9. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 24. Juni 1975 um 9.00 Uhr



[738] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 24. Juni 1975 um 9.00 Uhr.

9. Verhandlungstag

Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte waren anwesend:

Justizassistent z. A. Clemens

Justizassistent z. A. Scholze.

Die Angeklagten waren anwesend mit ihren Verteidigern:

Rechtsanwälte Becker, Heldmann, Riedel, v[on] Plottnitz, Eggler, Schnabel, Schwarz, König, Linke und Grigat.

Vors:

Wir setzen die Sitzung fort.

Ich darf zunächst feststellen, wer anwesend ist.

Entschuldigt sind:

Herr Rechtsanwalt Künzel, für heute vormittag; (siehe Bl. 739)

aber es ist

Herr Rechtsanwalt Eggler

anwesend und

Frau Rechtsanwältin Becker

natürlich.

Dann ist entschuldigt:

Herr Rechtsanwalt Schlaegel (siehe Bl. 740 - 741)

für die ganze Woche. Er ist aber wohl mit Herrn Rechtsanwalt Grigat abgesprochen. Auf der andern Seite ist die Verteidigung gewährleistet.

Die Angeklagten sind anwesend.

[739][1] [740-741][2] [742] Zunächst sind die Angeklagten - ich bitte um Entschuldigung - dahin zu unterrichten, daß nach ihrer Entfernung am vergangenen Sitzungstag[3] der Beschluß, durch den der Ablehnungsantrag gegen mich zurückgewiesen wurde,[4] in ihrer Abwesenheit zu Ende bekanntgegeben worden ist.

Bitte schön, Herr RA Riedel.

RA Rie[del]:

Also, wie Sie bemerkt haben werden, ist der Kollege Schily ebenfalls noch nicht anwesend. Er ist auf dem Weg hierher. Verursacht ist diese Verzögerung dadurch, daß er gestern in Berlin tätig werden mußte wegen der unglaublichen und unfaßbaren Vorgänge im Zusammenhang mit der Verhaftung des Kollegen Ströbele. Er wird in ganz kurzer Zeit eintreffen. Ich bitte - das ist ja schon mal vorgetragen worden am letzten Verhandlungstag auch und vom Gericht dann auch gewährt worden ich bitte darum, ’ne kurze Pause einzulegen, um zu warten, bis er hier ist. Es handelt sich um Minuten, wie das letzte Mal auch.

Vors:

Ja. Das letzte Mal war es schließlich ¾ elf Uhr, als wir fortsetzen konnten.

RA Rie[del]:

Ja. Bis es weiterging. Aber das hat ja andere Ursachen gehabt.

Vors:

Woher wissen Sie, daß es sich um Minuten handelt, wenn die Maschine jetzt erst kam um, glaube ich, 8.35 Uhr.

RA Rie[del]:

Die Maschine landet wohl immer so um 8.30 Uhr, und dann ist es also erfahrungsgemäß eine halbe Stunde ...

Vors:

Herr Rechtsanwalt Riedel, ich ...

[743] RA Rie[del]:

... bis er hier sein kann.

Vors:

... ich muß Ihnen zum Bedauern sagen: Ich habe das letzte Mal schon darauf hingewiesen. Wir können nicht bei der großen Zahl der Beteiligten dann, wenn Verspätungen bei einzelnen eintreten, darauf Rücksicht nehmen.

Ihre Bitte ...

RA Rie[del]:

Herr Vorsitzender, ich will aber doch meinen, daß eine andere Situation dann besteht, das mag vielleicht unter Umständen anders sein, wenn der Grund des nicht pünktlichen Erscheinens mit diesem Verfahren nicht zusammenhängt. Wenn jedoch - wie hier - ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, nicht wahr - und die Verhaftung eines Verteidigers aus diesem Verfahren[5] ist ja doch wohl so im Zusammenhang - dann meine ich schon, daß auch das Gericht darauf Rücksicht nehmen muß und diese kurze Unterbrechung gewähren muß.

Vors:

Nein. Das Gericht tut es nicht.

Es ist für einen Verteidiger natürlich nicht möglich, dann, wenn er durch einen Fall, wie dem hier vorliegenden, engagiert ist, andere Verteidigungen zu übernehmen. Wenn er das tut, dann muß er das Risiko tragen, daß dadurch gewisse Verzögerungen eintreten.

Im übrigen, Herr Rechtsanwalt Ströbele ist hier kein Verteidiger.

Also ich lehne das ab.

Wir fahren damit mit der Sitzung fort und kommen zur Vernehmung zur Person.

Herr RA Heldmann.

[744] RA He[ldmann]:

Zu dem Beschluß des Senats, den Sie am Freitag verlesen haben, wünscht mein Mandant, Herr Baader, das Wort.

Vors:

Wenn es sich ...

RA Rie[del]:

Nur eine Erklärung.

Vors:

Nein. Es ist jetzt auch nicht die Gelegenheit, Erklärungen abzugeben. Wir müssen langsam darauf drängen, Herr RA Heldmann, daß dieses Verfahren vorankommt. Es lag bislang nicht am Gericht - ich glaube, das Gericht hat genug Geduld bewiesen aber wir können jetzt nicht uns weiterhin mit Erklärungen und dergleichen aufhalten. Erklärungen können später abgegeben werden, wenn das Verfahrensstadium erreicht ist, in dem die Prozeßordnung Erklärungen zuläßt.[6]

RA He[ldmann]:

Verzeihen Sie.

Geduld ist kein strafprozessualer Begriff, sondern hier geht es um die ... eine Wahrnehmung von prozessualen Rechten, und ich erlaube mir, den Senat auf § 33a der Strafprozeßordnung[7] hinzuweisen.

Vors:

Ja. § 33a[ StPO] handelt von der Nachholung des rechtlichen Gehörs. Ich wüßte nicht, was im Augenblick nachzuholen wäre in dieser Richtung.

Im übrigen: Rechtliches Gehör war gewährleistet.

RA He[ldmann]:

Rechtliches Gehör war nicht gewährleistet, sonst hätte es nicht vorkommen dürfen, daß der Senat wortwörtlich die Stellungnahme der B. Anwaltschaft mit ihren unglaublichen Tat- [745] sachenbehauptungen und Werturteilen in seinen Beschluß wörtlich aufnimmt ...

Vors:

Herr Rechtsanwalt, wollen Sie jetzt anstelle von Herrn Baader die Erklärung abgeben? Wollen Sie einen Antrag stellen?

RA Heldmann:

Sie wissen doch genau, daß ich meinen Antrag im Moment begründe, wo Sie gesagt haben: § 33a[ StPO] ziehe hier nicht. Natürlich zieht § 33a[ StPO], weil nämlich Herr Baader, wie er in dieser Erklärung der B. Anwaltschaft, die Sie in Ihren Beschluß wörtlich aufgenommen haben, mehrfach angesprochen wird, als Verbrecher.

Vors:

Herr Rechtsanwalt, das rechtliche Gehör hätte nur dann einen Sinn, wenn irgendein Antrag, etwa in Form einer Gegenvorstellung[8], gestellt werden sollte. Das ist etwas anderes.

RA He[ldmann]:

Zunächst geht es um die Erklärung.

Vors:

Nein. Die Erklärung ist aber jetzt nicht zulässig; die laß ich auch nicht zu.

RA He[ldmann]:

Wenn Sie also § 33a[ StPO] nicht so verstehen, wie ich es verstehe, dann bitte ich um Gegenvorstellung für Herrn Baader.

Vors:

Bitte schön.

Angekl. Baa[der]:

Ich meine, daß man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen kann nach der Polizeiaktion gestern; denn es wird wahr- [746] scheinlich niemanden hier im Saal geben, der jetzt noch sagen kann, daß der Faschismus hier nicht offen im Raum steht.

Vors:

Herr Baader, dazu hatten Sie jetzt nicht das Wort. Wir haben mit der Polizeiaktion, von der Sie sprechen, nicht das Mindeste zu tun. Das hat auch mit dem Verfahren nichts zu tun ...

Angekl. Baa[der]:

Lassen Sie mich doch ausreden!

Vors:

Nein, Herr Baader. Ich lasse Sie nicht ausreden.

Angekl. Baa[der]:

Selbstverständlich ist diese Polizeiaktion eine unmittelbare Reaktion ...

Vors:

Ich bitte, Herrn Baader das Wort abzustellen. Herr Baader, ich lasse Sie darüber nicht sprechen. Sie haben nicht das Recht, eine Polizeiaktion, die mit diesem Verfahren nichts zu tun hat, jetzt zum Gegenstand von einer Erklärung zu machen.

Wenn Sie rechtliches Gehör haben wollen zu dem Beschluß im Zusammenhang mit einer Gegenvorstellung, das erhalten Sie. Aber dann bitte ich, die Polizeiaktion aus dem Spiel zu lassen.

Bitte, Herrn Baader wieder das Wort.

Angekl. Baa[der]:

Ich stelle also nochmals fest, daß diese Polizeiaktion in einem unmittelbaren Zusammenhang zu der Entwicklung in diesem Verfahren steht, daß das die Flucht nach vorne ist ... der B. Anwaltschaft ist gegen die Tatsache, daß hier in diesem Verfahren die Gefahr unmittelbar bestand, daß die Anatomie der Morde [747] an Siegfried Hausner und Holger Meins[9] auf den Tisch kommt, d. h., daß sie aufgedeckt werden, und daß die Rolle der B. Anwaltschaft dabei aufgedeckt wird.

Und Croissant ist verhaftet worden wie Ströbele, weil sie im Zusammenhang dieser Aufklärung eine wesentliche öffentliche Funktion hatten.

Reg. Dir. Widera:

Ich bitte, Herrn Baader das Wort zu entziehen.

Vors:

Herr Baader, wollen Sie zu dem am letzten Sitzungstag verkündeten Beschluß Stellung nehmen? Bzw. rechtliches Gehör haben, wie Sie es bezeichnen, weil Sie glauben, es sei Ihnen nicht gewährt worden?

Ich sage Ihnen zum letzten Mal: Das bekommen Sie.

Sie haben keine Möglichkeit, eine Erklärung im Zusammenhang mit dieser Polizeiaktion abzugeben.

Angekl. Baa[der]:

Naja. Dann muß ich Ihnen sagen, Sie möchten bitte die Verhandlung mindestens zehn Minuten unterbrechen; denn die Begründung der Ablehnung ... das Ablehnungsgesuch gegen Sie konnten wir bisher nicht lesen. Ich habe sie vor fünf Minuten bekommen, und ich konnte sie bisher nicht durchlesen. Um darauf eingehen zu können, muß ich sie zumindest lesen können, und ich stelle dazu auch fest, daß ich die Absicht habe - nachdem, was mir bekannt geworden ist aus der Zeitung und nachdem, was Sie hier im letzten Verhandlungstag durchgezogen haben -, daß ich die Absicht habe, einen Ablehnungsantrag gegen den ganzen Senat zu stellen, im Zusammenhang dieser Begründung.

Aber zunächst die Verhandlung zehn Minuten zu unterbrechen, damit die Angeklagten, d. h. die Gefangenen hier, die Möglichkeit haben, die Begründung der Ablehnung des Ablehnungsgesuchs zu lesen.

Vors:

Ich unterbreche nicht. Sie hatten die Möglichkeit, am vergangenen Freitag dieser Begründung zuzuhören. Sie haben es durch Ihr [748] eigenes Verhalten vereitelt. Das ist auf Ihr eigenes Risiko gegangen. Es gibt keinen Grund, jetzt zu unterbrechen. Herr RA Heldmann, bitte.

Angekl. Baa[der]:

Moment. Nein. Gut. Dann würd ich sagen ...

Vors:

Im Augenblick hat Herr ...

Bitte Herrn Baader das Wort abstellen. Herr RA Heldmann hat das Wort erhalten. Er hat sich gemeldet gehabt. Bitte, Herr RA.

RA He[ldmann]:

Dann bitte ich, mir jetzt Gelegenheit zu geben, einen Antrag zu stellen, und zwar stelle ich den[a] Antrag:

dieses Verfahren auszusetzen.

Antragsgrundlage: § 265 Abs. 4 StPO[10] mit der folgenden Begründung:

Die gestrigen Vorgänge:

Verhaftung von Verteidigern in diesem Verfahren, Durchsuchung von Anwaltskanzleien, Beschlagnahme von Verteidigermaterial zeigen einen vorläufigen Höhepunkt in der Kampagne der B. Anwaltschaft auf, die Angeklagten in diesem Verfahren von der Verteidigung auszuschließen. Die B. Anwaltschaft und ihre Verrichtungsgehilfen in der Länderjustiz und in der Länderpolizei haben Verteidiger in diesem Verfahren festgenommen, verhaftet und Verteidigungsunterlagen für dieses Verfahren beschlagnahmt.

Frau Becker war den gestrigen Vormittag gegenüber festgenommen.

Die Herren Croissant und Ströbele sind seit gestern verhaftet. Beachten Sie bitte, wenn Sie das auch zu verdrängen scheinen, daß auch Croissant und Ströbele noch Verteidiger in diesem Verfahren sind. Der Beschluß vom 3.6.1975 des 1. Strafsenats[11] ist noch nicht rechtsbeständig.[12] Er kann es nach meiner Rechtsauffassung auch nicht bleiben; denn rechtlich höchst frag- [749] würdig ist er nicht nur etwa nach den Rechtsvorstellungen der B. Anwaltschaft, sondern ganz einfach schon deswegen, weil in jenem Verfahren, das zum Beschluß des 1. Senats vom 3.6. geführt hat, der Verfassungsanspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs schwerwiegend verletzt wurde:

Croissant ist von der Verteidigung Raspes als ausgeschlossen erklärt worden, ohne daß Herr Raspe überhaupt die Möglichkeit hatte, hierzu eine Stellung abzugeben; Herr Ströbele ist von der Verteidigung der Frau Ensslin als ausgeschlossen erklärt worden, ohne daß Frau Ensslin hierzu gehört worden wäre.[13]

Mit Sicherheit also muß der Beschluß des 1. Senats vom 3.6., an den Sie noch immer zu glauben scheinen, wegen Verfassungsverletzungen einfach schon aufgehoben werden. Also sind auch Croissant und Ströbele weiterhin in diesem Verfahren - bis jetzt reichte es zu einer für mich kaum vorstellbaren negativen Beschwerdeentscheidung - Verteidiger in diesem Verfahren.

Mit ihrer gestrigen Aktion hat die B. Anwaltschaft ein weiteres Mal ihr Machtinstrumentarium mißbraucht, um zu demonstrieren, was endlich zu demonstrieren war, nämlich:

Auch sie hatte ja nicht - die B. Anwaltschaft - überlesen, wie stellvertretend für eine breite Öffentlichkeit die Presse öffentliches Unverständnis wiedergegeben hat, daß und auf welche Weise unmittelbar vor Prozeßbeginn die Angeklagten in diesem Verfahren ihrer Verteidiger beraubt worden sind. Und jetzt geht das Abzählspiel ganz offensichtlich weiter, das Abzählspiel auf der Verteidigerbank; und wieder schlug der Buback[14] zu, da waren’s nur noch vier.

Das hat der Generalbundesanwalt - damals Martin - ja vor drei Jahren schon eingeleitet, als er im Juni 1972 an die Öffentlichkeit vermittelt durch die Presse folgenden Text adressiert hat, nämlich:

Der B. Anwalt wies 1972 ... Juni 1972

- ich will damit darauf hinweisen, daß es hier um eine von langer Hand vorbereitete Kampagne der B. Anwaltschaft zur Dezimierung oder gar völligen Eliminierung der Verteidigung in diesem Verfahren geht, und darauf komme ich auf ein Zitat [750] Ihres früheren Meisters Martin aus dem Jahre 72, über drei Jahre alt, zurück, wörtlich -:

„Der Bundesanwalt wies auf die gesinnungsmäßige Solidarität zwischen den Verteidigern und den Mitgliedern der Baader-Meinhof-Gruppe hin und sagte:

Es sei interessant, daß bei der Verteidigung der Baader-Meinhof-Gruppe immer wieder dieselben Anwaltskanzleien in Erscheinung träten.“

Zitiert aus: „Frankfurter Rundschau“, vom 10.6.1972. Um nun heute endlich die Ausschlußgründe vorzutäuschen, auf die die Öffentlichkeit noch gewartet hat, gab es die Verteidigerfestnahmen, die Verteidigerverhaftungen vom gestrigen Tag und die Beschlagnahmen von Verteidigermaterial für dieses Verfahren.

Das bedeutet:

Kriminalisierung der Verteidiger durch Identifizierung als Mittäter mit Unverurteilten, deswegen als unschuldig zu behandelnden Angeklagten und Projizierung unbewiesener Tatvorwürfe gegen diese auf jene, die Verteidiger nämlich. Lapidar und ganz banal, die völlige Substanzlosigkeit enthüllend, gibt sich für solche Maßnahme als Begründung aus, wofür ich mit Ihrer Erlaubnis wörtlich zitiere aus dem Durchsuchungsbeschluß gegen den Kollegen Croissant - Gründe, ausschließlich kein Wort mehr -:

„Der Beschuldigte ist dringend verdächtigt, die kriminelle Vereinigung der Baader-Meinhof-Bande unterstützt und für sie geworben zu haben. Vergehen nach § 129 StGB.

Gegen ihn hat das Amtsgericht Stuttgart heute Haftbefehl erlassen. Die Durchsuchung seiner Wohnung, seines Büros und der ihm gehörenden Sachen ist zur Auffindung weiterer im Besitz des Beschuldigten befindlicher Beweismittel, insbesondere weiterer schriftlichen Unterlagen, aus denen sich die Aktivitäten des Beschuldigten für die kriminelle Vereinigung ergeben, erforderlich.“

[751] Die alte Methode, wenn ich anmerken darf:

Erst die öffentliche Verunglimpfung, und die Beweise versuchen wir später zu finden.

Das ist für diesen Antrag § 265 [Abs. ]4[ StPO] nur relevant insoweit, als es um Verteidiger in diesem Verfahren geht und um die Beschlagnahme von Verteidigerunterlagen für dieses Verfahren. Und dieses Nebenergebnis begründet genau diesen Antrag: Verteidigerunterlagen für dieses Verfahren sind beschlagnahmt worden. Darin liegt die veränderte Sachlage nach § 265 [Abs. ]4[ StPO], welche die weitere genügende Vorbereitung der Verteidigung vereitelt.

(Um 9.18 Uhr erschien RA Schily)

Erlauben Sie mir zwei kurze Zitate aus der Stuttgarter Zeitung vom heutigen Tag auf S. 1:

„Die B. Anwaltschaft gab am Montag keine Erklärung ab, ob sie gegen Marielouise Becker einen Antrag auf Ausschluß von der Verteidigung im Baader-Meinhof-Verfahren stellen werde. Ein Haftbefehl ist gegen die Rechtsanwältin am Montag nicht beantragt worden.“

Beachten Sie dies für die Beurteilung meines Antrags auf Aussetzung dieses Verfahrens.

Die B. Anwaltschaft mobilisiert mit einer solchen Erklärung die Öffentlichkeit in der Weise, und verunsichert die Verteidigung selbstverständlich in der Weise, indem sie durchblicken läßt, öffentlich in ihrer Presseerklärung, daß ein Ausschlußverfahren gegen die Kollegin Becker wohl jetzt auch anstehe. Es heißt weiter in der Stuttgarter Zeitung auf S. 13 - das betrifft das Verteidigermaterial für diesen Prozeß - wörtlich:

[752] „Im Büro des Rechtsanwalts (Croissant nämlich) standen am Montagnachmittag Kartons herum. Die Aktenregale waren zum größten Teil abgeräumt.“

Und ausdrücklich heißt es in dem gestrigen Durchsuchungsbeschluß, daß heute weiter durchsucht werden und weiter beschlagnahmt werden würde.

Eine Anmerkung zum Ende für die Begründung dieses Antrags: Dieser für einen Rechtsstaat einzigartige Vorgang, Angeklagten durch Kriminalisierung ihrer Anwälte - eben dieser Verteidigung wegen - ihre Verteidigung zu zerschlagen, kennzeichnet diesen vorgeblichen Rechtsstaat als den Typus eines Machtstaats, und dafür, meine Herren von der B. Anwaltschaft, berufe ich mich auf Ihren Minister, den Justizminister Vogel, der bei der Beratung des Verteidigerausschlusses ... Verteidigerausschlußgesetzes[15] im B. Tag folgendes gesagt hat:

Der Grundsatz der freien Advokatur als auch das Recht des Beschuldigten auf umfassende Verteidigung gehörten zur Ordnung des Strafprozesses als Magna-Carta des Rechtsstaats. Denn der fundamentale Unterschied zwischen einem Rechtsstaat und einem Machtstaat offenbart sich nicht zuletzt darin, wie ein Staat mit einem Beschuldigten, mit einem angeklagten Bürger umgeht, wie er die Rechte dessen ausgestaltet, wem gegenüber er von seiner Strafbefugnis Gebrauch macht.

Und an dieser Stelle verzeichnet das B. Tagsprotokoll, aus dem ich soeben zitiert habe, Beifall.

Und akklamiert hat nun sein Kollege Engelhardt (FDP), der insbesondere hervorgehoben hat aus demselben B. Tagsprotokoll, 123. Sitzung am 23.10.74, auf den Seiten 8.229 und 8.234, also Koalitionsgefährte Engelhardt akklamiert und sagt:

„Die freie Advokatur in ihrer historischen Entwicklung war immer eines der wesentlichen Kennzeichen unseres Rechtsstaates.

[753] Wer in autoritären Systemen beobachtet, wie die freie Advokatur zunächst immer Einschränkungen und Gängelungen und schließlich ...“

meine Herren von der B. Anwaltschaft, einschließlich Herrn Zeis,

„... und schließlich Unterdrückungen ausgesetzt ist, der wird den Unterschied zwischen Rechtsstaat und Machtstaat begreifen.“

Ich appelliere folglich:

diese Anschläge auf die Verteidigung in diesem Verfahren nicht länger abzudecken, nämlich - meinem Antrag entsprechend -

das Verfahren auszusetzen,

bis wir die beschlagnahmten Verteidigerunterlagen wieder zur Verfügung haben werden, und bis die B. Anwaltschaft sich erklärt hat, ob sie weitere Ausschlußverfahren - etwa wie hier in der Presse angekündigt gegen die Kollegin Becker - beantragt.

Danke.

Vors.:

Kann die B. Anwaltschaft sofort Stellung nehmen?

Gehen die in dieselbe Richtung?

Herr RA Heldmann, darf ich zuerst klären.

Sie haben sicherlich diesen Antrag schriftlich.

RA He[ldmann]:

Nein. Ich habe nur Stichworte.

(Weiteres blieb unverständlich)

Vors:

Das wär für uns natürlich ’ne Erleichterung.

Frau Ensslin.

RA’in Becker:

Ich stelle für Frau Ensslin den Antrag:

die Hauptverhandlung infolge der veränderten Sachlage, die durch die gestrigen Vorgänge entstanden ist, auszusetzen.

[754] RA’in Becker:

Aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses, der auf Antrag der B. Anwaltschaft vom B. Gerichtshof erlassen wurde, bin ich gestern von 9.00 - 12.00 Uhr festgehalten, durchsucht und erkennungsdienstlich behandelt worden. Um diese Maßnahme zu legitimieren, produziert die B. Anwaltschaft Vorwürfe und konstruiert Zusammenhänge, die in einem Rechtsstaat haltlos sind. So wurde in meinem Büro anläßlich der Durchsuchung Haag[16] eine Patrone gefunden in einem Labellostift. Ich habe von dieser Patrone anläßlich dieser Durchsuchung zum ersten Mal gehört und habe sie selbst nie gesehen.

Bei dieser Durchsuchung gestern wurden Verteidigerunterlagen weggenommen und sichergestellt entgegen dem Beschlagnahmeverbot des § 97[ StPO].[17] Bei diesen sichergestellten Schriftstücken handelt es sich zum Teil um Unterlagen, die dieses Verfahren und die Verteidigung in diesem Verfahren betreffen. Diese Maßnahmen bereiten die weiteren Ausschlüsse vor ... die weiteren Ausschlüsse von Verteidigern vor und sollen die Verteidigung der Gefangenen aus der RAF vereiteln, die Verteidigung vereiteln nicht nur durch die Wegnahme der Verteidiger, wie dies bei RA Croissant und Ströbele geschehen ist, und die Wegnahme der Verteidigerunterlagen, sondern auch mit dem Ziel, die noch vorhandenen Verteidiger zur Aufgabe dieser Verteidigung zu pressen. Der Machtstaat offenbart sich, indem er ad hoc unvollständige Gesetze verabschiedet, dessen Lücken der Senat gegen die ursprüngliche Absicht des Gesetzgebers schließt, der auf Antrag der B. Anwaltschaft seine Entscheidung aufhebt und danach die Gesetzeslücke mit Hilfe wiederum eines Senats für dieses Verfahren endgültig schließt.[18]

Der Machtstaat tritt auf in Gestalt dieses Senats, der nach den Ausschlüssen der drei Verteidiger von Andreas Baader dem neuen Verteidiger eine Vorbereitung versagt,[19] der Begründung und Verurteilung der B. Anwaltschaft in Beschlüssen zu seinen eigenen macht.

[755] Wenn die Öffentlichkeit solches Vorgehen hinterfragt und beurteilt, verarbeitet die B. Anwaltschaft und ihre Hilfsstaatsanwaltschaften alte Diffamierungen und Konstruktionen zu Haftbefehlen oder produziert neue Vorwürfe, um vor der Öffentlichkeit den Ausschluß der Gefangenen von der Verteidigung, den Verrat am Rechtsstaat zu legitimieren.

Wenn der Senat den Schein der Rechtsstaatlichkeit aufrechterhalten will, zwingt ihn das Gesetz, bei der in der Hauptverhandlung eingetretenen neuen Situation einer veränderten Sachlage zur Aussetzung der Hauptverhandlung.

Ich beantrage,

so lange auszusetzen, bis die B. Anwaltschaft meine Unterlagen zurückgegeben hat.

Vors:

Liegt dieser Antrag schriftlich vor?

RA’in Becker:

Nein.

Vors:

Herr RA v[on] Plottnitz.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Ich habe mich zunächst dem Herrn Raspe mit dem Antrag,

das Verfahren gemäß § 265 Abs. 4 StPO auszusetzen,

anzuschließen und zur Begründung dieses Antrags ergänzend noch folgendes vorzutragen:

Rechtsanwälte zu verhaften, die das unabdingbare Recht auf eine freie Verteidigung auch und gerade für solche Gefangene garantieren wollen, die sich dem Vorwurf ausgesetzt sehen, die soziale und politische Legitimität bestimmter staatlicher Herrschaftssysteme radikal in Frage gestellt zu ha- [756] ben, war bislang nur in Ländern üblich, die im Gegensatz zur B. Republik zumindest ehrlich genug sind - wie etwa Spanien[20] - den Anspruch der Rechtsstaatlichkeit gar nicht erst lautstark zu proklamieren.

Inzwischen scheint es der Ehrgeiz der Staatsschutzbehörden der BRD zu sein, es solchen Ländern gleichzutun. Die Technik, die den Verhaftungen, Durchsuchungen und Beschlagnahmen vom gestrigen Tage zugrunde liegt, läßt sich wie folgt beschreiben:

Man verbreite über Jahre hinweg das Gerücht, die Verteidiger der Gefangenen aus der RAF seien in Wahrheit keine Verteidiger sondern Komplizen, wobei darauf zu achten ist, daß die Gefangenen selbst nicht etwa als Beschuldigte in einem Strafverfahren dargestellt werden, in dem über erhobene Schuldvorwürfe erst noch zu befinden wäre, sondern als von Anbeginn ihrer Festnahme an bereits Überführte und Verurteilte. Man vertraue sodann darauf, daß dieses Gerücht genügend aufbereitet und aufgeheizt den Gesetzgeber dazu stimuliert, ein Spezialgesetz zum Ausschluß von Verteidigern in einem Verfahren zu schaffen, dem man mit der Strafprozeßordnung alter Fassung allein nicht mehr beizukommen meint. Man verzage nicht, wenn ein solches Gesetz als Opfer von Hast und Hektik Lücken aufweist, die seinem unmittelbaren politischen Zweck zuwiderlaufen.

Es wird sich immer ein Senat finden - sei es ein zweiter oder ein erster Strafsenat - der solche Lücken zu kitten bereit ist, der Neigung folgend, den Grundsatz der Teilung der Gewalten zu suspendieren, wo Not an Macht ist. Einer Öffentlichkeit, die an derlei Vorgängen zu zweifeln beginnt, die zu fragen wagt, wo denn die Beweise für die vielbeschworenen Übeltaten der ausgeschlossenen Rechtsanwälte bleiben, die mißtrauisch wird, wenn über Jahre hinweg von Ermittlungsverfahren gesprochen wird, von denen die Staatsschutzbehörden viel, die betroffenen Verteidiger aber nichts wissen; einer Öffentlichkeit, die den Verdacht äußert, ob sich nicht der Rechtsstaat unter seiner eigenen Überschrift in sein Gegenteil verkehrt; einer solchen Öffentlichkeit kann geholfen werden:

[757] Man verhafte die von Ausschlußverfahren betroffenen Rechtsanwälte, durchsuche ihre Büros, stelle ihre Verteidigungsunterlagen sicher und begründe das Ganze mit eben den Gerüchten, die die Ausschlußgesetze, die Ausschlußverfahren und die Ausschlüsse selbst legitimieren sollten.

Alsdann hoffe man darauf, daß Ausschlüsse von Verteidigern ohne gesetzliche Grundlage den Schein des Rechts erhalten, und daß Staats- oder Justizorgane, die zur Zerschlagung einer Verteidigung das Recht brechen, sich als Hüter des Rechts, statt als Hüter ungesetzlicher Macht darstellen.

Für die Verteidiger, die den Gefangenen für diese Hauptverhandlung verblieben sind, hat sich die Sachlage durch die gestrigen Verhaftungen, besonders aber durch die Durchsuchung der Büros der Kollegen Dr. Croissant, Ströbele und Groenewold und die Sicherstellung umfangreicher, für dieses Verfahren bestimmter Verteidigungsunterlagen der Kollegen in einer Weise verändert, die die beantragte Aussetzung unerläßlich macht.

Wie hier bereits mehrfach betont wurde, waren die von den gestrigen Maßnahmen betroffenen Kollegen zentral an der Vorbereitung und Erarbeitung ...

RA He[ldmann]:

... habe eine Bitte. Darf ich ...

Vors:

Zunächst muß Ihr Kollege verzeihen.

RA He[ldmann]:

... ist selbstverständlich nicht an Sie gerichtet. Meint nicht der Herr Berichterstatter, daß es ganz sachdienlich sei, statt ein Büchlein zu lesen, diesem Vortrag zu folgen? Es geht nämlich anschließend wahrscheinlich um ’ne Antragsberatung.

[758] Vors:

Wen verstehen Sie unter Herrn Berichterstatter?

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Den Herrn Dr. Foth meint er wohl.

RA He[ldmann]:

Den Herrn zu Ihrer Rechten.

Vors:

Ich bin nicht dazu da, daß ich irgendwie das Verhalten der Richter hier oben kontrolliere.

Ich bin überzeugt, daß Herr Dr. Foth das, was hier vorgetragen wird,

a) zur Kenntnis nimmt und

b) daß er nachher diesen schriftlichen Vortrag bekommen wird; denn er ist ja schriftlich ...

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Den wird er nicht bekommen, weil ich selbst nur über ...

Wir haben ihn nicht schriftlich.

Vors:

Er wird doch aber verlesen, soweit ich sehe.

RA He[ldmann]:

Aus Stichworten.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Herr Vorsitzender, das ganze wurde in Stichworten zusammengefaßt in der vergangenen Nacht. Ich habe keine Durchschrift; ich hab nichts, also. Das kann ich nicht aus der Hand geben.

Vors:

Herr RA Schily, Sie haben jetzt das Wort im Augenblick nicht, der Herr Dr. Foth hat es jetzt zunächst.

[759] Dr. Foth:

Herr RA Heldmann, nur ein Wort:

Dieses Büchlein ist die Strafprozeßordnung, wenn Sie’s interessiert.

RA He[ldmann]:

Aber. Herr Baader hat’s schon gesagt.

RA Sch[ily]:

Darf ich auch etwas zu der Verfahrensweise sagen?

Vors:

Nein. Ich würde jetzt vorschlagen, daß wir Herrn RA v[on] Plottnitz zu Ende hören, und dann dürfen Sie zur Verfahrensweise sprechen.

Nein. Aber ich laß es jetzt nicht zu. Der Antrag wird jetzt zu Ende vorgetragen.

Sie haben doch nicht das Recht, ständig die Verfahrensweise hier zu bestimmen.

Herr RA v[on] Plottnitz, bitte, fahren Sie fort.

RA Sch[ily]:

Aber, Herr Vorsitzender, wenn hier gesagt wird, ...

Vors:

Herr RA Schily, ich gebe Ihnen das Wort im Augenblick nicht. Herr RA v[on] Plottnitz hat es. Bitte Herrn RA Schily das Wort zu entziehen.

RA Sch[ily]:

... Vorgang ... (Weiteres ist unverständlich)

Vors:

Sie haben jetzt zwar losgebracht, was Sie losbekommen wollten. Daß es nicht sich so gehört, wie Sie sich hier vor Gericht benehmen, das darf ich Ihnen bei dieser Gelegenheit aber mal mitteilen.

[760] RA Schily sinngemäß: Der Vorsitzende möge solche Belehrungen unterlassen.

Vors:

Ich unterlasse sie nicht.

Besser hätten Sie das unterlassen, was Sie tun.

Bitte, Herr RA v[on] Plottnitz.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Wie hier bereits mehrfach betont wurde, waren die von den gestrigen Maßnahmen betroffenen Kollegen zentral an der Vorbereitung und Erarbeitung von Verteidigungskonzepten für diese Hauptverhandlung beteiligt. Bisher wissen wir nur u.a. von den Kollegen Becker und Schily, die bei den Durchsuchungen in Stuttgart und Berlin als Verteidiger anwesend waren, daß bei den dortigen Bürodurchsuchungen umfangreiche Verteidigungsunterlagen gesichtet und sichergestellt wurden. Für die Durchsuchung des Büros des Kollegen Dr. Croissant ergibt sich dies auch aus dem Verzeichnis der sichergestellten[b] Gegenstände vom 24.6.1975.

Daß auch bei der Durchsuchung des Kollegen Groenewold Verteidigungsunterlagen für dieses Verfahren in großem Umfang sichergestellt wurden, kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden.

Die Verteidigung muß sich jetzt zunächst einen Überblick darüber verschaffen, welche Verteidigungsunterlagen im einzelnen die Staatsschutzbehörden bei den Durchsuchungen an sich gebracht haben und ob und falls ja, in welchem Umfang, sich hieraus Rückschlüsse auf Verteidigungskonzepte für diese Hauptverhandlung ergeben. Erst danach kann sie bestimmen, ob und wie die Verteidigung hier in Zukunft zu führen ist.

Dabei haben wir es gegenwärtig hinzunehmen, daß sich die Staatsschutzbehörden im Zusammenhang mit den Durchsuchungen durchweg unter Verletzung des Beschlagnahmeverbots des [761] § 97 StPO in den Besitz von Verteidigungsunterlagen für dieses Verfahren gebracht haben.

Es kommt im übrigen hinzu, daß uns der Kollege Dr. Croissant für die Dauer der Hauptverhandlung einen Raum in seinem Büro als Arbeits- und Beratungsraum ebenso zur Verfügung gestellt hatte wie umfangreiches von ihm zur Vorbereitung der Hauptverhandlung gesammeltes und nach Sachgebieten geordnetes Material zur Verteidigung. Die Büroräume sind zur Zeit versiegelt, die erwähnten Unterlagen, soweit wir bisher wissen, zum großen Teil sichergestellt.

Auch dies ist ein Aspekt, der die beantragte Aussetzung erforderlich macht.

Vors:

Es wäre natürlich schon von Nutzen, Herr RA v[on] Plottnitz, wenn Sie diese Aufzeichnungen wenigstens zum Fotokopieren uns geben würden; Sie müssen sie nicht länger aus der Hand geben.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Das kann man machen. Es ist handschriftlich.

Vors:

Das wäre ’ne Möglichkeit.

Dann nehmen wir das nachher ganz kurz an uns und lassen es fotokopieren. Vielleicht, Herr Adler, wenn Sie Herrn RA v[on] Plottnitz die Unterlagen geschwind abnehmen und gleich zum Fotokopieren geben würden.

(RA v[on] Plottnitz übergibt den Antrag zum Fotokopieren)

RA Rie[del]:

Herr Vorsitzender, bitte ich noch.

Vors:

Herr RA Riedel zunächst.

[762] RA Rie[del]:

Ja. Ich schließe mich für die Mandantin Ulrike Meinhof dem gestellten Antrag, das Verfahren auszusetzen, und zwar so lange auszusetzen, bis die hier erwähnten Unterlagen, wie vorgetragen, wieder im Besitz der Verteidigung sind.

Ich habe in diesem Zusammenhang noch darauf hinzuweisen, daß - wie das Gericht weiß - das Büro des Kollegen Groenewold gestern ebenfalls im Rahmen dieser Aktion durchsucht worden ist. Der Sozietät dort gehört auch der RA Köncke an, der - wie das Gericht weiß - Wahlverteidiger[21] in diesem Verfahren hier für Frau Meinhof ist. Herrn Köncke wurde bedeutet, daß er sich in Hamburg zur Verfügung zu halten habe für weitere Maßnahmen der Ermittlungsbehörden. Er ist also gehindert für den Fall, da es notwendig werden sollte, sich mit seinen Verteidigeraufgaben in diesem Verfahren heute z. B. zu befassen. Außerdem steht fest, daß auch in dem Büro, dem der Kollege Köncke angehört, umfangreiches Material sichergestellt worden ist und beschlagnahmt werden soll. Die Verteidigung hier war natürlich in der kurzen Zeit nicht in der Lage, sich umfassende Gewißheit darüber zu verschaffen, was im einzelnen in Hamburg von den Ermittlungsbehörden - das ist in diesem Falle die B. Anwaltschaft - mitgenommen wurde. Auch insoweit ist es unbedingt notwendig, bevor hier die Verteidigung sinnvoll weitergeführt werden kann, sich darüber Klarheit zu verschaffen;

und auch aus diesem Grunde ist die Aussetzung für mich unumgänglich.

RA Sch[ily]:

[c] Frau Ensslin möchte den Antrag noch ergänzen in der Begründung.

Vors:

Frau Ensslin, bitte schön.

[763] Angekl. Enss[lin]:

Die B. Anwaltschaft ist die Stelle im repressiven, den Faschismus aufblasenden Staatsapparat, dem die Durchführung unserer Vernichtung obliegt. Das ist der Schlüssel nicht nur der drei Jahre, in der sie den Prozeß vorbereitete. Bevor sie mit offensiver Informationspolitik als der Konzeption faschistischen Gebrauchs staatlicher Macht im März jetzt hervorgetreten ist, war es in deren Anwendung gegen uns - Isolation, Konstruktionen aus Lügen und Fälschungen und Staatsschutzoperationen - und so gegen die Anwälte, deren systematischer Kriminalisierung, daß die B. Anwaltschaft und der Staatsschutz, um Folter und Liquidierung der Verteidiger zu legalisieren, zur Formulierung der Sondergesetztexte[22] kamen.

Andreas ist deshalb noch nicht vom Staat hingerichtet, wie Holger planmäßig von der B. Anwaltschaft hingerichtet wurde, weil Croissant am 5. November 1974 noch nicht verhaftet und auch noch nicht ausgeschlossen war, und telefonieren wie jetzt noch nicht unmöglich; und Prinzing auch noch nicht ganz der Wurm, der Sartre auch 20 Minuten verweigert hätte.[23]

(Um 9.35 Uhr verlassen die Vertreter der B. Anwaltschaft Zeis, Widera und Holland den Sitzungssaal).

Der Generalbundesanwalt ist auch nicht erst seit gestern, als die FAZ es schrieb, dabei, in die Offensive zu gehen; sondern er, Buback, der imperialistische Staat ist in sie gegangen, unmittelbar in Reaktion auf den Hungerstreik, auf die Forderung, die Isolation aufzuheben.[24]

Kurz: Es handelte sich letzte Woche um diese Stelle, ihre Anatomie, von der die B. Anwaltschaft seit 5. Februar, dem Datum des Abbruchs bzw. der Unterbrechung des Hungerstreiks, wußte, daß sie ... Knochen transparent zeigen würde. Aber die B. Anwaltschaft kam und plante - und so planen Sie - natürlich nicht die Jauche, wie gesagt, und übrigens liegt sie ja schriftlich vor diese Umkehrung, deren Logik, d. h. Entsprechung, die in der einfachen Tatsache liegt, die der Staat [764] auch genauso begreift. Daß die Guerillaaktion in Siegen und Niederlagen, gleichgültig gegenüber ihrer objektiven Gebrechlichkeit, begründet in revolutionärer Subjektivität und auf eine überreife Situation, die Schlinge zuzieht, in der das Kapital ist und so der imperialistische Staat sich besiegt gegen die Tendenz der Befreiung und die Entwicklung der Produktivkräfte.

Aber sie plante die Verhaftung von Croissant und Ströbele. Die Reaktion - und wie gesagt, um etwas anderes als darum, sie zu offenem transparentem Auftreten zu zwingen, dem Staat zu Terror dazu sich zu zeigen - kann es uns hier sicher nicht gehen. Ihre geplante Propaganda wendet sich gegen Sie selbst. Sie propagiert die Notwendigkeit der revolutionären Gewalt.

Vors:

So. Das war also eine Erklärung, die angehört wurde.

Wohl keine zusätzliche Begründung.

RA Rie[del]:

Frau Meinhof möchte die ... den gestellten Antrag noch einmal ergänzend begründen.

(Um 9.38 Uhr erscheinen die Vertr. der B. Anwaltschaft - OStA Zeis, Reg. Dir. Widera und StA Holland - wieder im Sitzungssaal)

Vors:

Aber ich weise diesmal drauf hin:

Wir haben Frau Ensslin zu Ende reden lassen, um nicht hier wieder das alte Gerede zu bringen. Sofern sich’s, Frau Meinhof, um eine Erklärung handelt und nicht um eine zusätzliche Begründung ...

RA Rie[del]:

Sie möchte die Begründung ergänzen, wie sie vorgetragen wurde.

Vors:

Das darf sie jederzeit. Das ist selbstverständlich. Aber ich bitte, hier diesen Erklärungsstil etwas zu vermeiden. Bitte, Frau Meinhof.

[765] Angekl. Me[inhof]:

Ich will den Aussetzungsantrag ergänzen, in unmittelbarem Zusammenhang mit der Begründung, mit der unser Mißtrauensantrag gegen das Gericht abgelehnt worden ist; nämlich zu der antikommunistischen Projektion der B. Anwaltschaft, die Holger hingerichtet hat und Siegfried Hausner, und zweimal versucht hat, Andreas zu ermorden, auch uns. Wir waren uns alle - jeder - in unserem Hungerstreik darüber klar, daß dies der Zweck der Isolation ist, uns zu verdinglichen, indem sie uns zerstört, es sein kann, daß die B. Anwaltschaft und die Gerichte nicht nachgeben würden, ohne einen oder zwei von uns liquidiert zu haben. Wir waren entschlossen, alle, uns dadurch nicht vom Kampf gegen den Staat, den Tod in der Isolation abhalten zu lassen, uns von den Morddrohungen der B. Anwaltschaft, die wir kannten, nicht erpressen zu lassen.

Wie Entscheidungen zustande kommen, weiß die B. Anwaltschaft. Sie hat sich genug Material aus unseren Zellen beschafft. Sie stützt darauf ihre Lügen, indem sie es fälscht und verdreht und so seit drei Jahren die Öffentlichkeit täuscht. Keiner so wie sie und das B. Kriminalamt, als einzige nichtgewählte Behörde mit einer institutionalisierten Pressekonferenz, ihrem Zugang zu den Informationen des BKA und der geheimen Nachrichtendienste, in der Totalverfügung über die ideologischen Staatsapparate Medien - in der Bundesrepublik gibt es keine Washingtonpost - stehen ihr CIA-Methoden frei.

Was die B. Anwaltschaft bezweckt, ist die psychologisch-propagandistische Vorbereitung der Ermordung von Andreas durch sie. Weil sie das erkannt hat, daß Andreas für uns ist, was Fidel für Kuba,[25] Che für Lateinamerika,[26] Lumumba für Belgisch-Kongo,[27] Ho für Vietnam,[28] Marighella für Brasilien,[29] Malcolm X für die Schwarzen in der USA,[30] Georg für die Gefangenen in den USA,[31] Holger mit Andreas für uns war:

die Verkörperung von kollektiver Führung von Orientierung im Kampf, obwohl die B. Anwaltschaft natürlich nicht weiß, was das ist. [766] Eingeschaltet in die Vorbereitung der Ermordung von Andreas sind die Springerpresse, der Stern, der Spiegel, die Frankfurter Allgemeine und die Frankfurter Rundschau. Bei ihnen ist die Methode eindeutig, ihn[d] darzustellen, als Inbegriff dessen, was Sie sind:

Vernichtungsstrategen, Volksverhetzer, ...ideologen, Zyniker und Schweine!

Eindeutig die Anstrengung in Ihrer Berichterstattung ...

Vors:

Frau Meinhof, jetzt entziehe ich Ihnen das Wort.

Angekl. Me[inhof]:

Ich will jetzt vielleicht mal zu Ende ...

Vors: (zum Protokollführer)[e]

Bitte, Frau Meinhof das Wort entziehen!

Frau Meinhof, Sie können nicht weiter vortragen. Es kommt nicht zu Protokoll; das hat mit Begründung nichts zu tun. Wir haben’s uns in Ruhe angehört, weil auch gewisse interessante Passagen drin waren. Aber wenn Sie mit Ausdrücken wie Schweine gegen die B. Anwaltschaft vorgehen, dann werden wir Ihnen das Wort hier nicht weiter belassen. Ist sonst noch jemand da, der irgend etwas vortragen möchte zur Begründung dieses Antrags.

Angekl. Me[inhof]:

Ich mußte den Zusammenhang darstellen.

Vors:

Was Sie zu sagen haben, war[f] bis jetzt keine Begründung[g]. Ich habe Ihnen gesagt, Sie sollen keine Erklärungen abgeben;

so können Sie das Wort nicht weiter haben.

Frau Meinhof, Sie haben das Wort nicht mehr. Sie haben es mißbraucht; ich geb’s Ihnen nicht mehr zurück.

[767] Vors:

Herr Baader, wollten Sie noch zur Begründung was beitragen? Bitte, Herrn Baader das Wort.

Angekl. Baa[der]:

Ich wollte lediglich sagen, Prinzing:

Sie können natürlich hier in Ihrer Verfügung über die Mikrophonanlage inzwischen auch den Anwälten permanent den Ton entziehen. Ich meine, das ist ja ganz offen. Wir sitzen hier ...

Vors:

Wollen Sie zur Begründung, Herr Baader, wenn Sie zur Begründung ...

(Angekl. Baader ist nicht das Wort erteilt worden, blieb daher wegen Mikrophonabschaltung weiterhin unverständlich.)

Vors:

Ich habe Sie aufgefordert, keine Erklärung abzugeben, sondern zusätzlich zur Begründung dieses Antrags auf Aussetzung des Verfahrens beizutragen, wenn Sie wollen. Zu weiterem haben Sie jetzt nicht das Wort.

Angekl. Baa[der]:

Ich möchte zur Begründung beitragen.

Vors:

Tragen Sie.

Angekl. Baa[der]:

Ja. Dann machen Sie mal den Ton an.

(Gelächter im Saal)

Ja, diese Jovialität. Also hinter dieser Jovialität steckt doch inzwischen für jeden offensichtlich eine muffige Clique von Schreibtischtätern ... Schreibtischmördern, die sich an die B. Anwaltschaft drängt.

[768] Vors:

Herr Baader, das Wort ist Ihnen entzogen. Bitte ...

Nein, das ist keine Begründung. Sie haben’s ja auch ...

Angekl. Baa[der]:

Die kommt jetzt, die Begründung.

Vors:

Sie haben’s mißbraucht. Wenn Sie sich in geordneten Formen ausdrücken, dürfen Sie reden.

(Gelächter im Saal nach einem unverständlichen Zwischenruf des Angekl. Baader).

Vors:

Also, Herr Baader, Sie haben die Wahl:

Ob Sie zu Wort kommen können oder nicht.

In dieser Form nicht.

Angekl. Baa[der]:

Ja, wissen Sie denn immer schon vorher, welche Formen das annimmt.

Vors:

Ich habe was von Schreibtischmördern und einer muffigen Clique in dieser Richtung gehört. Das reichte wohl dazu, das beurteilen zu können, was kommt, oder was schon gesagt war.

Angekl. Baa[der]:

Naja. Um es ... Wenn Sie’s nicht genau verstanden haben, wiederhole ich es:

eine muffige Clique von Schreibtischmördern ...

Vors:

Bitte das Wort abstellen. Jetzt ist’s endgültig entzogen.

[769] Angekl. Baa[der]:

Ich habe das Ganze nicht richtig verstanden.

Vors:

Sind nun weitere Anträge zu stellen?

Herr RA Schily, bitte.

Herr RA Heldmann. Jetzt weiß ich nicht, wer von Ihnen ...

RA He[ldmann]:

Eine kurze Frage zu Frau Meinhof und zu Herrn Baader:

Wäre es Ihnen recht, wenn Frau Meinhof und Herr Baader ihre weitergehenden Antragsbegründungen schriftlich zu den Akten geben? Dann kann sich der Senat aussuchen, was ihm gefällt.

Vors:

Dies stelle ich Ihnen anheim. Aber noch mehr würde ich Ihnen empfehlen, vielleicht Ihren Mandanten - soweit sie angesprochen sind - zu empfehlen, sich in den Formen gegenüber dem Gericht zu äußern, die wir zulassen können. Dann wird keinem das Wort abgeschnitten.

RA He[ldmann]:

Ich bin keine Zensurbehörde.

Vors:

Dann müssen Sie sich auch nicht darüber wundern, warum das Gericht das nicht hinnimmt. Es ist merkwürdig, daß Sie immer nur dann Empfindlichkeiten entwickeln, wenn den Angeklagten etwas gesagt wird, aber nicht bereit sind, ihnen in der Form zu helfen, daß Sie ihnen nämlich den Rat geben, sich vernünftig zu verhalten. Dann kommen sie zu Wort.

RA He[ldmann]:

Die Reaktion der Angeklagten, die sind, nachdem, was vorangegangen ist und nachdem, was sich in diesem Verfahren hier zeigt, nur gar zu verständlich.

[770] Vors:

So, Herr Rechtsanwalt Heldmann. Ich will Ihnen eines sagen: Meine Auffassung vom Anwaltsberuf ging dahin, daß ein Anwalt auch im Rahmen seiner Beauftragung verpflichtet ist, auf Mandanten mäßigend einzuwirken. Ich habe bis jetzt immer nur das Gefühl gehabt, daß - ich möchte nicht vom „Öl-ins-Feuer-gießen“ reden -, aber jedenfalls von mäßigendem Einfluß war nichts zu bemerken. Vielleicht lesen Sie mal in Ihren Berufsvorschriften[32] darüber etwas nach.

RA He[ldmann]:

Herr Vorsitzender, bei Gelegenheit werden wir mal vielleicht fünf Minuten Zeit finden, daß ich Ihnen mal meine Auffassung über den Richterberuf wiedergebe, und da bitte ich Sie, besonders zuzuhören.

Vors:

Jetzt darf ich fragen:

Werden jetzt zu den gestellten ...

Also: Es scheint mir, daß auch keine Einigkeit bei Ihnen besteht, Herr RA Schily hat vorhin das Wort bekommen, er hat bis jetzt noch nicht das Wort erhalten können, weil immer dazwischengeredet wurde.

Bitte Herr Rechtsanwalt.

Angekl. Baa[der]:

Ja. Ich glaube, ich bin noch nicht dazu gekommen ...

RA Sch[ily]:

Ich schließe mich ebenfalls für Frau Ensslin dem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens an und darf zur Begründung folgendes ausführen:

(Flüstern zwischen Angekl. und RA Schily).

Vors:

Herr RA, ich glaube, Sie haben das Wort.

[771] RA Sch[ily]:

Ich glaube, es ist notwendig, um den Charakter der Maßnahmen, die gestern zwei Kollegen getroffen haben und eine Kollegin, die hier auf der Verteidigerbank sitzt sowie einen weiteren Kollegen in Hamburg, die allgemeine politische Szenerie in Augenschein zu nehmen; und da sollte nicht darüber hinweggesehen werden, was in jüngster Zeit an Fäulniszeichen in dieser Gesellschaft auftritt.

Man braucht nur die Zeitungen aufzuschlagen, um diese Fäulniszeichen in vielfacher Hinsicht zu beobachten.

Ich lese heute in der Frankfurter Rundschau, daß ein Soldat, der an einer Kundgebung zum 30. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus in Uniform teilgenommen hat, zu 15 Tagen Arrest verurteilt wurde.

Das steht in einer bemerkenswerten Beziehung zu der Tatsache, daß ein hoher Offizier der B. Wehr in voller Uniform und mit Orden geschmückt, ohne, daß er in Arrest wandern mußte, am Jahrestag der Machtergreifung des Faschismus in Spanien teilnahm.

Wer Indizien werten kann, dem müssen bei der Beobachtung solcher Vorgänge doch die Augen aufgehen! Der muß doch wissen, was da eigentlich stattfindet!

Und wenn ein RA Röder, ein Häuptling[h] der Rechtsradikalen, sich wieder hier versammeln kann und das Horst-Wessel-Lied[33] gesungen werden darf, und der Herr RA Röder natürlich nicht ins Gefängnis wandern muß; aber Verteidiger, die sich das Recht nehmen und ihre Verpflichtung erfüllen, für den Rechtsstaat einzutreten, die - wie der Kollege Croissant es getan hat - in aller Öffentlichkeit angeprangert haben die Sonderbehandlung, die unmenschliche Behandlung von politischen Gefangenen; und in dem Haftbefehl, den man gegen diesen Kollegen Dr. Croissant verkündet hat, ausgerechnet diese Tätigkeit, nämlich: die Abgabe von Presseerklärungen, das Auftreten in öffentlichen Veranstaltungen, das Auftreten in der Öffentlichkeit im Ausland; daß ausgerechnet diese Tätigkeit dazu benutzt wird zu sagen: Das ist kriminell.

[772] Wer überhaupt noch etwas Restbestände an Rechtsgefühl hat, dem muß doch eigentlich klar werden, was da vorgeht. Die brutale und flagrante Rechtsverletzung, die gestern stattgefunden hat, ist eine Kulmination ... ein Kulminationspunkt all dessen, was an Rechtsverletzung dem vorausgegangen ist.

Und man kann ja auch, man muß das wissen, daß dem ja eine wirklich intensive psychologische Vorbereitung vorgegangen ist und erkennbar, immer deutlicher erkennbar werden die Grundzüge dieser psychologischen Kriegsführung, die jetzt über Jahr und Tag geführt wird von den Staatsschutzbehörden.

Und wenn in dem Haftbefehl gegen den Kollegen Ströbele allen Ernstes erklärt wird, allen Ernstes - ich dachte bisher, das sei eigentlich nur ein übler Scherz, den der 3. Strafsenat des B. Gerichtshofs einmal hat in einen Beschluß einfließen lassen -, aber da gibt es wieder die Formulierung:

„RA Ströbele bezeichnet sich als sozialistischer Anwalt und politischer Verteidiger, und damit hat er zu erkennen gegeben, daß er sich einer kriminellen Vereinigung angeschlossen hat.“ Das kommt in solchen Beschlüssen vor!

Und ich gehöre zu denen, die immer erklärt haben:

Mit der Verwendung des Wortes Faschismus soll man vorsichtig sein, damit soll man vorsichtig sein. Das sind ungeheuerliche historische Vorgänge, die hier den Namen des Faschismus getragen haben. Damit soll man vorsichtig sein. Das ist auch noch heute meine Meinung.

Aber was da jetzt geschieht, das verdient den Namen: faschistische Methoden!

Reg. Dir. Widera:

Das klingt ja wie auf einem Parteitag der KPD ML[34] ...

RA Sch[ily]:

Ach, Herr Widura, ach, Herr Widera, wissen Sie. Ich weiß nicht, auf welchem Parteitag Sie sonst zu sehen sind.

[773] Reg. Dir.[i] Wi[dera]:

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren ...

RA Sch[ily]:

Wenn Sie Herrn Schwinge[35] ja zitieren, nicht, dann weiß man ja, wes Geistes Kind Sie sind.

Angekl. Enss[lin]:

Es geht darum, daß wir seit drei Jahren in Isolation sind.

Vors:

Herr RA Schily, es wäre natürlich wünschenswert, wenn Sie zur Begründung des Aussetzungsantrags etwas mehr Bezogenes vortragen würden.

Das, was Sie bislang tun, hat in der Tat mehr den Eindruck erweckt, daß es um eine allgemeine Erklärung geht.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, darum werden Sie hier nicht herumkommen, daß Sie da nicht irgendwie sich irgendein Stückchen herausschneiden können, herausoperieren und dann mit irgendeinem juristischen Begriffsapparat versuchen, das zu bewältigen. Das wird nicht gehen.

Sie werden damit konfrontiert werden, daß dieser Prozeß einen Stellenwert hat, einen Stellenwert, der allgemein ... in der allgemeinen politischen Lage. Darum werden Sie nicht herumkommen; darum werden Sie sich nicht herummogeln können. Das wird Ihnen nicht gelingen. Und das ist Ihnen nicht gelungen, und das kann Ihnen nicht gelingen!

Vors:

Daß das Wort „mogeln” beanstandenswert wäre, das werden Sie auch verstehen.

[774] RA Sch[ily]:

Ich habe Ihnen gesagt, es wird Ihnen nicht gelingen, sich vorbeizumogeln. Wenn Sie sich nicht vorbeimogeln, um so besser.

Und es ist zu beobachten, daß hier ja auch gearbeitet wird im Zusammenhang mit dem, was den Kollegen vorgeworfen wird, mit einem jeweils wechselnden changierenden Begriff der Kriminalität. Ich will das erläutern:

Dem Kollegen Croissant wird gesagt, dadurch, daß er die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Rechte der Angeklagten in diesem Verfahren gelenkt hat, habe er sich der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung schuldig gemacht. Das liegt etwa auf der Ebene, die der Generalbundesanwalt seinerzeit vertreten hat im Zusammenhang mit dem Besuch des französischen Philosophen Jean Paul Sartre in Stuttgart.[36] Er hat gesagt:

Dieser Besuch und seine spätere publizistische Auswertung ist ein Tatbestand, der die Vorschrift des § 129[ StGB], nämlich Unterstützung einer kriminellen Vereinigung, erfüllt.

Das Gericht hat dann durch den Herrn Vorsitzenden diesen Besuch gestattet; und man muß sich ja dann eigentlich die Frage stellen: Ja, wenn das also ein krimineller Tatbestand ist, hat sich dann der Vorsitzende dieses Gerichts an diesem kriminellen Tatbestand beteiligt? Oder geht das jeweils nach der Funktion dessen, der in diesem Zusammenhang tätig wird, ob als Verteidiger, Richter oder Staatsanwalt?

Es gibt Richter, es gibt Richter - und ich muß sagen, vor denen habe ich Respekt -, die haben z.B. in richtiger Auslegung des Begriffs Verteidigung in Beschlüssen gesagt, daß es selbstverständlich einem Gefangenen, dem u. a. Beteiligung an einem Sprengstoffdelikt vorgeworfen wird, zusteht, sich mit Literatur auf diesem Gebiet zu versehen; daß das Verteidigungsmaterial ist, was den Gefangenen nicht vorenthalten werden darf. Ein entsprechender Beschluß eines Richters existiert. [775] Da wird man aber niemals davon hören, daß etwa ein solcher Vorgang, nämlich daß der Richter solches Material als Bezug, als rechtmäßigen Bezug gestattet hat, einem solchen Richter wird natürlich nie der Vorwurf gemacht werden, eine Unterstützung einer kriminellen Vereinigung. Das geht immer in der Richtung des Verteidigers.

Die Kollegen Becker, v[on] Plottnitz und Heldmann haben im übrigen hier ganz eindeutig klargemacht, in welcher massiven Weise die gestrige Beschlagnahme, Durchsuchungs- und Verhaftungsaktionen in die Verteidigung dieses Verfahrens eingreift.

Wenn Sie sich das Recht nehmen, wenn sich die B. Anwaltschaft das Recht nimmt, sozusagen nach Belieben die Verteidigungsunterlagen, die ja auch nach dem Ausschlußverfahren - was beispielsweise ja im Verfahren des Kollegen Ströbele, das auch nicht rechtskräftig ist - beschlagnahmefrei sind, nach Belieben da einen Zugriff zu haben, dann sind ja die letzten Reste, die letzten Reste an Verteidigungsmöglichkeiten in diesem Verfahren beseitigt; und zunächst, um hier sich Klarheit darüber zu verschaffen, wie weitgehend diese Maßnahmen sind, ist deshalb die Aussetzung geboten und von dem Gericht anzuordnen.

Vors:

Ich denke, daß jetzt die B. Anwaltschaft Gelegenheit hat, sich dazu zu äußern, wenn Sie wollen.

BA Dr. Wu[nder]:

Gerne, ja.

(RA v[on] Plottnitz ruft dazwischen, zunächst unverständlich)

RA v[on] Plottnitz:

... des Kollegen Schily auf eine praktisch faschistische Entwicklung in diesem Land ...

[776] Vors:

Herr RA v[on] Plottnitz, hat jetzt nichts zu tun ...

Bitte abzustellen. Es tut mir leid, Herr RA.

Ich entziehe Ihnen jetzt das Wort.

Herr RA v[on] Plottnitz, Herr RA v[on] Plottnitz. Ich entziehe Ihnen das Wort.

(RA v[on] Plottnitz ruft weiter in den Saal)

BA Dr. Wunder:

Herr Vorsitzender. Ich möchte jetzt meine Stellungnahme abgeben.

Herr v[on] Plottnitz. Ich möchte jetzt meine Stellungnahme abgeben.

Vors:

Herr RA v[on] Plottnitz. Ich beanstande es ausdrücklich. Sie wissen genau, daß ich keine andere Möglichkeiten habe;[37] daß Sie sich das Wort nehmen, obwohl ich’s Ihnen entzogen habe. Sie hätten diese Äußerung von mir aus abgeben können, nachdem alles, was zum Antrag zu sagen ist, gesprochen war.

Sie haben nicht das Recht, ständig dazwischenzureden.

Nein, Herr RA Schily, jetzt hat die B. Anwaltschaft das Wort. Bitte schön.

BA Dr. Wu[nder]:

Ich bitte,

die Anträge der Angeklagten und ihrer Verteidiger auf Aussetzung des Verfahrens abzulehnen.

Es bestehen schon rechtliche Bedenken, ob § 265[ Abs. ]4 StPO überhaupt anwendbar ist. Nur zur Klarstellung darf ich folgendes ausführen:

Die hier heute angesprochenen Ermittlungen haben mit diesem Verfahren nichts zu tun. Dies ergibt sich schon daraus, daß von den zahlreichen in die Ermittlungen einbezogenen Rechtsanwälten lediglich Frau Becker hier tätig ist, und daß die Ermittlungen in Stuttgart und Berlin in der Zuständigkeit der Länder geführt werden. [777] Gerade um diese Hauptverhandlung nicht zu tangieren, haben die Ermittlungsbehörden nach meinen Informationen einen sitzungsfreien Tag ausgewählt.

Die hier anwesenden Sitzungsvertreter der B. Anwaltschaft sind mit den heute hier angesprochenen neuen Vorgängen nicht befaßt. Von hier aus kann daher zu Einzelheiten keine Stellungnahme abgegeben werden.

Nur noch folgendes:

Der, bei dem scharfe großkalibrige Munition gefunden wird, muß es sich gefallen lassen, daß die dazu berufenen Staatsorgane, gelinde gesagt, Verdacht schöpfen und das tun, was ihres Amtes ist. Alles andere wäre Anarchie!

Das, was gestern den Ermittlungsbehörden im übrigen in die Hände fiel und nicht sogleich wieder zurückgegeben wurde, haben die hier anwesenden Sitzungsvertreter nicht zu Gesicht bekommen, und sie beabsichtigen, dies auch nicht zur Kenntnis zu nehmen.

Vors:

Herr RA Schily, bitte.

RA Sch[ily]:

Ja. Ich finde es doch bemerkenswert, daß der Herr Vorsitzende eigentlich, der so gerne von seinem Rügerecht uns gegenüber Gebrauch macht, Herrn Widura so ganz kommentarlos ...

Vors:

Widera.

RA Sch[ily]:

... der Widera so ganz kommentarlos hier erklären läßt, ich hätte hier Parteireden für die KPDML gehalten.

Ich kann hier erklären, falls Sie es interessiert, Herr Widera: Ich bin nicht Mitglied der KPDML.

Also ich meine, das wäre doch vielleicht eine ... auch mal so ein kleiner Versuch der Ausgewogenheit gewesen, Herr Vorsitzender.

[778] Vors:

Versuchen Sie, nachher mal im Protokoll nachzulesen, wie lange Herr B. Anwalt Widera gesprochen hat und wie lange Herr RA v[on] Plottnitz gesprochen hat, bevor ich ihn dann bat, jetzt abzubrechen, um den Antrag vollends erörtern zu lassen.

RA Sch[ily]:

Ja. Aber meinen Sie, daß das eine sachliche ... ist das ein sachlicher Beitrag zur Verhandlung, ja, wenn Herr Widera solche Bemerkungen macht?

Vors:

Wenn Sie einen Satz dazwischen gesagt hätten, hätte ich auch nichts gesagt, und so war es in diesem Falle.

Im übrigen:

Kommt jetzt noch irgendwas zu dem Antrag?

Herr RA Heldmann.

RA He[ldmann]:

Bitte, ein Stückchen weitere Antragsbegründung durch Herrn Baader.

Vors:

Ein Stückchen weiter.

Aber ich hoffe, daß Sie Ihrem Mandanten wenigstens den Rat gegeben haben, daß er sich eine Begründungsform wählt und nicht eine Verunglimpfungsform.

RA He[ldmann]:

Herr Baader hat bisher aufmerksam zugehört.

Angekl. Baa[der]:

Zur Stellungnahme der B. Anwaltschaft, also zur Stellungnahme von Wunder, der behauptet, diese Durchsuchungen würden dieses Verfahren nicht berühren; da muß man einfach nochmals daran erinnern - und wir haben sicher noch weitergehende Anträge zu stellen -, daß die letzte Zellen- [779] durchsuchung und die letzte Durchsuchung der Anwaltskanzlei in Heidelberg von Haag, bei der praktisch, wie ich gesagt hatte, das gesamte Projekt der Verteidigung, ungefähr eine Woche vor Eröffnung der Hauptverhandlung, beschlagnahmt worden ist; daß die unter dieser selben Konstruktion durchgeführt worden ist.

Es ist gesagt worden - und das muß man mal wirklich ganz klarstellen hier - es handelt sich um ein anderes Verfahren.

Was aber beschlagnahmt worden ist, ist gezielt das Material, das in der Verteidigung für diesen Prozeß von Belang ist; und - das ist sehr wichtig - es sind dieselben Leute.

Das ganz Eigenartige ist, daß, obwohl es andere Verfahren sind, Widera und Zeis da aufgetaucht sind und die Durchsuchungen geleitet haben bzw. das Material ausgewählt haben, das zu beschlagnahmen war.

Man muß also mal sehen, daß Wunder sich hier hinsetzen kann und sagen kann, es handelt sich um ein anderes Verfahren; es habe eine personelle Identität gegeben zwischen den Leuten, die die Durchsuchungen durchführen und das Material beschlagnahmen; und ich würde auch sagen im Zusammenhang der Verhaftungen[j] und Durchsuchungen gestern: eine personelle Identität zwischen den Leuten, die sie anordnen. Das ist sehr wesentlich; und den Leuten, die hier in diesem Verfahren die Anklage vertreten.

Und insofern ist es nochmals wichtig, darzustellen, daß die Polizeiaktion gestern in einem unmittelbaren Zusammenhang zu diesem Verfahren steht. Sie ist die Reaktion der B. Anwaltschaft auf das, was im Zusammenhang der Ermordung von Holger und Siegfried Hausner hier am letzten Verhandlungstag auf den Tisch gekommen ist, d. h., das in Gefahr war, hier wirklich aufgedeckt zu werden.

Vors:

Das Gericht zieht sich nun zur Beratung zurück.

Ich hoffe, daß wir unseren Beschluß noch im Laufe des ...

[780] Angekl. Baa[der]:

Ich bin noch nicht ganz fertig, Herr Prinzing.

Ich beantrage im Zusammenhang ...

Vors:

Herr Baader, ...

Angekl. Baa[der]:

... im Zusammenhang dieser Entscheidung,

das Material freizugeben, das gestern beschlagnahmt worden ist; auch das Material freizugeben, das eine Woche vor Beginn der Hauptverhandlung beschlagnahmt worden ist in der Kanzlei in Heidelberg bzw. bei der Zellendurchsuchung.

Das ist Material, das unmittelbar von wesentlicher Bedeutung ist für die Verteidigung hier, d. h., es enthält sowohl Anträge als auch theoretische Ausarbeitungen zur Grundsatzerklärung der Gefangenen sowohl zur Person als auch zur Sache möglicherweise, die uns jetzt fehlen.

Das ist der wesentliche Punkt.

Vors:

Ich bitte die B. Anwaltschaft, zu diesem speziellen Punkte, Beschlagnahme von Verteidigungsmaterial - wir wissen davon nichts - Stellung zu nehmen.

BA Dr. Wu[nder]:

Der letztgenannte Antrag von Herrn Baader ist unzulässig. Solche Anträge sind in jenem, aber nicht in diesem Verfahren zu stellen.

Vors:

Die B. Anwaltschaft hat doch das Recht, das zu tun, Herr RA - also ihre Ansicht zu äußern - Herr RA Schily, wollen Sie dagegen irgendwas vorbringen?

[781] RA Sch[ily]:

Ich will mal was sagen:

Selbst wenn in einem anderen Verfahren, selbst wenn es ein getrenntes Verfahren wäre, im selben Büro, in dem ja auch noch ’ne andere Akte geführt wird, nämlich die Akte dieses Verfahrens, Verteidigungsunterlagen dieses Verfahrens beschlagnahmt werden; und es ist ja in der Tat so:

Der Herr Zeis, der uns immer lächelnd gegenübersitzt - heute lächelt er ein bißchen weniger - von dem müssen wir doch ausgehen, daß er sämtliche Verteidigungsunterlagen bisher schon zur Kenntnis genommen hat, und das ist ja doch ein bemerkenswerter Vorgang, daß sozusagen Herr Zeis immer schon die Akten gelesen hat.

Und ich meine, vielleicht müssen wir’s in Zukunft so machen, daß wir also, wenn wir Anträge vorbereiten, die Kopien Ihnen immer gleich vorher schicken, damit wir die Arbeit dann vielleicht vereinfachen. Aber so ist die Konstellation dieses Verfahrens; und man kann nicht sagen, das ist ein anderes Verfahren, deshalb hat das gar nichts zu tun.

Es sind Unterlagen dieses Verfahrens beschlagnahmt worden, und der Antrag lautet eben auf Rückgabe dieser Verteidigungsunterlagen.

Vors:

Jetzt würde ich aber gern bitten, daß abgeschlossen wird. Ich meine, wir reden jetzt seit einer Stunde, mindestens, über diesen Antrag. Kann nicht die Argumentation endlich zu Ende gebracht werden?

RA Rie[del]:

Herr Vorsitzender, es ist doch wichtig, darüber Klarheit zu verschaffen, was die B. Anwaltschaft damit meint und welches Verfahren sie meint, wenn hier gesagt wird und beantragt wird, daß Material aus den Zellen der Mandanten abgeräumt wurde und daß die Mandanten verlangen, dieses Material, das im Zusammenhang mit dieser Hauptverhandlung steht, zurückzubekommen und die B. Anwaltschaft dann sagt, das war ein anderes [782] Verfahren, dann muß doch hier endlich mal Klarheit geschaffen werden, welches andere Verfahren denn das war, in dem die Zellen durchsucht worden sind.

BA Dr. Wu[nder]:

Herr RA Riedel, meine vorherige Stellungnahme bezog sich auf den Antrag, den Herr Baader gestellt hat. Das, was eben Herr RA Schily ausgeführt hat, gibt mir keinen Anlaß zu einer andern Stellungnahme.

Ich möchte nur darauf hinweisen, daß bei den Durchsuchungen, die Sie eben jetzt, Herr RA Schily, angesprochen haben, kein einziges Stück an Verteidigungsunterlagen weggenommen worden ist, kein einziges Stück!

Vors:

Herr RA Riedel.

RA Rie[del]:

Wenn Sie sagen, die Staatsanwaltschaft Stuttgart und Berlin wären tätig geworden. Woher wissen Sie dann, was dort weggekommen ist?

BA Dr. Wu[nder]:

Wenn behauptet wird, daß das beschlagnahmt worden sei, dann müßte es ja zumindest auch der Senat wissen.

Angekl. Baa[der]:

Ja das ist doch der Punkt hier!

Vors:

Meine Herrn, es geht so nicht weiter. Herr RA Schily, es geht so nicht weiter.

Wenn Sie zur Begründung noch was vorzutragen haben; dazu haben Sie jederzeit Gelegenheit. Dieses Durcheinanderreden hat keinen Sinn.

[783] RA Sch[ily]:

Bitte um Entschuldigung, daß ich mich wieder spontan ... also, das ist immer etwas schwierig in der Tat. Vielleicht müßte man auch so’n Leuchtzeichen hier haben oder ... damit dieses Winken nicht mehr ...

Vors:

Jetzt kommen Sie bitte zu Ihrem Antrag.

RA Sch[ily]:

Herr Dr. Wunder, das ist ja die Methode, daß Sie gar keine Beschlagnahmebeschlüsse mehr benötigen. Das wird immer schon gleich so zugestellt. Darum geht es ja. Wir können ja die Protokolle dann nachlesen, das kann man ja aus den Protokollen erkennen. Vielleicht kann auch die Frau Kollegin Becker noch etwas dazu beitragen, was an Unterlagen sichergestellt worden ist. Ob da ’ne Beschlagnahme erfolgt ist. Wissen Sie, mit diesen Dingen nehmen Sie’s doch gar nicht mehr so genau bei Durchsuchungen und bei Verhaftungen. Wenn’s mal grade paßt, dann ist ein Haftbefehl da; wenn’s eben nicht ist, dann ist Gefahr im Verzuge.[38]

Vors:

Herr RA Heldmann.

RA He[ldmann]:

Herr Baader bittet um eine kurze Richtigstellung.

Vors:

Herr Baader.

Angekl. Baa[der]:

Das ist wesentlich.

Es ist beschlagnahmt worden: 30 Seiten Manuskript vom Staatsbegriff in den Handakten[39] von Haag, die von mir und Jan waren; und es ist beschlagnahmt worden die Konzipierung von mindestens sechs Anträgen im Zusammenhang der Verteidigung. [784] Das Problem - das hat Herr Schily ja schon gesagt - das Problem ist eben einfach, daß das so abläuft, daß kein Gerichtsbeschluß mehr vorliegt. Die B. Anwaltschaft kommt an mit der Behauptung, Gefahr sei in Verzug;

und bei der letzten Durchsuchung eine Woche vor der Hauptverhandlung ist der Senat auf meine Frage an Widera, ob der Senat informiert sei, der ja nur 30 m sozusagen vom Ort der Durchsuchung entfernt hier in diesem Gebäude tagte, saß. Er hatte das verneint.

Das ist also ganz klar: Die B. Anwaltschaft hatte sich nicht mehr die Mühe gemacht, bei einer Durchsuchung, die unmittelbar dem Zweck diente, die Vorbereitung der Verteidigung in diesem Verfahren einzusehen seitens der Gefangenen und seitens der Verteidiger, den Senat vorher darüber zu informieren; und es ist mir also überhaupt nicht klar, wie Sie zu der Behauptung kommen, der Senat müßte, wenn da Sachen beschlagnahmt worden seien, inzwischen informiert sein.

Es ist bekannt, daß Sie Sachen beschlagnahmt haben unter dieser Konstruktion, Gefahr in Verzug, obwohl ja Ihnen der Gefangene in seiner Zelle nicht weglaufen kann, also die Begründung dieser Gefahr irgendwie nicht deutlich werden kann; und daß es vier bis sechs Monate gedauert hat, bis überhaupt ein gerichtlicher Vorgang zu dieser Beschlagnahmeaktion stattgefunden hat, d. h., daß das Material so lange bei der B. Anwaltschaft lag.

Und ein anderer Punkt ist, daß grundsätzlich bei dem Material, das beschlagnahmt worden ist, daß eigentlich komplett oder komplex dieses nie zurückgekommen ist sondern verschwindet, in irgendwelchen Akten oder - weiß der Teufel, wo es verschwindet - niemand von uns weiß das; niemand von uns hat das Material nie wieder gesehen. Es taucht auch - soweit ich das zumindest weiß - in den Gerichtsakten nicht wieder auf. Es verschwindet, und man findet es dann ab und zu mal wieder oder Hinweise darauf oder Verfälschungen daraus in der Springerpresse z. B. ...

[785] Vors:

Herr Baader, können Sie sich bitte etwas kürzer fassen.

Angekl. Baa[der]:

... oder man findet es wieder in Veröffentlichungen des Innenministeriums. Das ist doch wichtig; das ist doch ein ganz wichtiger Punkt. Das Gericht wird von dieser Beschlagnahmeaktion kaum noch berührt. Und das geht auf direktem Weg zum Innenministerium, d. h., das ist ein geschlossenes System.

Vors:

Herr Baader, damit, glaube ich, sind Sie jetzt am Ende Ihrer Ausführungen. - (zur Bundesanwaltschaft):

Darf ich Sie bitten, vielleicht uns, wenn Sie’s zur Verfügung haben, ein Sicherstellungsverzeichnis dieser von Ihnen durchgeführten Durchsuchungsaktion, die hier angesprochen ist, zukommen zu lassen, oder besitzt ...

BA Dr. Wu[nder]:

Herr Vorsitzender, meinen Sie die Durchsuchung bei RA Haag?

Vors:

Ich vermute, daß davon die Rede ist, oder bei der Frau Meinhof in der Zelle.

BA Dr. Wu[nder]:

Herr Vorsitzender, ich muß mich bei dem Nachbarreferat darum bemühen. Ich kann Ihnen nicht versichern, daß und wann ich Ihnen das zur Verfügung stellen kann. Bemüht werde ich bleiben.

Angekl. Baa[der]:

Ach ja!

Vors:

Und über die gestrige Beschlagnahmen sind Sie nicht informiert, wenn ich Sie recht verstehe.

Herr Baader hat jetzt nicht das Wort.

[786] Herr Baader, Sie sind jetzt nicht am Wort.

Herr Baader, wenn Sie so weitermachen, dann werden Sie ausgeschlossen werden müssen für den heutigen Tag. Sie können sich das Wort nicht nehmen und ständig hier losschreien.

Bitte, Herr B. Anwalt Widera.

BA Wi[dera]:

... und Sie können die Themen nachlesen in der Ihnen bekannten Anklageschrift.

Vors:

Der Senat zieht sich damit zur Beratung zurück.

Ich bitte, die Angeklagten in die Zellen zurückzubringen.

Wir hoffen, vor dem ... vor Mittag noch etwas ...

Frau RAin Becker, muß das noch dazukommen?

RA’in Be[cker]:

Ja, das muß sein.

Zu der Stellungnahme von Herrn Wunder möchte ich nochmals ausdrücklich erklären, daß mir gestern Unterlagen weggenommen worden sind, zu denen ich ausdrücklich gesagt habe, daß sie dieses Verfahren betreffen.

Es handelt sich um einen Umschlag mit 15 Blatt, von denen mindestens die Hälfte dieses Verfahren betreffen.

Bloß, daß da nicht der Anschein entsteht, als hätten wir das nicht erklärt.

Vors:

Soweit also in dieser Sichtung Unterlagen vorhanden sind, wäre es uns lieb, wenn die uns jetzt in der Beratungspause zugänglich gemacht werden könnten.

RA He[ldmann]:

Ich bitte ums Wort für Herrn Baader.

[787] Vors:

Nein. Der Herr Baader hat jetzt genügend Gelegenheit gehabt, sich zu äußern. Das Gericht zieht sich zur Beratung zurück ...

RA He[ldmann]:

Aber noch nicht auf Herrn Wideras Äußerung, die ja wohl nicht ganz den Tatsachen entspricht. Nicht. Und darauf sollte sich Herr Baader noch äußern müssen; denn er ist betroffen.

Vors:

Herr Baader, bitte.

Angekl. Baa[der]:

Naja. Ich sage nochmals, daß das ganze Vorgehen auf der Linie liegt, die Widera bei der Durchsuchung formuliert hat.

Vors:

Jetzt kommen Sie wieder mit allgemeinen ...

Angekl. Baa[der]:

Aber ich möchte den Antrag nochmals konkret fassen. Die B. Anwaltschaft seitens des Senats anzuweisen, beschlagnahmtes Material zur Vorbereitung der Verteidigung, das in den Zellen bzw. in den Anwaltskanzleien beschlagnahmt worden ist, freizugeben.

Vors:

Der Antrag ist verstanden worden.

Wir werden dann noch, wie ich hoffe, im Laufe des Vormittags eine Entscheidung bekanntgeben können.

Bis dahin wird unterbrochen.

Das Gericht zog sich um 10.20 Uhr zur Beratung zurück.

Ende Band 26

[788] Fortsetzung der Verhandlung vom 24. Juni 1975, um 14.35 Uhr.

Rechtsanwalt Künzel ist nunmehr auch anwesend[k].

Rechtsanwalt Schily war [l] nicht mehr[m] anwesend

Vors:

Wir setzen die Sitzung fort, wie ich sehe mit Ausnahme von Herrn Rechtsanwalt Schily, der nicht anwesend ist, in derselben Besetzung wie heute früh.

Herr Rechtsanwalt Heldmann. (RA Heldmann spricht trotz abgeschaltenen Mikrophons)

Ja.

Wir geben nun zunächst der Bundesanwaltschaft Gelegenheit, das Ergebnis ihrer Nachforschungen bekanntzugeben, inwieweit Verteidigermaterial bei den Durchsuchungen berührt worden ist. Bitte Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

Bundesanwalt Dr. Wunder verlas die Niederschrift, die dem Protokoll als Anlage 1 beigefügt ist.

(Frau Rechtsanwältin Becker ruft etwas Unverständliches zum Vorsitzenden)

Vors:

Frau Rechtsanwältin, ich möchte zunächst noch bekanntgeben, was unsere Nachforschungen ergeben haben[n], dann bekommen Sie selbstverständlich die Möglichkeit, Stellung zu nehmen.

Wir haben uns um die Sache mit dem Büro Dr. Croissant gekümmert. Es wurde gesagt, daß dort ein Arbeitsraum zur Verfügung gestellt worden sei, für die Verteidiger hier.

Das Gericht hat ein Gespräch geführt, heute früh 11.35 Uhr, mit den Ersten Staatsanwälten Pfiszter und Herrmann, die zur Zeit in dem Büro von Herrn Dr. Croissant weiter mit der Durchsuchung befaßt sind. Die darüber gefertigte Notiz lautet folgendermaßen:

Der Vorsitzende verlas den Aktenvermerk vom 24. Juni 1975, der dem Protokoll als Anlage 2 beigefügt ist.

[789][40] [790-791][41] [792] Vors:

Sie haben nun gehört, was die Nachforschungen heute früh ergeben haben. Ich gebe Ihnen Gelegenheit nun seitens der Verteidigung hierzu Stellung zu nehmen.

Bitte.

Bitte, für Frau Rechtsanwältin Becker das Mikrophon.

Haben Sie’s eingestellt, Frau Rechtsanwältin?

RA’in B[ecker]:

Wohin sind die Unterlagen gestern zurückgegeben worden?

BA Dr. W[under]:

Frau Rechtsanwältin, ich nehme an, daß die in Ihre Kanzlei nach Heidelberg gebracht worden sind. Ich selber war nicht der Bote gewesen.

RA’in B[ecker]:

Also weil ich bis jetzt davon nichts weiß und auch aus dem Büro nichts erfahren habe, daß etwas zurückgegeben worden ist.

BA Dr. W[under]:

Wenn Sie gestern am späteren Nachmittag nicht mehr in Ihrer Kanzlei waren ...

RA’in B[ecker]:

War ich nicht.

BA Dr. W[under]:

... dann glaube ich, müssen wir davon ausgehen, daß die Unterlagen dorthin gebracht wurden.

RA’in B[ecker]:

Ich habe nur Kenntnis davon, daß in meine Wohnung Zeitschriften zurückgebracht wurden, aber von Akten ist mir nichts bekannt.

BA Dr. W[under]:

Wenn Sie jetzt den Begriff „Akten“ erwähnen ...

RA’in B[ecker]:

Also diese beiden Umschläge, die Sie hier erwähnt haben, meine ich.

BA Dr. W[under]:

Ja, und gerade die sollen Ihnen so gegen 17.00 Uhr wieder nach Heidelberg gebracht worden sein. Wohin, das kann ich jetzt im Augenblick leider nicht erklären.

Vors:

Frau Rechtsanwältin, darf ich daran die Frage anknüpfen: Offen- [793] bar haben Sie jedenfalls die Akten noch nicht in den Händen? Waren ... Bitte Herr Rechtsanwalt Heldmann, überlassen[o] Sie doch Ihrer Kollegin das Mikrophon.

Waren Sie gestern nochmals in Heidelberg?

RA’in B[ecker]:

Nein, ich war nicht in Heidelberg. Ich habe aber mit dem Büro mehrmals telefoniert.

Vors:

Sind diese Unterlagen für Sie von Bedeutung, in dem Sinne, daß Sie sie so[p] fort für die Weiterführung der Verteidigung hier brauchen würden?

RA’in B[ecker]:

Ich brauche einen Teil dieser Blätter, von denen ich heute morgen gesprochen habe, für die Verteidigung jetzt, ja.

Vors:

Sofort?

RA’in B[ecker]:

Ja.

Vors:

Ich danke schön.

Herr Rechtsanwalt Heldmann bitte.

RA H[eldmann]:

Die Auskünfte, die Sie gegeben, (verbessert sich), die Sie empfangen haben, sind jedenfalls unvollständig.

Richtig ist, daß die Verteidiger Räume, Arbeitsmöglichkeiten d. h. also auch das Arbeitsinstrumentarium, Schreibmöglichkeiten und Beratungszimmer im Büro des Kollegen Croissant gefunden haben, denn es bedarf sicher keiner Erklärungen dafür, daß wir unsere Verteidigergespräche für jeweils drei Verteidigungs- Prozeßtage in der Hauptverhandlung hier in der Woche, nicht in der Gaststube unseres Hotels führen können. Ganz abgesehen von den technischen Möglichkeiten, etwa um Schriftsätze herzustellen, Literatur einzusehen und Büroinstrumente zu gebrauchen. Das schließt selbstverständlich nicht aus und insofern hat der Croissant völlig recht, wenn er sagt, das Verfügungsrecht an seinen Räumen liegt ausschließ- [794] lich bei ihm. Und die Verfügungsgewalt liege ausschließlich beim jeweiligen Mieter: Einen[q] Mietvertrag, der ein Besitzrecht im juristischen Sinne verschaffte, haben wir mit dem Croissant nicht abgeschlossen.

2. Die Auskünfte, die Sie empfangen haben, daß Unterlagen die diesen Prozeß unmittelbar beträfen, nicht sich derzeit in den Händen der Bundesanwaltschaften und Staatsanwaltschaften, Staatsschutzbehörden befänden, diese Auskünfte sind falsch. Darf ich Sie bei dieser Gelegenheit zunächst einmal daran erinnern, daß Sie mir selbst am ersten Tag meines hiesigen Auftretens empfohlen haben, mich bei den hier nicht, derzeit nicht mehr tätigen Verteidigern, um diese Unterlagen zu bemühen.[42] Und nun zitiere ich ganz kurz nur wenige Unterlagen aus einem Verzeichnis der heute mittag um 12.30 Uhr unterbrochenen Durchsuchung beim Kollegen Croissant, die aber von 15.00 Uhr von jetzt an weitergeführt werden wird, wie zum Beispiel: „Asservat 22 Verteidigerrundbriefe, Asservat 32 Presse zur RAF-Verteidigung, Asservat 39 - alles Leizordner - Verteidiger, Asservat 44 Ausschlußverfahren Ströbele, Asservat ..., nur eine ganz spärliche Auslese, Asservat 62 Prozeß Stammheim, Asservat 63 Prozeß gegen RAF, Asservat 71 Prozeß Stammheim, Asservat 107 Ärzte Stammheim, Asservat 122 Anträge RAF-Prozeß“, wobei wir die Delikatesse haben, daß dort Anträge enthalten sind, die hier überhaupt noch nicht verlesen worden sind.

Das ist die Tatsache und umso stärker unterstreiche ich die Relevanz meines heute gestellten Antrages auf Aussetzung, bis wir diese Akten zurückerhalten haben. Speziell auch Kollegin Becker die ihren. Ferner ist beschlagnahmt worden, 1 Tonband mit einem Verteidigergespräch zwischen den Kollegen Schily und Croissant, in dem Schily, in dem Schily seine Stellungnahme zur dienstlichen Äußerung des Herrn Vorsitzenden per Telefon an das Büro Croissant durchdiktiert hat, damit es dort geschrieben werden kann. Sind das nicht Verteidigerunterlagen von äußerster Wichtigkeit, gerade in diesem Stadium des Prozesses?

[795] Vors:

Danke. Weitere Stellungnahmen?

Ich sehe nicht, dann ... Herr Baader, bitte.

Angekl. B[aader]:

Naja, die Darstellungen der Bundesanwaltschaft ist unwahr.

Es ging auch nicht wesentlich um das, was in meiner Zelle beschlagnahmt worden ist. Da ist tatsächlich nichts beschlagnahmt worden, außer diesem Zeitungsausschnitt und diesem Zettelchen, aber es ist natürlich in den 6 Stunden, in denen Widura sich in meiner Zelle aufgehalten hat, alles gelesen worden. Die Bundesanwaltschaft hat dafür so eine ganz interessante Formulierung, wie sie das macht. Wenn sie also sozusagen mit einem Durchsuchungsbefehl kommt, auf dem ein konkreter Punkt angegeben ist, also in diesem Fall war’s Stockholm[43], dann liest sie sämtliches Material, also auch sämtliches Material zur Verteidigung in diesem Verfahren und verläßt sich darauf, daß sie Zufallsfunde machen von anderen Sachen, die dann auch beschlagnahmt werden. Das war aber nicht der Fall, es war überhaupt nie der Fall, bei keiner der Zellendurchsuchungen bei mir. Aber die Tatsache bleibt, daß die Bundesanwaltschaft Einsicht genommen hat in die unmittelbare Vorbereitung der Verteidigung, sechs Tage vor Beginn der Hauptverhandlung. Ob das nun mitgenommen worden ist, oder ob Widura sich das in 6 Stunden durchgearbeitet hat und sich darauf vorbereiten konnte, daß würde ich doch für relativ beliebig halten. Was aber beschlagnahmt worden ist und dann ist wesentlich an Manuskripten, weil wir daran 2-3 Wochen daran gearbeitet haben, das ist in den Handakten von Haag, Material zu Grundsatzerklärungen, den wir in diesem Prozeß für wichtig halten, das sind (verbessert sich) es sind Manuskripte zum Staatsbegriff und theoretischer Ausarbeitung, zu den Bedingungen dieses ganzen Verfahrens hier und zur Begründung der Sache, möglicherweise, um die es hier wesentlich geht.

Vors:

Danke. Will die Bundesanwaltschaft sich dagegen nochmals äußern?

[796] Angekl. B[aader]:

Also es ging wesentlich darum, daß das Material, das in den Handakten von Haag, der zur Zeit der Beschlagnahmeaktion mein Verteidiger war, von der Bundesanwaltschaft beschlagnahmt worden ist. Dieses Material ist hier in diesem Verfahren unmittelbar notwendig.

Vors:

Ja, das sagten Sie bereits, Herr Baader.

Angekl. B[aader]:

Ja, ich wiederhols nur nochmal.

BA Dr. W[under]:

Ich wiederhole meinen Antrag auf Ablehnung der Aussetzungsanträge.

Vors:

Gut, wir werden dann über den Antrag beraten. Ich glaube, daß die Angeklagten zunächst im Saale bleiben können.

- Das Gericht zog sich um 14.50 Uhr zur Beratung zurück -

Ende Band 27

[797] Nach Wiedereintritt des Senats um 15.15 Uhr wurde die Verhandlung wie folgt fortgesetzt.

Regierungsdirektor Widera war nicht mehr[r] anwesend.

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort.

Der Senat hat beschlossen:

Die Sitzung wird bis zum kommenden Donnerstag, 26.6.1975, 9.00 Uhr, unterbrochen.

Zur Begründung:

Der Senat braucht sich mit der Rechts- oder Zweckmäßigkeit der Durchsuchungen nicht zu befassen.[44] Entscheidend ist allein, ob dadurch Verteidigern, die hier auftreten, möglicherweise benötigte Unterlagen vorübergehend nicht zur Verfügung stehen. Das kann bei Frau Rechtsanwältin Becker nicht ausgeschlossen werden. Sie hat versichert, die zurückgegebenen Unterlagen noch nicht in Händen zu haben. Der Senat geht davon aus, daß dieser Mangel im Laufe des morgigen Tages zu beheben ist. Durch die Durchsuchung der Zelle des Angeklagten Baader vom 9.5.75 sind ihm nach seinen eigenen Worten keine Verteidigungsunterlagen entzogen worden. Bei den im Büro Dr. Croissant vorgefundenen Akten handelt es sich nach seiner wiederholten Versicherung ausschließlich um seine eigenen Akten, also um keine Verteidigerakten in diesem Verfahren. Die im Büro des Rechtsanwalts Haag vor einigen Wochen sichergestellten Unterlagen sind nach der Erklärung der Bundesanwaltschaft bereits wieder zurückgegeben worden. Der morgige Tag wird Gelegenheit geben, dem notfalls noch nachzugehen. Zur Entscheidung über die vom Angeklagten Baader beantragte Herausgabe von Akten, die auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft in anderen Sachen beschlagnahmt worden sind, hat der Senat nicht die Zuständigkeit.

Damit ist die Sitzung für heute geschlossen.

Ende der Sitzung: 15.17 Uhr

- Ende von Band 28 -


[1] Aktenvermerk vom 23. Juni 1975: Verspätungsmitteilung des Rechtsanwalts Künzel.

[2] Abwesenheitsmitteilung des Rechtsanwalts Schlaegel.

[3] [3] Die Angeklagten wurden während des vorigen Verhandlungstages wegen fortgesetzter Störung der Hauptverhandlung nach § 177 GVG i.V.m. § 231b Abs. 1 StPO von dieser ausgeschlossen (S. 727 des Protokolls der Hauptverhandlung, 8. Verhandlungstag). Nach §§ 231b Abs. 2, 231a Abs. 2 StPO sind die Angeklagten bei ihrer Rückkehr von dem wesentlichen Inhalt dessen, was in ihrer Abwesenheit verhandelt wurde, zu unterrichten.

[4] Der Beschluss befindet sich in Anlage 2 zum Protokoll vom 20. Juni 1975, S. 712 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung (8. Verhandlungstag).

[5] Am Vortag wurde Rechtsanwalt Ströbele verhaftet. Bis kurz vor Beginn der Hauptverhandlung war er noch Verteidiger von Andreas Baader. Erst mit Beschluss vom 13.5.1975 wurde er auf Grundlage des neu geschaffenen § 138a StPO wegen des Verdachtes der Tatbeteiligung - Unterstützung der kriminellen Vereinigung RAF - von der weiteren Mitwirkung im Verfahren ausgeschlossen. Das AG Berlin-Tiergarten hob den Haftbefehl später (mit Beschluss vom 18.7.1975) zunächst auf; diese Entscheidung wurde auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft allerdings ihrerseits durch Beschluss des LG Berlin vom 21.7.1975 aufgehoben. Der Haftbefehl blieb aber außer Vollzug gesetzt (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 164 ff., 222 ff.).

[6] Die Hauptverhandlung befindet sich in diesem Zeitpunkt im Stadium zwischen der Feststellung der Anwesenheit und der Vernehmung der Angeklagten zur Person (§ 243 Abs. 1 und 2 StPO). Erklärungen der Angeklagten sind erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehen, nämlich zum einen bei der Vernehmung der Angeklagten zur Sache (§ 243 Abs. 4 StPO a.F.; heute: § 243 Abs. 5 StPO), zum anderen im Stadium der Beweisaufnahme (§ 244 StPO), für die § 257 Abs. 1 StPO beweismittelbezogene Erklärungsrechte vorsieht.

[7] § 33a Satz 1 StPO a.F. lautete: „Hat das Gericht in einem Beschluß zum Nachteil eines Beteiligten Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet, zu denen er noch nicht gehört worden ist, und steht ihm gegen den Beschluß keine Beschwerde und kein anderer Rechtsbehelf zu, so hat es, sofern der Nachteil noch besteht, von Amts wegen oder auf Antrag die Anhörung nachzuholen und auf einen Antrag zu entscheiden.“ Im Unterschied dazu bestimmt der heutige § 33a Satz 1 StPO bei Verletzung des rechtlichen Gehörs die Wiedereinsetzung des Verfahrens in den vorigen Stand, d.h. dass das Verfahren in die Lage zurückversetzt wird, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand.

[8] Eine Gegenvorstellung ist ein Rechtsbehelf, der zwar nicht in der Strafprozessordnung vorgesehen, allerdings in Rechtsprechung und Literatur überwiegend anerkannt ist. Sie beinhaltet die formlose Aufforderung, über eine getroffene Entscheidung erneut zu befinden und die Entscheidung aufzuheben oder abzuändern (Hoch, in Satzger/Schluckebier/Widmaier [Hrsg.], Strafprozessordnung, 4. Aufl. 2020, Vor §§ 296 ff. Rn. 39 ff.).

[9] Siegfried Hausner und Holger Meins waren Mitglieder der RAF, die während der Untersuchungshaft und damit in Obhut des Staates starben. Während Hausner Verletzungen erlag, die er während der Geiselnahme in der Deutschen Botschaft in Stockholm erlitten hatte (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 512, 515 f.; Forsbach, Die 68er und die Medizin, 2011, S. 95 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 2004, S. 766 Anm. 80), verstarb der frühere Mitbeschuldigte Holger Meins an den Folgen des dritten Hungerstreiks (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 117 ff.). Für beide Todesfälle machten die Angeklagten staatliche Akteure verantwortlich (s. dazu auch die Ausführungen von Andreas Baader auf S. 586 f., 6. Verhandlungstag).

[10] § 265 Abs. 4 StPO lautet: „Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.“

[11] Mit diesem Beschluss lehnte der 1. Strafsenat die Durchführung eines (erneuten) Ausschlussverfahrens gegen die Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele ab. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Noch vor Beginn der Hauptverhandlung waren die drei Verteidiger Baaders, Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele, wegen des Verdachts der Tatbeteiligung von der Mitwirkung im Verfahren nach § 138a StPO ausgeschlossen worden. Da sich die Ausschlüsse auf die Verteidigung von Andreas Baader bezogen, legitimierten sie sich am ersten Verhandlungstag für jeweils andere Angeklagte und stellten den Antrag, zur Hauptverhandlung zugelassen zu werden. Der 2. Senat war der Auffassung, die Wirkung der bestehenden Ausschlussentscheidungen umfasse auch das Verbot der Mitwirkung der Verteidiger im Hinblick auf die übrigen Angeklagten. Die Bundesanwaltschaft äußerte gegen diese Rechtsauffassung erhebliche Bedenken (so BA Dr. Wunder auf S. 50 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag) und beantragte daher, die Verteidiger auch im Hinblick auf die anderen Angeklagten auszuschließen (Anlage 5 zum Protokoll vom 21.5.1975, S. 65 ff., ebenfalls 1. Verhandlungstag). Den Antrag legte der 2. Senat dem zuständigen 1. Senat zur Entscheidung vor, welcher die ursprüngliche Auffassung des 2. Senates bestätigte und die (nach dieser Ansicht überflüssige) Durchführung eines (erneuten) Ausschlussverfahrens ablehnte.

[12] Ein Gerichtsbeschluss erlangt (formelle) Rechtskraft, wenn er im selben Verfahren unanfechtbar geworden ist. Dies ist der Fall, wenn die Frist zur Einlegung eines Rechtsbehelfs abgelaufen ist, oder wenn alle Rechtsbehelfe ausgeschöpft sind und eine letztinstanzliche Entscheidung ergangen ist. Mit der Rechtskraft entfaltet der Beschluss auch seine dauerhafte Wirkung, die nur ausnahmsweise wieder durchbrochen werden kann, etwa durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, §§ 44 ff. StPO (Hoch, in Satzger/Schluckebier/Widmaier [Hrsg.], Strafprozessordnung, 4. Aufl. 2020, Vor §§ 296 ff. Rn. 51).

[13] Durch den Beschluss des 1. Senats wurde die Wirkung des Ausschlussverfahrens auf alle Angeklagten übertragen. Für Gudrun Ensslin, Jan-Carl Raspe und Ulrike Meinhof bestand dieselbe Situation, als wäre unmittelbar in Bezug auf ihre Verteidiger/innen ein Ausschluss ausgesprochen worden. Da sich die früheren Ausschlüsse aber nur auf Andreas Baader beziehen konnten, wurden sie vorher nicht angehört.

[14] Siegfried Buback war zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung Generalbundesanwalt und damit Leiter der Strafverfolgungsbehörde „Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof“, welche das Amt der Staatsanwaltschaft beim BGH (§ 142 Nr. 1 GVG), sowie in den zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug gehörenden Strafsachen (§ 120 Abs. 1 und 2 GVG) ausübt (§ 142a Abs. 1 GVG).

[15] Die Möglichkeit, Verteidiger/innen wegen des Verdachts der Tatbeteiligung von der Mitwirkung im Strafverfahren auszuschließen (§§ 138a ff. StPO), wurde nur wenige Monate vor Beginn der Hauptverhandlung mit dem Ergänzungsgesetz zum Ersten Strafverfahrensreformgesetz vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3686) eingeführt. Eine gesetzliche Grundlage war erforderlich geworden, nachdem das Bundesverfassungsgericht den vorigen Ausschluss des Rechtsanwalts Schily mangels Rechtsgrundlage für verfassungswidrig erklärt hatte (BVerfG, Beschl. v. 14.2.1973 - Az.: 2 BvR 667/72, BVerfGE 34, S. 293 ff.). Die neu eingeführte Vorschrift § 138a StPO hatte vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand (BVerfG, Vorprüfungsausschuss, Beschl. v. 4.7.1975 - Az.: 2 BvR 482/75, NJW 1975, S. 2341). Zum Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens s. die Ausführungen des Rechtsanwalts Dr. Heldmann am 11. Verhandlungstag, S. 837 f. des Protokolls der Hauptverhandlung.

[16] Rechtsanwalt Siegfried Haag, der ursprünglich Andreas Baader als Pflichtverteidiger beigeordnet war, wurde wenige Tage vor Beginn der Hauptverhandlung vorläufig festgenommen, seine Kanzlei- und Wohnräume wurden durchsucht. Der beim Bundesgerichtshof beantragte Haftbefehl wurde zunächst abgelehnt. Als er im Beschwerdeverfahren schließlich erteilt wurde, war Haag bereits untergetaucht und hatte sich der RAF angeschlossen (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 212 f.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 69; s. auch die Presseerklärung Haags in Anlage 1 zum Protokoll vom 21.5.1975, S. 12 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag).

[17] Schriftliche Mitteilungen zwischen Beschuldigten und ihren Verteidiger/innen unterliegen gemäß § 97 Abs. 1 Nr. 1 StPO nicht der Beschlagnahme. Gleiches gilt für Aufzeichnungen der Verteidiger/innen über solche Mitteilungen, oder über sonstige Umstände, auf die sich ihr Zeugnisverweigerungsrecht aus § 53 Abs. 1 Nr. 2 StPO erstreckt (§ 97 Abs. 1 Nr. 2 StPO).

[18] Rechtsanwältin Becker bezieht sich auf die Ereignisse im Zusammenhang mit den Ausschlussverfahren gegen die Verteidiger Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele und die Ausdehnung der Ausschlusswirkung auf alle anderen Angeklagten (s. bereits Fn. 11). Streitpunkt waren insbesondere die Auslegung und Reichweite des neu geschaffenen § 138a Abs. 1 StPO, welcher den Ausschluss erst ermöglichte. S. zu dieser Diskussion auch die Ausführungen des Rechtsanwalts von Plottnitz am 2. Verhandlungstag (S. 100 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[19] Nachdem Andreas Baader aufgrund der vorangegangenen Verteidigerausschlüsse und des Untertauchen des verbliebenen Rechtsanwalts Haag zu Beginn der Hauptverhandlung ohne Verteidiger/in seines Vertrauens dastand (s. hierzu S. 838 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 11. Verhandlungstag), übernahm ab dem 4. Verhandlungstag Rechtsanwalt Dr. Heldmann die Verteidigung Baaders. Hierzu beantragte er eine zehntägige Verhandlungsunterbrechung, um sich in die umfangreichen Akten des Verfahrens einzuarbeiten (S. 274 des Protokolls der Hauptverhandlung, 4. Verhandlungstag). Der Antrag wurde abgelehnt (S. 292 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[20] Nach einem Militärputsch gegen die junge Zweite Republik im Jahr 1936 und einem anschließenden dreijährigen Bürgerkrieg errichtete der General Franciso Franco 1939 eine autoritäre Diktatur. Erst nach dem Tod Francos im November 1975 erfolgte die weitgehend gewaltfreie Umwandlung der Diktatur in eine parlamentarische Monarchie (Bernecker, Geschichte Spaniens im 20. Jahrhundert, 2010, S. 135 ff., 174 ff., 188 ff., 269 ff.).

[21] § 137 Abs. 1 StPO lautet: „Der Beschuldigte kann sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers bedienen. Die Zahl der gewählten Verteidiger darf drei nicht übersteigen“.

[22] Neben den Vorschriften über den Ausschluss von Verteidiger/innen (§§ 138a ff. StPO) wurden mit dem Ersten Strafverfahrensreformgesetz vom 9. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3393) sowie dem Ergänzungsgesetz hierzu vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3686) noch weitere Beschränkungen der Rechte der Angeklagten sowie der Verteidigung eingeführt, darunter die Beschränkung auf drei Wahlverteidiger/innen pro Beschuldigte/n (§ 137 Abs. 1 Satz 2 StPO), das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO), sowie die Möglichkeit, den Prozess im Falle vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführter Verhandlungsunfähigkeit bis zum Abschluss der Vernehmung der Angeklagten zur Sache auch in ihrer Abwesenheit durchzuführen (§ 231a StPO). Da viele der Vorschriften im Hinblick auf das anstehende Stammheimer Verfahren beschlossen wurden, wurden sie u.a. als „lex RAF“ kritisiert (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 132 ff.). Sie sind überwiegend noch heute in Kraft.

[23] Während des dritten Hungerstreiks in Stammheim besuchte der französische Philosoph Jean-Paul Sartre am 4. Dezember 1974 Andreas Baader in der Haftanstalt. Über ihren Anwalt Dr. Croissant hatten die RAF-Mitglieder zuvor Kontakt zu Sartre aufgenommen, damit dieser persönlich die von ihnen als „Isolationsfolter“ bezeichneten Haftbedingungen bezeugen konnte. In einer anschließenden Pressekonferenz bestätigte Sartre diese Angaben. Allerdings ist mittlerweile bekannt, dass Sartre während des relativ kurzen und für beide Seiten enttäuschenden Gesprächs mit Baader zu keiner Zeit Zugang zu dessen oder anderen Zellen hatte, um sich ein eigenes Bild zu machen. Nichtsdestotrotz rief Sartre auf der Konferenz zur Gründung eines internationalen Komitees zum Schutz der politischen Gefangenen in der BRD auf (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 254 ff.; Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa, 2014, S. 275 ff.).

[24] Die inhaftierten RAF-Mitglieder bezeichneten ihre Haftbedingungen als „Isolationsfolter“ (s. zu den Haftbedingungen Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 97 ff., insbesondere S. 103 ff. zum Vorwurf der Isolationsfolter; Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 270 ff.). Um ihre Forderungen, u.a. die Zusammenlegung aller RAF-Häftlinge, durchsetzen zu können, traten sie ab 1973 mehrfach in Hungerstreik. Der dritte und längste Hungerstreik dauerte von September 1974 bis Februar 1975. RAF-Mitglied und ursprünglich ebenfalls Beschuldigter im Stammheimer Verfahren Holger Meins überlebte ihn nicht: Im November 1974 starb er an den Folgen der Mangelernährung (Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 58).

[25] Fidel Castro (1927-2016) führte gemeinsam mit seinem Bruder Raúl und Ernesto „Che“ Guevara Guerillaeinheiten in der kubanischen Revolution an. Nach dem Sturz des kubanischen Diktators Fulgencio Batista Anfang des Jahres 1959 wurde Castro Regierungschef Kubas. Ihren institutionellen Niederschlag fand die Revolution, die sich von einer national-egalitären zu einer sozialistischen gewandelt hatte, aber erst 1976 mit der Verabschiedung der Verfassung. Castro selbst herrschte bis 2008 in dem auf seine charismatische Person ausgerichteten System des „Castroismus“ (Werz, in Wende [Hrsg.], Große Revolutionen der Geschichte, 2000, S. 276, 278 ff.; Zeuske, Insel der Extreme, 3. Aufl. 2017, S. 166, 174 ff., 186 ff., 214 ff).

[26] Ursprünglich aus Argentinien stammend schloss sich Ernesto „Che“ Guevara 1954 in Mexiko einer Gruppe kubanischer Revolutionäre um Fidel Castro an. Zuvor hatte er sich bereits auf Reisen in verschiedenen südamerikanischen Staaten politisiert. Im Zuge der kubanischen Revolution entwickelte Guevara ein theoretisches Konzept zur Ausbreitung der sozialistischen Revolution, das als Fokustheorie bekannt wurde. Nach dem Sturz des Batista-Regimes in Kuba und der von ihm mitorganisierten Erschießung hunderter politischer Gegner/innen wurde Guevara 1961 Industrieminister. 1965 trat er jedoch aus der Regierung aus und starb zwei Jahre später bei dem Versuch, in Bolivien eine ganz Lateinamerika erfassende Guerilla-Bewegung aufzubauen. Sein früher Tod beförderte den weltweiten Kult um seine Person und seine Revolutionstheorie (Annino, in Tobler/Bernecker [Hrsg.], Lateinamerika im 20. Jahrhundert, Band 3, 1996, S. 483, 526 ff.; Werz, in Wende [Hrsg.], Große Revolutionen der Geschichte, 2000, S. 276, 281 ff.).

[27] Patrice Émery Lumumba war der erste gewählte Ministerpräsident der im Juni 1960 unabhängig gewordenen Demokratischen Republik Kongo. Mit dem Mouvement National Congolais (MNC) hatte er sich zuvor an die Spitze der kongolesischen Unabhängigkeitsbewegung setzen können. In der Demokratischen Republik Kongo brachen jedoch nach der Unabhängigkeit von Belgien schwere Aufstände aus, die von der Regierung nicht beigelegt werden konnten. Lumumba wurde 1961 von Aufständischen ermordet (Marx, Geschichte Afrikas, 2004, S. 260 f.).

[28] Ho Chi Minh war das bekannteste Pseudonym eines vietnamesischen Kommunisten, Aktivisten und Politikers, der für die Unabhängigkeit und Einheit Vietnams eintrat. Ho gründete 1941, nachdem er in zahlreichen Stationen in Europa und Asien immer engere Beziehungen zur Kommunistischen Internationalen geknüpft hatte, die Liga für die Unabhängigkeit Vietnams (Viet Minh). Mit dem Sieg der Viet Minh gegen das französische Kolonialregime und die während des Zweiten Weltkrieges installierte japanische Besatzung wurde Ho Chi Minh zum Staatsoberhaupt der Demokratischen Republik Vietnam (DRV). Der kurzen Phase der Unabhängigkeit folgte der Rückeroberungsfeldzug Frankreichs im ersten Indochina-Krieg von 1946 bis 1954, der zur Teilung Vietnams führte. Nach dem Krieg regierte Ho als Präsident bis zu seinem Tod 1969 das kommunistische Nordvietnam (Frey, Geschichte des Vietnamkriegs, 10. Aufl. 2016, S. 11 ff.; Großheim, Ho Chi Minh, 2011, S. 9, 13,17, 20 ff., 66 ff., 94 f., 102 ff., 110 ff., 147 f.).

[29] Der brasilianische Revolutionär Carlos Marighella (1911-1969) kämpfte ab 1967 mit der von ihm gegründeten Ação Libertadora Nacional (ALN) gegen die brasilianische Militärdiktatur. Die ALN verstand sich als Stadtguerilla. Ihr theoretisches Fundament wurde von Marighella selbst aufgestellt. Es fand seinen Niederschlag vor allem in dem 1970 veröffentlichten „Minihandbuch des Stadtguerilleros“. Diese Schrift wurde international unter anderem von der RAF rezipiert. In der Bundesrepublik fanden daneben auch die Tupamaros München und West-Berlin Anleihen für ihre Organisation und Aktionen bei Marighella (Rübenach, in Straßner [Hrsg.], Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 411 f., 424 ff., 433 f.).

[30] Malcolm X (1925-1965) war ein politischer Aktivist und eine der einflussreichsten Personen innerhalb der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Seinen Geburtsnamen, Malcolm Little, legte er 1952 ab und nahm stattdessen das „X“ als Nachnamen an, das Mitglieder der Nation of Islam (NOI) trugen und das anstelle des abgelehnten Sklavennamens den afrikanischen Familiennamen repräsentierte. Malcolm X hatte sich dieser religiösen Organisation 1948 während eines Gefängnisaufenthalts angeschlossen. Anders als andere Teile der Bürgerrechtsbewegung bestand das Ziel der NOI nicht in der Integration von Afroamerikaner/innen in die weiße amerikanische Gesellschaft, sondern in ihrer Emanzipation und dem Aufbau eigener Institutionen. Nachdem er die NOI bereits 1964 nach internen Zerwürfnissen verlassen hatte, gründete Malcolm X die Organization of Afro-American Unity (OAAU), die ebenfalls für schwarze Selbstermächtigung und Selbstverteidigung eintrat. Am 21. Februar 1965 wurde Malcolm X während einer Veranstaltung der OAAU von drei Personen erschossen, die dem Umfeld der NOI zugeordnet werden. Sein Einfluss auf die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung blieb über seinen Tod hinaus erhalten und prägte unter anderem die Black Power-Bewegung und die Black Panther Party (Klein, Malcolm X, 2017, S. 9 ff, 19 f., 29 ff.; Lee, in Levy[Hrsg.], The Civil Rights Movement in America, 2015, S. 197 ff.).

[31] George Jackson (1941-1971) wurde während seiner Haftzeit zu einem politischen Aktivisten und Intellektuellen, der sich der Black Panther Party anschloss und die maoistisch-marxistische Black Guerilla Family gründete. Während seiner Haft saß Jackson teilweise in strenger Isolationshaft. 1971 wurde Jackson von einem Gefängniswärter erschossen. Die genaueren Umstände seines Todes sind jedoch umstritten (Bernstein, „Jackson, George“, in American National Biography, 2014, abrufbar unter: https://doi.org/10.1093/anb/9780198606697.article.1501374, zuletzt abgerufen am 06.09.2021; zur Rezeption von George Jackson innerhalb der RAF s. Klimke, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 562, 576 ff).

[32] § 43 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) lautet: „Der Rechtsanwalt hat seinen Beruf gewissenhaft auszuüben. Er hat sich innerhalb und außerhalb des Berufes der Achtung und des Vertrauens, welche die Stellung des Rechtsanwalts erfordert, würdig zu erweisen.“ In Isensee, Bundesrechtsanwaltsordnung, 1. Aufl. 1976, Anhang zu § 43 S. 671, hieß es dazu: „Die Institution der Rechtsanwaltschaft findet gerade auch darin ihre Rechtfertigung, daß der innerlich und äußerlich unabhängige Rechtsanwalt für die subjektiv fixierte, das Maß der Dinge allzu leicht verkennende Partei in Erscheinung tritt, den Verhandlungs- oder Streitstoff ordnet und mit sachlichen Argumenten das, was er als richtig erkannt hat, zum Erfolg zu führen versucht [...].“ Hierzu wird eine Entscheidung des Ehrengerichtshofs aus dem Jahre 1914 angeführt: „Der Rechtsanwalt darf und soll die Ansprüche seiner Auftraggeber mit Entschiedenheit und eintretendenfalls ohne ängstliche Rücksichten verfolgen. Sein Stand ist aber von der Rechtsordnung mit gewissen Vorrechten ausgestattet worden, weil man in seine Mitglieder nach ihrer Bildung, Erziehung und gesellschaftlichen Stellung das Vertrauen setzt, daß sie den Erregungen, den Ärger und die Gehässigkeit, die der Kampf ums Recht in den Parteien selbst oft entflammt, durch ihren persönlichen Einfluß zu dämpfen und die Parteien zur Anwendung nur sachlicher, anständiger Kampfmittel zu bestimmen wissen“ (EGH, Urt. v. 9.5.1914 - Az.: G. 69/13, EGH 16, S. 127). Inzwischen ist das Verbot unsachlicher Berufsausübung in § 43a Abs. 3 BRAO unter Berücksichtigung der einschränkenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschl. v. 14.7.1987 - Az.: 1 BvR 537/81, BVerfGE 76, S. 171) gesetzlich konkretisiert: Unsachlich ist gem. § 43 Abs. 3 Satz 2 BRAO „insbesondere ein Verhalten, bei dem es sich um die bewußte Verbreitung von Unwahrheiten oder solche herabsetzenden Äußerungen handelt, zu denen andere Beteiligte oder der Verfahrensverlauf keinen Anlaß gegeben haben.“ Der Auslegung des Verbots sind dabei durch die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) und die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt (Träger, in Weyland [Hrsg.], Bundesrechtsanwaltsordnung, 10. Aufl. 2020, § 43a Rn. 31 ff.).

[33] Horst Wessel gehörte bereits in den 1920er Jahren der NSDAP an. Als SA-Sturmführer war Wessel in Berlin an der Verbreitung nationalsozialistischer Propaganda beteiligt. Bekanntheit erlangte er mit der Dichtung des „Horst-Wessel-Lieds“ (auch „Die Fahne hoch!“), entstanden als SA-Kampflied, das zur amtlichen Parteihymne der NSDAP, ab 1933 auch zur inoffiziellen Nationalhymne im Nationalsozialismus wurde. Um Wessel, der im Jahr 1930 durch ein Attentat von KPD-Anhängern starb, entspann sich im Nationalsozialismus ein Opferkult, der in der rechtsradikalen Szene noch bis in die Gegenwart reicht. Seit 1945 ist es gesetzlich untersagt, das Lied bzw. die Melodie oder den Text zu singen (Siemens, Horst Wessel, 2009, S. 9 ff., 131 ff., 255 f.). Sowohl das Lied als Ganzes, als auch die Melodie und markante Textteile, gelten als Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation i.S.d. § 86a StGB (s. bereits BGH, Urt. v. 9.8.1965 - Az.: 1 StE 1/65, MDR 1965, S. 923 zu § 96a StGB a.F.; BVerfG, Beschl. v. 18.5.2009 - Az.: 2 BvR 2202/08, NJW 2009, S. 2805; OLG Oldenburg, Urt. v. 5.10.1987 - Az.: Ss 481/87, NStZ 88, S. 74).

[34] Die Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten (KPD/ML) entstand Ende Dezember 1968 in der Bundesrepublik auf Initiative des Journalisten Ernst Aust und einigen Fraktionen der seit 1956 verbotenen Kommunistischen Partei Deutschland (KPD). Ihr Parteiprogramm war in Anlehnung an den chinesischen Kommunismus nach Mao Tse-tung zunächst antiamerikanisch und antisowjetisch ausgerichtet und hatte die gewaltsame Errichtung einer proletarischen Diktatur bei gleichzeitigem Sturz aller imperialistischen und faschistischen Systeme zum Ziel. Nach 1976 wandte sich die Partei vermehrt in Richtung der Partei der Arbeit Albaniens (PdAA) (Benicke, Die K-Gruppen, 2019, S. 20 ff.; Wunschik, Die maoistische KPD/ML und die Zerschlagung ihrer „Sektion DDR“ durch das MfS, 1997, S. 5 ff.).

[35] Der Marburger Strafrechtsprofessor Erich Schwinge (1903-1994) prägte während des Nationalsozialismus als maßgeblicher Autor des führenden Kommentars zum Militärstrafgesetzbuch das nationalsozialistische Wehrstrafrecht. Gesetzgeberische Verschärfungen, die zur Ausweitung der Todesstrafe führten, begrüßte er. In Wien, wo er 1940 eine Professur antrat, wirkte er zudem als Kriegsrichter bei der Division Nr. 177 an mehreren Todesurteilen mit. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte er seine Karriere an der Universität Marburg fort, wurde Dekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät und später Rektor der Universität. In ca. 150 Strafverfahren war er als Verteidiger von Angehörigen der Waffen-SS und Wehrmachtsoffizieren vor überwiegend französischen Gerichten tätig. Kritiker, die ihm Nähe zum Nationalsozialismus vorwarfen, verklagte er erfolgreich auf Unterlassung. Bemühungen, ihn für die Verhängung eines (aufgrund eines Gnadenerweises Himmlers nicht vollstreckten) Todesurteils wegen Rechtsbeugung und versuchten Mordes einem Strafverfahren zuzuführen, scheiterten (s. die Beiträge von El Bathich/Landrón de Guevara/Stute sowie von Garbe, in Kirschner [Hrsg.], Deserteure, Wehrkraftzersetzer und ihre Richter, 2010, S. 97, 99 f., sowie 109 ff., 121 ff.).

[36] S. Fn. 23.

[37] Die sitzungspolizeilichen Ordnungsmittel des § 178 GVG (Ordnungsgeld oder Ordnungshaft) sowie die Ausschlussmöglichkeit nach § 177 GVG sind gegenüber Verteidiger/innen unzulässig (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 177 Rn. 3a).

[38] Sowohl die Festnahme (Art. 104 i.V.m. § 127 Abs. 2 StPO), als auch die Durchsuchung (Art. 13 Abs. 2 GG, § 105 Abs. 1 StPO) und Beschlagnahme (§ 98 Abs. 1 StPO) von Sachen stehen grundsätzlich unter dem sog. Richtervorbehalt, sind also nur nach richterlicher Anordnung zulässig. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt bei Gefahr im Verzug: Auch ohne richterliche Anordnung kann die Maßnahme ausnahmsweise durch die Staatsanwaltschaft und ihre Hilfsbeamten durchgeführt werden, wenn die vorige Einholung der richterlichen Anordnung den Erfolg der Maßnahme aufgrund der Verzögerung gefährden würde (BVerfG, Urteil vom 20.1.2001 - Az.: 2 BvR 1444/00, NJW 2011, S. 121, 122). In der Regel ist sie nachzuholen (§§ 98 Abs. 2, 128 StPO, nicht aber bei der Durchsuchung (§§ 102 ff. StPO). Die betroffene Person kann jedoch auch hier jederzeit eine gerichtliche Entscheidung beantragen (entsprechende Anwendung des § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO, BGH, Beschl. v. 16.12.1977 - Az.: 1 BJs 93/77, NJW 1977, S. 1013 mit Anm. Amelung).

[39] Eine Handakte enthält ausgewählte Bestandteile der Verfahrensakte und Schriftstücke einer Prozesspartei in einem konkreten Fall. Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen sind berufsrechtlich zur Führung einer Handakte, durch die sich „ein geordnetes und zutreffendes Bild über die Bearbeitung“ der Aufträge ergeben muss, verpflichtet (§ 50 Abs. 1 Satz 1 BRAO).

[40] Anlage 1 zum Protokoll vom 24.6.75: Mitteilung über die Beschlagnahme und Rückgabe von möglichem Verteidigungsmaterial der Rechtsanwältin Becker.

[41] Anlage 2 zum Protokoll vom 24.6.75: Aktenvermerk über ein Telefongespräch zwischen dem Vorsitzenden Dr. Prinzing und den Staatsanwälten Pfiszter und Hermann.

[42] Als Rechtsanwalt Heldmann am 4. Verhandlungstag die Verteidigung von Andreas Baader übernahm, konnte ihm keine Ausfertigung der Akten übergeben werden. Ihm wurde nahegelegt, sich an die ausgeschlossenen Verteidiger zu wenden, die ihre Exemplare ja nun nicht länger benötigen würden (S. 303 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 4. Verhandlungstag).

[43] Am 24. April 1975 überfiel das RAF-Kommando „Holger Meins“ die deutsche Botschaft in Stockholm und forderte die Freilassung von 26 inhaftierten RAF-Mitgliedern, darunter von Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof. Dem Kommando gehörten Karl-Heinz Dellwo, Siegfried Hausner, Hanna Krabbe, Bernhard Rössner, Lutz Taufer und Ulrich Wessel an. Zur Durchsetzung ihrer Forderungen nahmen sie zwölf Geiseln, von denen sie zwei erschossen. Anders als zwei Monate zuvor bei der Lorenz-Entführung durch die Bewegung 2. Juni lehnte die Bundesregierung nun Verhandlungen mit den Geiselnehmer/innen ab. Ihr Ende fand die Geiselnahme durch eine nicht geklärte Sprengstoffexplosion im Inneren des Botschaftsgebäudes, die sich noch vor dem Zugriff schwedischer Sicherheitskräfte ereignete. Bei der Explosion wurde Ulrich Wessel tödlich verletzt. Siegfried Hausner erlag seinen Verletzungen Anfang Mai 1975 in der JVA-Stammheim. Die übrigen vier Geiselnehmer/innen wurden verhaftet und am 20. Juli 1977 zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt (Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 361 ff.; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 69).

[44] Über die Rechtmäßigkeit der Durchsuchungen entscheidet nach entsprechender Anwendung der §§ 98 Abs. 2 Satz 3, 162 StPO der/die zuständige Ermittlungsrichter/in, nach Erhebung der Anklage das Gericht der Hauptsache (§ 162 Abs. 3 StPO). Die Durchsuchungen wurden aber nicht im Verfahren gegen die hier Angeklagten durchgeführt, sondern in den Ermittlungsverfahren gegen die der Tatbeteiligung verdächtigten Rechtsanwält/innen.


[a] Handschriftlich eingefügt: den

[b] Maschinell ergänzt: sichergestellten

[c] Handschriftlich durchgestrichen: Ich möchte den Antrag noch ergänzend

[d] Handschriftlich ersetzt: Ihnen durch ihn

[e] Handschriftlich eingefügt: (zum Protokollführer)

[f] Handschriftlich durchgestrichen: waren

[g] Handschriftlich durchgestrichen: Begründungen

[h] Maschinell ersetzt: RA durch Häuptling

[i] Handschriftlich eingefügt: Reg. Dir. (BDA)

[j] Maschinell ergänzt: Verhaftungen

[k] Maschinell ersetzt: war inzwischen erschienen durch ist nunmehr auch anwesend

[l] Handschriftlich durchgestrichen: noch

[m] Maschinell eingefügt: mehr

[n] Handschriftlich eingefügt: haben

[o] Maschinell ergänzt: überlassen

[p] Maschinell eingefügt: so

[q] Handschriftlich eingefügt: Mieter: Einen

[r] Maschinell eingefügt: mehr