause bitten. Also das war schon für das Hamburg-Verfahren ist mir eine eingeschränkte Verhandlungsfähigkeit[17] zugestanden worden.

Vors.:

Läßt das Frageprogramm das zu?

RA Schi[ly]:

Natürlich.

Vors.:

Dann machen wir jetzt eine Pause von einer viertel Stunde.

Pause von 10.34 bis 10.51 Uhr.

Fortsetzung der Hauptverhandlung 10.51 Uhr

Rechtsanwalt Schwarz ist nunmehr auch anwesend[hhh].

[10516] Vors.:

Wir können die Sitzung fortsetzen. Herr Müller, fühlen Sie sich wieder imstande?

Zeuge Mül[ler]:

Ja.

Vors.:

Bitte dann Herr Hechtsanwalt Schily?

RA Schi[ly]:

Ja, können wir noch einmal auf die Frage zurückkommen, Herr Hoff. Also diese Geschichte mit dem Herrn Meins, die trifft zu. Was wir jetzt gerade, können Sie sich erinnern?

Zeuge Mül[ler]:

Die Frage habe ich beantwortet.

RA Schi[ly]:

Ja.

Nun werden Sie mal ganz allgemein. Sie wissen ja, vielleicht werden Sie noch im Gedächtnis haben, was Sie in der polizeilichen Aussage über Gespräche hinsichtlich des Herrn Hoff geschildert haben und Ihre Kenntnisse in dem Zusammenhang. Ist das alles richtig oder was ist daran falsch, was müßten Sie heute korrigieren?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, das habe ich bereits getan.

Vors.:

Ja, ich weiß nicht, ob Sie imstande sind, auf diese allgemeine Frage zu antworten. Deswegen müssen Sie das selbst beurteilen, Herr Müller, ob Sie da aus dieser Frage drauskommen.

Zeuge Mül[ler]:

Ja vielleicht machen Sie mir einen konkreten Vorhalt?

RA Schi[ly]:

Nein, das wollte ich eigentlich nicht, Herr Müller. Ich wollte jetzt, daß Sie mal ganz allgemein die Begebenheiten, ob alle Begebenheiten, die Sie in dem Zusammenhang mit dem Herrn Hoff geschildert haben, ob die also nur unvollständig oder ob da auch unrichtige Begebenheiten sind? Vielleicht können wir so uns verständigen.

Vors.:

Ich weise den Herrn Zeugen nochmals darauf hin: Es ist seine Sache, ob er einen solchen Überblick über die Aussagen hat, daß er in dieser allgemeinen Form die Frage überhaupt beantworten kann. Sie müssen es[iii] selbst beurteilen. Grundsätzlich wäre es natürlich wünschenswert, Herr Rechtsanwalt, insbesondere auch zur Vermeidung von eventuellen Wiederholungen, wenn Sie konkretisieren wollten, welche Passagen, der ja nicht ganz kleinen Vernehmung des Herrn Zeugen, Sie in Auge haben.

RA Schi[ly]:

Ja, wobei ich doch, vielleicht da wir[jjj] auch das Gedächtnisvermögen von Herrn Müller zu überprüfen haben, vielleicht dann auch mal die Frage stellen darf, ob er überhaupt noch sich an das erinnert, was er früher in dem Zusammenhang gesagt hat.

Vors.:

Man müßte es eben konkretisieren. Was wollen Sie jetzt wissen ...

[10517] RA Schi[ly]:

Nein, wissen Sie noch, welche Begebenheiten Sie im Zusammenhang mit Herrn Hoff in Ihrer polizeilichen Aussage geschildert haben?

Rechtsanwalt Eggler erscheint um 10.54 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Also da muß ich sagen, es ist von Gericht ja in dieser Richtung gefragt worden, und ich befürchte, das, was Sie jetzt tun, läßt nicht erkennen, ob das nicht Wiederholungen werden, die Sie jetzt erfragen wollen. Deswegen bitte ich Sie, doch etwas konkreter zu werden.

RA Schi[ly]:

Naja, ich hab ja insofern konkretisiert und ich glaube, mehr brauche ich es nicht zu konkretisieren, ob von den Dingen, die er da geschildert hat, ob da etwas auch falsch ist. Ich meine, er hat insofern schon gesagt, daß er, also sein Satz, daß er nie mit Herrn Hoff zusammengetroffen sei, daß er da mehrfach die Unwahrheit gesagt hat.

Vors.:

Wenn Sie aus dem Polizeiprotokoll bestimmte Vorgänge im Auge haben, bitte ich die zu benennen. Es ist maßgeblich die Schilderung zunächst mal zu den Vorgängen mit Herrn Hoff, die[kkk] der Zeuge hier abgegeben hat.

RA Schi[ly]:

Ja sicherlich. Aber der Zeuge kann doch danach gefragt werden, ob er beispielsweise bestimmte Sachen in Zusammenhang mit Herrn Hoff erfunden hat. Wollen wir es mal ganz deutlich so fragen.

Vors.:

Das ist ja genau das, was wir von Ihnen ausgefüllt[lll] wissen wollen. Sie sagen beispielsweise bestimmte Sachen. Und genau diese beispielsweise bestimmte Sachen sollen Sie hier klar benennen.

RA Schi[ly]:

Nein, Herr Vorsitzender, der Zeuge soll sich darüber, er soll hier sein Gedächtnis bemühen.

Zeuge Mül[ler]:

Ja, ich hab mich dazu geäußert und in der Form, wie es hier gefragt wird, da kann ich dazu nichts sagen.

RA Schi[ly]:

Herr Müller, haben Sie im Zusammenhang mit dem Herrn Hoff einfach schlicht Geschichten erfunden? Ereignisse?

Zeuge Mül[ler]:

Wollen Sie damit sagen, daß ich also Geschichten erfunden hätte?

RA Schi[ly]:

Ich frage Sie, Herr Müller, ob Sie das gemacht haben. Sie haben ja früher eine falsche Aussage gemacht. Das steht ja nun [10518] fest. Die kann darin bestehen, daß Sie also bestimmte Sachen verschwiegen haben oder hier gesagt haben, Sie hätten nie einen Kontakt mit dem Herrn Hoff gehabt. Oder Sie können auch noch zusätzlich, um diese Falschaussage sozusagen abzudecken, auch noch bestimmte Geschichten erfunden haben. Und da frage ich Sie, haben Sie bestimmte Geschichten da erfunden?

Zeuge Mül[ler]:

Ja ich mein, dazu habe ich mich bereits geäußert, was an der Aussage nicht richtig war.

RA Schi[ly]:

Können Sie die Frage nicht beantworten, ob Sie bestimmte Geschichten in dem Zusammenhang erfunden haben?

Vors.:

Herr Müller, die Frage ist, wenn ich sie richtig verstehe ...

Zeuge Mül[ler]:

Das ist mir nicht klar, was der will.

Vors.:

... so zu begreifen, ob Sie, statt, was die Möglichkeit ist, wenn man etwas Unrichtiges angibt, bloß verschwiegen haben oder etwas, einen konkreten Vorgang, den es gegeben hat, in einer anderen Form darstellen. Ob Sie es dabei bewenden ließen, oder ob Sie darüber hinaus ganze Episoden sozusagen frei hinzugefügt haben als erfundene Geschichten.

Zeuge Mül[ler]:

Das ist nicht der Fall.

RA Schi[ly]:

Also das letztere ist nicht der Fall. Episoden erfunden haben Sie nicht.

Zeuge Mül[ler]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Herr Müller, haben Sie eigentlich auch aus der Haft heraus, also jetzt mal, Sie haben ja dieses INFO-System[18] geschildert, davon wollen wir jetzt mal absehen, haben Sie eigentlich dann aus der Haft heraus auch korrespondiert. Also nehmen wir mal an, Sie haben ja schon hier angedeutet, Sie haben auch mal mit Presseorganen korrespondiert. Haben Sie aber auch sonstwie geschrieben an Personen?

Zeuge Mül[ler]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Können Sie mal sagen, an wen Sie da alles geschrieben haben?

Zeuge Mül[ler]:

Das wird aber lang.

RA Schi[ly]:

Ja bitte, ja.

Zeuge Mül[ler]:

Meine Eltern ...

Vors.:

Darf ich jetzt fragen. Ich möchte also gerade, der Herr Zeuge wird ja z.B., wenn jetzt Freundin oder so etwas benannt werden sollte ...

[10519] RA Schi[ly]:

Nein, also das können wir gerne aus ...

Vors.:

Ja, deswegen möchte ich Sie also bitten, daß auch etwas näher in Sachzusammenhang zu bringen.

RA Schi[ly]:

Nein also, es geht mir nicht darum, Ihre persönliche Korrespondenz, beispielsweise mit Ihren Eltern oder mit Ihrer Freundin oder Freunden, sondern es geht mir darum, um Korrespondenz, um das vielleicht etwas einzugrenzen, in der Sie so Ihre politische Stellung dann vielleicht darstellen oder rechtfertigen. Oder auch versuchen, bestimmte Personen zu beeinflussen, also in einer bestimmten Richtung. Haben Sie in der Richtung Korrespondenz geführt?

Zeuge Mül[ler]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Ja können Sie da noch einmal sagen, mit wem?

Zeuge Mül[ler]:

Der Personenkreis ist identisch. Der wird genau wieder so lang.

RA Schi[ly]:

Naja, dann bitte ich Sie das mal zu schildern?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, das sind meine Eltern, meine Geschwister, das sind alte Bekannte von mir. Das sind verschiedene Zeitschriften, Zeitungen.

RA Schi[ly]:

Ja. Können Sie das mal ein bißchen präzisieren?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, das ist Spiegel, Stern, Frankfurter Rundschau, DPA, Bildzeitung, Die Welt, Fokus ...

RA Schi[ly]:

Ja, was ist denn das?

Zeuge Mül[ler]:

Wie bitte?

RA Schi[ly]:

Fokus, ist das ...

Zeuge Mül[ler]:

... eine Zeitschrift in der Schweiz. KVZ, Rote Fahne, - nun muß ich mal kurz nachdenken - Hamburger Morgenpost, Neues Forum in Österreich. Moment, jetzt fällt mir gerade etwas ein, wenn wir bei den Zeitungen sind. Da war noch einmal ein Journalist da von einem amerikanischen Magazin von Newsweek. Wie hieß denn der Typ, Colling oder Collins oder so ähnlich.

RA Schi[ly]:

Ja. Ist da ein Honorar gezahlt worden?

Zeuge Mül[ler]:

Nein, soweit ich weiß, nicht.

RA Schi[ly]:

Soweit Sie wissen?

Zeuge Mül[ler]:

Wie bitte?

RA Schi[ly]:

Soweit Sie wissen, das verstehe ich nicht.

Zeuge Mül[ler]:

Ja bei mir ist nichts angekommen. Schon möglich, daß auf dem Postweg verloren gegangen ist oder daß er keines geschickt hat.

RA Schi[ly]:

Ja und weiter?

Zeuge Mül[ler]:

Ja an, wie heißt das Ding von der IG-Metall, eine Zeitschrift von der IG-Metall. Ich glaub, die heißt sogar „IG-Metall“ oder so [10520] ähnlich.

RA Schi[ly]:

„Metall“ glaube ich, nicht.

Zeuge Mül[ler]:

Ja das ist in Moment alles, was mir einfällt.

RA Schi[ly]:

Also das sind die Zeitungen und nun an Personen. Also jetzt die Brüder, Schwestern und Eltern lassen wir raus, alte Bekannte vielleicht auch. Und jetzt noch an weitere Personen? Vielleicht auch bekanntere Namen?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, Zimmer, Hetschul, Schwarberg ...

RA Schi[ly]:

Moment, Zimmer, also das sind jetzt die Journalisten, ja.

Die haben Sie ja schon erwähnt. Schwarberg, das sind die Journalisten, nicht. Die brauchen wir ja nicht extra erwähnen, da haben Sie ja auch hier ... Kommen noch weitere Personen?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, Sie sind ja manchmal so kleinlich.

RA Schi[ly]:

Naja, vielleicht manchmal auch etwas großzügiger.

Zeuge Mül[ler]:

Fied ...

RA Schi[ly]:

Erich Fried, ja.

Zeuge Mül[ler]:

Chotjewitz, Eva Michel, Renate Turk-Linsbauer, Moser (?)

RA Schi[ly]:

Wer ist Herr Moser?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, persönlich kenne ich ihn nicht.

Vors.:

Darf ich fragen, ist das als Beispiel gedacht oder wollen Sie hier eine vollständige Liste der Korrespondenz haben. Wenn ja, dann ...

RA Schi[ly]:

Naja, ich wollte jetzt zunächst mal den Überblick und dann den Inhalt.

Vors.:

Ja aber ich sehe jetzt, also nachdem es sich in dieser Weise ausdehnt, keinen Sachzusammenhang mehr. Können Sie uns den erläutern, um was es geht. Was es hier für die Glaubwürdigkeit des Herrn Zeugen ...

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, es dürfte doch von Interesse sein, wie sich der Herr Zeuge in dieser Korrespondenz selbst dargestellt hat; und das ist der Sinn der Frage.

Vors.:

Das ist doch etwas völlig anderes, wenn Sie das zwecks Überprüfung solcher Fragen, wie Sie sie eben angedeutet haben, bei ihm erfragen wollen. Dann ist das eigentlich kein Sachzusammenhang der Beweisaufnahme. Wir haben es hier mit der Aufklärung der Vorwürfe gegen die Angeklagten, eventuell mit der Glaubwürdigkeit des Angeklagten zu tun. Aber nicht indirekt durch Ausforschungsfragen, sondern Sie sollten schon direkte Fragen stellen. Vielleicht können Sie zusammenfassend die Frage stellen ...

[10521] RA Schi[ly]:

Also ich weiß gar nicht, wie Sie auf den Begriff „Ausforschung“ in diesem Zusammenhang kommen, denn Sie haben doch hier nicht die Verhandlungsmaxime wie im Zivilprozeß.[19]

Vors.:

Es geht auf jeden Fall nicht an, daß Sie uns hier einen Fragenkatalog vorlegen, bzw. dem Herrn Zeugen, wo wir nicht sehen können, was das nun zur Aufhellung der Glaubwürdigkeit ...

RA Schi[ly]:

Ich habe doch Ihnen das dargestellt, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Die Nennung weiterer Namen scheinen hier für diese Aufhellung nicht von Bedeutung zu sein.

RA Schi[ly]:

Zunächst einmal ist doch schon der Umfang interessant. Mit wievielen Personen hier der Herr Zeuge und welche Funktion er da einnimmt.

Vors.:

Es mag für Sie interessant sein; aber wir wollen den Sachzusammenhang doch etwas enger sehen als Sie.

RA Schi[ly]:

Ja es ist für die Glaubwürdigkeit des Zeugen von Bedeutung, das sollte Ihnen doch eigentlich deutlich sein.

Vors.:

Ich sehe keinen Sachzusammenhang. Da ist die Tatsache, daß ein Zeuge eine offenbar nicht ganz geringe Korrespondenz geführt hat.

RA Schi[ly]:

Ja aber eine bestimmte Korrespondenz, in der er sich selber darstellt als Person ...

Vors.:

Haben Sie das geklärt, ob er das tut?

RA Schi[ly]:

... Herrn Müller, danach frage ich ja.

Vors.:

Dann würde ich Sie bitten, daß Sie das vielleicht vorbereiten, damit wir erkennen, ob diese ...

RA Schi[ly]:

Gut, wir können es auch umgekehrt. Wenn Sie es wünschen, können wir das umgekehrt machen. Dann frage ich zunächst einmal den Herrn Müller, ob er sich und seine Person, und was er so an Entscheidungen getroffen hat, in dieser Korrespondenz dargestellt hat. Und auch zu der Roten Armee Fraktion sich geäußert hat.

Zeuge Mül[ler]:

Ja, ich habe mich in der Korrespondenz zur RAF geäußert.

RA Schi[ly]:

Ja und nun frage ich, mit wem er diese Korrespondenz geführt hat.

Vors.:

Das ist auch wieder zu allgemein. Was wollen Sie damit sagen.

Sie haben sich, vielleicht darf ich es übernehmen ...

RA Schi[ly]:

Nein, Herr Vorsitzender ...

Vors.:

Nicht, dann fragen Sie bitte die Fragen weiter, was das heißen soll ...

[10522] RA Schi[ly]:

Ja, ich frage zunächst einmal, mit wem er korrespondiert hat über die Rote Armee Fraktion.

Vors.:

Ich sehe den Sachzusammenhang immer noch nicht. Die Tatsache, daß sich jemand über die RAF unterhält in seiner Korrespondenz, gibt noch keinen Sachzusammenhang zu der uns hier auferlegten Aufklärung.

RA Schi[ly]:

Aber Herr Vorsitzender, das ist ja wohl doch eine dreiste Zumutung wenn Sie uns jetzt hier, wenn Sie jetzt sagen wollen, das ist kein Sachzusammenhang.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich stelle ausdrücklich fest ...

RA Schi[ly]:

Ich nehme das Wort „dreist“ zurück. Ich sage, das ist eine Zumutung, wenn Sie uns hier sagen wollen, das hat keinen Sachzusammenhang.

Vors.:

Ich darf Sie bitten, wenn ich keinen Sachzusammenhang sehe und deswegen glaube, daß es bedenklich ist, ob Sie diese Fragen stellen können, dann werde ich um Aufklärung bitten dürfen. Da ist ein Ausdruck wie „dreist“ hier völlig verfehlt ist, haben Sie inzwischen selbst ...

RA Schi[ly]:

Ich habe den Ausdruck zurückgenommen ...

Vors.:

... ja, ja, Sie haben es zu erkennen gegeben. Trotzdem war er nicht notwendig, auch wenn er zurückgenommen ist. Aber ich möchte darauf hinweisen, daß ich den Sachzusammenhang in dieser Form immer noch nicht erkennen kann. Sie können ihn mir näher erläutern. Die Tatsache, daß ein Zeuge erklärt, er habe korrespondiert und er habe sich dabei auch zu einem bestimmten Thema, das entfernt nur dem äußeren Zusammenhang nach mit dem Zusammenhängen könnte, nämlich seine Ansichten über die RAF, sind kein Grund anzunehmen, daß sämtliche Namen, die hier jetzt erfragt werden, irgend etwas zur Aufklärung der Vorwürfe gegen die Angeklagten oder zur Glaubwürdigkeit des Zeugen beitragen könnten.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, es ist doch eigentlich eine elementare und selbstverständliche Tatsache, daß die Ansichten eines Zeugen zu einer bestimmten Gruppierung, die sich Rote Armee Fraktion nennt und Angeklagte hier sind, die der Roten Armee Fraktion zugerechnet werden, daß die Ansichten des Zeugen, so, wie er sie artikuliert hat, für seine Glaubwürdigkeit von ganz besonderer Bedeutung sind.

Vors.:

Ja aber doch nicht die Namen. Die Ansichten ja, das räumen wir ja ein. Deswegen wollte ich Sie ja fragen, Sie sollten dann ... [10523] Ich hätte jetzt gefragt, was waren das für Ansichten. Aber Sie wollten ja Ihr Fragerecht nicht abgeben.

RA Schi[ly]:

Aber Herr Vorsitzender, Sie können doch nicht mir vorschreiben, wie Sie jetzt gefragt haben.

Vors.:

Aber ich kann Ihnen sagen, daß ich weitere Fragen nach Namen nicht zulasse, bevor Sie nicht den Zusammenhang hergestellt haben. Das tue ich nicht.

RA Schi[ly]:

Der Herr Zeuge, Herr Vorsitzender, hat gesagt, daß er sich in der Korrespondenz zu der Roten Armee Fraktion geäußert hat. Das ist zunächst mal ein Faktum. Und jetzt darf ich zunächst einmal fragen, mit wem er sich über die Rote Armee Fraktion auf dem Korrespondenzwege unterhalten hat.

Vors.:

Erst wenn erkennbar ist, - er hat Ihnen schon eine erhebliche Anzahl genannt, so hat das Gericht auch zugeguckt -, erst wenn erkennbar ist, daß das einen Sinn hat. Dazu müßte geklärt werden, in welchem Sinne er sich hier geäußert hat, ob die im Sachzusammenhang steht.

RA Schi[ly]:

Nein, da bin ich nicht Ihrer Auffassung. Im übrigen weiß ich auch nicht, inwiefern es eigentlich da ein Unterschied ausmachen soll, ob er nun 10 Namen nennt oder 20. Bei 10 Namen haben Sie es zugelassen, und jetzt, weil es länger dauert, da wollen Sie es also nicht zulassen. Das, finde ich, ist einfach und da ist dann das Wort dann ... Naja ...

Vors.:

Nein, es wäre nicht. Ist gut, daß Sie „Naja“ sagen. Aber ich darf darauf Hinweisen, Herr Rechtsanwalt:

RA Schi[ly]:

Ich wollte den Zeugen zitieren.[mmm]

[Vors.:]

Ich gebe Ihnen insofern recht, ich hätte schon beim 1. oder 2, oder 3. Namen eingreifen können. Aber ich dachte, es hört einmal auf. Jetzt gerät es auch zur Weitschweifigkeit zusätzlich.

RA Schi[ly]:

Weitschweifigkeit bei dem Zeugen oder was, was ...

Vors.:

Bei Ihnen, wenn Sie ständig weitere Namen wissen wollen, die im Sachzusammenhang nicht dienlich sein können. Ich sage es Ihnen nochmals, in dieser Form lasse ich die Frage nicht zu. Es sei denn, Sie klären zuvor, welchen Inhalt er hat.

RA Schi[ly]:

Nein, ich bestehe auf dieser Frage und stelle den Antrag auf Senatsbeschluß. Und vielleicht ein Beschluß und keine geheime Umfrage,[20] wenn ich bitten darf.

[10524] Vors. (Nach geheimer Umfrage):

Der Senat hat beschlossen:

Die Frage nach Namen dieser allgemeinen Form ist nicht zulässig. Es ist nicht erkennbar, inwieweit sie hier der Sachaufklärung dienlich sein könnten oder die Glaubwürdigkeit des Zeugen in irgendeiner Form beleuchten könnten.

RA Schi[ly]:

Also wie Sie hier die Befragung durchführen wollen, lassen wollen, Herr Vorsitzender, das ist wirklich wiederum ...

Vors.:

Sie sollen diese Fragen fortführen.

RA Schi[ly]:

... das ist wiederum ein Beweis dafür ...

Vors.:

Bitte setzen Sie jetzt die Frage fort.

RA Schi[ly]:

... wie Sie hier den Prozeß ...

Vors.:

Sie haben jetzt das Fragerecht. Ihre Kommentierungen sind im ... Augenblicck vollkommen daneben.

RA Schi[ly]:

... über die Bühne bringen wollen, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Ja.

RA Schi[ly]:

Herr Müller, haben Sie sich in dieser Korrespondenz possitiv oder negativ zur Roten Armee Fraktion geäußert?

Zeuge Mül[ler]:

Negativ.

RA Schi[ly]:

Können Sie dazu einiges sagen?

Zeuge Mül[ler]:

Was meinen Sie damit?

RA Schi[ly]:

Ja in welcher Form negativ.

Zeuge Mül[ler]:

Ja was heißt, ich hab mich mit der RAF auseinandergesetzt.

RA Schi[ly]:

Ja, negativ sich doch dazu geäußert. Können Sie das mal im einzelnen schildern. Wobei ich davon ausgehe, und insofern wäre es tatsächlich nützlicher, fangen wir bei Herrn Fried an. Wie haben Sie sich gegenüber Herrn Fried über die Rote Armee Fraktion geäußert?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, wie ich gesagt hab, negativ.

RA Schi[ly]:

Können Sie das mal genauer kennzeichnen.

Zeuge Mül[ler]:

Ja, fragen Sie doch, was Sie wissen wollen.

RA Schi[ly]:

Ich kenne die Korrespondenz nicht.

Zeuge Mül[ler]:

Sie kennen sie?

RA Schi[ly]:

Ich kenne sie nicht. Deshalb muß ich Sie doch fragen.

Ich kann doch nicht einen Vorhalt machen, wenn ich den Brief jetzt an Herrn Fried nicht vor mir habe. Vielleicht habe ich mitunter mal irgend etwas in der Zeitung gelesen was abgedruckt [10525] war.

Zeuge Mül[ler]:

Warum fragen Sie nach dem Brief an Herrn Fried, wenn Sie den nicht kennen.

RA Schi[ly]:

Ich glaube, Herr Vorsitzender, daß es nicht richtig ist, daß Sie zulassen, daß der Zeuge mit Gegenfragen antwortet. Was meinen Sie denn da von Ihrer Verhandlungsleitung, ob Sie da von Ihrer Verhandlungsleitung mal Gebrauch machen sollten.

Vors.:

Das Wort „mal“ habe ich überhört. Sie haben sich vorher beschwert, daß ich davon Gebrauch gemacht habe. Herr Rechtsanwalt, der Herr Zeuge bemüht sich, Sie zu konkreten Fragen zu veranlassen. Er sieht sich nicht imstande, offenbar eine Frage zu beantworten, die dahin geht, können Sie näher beschreiben, was Sie Herrn Fried geschrieben haben, negativ. Wenn er eine Gegenfrage in dieser Form stellt, glaube ich nicht, daß sie verletzend für Sie gewesen sein müßte und ich sehe auch keinen Anlaß, deswegen einzugreifen.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, Sie brauchen mich hier nicht da mit verletzend oder was. Darum geht es doch gar nicht. Sondern ein Zeuge hat Fragen zu beantworten und keine Gegenfragen zu stellen. Und daß Sie da wiederum den Zeugen hier so in Obhut nehmen wollen offenbar, wie gesagt, das hat seine Aussagekraft für die Art des Verfahrens.

Vors.:

Ja, Herr Rechtsanwalt, das, was Sie ausführen, hat auch eine gewisse Aussagekraft über das, was Sie hier bezwecken. Aber ich will Ihnen sagen ...

RA Schi[ly]:

Was denn?

Vors.:

... daß Sie das Gericht wieder in die alte Rolle drängen wollen, die Sie früher immer versuchten.

RA Schi[ly]:

Ich will gar nichts. Ich will meine Fragen stellen. Und wenn Sie die Fragen ordnungsgemäß zulassen würden, dann würde diese ganze ...

Vors.:

Sie haben im Augenblick beanstandet, daß der Zeuge eine Frage an Sie gestellt hat. Sie diente zur Aufklärung dessen, für den Herrn Zeugen, daß er sehen will, was Sie von ihm konkret wollen. Das Recht hat ein Zeuge auch, wenn er Sie nicht versteht. Es war nichts Verletzendes und nichts Kränkendes daran.

RA Schi[ly]:

Achso, ja natürlich. Also wir kehren die Sache um. Wir haben nicht mehr das Recht, Fragen zu stellen, der Zeuge hat das Recht, Fragen zu stellen.

Vors.:

Fahren Sie bitte in Ihrem Fragerecht fort.

[10526] RA Schi[ly]:

Also jetzt frage ich Sie, was ist denn nun mit dem, ich frage nochmals, ich kenn den Brief an Herrn Fried nicht und möchte wissen, was haben Sie an Herrn Fried geschrieben.

Zeuge Mül[ler]:

Ja, die Korrespondenz umfaßte mehrere Briefe.

RA Schi[ly]:

Ja, und was haben Sie geschrieben?

Zeuge Mül[ler]:

Ja ich hab die Briefe nicht mehr im Kopf.

RA Schi[ly]:

Nicht mehr im Kopf.

Haben Sie eigentlich außer den Namen, die Sie hier genannt haben, das sind ja wohl zum großen Teil Schriftsteller, wer ist denn Herr Moser?

Zeuge Mül[ler]:

Ja der soll irgendwo in der Gegend von Frankfurt sein.

RA Schi[ly]:

Ja und welcher Anlaß bestand, Herrn Moser zu schreiben über die RAF.

Zeuge Mül[ler]:

Ja warum nicht?

RA Schi[ly]:

„Ja warum nicht“, ist eine andere Frage. Wollen Sie auch diese Art von Antworten zulassen, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Sie können ja Ihre Frage vertiefen. Herr Rechtsanwalt, bitte, der Herr Zeuge hat bis jetzt sich in einer Form verhalten, die, glaube ich, Ihnen nicht Anlaß gibt, daß er nicht bereit wäre, Ihnen Auskunft zu geben.

RA Schi[ly]:

Dies ist eine Bewertung, Herr Vorsitzender, die Sie tunlichst unterlassen sollten.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt ...

RA Schi[ly]:

... die Sie tunlichst unterlassen sollten.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich verzichte auf Ihre Ratschläge. Ich darf Sie jetzt bitten, daß Sie nicht ständig, wenn der Herr Zeuge eine so rhetorisch gemeinte Gegenfrage stellt - „warum nicht“, - das nicht begreifen das, daß er Sie damit fragen will, was meinen Sie damit.

RA Schi[ly]:

Ja, rhetorische Fragen von Zeugen finde ich eigentlich vollkommen überflüssig, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Er hat offenbar nicht gewußt, was Sie damit meinen. Warum gab es Anlaß, dem Herrn Moser zu schreiben und fragte deswegen zurück, warum nicht. Das heißt, was meinen Sie damit.

RA Schi[ly]:

Ja kennen Sie den Herrn Moser?

Zeuge Mül[ler]:

Habe ich bereits gesagt.

RA Schi[ly]:

Persönlich nicht. Ja wie sind Sie dann auf Herrn Moser gekommen, dem zu schreiben?

[10527] OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender, die Bundesanwaltschaft beanstandet diese Frage. Ich wüßte nicht, wie die Kenntnis des Zeugen zu dem Herrn Moser in irgend welchem Sachzusammenhang mit der Beweisaufnahme und dem Beweisthema steht. Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, daß Herr Rechtsanwalt Schily gern hier ein Pläuschchen, um den Mandanten Baader zu zitieren, mit diesen Zeugen machen will. Um nichts anderes geht es. Doch nicht hier etwa um Wahrheitserforschung und Glaubwürdigkeitsüberprüfung, Herr Rechtsanwalt Schily. Das geht schon seit heute früh um 9 Uhr so weiter.

RA Schi[ly]:

Herr Zeis, Ihre Ansichten, die Sie hier verkünden, die sind meist so abwegig, daß wir eigentlich darauf verzichten können, uns damit zu beschäftigen, aber ...

Vors.:

Sie beanstanden die Gegenfrage des Herrn Zeugen und kommen in dieser Form ... Mich bezeichnen Sie vorhin als „dreist“ und jetzt sagen Sie es in dieser Form.

RA Schi[ly]:

Und was ist mit Herrn Zeis und einem Pläuschchen machen mit dem Zeugen? Was ist da, Herr Vorsitzender, haben Sie da irgend einen Kommentar sich einfallen lassen.

Vors.:

Es gab keinen Grund dafür.

RA Schi[ly]:

Nein, es fällt Ihnen nichts dazu ein. Das kann ich verstehen.

Vors.:

Nein, es gab keinen Grund dafür, Herr Rechtsanwalt.

RA Schi[ly]:

Ach, da gibt es keinen Grund.

Vors.:

Nein.

RA Schi[ly]:

Machen Sie sich das zueigen?

Vors.:

Ich weiß nicht, ob Sie den graduellen Unterschied nicht zu begreifen vermögen zwischen den Ausführungen, die Herr Bundesanwalt Zeis gemacht hat und Ihrer Behauptung, seine Argumentation, die er hier vortrage, sei grundsätzlich so abwegig, daß man sich damit nicht befassen müsse.

RA Schi[ly]:

Wenn ich höre, daß der Herr Zeis mir vorwirft, es ginge mir nur darum, mit Herrn Müller ein Pläuschchen zu machen, dann halte ich das für eine völlig abwegige Argumentation.

OStA Z[eis]:

Ich habe gesagt, daß ich mich des Eindrucks nicht erwehren kann.

Vors.:

Darf ich Sie jetzt ...

RA Schi[ly]:

Damit setze ich mich nicht auseinander.

Vors.:

Bitte, Herr Rechtsanwalt, Sie wollten sich noch äußern dazu.

Es geht darum um die Frage, ob diese Beanstandung berechtigt ist.

[10528] RA Schi[ly]:

Es geht darum um die Frage, wie der Herr Müller dazu gekommen ist, dem Herrn Moser zu schreiben über die Rote Armee Fraktion.

Vors.:

Ich lasse die Frage nicht zu. Auch ich sehe keinen Sachzusammenhang. Es ist nicht erklärt und auch nicht dargetan in Ihren Ausführungen, wie weit es der Wahrheitserforschung hinsichtlich der Anklagevorwürfe oder der Überprüfung der Glaubwürdigkeit dienen könnte zu fragen, welchen Grund der Zeuge hatte, einem bestimmten Herrn zu schreiben.

Ich bitte weitere Fragen?

RA Schi[ly]:

Herr Müller, haben Sie eigentlich auch an Mitbeschuldigte geschrieben, also jetzt mal, als Sie da aus dem INFO-System das Sie uns dargestellt haben, ausgeschieden sind. Haben Sie da auch noch an Mitbeschuldigte geschrieben.

Vors.:

Darüber hat der Herr Zeuge Auskunft gegeben. Es könnte sein, daß Sie nicht anwesend gewesen sind.

RA Schi[ly]:

Ja, doch. Ich hab das schon gehört, daß er einiges da gesagt hat, aber können Sie vielleicht doch mal konkretisieren, an wen Sie alles geschrieben haben?

Zeuge Mül[ler]:

Mitbeschuldigte in welchem Sinne?

RA Schi[ly]:

Naja, die also wegen ähnliche oder gleiche Vorwürfe beschuldigt werden. Also beispielsweise Zugehörigkeit zur RAF.

Vors.:

Da bitte ich doch auch um eine präzisere Beschreibung für den Herrn Zeugen, denn der rechtstechnische Ausdruck Mitbeschuldigte würde nur auf eine bestimmte Mitangeklagte zutreffen.[21] Und im übrigen sollten Sie den Personenkreis, den Sie jetzt erfragen wollen, näher bezeichnen.

RA Schi[ly]:

Also gut, gut, wenn Sie das so technisch sehen. Ich meine Beschuldigte, denen auch vorgeworfen wird, Dazugehörigkeit zur RAF oder vielleicht Beschuldigte, die auch einmal wegen konkreterer Vorwürfe, also Beteiligung an einem Sprengstoffdelikt oder Beteiligung an einem Mordversuch oder an einen Mord, bei dem sie auch unter Beschuldigung standen oder stehen, und da die ähnliche Beschuldigung bei denen vorhanden waren. Haben Sie da Korrespondenz geführt?

Zeuge Mül[ler]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Mit wem?

[10529] Zeuge Mül[ler]:

Horst Mahler, Brigitte Asdonk[22], ...

RA Schi[ly]:

Ja.

Zeuge Mül[ler]:

Ja, Korrespondenz geführt, also wie soll ich das verstehen?

RA Schi[ly]:

Na Sie geschrieben oder Briefe erhalten. Also mich interessiert eigentlich nur Ihre Briefe.

Zeuge Mül[ler]:

Die ich abgeschickt hab?

RA Schi[ly]:

Die Sie abgeschickt haben, ja.

Zeuge Mül[ler]:

Achso. Irmgard Möller[23], Margrit Schiller[24], ja und dann eigentlich an alle, na. Aber das ging dann übers INFO vorher noch.

RA Schi[ly]:

Ja, das interessiert in dem Zusammenhang jetzt nicht.

Wann haben Sie zuletzt an Frau Schiller geschrieben?

Zeuge Mül[ler]:

An Frau Schiller habe ich geschrieben, ich würde sagen Ende Juni.

RA Schi[ly]:

Welchen Jahres?

Zeuge Mül[ler]:

Ich hab an Sie mehrmals geschrieben, soweit ich mich erinnere.

RA Schi[ly]:

Ja welchen Jahres, Ende Juno sagen Sie.

Zeuge Mül[ler]:

Das letzte war jetzt 76.

RA Schi[ly]:

76.

Zeuge Mül[ler]:

Und die anderen waren, glaube ich, so Ende 74, Anfang 75.

RA Schi[ly]:

Und wie kam es, daß Sie jetzt im Juno 76 nochmal nach so langer Pause an sie schrieben?

Zeuge Mül[ler]:

Wie bitte?

RA Schi[ly]:

Wie kam es, daß Sie nach so langer Pause im Juni 1976 an sie noch mal geschrieben haben, an die Frau Schiller?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, das geht Sie nichts an.

Vors.:

Herr Müller, in diesem Falle möchte ich Sie darauf hinweisen, Ihre Auffassung, daß jemand in Ihre Privatkorrespondenz nicht Einblick nehmen dürfe in Ehren, auch hier bitte ich Sie, die Form zu wahren.

Zeuge Mül[ler]:

Ja, selbstverständlich.

Vors.:

Also darauf wollen Sie nicht antworten?

Zeuge Mül[ler]:

Nein.

Vors.:

Und was wollen Sie da für sich in Anspruch nehmen?

Zeuge Mül[ler]:

Ja ich mein, es geht um meine persönlichen Sachen.

Vors.:

Sie meinen[nnn] jetzt, Ihre Privatsphäre würde dadurch verletzt.

Zeuge Mül[ler]:

Ja.

Vors.:

Nun, das ist für einen Zeugen eine Berufung auf einen Umstand, den er unter Umständen hinnehmen muß, wenn er unter der Wahrheitspflicht [10530] steht. Der Zeuge hat grundsätzlich in Ihrer Situation allenfalls die Möglichkeit, den [§ ]55[ StPO] zu bemühen. Wenn das im Zusammenhang damit stünde, Sie also befürchteten, daß das Aufschlüsse in dieser Richtung geben würde, wenn Sie hier Antworten geben, dann wäre das eine andere Frage.

Zeuge Mül[ler]:

Ja, dann berufe ich mich auf § 55[ StPO].

Ende von Band 608

[10531] RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, können Sie eigentlich mal die Belehrung nach § 55 StPO ein für allemal vornehmen?

Wäre es eigentlich nicht zweckmäßig, daß Sie den Zeugen jetzt einmal ausgiebig nach § 55 StPO belehren und dann der Zeuge vielleicht doch diese Rechtskenntnisse für einen Tag in der Lage ist, im Kopfe zu behalten?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, hätten Sie zu Beginn der Vernehmung des Zeugen teilgenommen, dann wüßten Sie, daß ich das, wie es üblich ist, auch so gemacht habe.

RA Schi[ly]:

Und Sie sehen aber dann doch Veranlassung, jeweils immer noch die ... an ner passenden Stelle zu wiederholen, eine solche Belehrung, ja?

Vors.:

Nein. Ich sah Veranlassung, den Herrn Zeugen darauf hinzuweisen, daß die Berufung auf die Verletzung der Privatsphäre allein jedenfalls in einem solchen Fall noch nicht unbedingt ausreichend erscheinen muß. Aber daß ein Zeuge das Recht hätte, den § 55 StPO zu bemühen.

RA Schi[ly]:

Herr Müller, ich möchte nochmals auf eine Frage zurückkommen - Ihr Hamburger Verfahren:

Ist Ihnen noch in Erinnerung, daß der Herr Hoff da hinkommen sollte zu diesem Verfahren und als Zeuge aussagen sollte und Ihnen als Zeuge gegenübergestellt werden sollte?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das hat er sogar[ooo] gemacht.

RA Schi[ly]:

Fand das dann auch termingemäß statt?

Zeuge Mü[ller]:

Ja es gab, soweit ich mich erinnere, mehrere Verschiebungen.

RA Schi[ly]:

Haben Sie in dieser Zeit mit Kriminalbeamten gesprochen?

Zeuge Mü[ller]:

Da erinnere ich mich nicht daran.

RA Schi[ly]:

Sie erinnern sich nicht daran, können’s aber auch nicht ausschließen?

Zeuge Mü[ller]:

Ja ich meine, ich war ja durch den Prozeß - das war ja ein Prozeß für mich [ppp] wie für jeden anderen auch - ich war durch den Prozeß in Anspruch genommen, hätte mir ja schon deshalb jeden Besuch verbeten.

RA Schi[ly]:

Haben Sie da irgendwie - sei es direkt oder indirekt - den Ermittlungsbehörden zu verstehen gegeben: Wenn der Herr Hoff da hinkommt und sagt, ich erkenn den Herrn Müller wieder, dann hat das von meiner Seite bestimmte Konsequenzen?

[10532] Zeuge Mü[ller]:

Herr Schily, Sie unterstellen mir jetzt Ihre Methoden.

RA Dr. He[ldmann]:

Welche Methoden?

Vors.:

Sie verbitten sich also praktisch das, glauben Sie, was hier für Sie eine Zumutung wäre, wenn man Ihnen das so vorhält in dieser Form.

Auch hier kann ich nur sagen:

Herr Müller, wahren Sie die Form. Ich glaube nicht, daß Sie in einer Form verletzt worden wären, die zum Eingreifen Anlaß gebe.

Zeuge Mü[ller]:

Herr Vorsitzender, das ist schon mal angeklungen am letzten oder am Dienstag - ich weiß nicht mehr -, da ist so was indirekt gegen meine Verteidigung bzw. auch gegen mich gefallen.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Aber Sie haben doch schon mal gelogen!

Zeuge Mü[ller]:

Halten Sie bitte Ihren Mund.

Vors.:

Augenblick.

Herr Müller, da muß ich aber jetzt ganz energisch sagen:

Die Zurechtweisungen eines Prozeßbeteiligten sind Sache des Vorsitzenden.

Herr Prof. Azzola, ich weise Sie aber zu Recht:

Sie haben hier nicht dazwischenzurufen.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Sie haben recht.

Vors.:

Danke.

Herr Müller, Sie wollten grade Ausführungen machen, warum Sie im Augenblick so reagiert haben.

Zeuge Mü[ller]:

Ja der Vorwurf ist ja schon mal unterschwellig aufgetaucht im Zusammenhang mit einem Beweisantrag in Sachen der Frau bzw. der Freundin von Dierk Hoff, also Frau Sorensen, wo durch Herrn Schily der Vorwurf gemacht worden ist - also unterschwellig -, ich bzw. meine Verteidigung hätten den Dierk Hoff zu Falschaussagen erpreßt oder gezwungen.

Vors.:

Nur ist es so, Herr Müller:

Sie müssen sich drüber im klaren sein, daß ein Verteidiger die Pflicht hat, nicht schonungsvoll vorzugehen sondern unter Umständen sogar recht schonungslos, wenn es darauf ankommt, die Wahrheit zu erforschen, die Glaubwürdigkeit zu überprüfen, aufzudecken, ob irgendwelche unlauteren Methoden angewendet sind, einen Zeugen zu bestimmten Aussagen zu bringen [10533] und dergleichen. Das geschieht im Augenblick, ob man das im Einzelfall billigt oder nicht. Es ist das Recht eines Verteidigers, und weitgehend ist das auch seine Pflicht; und das muß ein Zeuge - das muß ich Ihnen sagen in Ihrer Rolle, das kann Sie ja nicht überraschen - auch in Kauf nehmen. Ich wäre Ihnen also dankbar, wenn Sie das Gefühl haben, daß Sie im Augenblick zu angespannt sind, daß Sie nicht mehr ruhig reagieren können, dann können Sie um eine Pause bitten.

Aber ich möchte Sie jetzt, um solche Hin- und Herreden zu vermeiden, grundsätzlich bitten, wenn Sie keine Antwort geben wollen, wenn Sie fühlen, daß Sie jetzt nur noch mit einer Reaktion kommen können, die ja eben die Spannung verrät, dann lieber zu sagen: Jetzt rede ich nichts mehr; aber nicht mehr von sich aus in einer Form, die ich dann jeweils beanstanden müßte. In Ihrem Interesse sage ich das; ich sage es im Interesse des ganzen Ablaufes des Prozesses.

Ich bitte Sie dafür auch um Verständnis.

Wenn Sie also glauben, es sei jetzt zuviel für Sie - Sie können das sagen, wir haben ja eine medizinische Begutachtung auch von Ihnen gehabt, die in der Richtung gewisse Hinweise geben könnte; wenn Sie aber sich imstande fühlen, weiter zu antworten, dann fahren wir fort.

Zeuge Mü[ller]:

Also im Interesse des Ablaufs wäre vielleicht ne kurze Pause besser.

Vors.:

Dann machen wir es so:

Wir treten jetzt schon in die Mittagspause ein und setzen um 13.30 Uhr die Sitzung fort.

Pause von 11.30 Uhr bis 13.33 Uhr.

[10534] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 13.33 Uhr.

OStA Zeis ist nicht mehr[qqq] anwesend.

RA[rrr] Schnabel und Prof. Dr. Azzola sind nicht mehr[sss] anwesend.

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort.

Herr Müller, sind Sie wieder soweit erholt?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Vors.:

Herr RA Schily.

RA Schi[ly]:

Herr Müller, haben Sie in Briefen an Frau Schiller oder an Frau Möller einmal Drohungen artikuliert in der Form, daß Sie gesagt haben: Wenn sich die Briefadressaten nicht so verhalten würden, wie Sie’s für richtig halten, daß Sie dann die Briefadressaten durch Aussagen belasten würden?

Zeuge Mü[ller]:

Meinen Sie damit, daß ich versucht habe, in Schreiben Irmgard Möller bzw. Margret Schiller zu einem bestimmten Verhalten zu erpressen?

RA Schi[ly]:

Ich habe meine Frage gestellt, Herr Zeuge. Ich glaube, die Frage war verständlich.

Zeuge Mü[ller]:

Ich versuche zu klären, ob ich sie verstanden habe.

RA Schi[ly]:

Ich habe eine Frage gestellt, und ich würde Sie bitten, daß Sie sie beantworten. Ich glaube, die Frage war verständlich.

RA Schnabel erscheint um 13.34 Uhr wieder im Sitzungssaal.

Zeuge Mü[ller]:

Es ist schon mal der Briefwechsel an Margrit Schiller angesprochen worden. In dem Zusammenhang verweigere ich die Aussage nach § 55 StPO.

RA Schi[ly]:

Das bezieht sich auch auf Briefe an Frau Möller?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Sagen Sie:

Haben Sie eigentlich mal bei der Frage, ob Sie bereit sind, von den Formen des informellen Aussagens abzugehen und [ttt] als Zeuge auftreten in einer Hauptverhandlung, haben Sie da mal [10535] eine Bedingung formuliert, daß Sie nicht mit Ulrike Meinhof konfrontiert werden wollen?

Zeuge Mü[ller]:

Die Frage habe ich nicht verstanden.

RA Schi[ly]:

Haben Sie einmal eine Bedingung in der Weise gestellt, daß Sie ein Auftreten als Zeuge in der Hauptverhandlung davon abhängig gemacht haben, daß Sie nicht mit Ulrike Meinhof konfrontiert werden?

Zeuge Mü[ller]:

Ich habe überhaupt keine Bedingungen gestellt.

RA Schi[ly]:

Und auch nicht diese?

Zeuge Mü[ller]:

Das schließt das ein.

RA Schi[ly]:

Haben Sie nach Abbruch des Hungerstreiks einmal eine sog. informelle Aussage gemacht, informelle Angaben?

Zeuge Mü[ller]:

Ich habe gesagt, wenn ich informelle Angaben gemacht hab, und zwar im Zusammenhang mit der Lorenzentführung Anfang 1975.

RA Schi[ly]:

Ja nun frag ich Sie: Nach Abbruch des Hungerstreiks, ob Sie da auch solche Angaben gemacht haben?

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Sind Ihnen eigentlich zu einem bestimmten Zeitpunkt mal die Aussagen von Herrn Hoff vorgehalten worden von der Polizei?

Zeuge Mü[ller]:

Ich kann mich nicht daran erinnern, die Aussagen von Dierk Hoff sind aber in meinem Verfahren eingeführt worden.

RA Schi[ly]:

Nein, nein. Ich meine, ob Ihnen die Kriminalpolizei bei Ihrer Befragung einmal Aussagen von Herrn Hoff vorgehalten hat?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das habe ich beantwortet.

RA Schi[ly]:

Nein, Sie sagten, das war Gegenstand Ihrer Hauptverhandlung. Aber mich interessiert, ob die Kriminalpolizei Ihnen bei der Befragung, sei es bei der Vernehmung [uuu] jetzt ab 31. März oder bei den früheren informellen Befragungen, ob Ihnen da die Kriminalpolizei Aussagen von Herrn Hoff vorgehalten hat?

Zeuge Mü[ller]:

Ich habe die Frage beantwortet.

RA Schi[ly]:

Nein - ich hab die Antwort nicht gehört; Sie haben nur gesagt, es sei Gegenstand der Hauptverhandlung gewesen. Ich möchte jetzt wissen, ob die Kriminalpolizei Ihnen außerhalb der Hauptverhandlung, sei es in der Vernehmung ab 31. März, sei es bei der sog. informellen Befragung Aussagenvon Herrn Hoff vorgehalten hat?

[10536] Zeuge Mü[ller]:

Herr Vorsitzender, ich hab die Frage beantwortet. Ich habe gesagt, ich kann mich nicht daran erinnern.

Vors.:

Ja der Herr RA Schily hat das offenbar überhört. Jedenfalls: Die Frage wird in diesem Sinne beantwortet.

RA Schi[ly]:

Was? Sie können sich nicht daran erinnern?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Sagen Sie mal, Herr Müller, haben Sie ein solch schlechtes Gedächtnis, daß Sie das nicht mehr erinnern, ob Ihnen bestimmte Aussagen vorgehalten worden sind doch eines nicht ganz unwichtigen Zeugen, wie man zunächst einmal denken könnte?

Zeuge Mü[ller]:

Wie war der letzte Teil?

RA Schi[ly]:

Es setzt mich etwas in Erstaunen, daß Sie sagen:

Ich kann mich nicht erinnern, ob mir Aussagen von Herrn Hoff vorgehalten worden sind, denn das ist doch nicht so’ne Nebenfrage, könnte ich mir vorstellen.

Prof. Dr. Azzola erscheint um 13.38 Uhr wieder im Sitzungssaal.

Zeuge Mü[ller]:

Ja das ist ganz einfach: Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und mir. Ich lege eben auf andere Dinge Wert, und die merk ich mir eben besser als Sie zum Beispiel.

RA Schi[ly]:

Ja aber z. B. die Vorhalte, die Ihnen der Herr Vorsitzende gemacht hat in der Hauptverhandlung. Sind Ihnen ähnliche Vorhalte auch gemacht worden bei der Kriminalpolizei?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, ich habe die Frage beantwortet.

RA Schi[ly]:

Können Sie sich nicht daran erinnern?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Hat man Ihnen eigentlich mal ein Foto von Herrn Hoff gezeigt?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Und was haben Sie dazu gesagt?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das wäre der „Pfirsich“.[25]

RA Schi[ly]:

Haben Sie gesagt?

Ja und was haben Sie dazu gesagt, wie Sie ihn erkennen und ...?

Zeuge Mü[ller]:

Ja mir sind mehrere Bilder vorgelegt worden, und da habe ich eben gesagt, dies sei ein Foto des „Pfirsich“, und ich hab ihn klar und einfach wiedererkannt.

[10537] RA Schi[ly]:

Ja, haben Sie bei der Gelegenheit dann auch gesagt, daß Sie den Herrn Hoff bzw. „Pfirsich“ kennen?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Wenn Sie das damals gesagt haben, können Sie etwa sagen, wann das war?

Zeuge Mü[ller]:

Das habe ich nicht mehr so genau im Kopf.

RA Schi[ly]:

Na, etwa die Jahre und die Jahreszeit vielleicht, wenn wir uns darauf vielleicht verständigen können.

Zeuge Mü[ller]:

Ja ich kann nur gesagt haben: entweder dieses Jahr oder letztes Jahr.

RA Schi[ly]:

Ja war’s letztes Jahr?

Zeuge Mü[ller]:

Das kann ich nicht mehr genau sagen.

RA Schi[ly]:

Sagen Sie:

Wie kommt es eigentlich, wenn Sie da gesagt haben, daß Sie den Herrn Hoff kennen, daß Sie dann in der polizeilichen Aussage ab 31. März wiederum behauptet haben, daß Sie ihn nicht kennen?

Zeuge Mü[ller]:

Diese Frage habe ich beantwortet.

RA Schi[ly]:

Ist Ihnen denn dann ein Vorhalt gemacht worden aus der früheren Aussage: Das glauben wir Ihnen nicht; Sie haben ja früher gesagt, Sie kennen ihn. Sie haben ihn ja sogar an einem Lichtbild identifiziert.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das will ich nicht ausschließen.

RA Schi[ly]:

Ja - nicht ausschließen. Wissen Sie nichts darüber?

Also aus dem Protokoll ergibt sich nichts dergleichen.

Zeuge Mü[ller]:

Ja ich meine, es gibt eben bei der Vernehmung Sachen, da legt man weniger Wert drauf und bei andern, da legt man mehr Wert drauf, und die merkt man sich natürlich auch besser.

RA Schi[ly]:

Ach, wurde darauf kein großer Wert gelegt, ob Sie Herrn Hoff kennen oder nicht?

Zeuge Mü[ller]:

Nein, das betrifft ja mich.

RA Schi[ly]:

Ja. Aber nun, das Protokoll haben ja wohl Sie nicht geführt sondern die Vernehmungsbeamten?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, ich sag ja, es kann sein, es kann auch nicht sein.

[10538] RA Schi[ly]:

Na, wenn in dem Protokoll dann nichts vorkommt, ein Vorhalt, können Sie daraus nen bestimmten Schluß ziehen, ob ein Vorhalt gemacht worden ist oder nicht?

Wissen Sie nicht? - Na gut.

Sagen Sie mal:

Hat man eigentlich, bevor Sie dem Herrn Hoff in der Hauptverhandlung gegenübergestellt worden sind, schon früher mal durch die Kriminalpolizei eine Gegenüberstellung vorgenommen?

Zeuge Mü[ller]:

Mit Herrn Hoff?

RA Schi[ly]:

Ja.

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Nun nochmals zu der Abholung dieser Bombenkörper:

Wenn ich mich recht erinnere - wenn ich Sie jetzt falsch zitiere, Herr Müller, dann berichtigen Sie mich bitte, ja? - haben Sie ja wohl gesagt, daß Sie ausschließen, daß die Bombenkörper, die ersten sozusagen, am Tage der Explosion am IG-Farbenhaus,[26] also daß die erste Abholung an diesem Tage stattgefunden hat, daß Sie das ausschließen.

Habe ich Sie da richtig verstanden oder ist das korrekt?

Zeuge Mü[ller]:

Dazu verweigere ich die Aussage.

RA Schi[ly]:

Können Sie etwas noch über die Uhrzeit der Abholung sagen?

Zeuge Mü[ller]:

Dazu verweigere ich die Aussage.

RA Schi[ly]:

Können Sie etwas darüber sagen, ob die Bombenkörper mit einer Zündvorrichtung bereits versehen waren?

Zeuge Mü[ller]:

Dazu verweigere ich die Aussage.

RA Schi[ly]:

Herr Müller, zur Vorbereitung Ihrer Aussage hier in der Hauptverhandlung, sind da Gespräche geführt worden mit Kriminalbeamten oder sonstigen psychologisch geschulten Personen?

Zeuge Mü[ller]:

Wie soll ich diese Frage verstehen?

RA Schi[ly]:

Sie sollen Sie jetzt so verstehen, wie ich sie gestellt habe: Ob Sie zur Vorbereitung Ihrer Vernehmung hier in der Hauptverhandlung Gespräche mit Kriminalbeamten oder sonstigen psychologisch geschulten Personen geführt haben?

Zeuge Mü[ller]:

Wenn Sie das so formulieren. Also zur Vorbereitung meiner Vernehmung hier in der Verhandlung, dann muß ich das verneinen.

[10539] RA Schi[ly]:

Sind Ihnen bestimmte Ratschläge erteilt worden oder hat man irgendwie versucht, Sie zu stabilisieren in Ihrer Aussagemöglichkeit?

Zeuge Mü[ller]:

War das die Frage?

RA Schi[ly]:

Ja.

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Sind keinerlei Versuche der Stabilisierung gemacht worden?

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

Vors.:

Verzeihung, damit hier nicht ein ...

RA Schi[ly]:

Moment.

Vors.:

... Mißverständnis entsteht:

Bezieht sich die Stabilisierung, die Sie erfragen wollen, lediglich auf seine Aussagefähigkeit oder seinen gesundheitlichen Zustand allgemein?

Ich weiß nicht, ob da in der Richtung irgendwas geschehen ist; aber wir haben Gutachten in der Richtung bekommen, nicht?

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, müssen Sie eigentlich immer an irgendwelchen für Sie so vielleicht schwierigen Stellen da intervenieren? Ist das eigentlich notwendig?

Vors.:

Könnten Sie mal drauf verzichten, das immer als eine unerlaubte oder irgendwie suspekte Intervention zu bezeichnen? Ich habe Ihnen schon mal angedeutet, daß ich die Pflicht habe, dort, wo ich das Gefühl habe, daß Irrtümer eintreten könnten, darauf hinzuwirken, daß keine falsche Aussage zustande kommt.

RA Schi[ly]:

Sicherlich. Das ist sehr richtig und ... -

Vors.:

Das alles nun immer mit dem Mantel des Suspekten zu umhüllen, das ist eine Eigenart offenbar, die Sie anwenden wollen. Die nehm ich nicht mehr hin.

RA Schi[ly] (dazwischenredend):

Nein, ich meine, Sie können doch erst mal ...

Herr Vorsitzender, aber es ist doch nun wirklich deutlich, daß Sie sehr häufig meine Befragung unterbrechen, sie dann selber übernehmen und schon bestimmte Vorhalte da einbeziehen. Sie können sicher sein, daß ich auf die Frage, die Sie jetzt andeuten, auch komme.

[10540] Vors.:

Dann kommen Sie bitte.

RA Schi[ly]:

Ja.

Wir können’s ja sehr allgemein fassen, Herr Müller:

Sind Sie in irgendeiner Weise, sei es gesundheitlich oder sonstwie stabilisiert worden für Ihre jetzige Vernehmung?

Zeuge Mü[ller]:

Was verstehen Sie unter „stabilisiert worden“?

RA Schi[ly]:

Na z. B. psychologisch stabilisiert.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das ist mir kein Begriff.

OStA Zeis erscheint um 13.48 Uhr wieder im Sitzungssaal.

RA Schi[ly]:

Daß Sie also in Ihrem psychischen Zustand vielleicht einer Belastung durch die Befragung nicht gewachsen waren und da einen bestimmten Beistand erhalten mußten?

Zeuge Mü[ller]:

Wenn Sie das wieder so eingrenzen - in dem Sinne war das nicht der Fall.

RA Schi[ly]:

Ja ich möchte Ihnen nochmals vorhalten hier ein Attest: Kennen Sie Dr. Hanisch und den Dipl. Psychologen Bayer?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Da steht etwas drin:

„Der Herr Müller bedarf einer Stabilisierungsphase von etwa 14 Tagen, um sein seelisches Gleichgewicht wiederzuerlangen.“

Haben Sie das Attest mal gesehen?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, ich weiß, daß von den Herrn ein Gutachten erstellt worden ist; den Inhalt des Gutachtens kenne ich aber nicht.

RA Schi[ly]:

Können Sie denn mal sagen, inwiefern die Herren Hanisch und Bayer dazu kamen, daß eine vierzehntägige Stabilisierungsphase und welche Maßnahmen [vvv] da getroffen worden sind?

Hat man Ihnen Medikamente verordnet?

Zeuge Mü[ller]:

Ich bekomme Medikamente.

RA Schi[ly]:

Darf ich fragen, welche?

Zeuge Mü[ller]:

Kalzium - Moment mal: Blandival.

RA Schi[ly]:

Können Sie mir sagen, was das ist? Ist das ein Psychopharmaka? -pharmakon?

Zeuge Mü[ller]:

Was ist das?

[10541] RA Schi[ly]:

Naja, ein Mittel, das sich auf Ihren psychischen Zustand auswirken würde.

Zeuge Mü[ller]:

Für mich ist es eher zum ... also ein Schlafvorbereitungsmittel.

RA Schi[ly]:

... ein Schlafmittel, ja? Oder einfach ein Vorbereitungsmittel.

Zeuge Mü[ller]:

Nein, das ist kein explizites Schlafmittel.

RA Schi[ly]:

Ja hat man Ihnen irgendwelche Psychopharmaka verabreicht oder ...?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das ist schwierig von mir zu beantworten, weil ich ja ... -

RA Schi[ly]:

Ja vielleicht ist es zweckmäßigerweise, wir halten uns jetzt nicht bei solchen Begriffen auf, die Ihnen vielleicht nicht geläufig sind, sondern lieber, Sie sagen mir die Medikamente; dann geht’s vielleicht einfacher.

Zeuge Mü[ller]:

Ja dann bekomm ich noch - das ist ein unaussprechlicher Name; das ist gelbgrün; das sind solche Kapseln wie so Multibionta Kopolirum oder was weiß ich.

RA Schi[ly]:

Und noch?

Zeuge Mü[ller]:

Das ist alles.

RA Schi[ly]:

Das ist alles, ja?

Zeuge Mü[ller]:

Das sind Medikamente in bezug auf eine Allergie, die ich ab und zu mal habe.

RA Schi[ly]:

Ja, nun gut, das mag ja was anderes sein.

Waren Sie eigentlich während Ihrer Haftzeit längere Zeit isoliert?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Wie hat sich die Isolation auf Sie ausgewirkt, Herr Müller?

Zeuge Mü[ller]:

Das können Sie ja sehen.

RA Schi[ly]:

Das kann ich heute sehen?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Würden Sie sagen, daß Sie in der Haft immer mit rechtsstaatlichen Mitteln behandelt worden sind, oder haben Sie immer Kritik geäußert, daß die Methoden, die man Ihnen gegenüber angewandt hätte, nicht mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar seien?

Zeuge Mü[ller]:

Ja ich möchte unterscheiden zwischen der Haft als RAF-Gefangener und der Haft nach meiner Trennung von der RAF, und ich kann auch überhaupt nicht leugnen, daß die Maßnahmen [10542] staatlicherseits wahrend meiner RAF-Mitgliedschaft und meiner Gefangenschaft berechtigt waren.

RA Schi[ly]:

... berechtigt waren?

Zeuge Mü[ller]:

Ja. Ich hab mich ja auch entsprechend verhalten.

RA Schi[ly]:

Und Sie würden sagen, daß das auch mit rechtsstaatlichen Grundsätzen ... oder haben Sie denn mal, wollen wir mal so sagen - das ist nicht Ihre Einschätzung ... ich merk schon die Unruhe am Richtertisch ...

Ich meine nur, ob Sie mal früher etwas geäußert haben in der Richtung, daß das mit rechtsstaatlichen Prinzipien nicht vereinbar gewesen sei, wie man Sie auch während Ihrer RAF-Zugehörigkeit in der Haft behandelt hat?

Zeuge Mü[ller]:

Also explizit, daß ich nicht nach rechtsstaatlichen Grundsätzen behandelt worden wäre?

RA Schi[ly]:

Ja, daß da mit rechtsstaatswidrigen Methoden man gegen Sie vorgegangen sei?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, ich meine, es gibt ein paar solche Sachen; ich hab mich da aus ner emotionalen Situation heraus beschwert und ...

RA Schi[ly]:

Nein. Haben Sie das später mal geäußert, als Sie sozusagen Ihre RAF-Mitgliedschaft aufgegeben hatten?

Zeuge Mü[ller]:

Ja. Ich hab mich also ... Ja, es gab einige Methoden, die nicht grade - wie soll man sagen? - angemessen waren.

RA Schi[ly]:

Und welche waren das?

Zeuge Mü[ller]:

Naja, das - hm -

Meinen Sie was Besonderes?

RA Schi[ly]:

Nee, ich frag jetzt allgemein, ob Sie vielleicht ein paar Beispiele nennen können, was Sie damals gemeint haben.

Zeuge Mü[ller]:

Also soweit ich mich erinnere:

Das war mal die Art und Weise einer Gegenüberstellung, die durchgeführt worden war.

RA Schi[ly]:

Ja und was war daran zu kritisieren?

Zeuge Mü[ller]:

Ja also in rechtsstaatlicher Hinsicht, daß ich keine Gelegenheit hatte, z. B. vorher oder während der Gegenüberstellung nen Anwalt dabeizuhaben.

RA Schi[ly]:

Ja. Noch mehr?

Zeuge Mü[ller]:

Wie bitte?

RA Schi[ly]:

War noch mehr zu kritisieren daran?

[10543] Vors.:

Also soweit ich gesehen habe, richtete sich Ihre Frage nach den Haftbedingungen.

Das hier ist eine Sache, die mit der Haft selbst nichts zu tun hat.

Wenn Sie auf die Aufklärung solcher Umstände wert legen, dann bitte ich Sie um die Mitteilung, wo Sie den Sachzusammenhang zu den hier zu untersuchenden Anklagevorwürfen oder der Glaubwürdigkeit des Zeugen sehen.

RA Schi[ly]:

Ich glaube, daß es von Bedeutung ist, Herr Vorsitzender, wie der Zeuge bestimmte Einschätzungen vorgenommen hat und wie das sich auch wandelt; denn zunächst einmal: Früher hatte er also da sich viel entschiedener geäußert und heute äußert er sich wiederum sehr viel, sagen wir mal auch wieder in veränderter Form, und ich glaube, allein, daß diese Tatsache, diese Abweichung der verschiedenen Äußerungen für die Frage der Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Bedeutung ist ...

Vors.:

... im Rahmen der Haftbedingungen - so haben Sie ja wohl gefragt.

RA Schi[ly]:

Ja nicht nur im Rahmen der Haftbedingungen, auch bei der Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen. Dazu gehören die Gegenüberstellungen; das hat ja der Herr Müller erwähnt. Da interessiert mich, ob da noch mehr an diesem Vorgang in seiner damaligen und in seiner heutigen Sicht ...

Zeuge Mü[ller]:

Ich hab zu damals heute eine differenziertere Einstellung dazu. Damals habe ich mich oft emotional geäußert, und es ist tatsächlich richtig - Sie brauchen da überhaupt nicht meinen, ich wollte da ein Geheimnis draus machen -, daß sich meine Einstellung in dieser Hinsicht verändert hat.

RA Schi[ly]:

Auch gegenüber der Phase, als Sie in Ihrer Hauptverhandlung da sich geäußert haben?

Zeuge Mü[ller]:

Ich würde jetzt z. B. nicht mehr zu allen Punkten in meiner Erklärung stehen.

RA Schi[ly]:

Aja, mhm.

Sagen Sie:

Waren Sie mal in psychiatrischer oder nervenärztlicher Behandlung?

[10544] Zeuge Mü[ller]:

Muß ich so was beantworten?

Vors.:

Es sollen an sich Fragen vermieden werden, die einen Zeugen bloßstellen könnten; aber die Dinge, die hier zur Debatte stehen, rechtfertigen eine solche Frage. Ich würde auch nicht, wenn so etwas geschehen wäre, glauben, daß das Sie bloßstellen könnte.

Ich bitte Sie also, diese Frage doch zu beantworten.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, ich war im Anschluß nach einem Selbstmordversuch in Heidelberg ungefähr fünf bis sechs Wochen in der geschlossenen Abteilung der Nervenklinik in Heidelberg.

RA Schi[ly]:

Welche Diagnose wurde da gestellt?

Zeuge Mü[ller]:

Ja - ich weiß es nicht, also mir gegenüber nicht.

RA Schi[ly]:

Und danach oder davor? Waren Sie da schon mal in psychiatrischer oder nervenärztlicher Behandlung?

Zeuge Mü[ller]:

Davor nicht und danach, ja.

RA Schi[ly]:

Und können Sie das nochmals schildern?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, 1970 war ich dann im SPK.[27] Ich hab da ne Einzeltherapie gehabt bei Frau Dr. Huber: zuerst eine Eingangsuntersuchung bei Herrn Dr. Huber, dann eine Einzeltherapie bei Frau Dr. Huber und dann gleichzeitig auch noch Gruppentherapien; daraus wurden dann später Agitationen.

RA Schi[ly]:

Und was war da die Diagnose?

Zeuge Mü[ller]:

Ja wie?

RA Schi[ly]:

Ja für diese Therapie? Was war die Diagnose?

Zeuge Mü[ller]:

Ja das System muß kaputtgemacht werden.

RA Schi[ly]:

Ja die Einzeldiagnose zunächst einmal ...

Zeuge Mü[ller]:

... für mich?

RA Schi[ly]:

Ja.

Zeuge Mü[ller]:

Ja die kenn ich nicht.

RA Schi[ly]:

Die kennen Sie nicht.

Zeuge Mü[ller]:

Nee -

RA Schi[ly]:

Also Sie kennen weder die in der geschlossenen Abteilung noch die später bei dem Beginn der Behandlung durch Frau Dr. Huber?

Zeuge Mü[ller]:

Soweit mir bekannt ist, sind von Frau Dr. Huber Aufzeichnungen gemacht worden, die ich aber selbst nicht gesehen hab, die sie für sich und was weiß ich für wen gemacht hat.

[10545] RA Schi[ly]:

Sagen Sie:

Herr Müller, haben Sie sich mal für Geld verkauft?

Vors.:

Hier weise ich auf den § 68a StPO hin.

Herr RA Schily, ich bitte Sie, diese Fragen möglichst nicht auszuführen.

RA Schi[ly]:

Ich bestehe auf der Frage, und der Zusammenhang ist in diesem Verfahren ja nun sehr deutlich, denn inwieweit der Zeuge also bereit ist, gegen bestimmte finanzielle Leistungen sich zu einem bestimmten Verhalten herzugeben; und ich glaube, daß also auch diese Tatsache, die Sie aus den Akten ja ..., daß es da einen bestimmten Anhaltspunkt gibt, daß diese Tatsache hier eingeführt werden muß, so leid es mir tut. Also ich glaube nicht, daß wir da drum herumkommen.

Vors.:

Ich meine, zunächst ist die Frage zu stellen:

Herr Müller, wenn Sie von sich aus zur Beantwortung bereit sind, bedarf es hier keiner weiteren Überlegungen.

Das Gesetz sagt folgendes - § 68a StPO -,

daß Fragen, die einem Zeugen zur Unehre gereichen könnten, nur dann zu stellen seien, wenn sie unerläßlich sind.

Herr RA Schily hat drauf hingewiesen, daß es drum geht, zu klären, ob Sie gegen Geldzuwendungen zu bestimmtem Verhalten bereit wären. Das ist ein Zusammenhang, der nicht völlig aus der Luft gegriffen ist, und ich weiß nicht, ob es Ihnen nicht sogar recht sein kann, diesen Punkt, der ja ohnedies schon mal in der Öffentlichkeit verlautbart wurde, hier zu erörtern.

Also Frage:

Wären Sie bereit, von sich aus so eine Frage zu beantworten? Sonst müssen wir entscheiden.

Zeuge Mü[ller]:

In keiner Weise.

Vors.:

... nicht bereit, da Auskunft drüber zu geben.

Will sich die Bundesanwaltschaft dazu äußern?

Hält die Bundesanwaltschaft die Frage für unerläßlich oder für erläßlich?

OStA Zeis:

Die Bundesanwaltshaft hält die Frage für erläßlich. Herr Vorsitzender, es gehört schon eine übergroße Phantasie dazu, die offenbar Herr RA Schily besitzt, um hier eine Verbindung zu bringen. Es ist ganz klar, was hier angegriffen werden soll:

[10546] Die Frage zielt nach all dem, was heute vorangegangen ist, eindeutig darauf hin, den Zeugen bloßzustellen - auf nichts anderes. Und ich darf nur auf den entrüsteten Chor der Herrn dort drüben erinnern, als wir uns mal erlaubt haben, diesen dubiosen Zeugen, der uns hier produziert worden ist, nach seinen Vorstrafen in eindeutigem Zusammenhang mit seinem Auftreten hier standen, zu fragen.

RA Dr. He[ldmann]:

Aber die Frage ist zugelassen worden.

Vors.:

Nein, bis jetzt ist sie nicht zugelassen worden.

RA Schi[ly]:

Nein, aber die Fragen von Herrn Zeis, die er als Vergleich heranzieht, die sind zugelassen worden. Insofern ist es doch sehr schön. Ich bedanke mich für das Beispiel, Herr Zeis.

Vors.:

Der Senat will sich über die Frage, ob diese Frage gestellt werden kann und ob eine Antwort gegeben werden muß, kurz beraten.

Pause von 14.02 Uhr bis 14.26 Uhr.

Ende von Band 609.

[10547] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 14.26 Uhr

Prof. Dr. Azzola ist nicht mehr anwesend.

Vors.:

Wir können die Sitzung fortsetzen.

Der Senat hat beschlossen:

Die gestellte Frage wird als ungeeignet zurückgewiesen.

Gründe:

In der jetzt gestellten Form lässt die Frage nicht erkennen, ob sie zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit etwas beitragen kann. Das wäre etwa der Fall, wenn es mit der Frage darum ginge, zu prüfen, ob der Zeuge früher einmal gegen Geld bereit gewesen ist, die Unwahrheit zu sagen, insbesondere einen anderen zu Unrecht zu belasten. Das muß der Fragesteller deutlich machen.

Bitte weitere Fragen.

RA Schi[ly]:

Herr Müller, haben Sie mit Ihren Aussagen, und ich meine jetzt mit dieser Frage sowohl die informellen Angaben, die Sie früher gemacht haben, die Angaben, die Sie bei der polizeilichen Vernehmung gemacht haben und in der Hauptverhandlung.

Prof. Dr. Azzola erscheint wieder um 14.27 Uhr im Sitzungssaal.

RA Schi[ly]:

Also haben Sie mit diesen Aussagen oder Teilen dieser Aussagen versucht, jemanden zu schaden, sich oder andere zu decken oder sonst ein Verwirrspiel zu betreiben?

Zeuge Mü[ller]:

Diese Frage, die verstehe ich nicht.

RA Schi[ly]:

Dann wiederhole ich sie eben.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, können Sie bitte nicht eine andere Form wählen. In dieser Form verstehe ich es nicht.

RA Schi[ly]:

Nein, ich möchte sie so stellen und ich glaube, daß sie in sich verständlich ist.

Haben Sie mit Ihren Aussagen, und zwar meine ich eben sowohl nur die informellen Angaben, als auch die dann später ab 31. März bei der Kriminalpolizei und die hier in der Hauptverhandlung, haben Sie mit diesen Aussagen oder Teilen davon versucht, jemandem zu schaden, sich oder andere zu decken oder sonst ein Verwirrspiel zu betreiben?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, ich ...

Vors.:

Haben Sie die drei Punkte mitbekommen: a) jemanden zu schaden b) sich oder jemand anderen zu decken oder c) sonst ein Verwirrspiel zu treiben.

[10548] Zeuge Mü[ller]:

In dieser Form muß ich sagen, nein. Es war so, daß ich Aussagen gemacht habe zur Aufklärung, also des Gegenstandes RAF. Ich habe bei der informellen Aussage habe ich z.B., wie ich ja bereits ausgeführt habe, einzelne Namen weggelassen ...

RA Schi[ly]:

Ja, das haben Sie ...

Zeuge Mü[ller]:

... aus einem anderen Grunde, nicht um ihn zu decken. Ich habe weiter hier vor Gericht erklärt, was im Zusammenhang mit dem Namen „Harry“ und Hoff nicht richtig war. Ich habe das wieder richtiggestellt. Und sonst ist nichts.

RA Schi[ly]:

Wenn nun jemand eine Behauptung über Sie aufstellen würde, die sagte, Sie hätten diesen Versuch unternommen, jemanden zu schaden oder andere zu decken oder sonst ein Verwirrspiel zu betreiben, wie würden Sie den bezeichnen?

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender, wir beanstanden die Frage. Das ist keine Tatsachenfrage, sondern die ... ins Nebulöse raus. Wie kann ein Zeuge jemand beurteilen oder qualifizieren, der das Gegenteil dessen sagt, was er eben gesagt hat.

RA Schi[ly]:

Aber doch qualifizieren oder nicht.

Vors.:

Das ist eine hypothetische Frage. Hypothetische Fragen können durchaus gelegentlich mal gestellt werden. Ist sie, nachdem der Herr Zeuge bereits die Frage beantwortet hat, für die Aufklärung der Sache von Bedeutung, welche Eindrücke der Herr Zeuge über so einen hypothetisch sich äußernden Menschen hätte?

RA Schi[ly]:

Ja, das scheint mir notwendig zu sein, wie er den bezeichnen würde.

Vors.:

Nein, ich kann da nichts sehen ... kein Sachzusammenhang.

RA Schi[ly]:

Na, ich kann es ja konkretisieren. Würden Sie den als Lügner bezeichnen, der eine solche gegenteilige Behauptung aufstellen würde?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, so konkret kann ich das nicht sagen, das hinge davon ab, wo und in welcher Situation das auftaucht.

RA Schi[ly]:

Haben Sie mal bestimmte Behauptungen einfach aus der Luft gegriffen, um andere wahrheitswidrig zu belasten, wobei ich wiederum diese Bemerkung mache, ich beziehe alles ein, Ihre informellen Angaben, Ihre polizeiliche Vernehmung und die Hauptverhandlung, wobei ich wieder sage: bestimmte Behauptungen, das können aber [10549] auch Einzelbehauptungen sein.

Vors.:

Darf ich fragen, bezieht sich das auf den Inhalt der polizeilichen Vernehmung oder ist das ganze Leben miteinbegriffen, des Herrn Zeugen?

RA Schi[ly]:

Wie?

Vors.:

Ist das[www] ganze Leben des Herrn Zeugen mit[xxx] einbegriffen?

RA Schi[ly]:

Nein, nein, die informellen und nur dies Verfahren[yyy] interessiert[zzz] uns doch, Herr Vorsitzender, nicht.

Vors.:

Es war aber nicht klar, nicht?

RA Schi[ly]:

War das nicht klar? Gut, dann mach[aaaa] ich das klar.

In den informellen Angaben der polizeilichen Vernehmungen und den Angaben in der Hauptverhandlung, haben Sie da bestimmte Behauptungen einfach aus der Luft gegriffen, um andere wahrheitswidrig zu belasten?

Zeuge Mül[ler]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Wie würden Sie jemanden bezeichnen, der das über Sie behauptet?

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender, ich beanstande die Frage.

Vors.:

Es ist wieder dasselbe. Vielen Dank, Herr Bundesanwalt Zeis, ich glaube, das, was Sie vortragen wollen, entspricht dem vorher Gesagten. Ich darf nochmals darauf hinweisen, es kann kein Sachzusammenhang erkannt werden für die Aufklärung der hier zur Debatte stehenden Delikte, wenn die subjektive Meinung des Herrn Zeugen erfragt wird, gegenüber hypothetischen Äußerungen.

RA Schi[ly]:

Ich dachte, die Kenntnis der Akten ginge so weit, daß Sie erkennen können, daß es keine so sehr hypothetische Fragen sind.

Vors.:

Dann bitte ich die Begründung dafür zu geben.

RA Schi[ly]:

Ja. Ich frage aber zuerst nochmal und möchte dann eine Entscheidung des Senats darüber, ob, wenn jemand sagen würde, Sie hätten bestimmte Behauptungen einfach aus der Luft gegriffen, um andere wahrheitswidrig zu belasten, würden Sie den als Lügner bezeichnen?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, das haben wir ja schon mal gehabt das Thema.

RA Schi[ly]:

Ja, würden Sie den als Lügner bezeichnen?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, die Frage habe ich auch beantwortet.

Vors.:

Es ist jetzt in[bbbb] einem[cccc] neuen Zusammenhang ...

RA Schi[ly]:

Neuen Zusammenhang ...

Vors.:

... die Frage erneut gestellt worden. Sie können selbstverständlich sagen, da gilt meine vorhin gegebene Antwort.

[10550] Zeuge Mül[ler]:

Ja, genau.

RA Schi[ly]:

Können Sie nochmal wiederholen, was Sie da ...?

Vors.:

Ich möchte also Wiederholungen vermieden haben, aber zu Ihrer Aufklärung, wenn Sie es bereits nicht mehr im Gedächtnis haben, was die letzte Antwort gewesen ist. Der Herr Zeuge hat gesagt, in dieser Absolutheit könne er das nicht sagen, es komme darauf an, in welcher Situation, unter welchen Umständen so eine Behauptung aufgestellt werden würde.

RA Schi[ly]:

Ja, ich meine nun, Herr Müller, Sie sagen doch, das stimmt nicht. Sie sagen, Sie hätten keine Behauptung einfach aus der Luft gegriffen um andere wahrheitswidrig zu belasten. Dann verstehe ich nicht, wieso Sie das jetzt auf eine Situation beziehen. Kommt es auf die Person an, der solch eine Behauptung aufstellt oder gilt es für den Inhalt dieser Aussage?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, was wollen Sie eigentlich?

RA Schi[ly]:

Ich frage Sie, wenn Sie das schlicht sagen, das ist nicht der Fall gewesen, Sie haben keine Behauptung einfach aus der Luft gegriffen um andere wahrheitswidrig zu belasten; inwiefern Sie das relativieren wollen, bezogen auf eine bestimmte Situation?

Zeuge Mül[ler]:

Das verstehe ich nicht.

Vors.:

Der Herr Rechtsanwalt meint, wenn Sie sagen, ich habe keine falschen Behauptungen aufgestellt, keine Dinge irgendwie frei erfunden, dann müßten Sie jemanden, der das behauptet, selbstverständlich klar als Lügner bezeichnen können[dddd]. Und Sie hätten es aber nun relativiert, in dem Sie sagten, ja, das kann ich so absolut nicht sagen.

Zeuge Mül[ler]:

Ja, ich meine jetzt z. B. er sagt das Wort „Lügner“. Ich meine so, daß es von der Situation abhängt, wenn ich jetzt z. B. in einer Fabrik oder auf der Arbeit wäre, da ist eben eine ganz andere Tonart da, also wie[eeee] wenn ich jetzt unter solchen Umstanden oder unter anderen Umständen und ob ich jetzt ausgerechnet das Wort „Lügner“ gebrauchen würde, das ist auch wieder eine andere Sache.

RA Schi[ly]:

Gut, ich verstehe, was Sie jetzt meinen, Herr Müller. Sie meinen, die Wortwahl, die ist dabei dann unterschiedlich. Aber ich verstehe ich[ffff] Sie so richtig, im Kern bleibt es dabei, Sie würden sagen, der sagt dann nicht die Wahrheit?

Zeuge Mül[ler]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Ja, dann möchte ich Ihnen mal vorhalten aus der Aussage von Herrn Hoff - Blatt 205 -: „Wenn jemand behauptet, daß ich Waffen nach Südfrankreich verschoben haben soll, so will er mir sicher [10551] damit schaden, sich oder andere decken oder sonst ein Verwirrspiel treiben.“

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender, ...

Zeuge Mül[ler]:

Ja, und ...

OStA Z[eis]:

- Pardon - wir beanstanden den Vorhalt. Auf diese Frage hat gestern der Zeuge, wenn ich mich richtig erinnere, die Auskunft verweigert; in dem Zusammenhang wäre dann der Vorhalt nicht richtig.

Zeuge Mül[ler]:

Nein, nein.

Vors.:

Nein, er hat gestern die Auskunft nicht verweigert ...

Zeuge Mül[ler]:

Ich habe was gesagt.

Vors.:

... zu diesem Punkt Angaben gemacht.

RA Schi[ly]:

Er hat nämlich gesagt, daß eben solches Waffenverschieben stattgefunden habe.

Zeuge Mül[ler]:

Ja, Herr Schily, Sie[gggg] machen das ja infam.

RA Schi[ly]:

Das hätte Ihnen der ..., wer soll es Ihnen berichtet haben?

Herr Raspe, glaube ich, nicht oder Herr Hoff selber. Von Herrn Hoff oder von Herrn Raspe haben Sie das erfahren.

Zeuge Mül[ler]:

Ja, ich kann nur sagen, daß es infam ist, was der Herr Schily da treibt.

Vors.:

Das ist keine Antwort. Auch hier bitte ich Sie wieder, jetzt die Formen zu wahren, Ihre Ansicht hier im Gerichtssaal jedenfalls, nicht in dieser Form deutlich zu werden lassen. So wie Sie sich dann später äußern, ist dann Ihre Sache, aber hier im Gerichtssaal muß ich darauf achten, daß niemand unnötig gekränkt wird, auch ein Verteidiger nicht. Genauso wie auch von unserer Seite alles getan wird, Kränkungen Ihrer Person zu vermeiden.

Zeuge Mül[ler]:

Ja, ich habe dazu mich geäußert ...

RA Dr. He[ldmann]:

Ich möchte dazu mal was sagen.

Vors.:

Darf ich jetzt bitten, daß diese Frage beantwortet wird.

Zeuge Mül[ler]:

Ja, ich wollte das gerade anfangen.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, ich meine, die große Courtoisie, mit der Sie diese freundliche Bitten an den Herrn Müller richten, um Kränkungen von mir abzuwehren, wissen Sie, nachdem der Herr Müller das nun darauf anlegt offenbar, finde ich, sollten Sie darauf verzichten. Aber ihn veranlassen ...

Vors.:

Ich mache aber das, was ich meine. Ich habe Ihnen ...

RA Schi[ly]:

... aber ihn veranlassen ...

Vors.:

... heute früh schon gesagt, auf Ihre Ratschläge in dieser Beziehung verzichte ich.

RA Schi[ly]:

...aber ihn[hhhh] veranlassen, daß er doch die Frage beantwortet.

[10552] Vors.:

Da bin ich doch dabei. Ich habe es ihm eben gesagt, die Frage soll beantwortet werden.

Zeuge Mül[ler]:

Ich wollte gerade damit anfangen, als mir Herr Heldmann ins Wort gefallen ist.

RA Dr. He[ldmann]:

... mit Ihrer Erlaubnis, Herr Vorsitzender, ...

Vors.:

Nein, ich möchte jetzt bitten, daß die gestellte Frage ...

RA Dr. He[ldmann]:

... ich rüge ...

Vors.:

Nein, die gestellte Frage wird jetzt zuerst beantwortet.

RA Dr. He[ldmann]:

Dann bitte ich mir Raum zu reservieren für eine Rüge ...[iiii]

Vors.:

Hinterher gebe ich Ihnen Gelegenheit, vorzutragen, um was es geht, dann wollen wir sehen, ob das jetzt, während der Befragung des Zeugen wichtig ist. Bitte, Herr Müller, geben Sie die Antwort auf die gestellte Frage.

Zeuge Mül[ler]:

Ja, ich kann nur sagen, was ich schon gesagt hab, daß ich davon, also über diese Waffenverschiebung, entweder von ihm selbst oder von Raspe erfahren hab.

Vors.:

Jetzt, Herr Dr. Heldmann, um was geht es.

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Vorsitzender, ich meine, daß zu rügen ist, wie Sie wohl an die Adresse von den Angeklagten, und[jjjj] insbesondere, da diese nicht mehr vorhanden sind, hier an die Adresse der Verteidiger freigiebig sind, Ausdrücke zu rügen, wie wir[kkkk] gerade vor etwa 2 Stunden, 3 Stunden wieder von Ihnen vernommen haben. Wo aber der Zeuge, und zwar wiederholt und nach Ihren wiederholten Belehrungen und väterlichen Ermahnungen, abermals Verbalinjurien in Richtung Verteidigerbank schleudert, da fällt Ihnen immer noch nicht ein das zu rügen. „Infames Spiel“ ist eine Formalbeleidigung, unter Strafe gestellt durch [§ ]185 StGB. Das geschieht unter Ihren Augen, vor[llll] unter Ihren Ohren ungerügt.

Vors.:

Ich habe es gerügt. Die Form, in der ich rüge, die müssen Sie schon mir überlassen.

Bitte, Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Schi[ly] [mmmm]:

Herr Müller, dann will ich Ihnen noch weiter vorhalten, da wurde dem Herrn Hoff noch vorgehalten; „Nach Angaben der vertraulichen Quelle sollen Sie über den tatsächlichen Verwendungszweck der von Ihnen angefertigten Gegenstände, d. h. auch der Bombenkörper, informiert gewesen sein.“ Dann die Antwort von Herrn Hoff: „Ich kann hierzu, wie bei den früher aus derselben „Quelle“ mir vorgehaltenen Dingen sagen, daß dies aus der Luft gegriffen ist und nicht den Tatsachen entspricht und daß der Informant mich belasten will in einem Sinn, wie es nicht den [10553] Tatsachen entspricht.“ Wenn ich Ihnen das vorhalte, Herr Müller, haben Sie da Anlaß, Ihre Aussage zu ändern?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, ich sehe darin keine Frage.

RA Schi[ly]:

Das war ein Vorhalt mit der Frage, ob Sie nun Anlaß sehen, Ihre Aussage zu ändern.

Zeuge Mül[ler]:

Nein, meine Aussage war, daß ich bezüglich dieses Punktes die Aussage verweigere und ich habe keinen Grund, dies zu ändern.

RA Schi[ly]:

Ich habe keine Fragen mehr an den Herrn Müller.

Vors.:

Sonst weitere Fragen?

Herr Rechtsanwalt Dr.Heldmann.

RA Dr.He[ldmann]:

Herr Müller, tragen Sie heute Ihre natürliche Haarfarbe?

Zeuge Mül[ler]:

Dazu verweigere ich die Aussage.

Vors.:

Ist das für den Sachzusammenhang von Bedeutung?

RA Schi[ly]:

Das dürfte doch sehr interessant sein für ...

RA Dr. He[ldmann]:

Hat Ihnen jemand geraten Ihre Haarfarbe zu verändern zum Zwecke Ihres Auftritts hier?

Vors.:

Hat das was mit der Sache zu tun?

RA Dr. He[ldmann]:

Könnte durchaus, natürlich. Sonst würde ich doch nicht fragen.

RA Schi[ly]:

Das soll nicht zur Sache gehören?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, bitte Begründung.

RA Dr. He[ldmann]:

Gibt es bestimmt ... Gut, wenn wir anfangen, Fragen zu begründen, Herr Vorsitzender, bitteschön.

Vors.:

Nein, ich habe bis jetzt, Sie mögen mir meine Begriffsstutzigkeit nachsehen, nicht begriffen, was das mit der Sache zu tun hat, deswegen bitte ich Sie um Aufklärung.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich möchte wissen, ob von Seiten der Ermittlungs- oder der Strafverfolgungsbehörde ...

Vors.:

Das wissen wir, was Sie wissen wollen. Ich würde gerne von Ihnen wissen, was das mit der Sache zu tun hat? Ich habe verstanden, was Sie wissen wollen.

RA Dr. He[ldmann]:

Ob die Strafverfolgungsbehörde, die diesen Zeugen hier eingebracht hat, ein Interesse gezeigt hat, diesen Zeugen hier sozusagen verkleidet auftreten zu lassen.

Vors.:

Das wissen wir. Aber was das mit der Sache zu tun hat, würde ich gerne wissen. Das sollten Sie begründen ...

RA Dr. He[ldmann]:

Das werde ich Ihnen dann z.B. in einer Erklärung nach § 257[ StPO][28] sagen, z.B. im Plädoyer sagen, nicht.

Vors.:

Ich kann keinen Sachzusammenhang erkennen, Sie wollen nicht begründen, worin Sie ihn sehen. Ich muß leider diese Frage deswesen zurückweisen.

[10554] RA Dr. He[ldmann]:

Ich bitte um Senatsbeschluß.

RA Schi[ly]:

Ich mache mir die Frage zueigen, Herr Vorsitzender, ...

Vors.:

Nein, Sie haben jetzt nicht das Wort, das Fragerecht hat Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Schi[ly]:

Aber ich bitte doch, damit wir ... Herr Vorsitzender, dürfen wir nicht ... das dürfte doch die Sache erleichtern ...

Vors.:

Ach, zur Beanstandung wollen Sie beitragen? Ja, das ist gut.

RA Schi[ly]:

Nein, ich möchte mir die Frage zueigen machen und dann gleichzeitig auch hier eine Entscheidung herbeiführen in der gleichen Sache, denn sonst müssen wir doch zwei Beschlüsse machen.

Vors.:

Sicher, wenn Sie die Beanstandung mitbegründen wollen, jetzt beim Senatsbeschluß, das dürfen Sie.

RA Schi[ly]:

Ich glaube, es liegt doch auf der Hand, Herr Vorsitzender, daß die Frage, ob die Ermittlungsbehörden es für erforderlich gehalten haben, bereits in einem solch kleinen Detail, nämlich die Haartracht, den Zeugen zu präparieren für den Auftritt in der hiesigen Hauptverhandlung, daß das für die Frage der Beurteilung der Aussage von Herrn Müller von Bedeutung sein kann.

Vors.:

Will sich die Bundesanwaltschaft dazu äußern?

OStA Z[eis]:

Zu der Ausdrucksweise des Herrn Rechtsanwalts Schily zunächst:

Wir verwahren uns auf das Entschiedenste gegen die Unterstellung, die Ermittlungsbehörden hätten hier diesen Zeugen für den Auftritt in der Hauptverhandlung präpariert, auf das Entschiedenste.

Prof. Dr. Az[zola]:

Sie für sich oder für alle?

OStA Z[eis]:

Herr Professor Azzola, ich will Ihnen eines sagen:

Wenn ich hier spreche, dann dürfen Sie unterstellen, solange Sie nichts Gegenteiliges vernehmen, daß ich hier für die Bundesanwaltschaft spreche. Wenn Ihnen das Gefüge nicht ganz geläufig sein sollte, bin ich gern bereit, vielleicht privat Ihnen das mal zu erklären ...

Vors.:

Im übrigen darf ich jetzt nochmals bitten, Herr Professor, Sie waren heute früh aufgrund eines Einwurfs bereit, anzuerkennen, daß das nicht die richtige Form ist. Ich würde Sie bitten, daß Sie sich an das auch heute Nachmittag erinnern.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ich wollte mich nur vergewissern.

Vors.:

Es ergab an sich aus der Formulierung „wir“, daß an sich Herr Bundesanwalt Zeis nicht für sich persönlich gesprochen hat.

Der Senat wird jetzt entscheiden.

(Nach geheimer Beratung): Beschluß:

Die Frage ist nicht zulässig.

Es ist nicht ersichtlich, wieso die Haarfarbe, die der Zeuge heute trägt, wenn sie nicht seine natürliche sein sollte, der Aufklärung der Sache oder der Aufklärung der Glaubwürdigkeit des Zeugen irgendwie[nnnn] [10555] dienlich sein könnte.

RA Dr. He[ldmann]:

Oder tragen Sie heute vielleicht eine Perrücke, Herr Zeuge?

Vors.:

Es ist auch in diesem Zusammenhang dieselbe Frage zu stellen: Wo sehen Sie hier den Sachzusammenhang?

RA Dr. He[ldmann]:

Das habe ich bereits für die Frage nach etwaigen Haarfärbungen ...

Vors.:

Nein, Sie haben sich beharrlich geweigert, die Gründe anzugeben, warum Sie glaubten, daß ein Sachzusammenhang da ist. Sie haben immer nur wiederholt, warum Sie glauben, die Frage stellen zu sollen.

RA Dr. He[ldmann]:

Habe ich Ihnen schon gesagt; genauso wie Herr Schily es Ihnen auch nocheinmal gesagt hat.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily hat eine Begründung abgegeben, Sie nicht.

RA Dr. He[ldmann]:

Doch, die habe ich auch gesagt.

Vors.:

Jetzt bitte ich Sie um die Begründung.

RA Dr. He[ldmann]:

Doch, die habe ich auch gesagt, nämlich eine Begründung habe ich gegeben in der Weise, daß ich sagte, daß es zu weiteren Schlüssen Anlaß geben kann, wenn wir feststellen, daß zum Auftritt als Zeuge der Zeuge sozusagen verkleidet hier erscheint. Auf Weisung oder auf eigenen Wunsch, das möchte ich jetzt herausbekommen.

Zeuge Mül[ler]:

Ich kann mich dazu äußern ... glaube ich ...

Vors.:

Wenn Sie wollen ... Ich muß Fragen, die nicht sachdienlich sind, zurückweisen, auch wenn Sie bereit wären, sie zu beantworten. Ich halte die Frage für nicht sachdienlich, ich weise sie zurück.

Bitte, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Sie haben heute gesagt, Ihre Aussagen, die nun zu Ihrer heutigen Vernehmung geführt haben, hätten begonnen nach der Lorenz-Entführung Anfang 75?

Zeuge Mül[ler]:

Als die Lorenz-Entführung bekannt wurde, am selben Tage noch habe ich versucht, Beamte bei K 4 zu erreichen. Ich habe jetzt nicht mehr in Erinnerung, ob das am selben Tag noch geglückt ist oder ob das am nächsten Tag der Fall war. Aber in diesem Zusammenhang ist es zu sehen.

RA Dr. He[ldmann]:

Haben Sie nicht in Ihrer Aussage am Dienstag dieser Woche gesagt, der Zeitpunkt sei gewesen nach den Anschlägen auf Klug,[29] in dieser Reihenfolge, Hamburger Hauptbahnhof[30] und Drenkmann.[31]

Zeuge Mül[ler]:

Das ist eine falsche Unterstellung.

RA Dr. He[ldmann]:

Das Wortprotokoll wird es beweisen.

Zeuge Mül[ler]:

Ich habe gesagt, ich habe mich in diesem Zusammenhang von der RAF getrennt. Ich habe nicht gesagt, daß ich in diesem Zusammenhang mit diesen Anschlägen, die Sie jetzt gerade erwähnt haben, [10556] mit Aussagen begonnen hätte.

RA Dr. He[ldmann]:

Wir brauchen darüber nicht zu diskutieren, das Wortprotokoll wird es ausweisen.

Haben Sie nicht 1972 in einer Selbstkritik davon berichtet, daß Sie nach Ihrer Festnahme bereits Aussagen gemacht haben?

Zeuge Mül[ler]:

Nein.

RA Dr. He[ldmann]:

Haben Sie den Beamten der Godesberger Sicherungsgruppe im Juni, Ende Juni ..., Mai, Juni 72 Anlaß gegeben, in Ihnen einen zweiten Ruhland[32] zu wähnen?

Vors.:

Wie soll der Herr Zeuge beurteilen, welchen Eindruck er hervorgerufen hat in den anderen Personen.

RA Dr. He[ldmann]:

Selbstverständlich habe ich nicht, Herr Vorsitzender, von Eindruck gesprochen, sondern von Anlaß; und Anlaß ist ein Naturereignis, das bestimmte Folgen auslöst. Das kann ...

Vors.:

Also, wenn die Frage so gestellt ist, ...

RA Dr. He[ldmann]:

... ist das so sinnlich wahrnehmbar, und danach zu fragen, ist eine zulässige Zeugenfrage.

Vors.:

In dieser Form, ist es[oooo] keine zulässige Frage. Wenn aber gemeint sein sollte, ob der Herr Zeuge Anhaltspunkte dafür gehabt habe oder bekommen habe, daß die ihn vernehmenden Beamten den Eindruck oder Anhaltspunkte habe, den Eindruck hatten, er sei Ruhland oder ob sie sich in der Richtung geäußert haben, dann wäre es zulässig.

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender, im übrigen ... Im übrigen, Herr Rechtsanwalt Heldmann, ich nahm eigentlich an, Sie wüßten es aus der Anklage: Mai - Juni 72 befand sich der Zeuge noch auf freiem Fuß.

Wie sollte eigentlich die Sicherungsgruppe Mai - Juni 72 so eine Vermutung aufgestellt haben? Ich habe eigentlich angenommen, daß Sie wenigstens wüßten, wann der Herr Müller festgenommen worden ist, da Sie es offentlich nicht wissen, sage ich es Ihnen: am 15.6.72.

Unruhe im Sitzungssaal.

Vors.:

Ich bitte im Saal um Ruhe.

RA Dr. He[ldmann]:

Ja, gut, Herr Zeis, vielen Dank für Ihren Hinweis.

Dann streichen wir eben den Mai und sprechen vom Juni.

Herr Vorsitzender, war[pppp] so liebenswürdig, meine Fragen zu übersetzen, vielleicht kann der Herr Zeuge nun darauf antworten.

Vors.:

Ob Sie Anhaltspunkte dafür bekommen haben, daß die Beamten Sie als einen Ruhland ansehen, etwa durch entsprechende Äußerungen dieser Beamten?

[10557] Zeuge Mül[ler]:

Ja, das kann ich ja nicht wissen.

Vors.:

Also Sie haben keine Anhaltspunkte auf die Beamten?

Zeuge Mül[ler]:

Ich meine, die haben sich bemüht, von mir Aussagen zu bekommen, aber ich weiß nicht, ob sie sich an anderer Stelle in gleicher Art und Weise bemüht haben, warum [qqqq] ...

RA Dr. He[ldmann]:

Wenn Sie seit Anfang 75 Aussagen gemacht haben, gegenüber den Ermittlungsbehörden, wie erklären Sie sich dann, daß ein Jahr später der Generalbundesanwalt sagt: „Müller geht es wohl auch darum, wieviel sich für die publizistische Verwertung seiner Aussagen herausschlagen lässt. Da kann die Justiz nicht mithalten“; also zum Ausdruck bringt, in einem Spiegelinterview Nr. 8/1976, daß Sie die Aussagen noch nicht gemacht hätten?

Zeuge Mül[ler]:

Wie bitte?

RA Dr. He[ldmann]:

Also zum Ausdruck bringt[rrrr] im Februar 1976, daß Sie noch keine Aussagen gemacht hätten.

Zeuge Mül[ler]:

Ja, was soll ich dazu sagen.

Vors.:

Sie fragen wieder nach inneren Tatsachen, die in einer anderen Person sich abgespielt haben, vielleicht stellen Sie die Frage um, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich habe gefragt, wie erklären Sie sich? Wenn der Zeuge sich nicht erklären kann, dann können wir ihn nicht weiter dazu anhalten, es zu versuchen.

Vors.:

Nun, das sind natürlich auch keine Zeugenfragen. Ich muß Sie darauf hinweisen, es wäre sinngemäß doch zu fragen, ob der Zeuge irgendwelche Tatsachen und dergleichen erfahren hat, die solche Rückschlüsse zuließen oder ihm eine Erklärung erlaubten, das vielleicht vorzuklären.

RA Dr. He[ldmann]:

Danke. Der Zeuge hat gesagt, er kann es sich nicht erklären. Haben Sie es nicht gesagt?

Zeuge Mül[ler]:

Ich kann mir das nicht erklären.

RA Dr. He[ldmann]:

Ja, eben. Danke.

Sie haben gestern davon gesprochen, daß weitere Vernehmungen von Ihnen durch das Bundeskriminalamt bevorstehen; wörtlich so: „Meine Vernehmungen beim BKA sind noch nicht abgeschlossen.“ Frage, welche Themenkreise sind denn im Zusammenhang mit dieser Vernehmung noch zur Erörterung gestellt?

Zeuge Mül[ler]:

Da verweigere ich die Aussage.

RA Dr. He[ldmann]:

Sie haben gestern Herrn Schily’s Frage verneint, nämlich, ob Ihnen zur Verbesserung Ihrer finanziellen Lage Angebote gemacht [10558] worden sind. Hat nicht ein Beamter der Sicherungsgruppe Bonn Ihnen bedeutet, Sie würden auch finanziell gut wegkommen, wenn Sie aussagten?

Zeuge Mül[ler]:

Ich habe im Mahler-Verfahren, ging es, glaube ich, auch darum und der Fakt ist einfach der, daß ich eine Andeutung subjektiv, also meinerseits, übertrieben habe, und möglicherweise auch falsch interpretiert habe.

RA Dr. He[ldmann]:

Hat man Ihnen anlässlich Ihrer Vernehmung oder Vernehmungsversuchen durch Beamte der Sicherungsgruppe Bonn verschiedentlich bedeutet, daß man auch anders könne, wenn Sie nicht aussagten?

Zeuge Mül[ler]:

Sie meinen nach meiner Verhaftung 1972?

RA Dr. He[ldmann]:

Ganz recht.

Zeuge Mül[ler]:

Ja, es hat da sicher solche Sachen gegeben, die ich als solche verstanden habe. Ob das jetzt meine damalige Situation war, meine damalige Lage[ssss] oder ob das jetzt ...

RA Dr. He[ldmann]:

Nun, können Sie sich erinnern, was da nun ausgedrückt ist und an Ihrer Mißinterpretation zum Opfer gefallen? Was gesagt worden ist, was Ihnen bedeutet worden ist für den Fall, daß Sie weiterhin die Aussage verweigerten?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, ich meine halt, daß ich damit zu rechnen hätte, eben wie jeder andere ein Verfahren zu kriegen und dann verurteilt zu werden.

RA Dr. He[ldmann]:

„Damit zu rechnen hätte, wie jeder andere ein Verfahren zu kriegen“. Und das hat Sie so erschreckt, daß Sie wie jeder andere behandelt werden sollten?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, das sollten Sie auch wieder nicht so sehr auf die Goldwaage legen.

Vors.:

Hat der Herr Zeuge das gesagt bis jetzt, Herr Rechtsanwalt, Sie waren da auch immer sehr aufmerksam, daß er erschreckt sei ..., erschrocken sei?

RA Dr. He[ldmann]:

Ich wiederhole: „Verschiedentlich bedeutet, daß man auch anders könne, wenn er nicht aussagte“.

Vors.:

Ja, aber die Kommentierung, er sei erschrocken, die stammt von Ihnen, die hat der Herr Zeuge bislang, glaube ich, nicht angegeben. Ich bitte Sie also bei Ihren Fragen doch sich an das zu halten, was bisher gesagt worden ist.

RA Dr. He[ldmann]:

Sind Sie über solche verschiedentlichen Andeutungen oder Hinweise vielleicht erschrocken?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, das, was Sie hier zitieren, ist überhaupt nicht ganz richtig, weil Sie einfach meine Situation damals unterschlagen.

[10559] RA Dr. He[ldmann]:

Ich unterschlage gar nichts.

Zeuge Mül[ler]:

Ja natürlich.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich zitiere das, wenn Sie schon meinen, ich zitiere die Informationen, die Sie Ihrer Verteidigerin geliefert haben, damit die einen Beweisantrag macht. Wollen Sie heute sagen oder andeuten, Sie hätten Ihre Verteidigerin zum Zweck eines solchen Beweisantrags falsch informiert?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, die Frage beantworte ich nicht, die geht zu weit.

RA Dr. He[ldmann]:

Die geht zu weit, Herr Zeuge?

Zeuge Mül[ler]:

Ja.

RA Dr. He[ldmann]:

Wenn ich von Ihnen wissen will, ob Sie die Wahrheit sagen oder ob Sie lügen, dann sagen Sie, das geht zu weit?

Vors.:

Es handelt sich hier wohl um das gleichgelagerte Problem, wie es gestern war - Gespräch zwischen Mandant und Rechtsanwalt -. Ob der Zeuge dazu Angaben machen muß, ist, wie wir gestern festgestellt haben, ...

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Vorsitzender, ...

Vors.:

... ein erhebliches Problem, das Rechtsanwälte grundsätzlich interessieren dürfte.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich habe Ihren vorzüglich begründeten gestrigen Beschluß[33] durchaus nicht vergessen, nur hier handelt es sich um etwas anderes. Hier handelt es sich um[tttt] einen in die Außenwelt getretenen Beweisantrag, gerichtet an das Schwurgericht in Hamburg, datiert vom 13.9.75.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich sehe es nicht so. Ihre Frage ist zwar angeknüpft an diesen Beweisantrag, aber sie richtet sich doch dahin, welcher Art die Gespräche waren, ob Herr Müller seiner Verteidigerin gegenüber in allen Punkten oder jedenfalls in diesem Punkt die Wahrheit gesagt hat oder nicht. Das sind also Fragen nach Gesprächsinhalt und dazu haben wir uns gestern in einem Beschluß geäußert.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich frage weiter. Haben Beamte der Justizvollzugsanstalt Köln-Ossendorf und der ehemaligen Sicherungsgruppe Bonn Sie mit Schlagstöcken und unter Einsetzung von Rollkommandos zu Gegenüberstellungen geprügelt?

Zeuge Mül[ler]:

Der Vorgang ist korrekt. Es handelt sich dabei aber nur um eine Gegenüberstellung und zwar, weil, ich hatte mich auch vorher entsprechend verhalten.

RA Dr. He[ldmann]:

Verzeihung, was heißt „der Vorgang ist korrekt“?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, den Sie da schildern.

RA Dr. He[ldmann]:

Also korrekt ist, so sagen Sie, daß korrekt war, daß Sie [10560] mit Schlagstöcken und unter Einsetzung von Rollkommandos zu Gegenüberstellungen geprügelt worden sind?

Zeuge Mül[ler]:

Nein, zu einer Gegenüberstellung.

Vors.:

Darf ich Sie bitten, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, wenn diese Fragen vertieft werden sollen, den Begriff des „Rollkommandos“ vielleicht dem Herrn Zeugen etwas näherzubringen[uuuu], um was es dabei gehen soll.

RA Dr. He[ldmann]:

Den hat der Zeuge verwendet, ich zitiere den Zeugen.

Zeuge Mül[ler]:

Das ist richtig.

Vors.:

Also dann ist jedenfalls für den Herrn Zeugen die Fragestellung begreiflich?

RA Dr. He[ldmann]:

Oh ja. Wollen Sie dazu noch etwas äußern?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, in der korrigierten Form. Ein, also um das hier zu sagen Rollkommando war eine damalige Bezeichnung für oder in den zitierten Beweisauftrag, ich würde es jetzt nicht mehr so nennen; um eins eben, zu einer Gegenüberstellung.

RA Dr. He[ldmann]:

Als Herr Bundesanwalt Dr. Wunder Sie in der Vollzugsanstalt Köln aufgesucht hat, worüber hat er mit Ihnen gesprochen?

Vors.:

Das scheint beantwortet zu sein, der Herr Zeuge hat ganz klar angegeben, um was es ging auf die Frage von Herrn Bundesanwalt Dr. Wunder.

RA Dr. He[ldmann]:

Über den Inhalt des Gesprächs ...

Zeuge Mül[ler]:

Ja, ich habe gesagt, daß es sich um ein Kontaktversuch gehandelt hatte.

RA Dr. He[ldmann]:

Ja, sicher ein Kontaktversuch, sicher. Jeder Besuch ist im Zweifel ein Kontaktversuch. Aber was ist gesprochen worden, danach frage ich.

Zeuge Mül[ler]:

Ja, da kann ich mich an Einzelheiten nicht mehr erinnern.

RA Dr. He[ldmann]:

Können Sie sich nicht erinnern? Sie können sich nicht erinnern?

Zeuge Mül[ler]:

Nein.

Vors.:

Nein. Der Zeuge sagte, nein, Herr Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Sie haben gestern Herrn Schily’s Frage verneint, ob Ihnen Angebote zur Verbesserung Ihrer finanziellen Lage gemacht worden sind. Wer hat Ihre Tätigkeit für Presseorgane vermittelt?

Vors.:

Auch das ist vom Zeugen, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, erläutert worden; daß es sich um seine Bemühungen gehandelt hat und daß die Besuche durch den üblich zuständigen Haftrichter genehmigt worden seien.

RA Dr. He[ldmann]:

Sie haben gestern auf Frage von Herrn Rechtsanwalt Schily, [10561] ob und von wem Sie wähnend der Haftzeit Geldzuwendungen erhalten hätten, gesagt, von der „Roten Hilfe“, von Ihren Eltern und von Ihrer Rechtsanwältin.

Zeuge Mül[ler]:

Wobei es sich bei diesem Geld eben um diese Honorare handelte.

Vors.:

Gut, die Frage ist beantwortet. Ich nehme an, das war nur ein Vorhalt und jetzt kommt die Frage.

RA Dr. He[ldmann]:

Ja, es war ein Vorhalt. Ah so, bei diesem Geld handelte es sich um die Honorare. Denn ich wollte Sie fragen, ob Sie bereits am 7.3.75 einem Ihrer Korrespondenzpartner mitgeteilt haben:

„Ich habe angefangen, RAF-Internas an den „Stern“ zu verkaufen, was es mir ermöglicht, finanziell auf eigenen Füßen zu stehen.“

Zeuge Mül[ler]:

Können Sie mir bitte sagen, um was für einen Brief es sich da handelt?

RA Dr. He[ldmann]:

Dieser Brief ist adressiert an Eva Michel, trägt den Poststempel vom 7.3.75.

Zeuge Mül[ler]:

Ja, dem ist ja nicht mehr hinzuzufügen, als das, was ich bereits gesagt habe.

RA Dr. He[ldmann]:

Wann haben Sie angefangen, eine RAF-Interna zu verkaufen?

Zeuge Mül[ler]:

Wie war das?

RA Dr. He[ldmann]:

Wann haben Sie begonnen, RAF-Interna zu verkaufen?

Zeuge Mül[ler]:

Allgemein?

RA Dr. He[ldmann]:

Ja. Nein, ich meine nicht allgemein, an die Presse, an Presseorgane?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, es ist ein nicht ganz glücklicher Ausdruck, aber, wenn man ... ich kann auch dabeibleiben, das schadet nichts - ich meine, wann war der Schwarberg da - das war, ich schätze ungefähr 3 oder 4 Wochen vor Erscheinen des Artikels im „Stern“. Das ist aber auch jetzt eine Schätzung, weil der Artikel nicht gleich nach seinem Besuch bei mir gebracht wurde im „Stern“.

RA Dr. He[ldmann]:

Haben Sie einen Haß auf Herrn Baader?

Zeuge Mül[ler]:

In keiner Weise.

RA Dr. He[ldmann]:

Spüren Sie Feindschaft gegenüber Baader?

Zeuge Mül[ler]:

Nein.

RA Dr. He[ldmann]:

Haben Sie Ihrem Interviewpartner vom „Stern“-veröffentlieht am 20. März 75 - gesagt: „Nein, nein“, sagt er, „ich sage auch vor Gericht nichts“, dann denkt er nach und im fällt wieder der Feind ein, den er hasst, als habe der ihm alles eingebrockt und sein Leben verpfuscht, er sagt: „Baader würde ich schon belasten.“

Zeuge Mül[ler]:

Ja, ich meine das „sein Feind ein ...“, also diese, wenn ich [10562] das mal zitieren darf „... den er hasst ...“ das ist ja eine Formulierung dieses Typen vom „Stern“ und nicht von mir. Sie können mir das jetzt nicht unterjubeln.

RA Dr. He[ldmann]:

Nein, nein, das haben Sie sich selber untergejubelt, denn nicht ich habe das Interview im „Stern“ gemacht, sondern Sie. Frage aber, haben Sie ..., ist es richtig, daß Sie dem „Stern“-Reporter gegenüber erklärt haben, Sie sagten von Gericht nichts aus, jedoch Baader würden Sie schon belasten?

Zeuge Mül[ler]:

Da fragen Sie zuviel.

RA Dr. He[ldmann]:

Nein, Sie sind im Zeugenstuhl, nicht der „Stern“.

Zeuge Mül[ler]:

Ja, es ist so gewesen, der Herr Schwarberg hat das auf Tonband aufgenommen und ich kann im einzelnen nicht mehr genau reproduzieren, was ich da gesagt habe und es wäre wirklich besser, wenn Sie sich direkt an Herrn Schwarberg wenden würden.

RA Dr. He[ldmann]:

Das, bitteschön, überlassen Sie mir, welche Art von Beweisanträge ich hier evtl. in dieses Verfahren noch einführen[vvvv] werde[wwww]. Ich sagte es schon einmal, Sie sind hier Zeuge und es ist unter anderem Zeugenpflicht, Fragen zu bejahen, solange diese Fragen nicht als unzulässig zurückgewiesen worden sind.

Vors.:

Ja, zu „beantworten“, natürlich, aber das war ein Versprecher.

Herr Müller, ich teile die Auffassung ...

RA Dr. He[ldmann]:

Beantworten, natürlich.

Vors.:

... von Herrn Dr. Heldmann, was er im Augenblick sagte. Die Frage ging schlicht und einfach dahin, ob Sie durch Ihre Äußerungen diesem Journalisten Anlaß gaben, diese Formulierung zu bringen „vor Gericht“, „Baader, ja ...“

Zeuge Mül[ler]:

Ja, ich habe diese Frage beantwortet und ich wollte Herrn Heldmann helfen, also, wenn er das mißversteht, kann ich auch nichts dafür.

Vors.:

Wenn Sie die Antwort, die offenbar ein bißchen untergegangen ist, nochmals geben würden?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, daß ich mich da an die genauen Einzelheiten dieses Interviews nicht mehr erinnern kann.

RA Dr. He[ldmann]:

Sie können sich nicht erinnern eine solche Äußerung, wie sie hier als wörtliches Zitat wiedergegeben wird, eine solche Äußerung gegenüber dem Reporter des „Stern“ getan zu haben?

Zeuge Mül[ler]:

Nein, das ist ja darin eingeschlossen[xxxx].

RA Dr. He[ldmann]:

Erinnern Sie sich, am[yyyy] [zzzz] 27. Januar 75 an Martin Fochler in Heidelberg geschrieben zu haben: „Schließlich ist es so, daß [10563] mein Haß auf die RAF und bestimmte Leute sehr viel stärker ist, als z. B. auf die Leute, die gegenwärtig für meine Haftbedingungen verantwortlich zeichnen.“

Zeuge Mül[ler]:

Können Sie Bitte das Datum des Briefes sagen?

RA Dr. He[ldmann]:

27. Januar 75.

Zeuge Mül[ler]:

Ja, ich habe einen Brief an Martin Fochler geschrieben und das, was Sie da zitieren, also ich meine, daß ich das auch geschrieben habe. Aber, naja, hier muß ich erklärend sagen, daß ich ja eben, wie Herr Schily bereits festgestellt hat, und wie ich das auch, also weil das ja so richtig ist, daß es ja von mir eine Entwicklung ist. Ich habe ja kurz nach meiner Trennung, das will ich im Allgemeinen jetzt mal sagen, die Trennung, die hat ja einen unheimlich starken emotionalen Aspekt gehabt und ich bin mit dieser Trennung eben nur ..., ich habe die erste Phase dieser Trennung eben nur hinter bzw. über mich gebracht - lebendig - in dem ich mir eben da einen Gegner ausgebaut hatte, wenn man das so will. Also in diesem Sinne Haß auf die RAF, also die ..., so ungefähr. Ich bin mir dann im Verlaufe der weiteren Zeit, ich habe hier auch bereits mehrmals gesagt, daß es eben alles seine Zeit braucht. Ich war mir bewußt geworden, daß da unheimlich viel Subjektivität von mir im Spiel ist und ich habe mich im Laufe der Zeit eben darum bemüht, so objektiv wie möglich zu sein, im Bezug auf die RAF. Und in diesem Sinne werden Sie hauptsächlich Briefe eben aus dieser Zeit zitieren können, weil das damals tatsächlich so war.

RA Dr. He[ldmann]:

War ursächlich oder mitursächlich für Ihre Abkehr von der RAF fortlaufende Beleidigungen und Denunziationen von Baader gegen mich ..., gegen Sie?

Ende von Band 610

[10564] Zeuge Mü[ller]:

Das war mit ein Grund, wenn man es so richtig bezeichnen will.

Ich habe das hier, soweit ich mich erinnere, auch bereits schon mal einmal gesagt, daß es bei meiner Trennung von der RAF, daß es unter anderem, daß die Geschichte verschiedene Aspekte hat, daß es einmal, was draußen war, um diese Anschläge ging, die ich bereits genannt habe. Daß es, was der innere Aspekt dieser Geschichte ist, daß es eben das Verhalten verschiedener Leute mir gegenüber war und darunter, unter diesen verschiedenen Leuten, darunter[aaaaa] befindet sich auch Andreas Baader.

RA Dr. He[ldmann]:

Ja. Haben Sie nach dem Beginn Ihrer Aussagen, wobei ich jetzt einmal davon ausgehe, daß Sie den uns mit Anfang 1975 als Beginnszeitpunkt genannt haben, haben Sie nach dem Beginn dieser Aussagen zu Papier gebracht, und zwar am 8.6.75 in einem Brief an Brigitte Asdonk: „Weiter denke ich, daß man, egal welche Position man einnimmt, Baader nur bekämpfen kann und zwar bis auf die Knochen.“ Das war also nach dem Beginn Ihrer Aussagen, die unter anderem zu Ihrer heutigen Vernehmung führen.

Zeuge Mü[ller]:

Was soll ich dazu sagen, oder war da eine Frage dabei oder wie?

RA Dr. He[ldmann]:

Bestätigen, ob Sie diese schriftliche Äußerung getan haben, das wollte ich wissen, haben Sie das?

Zeuge Mü[ller]:

Ich habe diese also ich habe an Brigitte Asdonk geschrieben, ob es genau diese Formulierung war ... Moment mal ... das ist korrekt, ein Schreiben an Brigitte Asdonk ...

RA Dr. He[ldmann]:

Vom 8.6.75.

Zeuge Mü[ller]:

Ja es ist ... wie lautet die Einleitung oder Anschrift?

RA Dr. He[ldmann]:

An Brigitte Asdonk, Frauenhaftanstalt, Lehrter-Straße, 1 Berlin.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, also ich habe an Brigitte Asdonk geschrieben und zwar weil Sie mich angeschrieben hatte. Ich hatte den Eindruck gewonnen, daß ...

RA Dr. He[ldmann]:

Verzeihen Sie, wir brauchen nicht so ausführlich zu werden, meine Frage war lediglich die, stammt diese schriftliche Äußerung von Ihnen?

Zeuge Mü[ller]:

Das ist notwendig, Herr Heldmann ...

RA Dr. He[ldmann]:

Stammt diese schriftliche Äußerung von Ihnen?

Zeuge Mü[ller]:

... weil Sie darauf offensichtlich wieder was praktizieren wollen.

Vors.:

Darf ich ... darf ich sagen, der Herr Zeuge kennt offensichtlich die Grundlage, die Unterlage, die Sie hier vorhalten, nicht mehr im einzelnen und will das erläutern. Ich würde bitten, ihn die Antwort geben zu lassen.

[10565] RA Dr. He[ldmann]:

Ja, wenn er dabei nicht vergisst, meine Frage zu beantworten.

Vors.:

Es scheint der Beantwortung zu dienen, was er vortragen will.

Zeuge Mü[ller]:

Würden Sie dann bitte nochmal Ihre Frage wiederholen.

Vors.:

Ob Sie diese Passage, die Ihnen vorgehalten worden ist, geschrieben haben.

RA Dr. He[ldmann]:

Stammt die Äußerung von Ihnen aus dem hier zitierten Brief. Soll ich’s nochmal zitieren?

Zeuge Mü[ller]:

Ja. Brauchen Sie nicht mehr.

RA Dr. He[ldmann]:

Brauche ich nicht.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, ich habe an Brigitte Asdonk geschrieben, wobei ich nicht ausschließen will, daß diese Äußerung dabei ist. Der Hingergrund des Schreibens ist aber jetzt hier nicht ... wie es der Herr Heldmann sehen will, unbändiger Haß gegen Andreas Baader, sondern ganz einfach, daß ich den Eindruck gewonnen habe, daß sich Brigitte Asdonk auch von der RAF trennen wollte. Diesen Eindruck habe ich ihrem Schreiben an mich entnommen, und ich habe sie in dieser Hinsicht angeschrieben, um sie dazu zu bringen und dafür zu gewinnen, sich ebenfalls von der RAF zu trennen, und in diesem Zusammenhang ist diese Formulierung zu verstehen. Weil mir ... ich konnte das ... ich kann, oder ich mußte das machen, weil mir, wenn man so will, die Verhältnisse innerhalb der RAF eben bekannt waren.

RA Dr. He[ldmann]:

Ah ja. Haben Sie im September 75, also nach dem Beginn Ihrer Vernehmungen, die zu Ihrer heutigen Zeugeneinvernahme[bbbbb] geführt haben, an den „Berliner Extra-Dienst“ geschrieben: „Gangs“, Gangs, der englische Ausdruck Gangs, „wie die RAF oder der 2. Juni[34] besorgen die Geschäfte der Reaktion. Dies allein ist der Grund, solche Gruppen mit dem Messer bis auf die Knochen zu bekämpfen.“

Das war ja nun sicher nicht RAF-intern, wie Sie soeben den Brief an Frau Asdonk erklärt haben, das war ja nun [ccccc] öffentlich „Berliner Extra-Dienst“, September 75.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, haben Sie was dagegen?

RA Dr. He[ldmann]:

Bitte?

Zeuge Mü[ller]:

Haben Sie was dagegen?

Vors.:

Herr Müller, ich bitte zunächst mal, die Frage zu beantworten und nicht Gegenfragen zu stellen ...

RA Dr. He[ldmann]:

Nein nein, darum geht es nicht ...

Vors.:

... es geht nun auch nicht darum, welche Meinung und welcher Auffassung der Rechtsanwalt ...

Zeuge Mü[ller]:

Ja, dieses „bis auf’s Messer zu bekämpfen“, ist ein politischer ...

[10566] RA Dr. He[ldmann]:

„Mit dem Messer bis auf die Knochen“, ich will’s Ihnen nochmal in[ddddd] Erinnerung rufen.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, es gibt ein Schreiben an den „Berliner Extra-Dienst“ in dieser Hinsicht. Damit ist die politische Auseinandersetzung mit der RAF gemeint, außerdem steht hier als Hintergrund bei diesem Schreiben der Prozeß, in dem ich stand, und in dem ich, wie ja auch ganz allgemein bekannt ist, mich mit der RAF auseinandergesetzt habe.

RA Dr. He[ldmann]:

Diese Äußerung, die ich Ihnen zitiert habe, liegen mit Ausnahme der ersten, soviel zur Überleitung, alle nach dem Beginn Ihrer Aussagen, welchen Sie mit Anfang 1975 datiert haben. Haben Sie da unter anderem ausgesagt, Baader hätte Ingeborg Barz[35] durch Genickschuß ermordet?

Zeuge Mü[ller]:

Dazu verweigere ich die Aussage.

RA Dr. He[ldmann]:

Dann mache ich Ihnen einen Vorhalt mit der Anregung, Ihre Entscheidung eben zu modifizieren. In einem Haftbefehl gegen Vera Berzel[36] soll es heißen, daß aufgrund Zeugenaussage feststeht, und dies ist ... gehört zum Tatverdacht für den Haftbefehl, die Beschuldigte habe im Januar und Februar 74 an Zusammenkünften in Frankfurt und[eeeee] anderen Städten[fffff] teilgenommen, an denen unter anderem Rosemarie Keser[37], Angela Luther[38], Hans-Peter Knoll[39]?[ggggg] Ingeborg Barz beteiligt gewesen seien, Januar/Februar 1974. Baader ist am 1. Juni 72 festgenommen worden. Wollen Sie diesen Vorhalt in Ihrer Aussage modifizieren?

Vors.:

Er hat keine Aussage gemacht, sondern die Aussage verweigert.

RA Dr. He[ldmann]:

Ihre Erklärung modifizieren?

Vors.:

Daß er die Aussage verweigere?

RA Dr. He[ldmann]:

Ja.

OStA Zeis:

Herr Vorsitzender, wir beanstanden den Vorhalt. Wenn ein Zeuge zu einer Frage sagt, er verweigere dazu die Auskunft, dann darf er zu diesem Punkt nicht weiter befragt werden, auch nicht in der Form, in der sie eben Herr Dr. Heldmann durch die Hintertüre hat einführen[hhhhh] wollen.

Vors.:

Diese Auffassung kann ich nicht ganz teilen. Gerade im Rahmen des § 55[ StPO] handelt es sich eben grundsätzlich nur um ein Einzelauskunftsverweigerungsrecht.[40] Es können weitere Fragen gestellt werden, aber es ist also die Frage, ob Sie sich aufgrund dieses Vorhalts, daß jemand im Jahre 74 nach diesem Haftbefehl noch Ingeborg Barz gesehen haben will, anders überlegen hinsichtlich [10567] Ihrer Erklärung zu § 55[ StPO].

Zeuge Mü[ller]:

Nein, ich verweigere weiter die Aussage.

RA Dr. He[ldmann]:

Konkretisierung einer früheren Frage: Hat zu Ihrer Entscheidung, sich von der RAF abzukehren, auch eine Rolle gespielt, daß Sie den Eindruck hatten, „daß Baader mich als einen Kollaborateur behandelt“?

Vors.:

Also es handelt sich offenbar um ein Zitat, das Sie gesagt haben sollen. Die Frage lautet nicht, ob es ein Grund für Sie war, anzunehmen, daß, weil Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann von „mich“ sprach, er damit gemeint sei. Ich würde also doch zweckmäßigerweise vorschlagen zu fragen, ob dieses Zitat von ihm stammt, sonst gibt es Verwirrung.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich frage erneut: Hat für Ihre Abkehrung von der RAF eine Rolle gespielt, daß Sie den Eindruck hatten, daß Baader Sie für einen Kollaborateur hielt?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das ist ist in der vorliegenden Form aber nicht ganz korrekt.

RA Dr. He[ldmann]:

Bitte, Sie sind am Wort, Sie können korrigieren.

Zeuge Mü[ller]:

Na, wie soll ich es ausdrücken, aus seinem Verhalten oder dem, was er sagte, schloß ich, das ist wieder ganz mein subjektiver Eindruck, daß möglicherweise bei ihm sowas vorhanden ist, dies wäre aber nur wieder, wie eben bereits ich es[iiiii] vorhin gesagt habe, das würde eben wieder nur ein ... es wäre eben wieder nur einer dieser Aspekte, die ich ja vorhin schon aufgezählt habe.

RA Dr. He[ldmann]:

Nachdem ich Ihnen hier einige Ihrer eigenen Äußerungen, mit einer Ausnahme alle nach Beginn Ihrer Vernehmungen, in Erinnerung gerufen habe, ... wollen Sie bei Ihrer Antwort, jetzt kommt die Frage: Wollen Sie bei Ihrer Antwort bleiben, daß Sie gegenüber Baader keinen Haß spüren und keine Feindschaft empfinden?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, ich bleibe bei der Antwort. Ich möchte aber das revidieren in politischer Hinsicht.

RA Dr. He[ldmann]:

Meine Frage ist beantwortet, wenn das Gericht weiteres hören will ...?

Vors.:

Nun, Sie haben grundsätzlich das Recht, Fragen zu stellen, jetzt.

Und wenn Sie wünschen, daß das, was der Herr Zeuge eben angedeutet hat, von ihm noch erläutert wird. Für das Gericht war es verständlich, was er damit gemeint hat. Es hängt von Ihnen ab, ob Sie eine Erläuterung ...

RA Dr. He[ldmann][jjjjj]:

Ich sagte, meine Frage ist beantwortet.

[10568] Vors.:

Bitte, weitere Fragen.

RA Dr. He[ldmann]:

Da schrieb die Süddeutsche Zeitung am 30. Juni 75 die Überschrift: „Anarchist Müller narrt die SPD“ ...

Vors.:

Wie heißt das: Anarchist nervt?[kkkkk]

RA Dr. He[ldmann]:

Narrt.

Vors.:

Narrt?

RA Dr. He[ldmann]:

„Narrt, ... narrt die SPD“. Haben Sie eigentlich dieses Parteibuch zurückgegeben, von dem da die Rede ist?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das ist ein[lllll] laufendes Verfahrens ...

Vors.:

Ich weiß nicht, hat das einen Sachzusammenhang, die Parteizugehörigkeit des Herrn Zeugen?

RA Dr. He[ldmann]:

Nein, nein, das nicht, aber es[mmmmm] könnte für einen Sachzusammenhang interessant werden, ob vielleicht, wenn wir so feststellen, daß es eine Eigenart des Zeugen vielleicht ist, andere zu narren ...

Vors.:

Also jedenfalls bekennen Sie mit diesen Ausführungen, daß Sie im Augenblick noch keinen Sachzusammenhang haben, sondern erst glauben, es könnte ...

RA Dr. He[ldmann]:

Ich habe einen, ich habe einen, narren bedeutet ja täuschen.

Zum Narren halten; einen anderen täuschen, und daraufhin will ich hinaus. Daß der Zeuge eine Neigung hat, zu täuschen, hat er mit wiederholt in dieser Hauptverhandlung festgestellten Falschaussagen belegt. Jetzt geht mein Interesse weiter, ob[nnnnn] das [ooooo] vielleicht eine spezifische Eigenart ist, eine persönliche Eigenart, die über den Gegenstand dieses Verfahrens hinausgehen mag.

Zeuge Mü[ller]:

Herr Vorsitzender, ich möchte jetzt mal in dem Zusammenhang aufgeklärt wissen, inwieweit ich die [ppppp] SPD genarrt habe.

Vors.:

Ja, ich weiß es nicht, ich kenne den Artikel nicht, das muß ich bekennen, und muß also hier gewisse Voraussetzungen bei Ihnen, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, erfragen. Was ist hier gemeint gewesen, was wollen Sie hier zum Gegenstand einer solchen Frage machen, die offenbahr die Glaubwürdigkeit des Herrn Zeugen überprüfen soll?

RA Dr. He[ldmann]:

Meine Frage war die, ob er das Parteibuch, von welchem die SPD behauptet, durch eine Täsuchung Ihrerseits seien Sie drangelangt, ob Sie das zurückgegeben haben?

Vors.:

Das ist keine Frage, die irgendeinen Sachzusammenhang erkennbar macht, die Rückgabe eines Parteibuches, die eventuelle.

[10569] RA Dr. He[ldmann]:

Sachzusammenhang ist natürlich nicht die Rückgabe des Parteibuchs, Sachzusammenhang ist „etwas durch Täuschung erlangen“, „nach Entdecken der Täuschung nicht zu reparieren.“

Vors.:

Gut, dann müssen Sie aber die Fragen auch so stellen, bis jetzt fragten Sie nach der Rückgabe.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich brauche die Frage nicht als Erläuterung zu stellen, sondern ich habe gefragt: Haben Sie das Ding zurückgegeben.

Vors.:

Ja, aber Sie sagen es selbst, es hat keinen Sachzusammenhang, Sie wollten zunächst mal wissen, ob er es durch Täuschung erlangt habe. Das ist doch wohl die Grundlage Ihrer Frage.

RA Dr. He[ldmann]:

Das behauptet öffentlich die SPD. Sind Sie gegen die SPD oder gegen die Süddeutsche Zeitung wegen dieser Überschrift: „Anarchist Müller narrt die SPD“ presserechtlich vorgegangen, gegen die SPD?

OStA Zeis:

Herr Vorsitzender, wir beanstanden die Frage. Logisch müßte nämlich die andere Frage vorgehen: Ob dem Zeugen dieser Artikel überhaupt bekannt geworden ist. Sie können[qqqqq] doch das Pferd nicht am Schwanz aufzäumen, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Dieses Mal haben Sie völlig recht Sie ... voll begriffen[rrrrr], Herr Oberstaatsanwalt Zeis. Ist Ihnen dieser Artikel bekannt geworden?

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

RA Dr. He[ldmann]:

Dann erübrigt sich die weitere Frage. Sie haben in der Verhandlung ... Sie haben in der Vernehmung hier angegeben, Mohnhaupt[41] und Braun[42] seien[sssss] angewiesen worden, über Rechtsanwalt Ströbele das Rezept[43] aus Jordanien zu besorgen. Dieses Rezept sei dann auch aus Berlin angekommen. Woher soll denn Ströbele dieses Rezept bezogen haben?

Vors.:

Der Zeuge hat dazu Auskunft gegeben, daß er die näheren Umstände nicht kenne.

RA Dr. He[ldmann]:

Haben Sie nicht in früherer Vernehmung einmal angegeben, Ströbele hätte dieses Rezept von Mahler?

Zeuge Mü[ller]:

Ich habe nicht, wie Sie hier zu unterstellen versuchen, gesagt, daß Herr Ströbele dieses Rezept aus Jordanien geholt oder besorgt hätte ...

RA Dr. He[ldmann]:

Nein nein, da haben wir uns falsch verstanden, ein Rezept, das aus Jordanien stammt, nicht?

Meine Frage war jetzt die: Haben Sie in früherer Vernehmung ausgesagt, Ströbele hätte es von Mahler?

Zeuge Mü[ller]:

Ich habe die Frage doch beantwortet.

[10570] Vors.:

Ob Sie in einer früheren Vernehmung nicht einmal angegeben hätten, daß dieses Rezept von Mahler ... das heißt, daß es Herr Ströbele bei Mahler geholt habe. Ich würde aber doch bitten, die Quelle des Vorhalts zu benennen.

OStA Zeis:

Herr Vorsitzender, ich habe die Quelle, der Vorhalt ist unrichtig. Ich hoffe, nicht bewußt unrichtig. Sie haben nämlich das „oder“ weggelassen, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann. Sie können ja lesen, bei dieser Vernehmung heißt es anders.

RA Dr. He[ldmann]:

Von was sprechen Sie denn, Herr Zeis?

Vors.:

Von Ihrem Vorhalt, der offenbar nach der Quelle, die der Herr Bundesanwalt Zeis vermutet, nicht richtig gestellt ist. Ich würde deshalb vorschlagen, doch immer die Quelle gleich zu benennen.

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Bundesanwalt Zeis hat mit seinen Vermutungen halt ziemlich häufig Pech. Die Quelle meines Vorhalts sind meine eigenen handschriftlichen Mitschriften über die Aussagen des Zeugen am 28.6. ...

Vors.:

Nun, sind die nach Ihrer Meinung so hundertprozentig verläßlich?

RA Dr. He[ldmann]:

Ja, bis zum Beweis des Gegenteils, liegen vielleicht schon die Protokolle vor, dann haben wir es vielleicht einfacher.

Vors.:

Darf ich Sie fragen, was, wer, wann, wo am 28.6. hier vernommen worden ist?

RA Dr. He[ldmann]:

Ich sag’s nochmal. Am ersten Tag der Vernehmung, das war der ...

Vors.:

Ja also wenn das Datum auf Ihrer Niederschrift schon falsch sein sollte, dann würde ich der Verläßlichkeit nicht so ganz vertrauen.

Unruhe im Sitzungssaal.

Vors.:

Ich bitte im Saal um Ruhe.

RA Dr. He[ldmann]:

Jetzt frage ich Sie mal, woher wissen Sie denn, daß auf diesem Blatt ein Datum drauf steht?

Vors.:

Ich sage, wenn es sein sollte, weil Sie jetzt den 28.6. zitiert haben.

RA Dr. He[ldmann]:

Sehen Sie ... So gehen Sie mit Unterstellungen und auch im übrigen mit Prozessbeteiligten um.

Vors.:

Ich habe das nicht unterstellt. Ich habe das nur als Voraussetzung gesagt: „Wenn es sein sollte“, weil Sie dieses Datum so flott zitierten, ohne daß ein Erkenntnis hier vorliegt, daß der Herr Zeuge hier vernommen worden sei an diesen Tagen.

[10571] RA Dr. He[ldmann]:

Vorigen Donnerstag, also heute ist der 15., am 8. nicht?

Vors.:

8.7. ...

RA Dr. He[ldmann]:

Am 8.7., ja. Soll ich den Vorhalt wiederholen? Oder haben Sie den in Erinnerung?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, ich dachte, Sie haben da jetzt so einen Zauber da hinten?

RA Dr. He[ldmann]:

Wie bitte?

Zeuge Mü[ller]:

Also wieso, richtet sich das an mich?

RA Dr. He[ldmann]:

Ja weil Sie im Zeugenstuhl sitzen, wen stellen Sie vor, daß ich befragen soll, jetzt?

Vors.:

Was haben Sie notiert, Herr Rechtsanwalt? Damit wir genau wissen, was Sie hier als Vorhalt benützen. Was soll der Zeuge ausgesagt haben?

RA Dr. He[ldmann]:

Ich wiederhole es jetzt: Aus Jordanien sei ein Rezept für roten Sprengstoff gekommen, Mohnhaupt und Braun seien angewiesen worden, über Rechtsanwalt Ströbele das Rezept aus Jordanien, gemeint: das aus Jordanien stammt, zu besorgen. Dieses Rezept sei dann aus Berlin angekommen.

Vors.:

Und?

RA Dr. He[ldmann]:

Meine Frage war, haben Sie nicht in einer früheren Vernehmung angeben, Herr Ströbele habe das Rezept von Mahler erhalten?

Vors.:

Ja, aber jetzt bitten wir Sie doch, diese frühere Vernehmung als Quelle zu benennen, das war es ja.

RA Dr. He[ldmann]:

Ja das kann ich ja nicht, weil die Bundesanwaltschaft auf den Akten sitzt, worüber Herr Zeis sich schon wieder freut.

Vors.:

Nein, es handelt sich hier wohl um die Aussage, die uns vorliegt, auch Ihnen, da ist auf Seite 7 über diesen Punkt eingehend geredet worden, und hier klingt das so, daß Ihr Vorhalt nicht unberechtigt wäre. Es heißt Seite 7, ich möchte Ihnen das zu Ihrer Unterrichtung sagen: „Dabei erhielt Mohnhaupt von Ensslin den Auftrag, über Ströbele und Mahler das Rezept, für diesen Sprengstoff zu besorgen. Ob Ströbele das Rezept, das von der Polizei in der Knesebeckstraße in Berlin sichergestellt worden war, von Mahler aus dem Gedächtnis hatte oder aus irgendwelchen Akten herausgezogen hat, kann ich nicht sagen.“ Jetzt, wenn Sie also aufgrund dieser Aussage ...

RA Dr. He[ldmann]:

Ich bewundere Ihre Vielseitigkeit, einmal übernehmen Sie, meine Fragen zu stellen, einmal übernehmen Sie, meine Fragen zu beantworten. Das war es nämlich, vielen Dank, Herr Vorsitzender ...

[10572] Vors.:

Ich habe jetzt[ttttt] den Inhalt des Ihnen seit langem zugänglichen Vernehmungsprotokoll des Herrn Zeugen hingewiesen, Seite 7, das hat vorhin Herr Bundesanwalt Zeis auch getan, nichts anderes, Herr Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Das war doch ... ist das so schwer ... Meine Frage enthielt doch[uuuuu] keinen Vorhalt, sondern meine Frage war: Hatten Sie in einer früheren Vernehmung das angegeben?

Vors.:

Aber Sie haben ja die frühere Vernehmung nicht, ich habe Sie gefragt: „auf welche spielen Sie an?“ und habe Ihnen jetzt gesagt, es gibt eine, die hat den und den Inhalt. Erübrigt sich damit Ihre Frage? Oder wollen Sie jetzt vom Herrn Zeugen wissen, ob er das so angegeben hat ...

Vors.:

Jetzt haben Sie ja für den Herrn Zeugen die Antwort, das wollte ich nämlich, die Frage wollte ich vom Zeugen beantwortet wissen, und zwar, ohne daß ich hier Aktenseiten zitiere, nicht?

Zeuge Mü[ller]:

... ja gleich sagen können.

RA Dr. He[ldmann]:

Die Frage ist jetzt durch den Vorsitzenden beantwortet.

Vors.:

Nein, jetzt müssen wir den Herrn Zeugen wenigstens noch fragen, ich habe ja eben bekanntgegeben, an sich zur Unterrichtung von Herrn Rechtsanwalt Dr. Heldmann, was eine frühere Vernehmung von Ihnen enthält, haben Sie das in diesem Sinne angegeben?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Vors.:

Jetzt ist die Frage beantwortet.

Gelächter im Sitzungssaal.

Vors.:

Ich bitte im Saal um Ruhe.

Zeuge Mü[ller]:

Herr Vorsitzender, kann ich um eine Pause von 15 Minuten bitten?

Vors.:

Ja. Wir machen eine Pause. Eine Viertelstunde Pause bis Dreiviertelvier.

Pause von 15.30 Uhr bis 15.52 Uhr.

Vors.:

Wir können fortsetzen, bitte, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Müller, haben Sie am 15. Juni diesen Jahres an Frau Schiller einen 12 Seiten langen Brief geschrieben?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, die Frage ist ja schon mal aufgetaucht. In diesem Zusammenhang verweigere ich die Aussage.

RA Dr. He[ldmann]:

Diese Frage ist in diesem Zusammenhang nicht aufgetaucht.

Zeuge Mü[ller]:

Ja ich hatte gesagt, daß ich einen Brief geschrieben habe, und dann ist er, wer war das noch, jemand draufgekommen[vvvvv], was da drin wäre, oder was weiß ich, und dann habe ich gesagt, ich verweigere [10573] dazu die Aussage.

RA Dr. He[ldmann]:

Zum Inhalt verweigern Sie die Aussage? Oder wollen Sie die Aussage verweigern zu[wwwww] der Frage, ob Sie geschrieben haben?

Zeuge Mü[ller]:

Zum Inhalt.

RA Dr. He[ldmann]:

Danach habe ich ja nicht gefragt. Ich habe gefragt, ob Sie geschrieben haben am 15. Juni 76 einen 12 Seiten langen Brief.

Zeuge Mü[ller]:

Am 15. Juni ... also das Datum will ich nicht ausdrücklich bestätigen, geschrieben habe ich, im Juni war es auch.

RA Dr. He[ldmann]:

Haben Sie diesen Brief zu dem Zweck geschrieben, Frau Schiller davon abzuhalten, Sie mit der Ermordung des Polizisten Norbert Schmid[44] zu belasten?

Vors.:

Dazu hat der Herr Zeuge schon erklärt, er beabsichtige nicht, zum Inhalt dieses Schreibens Stellung zu nehmen, berufe sich auf § 55[ StPO].

RA Dr. He[ldmann]:

Ich habe auch nicht nach dem Inhalt gefragt, sondern nach dem Zweck des Schreibens.

Vors.:

Das scheint doch der Inhalt zu sein.

RA Dr. He[ldmann]:

Woher wissen Sie das, Herr Vorsitzender? ...

Vors.:

Weil sich das normalerweise ...

RA Dr. He[ldmann]:

... daß Zweck und Inhalt dieses Briefes identisch sind, woher wissen Sie das?

Vors.:

Wenn ich den Zweck aufdecke, muß ich den Inhalt aufdecken.

Nun, Herr Zeuge, wollen Sie dazu etwas sagen?

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

RA Dr. He[ldmann]:

Das habe ich mir gedacht. Wenn der Herr Vorsitzende die Fragen beantwortet, braucht der Zeuge nichts mehr zu sagen.

Vors.:

Ich habe die Frage nicht beantwortet, ich kann sie auch nicht beantworten.

RA Dr. He[ldmann]:

Eine weitere Frage: Wenn nicht Sie, wie Sie hier behauptet haben, Norbert Schmidt erschossen haben, wer hat ihn dann erschossen?

Zeuge Mü[ller]:

Verweigere ich die Aussage.

RA Dr. He[ldmann]:

Keine Frage mehr.

Vors.:

Sonstige Fragen? Herr Professor, Sie hatten sich schon heute früh gemeldet, bitteschön.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Herr Zeuge, sind Ihnen Worte und Begriffe der französischen Sprache gewärtig, geläufig?

Zeuge Mü[ller]:

Einzelne ja.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Haben Sie einmal französisch gelernt?

[10574] Zeuge Mü[ller]:

Man kann sagen, ja, aber es war kein regulärer ... also kein regulärer Sprachlehrgang, es war auch nicht in der Schule, sondern es war anläßlich eines Frankreichaufenthaltes von[xxxxx] mir. Ich habe da eben, so wie man sagt, also so ist das zu verstehen da, ab und zu was aufgeschnappt und behalten.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Wie im vornehmen französischen Sprachgebrauch eine Nutte bezeichnet wird, wissen Sie?

OStA Zeis:

Herr Vorsitzender ... der Sachzusammenhang hier ist uns etwas unklar[yyyyy].

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ich werde ihn erläutern, mit Vergnügen.

OStA.Zeis:

Pardon, ich beanstande gerade, wenn der Professor[zzzzz] die Güte hätte, den Sachzusammenhang zu klären.

Vors.:

Er hat sich dazu bereit erklärt ... bitte, Herr Professor.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ich möchte an diesem Wort, an den Gebrauch dieses Wortes, dessen Gebrauch in einem Schriftstück des Zeugen Müller ich im Wege des[aaaaaa] Urkundenbeweis[bbbbbb] einführen könnte, feststellen, ob der Zeuge von sich aus dieses Begriffes mächtig ist. Wenn er nämlich nicht von sich aus dieses Begriffes mächtig ist, spricht einiges dafür, daß der Wortlaut dieses Schreibens, das ich dem Herrn Zeugen gleich vorhalten werde, möglicherweise nicht nur in diesem Punkt nicht von ihm stammt.

Vors.:

Gut. Wir wollen mal die Frage zulassen. Kennen Sie den Ausdruck französisch?

Zeuge Mü[ller]:

Also wie, er sagt eine Edelnutte[cccccc] oder was?

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ja.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, also mir fällt er im Moment nicht ein.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Aber was eine Frau auf französisch heißt, das fällt Ihnen ein?

Zeuge Mü[ller]:

Femme.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Fällt Ihnen vielleicht jetzt der Ausdruck ein?

Zeuge Mü[ller]:

Wie bitte?

Prof. Dr. Azz[ola]:

Fällt Ihnen vielleicht jetzt der ganze Begriff ein?

Zeuge Mü[ller]:

Ich weiß was Sie meinen: Femme fatale.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ist gut.

Zeuge Mü[ller]:

Ich darf aber dazu bemerken, daß hier von Ihnen eine Unterstellung wieder gemacht wird, daß mit diesem Begriff eine[dddddd] ... es ist zwar möglich, daß dieser Begriff in französischen Sprachgebrauch quasi eine Edelnutte bezeichnet, aber in dieser Form habe ich ihn nicht angewendet.

[10575] Prof. Dr. Azz[ola]:

Herr Zeuge, ich mußte versuchen, Ihnen nach allgemeinen Kriterien der Literatur den Vorhalt zu machen, nicht um Ihnen zu unterstellen, daß Sie so in diesem Kontext gemeint haben. Ich wundere mich darüber, daß Sie meine Unterstellungen so schnell und vorab kennen. Also stammt folgender Satz von Ihnen.

Vors.:

Ich würde das nicht als Suggestivfrage stellen, sondern fragen, ob es so ist.[eeeeee]

Prof. Dr. Azz[ola]:

Entschuldigung bitte,[ffffff] stammt folgender Satz von Ihnen: „Es war außerdem so, daß Deine tatsächliche Bedeutung in der RAF und für die RAF umgekehrt proportional war zu der Bedeutung, die Dir die Polizei und die Presse verliehen hatte. Du warst oder bist keine Pistolen oder Revolver schwingende Femme fatale.“

Zeuge Mü[ller]:

Ja, ich verweigere dazu die Aussage, weil dieser Satz offensichtlich aus einem Brief zitiert wird, zu dem ich schon gesagt habe, daß ich über diesen Brief die Aussage verweigere.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Gut. Herr Zeuge, ich möchte Ihnen einige Fragen zu der Entstehung der polizeilichen Protokolle Ihrer Aussage nach dem 31. März dieses Jahres stellen. Können Sie mir sagen, wie diese Protokolle entstanden sind, rein zeitlich?

OStA Zeis:

Herr Vorsitzender ...

Vors.:

Ja, ich weiß.

OStA Zeis:

Reine Wiederholung.

Vors.:

Wiederholung, der Herr Professor hat mich darauf hingewiesen, er sei gestern nicht da gewesen. Nun glaube ich, daß diese Frage ... nein, sie ist in der Tat vorgestern ... da waren Sie anwesend.

Prof. Dr. Azz[ola]:

In meiner Anwesenheit ist nicht geantwortet worden, ob das Protokoll ...

Vors.:

Halt, Herr Rechtsanwalt Schily hat die Frage gestellt, richtig.

Er hat die Frage gestellt, wie lange das gedauert hat, täglich, da waren Sie anwesend.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Jawohl, aber es ist nicht geantwortet worden, ob das konkrete Tagesprotokoll regelmäßig erst am Schluß der Vernehmungen entstanden ist, oder partiell ...

Vors.:

Ja bitte, fragen Sie danach, das hat mit der zeitlichen Erstellung des Protokolls ...

Prof. Dr. Azz[ola]:

So meine ich das aber, die Zeit ... ist das eine Abfolge in meinen Augen, war das am Tagesende, hat man jeweils einen Tag lang gewissermaßen in Stenogramm protokolliert und anschließend ein Tagesprotokoll erstellt oder ging das parallel?

[10576] Zeuge Mü[ller]:

Ja, in die Maschine.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Sofort während Ihrer Aussage?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Und wurde Ihnen ein Exemplar unverzüglich ausgehändigt?

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Wann wurden Ihnen die[gggggg] Exemplare ausgehändigt?

Zeuge Mü[ller]:

Die Frage habe ich beantwortet.

Vors.:

Sie ist beantwortet, der Herr Zeuge hat da angegeben, daß er diese Protokolle bekommen habe, um sie nochmals durchzulesen und Seite für Seite abzuzeichnen. Außerdem hat er erwähnt, daß er vor wenigen Wochen die Protokolle nochmals gesehen habe.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Herr Zeuge, könnten[hhhhhh] Sie mir freundlicherweise den Zeitpunkt nennen, den präzisen Zeitpunkt, zu dem Sie die Protokolle abgezeichnet haben? War das drei Tage später, nicht nachher, daß Sie dieses Exemplar bekommen haben, das interessiert mich überhaupt nicht. Im Zuge Ihrer Vernehmung, blieben Sie da im Besitz ... blieben Sie im Zuge Ihrer Vernehmung im Besitz eines schon von Ihnen abgezeichneten Exemplars?

Vors.:

Jetzt sind also mehrere Fragen daraus geworden, das läßt sich schwer machen ...

Prof. Dr. Azz[ola]:

Die letzte genügt mir.

Vors.:

Ja, ob er im Besitze von ...

Prof. Dr. Azz[ola]:

Im Zuge der Vernehmung, ob er im Zuge der Vernehmung nach dem 31. Stück für Stück anwachsend im Besitze der wachsenden Protokolle, der Umfang ... wachsenden Protokolle war.

Zeuge Mü[ller]:

Ich muß auch richtigstellen. Ich habe hier gesagt, daß ich die Protokolle zuletzt eben vor mehreren Wochen gesehen habe, und ich habe weiter ... die Frage ist beantwortet, daß ich diese Protokolle nicht im Besitz habe.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Nein, ich habe nicht gefragt, ob Sie sie im Besitz haben.

Vors.:

Es ist so gemeint, Herr Müller, ob Sie, nachdem das ja während Ihrer Vernehmung in die Maschine geschrieben worden ist, Seite für Seite bekommen haben, und so sich bei Ihnen dieser ganze Protokollstoß ansammelte, damit Sie’s dann durchlesen und jeweils abzeichnen. Ob Sie also während der Vernehmung im Besitze der vorausgegangenen Protokollblätter geblieben sind. Ist das richtig verstanden?

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ja.

Zeuge Mü[ller]:

Naja, ich bin nicht drauf gesessen, die waren, soweit ich das [10577] sehen konnte, in dem Raum, in dem die Vernehmung stattfand, abends wurden dann immer ... das haben Sie, glaube ich, auch gefragt, von mir die ... abends eben diese Protokolle abgezeichnet.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Und dann haben Sie das Protokoll nicht mehr in der Hand gehabt über Nacht?

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Herr Zeuge, dann können Sie mir vielleicht darüber Auskunft geben, wieso in Ihren Protokollen ständig - ich greife nur ein Beispiel, Blatt 173, heraus - Querverweise höchst präziser Art stehen. Sie sagen auf Blatt 173: „Auf Blatt 164 habe ich einen Tisch beschrieben“ usw., solche Art Querverweise auf zu[iiiiii] einhundert Seiten zurückliegende Dinge laufen hier ständig in diesem Protokoll. Wie kommt es, haben Sie diese Querverweise erstellen können, oder wurden diese Querverweise mit Hilfe der vernehmenden Kriminalbeamten hergestellt?

Zeuge Mü[ller]:

Dazu ist zu sagen, daß einer der Beamten, die dort anwesend waren, laufend ein Register aufgenommen haben, eine Art Stichwortverzeichnis, und anhand dieses Stichwortverzeichnisses wurden dann eben diese Querverweise ... also sind diese dann entstanden, indem auf das Register zurückgegriffen wurde.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Also Ihre Aussage wird präsumtiv gelautet haben:

„Ich habe schon früher zu dem und dem Sachverhalt Stellung genommen“, dann schlägt der protokollführende, registerprotokollführende Beamte nach, sagt Ihnen die Zahl und dann korrigieren Sie Ihre Aussage. Dann ergänzen Sie, dann präzisieren sie das.

War das so?

Zeuge Mü[ller]:

Nein, die wird nicht ergänzt, die wird nur insofern ergänzt, indem eben da, wie heißt das gleich, wie Sie sagen, ein Verweis eben: Seite soundsoviel, noch hinzugeschrieben wird, das ist ja nicht eine Ergänzung.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Jedenfalls stammen diese Querverweise nicht von Ihnen.

Zeuge Mü[ller]:

Ja moment, die sind, von mir sind die unterzeichnet worden als korrekt.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Richtig, sie sind als korrekt ... ich hatte auch nicht bestritten, daß die Zahlen nicht stimmen. Ich habe Sie nicht nach der Stimmigkeit der Zahlen, sondern ich habe Sie nach der Entstehungsweise, ob das Ihre eigene Kenntnis war, oder die Kenntnis eines Kriminalbeamten, der Ihnen seine Kenntnis zur [10578] Verfügung stellte. Denn Sie haben es als Ihre Aussage unterschrieben.

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Dann können Sie mir vielleicht sagen, auf welche Weise es in Ihrer Aussage zu häufigen Äußerungen derart kommt, wie wir sie auf Blatt 92 finden. Dort schreiben Sie, was alltäglich ist in Ihrer Aussage: „Heute werde ich zu dem Komplex XY aussagen.“

OStA Zeis:

Herr Vorsitzender ...

Prof. Dr. Azz[ola]:

Seite 92 [jjjjjj] 1. Satz ...

OStA Zeis:

Herr Vorsitzender ...

Prof. Dr. Azz[ola]:

Die „Rechtsanwälte-RAF“ habe ich mir als Beispiel herausgegriffen.

OStA Zeis:

Jaja, nicht „Komplex XY“, Herr Professor[kkkkkk] sondern Rechtsanwälte - RAF oder „RAF“ wie wir sagen ...

Prof. Dr. Azz[ola]:

Jaja, habe nichts dagegen. Dieses ist ein Stereotyp;

„Heute will ich darüber aussagen.“ Was hat dieses „heute“ für einen ... das Entstehen einer solchen Aussage bei Ihnen[llllll] einen Hintergrund?

Zeuge Mü[ller]:

Das ist mir nicht klar.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ja, mir auch nicht, Herr Zeuge.

Zeuge Mü[ller]:

Nein, ich meine, was Sie meinen.

Vors.:

Ihre Frage.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ja, Herr Zeuge, hatten Sie so etwas wie einen Vernehmungsplan und die Kripobeamten waren jedesmal froh, wenn Sie heute ein neues Thema hatten und nahmen dankbar entgegen, das Thema, das der Herr Müller als zu Vernehmender anbietet.

Zeuge Mü[ller]:

Das verstehe ich auch nicht.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Vielleicht ist mir der Herr Vorsitzende behilflich.

Vors.:

Es ist etwas schwierig, ich verstehe es so, es heißt also hier auf Seite 92: „Heute werde ich zu dem Komplex Rechtsanwälte - RAF aussagen“. Ob das eine Formulierung ist, die Sie eingangs Ihrer Vernehmung gewählt haben, die dann in die Maschine übertragen worden ist, oder ob das so gegangen ist, daß der vernehmende Beamte sagte: „Also heute sollen Sie dazu gehört werden, sind Sie bereit“ und dann sagten Sie: „ja“, und dann hat er das so von sich aus formuliert und eingeschrieben.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ja, das ist schon ganz schön der Anfang.

Vors.:

Bitte.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Das ist im Wesentlichen das, was ich gemeint habe.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, die Beamten wollten ja was wissen.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ja eben.

[10579] Zeuge Mü[ller]:

Ja, die haben ja gesagt, was Sie wissen wollten und demzufolge und daher kommt, wenn Sie so wollen, die Einleitung oder die Einführung.

Vors.:

Also Herr Müller, wenn ich vielleicht verdeutlichen darf, Sie sind nicht morgens ins Vernehmungslokal gekommen mit der Bemerkung: Heute werde ich zu dem und dem aussagen.

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

Vors.:

Sondern die Beamten haben Ihnen gesagt, wie würden Sie heute gerne zu dem und dem hören und Sie sagten: „einverstanden.“

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Vors.:

Und dann kam dieser Satz ... ist das richtig?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ja, aber Herr Müller, lesen tue das ich sehr häufig, ich werde mir die Mühe machen, wenn ich dazu noch Zeit finde, mal die ganzen Fälle aus Ihrer Akte da zusammenzuschreiben, wo wörtlich und immer wieder steht: „Heute will ich, oder heute werde ich, zu diesem oder jenem Komplex aussagen“.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, Herr Azzola, das ist einfach eine Wiederholung einer Formulierung, mehr nicht.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Herr Zeuge, aus dieser Äußerung: „Heute werde ich zu diesem und jenem aussagen“ geht hervor, daß der Gegenstand der Aussage, der konkreten Aussage, die nun kommen soll, Ihrem eigenen planvollen Vorgehen entspricht ... entspringt. Auf Vorhalt von Herrn Dr. Prinzing haben Sie aber gerade gesagt: „So war es nicht“. Der Plan, die Festsetzung des Gegenstandes dessen, über was ausgesagt werden sollte, wurde ... damit wurde ich bekannt gemacht von den Vernehmungsbeamten. Jetzt frage ich Sie noch einmal; Wer hat den Gegenstand der Aussage im Ablauf dieses Protokolls, im Ablauf dieser Monate bestimmt?

Zeuge Mü[ller]:

Ja die Vernehmungsbeamten, habe ich ja schon mal gesagt.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Gut. Hatten Sie selbst, bevor Sie mit der offiziellen Aussage begannen, sich eine Gedankenskizze gemacht, was wohl alles relevant sei, worüber man sprechen müsse?

Zeuge Mü[ller]:

Also ob ich quasi Vorarbeiten gemacht hätte?

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ja.

Zeuge Mü[ller]:

Ja eine Skizze mal, und ich habe ... das kann man in dem Sinne nicht so sagen, ich habe dann zum Beispiel aus meinen eigenen Aufzeichnungen ab und zu was zur Verfügung gestellt, aber in dem Sinne, daß ich jetzt erstens mal die Vernehmung gehabt hätte bei [10580] den Beamten, und daß ich dann womöglich abends noch oder über das Wochenende dagesessen wäre, und hätte dann Vorarbeiten gemacht, so war das nicht.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Die sehr, zu diesem Teil sehr präzisen Erinnerungsbilder, die Sie in dieser Ihrer Aussage schildern, sind die einfach auf Nennung eines Themas hin durch Kriminalbeamte bei Ihnen von selbst wieder ins Bewußtsein getreten? Bedurfte es da nur so des Hinweises: „Na Herr Müller, sagen Sie uns doch mal heute etwas über den Komplex Rechtsanwälte - RAF“ und dann sprudelte es, naja mit einigen Einsprengseln über fünfzig Seiten? Oder kamen da mit Hilfe von Vorhalten, mit Hilfe zwischengeschalteter Informationsgespräche oder sonst wie Erinnerungshilfen zustande?

Zeuge Mü[ller]:

Nun ja, es ist so, ich bin also gefragt worden jetzt, wenn Sie das Beispiel, den[mmmmmm] Komplex Anwälte nehmen: „Sagen sie bitte zu diesem Komplex aus“. Jetzt muß ich hierzu eben erwähnen, daß ich mich ja ... Herr Heldmann war ja auch zum Beispiel so freundlich, und hat verschiedene Briefe zitiert, daß ich mich ja laufend mit der ganzen Problematik beschäftigt habe, und daß ich ja keine Gelegenheit hatte, die Sachen in der Versenkung verschwinden zu lassen, sondern daß ich laufend damit beschäftigt war. Weiter ist es ja so, daß ich mit verschiedenen Presseleuten in Kontakt stand und daß ich von da her ja bemüht war, eine möglichst umfassende Erinnerung zu haben.

Ende von Band 611.

[10581] Prof. Dr. Az[zola]:

Sagen Sie, Herr Zeuge:

Sie haben hier bekundet, daß es bei dem Wortlaut der Protokollierung Ihnen auf höchste Genauigkeit angekommen sei, so daß es nachgeradezu zum Kampf gekommen sei zwischen Ihnen und dem protokollierenden Beamten.

Habe ich Sie da richtig verstanden?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Prof. Dr. Az[zola]:

Um was ging dieser Kampf? Normalerweise hat ja nicht ein Vernehmungsbeamter seine Vorstellungen - er will sie auch gar nicht - seine Vorstellungen zu Papier bringen, sondern er hat ja nur Ihre Vorstellung zu Papier zu bringen. Was bedarf es da noch eines Kampfes?

Zeuge Mü[ller]:

Ja das hängt mit der verschiedenen Begriffswelt zusammen. Wenn ich - also ich hab es ja auch bekannt, daß ich selbst Mitglied der RAF war - wenn ich hier Äußerungen getan habe eben im Jargon oder mit den Begriffen der RAF, dann sind die nicht immer ohne weiteres für jeden allgemein verständlich; und um die Ausdeutung eben solcher Begriffe ging es bei diesem Kampf. Das heißt, es ist ja so, daß unter einer bestimmten Definition ... kann man ja Verschiedenes verstehen je nachdem, wo jemand steht.

Prof. Dr. Az[zola]:

Hatten Sie das Gefühl, daß Sie es mit erfahrenen und mit dem Sachkomplex vertrauten Beamten zu tun hatten?

Zeuge Mü[ller]:

Teils teils.

Prof. Dr. Az[zola]:

Können Sie das präzisieren?

Zeuge Mü[ller]:

Ja. Es gab Beamte, die keine große Erfahrung haben als Kriminalbeamte und es gab Kriminalbeamte, die eine sehr große und lange Erfahrung hatten.

Prof. Dr. Az[zola]:

Und Aussagen, Feststellungen wie: Heute werde ich zu diesem Komplex aussagen, die waren Ihnen präzise genug?

Zeuge Mü[ller]:

Ja das ist ja kein Streitpunkt, nicht?

Prof. Dr. Azz[ola]:

Herr Zeuge, gab es auch Kämpfe, die die inhaltliche Richtung Ihrer Aussage meinten, zum Gegenstand hatten?

Zeuge Mü[ller]:

Es gab nur Kämpfe, auf die ich mich eben bezogen habe, daß es eben ne Sache der Begriffe war und weil da eben zwei verschiedne Begriffswelten aneinanderstießen.

[10582] Prof. Dr. Az[zola]:

Herr Zeuge, ist Ihnen irgendein Beispiel solcher Kämpfe - und Sie haben hier sehr schön entschieden am ersten Tag Ihrer Aussage von diesen Kämpfen gesprochen - in Erinnerung geblieben, damit wir’s mal plastisch hätten und vielleicht auch mal die Vernehmungsbeamten danach fragen könnten?

Zeuge Mü[ller]:

Es wäre wohl am besten, wenn Sie mir da einen Vorhalt machen würden.

Prof. Dr. Az[zola]:

Nein, nein, ich kann’s ja nicht vorhalten. Ich weiß doch nicht, wo gekämpft wurde an solchen Begriffen.

Nur damit ich mir eine Vorstellung machen kann, frage ich Sie.

Zeuge Mü[ller]:

Ja - da müßte ich jetzt nachdenken.

Prof. Dr. Az[zola]:

Ich bitte darum.

Vors.:

Wir können Ihnen zu diesem Zwecke Ihr polizeiliches Vernehmungsprotokoll übergeben, daß Sie das mal ganz kurz überschlagen, ob Sie irgendwo eine solche Kampfstelle finden.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, gut.

Dem Zeugen Müller wird ein Exemplar seiner polizeilichen Vernehmung übergeben.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, weil der Zeuge sich jetzt mal zunächst mit dem Protokoll beschäftigt.

Können wir eine ganz kurze Pause von fünf Minuten eintreten lassen, weil ich mal kurz nach Berlin telefonieren möchte?

Vors.:

Gerne. Der Herr Zeuge kann vielleicht die Pause dazu benutzen, solche Stellen mal herauszusuchen.

Danke.

Pause von 16.19 Uhr bis 16.28 Uhr.

So, wir sind wieder vollständig.

Herr Müller, haben Sie in diesen Vernehmungsprotokollen eine der Stellen gefunden, für die sich Herr Prof. Azzola interessiert?

RA Dr. Hoffmann verläßt um 16.28 Uhr den Sitzungssaal.

[10583] Zeuge Mü[ller]:

Ja. Mir sind auch ohne Protokoll jetzt noch einige Sachen eingefallen.

Vors.:

Bitte.

Zeuge Mü[ller]:

Also es ging da z. B. um den Begriff des „Sympathisanten“ für die RAF. Das war also in gewisser Weise ein negativer Begriff, und ich habe eben[nnnnnn] in diesen Zusammenhängen bei Vernehmungen ... Manche Kriminalbeamte waren z. B. der Meinung, daß eigentlich dieser oder jener Sympathisant eigentlich ein legales RAF-Mitglied sei und so; und ich hab aber eigentlich immer explizit drauf bestanden, daß es sich hierbei um einen Sympathisanten handelt und nicht um ein RAF-Mitglied. Das ist eins dieser Beispiele.

RA Dr. Hoffmann erscheint um 16.29 Uhr wieder im Sitzungssaal.

Ein weiteres Beispiel ist z. B. die Sache mit Schily:

Ich bin da von Vernehmungsbeamten ausdrücklich und sehr eindringlich vernommen worden, ob ich nicht vielleicht doch den Namen von Herrn Schily gehört hätte, und ich hab drauf bestanden, daß es genauso niedergeschrieben wurde wie[oooooo] ich gesagt habe, daß ich eben explizit in diesem Zusammenhang diesen Namen nicht gehört habe und nur von unausgesprochenen Voraussetzungen ausgegangen bin.

Ja, reicht das?

Prof. Dr. Az[zola]:

Mir reicht das, was Sie sagen können; ich kann nicht mehr verlangen als das, was Ihnen präsent ist.

Herr Zeuge, Sie haben in Ihrer bisherigen Aussage die sog. Info im wesentlichen als ein Disziplinierungsinstrument charakterisiert.

Vors.:

Das ist ein Vorhalt, der kann in dieser Form nicht hingenommen werden. Also „im wesentlichen“ nicht, „auch“.

Prof. Dr. Az[zola]:

Oder „auch“, ja.

Vors.:

Ich glaube nicht, „im wesentlichen“ - das kann man nicht sagen.

Zeuge Mü[ller]:

Ach ja, Kontroll- und Disziplinierungsinstrument.

Prof. Dr. Az[zola]:

Zugleich sagen Sie auf S. 101 d. A.:

[10584] „Sofern ich dieses Info nicht bekam,

- ich muß jetzt der Satzstellung umzitieren -

war ich völlig verunsichert und überlegte, was ich falsch gemacht haben könnte.“

Vors.:

Es ist der zweite Absatz - ich sehe, Sie haben’s aufgeschlagen. Dagegen ist in diesem Zusammenhang nichts einzuwenden. „Bezeichnend für dieses System war,“ - das ist der Satz, gleich oben der dritte Satz.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das ist korrekt so.

Prof. Dr. Az[zola]:

Wollen Sie damit zum Ausdruck bringen, daß Dinge, die Sie sonst oft als bedrückend empfunden haben, kaum daß Sie abwesend sind, psychische und negative ... trotz dieser Abwesenheit oder gerade, daß diese Abwesenheit einen negativen psychischen Druck auf Sie ausgewirkt hat? Das hab ich so richtig verstanden?

Zeuge Mü[ller]:

Ja nehmen Sie das doch, wie’s wörtlich gesagt ist.

Prof. Dr. Az[zola]:

Können Sie mir dann noch vielleicht sagen über das hinaus, was Sie auf S. 101 zu Protokoll gegeben haben, welche positiven Bedürfnisse oder welche sonstigen Umstände aus Anlaß solcher Verunsicherung bei Ihnen eintraten?

Zeuge Mü[ller]:

Naja - mir wär’s recht, wenn Sie das ein bißchen klarer sagen würden.

Also z. B. positive Bedürfnisse. Damit kann ich nichts anfangen.

Prof. Dr. Az[zola]:

Verunsicherung ist eine sehr allgemeine Charakterisierung einer psychischen Lage - die ist von Ihnen selbst gebraucht.

Können Sie das, was in Ihnen unter dieser Verunsicherung vorging, präziser charakterisieren?

Zeuge Mü[ller]:

Ja die Verunsicherung - naja, wie soll man das am besten bezeichnen? Ich würde sagen, das bestand in der Befürchtung, irgendwas falsch gemacht zu haben und irgendeine möglicherweise deshalb eine Sanktion - also [pppppp] das ist noch im Stadium des Nichtwissens - möglicherweise eine Sanktion auf sich gezogen zu haben oder auf sich zu ziehen.

[10585] Prof. Dr. Az[zola]:

Entstanden vielleicht auch Bedürfnisse, nen entgangenen Kontakt zu kompensieren durch anderen Kontakt?

Zeuge Mü[ller]:

Ja -

Prof. Dr. Az[zola]:

... im Zuge solcher Verunsicherung?

Zeuge Mü[ller]:

Ja das war ja immer nur ne kurzfristige Sache. Das konnte ja genausogut auch andere Gründe gehabt haben: daß die Post nicht funktioniert hat oder sonst was.

Prof. Dr. Az[zola]:

Das weiß ich. -

Herr Zeuge, wo haben Sie ... - Sie haben hier berichtet von dem Sprengstoffanschlag in Frankfurt - wo haben Sie in der Nacht vor diesem Sprengstoffanschlag geschlafen?

Zeuge Mü[ller]:

Ja ich nehme an, in der Inheidnerstraße.

Prof. Dr. Az[zola]:

Und wer hat in der gleichen Wohnung [qqqqqq] in der gleichen Nacht noch geschlafen?

Zeuge Mü[ller]:

Zumindest Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Holger Meins[45], Raspe.

Prof. Dr. Az[zola]:

Herr Zeuge, können Sie sich noch erinnern, ob Sie an diesem Morgen einzeln oder gemeinsam aufgewacht sind?

Zeuge Mü[ller]:

Ja es gab bei der RAF nicht so was wie einen Appell.

Prof. Dr. Az[zola]:

Es gab nicht ...?

Vors.:

... kein Wecken.

Prof. Dr. Az[zola]:

Sie sind einzeln aufgewacht?

Können Sie sich erinnern, was Sie unmittelbar nach dem Aufwachen gemacht haben? Können Sie etwa zeitlich eingrenzen, wann Sie sich zum erstenmal - diese Personen - zum erstenmal gemeinsam getroffen haben an dem Morgen?

Vors.:

... wobei also nicht etwa an die Erledigung natürlicher Bedürfnisse [rrrrrr] gedacht ist.

Prof. Dr. Az[zola]:

Nein, nein, zum erstenmal gemeinsam. Ich gehe davon aus, Herr Dr. Prinzing, daß gewisse Bedürfnisse einzeln erledigt werden.

Zeuge Mü[ller]:

Das kann ich nicht angeben, weil z. B. auch das Schlafverhalten der einzelnen Leute total unterschiedlich war. Das war eben ne Wohnung, in der verschiedene Leute sich hauptsächlich aufgehalten haben, und da hat jeder sich ... - manchmal hat Baader sich ein bestimmtes Zimmer genommen; manche Leute haben in dem bestimmten Zimmer geschlafen. Aber das ging manchmal auch einfach schlicht danach, wo Platz war.

[10586] Prof. Dr. Az[zola]:

Können Sie sich erinnern, ob Sie an diesem Morgen mit anderen gemeinsam gefrühstückt haben?

Zeuge Mü[ller]:

Ein gemeinsames Frühstück gab’s auch in der RAF entweder nicht oder sehr selten.

Prof. Dr. Az[zola]:

Können Sie sich erinnern, ob Sie alleine oder mit anderen - nicht unbedingt mit allen - an diesem Morgen gefrühstückt haben?

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

Prof. Dr. Az[zola]:

Sie können sich auch nicht mehr an die Zeit, an der Sie gefrühstückt haben, erinnern?

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

Prof. Dr. Az[zola]:

Wurde in diese Wohnung ein Zeitungsabonnement ausgeliefert?

Zeuge Mü[ller]:

Das weiß ich nicht mehr.

Prof. Dr. Az[zola]:

Haben Sie an diesem Morgen Nachrichten gehört?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Prof. Dr. Az[zola]:

Können Sie sich an den Inhalt dieser Nachrichten noch erinnern und etwa an den Zeitpunkt?

Zeuge Mü[ller]:

Den Zeitpunkt nicht; dem Inhalt nach hatten sie mit dem ... also eine spezielle Nachrichtensendung umfaßt ja mehr. Ein Punkt der Nachrichten war diese Verminung der nordvietnamesischen Häfen.[46]

Prof. Dr. Az[zola]:

Herr Müller, nur zu Ihren damaligen Schlafgewohnheiten als Versuch, die Zeiten etwas einzugrenzen, waren Sie damals Langschläfer? in der Regel? oder Frühaufsteher?

Zeuge Mü[ller]:

Das war verschieden.

Prof. Dr. Az[zola]:

Herr Müller, Sie haben eben bekundet, daß Sie Nachrichten gehört haben, in denen berichtet worden ist von einer Verminung von Häfen.

Können Sie sich noch erinnern, ob Sie diese Nachrichten alleine gehört haben?

Zeuge Mü[ller]:

Ich weiß, daß auch andere diese Nachrichten gehört haben.

Prof. Dr. Az[zola]:

Und daraufhin? Was geschah dann?

Zeuge Mü[ller]:

Ja ich kann nicht sagen, wann der einzelne diese Nachricht genau gehört hat. Es gab, um Ihnen das auch zu verdeutlichen, zum Teil mehrere Radios, zum Teil auch Fernseher in der Wohnung, und ich hab keine Kontrolle darüber gehabt, wer wann wo was gehört hat.

[10587] Prof. Dr. Az[zola]:

Sie haben bekundet, daß aufgrund von Informationen, die in dieser Wohnung an diesem Vormittag bekannt wurden, ein spontaner Entschluß gefaßt worden sei, ein spontaner Beschluß; ein Beschluß, etwas gegen eine amerikanische Einrichtung zu unternehmen.

Können Sie sich noch erinnern, wann, um wieviel Uhr die für die Realisierung eines solchen Beschlusses notwendigen Erkundungen begannen?

Zeuge Mü[ller]:

Zeitlich kann ich das nicht genau eingrenzen.

Prof. Dr. Az[zola]:

Und wann waren diese Erkundungen beendet?

Zeuge Mü[ller]:

Der Erinnerung nach würde ich sagen: mittags oder nachmittags.

Prof. Dr. Az[zola]:

Herr Zeuge, war Ihnen persönlich ... oder haben Sie eine Kenntnis davon, daß die Lebensgewohnheiten des IG-Farbenhochhauses[47] anderen Gruppenmitgliedern vor diesem Tag vertraut waren?

Zeuge Mü[ller]:

Ob ich Kenntnis davon habe?

Prof. Dr. Az[zola]:

Ja.

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

Prof. Dr. Az[zola]:

Herr Zeuge, war an diesem Tage jemals davon die Rede, daß am IG-Farbenhochhaus Reisegruppen abgehen und die präzisen Modalitäten hierzu? War das in der Diskussion?

Zeuge Mü[ller]:

Was verstehen Sie unter „präzisen Modalitäten“?

Prof. Dr. Az[zola]:

Art und Weise - eine Modalität ist eine Art und Weise, Herr Zeuge.

Zeuge Mü[ller]:

Ja ich weiß darüber, daß da offensichtlich ... also daß nach der Erzählung von Gudrun Ensslin in dieser Halle Koffer standen und daß sie daraus den Schluß gezogen hätte, daß da eine Reisegruppe angekommen sei oder abfahren würde.

Prof. Dr. Az[zola]:

Etwa am Mittag, sagen Sie oder am frühen Nachmittag?

Zeuge Mü[ller]:

Ich hab nicht gesagt, daß sie mir das zu dem Zeitpunkt erzählt hat.

Prof. Dr. Az[zola]:

Nein - soll das gewesen sein, soll diese Beobachtung der Ensslin stattgefunden haben?

Zeuge Mü[ller]:

Nein, sei sie wieder zurückgekommen.

Prof. Dr. Az[zola]:

Also vor dem Zeitpunkt, wo sie zurückkam, spätestens am frühen Nachmittag?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

[10588] Prof. Dr. Az[zola]:

Hat die Ensslin auch Ihnen gegenüber noch etwas dazu geäußert, wann diese Reisegruppe angekommen sein könnte oder abfahren könnte?

Zeuge Mü[ller]:

Das habe ich nicht mehr in Erinnerung.

Prof. Dr. Az[zola]:

Hat es in der Gruppe eine Diskussion darüber gegeben, ob man das Vorhandensein einer Reisegruppe in die eigene Planung einbeziehen solle?

Zeuge Mü[ller]:

Ob es eine Diskussion in der Gruppe war?

Prof. Dr. Az[zola]:

Ja.

Zeuge Mü[ller]:

Das weiß ich nicht.

Prof. Dr. Az[zola]:

Haben Sie irgend etwas dergleichen an diesem Nachmittag in der Inheidnerstraße wahrgenommen, daß dieses Thema irgendeine Bedeutung gespielt hat?

Zeuge Mü[ller]:

Insofern, als Gudrun Ensslin für sich eben dieses Faktum ausnutzen wollte.

Prof. Dr. Az[zola]:

... für sich dieses Faktum ausnutzen wollte?

Zeuge Mü[ller]:

Ja. Und hier ist natürlich zu sagen, daß ich nicht weiß, ob sie das auch noch mit anderen besprochen hat.

Prof. Dr. Az[zola]:

Wann haben Sie erfahren, daß Gudrun Ensslin dieses Faktum für sich ausnutzen wollte?

Zeuge Mü[ller]:

Frühestens, nachdem sie wieder zurückgekommen war.

Prof. Dr. Az[zola]:

Und als Sie es erfahren haben, was war Ihre innere Reaktion?

Zeuge Mü[ller]:

Ja - was soll ich dazu sagen?

Vors.:

Wenn Sie’s beantworten können. Es geht danach, was Sie empfunden haben, als Sie diese Nachricht bekommen hatten.

Zeuge Mü[ller]:

Ich verweigere die Aussage.

Vors.:[ssssss]

§ 55 StPO.

Prof. Dr. Az[zola]:

Ich verstehe. -

Herr Zeuge, Sie haben von einem spontanen Beschluß gesprochen, wenn ich so sagen darf, salopp es sagen darf - ich weiß, es trifft den Sachverhalt nicht präzise - so in einem Hauruckverfahren? Spielte die Rolle Amerikas speziell in Nordvietnam in der politischen Diskussion der RAF, seitdem Sie dazustießen, nach Ihrer eigenen Bekundung aus dem SPK, eine Rolle?

[10589] Zeuge Mü[ller]:

Ob das Verhalten von Amerika in Diskussionen in der Gruppe eine Rolle spielte? Oder wie soll ich das verstehen?

Prof. Dr. Az[zola]:

Jaja -

Zeuge Mü[ller]:

Ja in der Diskussion oder in Diskussionen innerhalb der Gruppe ist wirklich ein nicht sehr präziser Ausdruck, weil es[tttttt] solche Diskussionen entweder gar nicht oder nur sehr wenig gegeben hat; die drehten sich zumeist um taktische Fragen. Diese Sache spielt aber ne Rolle in verschiedenen Papieren, also in verschiedenen Texten der RAF, wo eben die Auseinandersetzung oder die Rolle der Amerikaner unter dem Begriff eben des ... oder da wird ja ... oft findet man ja „Antiimperialistischer Kampf“ oder wie sich das nennt, und da, in diesem Zusammenhang taucht auch die Rolle der Amerikaner in der Welt auf.

Prof. Dr. Az[zola]:

Herr Zeuge, als Sie vom SPK zur RAF wechselten, wie war Ihre innere Einstellung damals zur Rolle speziell der Vereinigten Staaten bei der Kriegsführung in Vietnam?

Zeuge Mü[ller]:

Als ich wechselte?

Prof. Dr. Az[zola]:

Ja.

Zeuge Mü[ller]:

Da hatte ich andere Probleme.

Prof. Dr. Az[zola]:

Herr Zeuge, Sie haben bekundet, daß Sie lange Autoreisen gemacht haben mit einzelnen RAF-Mitgliedern, wie Sie das bekundet haben.

Muß ich davon ausgehen, daß Sie kein Bedürfnis hatten, sich politisch in Ihrem Tun zu reflektieren und diese Reflektion umzusetzen in Kommunikation?

Zeuge Mü[ller]:

Das sind mir zuviel Fremdwörter.

Prof. Dr. Az[zola]:

Herr Zeuge, wenn ich von der Gruppe spreche, dann meine ich selbstverständlich auch Teilgruppen; denn es ist bekannt, daß die Gruppe ohnehin ein unpräziser ... eine unpräzise Größe in dem Sachzusammenhang hier steht.

Sie stießen 1971 oder war es schon 1970? Nein?

Zeuge Mü[ller]:

1971 ...

Prof. Dr. Az[zola]:

... aus dem SPK zur RAF. So etwas geschieht doch, wem ich das annehmen darf, nicht zufällig?

Zeuge Mü[ller]:

Nein, ganz bestimmt nicht.

Prof. Dr. Az[zola]:

Können Sie mir etwas über das Motiv sagen?

[10590] Zeuge Mü[ller]:[uuuuuu]

Über mein Motiv?

Prof. Dr. Az[zola]:

Ja.

Zeuge Mü[ller]:

Warum ich zur ...?

Zeuge Mü[ller]:

Ja das ist ganz einfach:

Holger Meins hat mich überredet, zur RAF zu kommen, indem er mir einfach, wenn man das so - ich will das mal mit ganz einfachen Worten ausdrücken - Angst vor ’ner polizeilichen Verfolgung machte.

Prof. Dr. Az[zola]:

Haben Sie ...

Zeuge Mü[ller]:

Es ist natürlich also korrekterweise zu sagen: Es gibt da auch natürlich noch mehrere Aspekte dabei, aber das war ein wesentlicher praktischer Aspekt.

Prof. Dr. Az[zola]:

Haben Sie das Bedürfnis gehabt oder Gelegenheit gehabt, über diese Ihre Motivation mit anderen Menschen, mit denen Sie sich bei dieser Gelegenheit zusammentrafen, zu sprechen?

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

Prof. Dr. Az[zola]:

Wurden Sie auch nicht gefragt nach Ihren Motiven?

Zeuge Mü[ller]:

Ja ich meine, das war nicht die ... Ich hatte zu diesen Leuten nicht das Verhältnis, um das tun zu können - wenn man es so sagen will.

Prof. Dr. Az[zola]:

Und trotzdem sind Sie zu ihnen gegangen und nicht vielleicht zum „Zweiten Juni“ oder ...?

Zeuge Mü[ller]:

Daß es z. B. nicht vielleicht der „Zweite Juni“ war, ergab sich ja daraus, daß ... es gab ja [vvvvvv] Kontakte zwischen der RAF und dem SPK und nicht Kontakte zwischen dem „Zweiten Juni“ und dem „SPK“.

Prof. Dr. Az[zola]:

Herr Zeuge, hatten Sie in der Haftanstalt den Wunsch, sich mit Sprengstoffproblemen zu beschäftigen?

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

Prof. Dr. Az[zola]:

Auch nicht im Zusammenhang mit dem Info, von dem hier die Rede war?

Zeuge Mü[ller]:

Wunsch ist hier ein falscher Ausdruck, weil es gab ja, wie ich bereits ausgeführt habe, Arbeitsteile, Arbeitsanweisungen im Zusammenhang mit dem Info, und im Rahmen eben dieser Anweisungen habe ich mich u. a. ... ich hab mal, soweit ich mich [10591] erinnere, hab ich mal ne Seite rausgerissen, aus einem Buch, „Wie funktioniert das“ oder so ähnlich und hab das über’s Info geschickt. Das beschäftigte sich u. a. mit Sprengstoff.

Prof. Dr. Az[zola]:

Haben Sie sich einmal vor der Jahreswende 1974/75 an einen Anwalt gewandt mit der Bitte, Ihnen Material zu technischen Sprengstoffproblemen zu übermitteln?

Zeuge Mü[ller]:

Ja. Moment: Ein Buch, ein bestimmtes Buch war das, soweit ich mich erinnere. Sie spielen da auf den Anwalt Croissant an, nicht?

Prof. Dr. Az[zola]:

Ja.

Herr Zeuge, war es Ihres Wissens üblich, daß ...

Oder zunächst einmal die Vorfrage:

Auf welchem Wege sollte denn dieses Buch zu Ihnen gelangen?

Zeuge Mü[ller]:

Ja zuerst mal zu versuchen, das auf normalem Wege zu schicken und wenn das nicht geht, per Verteidigerpost.

Prof. Dr. Az[zola]:

Herr Zeuge, war es in der damaligen Zeit üblich, daß Gefangene aus der RAF über die Zensur spezielle Sprengstoffliteratur beziehen konnten? Haben Sie da irgendwelche Kenntnisse?

Zeuge Mü[ller]:

Spezielle Sprengstoffliteratur? Also darf ich das so verstehen, daß Sie meinen, jetzt z. B. explizit ein Buch über Sprengstoffe?

Prof. Dr. Az[zola]:

Jaja, daß es übersandt wird - ein Buch oder wissenschaftliche Aufsätze über Sprengstoffprobleme.

Zeuge Mü[ller]:

Ja also ich kann von mir sagen, daß ich ... ja natürlich habe ich in diesem Zusammenhang nicht unbedingt jetzt ... also ich will mich da jetzt nicht genau festlegen, deswegen drücke ich das so ungefähr aus; aber ähnliche Literatur habe ich z. B. über die Zensur bekommen, also militärisches Zeug. Ich kann jetzt nicht genau sagen, ob da jetzt auch z. B. eben, wie Sie sagen, Aufsätze über militärische Sprengstoffe drin waren. Aber um solche Sachen handelt es sich.

Prof. Dr. Az[zola]:

Ich hab von militärisch nicht gesprochen - von technisch.

Herr Zeuge, ist Ihnen aus dem Info oder auf anderem Wege bis zum September 1974 ... sind Ihnen Beschlüsse bekannt geworden, gerichtliche Beschlüsse über die Weitergabe von Sprengstoffliteratur an RAF-Gefangene?

[10592] Zeuge Mü[ller]:

Ich erinnere mich im Moment an solche Beschlüsse nicht.

Prof. Dr. Az[zola]:

Ich möchte nicht schnell weiterfragen, denn Sie haben ganz schnell geantwortet.

Zeuge Mü[ller]:

Ja dann möchte ich Sie doch mal bitten, daß Sie ein bißchen präziser sind.

Prof. Dr. Az[zola]:

Sie haben selbst bekundet, daß das Info eine umfassenden Information, insbesondere das sog. Info 1 eine umfassende [wwwwww] interne Information auch über Stand von Verfahren, über rechtliche Probleme, Beschlüsse, die den einzelnen zwar rechtsformell betreffen, aber im Grundsatz die ganze Gruppe angingen, Ihnen zur Verfügung standen. Ist das richtig?

Zeuge Mü[ller]:

Ja das habe ich nicht verstanden.

Prof. Dr. Az[zola]:

Dieses Info, von dem Sie gesprochen haben, enthielt Beschlüsse zu Haftbedingungen.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, unter anderem.

Prof. Dr. Az[zola]:

Ja.

Damit enthielt dieses Info regelmäßig auch Informationen über zulässige und nichtzulässige Kommunikation von Häftlingen mit der Außenwelt?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, Sie meinen Zensurbeschlüsse?

Prof. Dr. Az[zola]:

Ja, richtig.

Zeuge Mü[ller]:

Also ich glaube - das ist jetzt eine Einschätzung von mir -, es sind sicher nicht alle Beschlüsse, die solche Gefangene betrafen, über’s Info gelaufen sondern nur einzelne.

Aber ich sehe Ihre Richtung: Sie zielen da auf etwas Bestimmtes ab. Warum rücken Sie nicht damit raus?

Prof. Dr. Az[zola]:

Ich darf doch nicht[xxxxxx] eine unzulässige Voraussetzung einführen, Herr Müller.

Vors.:

Herr Professor, darf ich einen Augenblick die Gelegenheit jetzt benützen:

Es ist mir nahegebracht worden von Herrn RA Huth zu klären jetzt, nachdem der Herr Zeuge am dritten Tag sehr spät vernommen wird, ob das Frageprogramm so gestaltet ist, daß wir Aussichten haben, noch in absehbarer Zeit damit fertigzuwerden. Der Zeuge würde es unter diesen Umständen auf sich nehmen, heute noch allen Fragen sich zu stellen. Wenn das Frageprogramm sich allerdings noch so lange hinzieht, daß wir heute keine Aussichten mehr haben, zum Ende zu kommen, dann wäre es wünschenswert, wenn wir alsbald Schluß machen würden. Dann hätte es also keinen Wert, so lange in den Abend rein zu verhandeln.

[10593] Deswegen meine Frage:

Sind Ihre Fragen noch ...

Prof. Dr. Az[zola]:

Ich bin mit Sicherheit bald fertig.

Vors.:

Darf ich davon ausgehen, daß auch von Ihrer Seite nicht so weit an Fragen gedacht ist, daß das nicht heute erledigt werden könnte, die Herren Rechtsanwälte?

Gut. Ich glaube, dann können wir’s mal riskieren.

Bitte, Herr Professor.

Zeuge Mü[ller]:

Darf ich dann um eine kurze Pause bitten?

Vors.:

Ist es notwendig, Herr Müller? Ich meine, Sie können mit Rücksicht auf Ihren gesundheitlichen Zustand, der uns jedenfalls noch vor 14 Tagen mitgeteilt worden ist, das erbitten. Ich möchte nicht, daß das Frageprogramm unnötig auseinandergerissen wird. Wenn Sie also sich jetzt noch imstande fühlten, dann würde ich vielleicht bitten, daß man den Komplex zumindest abschließt, den der Herr Professor grade angesprochen hat und dann die Pause erst einlegt.

Oder ist’s Ihnen sehr wichtig? Wir müssen die Pause dann mit Rücksicht auf diesen Gesundheitszustand machen, das ist klar. Aber es kommt drauf an, ob Sie die paar Fragen, die zu dem Komplex noch gehören ...

Prof. Dr. Az[zola]:

Der Komplex Info ist fertig.

Vors.:

... ist fertig. Dann wäre das ne richtige Zäsur im Augenblick.

Prof. Dr. Az[zola]:

Ja.

Vors.:

Reichen zehn Minuten?

Zeuge Mü[ller]:

Jaja.

Vors.:

Zehn Minuten Pause.

Pause von 16.58 Uhr bis 17.13 Uhr.

[10594] Vors.:[yyyyyy]

Herr Professor, bitte.

Prof. Dr. Az[zola]:

Herr Zeuge, nur zur Ergänzung:

Haben Sie dann dieses Buch über die Zensur bekommen?

Zeuge Mü[ller]:

Das ist jetzt die Frage, ob Sie dasselbe meinen wie ich?

Prof. Dr. Az[zola]:

Ja, ich hoffe, daß ist im September 1974 - mir ist nur ein Fall bekannt. Sind Ihnen mehrere Fälle ähnlicher Art - Sie erinnern sich - sich in den Besitz von Sprengstoffbüchern zu begeben aus der damaligen Zeit?

Zeuge Mü[ller]:

Es ist ja so gewesen, daß mir mal von Andreas Baader ne Buchliste über das Info gegeben wurde, und da war als empfehlenswerte Literatur ein oder zwei Sprengstoffbücher aufgeführt, die empfohlen wurde zu lesen.

Was dieses Buch angeht: Soweit ich mich erinnere, handelt es sich um ein Buch - sehr unsicher - vom Hansaverlag, das in Remittendenbeständen, also in ...

Vors.:

Ja, ist richtig.

Prof. Dr. Az[zola]:

In Remittenden - Sie sind in Fremdworten gar nicht schlecht, Herr Müller.

Zeuge Mü[ller]:

Danke sehr.

... ja also solche zurückgehende Bücher, nicht? Die sollten noch erhältlich gewesen sein, und ich hatte, soweit ich mich erinnere, Herrn Croissant gebeten, dieses Buch zu besorgen.

Prof. Dr. Az[zola]:

Ist es Ihnen über die Zensur zugegangen?

Zeuge Mü[ller]:

Dieses Buch habe ich nicht bekommen.

Prof. Dr. Az[zola]:

Ist Ihnen ein anderes Buch, das Sprengstoffprobleme zum Inhalt hat, über die Zensur zugegangen in der damaligen Zeit?

Zeuge Mü[ller]:

Ein Buch? ...

Prof. Dr. Az[zola]:

... wo eine Informationsschrift, ein Buch, ein ...

Zeuge Mü[ller]:

Also an ein Buch kann ich mich nicht erinnern.

Prof. Dr. Az[zola]:

... ein vervielfältigtes Wesen oder wie man das nennen soll, damit keine Mißverständnisse, damit der allgemeinste Rahmen nur skizziert wird.

Zeuge Mü[ller]:

Sie meinen, ein Info?

Prof. Dr. Az[zola]:

Nein, nein. Die Infos gingen nicht durch die Zensur.[48]

Prof. Dr. Az[zola]:

Eine Druckschrift, die sich mit Sprengstoff beschäftigte. Ist Ihnen eine solche Druckschrift über die Zensur zugegangen?

[10595] Zeuge Mü[ller]:

Das kann ich nicht ausschließen.

Prof. Dr. Az[zola]:

An einen Gerichtsbeschluß in Ihrer Sache in bezug auf eine solche Druckschrift können Sie sich nicht erinnern?

Zeuge Mü[ller]:

Speziell in bezug auf Sprengstoff?

Prof. Dr. Az[zola]:

Jaja, auf eine Druckschrift, die sich mit Sprengstoff beschäftigt.

Zeuge Mü[ller]:

Also ich kann mich da nicht dran erinnern, daß es speziell einen Beschluß gegeben hätte in bezug auf eine Druckschrift zum Thema Sprengstoff.

Prof. Dr. Az[zola]:

Herr Zeuge, haben Sie im Sommer 1974 - ich bitte, die Jahreszahl zu beachten: 1974 - schriftlich gegenüber dem, was hier oft Gruppenmitglieder benannt wird, Selbstkritik geübt?

Zeuge Mü[ller]:

Im Sommer 1974?

Prof. Dr. Az[zola]:

Ja.

Zeuge Mü[ller]:

Also Sie sprechen jetzt ein Infopapier an?

Prof. Dr. Az[zola]:

Selbstkritik sprech ich an.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, ich war ja in Einzelhaft.

Prof. Dr. Az[zola]:

Herr Zeuge, meine Frage war sehr präzise:

Haben Sie schriftlich im Sommer 1974 gegenüber anderen Gruppenmitgliedern Selbstkritik geübt?

Zeuge Mü[ller]:

Ich habe eine Selbstkritik geübt 1974 wohl - also ich will mich jetzt nicht genau auf dieses Datum festlegen -, aber ich nehme an, ich weiß, Sie meinen da sicher eine Selbstkritik, die über’s Info ging?

Prof. Dr. Az[zola]:

Richtig, daß Sie mal meinen, mir in meiner Meinung mir vorauseilen.

Haben Sie dabei erwähnt bei dieser Selbstkritik, die über das Info ging, daß Sie schon im Sommer 1972 sich an die Polizei - an polizeiliche Dienststellen - mit der Bitte um Kontaktaufnahme gewandt haben, oder wollen Sie dazu die Aussage verweigern?

Zeuge Mü[ller]:

Moment. - Das ist möglich, daß es da drinsteht; aber wenn es drinsteht, dann ist es falsch.

Prof. Dr. Az[zola]:

Ist es öfters vorgekommen?

Kommt es öfters vor, daß Sachen, die Sie von sich selbst sagen und Dritten schriftlich mitteilen, falsch sind?

[10596] Zeuge Mü[ller]:

In den Infopapieren ja.

Prof. Dr. Az[zola]:

Und dann ist natürlich auch falsch, d. h., es steht zwar da, aber es ist inhaltlich dann falsch, daß in diesem Kontext von Bedingungen gesprochen wurde, daß Sie über Bedingungen in diesem Kontext geschrieben haben?

Zeuge Mü[ller]:

Über was für Bedingungen?

Ja machen Sie mal bitte einen Vorhalt.

Prof. Dr. Az[zola]:

Aja - Naja, wir sprachen erst über Selbstkritik, dann über Kontaktaufnahme mit der Polizei, und im Zusammenhang mit dieser Kontaktaufnahme kam dann die Geschichte ... Man macht Kontakte ja nicht, wissen Sie, so beliebig, sondern im Kontext mit so’ner Kontaktaufnahme stand: „Ich wollte wissen die Bedingungen“.

Zeuge Mü[ller]:

Das ist mir vollkommen nebenraus.

Ende von Band 612.

[10597] Prof. Dr. Azz[ola]:

Naja, es ist ja auch falsch, wenn Sie, wie Sie vorhin gesagt haben ... Können Sie mir aber sagen, was Sie zu diesen falschen Informationen an Gruppenmitglieder, die Sie noch nicht, wie soll ich sagen, die Sie nicht verletzen, darum sage ich nicht, verraten haben, sondern noch nicht verlassen haben. Welches Motiv für solche Fehlinformation aussehen möchte? Was hat Sie motiviert, in Sommer 1974 in Rahmen einer Selbstkritik, die Sie schwer belastende, im Sinne der Gruppe, schwer belastende Aussage zu machen, „ich habe vor zwei Jahren mit der anderen Seite - um mich wieder höflich auszudrücken - Kontakte aufgenommen, aufzunehmen versucht, um über Bedingungen zu reden. Ich wollte erfahren, was Ihre Bedingungen sind?“

Zeuge Mül[ler]:

Es handelt sich hierbei nicht um Aussagen, sondern den Text einer Selbstkritik die in einem bestimmten Kontext, um Ihr Wort einmal zu gebrauchen, steht.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Das würde mich interessieren, der Kontext. Was war der Kontext oder das Motiv zu dieser fehlerhaften Information. Sie sagten ja gerade, es war ja gar nicht so. Sie sagen, das stimmt ja gar nicht, auch wenn es dort steht. Wars 72 gar nicht. Sie haben sich also gegenüber Ihren eigenen Gruppenmitgliedern im Sommer 74, in einer Sache, die angeblich zwei Jahre zurückliegen sollte, schwer belastet, wenn ich so sagen darf, Kohlen auf Ihrem Haupt gesammelt.

Vors.:

Ja Herr Professor, die Frage ist gestellt. Ich glaub sie war verständlich. Was war der Grund dafür?

Zeuge Mül[ler]:

Ja das würde eine gewisse Erklärung bedingen. Diese, meine Selbstkritik unterschied sich nicht von anderen, jedenfalls der Struktur nach. Wie gesagt, war ja dieses Instrument, dieses INFO ein Kontroll- und Disziplinierungsinstrument. Weiter muß gesagt werden, daß die RAF für mich ein Kollektiv war, sondern eine hierarchische Gruppe. Diese Selbstkritiken, ob sie nun jetzt z.B. diese von mir sind oder diese von, als Beispiel jetzt angeführt, von Ulrike Meinhof oder von Holger Meins oder von Grashof, die waren immer durch eines gekennzeichnet, daß auf der einen Seite eine Art Selbstzerfleischung oder Selbstbeschuldigung stattfand von Dingen, die von der Sicht der RAF aus verwerflich erschienen, um dann eben quasi wieder aufbauend zu sagen, naja, kurz ausgedrückt und einfach, ich will mich bessern.

[10598] Prof. Dr. Azz[ola]:

Herr Müller, haben Sie den Eindruck, daß bei Selbstkritiken anderer Gruppenmitglieder, haben Sie Veranlassung von einer der Selbstkritiken anderer Gruppenmitglieder auch erfundene Sachverhalte dafür herhalten mußten, um diese Art von Ihnen skizzierten Masochismus zu befriedigen?

Zeuge Mül[ler]:

Ja.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Also wir können davon ausgehen, daß solche Selbstkritiken regelmäßig nicht wörtlich zu nehmen sind, Ihrem Eindrucke nach und Sie waren doch ein Insider.

Zeuge Mül[ler]:

Ja, daß sie eben in einem bestimmten Zusammenhang stehen und so zu verstehen sind ...

Prof. Dr. Azz[ola]:

Also auch richtig erfundenes enthalten können?

Zeuge Mül[ler]:

Ja.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Herr Müller, Sie haben von Angela Luther gesprochen, am 1. Tag Ihrer Vernehmung. Und davon, daß Herr Baader bestimmte Pläne mit Frau Luther hatte. Können Sie sich erinnern?

Zeuge Mül[ler]:

Ja. Nein, es wäre besser, wenn Sie das konkretisieren würden.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ich wäre Ihnen dankbar, ich habe weiß Gott Wiederholungen vermieden, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie an dieser Stelle heute uns ins Gedächtnis rufen könnten, was angeblich das Motiv des Herrn Baader war, um Frau Luther in den Sprengstoffanschlag von Heidelberg, so wie Sie es bekundet haben, einzuführen.

Vors.:

Das ist eine Wiederholung, Herr Professor. Es gibt kein Anlaß und Sie waren ja in diesem Falle anwesend.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ich war da, ich weiß das. Aber es geht mir um die Aufhellung eines Widerspruches.

Vors.:

Ja dann bitte ich doch dem Zeugen[zzzzzz] im Wege des Vorhalts mitzuteilen, was Sie wissen davon, was er gesagt haben soll. Dann kann ja das geklärt werden.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Herr Zeuge, Sie haben einmal ausgesagt, Herr Baader habe Frau Luther fester an die RAF binden wollen mit diesem Auftrag, weil er befürchtete, sie könne sonst zum 2. Juni überwechseln.

Zeuge Mül[ler]:

Das ist nicht korrekt. Das stimmt nicht.

Vors.:

Das hat er auch nicht in der Form gesagt. Nicht weil er es befürchtete, sondern weil er gewußt habe, daß der Wechsel stattfinden solle.

[10599] Prof. Dr. Azz[ola]:

Also noch schärfer, als ich es eben gesagt habe.

Weil er gewußt habe, daß Angela Luther, ich hatte es etwas schwächer in Erinnerung, zum „zweiten Juni“ überwechseln wurde.

Zeuge Mül[ler]:

Ja falsch bleibt nach wie vor, daß er sie an die RAF binden wollte.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Er wollte sie also ruhig gehen lassen.

Zeuge Mül[ler]:

Man sollte also das ganze korrigieren.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Er wollte sie also ruhig gehen lassen? Nur noch mal einen Auftrag erledigen lassen?

Vors.:

Nein, er wollte daß sie zum Schweigen verpflichtet sei durch die Verwicklung in kriminelle Handlungen im Zusammenhang mit Aktionen der RAF.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Als Mitglied des 2. Juni?

Zeuge Mül[ler]:

Wie bitte?

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ja, ja, als zukünftiges Mitglied des 2. Juni. Eine Organisation von der man auch sagt, sie sei eine nach [§ ]129 unseres StGB[49] und mehr. Bedurfte es da einer Kriminalisierung?

Ich hab das nicht verstanden, Herr Müller.

Zeuge Mül[ler]:

Ja dann erklären Sie mir bitte, was Sie nicht verstanden haben.

Vors.:

Der Sinn ist der, Herr Müller. Wenn jemand von der RAF zum 2. Juni wechselt, beide mit ähnlichen Zielen und Motiven, beide durch ihre Tätigkeit ohnedies zur Geheimhaltung in eigenen Interesse verpflichtend für jedes einzelne Mitglied, dann leuchtet es dem Herrn Professor nicht ein, warum jemand, der nun von der einen zur anderen Gruppe geht, extra noch verpflichtet werden müßte. Verstehen Sie, im Sinne des Schweigens. Denn er sei es ja automatisch auch bei der andern Gruppe.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Zum Schweigen verpflichtet.

Zeuge Mül[ler]:

Ich kann da jetzt nur eine Vermutung unterbringen. Und zwar einfach die, daß wenn Angela Luther sagt, sie geht zum 2. Juni, daß das ja nicht unbedingt so sein muß. Außerdem weiß man ja nicht, wie das mit dem 2. Juni ausgeht.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Hatte Herr Baader andere Befürchtungen noch?

Zeuge Mül[ler]:

Achso, jetzt fällt mir noch was weiteres ein. Es gab ja 1971 Kontakte mit dem 2. Juni. Und bei einem dieser Treffen war ich dabei. Und die Meinung also dieser, besonders von Andreas Baader bzw. Gudrun Ensslin, waren nicht sehr hoch über den 2. Juni. Und das war auch einfach dem äußeren Ansehen zu entnehmen. Also [10600] nicht daß Sie mir jetzt unterstellen Voreingenommenheit von wegen Kleidung bzw. Frisur, sondern einfach, ich meine damit auch die ganzen Umstände. Zum Beispiel wie sie wohnten, wie sie sich verhielten.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Also Sie meinen, Baader habe angenommen, wer zum 2. Juni überzuwechseln im Begriff ist, kann auch zur Polizei gehen?

Zeuge Mül[ler]:

Ja. Erstens Mal ist nicht sichergestellt, daß er überhaupt dahin geht. Und zweitens ist die Möglichkeit nicht auszuschließen.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Auf welche Tatsachen gründet sich diese, Ihre Vermutung über die Ansichten des Herrn Baader?

Zeuge Mül[ler]:

Auf welche Tatsachen?

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ja.

Zeuge Mül[ler]:

Auf die Kenntnis des zweiten Juni von Angela Luther und ...

Prof. Dr. Azz[ola]:

Nein, nein. Ihre Kenntnis von den möglichen Vermutungen des Herrn Baader. Auf welche Tatsachen Sie sich stützen.

Zeuge Mül[ler]:

Ja, das sagte ich doch gerade.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Auf den 2. Juni?

Zeuge Mül[ler]:

Auf die Kenntnis vom 2. Juni. Auf die Kenntnis von Angela Luther und auf die Kenntnis der Zusammenhänge.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Herr Müller, die Kenntnis des 2. Juni kann Ihnen hier höchstens Rückschlüsse aber keine Tatsachen vermitteln.

Zeuge Mül[ler]:

Ich habe ja auch von Vermutungen gesprochen und nicht von Tatsachen.

Vors.:

Genau. Herr Professor, er sagte ja ausdrücklich, hier kann ich nur mit Vermutungen arbeiten. Wenn er Tatsachen gewußt hätte, hätte er sie ja auf Ihre Frage angeben müssen. Aber er sagte, ich habe keine Tatsachen, ich kann nur vermuten, so war es.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ich möchte bei den Vermutungen bleiben, Herr Müller.

Ihr erster Rechtsanwalt war Herr Rechtsanwalt Ströbele. Ihr zweiter Rechtsanwalt war Herr Rechtsanwalt von Plottnitz. Wissen Sie, warum Herr Rechtsanwalt von Plottnitz ein Mandat bei Ihnen übernommen hat oder haben Sie insoweit nur Vermutungen?

Wissen Sie Tatsachen oder haben Sie Vermutungen? Ich will nicht die Tatsachen wissen und den Inhalt der Vermutungen auch nicht. Sondern ich frage Sie präzise, wissen Sie, warum er das Mandat übernommen hat oder haben Sie Vermutungen?

Zeuge Mül[ler]:

Dazu habe ich bereits ausgesagt. Ich bitte da also ...

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ich kann das leider nicht überprüfen. Über die Tatsache, daß Herr Eberhard Becker Sie besuchte, die Gründe dafür, daß Herr [10601] Becker Sie besuchte, haben Sie über diese Motive Wissen oder Vermutungen?

Zeuge Mül[ler]:

Darüber habe ich auch bereits ausgesagt.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ich kann auch das nicht überprüfen.

Herr Zeuge, können Sie mir sagen, wie ein Rechtsanwalt die Schwäche eines Mandanten ausnutzen kann?

Vors.:

Darf ich fragen, welcher Sachzusammenhang, was soll hier ...

Prof. Dr. Azz[ola]:

Blatt 96. Es geht mir, ich habe den ganzen Fragenkomplex nicht eingeführt. Ich bedauere, daß über die engen Grenzen des INFO Systems hinaus in meiner Abwesenheit durch Befragung der Bundesanwaltschaft mehrere Weiterungen geschehen sind, in Form von Fernprozessen.

Vors.:

Nun, ich darf aber darauf hinweisen, das Gericht hat immer wieder gebeten, den Rahmen genau auf das abzustecken, was hier sachdienlich sein kann. Und soweit ich beobachtet habe, ist das auch geschehen. Sonst wären die Fragen beanstandet worden.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Und jetzt vermute ich genau den Stellen nachzugehen, Herr Dr. Prinzing, in denen ein großes Problem darin liegt, welche Art von Quelle hinter dem Wissen des Herr Zeugen Müller über die Anwälte steht. Und da stehen so Behauptungen, der eigentliche Veranlasser war Baader, Seite 97. Da gewisser Zeuge Müller Herrn Baader darüber nicht gefragt hat, und das steht hier in Behauptungsform und nicht in Vernutungsform, und er hatte vorhin gesagt, daß er um jede Formulierung gekämpft hat, Ihre Präzision, wollte ich der Sache nachgehen, ob es sich hier um wirkliche Behauptungen oder Vermutungen handelt. Daraufhin hat man mir gesagt, das sei alles schon abgehandelt. Da mir das Protokoll nicht zur Verfügung steht und ich zwingend gestern verhindert war, kann ich es nicht überprüfen, ob es wirklich abgehandelt ist.

Vors.:

Schön. Sie wollen also die Verläßlichkeit der Protokollierung im Polizeiprotokoll überprüfen, wobei wir natürlich klar darüber sind, daß alles, was hier gesagt wird, an sich nur Interesse gewinnt, soweit es durch die Aussagen in der Hauptverhandlung bedeutungsvoll geworden ist.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Richtig, sonst führe ich es in die Hauptverhandlung ein, weil natürlich der ganze Fragenkomplex Anwälte eingeführt ist und also auch die Frage der Glaubwürdigkeit des Zeugen.

Vors.:

Es ist nicht der Komplex Anwälte eingeführt, sondern es ist bei [10602] der Darstellung, welche Bedeutung das INFO System für den Zusammenhalt der Gruppe hat, das Kapitel Anwälte zur Frage gekommen. Und das ist durchaus ein legitimer Vorgang, daß der Zusammenhang, soweit er über die Anwälte gelaufen sein soll, nach den Aussagen des Zeugen, von ihm dargestellt werden.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Es ist mir heute schon gelungen an einer Stelle klar zu machen, daß der Zeuge, auch wenn er anderes schreibt, in der Lage ist, bewußt die Unwahrheit zu sagen. Von allen anderen Unwahrheiten die aufgedeckt worden sind, abgesehen. Wenn ich den Wahrheitsgehalt der Aussagen des Zeugen über die Beteilgung der Anwälte am INFO überprüfen will, indirekt überprüfen will, bin ich dabei andere, Wahrheitsgehalt anderer Aussagen zu Anwälten gem. Polizeiprotokoll zu prüfen.

Vors.:

Aber ich meine, wir müssen jetzt mit den Erklärungen tatsächlich Schluß machen. Wir bitten Sie dann um eine präzise Frage. Also es darf nicht ...

Prof. Dr. Azz[ola]:

Meine Frage lautete, haben Sie ein präzises Wissen, daß Herr Baader der Veranlasser für den Besuch des Herrn Becker war oder haben Sie eine Vermutung.

Vors.:

Ich darf Ihnen die Stelle im Zusammenhang, Herr Müller vorhalten, sonst werden Sie kaum mit der Frage richtig etwas anfangen können. Im Februar 73 heißt es auf Blatt 97 im letzten im letzten Absatz Ihrer polizeilichen Vernehmung: „Erhielt ich das erste Mal Besuch von Rechtsanwalt Eberhard Becker. Er kam offensichtlich auf Anweisung von Ströbele oder Plottnitz, d.h. der eigentliche Veranlasser war Baader.“ Und nun will der Herr Professor wissen, ob das eine Vermutung von Ihnen gewesen ist oder ob Sie wußten, daß Baader hinter diesem Besuch des Herrn Rechtsanwalts Becker gestanden hat?

Zeuge Mül[ler]:

Ja also ich weiß, Sie haben es vorhin so ausgedrückt. Sie wollten wissen, wer die Quelle meines Wissens ist. Und die Quelle suchen Sie bitte im INFO System und bei den Anwälten. Und daher habe ich meine Information.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Nein, ich habe gefragt, ob die Quelle eine Vermutung ist oder ein positives Wissen ein auf Tatsachen gestütztes Wissen, so wie es hier nämlich steht. Hier steht eine Behauptungsform.

Zeuge Mül[ler]:

Dann habe ich Sie falsch verstanden. Ich hatte Sie so verstanden.

[10603] Vors.:

Gut. Wenn Sie jetzt die Frage richtig verstanden haben, darauf die Antwort.

Zeuge Mül[ler]:

Ja ich habe mein Wissen, was dargelegt ist, habe ich aus Gesprächen mit Anwälten und aus den INFO System, d.h. auch u.a. aus dem direkten Kontakt mit Andreas Baader.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Nocheinmal, wollen Sie hier eine Vermutung zum Ausdruck bringen, mit der Formulierung, d.h. der eigentliche Veranlasser war Baader.

Zeuge Mül[ler]:

Das ist eine Tatsache, das ist keine Vermutung.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Können Sie die Tatsachen präzisieren über das, was Sie eben gesagt haben hinaus. Steht da in den INFO drin, Baader macht, Baader organisiert die Anwälte, besonders die schwachen Typen oder so etwas. Ich meine die Tatsachen, können Sie die Tatsachen mir ein bißchen ... Aus welchen Tatsachen oder waren es Rückschlüsse, Herr Müller, daß Sie in dieser Weise von Herrn Baader sprechen können? Tatsachen oder Rückschlüsse?

Zeuge Mül[ler]:

Ja das sind Tatsachen und zwar einfach aufgrund dessen, weil diese Anwaltsbesuche eben Anfang 1973, darunter von Eberhard Becker, im Rahmen der sogenannten Blockverteidigung[50] stattfand.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Und Sie wollen auch eine Tatsache zum Ausdruck bringen im Bezug auf die Motive des Herrn Plottnitz auf Seite 96 der Akte. Nicht eine bei Ihnen gehegte Vermutung, sondern eine Tatsache. Naja, ich laß das fallen. Trotzdem habe ich noch einige Fragen zur Qualität Ihres Textes zur Präzision mit der Sie Tatsachen von Vermutung trennen.

Vors.:

Ich bitte doch jetzt, diese Fragen nicht so zu garnieren, sondern sie direkt zu stellen und zwar insbesondere natürlich Fragen die sich beziehen auf die Aussage die der Herr Zeuge hier in der Hauptverhandlung gemacht hat. Das ist das maßgebliche.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ja aber ich will ja den Wahrheitsgehalt des gesamten Zeugen überprüfen. Z.B. Sie schreiben in Ihren Protokollen, in Ihren Protokollen steht, unter Ihrer Unterschrift, daß Sie regelmäßig Erfrischungsgetränke gereicht bekommen haben?

Zeuge Mül[ler]:

Können Sie bitte einen Vorhalt machen ...

Prof. Dr. Azz[ola]:

Haben Sie während Ihrer Vernehmung Erfrischungsgetränke gereicht bekommen?

Zeuge Mül[ler]:

Ja.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ist Ihnen während Ihrer Haftzeit auch schon einmal das Wasser entzogen worden?

[10604] Zeuge Mül[ler]:

Wie bitte?

Vors.:

Hat das was mit der Glaubwürdigkeit ...

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ja, ja, das kommt gleich. Ich versuche immer voraussetzungslos zu fragen. Ist Ihnen während der Haftzeit schon einmal das Wasser entzogen worden. Jetzt haben wir eben erfahren, zu trinken bekamen Sie jedenfalls während der Vernehmung.

Zeuge Mül[ler]:

Soweit ich mich erinnere, ist mir von Anstaltsseite, wenn Sie darauf, also bei Vernehmungen ist mirs Wasser nicht entzogen worden.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ist es sonst von Anstaltsleitung mal entzogen worden?

Zeuge Mül[ler]:

Von einer Anstaltsleitung ist mir das Wasser auch nicht entzogen worden. Ich habe aber mich einmal im Zusammenhang mit dem Hungerstreik etwa 24 Stunden selbst in einen Durststreik begeben.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Gut. Herr Müller, haben Sie ein Wissen davon, daß anderen Gefangenen vom Anstaltsleiter ... der Anstaltsleitung Wasser entzogen wurde?

Zeuge Mül[ler]:

Nach Berichten von Rechtsanwälten damals, ja.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Haben Sie zu dieser Frage polizeilich eine Aussage gemacht?

Zeuge Mül[ler]:

Wie bitte?

Prof. Dr. Azz[ola]:

Haben Sie zu diesem Fragenkomplex polizeilich eine Aussage gemacht?

Zeuge Mül[ler]:

Über Wasserentziehung?

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ja.

Zeuge Mül[ler]:

Also ich meine, ich hätte in diesem Zusammenhang mal was erwähnt. Ich kann mich dabei aber nicht festlegen.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Gut, dann darf ich Ihnen vorhalten Bl. 107 d.A ...

Ich lese einen Zusammenhang vor, 107 am Ende: „Etwa im Herbst 1974 verbreitete Baader über das INFO seine Idee, daß Sartre ihn besuchen sollte.[51] Ausgangspunkt für diesen Besuch war der letzte Hungerstreik. Dabei war Baader zum Teil auch seitens der Gefängnisverwaltung das Wasser entzogen worden,[52] um ihn zum Essen zu bringen.“ Ich frage Sie, die Kenntnis über den Nachsatz, um ihn zum Essen zu bringen, beruht die auf Tatsachenwissen oder auf Vermutungen?

Zeuge Mül[ler]:

Das beruht auf Erzählung, u.a. von Rechtsanwalt Plottnitz, u.a. auf Papieren die übers INFO gegeben worden waren, z.B. über eine Anweisung eben des Hessischen oder überhaupt irgend eines [10605] Vollzugs, was zu geschehen sei im Falle eines Hungerstreikes. Außerdem habe ich das über das INFO ...

Prof. Dr. Azz[ola]:

Hier steht aber nicht angeblich, um ihn zum Essen zu bringen, sondern hier steht als Tatsachenbehauptung, um ihn zum Essen zu bringen. So wie wenn Sie bei der Anstaltsleitung gewesen wären und nachgefragt hätten. Ist das die Präzision mit der Sie Ihre Texte hier verfaßt haben. Waren Sie, haben Sie sich informieren können bei der Anstaltsleitung?

Zeuge Mül[ler]:

Nein, da war ich nicht.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Herr Müller, ich habe im Bezug auf die Präzision keine Fragen mehr.

Vors.:

Darf ich Sie ganz kurz, Herr Professor, um eine Unterbrechung bitten. Herr Rechtsanwalt Schily, haben Sie Fragen?

RA Schi[ly]:

Weil ich sehe, daß es 17.45 Uhr ist. Für meine Situation ist es so, ich habe morgen eine Verabredung in Berlin die ich auf keinen Fall versäumen darf. Und ich muß also sehen, daß ich auf jeden Fall heute Abend noch nach Berlin komme. Also wollte ich nur die Frage stellen, wie der Senat denkt, weiter fortzufahren. Wollen wir heute bis 8 Uhr oder 9 Uhr hier noch verhandeln ...

Vors.:

Ich glaube nicht, daß der Herr Zeuge dazu imstande wäre. Es hängt wesentlich von der Verfassung des Herrn Zeugen ab. Herr Professor Azzola, Sie sind zu Ende wie ich höre. Es liegt wohl auch im Interesse des Herrn Zeugen ihn zu fragen, ob er noch bereit ist, weitere Aussagen zu machen, denn im Grunde genommen war Ihre Vernehmung nur für diese Woche vorgesehen. Sollten wir heute nicht zu Ende kommen, würde das bedeuten, daß wir Sie am nächsten Dienstag hier wieder benötigten. Wie stellen Sie sich zu der Frage des Weitermachens unter diesen Umständen?

Zeuge Mül[ler]:

Ja ich meine, das hängt von den Herrn Verteidiger ab. Mir wäre es recht, wenn man es fortführen könnte. Man müßte dann eben auf die entsprechenden Pausen achten.

Vors.:

Ich habe von Herrn Dr. Hoffmann gehört, daß er noch Fragen hätte. Ich würde mindestens gerne mal sehen, um welches Fragenprogramm es sich hier dabei handelt, so daß wir sehen, ob ...

RA Schn[abel]:

Ja uns gibt es ja auch noch ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schnabel, verzeihen Sie ...

RA Schn[abel]:

... und wir hätten vielleicht auch noch gewisse Fragen zu stellen.

[10606] Vors.:

Sicher, Sie werden ...

RA Schn[abel]:

Ich persönlich kann auch nicht länger als bis 18.30 Uhr allenfalls. Ich habe um 19 Uhr jemand in die Praxis bestellt.

Vors.:

Das ist nun kein Grund, wenn Sie sagen, Sie seien nicht mehr imstande der Verhandlung zu folgen, dann ist das wieder etwas anderes. Aber darauf können wir nun also an Sitzungstagen in der Tat keine Rücksicht nehmen. Es war ganz klar, daß heute der letzte Vernehmungstag sein sollte und daß damit zu rechnen war, daß sich das länger hinzieht. Aber wenn wir ohnedies zu dem Ergebnis kommen, daß wir heute nicht zu Ende kommen, dann wäre es sinnwidrig jetzt die Vernehmung auszudehnen, auch mit Rücksicht auf den Herrn Zeugen. Jetzt möchte ich fragen, Herr Rechtsanwalt Dr. Hoffmann, wie lange?

RA Dr. Hoff[mann]:

Also bei mir wird es so lange dauern, wie ich Ihnen das vorhin angedeutet habe, 1 bis 2 Stunden, wahrscheinlich 2 Stunden.

Vors.:

Ist das schon ein Frageprogramm, das heute vorhanden wäre?

RA Dr. Hoff[mann]:

Wie bitte?

Vors.:

Ist das Frageprogramm schon soweit gediehen, daß Sie jetzt noch zwei Stunden fragen könnten?

RA Dr. Hoff[mann]:

Nein, das ist mit Rücksicht auf Besprechung mit[aaaaaaa] meinem Mandanten noch nicht abgeschlossen.

Vors.:

Ja dann haben Sie also offenbar jetzt kein fertiges Frageprogramm. Jetzt ist der Zeuge da.

RA Dr. H[eldmann]:

Ja Dienstag soll er wiederkommen, haben Sie[bbbbbbb] gerade gesagt.

Vors.:

Nein, er war vorgesehen für heute. Also die Fragen die Sie jetzt stellen wollen, das wäre wichtig zu wissen, ob Sie jetzt imstande sind, weitere Fragen an den Herrn Zeugen zu stellen?

RA Dr. Hoff[mann]:

Ich kann nur wiederholen, was ich gerade gesagt hab.

Vors.:

Nein, wenn Sie sagen, ich habe 1-2 Stunden Fragen, dann sollten Sie auch mal zeigen, daß Sie wirklich solche Fragen haben.

RA Dr. H[eldmann]:

Bezweifeln Sie die Aussage des Herrn Kollegen, Herr Vorsitzender?

Vors.:

Wie bitte?

RA Dr. H[eldmann]:

Bezweifeln Sie die Aussage des Herrn Kollegen Dr. Hoffmann?

Vors.:

Ja, ich bezweifle Sie, weil er selbst ausgedrückt hat, er habe die Fragen noch nicht fertig. Sie hingen noch von einer Besprechung [10607] mit dem Mandanten ab. Das ist aber nicht das Fragerecht, das jetzt im Augenblick eingeräumt wird. Also ich habe allen Grund, das zu bezweifeln, seine eigene Aussage. Aber ich würde Sie bitten, daß ich Gespräche mit Herrn Rechtsanwalt Dr. Hoffmann selbst mit Ihm führen kann, ohne Ihre Vermittlung.

RA.Dr.H.:

Ja wenn Sie so freihändig umgehen, Verteidiger hier anzuschuldigen, dann ist es doch wohl auch meine Sache, ob wir uns solche ...

Vors.:

Herr Dr. Hoffmann, haben Sie jetzt Fragen?

RA Dr. Hoff[mann]:

Herr Vorsitzender, Sie haben nicht die Spur von Anlaß, an dem was ich hier gesagt hab, Zweifel zu haben. Ich wiederhole also ...

Vors.:

Ob Sie Fragen haben?

RA Dr. Hoff[mann]:

... ich wiederhole. Ich habe einen Fragenkatalog, der sich auf diese Zeit ausdehnen kann und der ist in seinem Umfang abhängig von einer vorherigen Besprechung mit meinem Mandanten.

Vors.:

Also hätten Sie jetzt Fragen? Hätten Sie jetzt Fragen, hier ist der Zeuge.

RA Dr. Hoff[mann]:

Ich habe keine weitere Erklärung abzugeben.

Vors.:

Dann darf ich fragen, die Herrn Verteidiger, wollen Sie jetzt Fragen stellen? Herr Rechtsanwalt Schnabel, bitte? Ich mein, darf ich davon ausgehen, Herr Rechtsanwalt Schnabel, daß Sie etwa zeitlich übersehen können, wie lange das noch dauern würde?

RA Schn[abel]:

Herr Vorsitzender, ich möchte Sie zunächst daran erinnern, daß gestern kurz vor 17 Uhr von Ihnen mehrfach darauf hingewiesen wurde, daß gegen 17 Uhr die Verhandlung zu Ende sein sollte. Und daß man wohl dann auch davon ausgehen kann, zumal das in erster Linie damit begründet wurde, daß der Gesundheitszustand des Zeugen, der amtsbekannt nicht der beste sei und der im übrigen ein entsprechendes Gutachten vorgelegt hätte, Anlaß dazu gebe, gegen 17 Uhr zu enden. Dann sehe ich eigentlich nicht den Unterschied, weshalb der Gesundheitszustand am 3. Tag, vermutlich noch etwas schlechter ja, als am 1. oder 2., heute Anlaß dazu bietet, daß man über 18 Uhr gar hinaus verhandelt.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schnabel, ich habe darauf hingewiesen, daß heute der letzte Tag der Vernehmung sein sollte. Das war so vorgesehen und daß der Herr Zeuge, der seinen Zustand selbst beurteilen muß, ob er noch imstande ist, einen gewissen Wert darauf legt, daß er heute fertig wird. Das hat er selbst bekundet, ihm wäre es lieb. [10608] Und solange er sich zur Verfügung stellt, meine ich, ist Gelegenheit gegeben, an ihn Fragen zu richten. Das ist der Unterschied zum gestrigen Tage.

RA Schn[abel]:

Herr Vorsitzender, ich finde es nur etwas merkwürdig, daß es darauf ankommt, ob ein Zeuge lustig ist, um das einmal salopp zu sagen, noch Aussagen zu machen oder nicht. Daß es aber keine Rolle spielt, ob ein Anwalt etwa um 19 Uhr eine Besprechung in seiner Kanzlei hat. Das ist doch eine sehr merkwürdige Einordnung von Anwälten und Zeugen hier.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, Sie verlieren jetzt viel Zeit. Ich sage Ihnen nochmals dazu, es kommt darauf an, ob der Zeuge bereit ist, noch Fragen zu beantworten. Ob er sich dazu noch imstande fühlt. Dann wollen wir doch sehen, ob der Herr Zeuge heute noch abgeschlossen werden kann. Herr Rechtsanwalt Dr. Hoffmann stellt ja keine Fragen. Er will erst eine Besprechung mit seinem Mandanten. Das ist aber nicht der Sinn der Frage, ob heute hier jetzt dem Zeugen Fragen gestellt werden sollen.

RA Schi[ly]:

Darf ich ums Wort bitten?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily?

RA Schi[ly]:

Zunächst einmal finde ich, sollte doch der Senat auch einmal sich darüber Gedanken machen, ob nicht die Rücksichtnahme auf Anwaltsverpflichtungen anderer Natur, mindestens den gleichen Rang hat, als die Rücksichtnahme auf Lust und Laune eines Zeugen.

Vors.:

Es geht nicht um Lust und Laune. Das ist also nun wirklich falsch Herr Rechtsanwalt.

RA Schi[ly]:

Und im übrigen kann ich also nur dem Kollegen zustimmen, wenn er sagt, also die Lust oder die Bereitschaft spielt doch keine Rolle, wenn objektiv der Gesundheitszustand von Herrn Müller so ist, daß er gestern schon mit 17 Uhr die Grenze erreicht hatte, dann kann es eigentlich heute nur noch schlechter sein. Im übrigen meine ich, ist es auch Sache des Senats, darauf Rücksicht zu nehmen, daß wir als Verteidiger nun die Notwendigkeit vielleicht sehen, über das was bisher der Herr Müller hier als Zeuge ausgesagt hat, die Mandanten zu unterrichten und sich daraus womöglich weitere Fragen ergeben, so daß ich ausdrücklich den Antrag stelle, die Sitzung jetzt zu unterbrechen und die Vernehmung des Herrn Müller am Dienstag fortzusetzen, wobei ich vorne herein erklären muß, es tut mir leid, ich bin da festge- [10609] legt auf einen Termin. Ich bin darauf eingestellt, daß mindestens etwa um diese Zeit, spätestens um diese Zeit, die Sitzung heute enden würde. Ich sehe keine Möglichkeit, dann hier länger an der Sitzung teilzunehmen, weil ich auf jeden Fall meine letzte Maschine nach Berlin erreichen muß. Ich bedauere das, aber ich kann jetzt nicht da morgen diesen Termin auf diese Weise dann versäumen.

Das ist ein lange festliegender Termin und Sie werden Verständnis dafür haben, daß ich ja schließlich auch mich irgendwie mal terminlich abgrenzen muß.

Vors.:

Ja. Ich möchte mich jetzt da orientieren. Wie lange werden Ihre Fragen etwa in Anspruch nehmen. Wer meldet sich dann heute noch zu Wort. Herr Rechtsanwalt Schnabel, läßt sich das überblicken bei Ihnen? Ich habe schon zum Ausdruck gebracht, wenn ich sichere Hinweise dazu habe, daß jetzt vorhandene Fragen einen größeren Zeitraum in Anspruch nehmen, daß wir dann mit Rücksicht auf den Herrn Zeugen, trotz seines Wunsches, es heute möglichst abzuschließen, das am Dienstag fortführen werden. Wenn ich aber die Auskunft bekomme, ich habe einen Fragenkatalog, aber habe jetzt keine Fragen, wie ich Sie verstanden hab, Herr Dr. Hoffmann, dann habe ich keinen Grund, darauf Rücksicht zu nehmen. Hier sind Fragen effektiv, Herr Rechtsanwalt Schnabel. Können Sie es ungefähr zeitlich überblicken, wie lange das dauert?

RA Schn[abel]:

Das hängt auch davon ab, welche Antworten ich von dem Zeugen bekomme.

Vors.:

Das ist klar. Aber ich mein, Sie müssen ja wissen, ob Sie sehr viele Fragen zu stellen haben oder nicht.

RA Schn[abel]:

Also allzuviele sind es nicht. Also wenn ich davon ausgehe, daß der Herr Professor Azzola vor 1 Stunde gesagt hat, er hätte nur wenige Fragen, dann hab ich auch nur wenige Fragen.

Vors.:

In diesem Sinne. Es würde also auch möglicherweise 1 Stunde in Anspruch nehmen. Ja, Herr Müller, Sie müßten dann eben bis zum Dienstag hierbleiben. Für den Fall, daß wir jetzt die Sache zu führen, d.h. Sie müßten uns an Dienstag wieder zur Verfügung stehen. Das ist in Ihrer ursprünglichen Ladung nicht vorgesehen gewesen, aber ich glaube, da gibt es keinen zwingenden Hindernisgrund, oder?

Zeuge Mül[ler]:

Ja.

Vors.:

Wie steht es bei Ihnen, Herr Rechtsanwalt Huth. Auf Sie müssen wir auch Rücksicht nehmen?

[10610] RA Huth:

Das kann ich im Augenblick nicht übersehen, das muß ich erst nachprüfen.

Vors.:

Nichtwahr, das ist ja das alte Problem, daß wir bei Herrn Rechtsanwalt Steinacker auch erlebt haben, daß er eben sagte, bitte, ich habe die Ladung bekommen ...

RA Huth:

... Montag, Dienstag, Mittwoch ist geplant, aber am nächsten Dienstag, da weiß ich nicht.

Vors.:

Können wir dazu eine kurze Pause machen, daß Sie das zu Hause feststellen. Läßt sich das noch ...

RA Huth:

Ja, das läßt sich noch machen.

Vors.:

Denn wir müssen es wissen, ob wir am Dienstag den Herrn Zeugen noch haben, d.h. den Herrn Rechtsanwalt dazu.

Können wir mit 10 Minuten etwa rechnen, solange machen wir Pause.

Pause von 17.54 Uhr bis 18.03 Uhr.

Vors.:

So wir können fortsetzen. Herr Rechtsanwalt Huth, Sie sagen, am Dienstag sei es für Sie außerordentlich schwierig.

RA Huth:

... schwierig, weil die Kollegin im Urlaub dann ist und ich bin also da in echten Kollisionen. Ich weiß nicht, ob ich die beheben kann.

Vors.:

So daß wir also doch jetzt mal versuchen sollen, Herr Rechtsanwalt Schnabel, ich habe auch gehört, daß Sie grundsätzlich bereit seien, fragen noch zu stellen. Bittesehr!

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, ich möchte doch bitten, daß über meinen Antrag entschieden wird. Ich habe einen Antrag gestellt.

Vors.:

Der ist damit entschieden, daß wir noch fortsetzen wollen. Das ist ja Sache des Vorsitzenden.

RA Schi[ly]:

Ja dann bitte ich um einen Senatsbeschluß.

Ein Antrag auf Unterbrechung ist doch wohl eines Senatsbeschlusses wert? Und ich bitte noch zur weiteren Begründung ...

Vors.:

Ich darf darauf hinweisen, also kürzere Unterbrechungen sind Sache des Vorsitzenden ...

RA Schi[ly]:

Ja ich bitte aber nicht um eine kürzere Unterbrechung, wie Sie vielleicht vernommen haben, sondern um eine Unterbrechung der Hauptverhandlung bis zum kommenden Dienstag. Und wenn Sie das unter kürzere Unterbrechungen ...

[10611] Vors.:

Das ist Unterbrechung, ja bis zum Ablauf der 10 Tagesfrist.[53]

RA Schi[ly]:

... Und ich möchte zur weiteren Begründung doch vortragen, daß ich es eigentlich nicht einsehen kann, inwiefern die büromäßigen Interessen des Kollegen Huth, die ich durchaus auch respektiere, aber den Vorrang haben sollen vor anderen hier am Verfahren ...

Vors.:

Es sind nicht die büromäßigen Interessen, sondern die Frage, ob der Herr Rechtsanwalt Huth, der auf Dienstag der kommenden Woche nicht geladen war, imstande ist, an diesem Tag den Herrn Zeugen zu vertreten. Und der Herr Zeuge hat Anspruch darauf, daß sein Verteidiger da ist. Das liegt einfach daran, daß wir davon ausgegangen sind, es könne heute fertig gemacht werden. Wir wollen den Versuch unternehmen.

RA Schi[ly]:

Naja, dann meine ich eben, daß ...

Vors.:

Ich bitte das möglichst jetzt abzukürzen. Wie wollen nicht die Zeit jetzt noch dadurch verreden. Aber ich bin gerne bereit, den Senat mit ...

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, darf ich mich vielleicht dazu noch abschließend dazu äußern. Sie hatten mich ja unterbrochen. Dann mag doch mit dem Herrn Kollegen Huth vielleicht auch darüber die Frage gesprochen werden, ob es am Mittwoch geht. Dann mag der Dienstag wegfallen und dann mag es am Mittwoch die Verhandlung fortgesetzt werden.

Vors.:

Unter den gegebenen Umständen, der Senat hätte gerne am Dienstag dann noch ein anderes Sitzungsprogramm gebracht, wäre es uns sehr wichtig zu klären, ob heute die Vernehmung noch zu Ende gebracht werden kann. Es entspricht auch, wenn ich weiß, Ihren Möglichkeiten, ist das richtig?

(Nach geheimer Umfrage)

Der Senat hat beschlossen:

Die Befragung wird fortgesetzt.

Herr Rechtsanwalt Schnabel hat das Wort.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, dann bitte ich nur zu Protokoll aufzunehmen, daß ich mich jetzt leider aus der Sitzung entfernen muß, weil ich nicht anders disponieren kann, weil ich morgen Vormittag, wie gesagt, den Termin wahrzunehmen habe.

Vors.:

Sie gelten damit als entschuldigt, Herr Rechtsanwalt Schily ...

[10612] Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

Und welche Zeit haben Sie vorgesehen für die Erklärung nach [§ ]257[ StPO].[54]

Vors.:

Die werden wir dann heute in der Tat wohl nicht mehr angreifen können. Da wäre am Dienstag Gelegenheit gegeben.

Da da ja ein Sitzungstag noch vorgesehen ist. Dazu gibt es dann abschließend dann sowieso einiges zu sagen. Da ja das Gericht im Augenblick kein weiteres Beweisprogramm mehr hat, als den Herrn Zeugen Müller, soweit noch nicht über die offenen Anträge entschieden ist. Herr Rechtsanwalt Schnabel, bitteschön.

RA Schn[abel]:

Herr Zeuge, wer hat Sie bestimmt dazu, Ihre Aussagen vom Dienstagabend zum Mittwochmorgen zu ändern?

Rechtsanwalt Schily und Dr. Heldmann verlassen um 18.07 Uhr den Sitzungssaal.

Rechtsanwalt Dr. Hoffmann verläßt ohne weitere Erklärung ebenfalls um 18.07 Uhr den Sitzungssaal.

Zeuge Mül[ler]:

Wie bitte, das habe ich beantwortet.

RA Schn[abel]:

Das haben Sie nicht beantwortet. In dieser Form nicht.

Zeuge Mül[ler]:

Ja ich habe gesagt, daß es meine Entscheidung war, aufgrund der Belehrung des Herrn Vorsitzenden.

RA Schn[abel]:

Wann ist denn diese Belehrung des Herrn Vorsitzenden gewesen?

Zeuge Mül[ler]:

Kurz vor Schluß der Sitzung. Und die Sitzung hatte damit geendet, daß ich also vorläufig die Aussage zum Namen Hoff und zum Namen Harry verweigert habe und am anderen Morgen habe ich diese Erklärung dazu abgegeben.

RA Schn[abel]:

Wollen Sie behaupten, daß am Dienstag abend der Herr Vorsitzende Ihnen eine Belehrung dergestalt gegeben hat, Sie mögen es sich noch einmal überlegen oder ob Sie vielleicht nicht doch Aussagen machen oder was Ähnliches.

Vors.:

Das hat er nicht behauptet.

RA Schn[abel]:

Ja oder etwa. Welche Belehrung hat denn der Herr Vorsitzende Ihnen an Dienstag abend erteilt?

Vors.:

Ist das, Herr Rechtsanwalt Schnabel, ich mein, das ist ja jedem Prozeßbeteiligten zugänglich gewesen. Es ist auch im schriftlichen Protokoll enthalten ...

RA Schn[abel]:

Das ja noch nicht vorliegt.

Vors.:

Ja sicher. Aber wir können doch jetzt nachträglich nicht wieder- [10613] holen, was Gegenstand dieses Verfahrens gewesen ist.

RA Schn[abel]:

Ich behaupte doch lediglich, oder behaupten Sie das Gegenteil, daß Sie am Dienstag abend am Ende der Verhandlung keine Belehrung erteilt haben.

Vors.:

Ich habe dem Herrn Zeugen, meines Wissens aber Herr Rechtsanwalt Schnabel, insofern kann ich Sie verstehen, ich bin mir auch nicht mehr ganz sicher, wie es abgelaufen ist. Ich weiß, daß ich ihm sehr eindringliche Vorhalte gemacht habe, hinsichtlich gewisser Widersprüche. Das könnte der Zeuge möglicherweise als das verstanden haben. Es könnte auch sein, daß ich ihn darauf hingewiesen habe, er sei Zeuge und habe die Wahrheitspflicht. Und wenn er zu dem Punkt nichts sagen wolle, dann eher [§ ]55[ StPO] als etwa gegenüber der Wahrheitspflicht zu verstoßen. Ich bin mir aber nicht sicher.

RA Schn[abel]:

Also ich bin mir anderer Meinung. Das haben Sie nicht gesagt; wohl aber ...

Vors.:

Gut, es könnte sein. Herr Rechtsanwalt Schnabel, ich kann es nicht bestreiten.

RA Schn[abel]:

Also ich werde im Moment in „geheimer Umfrage“ hier bestätigt, daß ich offensichtlich recht hätte, nach der Erinnerung des Kollegen hier. Insofern die Frage, Sie haben eben sich auf eine Belehrung des Herrn Vorsitzenden berufen, die offensichtlich, wie ich eben sage und wie bestätigt wurde, nicht stattgefunden hat.

Zeuge Mül[ler]:

Ja, es war so. Mir sind ja hier, ich mein, das wissen Sie doch auch, bestimmte Vorhalte gemacht worden. Insbesondere bezüglich des Vorgangs, die Übernahme eines Metallrohres und den ganzen Zusammenhang, wie sich der Vorsitzende geäußert hat, habe ich als, für mich als eine Belehrung verstanden. Ob Sie jetzt damit im juristischen Sprachgebrauch eine Belehrung verstehen, das weiß ich ja nicht. Für mich habe ich es so verstanden.

RA Schn[abel]:

Das wäre also die Antwort auf eine zweite Frage von mir.

Was Sie dazu bewegt hat. Sie haben sie bereits gegeben. Und ich habe Sie gefragt, wer Sie dazu bewegt hat. Die haben Sie immer noch nicht beantwortet, diese Frage.

Zeuge Mül[ler]:

Ja diese Ausführungen des Vorsitzenden.

RA Schn[abel]:

Und wer sonst noch?

Zeuge Mül[ler]:

Ja sonst niemand.

RA Schn[abel]:

Weshalb haben Sie diese Erklärung am nächsten Morgen nicht selbst abgegeben, Herr Zeuge?

[10614] Zeuge Mül[ler]:

Das wollte ich ja.

RA Schn[abel]:

Warum haben Sie es nicht getan, wenn Sie es schon wollten?

Zeuge Mül[ler]:

Ja das war hier ein Mißverständnis. Ich wollte ansetzen und da hatte bereits Herr Huth angefangen. Ich hatte ihm meinen Entschluß mitgeteilt und da wollte ich eben ansetzen zu meiner Erklärung und da war aber schon Herr Huth in Gange.

RA Schn[abel]:

Also von ansetzen habe ich auch wieder nichts gemerkt. Und das Protokoll wird wohl Ihre Ansätze auch nicht verzeichnen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, darf ich zur Aufklärung, ich bitte um Entschuldigung, wenn ich eingreife, folgendes sagen. Es ist mir auch aufgefallen, daß die Erklärung, Herr Rechtsanwalt Huth, ich muß mich insofern berichtigen, nach dem letzten Gespräch mit Ihnen die Erklärung von Rechtsanwalt Huth gekommen ist. Ich habe aber ausdrücklich deshalb den Herrn Zeugen gefragt, ob das, was Herr Rechtsanwalt Huth gesagt habe, auch seine Erklärung sei, ob er das übernehme. Und daraufhin hat der Herr Zeuge das bestätigt und ich glaube auch noch, ganz kurz in eigenen Worten formuliert.

So ist es wohl abgelaufen.

RA Schn[abel]:

Das stimmt, ja. Aber ich frage ja, weshalb er nicht von vorne herein die Erklärung selbst abgegeben hat.

Vors.:

Das ist ja eben gesagt worden, daß er das gewünscht habe ...

RA Schn[abel]:

Nein, er hat gesagt, wir wollen ganz präzise sein, er hat gesagt, er hätte Ansätze gemacht und dann sei aber der Herr Huth ... Und von den Ansätzen war mir also nichts bekannt. Und Ihr Protokoll wird wohl auch diese Ansätze nicht verzeichnen.

Zeuge Mül[ler]:

Ja unter Ansatz verstehe ich auch schon den Vorsatz.

RA Schn[abel]:

Das ist also ein innerer Ansatz bei Ihnen?

Zeuge Mül[ler]:

Genau.

RA Schn[abel]:

Herr Zeuge, vor 114 des Sonderordners, der sich mit Ihren Aussagen befaßt, ist eine graphische Skizze vorhanden, die hier als Anlage 2 bezeichnet wird. Von wem stammt diese?

Rechtsanwalt Schnabel zeigt dem Zeugen die Skizze aus Anl. 2 des Ordners 127.

Zeuge Mül[ler]:

Diese Skizze stammt von mir.

RA Schn[abel]:

Haben Sie die selbst gemacht?

Zeuge Mül[ler]:

Die habe ich selbst gefertigt.

RA Schn[abel]:

Und womit?

[10615] Zeuge Mül[ler]:

Bleistift und mit Büchsen oder Wassergläsern.

RA Schn[abel]:

Könnten Sie diese Skizze mir mal erläutern. Die fällt mir nämlich dadurch auf, daß es äußere Kreis gibt, die sind durchgezogen, die innere Kreise, die sind nicht durchgezogen. Dann gibt es Pfeile, die sind auch durchgezogen und Pfeile, die sind nicht durchgezogen. Und im übrigen komme ich ohnehin nicht mit bei dieser Skizze hier.

Dem Zeugen wird die Skizze aus Anlage 2 des Ordners 127 übergeben.

Zeuge Mül[ler]:

Können Sie mich bitte fragen, zu was genau Sie eine Erläuterung haben wollen.

RA Schn[abel]:

Ja erläutern Sie doch diese Skizze, die von Ihnen angefertigt wurde, was Sie darstellen soll, diese verschiedenen Pfeile und Kreise und weshalb da also immer wieder Pfeile nicht durchbrochen und andere durchbrochen sind und alles kreuz und quer geht. Was soll das ganze?

Rechtsanwalt Dr. Heldmann erscheint wieder um[ccccccc] 18.14 Uhr im Sitzungssaal.

Zeuge Mül[ler]:

Das versucht darzustellen, das INFO System im Zusammenhang mit verschiedenen Kampagnen, Organisationen usw. Das ist also der große Kreis, wo drinsteht INFO 3, INFO 2-HS, INFO 1. Das umfaßt ...

RA Schn[abel]:

Entschuldigung, wenn ich Sie unterbreche, daß wir den Zusammenhang fassen. Was heißt dieses HS denn?

Zeuge Mül[ler]:

Hungerstreik. Das ist eine Kürzung für Hungerstreik.

RA Schn[abel]:

Ja bitte?

Zeuge Mül[ler]:

Dieser großer Kreis in der Mitte oben, der umfaßt quasi die Gruppe aller Gefangenen die mit dem INFO System, mit der INFO Zentrale im Büro Groenewold verbunden waren. Die gestrichelten Kreise zwischen INFO 3 und INFO 2-HS und INFO 1 kennzeichnen, daß es da, nicht jetzt Grenzen gab, aber daß es da Unterschiede gab. Also daß es wieder jeweils ein eigener Kreis ist.

Ende von Band 613

[10616] Zeuge Mü[ller]:

Und es zeigt auch oder sollte ausdrücken, daß eben zum Beispiel INFO I den gesamten großen Kreis umfasst und INFO II nur INFO II und INFO III und INFO III eben nur den Rand. Das war damit zumindest beabsichtigt.

RA Schn[abel]:

Sie haben doch einmal eine Aussage gemacht, daß das INFO I also nur den Spitzenkräften zugänglich gewesen wäre und II dann dem zweiten Glied und III [ddddddd] wohl allen.

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

RA Schn[abel]:

Jetzt sagen Sie, daß das INFO I auch das III umfasst, daraus müßte ich doch schließen, daß das INFO I das größere oder umfassendere war und hier ist es gerade umgekehrt aufgezeichnet. Sie haben das auch umgekehrt gesagt.

Zeuge Mü[ller]:

Jetzt fällt mir ein, das ist zu sehen als ein Kegel, der ... von oben, also wenn Sie die Figur eines Kegels nehmen, dann ist ja nicht nur eine Sache eines Raum... also einer Fläche oder so, sondern es gibt ja auch eine Hierarchie.

RA Schn[abel]:

Dann soll diese Skizze eine Draufsicht sein?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, auf die Schnitte in einem Kegel, wenn man so will, einen abgeschnittenen, oben abgeschnittenen Kegel.

Vors.:

Mit der Spitze nach oben, wenn ich das fragen darf.

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

RA Schn[abel]:

Ja. Und jetzt, was ist denn mit den Verwandten hier?

Was haben die denn für eine Funktion in diesem gesamten Bereich?

Zeuge Mü[ller]:

Ja hier sind ... die „Verwandte“ sind in einem Extrakreis und zwar deshalb, weil sich bei verschiedenen Anlässen und zu verschiedenen Gegebenheiten haben sich die Verwandten als eine geschlossene Gruppe hinter irgendwelche Resolutionen oder Forderungen gestellt. Es gab, wenn man so will, es gab keine, meiner Erinnerung nach zum Beispiel keinen „Verein der Verwandten der RAF-Gefangenen“ oder so, aber zu bestimmten Anlässen hatten sich die Verwandten als solche zusammengeschlossen und sie hatten als solche ... mindestens irgendwelche Resolutionen[eeeeeee] unterschrieben oder auch Aktionen gemacht, möglicherweise. Soweit ich weiß, war da mal was in Düsseldorf oder so.

RA Schn[abel]:

Heißt das, daß die Verwandten auch an dem INFO-System teilnahmen und zwar indem sie das INFO-System mit Material fütterten und umgekehrt die Verwandten auch mit den INFOS bedient wurden, so sehe ich das zumindest aus diesen Pfeilen hin und her oder stimmt das nicht?

[10617] Zeuge Mü[ller]:

Ja, erstens das und zweitens ist ja hier noch hinzuzufügen, daß es ja oft eine Personalunion gab. Zum Beispiel waren Verwandte im ... in den Komitees, die da aufgebaut worden waren. Zum Teil waren Anwälte in Komitees oder ... nicht[fffffff] An... also Hilfskräfte in Anwaltsbüros. Das zeichnet erstens mal, zeich... kennzeichnet das den Materialfluß, das war eben die Schwierigkeit der Darstellung, den Materialfluß, den Informationsfluß zu kennzeichnen, und das andere ist zum Teil ... bezieht sich zum Teil auf die personellen Zusammenhänge und hier unten sehen Sie, ja ... also unten links, mehr links neben der Mitte sehen Sie ja Striche. Da habe ich versucht, die Zusammenhänge anzudeuten zu verschiedenen Veranstaltungen, Kampagnen und so weiter.

RA Schn[abel]:

Eine andere Frage. Herr Zeuge, sind Sie bereit, einzelne der Anwälte, die Sie im Lauf Ihrer Inhaftierungszeit besucht und juristisch beraten haben, von einer Verschwiegenheitspflicht, die die StPO normiert, zu entbinden?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das ist eine juristische Frage, da kann ich im Moment nichts dazu sagen.

RA Schn[abel]:

Das ist keine juristische Frage.

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

RA Schn[abel]:

Trifft das auf sämtliche Anwälte zu oder auf einzelne, die Sie entbinden würden, Ihre Antwort eben?

Vors.:

Wobei man abgrenzen darf, sämtliche Anwälte sind gemeint, die mit Ihnen in irgendeinem Mandantenverhältnis ...

RA Schn[abel]:

Ja sicher, das hatte ich ja schon in der Vorfrage gesagt, also nicht sämtliche Anwälte Deutschlands.

Vors.:

Das war auch nicht gemeint, sondern die hier Genannten, wir hatten ja hier einen engeren Kreis.

RA Schn[abel]:

Die anderen kann er ja gar nicht entbinden, denn die haben keine Verschwiegenheitspflicht ihm gegenüber.

Vors.:

Ich habe es nur zu seiner Aufklärung, zur Klarheit gesagt.

RA Schn[abel]:

Jaja.

Vors.:

Ob Sie einen der Anwälte, die Sie mandiert hatten, denen Sie Vollmacht gegeben haben, von der Verschwiegenheitspflicht befreien würden, das ist der Sinn der Frage.

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

RA Schn[abel]:

Herr Zeuge, Sie haben eine Unmenge von Gegenständen, die hier leider nicht mehr vorhanden sind, identifiziert am ersten Tag Ihrer Zeugenvernehmung. Es ist natürlich eine gewisse Schwierigkeit [10618] für den Verteidiger, der ja erst anschließend ein Fragerecht hat und nicht zwischendurch auch sagen kann, was sagen Sie zu dem einen oder zu dem anderen, jetzt zu sagen, dieser Gegenstand der auf dem Tisch vorn links an dritter Stelle von oben rechts lag, weshalb und wie haben Sie ihn identifiziert. Bedaure in diesem Zusammenhang, daß diese Gegenstände nicht mehr vorhanden sind. Möchte aber ganz generell und pauschal Sie fragen, Herr Zeuge, haben Sie diese einzelnen Gegenstände, die hier denn vorlagen, an einzelnen charakteristischen Merkmalen identifiziert oder haben Sie pauschal gesehen diese Gegenstände identifiziert, indem im Wesentlichen es sich eben um Gegenstände ähnlicher Art handelte, die Sie einmal gesehen haben in dieser oder jener Wohnung oder bei dieser oder jener Gelegenheit? Oder können Sie Charakteristika für einzelne Gegenstände angeben, daß es dieselben Gegenstände waren oder sind, die Sie damals gesehen haben?

Zeuge Mü[ller]:

Ich habe mich in dieser Form, soweit ich mich erinnere, bei der Befragung über diese Gegenstände auch ausgedrückt. Ich habe nie gesagt, daß ist[ggggggg] hundertprozentig genau dieser Gegenstand, sondern ich habe gesagt, so einer war es oder ... ich kann nicht genau sagen, daß es dieser ... daß es derselbe war, sondern eben nur, er hatte diese Form, er hatte diese Merkmale undsoweiter, und es gibt da eben eine Ähnlichkeit.

RA Schn[abel]:

Das haben Sie bei einzelnen getan, bei der Mehrheit vermutlich sogar, aber bei einzelnen haben Sie es nicht getan, die haben Sie also identifiziert. Und haben Sie da entsprechende Merkmale gesehen gehabt, bis Sie es identifizieren konnten, das ist die erste Frage und die zweite ist die, haben Sie etwa charakteristische Merkmale der Gestalt gesehen, daß Sie sagen konnten, es waren Gegenstände der Art, die ich dort oder zu dieser oder jener Zeit gesehen habe.

Zeuge Mü[ller]:

Ja das ist richtig. Bei einzelnen Sachen habe ich das nicht getan ... zum Beispiel Schrot-MP und solche Sachen. Also ich habe dieses, zum Beispiel die Schrot-MP als solche identifiziert, weil so, wie sie gebaut war, die Zusammensetzung undsoweiter, also die einzelnen Merkmale dieser Waffe, weil die eben übereinstimmten. Und das ist ja nicht eine serienmäßig hergestellte Waffe, sondern das ist ja eine spezielle Einzelanfertigung.

RA Schn[abel]:

Herr Zeuge, woher wissen Sie, daß das keine serienmäßige Waffe ist und daß das eine Einzelherstellung ist?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, mir ist, wenn ich so will, nie bekannt geworden, daß eine solche Waffe ... gut, in dem Sinne will ich mich berichtigen, mir [10619] ist in diesem Zusammenhang nie bekannt geworden, daß eine solche Waffe serienmäßig hergestellt wird. Das Wissen über die Einzelanfertigung ... ja, habe ich ja bereits gesagt, da hat sich ja Holger Meins mit beschäftigt und ...

RA Schn[abel]:

Dann haben Sie sein Wissen übernommen. Sie haben aber kein eigenes Wissen in dieser Richtung, oder?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, wie soll ich das verstehen?

RA Schn[abel]:

So, wie ich es gefragt habe.

Vors.:

Ob Sie aus den Mitteilungen, die Ihnen Herr Meins gegeben hat, Herr Müller, den Schluß für sich gezogen haben, daß es sich um eine spezielle Anforderung etwa aufgrund von Wünschen oder Vorschlägen von Herrn Meins gehandelt haben könnte?

Zeuge Mü[ller]:

Ja ich weiß, es war ja im Herstellungsprozeß dieser Waffe, die lief ja mehrmals zwischen ... oder zu „Pfirsich“ und die wurde ja mehrmals von Meins, unter anderem einmal in meiner Gegenwart, ausprobiert in Bezug auf ihre Funktion. Und was die andere Seite anbelangt, es[hhhhhhh] hat in der RAF, beziehungsweise in der Wohnung Inheidener Straße eine Reihe von Waffenliteratur gegeben, woraus eben ersichtlich war, in diesem begrenzten Rahmen, daß eine solche Waffe nicht serienmäßig hergestellt wird.

RA Schn[abel]:

Wo haben diese Versuche denn stattgefunden in Ihrem Beisein von Herrn Meins mit dieser Waffe?

Zeuge Mü[ller]:

Das war in einem Wald in der Nähe ... eher Richtung Hanau zu. Da war ... bei diesem Versuch war auch Andreas Baader dabei.

RA Schn[abel]:

Und wann war das?

Zeuge Mü[ller]:

Das kann ich auch nur wieder auf Frühjahr 72 einengen.

RA Schn[abel]:

Ja, weit im Frühjahr, oder am Anfang des Frühjahrs, am Ende des Frühjahrs oder ...

Zeuge Schn[abel]:

Also wieder ... nun ja, ich würde sagen März, April, Mai.

Die drei Monate kommen dafür in Betracht.

RA Schn[abel]:

Können Sie ausschließen, daß eben diese Waffe, um jetzt bei der zu bleiben, wir können auf andere Gegenstände noch zu sprechen kommen, daß diese Waffe eben doch auch serienmäßig hergestellt wurde?

Vors.:

Ob Sie das ausschließen können nach Ihrem Kenntnisstand.

Zeuge Mü[ller]:

Absolut kann ich das nicht ausschließen.

RA Schn[abel]:

Und gilt diese Antwort, die Sie jetzt gegeben haben, auch für verschiedene andere Gegenstände, die Sie hier nur pauschal identifizierten, daß es sich eben um Serienmaterial handelte und [10620] nicht um speziell hergestelltes Material?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, wenn man es also, ... wenn man es präzise sagen will, da kann ich das im gleichen Sinne auch nicht ausschließen.

RA Schn[abel]:

Danke.

Vors.:

Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Ich sehe, die Herren Verteidiger haben im übrigen keine Fragen mehr. Dann scheinen mir die Fragen für den Herrn Zeugen abgeschlossen zu sein. Wird irgendein Antrag gestellt? Ich beabsichtige nicht, anzuordnen, daß der Herr Zeuge vereidigt wird, dies Gesetz steht dem entgegen.

Der Zeuge Müller bleibt gem. § 60 Ziff. 2 StPO wegen Tatbeteiligung unbeeidigt.[55]

Vors.:

Wird gegen die Entlassung des Herrn Zeugen etwas eingewendet?

Ich sehe nicht.

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Kollege Dr. Hoffmann hat bereits angekündigt, daß er seinen Fragenkatalog nach Rücksprache mit seinem Mandanten am Dienstag vorzutragen wünscht, daß heißt, die Zeugenvernehmung fortzusetzen wünscht.

Vors.:

Ja, Herr Dr. ...

RA Dr. He[ldmann]:

Ich beantrage, den Zeugen nicht zu entlassen, es sei denn, Sie lüden ihn zugleich für die Verhandlung in den Dienstag.

Vors.:

Der Herr Dr. Hoffmann hatte hier Gelegenheit erhalten, mal mit den Fragen zu beginnen, Fragen zu stellen. Wenn er einen weiteren Fragenkreis hat, dann wird es über einen neuen Antrag[56] gehen müssen.

Es ist ...

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ich schließe mich dem Antrag des Kollegen Heldmann an.

Vors.:

Bitte?

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ich schließe mich dem Antrag des Kollegen Heldmann an.

Die Aussagen des Herrn Zeugen auch am heutigen Tage haben eine Fülle von Problemen aufgeworfen, die nicht gleichzeitig mit dem Mandanten besprochen werden können, während hier die Verhandlung läuft. Es ist ein wichtiger Zeuge und es sollte eigentlich nichts entgegenstehen, dem Antrag des Herrn Dr. Heldmann stattzugeben. Es spricht alles dafür, daß wir den Herrn Zeugen noch einmal brauchen.

Vors.:

Der Herr Zeuge wird entlassen. Es kann ja notfalls durch weitere Anträge durchgesetzt werden, daß der Herr Zeuge neu geladen werden muß, solchen Beweisanträgen wäre dann entgegenzusehen.

[10621] Der Zeuge Müller wird um 18.30 Uhr entlassen.

RA Huth verläßt ebenfalls um 18.30 Uhr den Sitzungssaal.

Vors.:

Nun folgendes: Wir haben am kommenden Dienstag Sitzung durchzuführen. Diese Sitzung hat den Zweck, einiges noch zu bereinigen über ... zunächst mal natürlich wird die Gelegenheit gegeben, nach [§ ]257[ StPO] Erklärungen abzugeben. Herr Bundesanwalt Dr. Wunder ... ich wollte gerade sagen, das wäre am Dienstag möglich, wenn es Ihnen angenehm ist. Sie können ...

BA Dr.Wu[nder]:

Ist mir recht. Wir wären jetzt zwar auch bereit, aber vielleicht ist es besser, wenn die dann zusammen abgegeben werden, wenn uns auch am Dienstag noch das Recht eingeräumt wird, danke.

Vors.:

Es wird also zu Beginn der nächsten Sitzung die Gelegenheit nach § 257[ StPO] eingeräumt, wir werden dann in Weiteren möglicherweise über einige Anträge entscheiden. Die Beweisaufnahme würde sich, wenn keine weiteren Anträge mehr kommen, dann zu Ende neigen, es könnte sein, daß noch Verlesungen stattfinden. Ich bitte also, sich bis zum nächsten Dienstag schlüssig zu werden, inwieweit noch Anträge vorhanden sind, und die am Dienstag dann auch anzubringen.

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Die Verteidigung wird am nächsten Dienstag, und bittet dann, die Zeit zu reservieren, zur Vernehmung des Zeugen Müller, zur Person des Zeugen Müller Beweisanträge stellen, die möglicherweise umfangreicher sind als üblich.

Vors.:

Gewiss, da steht am Dienstag dann die Zeit zur Verfügung, das ist klar.

Dann sehen wir uns am Dienstag um 9.00 Uhr wieder.

Ende der Sitzung um 18.31 Uhr.


[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - Az.: 1 StE 1/74 - StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[2] 1974 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass das Recht auf ein faires Verfahren verlange, Zeug/innen grundsätzlich das Recht zuzugestehen, einen Rechtsbeistand des Vertrauens zur Vernehmung hinzuzuziehen, wenn sie es für die Wahrnehmung ihrer prozessualen Befugnisse erforderlich hielten. Insbesondere die Lage derjenigen Zeug/innen, die sich durch ihre Aussage der eigenen Strafverfolgung aussetzen könnten, sei mit der Lage von Beschuldigten in einem Strafverfahren vergleichbar (BVerfG, Beschl. v. 8.10.1974 - Az.: 2 BvR 747/73, BVerfGE 38, S. 105, 112 ff.). Inzwischen ist dieses Recht gesetzlich in § 68b StPO verankert.

[3] Der/Die Vorsitzende kann ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen von Amts wegen oder auf Antrag von Verfahrensbeteiligten selbst zurückweisen (§ 241 Abs. 2 StPO), oder bei Zweifeln die Entscheidung des Gerichts einholen (§ 242 StPO).

[4] Die Rote Hilfe e.V. versteht sich als Solidaritätsorganisation für politisch Verfolgte aus dem linken Spektrum (Selbstbeschreibung unter <https://www.rote-hilfe.de/ueber-uns>, zuletzt abgerufen am: 18.10.2021). Sie ging 1970 aus einer für APO-Aktivisten gegründeten Rechtshilfe hervor und engagierte sich in den folgenden Jahren verstärkt und in vielfältiger Weise für die Belange inhaftierter Mitglieder linksradikaler Gewaltorganisationen wie der RAF und der Bewegung 2. Juni (März, Linker Protest nach dem Deutschen Herbst, 2012, S. 139 ff.).

[5] Ehrengerichtsverfahren (heute: anwaltsgerichtliche Verfahren) können im Falle einer Verletzung berufsrechtlicher Pflichten von Anwält/innen durch die Staatsanwaltschaft vor speziellen Anwaltsgerichten, früher „Ehrengerichte“ eingeleitet werden (§ 121 BRAO). Diese können verschiedene Maßnahmen gegen den Rechtsanwalt/die Rechtsanwältin verhängen; diese reichen - je nach Schwere des Verstoßes - von einer Warnung (§ 114 Abs. 1 Nr. 1 BRAO) bis zum Ausschluss aus der Rechtsanwaltschaft (§ 114 Abs. 1 Nr. 4 BRAO a.F.; heute: § 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO).

[6] Anders als ein Verzicht der fragestellenden Person führt die Beantwortung einer Frage nicht zur Überflüssigkeit der Entscheidung über ihre Zulässigkeit. Wird sie im Nachhinein für unzulässig befunden, so darf die Antwort im Verfahren nicht verwertet werden, sie wird auch nicht Bestandteil der Aussage (Becker, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 6, 27. Aufl. 2019, § 241 Rn. 21, 23; s. aber auch Gaede, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl. 2016, § 241 Rn. 29, der eine Verwertbarkeit zumindest in den Fällen entlastender Angaben fordert).

[7] Der/Die Vorsitzende kann ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen entweder von Amts wegen oder auf Antrag eines/einer Verfahrensbeteiligten selbst zurückweisen (§ 241 Abs. 2 StPO), oder, bei Zweifeln, die Entscheidung des Gerichts einholen (§ 242 StPO).

[8] Nach § 55 Abs. 1 StPO steht Zeug/innen ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, wenn sie sich selbst oder ihre Angehörigen (§ 52 Abs. 1 StPO) durch die Beantwortung einer Frage der Gefahr aussetzen würden, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt werden. In die hier im Raum stehende Frage eine solche Gefahr begründen könnte, ist nicht ersichtlich.

[9] Nach § 53 Abs. 1 StPO steht bestimmten Berufsträger/innen, darunter Rechtsanwält/innen, ein Zeugnisverweigerungsrecht zu bezüglich aller Umstände, die ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden sind. Am vorigen Verhandlungstag entschied der 2. Strafsenat, dass entsprechende Fragen auch durch den Mandanten, hier den Zeugen Müller, nicht beantwortet werden müssten, um den Schutz des Vertrauensverhältnisses nicht zu umgehen. Dies leitete der Senat unmittelbar aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG her (S. 10452 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 126. Verhandlungstag). Diese Thematik ist bis heute umstritten. Diese Thematik ist bis heute umstritten. Das OLG Koblenz lehnte eine solche Ausdehnung auf den Mandanten eines selbst angeklagten Verteidigers im Jahr 2007 ab; der Zweck des Vertrauensschutzes treffe auf diese Konstellation gerade nicht zu. Was die eigenen Belange des Mandanten betreffe, so sei dieser hinreichend durch § 55 StPO geschützt (OLG Koblenz, Beschl. v. 10.12.2007 - Az.: 2 Ws 618, 620/07, NStZ-RR 2008, S. 283, 284; kritisch dazu aber Beulke, in Weßlau/Wohlers [Hrsg.], Festschrift für Gerhard Fezer zum 70. Geburtstag, 2008, S. 3; Bosbach, Ungeschriebene strafprozessuale Zeugnisverweigerungsrechte im Bereich der Rechtsberatung, 2008, S. 20 ff.; Schöch, in Fahl/Müller/Satzger/Swoboda [Hrsg.], Festschrift für Werner Beulke zum 70. Geburtstag, 2015, S. 1039). Das BVerfG bestätigte die Entscheidung des OLG Koblenz und führte u.a. aus: „Im Einzelfall und unter strengen Voraussetzungen können sich Zeugnisverweigerungsrechte unmittelbar aus der Verfassung ergeben [...]. Die allgemeine Mutmaßung des Beschwerdeführers, ein Mandant würde sich gegenüber seinem Verteidiger nicht mehr rückhaltlos offenbaren, wenn er damit rechnen müsste, in einem späteren Strafverfahren gegen den Verteidiger als Zeuge aussagen zu müssen, ist für die Begründung eines verfassungsrechtlich gebotenen Zeugnisverweigerungsrechts nicht zielführend. Abgesehen davon, dass diese Mutmaßung eher fern liegt, da ein Mandant in aller Regel nicht damit rechnen wird und muss, dass sein Verteidiger sich der Begehung von Straftaten verdächtig macht, ist hier nicht erkennbar und dargelegt, dass der Beschwerdeführer zu Umständen vernommen werden soll, die er seinem Verteidiger offenbart hat“ (BVerfG, Beschl. v. 28.01.2008 - Az.: 2 BvR 112/08, HRRS 2008 Nr. 653; kritisch dazu aber Bosbach, NStZ 2009, S. 177 ff.). In der weiten Auslegung des 2. Strafsenats, durch die das Zeugnisverweigerungsrecht nun sogar auf den Umstand der Vergütung ausgedehnt wurde, dürften die engen Voraussetzungen, unter denen das Bundesverfassungsgericht ein Zeugnisverweigerungsrecht unmittelbar aus der Verfassung herleitet, wohl überdehnt worden sein (s. etwa BVerfG, Beschl. v. 19.7.1972 - Az.: 2 BvL 7/71, BVerfGE 33, S. 367, 383 f.).

[10] Die Sicherungsgruppe ist eine Abteilung des Bundeskriminalamtes. Die SoKo B/M (Sonderkommission Baader/Meinhof) wurde 1971 als Teil der Sicherungsgruppe für Ermittlungen betreffend die RAF eingerichtet (Klaus, Sie nannten mich Familienbulle, 2008, S. 23).

[11] Rechtsanwalt Horst Mahler war ein führendes Mitglied der ersten RAF-Generation. Seine zentrale Rolle bei der Entstehung der RAF ist jedoch gegenüber den hier Angeklagten Baader, Ensslin und Meinhof in den Hintergrund gerückt. Er war maßgeblich an der Vorbereitung der als „Geburtsstunde der RAF“ bezeichneten Befreiung Baaders aus der Haft im Mai 1970 beteiligt. Im September 1970 überfiel er u.a. zusammen mit Andreas Baader und Irene Goergens eine Bank in West-Berlin; bereits eine Woche später wurde er verhaftet. Im Jahr 1972 begann der Prozess gegen ihn vor dem Kammergericht Berlin wegen gemeinschaftlich begangenen Raubes in Tateinheit mit der Gründung einer kriminellen Vereinigung. Im Februar 1973 wurde er zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zwölf Jahren verurteilt. Unter Einbeziehung dieser Strafe wurde er im November 1974 aufgrund seiner Beteiligung an der Baader-Befreiung zu einer (Gesamt-)Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Zwischen Mahler und dem Führungsduo Baader/Ensslin ergaben sich immer wieder Differenzen. Spätestens mit der Ablehnung seiner Freilassung im Austausch gegen den im Februar 1975 entführten Politiker Peter Lorenz sagte er sich endgültig von der RAF los. Nach seiner Haftentlassung im Jahr 1980 durchlief Mahler eine radikale politische Kehrtwende. Ende der 90er Jahre bekannte er sich erstmals öffentlich zum Rechtsradikalismus, im Jahr 2000 trat er in die NPD ein. Wegen antisemitischer Hetze wurde er mehrfach wegen Volksverhetzung und Holocaustleugnung zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt (Jander, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 372 ff.; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 40 ff., 53, 67 f.).

[12] Am 30. Juni 1975 begann das Verfahren gegen Irmgard Möller und Gerhard Müller vor dem Landgericht Hamburg. Die Anklagevorwürfe betrafen u.a. das Geschehen um die versuchte Festnahme des RAF-Mitglieds Margrit Schiller, in deren Verlauf ein Polizeibeamter erschossen, ein weiterer verletzt wurde. Der getötete Polizeibeamter Norbert Schmid war das erste Todesopfer der RAF. Der genaue Tatvorgang, insbesondere die Täterschaft, konnte bis heute nicht aufgeklärt werden. Irmgard Möller wurde mit Urteil vom 16.3.1976 u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Urkundenfälschung und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von viereinhalb Jahren, Gerhard Müller u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Beihilfe zum Mord, Beteiligung an Bombenanschlägen und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 113 ff.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 29). Insbesondere der Freispruch Müllers in Bezug auf die Tötung Schmids sorgte im Stammheimer Verfahren für Aufregung. Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass die umfassende Aussage Müllers durch das Versprechen diverser ungesetzlicher Vorteile unzulässig beeinflusst worden sei (s. hierzu etwa die Beweisanträge in den Anlagen 4 bis 19 zum Protokoll zum 20.7.1976, S. 10643 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 128. Verhandlungstag; s. zu den Vorwürfen der Verteidigung auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 305 ff.).

[13] Der CDU-Politiker und Spitzenkandidat bei der Wahl um das Berliner Abgeordnetenhaus Peter Lorenz wurde am 27. Februar 1975 von der Bewegung 2. Juni entführt und in einem „Volksgefängnis“ in Berlin-Kreuzberg festgehalten. Im Austausch gegen Lorenz wurde die Freilassung von sechs Gefangenen gefordert: Verena Becker, Rolf Heißler, Gabriele Kröcher-Tiedemann, Horst Mahler, Rolf Pohle und Ingrid Siepmann. Die Bundesregierung unter Kanzler Schmidt ging auf die Forderungen ein: Bis auf Horst Mahler, der das Angebot ablehnte, bestiegen am 3. März 1975 die anderen fünf Inhaftierten mit dem ehemaligen West-Berliner Bürgermeister Heinrich Albertz als Vermittler eine Maschine der Lufthansa nach Aden im Jemen. Nach der erfolgreichen Ankunft wurde Lorenz am 4. März freigelassen (Dahlke, in Hürter/Rusconi [Hrsg.], Die bleiernen Jahre, 2010, S. 31, 36 ff.; Korndörfer, in Straßner [Hrsg.], Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 37, 250 ff.). Die Bewegung 2. Juni benannte sich nach dem Todestag des Studenten Benno Ohnesorg, der am 2.6.1967 bei einer Demonstration der Studentenbewegung gegen den Staatsbesuch des Schahs von Persien durch einen Polizisten erschossen wurde (Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 21 f.).

[14] In der Akte 3 ARP 74/75 I befanden sich weitere Vernehmungsprotokolle mit Angaben des Zeugen Müller. Für diese Akte hatte der damalige Bundesjustizminister Vogel zunächst eine umfassende Sperrerklärung nach § 96 StPO („Die Vorlegung oder Auslieferung von Akten oder anderen in amtlicher Verwahrung befindlichen Schriftstücken durch Behörden und öffentliche Beamte darf nicht gefordert werden, wenn deren oberste Dienstbehörde erklärt, daß das Bekanntwerden des Inhalts dieser Akten oder Schriftstücke dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde“) abgegeben. Die Verteidigung bemühte sich lange darum, Einblick in die Akte zu erhalten. Erst am 158. Verhandlungstag gab die Bundesanwaltschaft schließlich nach erneuter Prüfung einen Großteil der Akte heraus (S. 12262 des Protokolls der Hauptverhandlung; s. zu den Vorgängen und Vermutungen rund um diese Akte auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 368 ff.). Am 159. Verhandlungstag wurde schließlich ein Schreiben des Bundesjustizministers bekanntgegeben, in welchem die letzten noch geheimhaltungsbedürftigen Passagen konkretisiert wurden (s. Anlage 2 zum Protokoll vom 9.11.1976, S. 12306 des Protokolls der Hauptverhandlung, 159. Verhandlungstag).

[15] Der/Die Vorsitzende kann ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen der Verteidigung von Amts wegen oder auf Antrag von Verfahrensbeteiligten selbst zurückweisen (§ 241 Abs. 2 StPO), oder bei Zweifeln die Entscheidung des Gerichts einholen (§ 242 StPO). Die Zurückweisung der Frage durch den/die Vorsitzende/n kann als unzulässig beanstandet werden, was ebenfalls die Entscheidung durch das Gericht zur Folge hat (§ 238 Abs. 2 StPO).

[16] Am ersten Tag seiner Vernehmung im Stammheimer Verfahren gab der Zeuge Müller an, Dierk Hoff nicht zu kennen (S. 10248 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 124. Verhandlungstag). Diese Angabe widerrief er zu Beginn des 126. Verhandlungstages (S. 10407 des Protokolls der Hauptverhandlung). Hoff, der in seiner Werkstatt einige der später von der RAF verwendeten Sprengkörperhüllen hergestellt hatte, wurde als einer der Hauptbelastungszeugen ab dem 68., sowie am 98. Verhandlungstag vernommen.

[17] Verhandlungsfähigkeit ist die Fähigkeit „in und außerhalb der Verhandlung seine Interessen vernünftig wahrzunehmen, die Verteidigung in verständiger und verständlicher Weise zu führen sowie Prozesserklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen“ (BGH, Beschl. v. 8.2.1995 - Az.: 5 StR 434/94, BGHSt 41, S. 16, 18).

[18] Das INFO war ein Informations- und Kommunikationssystem, das einen Austausch von Rundbriefen, Zeitungsartikeln etc. unter den inhaftierten RAF-Mitgliedern ermöglichte. Über die Verteidigerpost, die im Vergleich zu anderer Post vollzugsrechtlich privilegiert ist (§§ 97 Abs. 1 Nr. 1, 148 StPO), konnte Material ohne vorherige Zensur ausgetauscht werden. Den Rechtsanwälten Ströbele, Groenewold und Dr. Croissant wurde später vorgeworfen, durch die Beteiligung am „Info-System“ dazu beigetragen zu haben, dass die inhaftierten RAF-Mitglieder auch aus der Haft heraus ihre kriminelle Vereinigung hätten fortführen können. Dabei ging es nicht um das INFO an sich, sondern um die Weiterleitung ganz bestimmter Unterlagen (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 521 ff.; s. auch die Interviews mit K. Groenewold und H.-C. Ströbele, in Diewald-Kerkmann/Holtey [Hrsg.], Zwischen den Fronten, 2013, S. 49, 58 f., 70 f. sowie S. 121, 132 f.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 52).

[19] Nach der Verhandlungsmaxime ist es Aufgabe der Parteien, die relevanten Tatsachen in den Prozess einzubringen; in Deutschland ist der Zivilprozess überwiegend nach ihr ausgerichtet (Rauscher, in Rauscher/Krüger [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, Band 1, 5. Aufl. 2016, Einl. Rn. 328 ff.). Im Strafprozess gilt hingegen der sog. Untersuchungs- bzw. Amtsermittlungsgrundsatz (§ 244 Abs. 2 StPO), welcher diese Aufgabe dem Gericht zuweist: Dieses hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

[20] Vorgaben über die Beratung und Abstimmung in einem Kollegialgericht finden sich in den §§ 192 ff. GVG. Die Art und Weise der Abstimmung ist allerdings nicht näher geregelt. Nach § 194 Abs. 1 GVG sammelt der/die Vorsitzende die Stimmen; § 193 Abs. 1 GVG schreibt zudem vor, dass außer den zur Entscheidung berufenen Personen (mit wenigen Ausnahmen, etwa im Rahmen der Ausbildung) niemand bei der Beratung und Abstimmung zugegen sein darf. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Beratung stets in einem hierfür vorgesehenen Beratungszimmer stattzufinden hat. In einfachen Fällen ist auch die Beratung im Sitzungssaal möglich, solange das Beratungsgeheimnis (durch Flüstern o.ä.) gewahrt werden kann (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 193 GVG Rn. 4).

[21] Da die Frage, in welcher Rolle eine Person im Strafverfahren auftritt (Mitbeschuldigte/r oder Zeug/in), von erheblicher Bedeutung für die Rechte und Pflichten, insbesondere für die Wahrheitspflicht, ist, gibt es große Uneinigkeit über die strafprozessuale Einordnung von Personen, gegen die in derselben Sache ermittelt wird. Während wohl überwiegend ein rein formaler Beschuldigtenbegriff vertreten wird, der lediglich danach fragt, ob eine äußere Einheit mehrerer Verfahren mit dem gleichen Verfahrensstand besteht, stellen andere unabhängig von den prozessualen Gegebenheiten auf eine materielle Sachbeziehung zu dem Anklagegegenstand ab (zum Meinungsstand s. Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 10. Aufl. 2017, Rn. 927 ff.; Lenckner, in Baumann [Hrsg.], Festschrift für Karl Peters zum 70. Geburtstag, S. 333, 334 ff.). Nach dem rein formalen Beschuldigtenbegriff war die einzige Mitbeschuldigte für Gerhard Müller die im selben Verfahren Angeklagte Irmgard Möller (zum Verfahren gegen Möller und Müller s. bereits Fn. 12).

[22] Die Soziologiestudentin Brigitte Asdonk gehörte zur ersten Generation der RAF. Im Sommer 1970 reiste sie mit anderen RAF-Mitgliedern zur paramilitärischen Ausbildung nach Jordanien. Zusammen mit Horst Mahler, Ingrid Schubert, Monika Berberich und Irene Goergens wurde sie bereits im Oktober 1970 in einer konspirativen Wohnung in der Berliner Knesebeckstraße verhaftet. Vorgeworfen wurde ihr die Bildung einer kriminellen Vereinigung, die Beteiligung an Banküberfällen und unbefugter Waffenbesitz. Die Hauptverhandlung gegen sie und fünf weitere RAF-Mitglieder (Monika Berberich, Irene Goergens, Ingrid Schubert, Hans-Jürgen Bäcker und Eric Gusdat) begann am 24. November 1972 vor dem LG Berlin und galt zu diesem Zeitpunkt mit über 300 vorgesehenen Zeug/innen und fast 80 geplanten Verhandlungstagen als einer der „umfangreichsten und wahrscheinlich auch längsten Prozesse der deutschen Justizgeschichte“ (nach Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 83). Mit Urteil vom 28.6.1974 wurde Asdonk zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zu zehn Jahren verurteilt (Diewald-Kerkmann, a.a.O., S. 83 ff., 167 f.).

[23] Irmgard Möller schloss sich im Sommer 1971 der RAF an. Zuvor lebte sie in der Münchner Kommune Wacker Einstein, hatte 1969 als Teil der „Rechtshilfe der APO“ zum „Knastcamp“ aufgerufen und war Mitglied der Tupamaros München. Am 8. Juli 1972 wurde sie verhaftet, am 30. Juni 1975 begann das Verfahren gegen sie und Gerhard Müller vor dem Landgericht Hamburg (Fn. 12). 1976 erfolgte ihre Verlegung zu den Angeklagten Baader, Ensslin und Raspe nach Stammheim. Dort überlebte sie als Einzige die sogenannte Todesnacht von Stammheim (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 68; Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 111 ff.; Sturm, in Weinhauer/Requate/Haupt [Hrsg.], Terrorismus in der Bundesrepublik, 2006, S. 99, 100 f.).

[24] Die Psychologiestudentin Margrit Schiller war ein ehemaliges Mitglied des Sozialistischen Patientenkollektivs (SPK). Sie schloss sich im Laufe des Jahres 1971 der RAF an. Bereits am 22.10.1971 wurde sie zum ersten Mal festgenommen und am 5.2.1973 vom Landgericht Hamburg wegen Unterstützen einer kriminellen Vereinigung, Urkundenfälschung und unerlaubtem Waffenbesitz zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen Auflagen wurde sie allerdings aus der Haft entlassen. Daraufhin schloss sie sich erneut der RAF an. Zusammen mit anderen RAF-Mitgliedern wurde sie am 4. Februar 1974 verhaftet. Schiller wurde mit Urteil vom 28.9.1976 vom Landgericht Hamburg zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von vier Jahren und acht Monaten verurteilt (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 78 ff., 116 ff.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 357 ff.; Straßner, in Ders. [Hrsg.], Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 209, 219).

[25] „Pfirsich“ war der Deckname von Dierk Hoff.

[26] Am 11. Mai 1972 detonierten im sog. I.G.-Farben-Hochhaus, dem Hauptquartier des 5. US-Corps, in Frankfurt a.M. 3 Sprengkörper. Dabei wurde eine Person getötet und eine andere in nahe Lebensgefahr gebracht; weitere Personen wurden verletzt (Feststellungen des OLG Stuttgart, Urt. v. 28.4.1977, 2 StE 1/74, S. 1 ff.). Dieser Vorgang war ab dem 65. Verhandlungstag Gegenstand der Beweisaufnahme. Das I.G.-Farben-Haus entstand zwischen 1928 und 1931 im Auftrag der Interessen-Gemeinschaft Farbenindustrie Aktiengesellschaft (I.G. Farben), die sowohl an der nationalsozialistischen Wirtschafts- und Rüstungspolitik als auch an der Zwangsarbeit und der Vernichtung von KZ-Häftlingen beteiligt war. Nach Kriegsende beherbergte das Haus den Hauptsitz der amerikanischen Militärverwaltung. 1951 zog das 5. amerikanische Armeekorps ein (Jeßberger, JZ 2009, S. 924, 925; Stokes, in Lillteicher [Hrsg.], Profiteure des NS-Systems?, 2006, S. 45, 48 ff.).

[27] Das Sozialistische Patientenkollektiv (SPK) war eine 1970 gegründete Gruppe von Patient/innen des Heidelberger Arztes Wolfgang Huber. Das SPK übte Kritik an zeitgenössischen Psychiatrieformen und einer als krankmachend empfundenen kapitalistischen Gesellschaft. Dagegen setzte die Gruppe auf antiautoritäre Therapien und Forderungen nach einer revolutionären Umgestaltung der Gesellschaft. Im Sommer 1971 wurden acht Mitglieder des SPK unter dem Verdacht der RAF-Unterstützung und der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung verhaftet. Ab November 1972 folgten Prozesse u.a. wegen Sprengstoffherstellung und Urkundenfälschung. Besondere Bekanntheit erlangte das SPK darüber hinaus durch den Übertritt einiger seiner Mitglieder in die Reihen der RAF (Brink, in Weinhauer/Requate/Haupt [Hrsg.], Terrorismus in der Bundesrepublik, 2006, S. 134, 137 f.; Forsbach, Die 68er und die Medizin, 2011, S. 90 ff.).

[28] Der Verteidigung ist auf Verlangen - ebenso wie der Staatsanwaltschaft - nach § 257 Abs. 2 StPO nach jeder einzelnen Beweiserhebung die Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären.

[29] Der Hamburger Justizsenator Ulrich Klug (FDP) entging am 4. Oktober 1974 einem von RAF-Mitgliedern verübten Sprengstoff-Anschlag auf sein Haus (Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa, 2014, S. 200).

[30] Am 13. September 1975 explodierte im Hamburger Hauptbahnhof ein Sprengsatz, der elf Menschen verletzte. Schon am 6. Dezember 1974 war es zu einer Explosion im Bremer Hauptbahnhof gekommen. Während des Jahres 1975 gingen neben Hamburg auch in Köln und Nürnberg Bomben in Bahnhöfen hoch. Tageszeitungen wie BILDund die Welt erkannten darin Aktionen der radikalen Linken. Die RAF und andere Gruppen hingegen distanzierten sich ausdrücklich von „Aktionen gegen das Volk“. Die Anschlagsserie blieb unaufgeklärt (Balz, Von Terroristen, Sympathisanten und dem starken Staat, 2008, S. 189 f., 194).

[31] Der Präsident des Berliner Kammergerichts Günter von Drenkmann wurde von der Bewegung 2. Juni in einem Racheakt für den verstorbenen Holger Meins getötet. Nachdem Meins am 9. November 1974 an den Folgen eines Hungerstreiks gestorben war, versuchte die Bewegung am folgenden Tag, von Drenkmann zu entführen. Als dies aufgrund von Drenkmanns Gegenwehr misslang, wurde er erschossen (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 470 f.; Wunschik, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 531, 550).

[32] Der Schlosser Karl-Heinz Ruhland wurde im Dezember 1970 verhaftet. Erst wenige Monate zuvor hatte Ruhland wohl aus Geldsorgen begonnen, die RAF mit dem Frisieren gestohlener Autos zu unterstützen. Am 29. September 1970 beteiligte sich Ruhland an den Berliner Banküberfällen. Bis zu seiner Verhaftung kundschaftete er u.a. gemeinsam mit Meinhof und Jansen mögliche Einbruchsziele aus und beging Diebstähle. In mehreren Verfahren gegen RAF-Mitglieder fungierte Ruhland, der sich von der RAF losgesagt hatte, als umstrittener Belastungszeuge. Mit Urteil vom 15.3.1972 wurde er vom OLG Düsseldorf wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt; nach nur zweieinhalb Jahren wurde er vom damaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann begnadigt. Im Laufe seiner verschiedenen Aussagen verstrickte er sich in zahlreiche Widersprüche (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 243 ff., 253 ff., 260, 271 ff.; Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 243 ff.). Rechtsanwalt Heinrich Hannover bezeichnete ihn auch als „berühmtesten oder richtiger ruhmlosesten aller bisherigen Kronzeugen“ (Hannover, Terroristenprozesse, 1991, S. 140).

[33] Der Senat entschied am vorigen Verhandlungstag, dass der Zeuge Müller Fragen nach dem Inhalt von Gesprächen mit seinem Rechtsbeistand, die er zum Zwecke der rechtlichen Beratung geführt habe, nicht zu beantworten brauche (s. bereits Fn. 8).

[34] Die Bewegung 2. Juni gründete sich im Jahr 1972. Sie war unmittelbar aus den Tupamaros West-Berlin und München sowie der Schwarzen Hilfe hervorgegangen, bestand jedoch auch aus ehemaligen Mitgliedern anderer Gruppierungen der Berliner Subkultur. Ihren Namen trug die Bewegung in Anlehnung an den Todestag des Studenten Benno Ohnesorgs am 2. Juni 1967. Sie machte mit Aktionen auf sich aufmerksam, die ihr teilweise den Namen einer „Spaßguerilla“ einbrachten. Allerdings schreckte sie auch nicht vor Entführungen oder Morden wie im Fall des Kammgerichtspräsidenten von Drenkmann zurück. Im Gegensatz zur RAF operierte die Bewegung jedoch nicht aus dem Untergrund, blieb auf West-Berlin beschränkt und ging bei ihrer Bekämpfung des „kapitalistischen Systems“ weniger planvoll vor. Gleichzeitig bestanden jedoch teils enge, auch personelle Verbindungen zur RAF. Nach einer Verhaftungswelle im Jahr 1975 konnten im Juli 1976 drei Mitglieder der Bewegung aus ihrem Gefängnis in Berlin flüchten und in der Folgezeit noch einmal terroristische Aktivitäten entfalten, darunter die Entführung des Millionärs Walter Palmer (Korndörfer, in Straßner [Hrsg.], Sozialrevolutionärer Terrorismus. Theorie, Ideologie, Fallbeispiele, Zukunftsszenarien, 2008, S. 237 ff., 245 ff.; Wunschik, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 531 f., 541 ff.).

[35] Ingeborg Barz war ein frühes Mitglied der RAF. Zuvor war sie Teil der Hilfsorganisation Schwarze Hilfe und bildete u.a. gemeinsam mit Angela Luther, Inge Viett, Verena Becker und Waltraud Siepert eine feministische Gruppe namens Die schwarze Braut. Über Barz’ Position in der RAF ist nicht viel bekannt. 1971 soll sie beim Überfall auf eine Bank in Kaiserslautern mitgewirkt haben. Von der Verhaftungswelle 1972 war Barz nicht betroffen, gilt aber wie Angela Luther seitdem als verschwunden. Über ihren Verbleib existieren nur Spekulationen. Unter anderem stand der Verdacht im Raum, dass sie als Spitzel des Verfassungsschutzes enttarnt und von Baader erschossen worden sei (Kraushaar, Verena Becker und der Verfassungsschutz, 2010, S. 31 ff., 37 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S 299, 820). Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass die Behauptung, Baader habe Barz erschossen, von Gerhard Müller aufgestellt worden sei, um Baader wahrheitswidrig zu belasten (s. den Beweisantrag des Rechtsanwalts Dr. Heldmann am 142. Verhandlungstag, S. 11467 des Protokolls der Hauptverhandlung). Durch den Beweis der Unwahrheit dieser Tatsache sollte die Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen Müller insgesamt erschüttert werden (s. dazu etwa die Diskussion um den am 147. Verhandlungstag gestellten Beweisantrag, S. 11684 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Zu den Angaben, die Müller über in diesem Zusammenhang gemacht haben soll, s. auch die Ausführungen des Vernehmungsbeamten KHK Opitz am 152. Verhandlungstag (S. 11855 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[36] Zu Vera Berzel liegen keine belastbaren Informationen vor.

[37] Auch über Rosemarie Keser lassen sich kaum Informationen finden. Sie tauchte ab Frühjahr 1971 auf Fahndungsplakaten im Zusammenhang mit „Anarchistischen Gewalttätern“ bzw. der „Baader/Meinhof-Bande“ auf (s. die abgebildeten Plakate in Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 53 f.). Auch die Bundesanwaltschaft ging in der Anklageschrift in diesem Verfahren davon aus, dass Rosemarie Keser im Jahr 1971 zur RAF stieß (Anklageschrift, S. 62).

[38] Angela Luther war Teil der Tupamaros West-Berlin (TW), die seit Ende 1969 in Berlin Anschläge verübte und Anfang 1972 in der Bewegung 2. Juni aufging. Im Sommer 1971 wechselte Angela Luther gemeinsam mit Thomas Weisbecker zur RAF. Dort soll sie auch an dem Bombenanschlag auf das Hauptquartier der 7. US-Armee und der US-Landstreitkräfte in Europa (USAREUR) am 24. Mai 1972 beteiligt gewesen sein. Angeblich plante Luther nach dem Tod Weisbeckers, zur Bewegung 2. Juni zurückzukehren. Im Laufe des Jahres 1972 verschwand sie jedoch unter weiterhin ungeklärten Umständen (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 246; König, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 430, 459 f.; Kraushaar, Verena Becker und der Verfassungsschutz, 2010, S. 31ff.; Wunschik, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 531, 547).

[39] Hans-Peter Knoll war ein Mitglied der Bewegung 2. Juni (Fn. 34). Schon in den Vorgängergruppierungen wie der Gefangenenhilfsorganisation Schwarze Hilfe und den Tupamaros West-Berlin (TW) war Knoll an zahlreichen Sprengstoffanschlägen beteiligt (Kraushaar, Verena Becker und der Verfassungsschutz, 2010, S. 40 ff.; Wunschik, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 531, 547).

[40] Ausnahmsweise kann sich das Recht aus § 55 StPO, die Auskunft auf einzelne Fragen zu verweigern, zu einem umfassenden Auskunftsverweigerungsrecht verdichten, wenn der gesamte Inhalt der Aussage die Gefahr einer Strafverfolgung begründen würde; dies kann insbesondere bei Beteiligten an den angeklagten Straftaten (bzw. bei an der Beteiligung Verdächtigen) der Fall sein (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 55 Rn. 2; BGH, Beschl. v. 11.6.2002 - Az.: 2 StE 7/01 - 6 StB 12/02, NStZ 2002, S. 607; s. auch bereits BGH, Urt. v. 15.1.1957 - Az.: 5 StR 390/56, BGHSt 10, S. 104, 105).

[41] Bevor Brigitte Mohnhaupt ab Frühjahr 1971 zur ersten RAF-Generation in den Untergrund ging, war sie bereits in verschiedenen linken Organisationsformen in München wie den Tupamaros und der Kommune Wacker Einstein vernetzt. Innerhalb der RAF konzentrierte sie sich gemeinsam mit Bernhard Braun auf Aktivitäten in Berlin, wo sie im Juni 1972 zusammen verhaftet wurden. Am 30.8.1974 wurde sie vom Landgericht Berlin wegen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, Urkundenfälschung und unerlaubtem Waffenbesitz zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Einen Teil ihrer Haftstrafe verbrachte sie zusammen mit den Stammheimer Gefangenen. Diese Nähe zu den führenden Mitgliedern ließ sie nach ihrer Entlassung im Februar 1977 selbst zu einer Führungsperson der zweiten RAF-Generation aufsteigen. Als solche war sie auch für die Gewalttaten während des sogenannten Deutschen Herbstes 1977 mitverantwortlich. Bis zu ihrer erneuten Festnahme 1982 war sie an weiteren Aktionen der Gruppe beteiligt. Sie blieb bis zum Jahr 2007 in Haft (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 92 ff.; Sturm, in Weinhauer/Requate/Haupt[Hrsg.], Terrorismus in der Bundesrepublik, 2006, S. 99 f., 105, 111 f., 118 f.; Wunschik, Baader-Meinhofs Kinder, 1997, S. 196 f., 248 ff., S. 367 ff.).

[42] Der Kfz-Schlosser Bernhard Braun war seit 1971 Mitglied der RAF. Gemeinsam mit Brigitte Mohnhaupt war Braun vor allem in Berlin aktiv. Im Juni 1972 lösten in einer von ihnen genutzten Wohnung gelagerte Sprengstoffe eine Explosion aus. Eine Woche später wurden sie in West-Berlin festgenommen. Die Polizei konnte in der Wohnung Chemikalien und Anleitungen zur Herstellung von Bomben sicherstellen. Mohnhaupt und Braun wurden wegen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, Urkundenfälschung und unerlaubtem Waffenbesitz zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von je vier Jahren und sechs Monaten verurteilt (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 54, 92 ff., 250; Stuberger, Die Akte RAF, 2008, S. 112 f.).

[43] Gemeint ist das Rezept für ein Sprengstoffgemisch.

[44] Der Polizeibeamte Norbert Schmid wurde bei einem Festnahmeversuch des RAF-Mitglieds Margrit Schiller erschossen. Er war das erste Todesopfer der RAF. Der genaue Tatvorgang, insbesondere die Täterschaft, konnte bis heute nicht aufgeklärt werden. Schiller selbst belastete Gerhard Müller schwer, der mit Urteil vom 16.3.1976 vom LG Hamburg zwar für andere Taten, darunter Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und Beihilfe zum Mord, nicht aber für den Mord an Schmid verurteilt wurde (s. bereits Fn. 12).

[45] Holger Meins war ursprünglich Mitangeschuldigter im Stammheim-Prozess, starb aber noch vor Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) am 9. November 1974 in Untersuchungshaft in Wittlich an den Folgen des dritten Hungerstreiks. Für seinen Tod machten die Angeklagten staatliche Akteure, u.a. den Vorsitzenden Dr. Prinzing sowie die Bundesanwaltschaft verantwortlich (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 117 ff.).

[46] Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges und mit dem Ziel, die Ausbreitung des Kommunismus in Südostasien einzudämmen, führten die USA in Vietnam von 1964 bis 1973 einen Luft- und Bodenkrieg gegen die südvietnamesische Befreiungsfront und nordvietnamesische Truppen. Trotz wachsender Proteste in der amerikanischen Bevölkerung und entgegen den Einschätzungen und Warnungen hochrangiger Berater, entschieden sich mehrere US-Präsidenten für die Fortsetzung der Kämpfe. Während dieses Krieges griff das US-amerikanische Militär auf Methoden zurück, die darauf ausgerichtet waren, möglichst viele Gegner/innen auszuschalten und deren Strukturen zu zerschlagen (Fischer, Die USA im Vietnamkrieg, 2009, S. 104 ff.; Frey, Geschichte des Vietnamkriegs, 2016, S. 83 ff.; 126 ff.; 144 ff.; 187 ff.; Greiner, Krieg ohne Fronten, 2007, S. 56 ff.). Am 13. Mai 1968 begannen die Pariser Friedensverhandlungen zur Beendigung des Vietnamkriegs. Die zähen Friedensverhandlungen wurden immer wieder von der Kompromisslosigkeit der amerikanischen Regierung beeinflusst und nahezu weitere fünf Jahre von Kämpfen in Vietnam begleitet. Nordvietnam reagierte am 30. März 1972 auf die schwierigen Friedensverhandlungen in Paris mit der sogenannten Oster-Offensive, bei der ca. 120.000 Soldaten nach Südvietnam vordrangen. Dies veranlasste wiederum die USA zu schweren Bombardierungen. Am 8. Mai erging eine Anordnung von Präsident Nixon zur Verminung nordvietnamesischer Häfen, um Nordvietnam durch die Unterbrechung von Versorgungswesen weiter unter Druck zu setzen und damit neue Verhandlungen zu erzwingen. Bei der „Operation Linebacker“ wurden innerhalb von sechs Monaten Bombenangriffe im Umfang von 155.000 Tonnen geflogen (Frey, Geschichte des Vietnamkriegs, 2016, S. 173 ff., 205 ff.; Greiner, Krieg ohne Fronten, 2007, S. 72 f.).

[47] Am 11. Mai 1972 detonierten im sog. I.G.-Farben-Hochhaus, dem Hauptquartier des 5. US-Corps, in Frankfurt a.M. 3 Sprengkörper. Dabei wurde eine Person getötet und eine andere in nahe Lebensgefahr gebracht; weitere Personen wurden verletzt (Feststellungen des OLG Stuttgart, Urt. v. 28.4.1977, 2 StE 1/74, S. 1 ff.). Dieser Vorgang war ab dem 65. Verhandlungstag Gegenstand der Beweisaufnahme. Das I.G.-Farben-Haus in Frankfurt am Main entstand zwischen 1928 und 1931 im Auftrag der Interessen-Gemeinschaft Farbenindustrie Aktiengesellschaft (I.G. Farben), die sowohl an der nationalsozialistischen Wirtschafts- und Rüstungspolitik als auch an der Zwangsarbeit und der Vernichtung von KZ-Häftlingen beteiligt war. Nach Kriegsende beherbergte das Haus den Hauptsitz der amerikanischen Militärverwaltung. 1951 zog das 5. amerikanische Armeekorps ein (Jeßberger, JZ 2009, S. 924, 925; Stokes, in Lillteicher [Hrsg.], Profiteure des NS-Systems?, 2006, S. 45, 48 ff.).

[48] Das INFO-Material wurde über die vor Einsicht und Beschlagnahme besonders geschützte Verteidigerpost verteilt (§§ 97 Abs. 1 Nr. 1, 148 StPO; s. zum Kommunikationssystem INFO bereits Fn. 18).

[49] § 129 StGB enthält den Straftatbestand der Bildung krimineller Vereinigungen.

[50] Als Blockverteidigung wurde die gemeinsame Verteidigung mehrerer Beschuldigter bezeichnet. Diese Form der Verteidigung wurde durch das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO), welches durch das Ergänzungsgesetz vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3686) eingeführt und am 1.1.1975 in Kraft trat, unzulässig. Zulässig ist seither nur noch eine abgestimmte Verteidigung, bei der zwar eine gemeinsame Verteidigungsstrategie entwickelt werden kann, jede/r Verteidiger/in aber nur eine/n Angeklagte/n vertreten darf (s. dazu OLG Düsseldorf, Beschl. vom 20.8.2002 - Az. 1 Ws 318/02, NJW 2002, S. 3267 ff.).

[51] Dieser Besuch fand später tatsächlich statt: Während des dritten Hungerstreiks in Stammheim besuchte der französische Philosoph Jean-Paul Sartre am 4. Dezember 1974 Andreas Baader in der Haftanstalt. Über ihren Anwalt Klaus Croissant hatten die RAF-Mitglieder zuvor Kontakt zu Sartre aufgenommen, damit dieser persönlich die von ihnen als „Isolationsfolter“ bezeichneten Haftbedingungen bezeugen konnte. In einer anschließenden Pressekonferenz bestätigte Sartre diese Angaben. Allerdings ist mittlerweile bekannt, dass Sartre während des relativ kurzen und für beide Seiten enttäuschenden Gesprächs mit Baader zu keiner Zeit Zugang zu dessen oder anderen Zellen hatte, um sich ein eigenes Bild zu machen. Nichtsdestotrotz rief Sartre auf der Konferenz zur Gründung eines internationalen Komitees zum Schutz der politischen Gefangenen in der BRD auf (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 254 ff.; Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa, 2014, S. 275 ff.).

[52] Während des zweiten Hungerstreiks, in den inhaftierte RAF-Mitglieder von Anfang Mai bis Ende Juni 1973 traten, wurde Andreas Baader, zu dieser Zeit in der JVA Schwalmstadt untergebracht, zeitweise das Trinkwasser entzogen. Auf Nachfrage der Presse bestätigte das hessische Justizministerium dies, wies allerdings darauf hin, dass ihm stattdessen Milch zur Verfügung gestellt werde (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 121; Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 171 f.).

[53] Die Strafprozessordnung unterscheidet zwischen (kürzeren) Unterbrechungen und der Aussetzung des Verfahrens. Während die Unterbrechung der Hauptverhandlung für einen kürzeren Zeitraum (§ 229 Abs. 1 StPO a.F.: bis zu zehn Tage; heute: 3 Wochen) durch den/die Vorsitzende/n angeordnet werden kann (§ 228 Abs. 1 Satz 2 StPO), ist für die Entscheidung über die Aussetzung sowie über für bestimmte Situationen vorgesehene längere Unterbrechungen (z.B. nach § 229 Abs. 2 StPO) das Gericht - hier wäre das der Senat in voller Besetzung - zuständig (§ 228 Abs. 1 Satz 1 StPO). Eine Aussetzung hat stets die Folge, dass mit der Hauptverhandlung von neuem zu beginnen ist; gleiches gilt für eine die Frist des § 229 Abs. 1 StPO überschreitende Unterbrechung (§ 229 Abs. 3 Satz 1 StPO a.F.; heute Abs. 4 Satz 1 StPO; s. zu den grundlegenden Unterschieden zwischen Aussetzung und Unterbrechung auch Arnoldi, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl. 2016, § 228 Rn. 3 ff.).

[54] Nach § 257 Abs. 1 StPO sollen Angeklagte u.a. nach jeder Zeugenvernehmung befragt werden, ob sie etwas dazu erklären wollen. Der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft ist hierzu auf Verlangen ebenfalls die Gelegenheit zu geben (§ 257 Abs. 2 StPO).

[55] Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung war die Vereidigung von Zeug/innen nach § 59 f. StPO a.F. grundsätzlich vorgeschrieben. Ausnahmen galten nur für wenige Vereidigungsverbote, darunter bei Personen, die selbst wegen der Beteiligung der gegenständlichen Tat verdächtig oder bereits verurteilt worden waren (§ 60 Nr. 2 StPO). Darüberhinaus hatte das Gericht die Möglichkeit, in bestimmten Fällen von der Vereidigung abzusehen (§ 61 StPO a.F.). Im Unterschied dazu bestimmt der heutige § 59 Abs. 1 Satz 1 StPO, dass eine Vereidigung nur dann erfolgt, wenn es das Gericht wegen der ausschlaggebenden Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung einer wahren Aussage nach seinem Ermessen für notwendig hält.

[56] Mit der Entlassung (§ 248 Satz 1 StPO) erlischt auch das Fragerecht (§ 240 StPO) der Prozessbeteiligten, die vorher dazu anzuhören sind (zur Anwendung des § 248 Satz 2 StPO auf alle Prozessbeteiligten, denen ein Fragerecht zusteht s. Diemer, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 248 Rn. 3). Eine erneute Befragung kann - falls das Gericht nicht von Amts wegen eine Ladung vornimmt - nur mittels Beweisantrag erreicht werden (Ciernak/Niehaus, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl. 2016, § 248 Rn. 4 ff.).


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[hh] Handschriftlich ersetzt: Bekanntenversuchen durch Bekanntenbesuchen

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[ooo] Maschinell ersetzt: dann auch durch sogar

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