151. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag. den 7. Oktober 1976 um 9.04 Uhr



[11779] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag. den 7. Oktober 1976 um 9.04 Uhr

(151. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte sind anwesend:

JOS Janetzko, Just. Ass. z. A. Scholze.

Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]

Als deren Verteidiger sind anwesend RÄe.

Geulen (als Vertr. für RA Schily), Eggler, Künzel, Schnabel, Schwarz, Schlaegel und Grigat.

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort.

Die Bundesanwaltschaft hat weiterhin das Wort.[2]

Die Vertreter der Bundesanwaltschaft erhalten nunmehr wieder zu ihren Ausführungen das Wort.

Oberstaatsanwalt Zeis plädiert in der Zeit von 9.04 Uhr - 10.01 Uhr.

Während den Ausführungen von OStA Zeis:

RA Dr. Heldmann erscheint um 9.31 Uhr im Sitzungssaal.

Bundesanwalt Dr. Wunder verläßt in der Zeit von 9.45 Uhr - 9.54 Uhr den Sitzungssaal.

Vor Eintritt in die Pause unterhielten sich die Verfahrensbeteiligten über die Inbetriebnahme der Klimaanlage.

Pause von 10.03 Uhr bis 10.20 Uhr

[11780] Oberstaatsanwalt Zeis setzt seine Ausführungen nunmehr ab 10.20 Uhr fort und äußert in deren Verlauf:

„Und um das Maß vollzumachen, hat Rechtsanwalt Dr. Heldmann im Rahmen eines weiteren Pseudobeweisantrags die Behauptung aufgestellt - wenn wir nicht im Gerichtssaal wären, würde ich sagen; die infame, niederträchtige Behauptung - Baader sei von der Polizei durch ein Dum-Dum-Geschoß angeschossen worden ...“

Rechtsanwalt Dr. Heldmann meldet sich durch Handzeichen.

Vors.:

Herr Bundesanwalt Zeis, nachdem gestern schon in dieser Richtung ja ein Widerspruch erfolgt ist: Ich bitte, soweit möglich, die Sachlichkeit zu wahren. Ich will nicht behaupten, die Form, in der das eben ausgedrückt worden ist, verletze schon irgendwelche Rechtsbestimmungen. Es wäre aber vielleicht im Rahmen der gegenseitigen Achtung, die man sich trotzdem noch schenken sollte, zweckmäßig, allzu scharfe Formulierungen zu vermeiden.

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender, ich darf ausdrücklich darauf hinweisen, daß ich gesagt habe, „wenn wir hier nicht im Gerichtssaal wären ...“

Vors.:

Ja, ich habe es zur Kenntnis genommen, danke.

OStA Z[eis]:

Und dabei wissen wir doch alle genau aus der Vernehmung des Sachverständigen ...

Rechtsanwalt Dr. Heldmann meldet sich durch Handzeichen.

Vors.:

Soll eine Beanstandung ausgesprochen werden?

RA Dr. H[eldmann]:

Nein, ich bitte Sie, protokollieren zu lassen das, was Herr Oberstaatsanwalt Zeis soeben von sich gegeben hat.

Vors.:

Es ist, wie ich annehme, durch das Protokoll erfaßt und ich glaube, das, was ich dazu gesagt habe, auch. Richtig?

RA Dr. H[eldmann]:

Dann bitte ich, diese Protokollstelle verlesen zu lassen.

Vors.:

Zu welchem Zweck?

RA Dr. H[eldmann]:

Das ist eine strafbare Handlung. Der Begriff „infam“ ist eine Beleidigung im Sinne des [§ ]185 StGB; darüber ist die Rechtssprechung sich seit langem einig.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, ich möchte das Plädoyer nicht allzulange unterbrechen, aber auf eines darf ich Sie hinweisen ...

[11781] RA Dr. H[eldmann]:

Ich brauche Sie nur auf das Gerichtsverfassungsgesetz[3] hinzuweisen.

Vors.:

Jeder, der hier dieses Gerichtsverfahren verfolgt hat, weiß, wie hier zum Teil Prozeßbeteiligte - ich bin nicht zuletzt davon betroffen - in einer Weise verunglimpft und beleidigt worden sind, ohne daß ich einmal bemerkt hätte, daß Sie eine solche Empfindlichkeit aufgebracht hätten, wie Sie sie jetzt im Augenblick zeigen. Ich glaube, nach allem, was bisher hin und her gesagt worden ist, wäre es zwar gut, wenn sich die Prozeßbeteiligten auf eine möglichst sachliche Tonart beschränken - der Meinung bin ich auch -, aber keiner der Prozeßbeteiligten sollte jetzt eine Empfindlichkeit an den Tag legen, die über das hinausgeht, was wirklich erforderlich ist.

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Vorsitzender, meine Empfindlichkeit halte ich seit 2 ½ Tagen schon in allen Grenzen, denn sonst würde ich mir das, was die Bundesanwaltschaft hier als ein angebliches Plädoyer absondert, nicht anhören.

Vors.:

Das ist nun genau dieselbe Tonart ...

RA Dr. H[eldmann]:

Aber hier geht es um etwas anderes.

Vors.:

Ich würde jetzt ...

RA Dr. H[eldmann]:

Nein, nein, es geht um den Begriff, daß ein Beweisantrag von mir nicht nur als Pseudobeweisantrag, darüber verliere ich bei Herrn Zeis natürlich kein Wort, aber als eine „infame Behauptung“.

Vors.:

„Wenn man nicht im Gerichtssaal wäre“ ist zwar eine Pufferzone, die davor geschaffen worden ist, in der Tat. Ich habe Ihnen gesagt, es ist protokolliert. Wenn Sie daraus Folgerungen ziehen wollen, können Sie es tun. Eine Verlesung ist nicht in Ordnung und nicht am Platze.

RA Dr. H[eldmann]:

Gut, dann bitte ich zu Protokoll zu nehmen, daß ich die Verlesung beantrage und, falls Sie bei Ihrer Entscheidung bleiben wollen, eine Senatsentscheidung[4] erbitte. Haben Sie sich, Herr Vorsitzender, bereits vergewissert, daß es wörtlich im Protokoll ist, daß es zutreffend im Protokoll ist?

Vors.:

Wie ist es bei den Herrn Urkundsbeamten? Haben Sie die Sätze, die gesagt worden sind, wörtlich im Protokoll? Wir wollen das mal überprüfen, vielleicht läßt sich damit alles weitere erledigen.

[11782] Sodann wird vom Urkundsbeamten Janetzko die von ihm stenografisch protokollierte Äußerung des Oberstaatsanwalts Zeis wie folgt verlesen:

„Wenn ich nicht im Gerichtssaal wäre, würde ich sagen, es ist eine infame Behauptung von Rechtsanwalt Dr. Heldmann, eine solche Äußerung zu tun.“

Vors.:

Genügt Ihnen das?

RA Dr. H[eldmann]:

Erledigt, ist verlesen.

Vors.:

Ich darf also jetzt zum Maßhalten - hoffentlich auf beiden Seiten - aufrufen.

Oberstaatsanwalt Zeis setzt daraufhin sein Plädoyer bis 11.00 Uhr fort.

Oberstaatsanwalt Holland setzt nunmehr ab 11.00 Uhr bis 11.55 Uhr das Plädoyer der Bundesanwaltschaft fort.

Während den Ausführungen durch OStA Holland:

Bundesanwalt Dr. Wunder verläßt in der Zeit von 11.02 Uhr - 11.15 Uhr den Sitzungssaal.

Pause von 11.55 Uhr bis 12.07 Uhr.

Bei Fortsetzung der Hauptverhandlung ist Rechtsanwalt Eggler nicht mehr anwesend.

Fortsetzung des Plädoyers durch Oberstaatsanwalt Holland von 11.55 Uhr bis 12.40 Uhr.

[11783] Nach Beendigung der Ausführungen durch OStA Holland und Erörterung der Verfahrensbeteiligten über den Beginn der Nachmittagssitzung erklärt Rechtsanwalt Dr. Heldmann folgendes:

RA Dr. He[ldmann]:

Ich bitte noch um eine kleine Protokollberichtigung. Der Herr Oberstaatsanwalt hat den Mund noch etwas voller genommen als es ins Protokoll geraten ist. Er hat gesagt: „Infame und niederträchtige Behauptung“ und damit das Beweisthema des Antrags gemeint; infam und niederträchtig, so daß ich also bitte nachzutragen: „und niederträchtig“.

Vors.:

Ich werde nachfragen. Wir wollen das Protokoll richtig führen, das ist selbstverständlich.

Fortsetzung 13.45 Uhr.

Pause von 12.41 Uhr - 13.47 Uhr

[11784] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 13.47 Uhr.

Reg. Dir. Widera sowie die RAe Dr. Heldmann und Geulen sind nicht mehr anwesend.

Vors.:

Die Verteidigung ist gewährleistet.

Bitte, Herr Bundesanwalt Zeis.

Das Plädoyer der Bundesanwaltschaft wird nunmehr durch OStA Zeis fortgesetzt.

Während der Ausführungen von OStA Zeis:

Reg. Dir. Widera erscheint um 13.53 Uhr wieder im Sitzungssaal.

RA Dr. Augst (als Vertr. für RA Eggler) erscheint um 13.56 Uhr um Sitzungssaal.

RA Geulen erscheint um 13.57 Uhr wieder im Sitzungssaal.

OStA Holland verläßt von 14.07 Uhr - 14.16 Uhr den Sitzungssaal.

RA Dr. Heldmann erscheint um 14.25 Uhr wieder im Sitzungssaal.

Als von OStA Zeis ausgeführt wird, daß gegen verschiedene Rechtsanwälte - darunter RA Dr. Heldmann - ehrengerichtliche Ermittlungsverfahren[5] anhängig seien, wird er von RA Dr. Heldmann wie folgt unterbrochen:

RA Dr. He[ldmann]:

Ist das die Anklage gegen mich, womit sich der Herr jetzt beschäftigt da drüben?

Vors.:

Sie wollten im Zweifelsfall die Frage an Herrn Bundesanwalt Zeis richten.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich nehme an, Sie haben die Verhandlungsleitung und vielleicht weiß der Herr Zeis nicht mehr ganz, wo er hier [11785] ist, oder wovon er spricht.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann ...

RA Dr. He[ldmann]:

Oder bin ich im falschen Saal?

Vors.:

... Sie sind ein bißchen zu spät gekommen, um bemerken zu können, daß es im Augenblick um die Frage geht, inwiefern der Vorwurf der Fortsetzung der kriminellen Vereinigung aus der Zelle heraus[6] gerechtfertigt ist. Hier wird - soweit ich das bis jetzt verstanden habe - dargestellt, wie diese Verbindung nach außen - Kontakt untereinander - möglich gewesen ist. Und soweit ich es verstehe, geht es darum, die Stellen, die dafür verantwortlich zu machen sind in der Sicht der Bundesanwaltschaft, im Augenblick zu charakterisieren. Sollte es sich von diesem Sachrahmen entfernen, Herr Bundesanwalt Zeis, ...

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Vorsitzender, dann erlauben Sie mir bitte den Hinweis, der Herr Zeis weiß es ...

Vors.:

Darf ich jetzt im Augenblick meinen Satz zu Ende bringen, der ja an Herrn Bundesanwalt Zeis gerichtet war?

RA Dr. He[ldmann]:

Verzeihung, selbstverständlich.

Vors.:

Ich weiß nicht, ob ich es richtig verstanden habe, daß es also um das geht, was ich eben andeutete, nämlich um die Charakterisierung derjenigen Stellen, die Sie für verantwortlich halten, daß die kriminelle Vereinigung fortgesetzt werden kann. Wenn dieser sachliche Rahmen verlassen werden sollte, dann müßte ich eingreifen. Aber im Augenblick sehe ich nicht, daß dazu Anlaß gegeben wäre.

RA Dr. He[ldmann]:

Deswegen, Herr Vorsitzender, habe ich Sie angesprochen, denn weder ein Ehrengerichtsverfahren gegen mich, von denen sie ja mehrere eingeleitet haben, beschäftigt sich mit dem Vorwurf der Unterstützung oder etwas ähnlichem, noch habe ich ein Verfahren, soweit ich es jedenfalls weiß, nach § 129 StGB.[7] Der Herr Pfaff, mein Sozius, auch nicht. Ich wiederhole, ich weiß nicht, wovon der Herr, der hier für die Bundesanwaltschaft aufgetreten ist, spricht im Moment.

Vors.:

Ihr Informationsstand ist hier besser. Sie kennen den Inhalt. Wir kennen ihn nicht, weil wir mit[a] den Ehrengerichtsverfahren nichts zu tun haben.

[11786] RA Dr. He[ldmann]:

Herr Zeis kennt es auch.

Vors.:

Das mag sein, aber ich sage Ihnen ja, im Augenblick sehe ich jedenfalls aus dem, was ich bis jetzt gehört habe, den Zusammenhang in der Form gewahrt, wie ich ihn angedeutet habe. Sollte ich, was bis jetzt noch nicht zu erkennen ist, den Eindruck gewinnen, daß es sachlich nicht mehr gerechtfertigt wäre, die Ausführungen zu machen, würde ich mich selbstverständlich melden.

OStA Zeis setzt nunmehr seine Ausführungen fort.

Als OStA Zeis bei seinen Ausführungen von einer Verunglimpfung der Justiz und Ermittlungsbehörden durch einige Rechtsanwälte spricht, wird er erneut von RA. Dr. Heldmann unterbrochen:

RA Dr. He[ldmann]:

Ich frage abermals, ob ich hier Angeklagter oder Verteidiger bin. Daß die Bundesanwaltschaft das eine mit dem anderen liebend gerne identifiziert, um die Verteidigung weiter zu diffamieren, was ihre Lieblingsbeschäftigung ist - Ihre insbesondere, Herr Zeis - wissen wir alle hier. Aber was hat das jetzt in dem Verfahren gegen Baader, Ensslin, Raspe zu tun frage ich abermals.

Außerdem irren Sie - vielleicht wissen Sie schon mehr als ich, wahrscheinlich. Mir ist von einer Anschuldigungsschrift noch nichts bekannt.

Vors.:

Was soll das nun sein? Eine förmliche Beanstandung, daß wegen Sachwidrigkeit oder sonst das Wort entzogen werden soll?

RA Dr. He[ldmann]:

Nein, um Gottes Willen.

Herr Zeis macht uns ja ein Geschenk nach dem anderen mit dem, was er hier spricht.

Vors.:

Oder, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, wenn Sie gegen diese Ausführungen an sich keine Beanstandung vorbringen wollen, sondern jetzt bloß Ihren Gegenstandpunkt bekanntgeben wollen, dann wäre das ein zu früher Zeitpunkt. Sie haben bei Ihren Plädoyers dieselbe Freiheit, Ausführungen zu machen.

[11787] Es ist ganz selbstverständlich.

Ich habe heute früh daran erinnert, man soll die Empfindlichkeiten nicht zu hoch schrauben. Wir sind hier in einem Verfahren, wo sehr viel gesagt worden ist - dort oder dort. Und deswegen werden Sie nicht kritischer beleuchtet werden, wenn Sie sich gegen solche Vorwürfe zu wehren versuchen.

RA Dr. He[ldmann]:

Nein, nein. Ich dachte, Herr Zeis strapaziert nicht unsere Zeit überflüssigerweise damit, daß er Geschichtchen hier erzählt, die mit diesem Verfahren überhaupt nichts zu tun haben. Ich stehe nicht an, ich scheue mich nicht, mit den Herren da drüben, wie Herr Zeis zu sagen pflegt, meine Ehrengerichtsverfahren zu erörtern. Jedoch hier im Prozeß gegen Baader, Ensslin, Raspe - was soll das hier? Und darum bitte ich, Herrn Zeis daran zu erinnern, 1. wo er ist und 2. zu was er vorgibt, sprechen zu wollen.

Vors.:

Wir haben es gehört.

Ich möchte Sie bitten, in Zukunft, vielleicht wäre das auch dienlich, so rechtzeitig zu erscheinen, daß Ihnen das Erkennen des Zusammenhangs leichter wird.

Umgekehrt bitte ich aber, tatsächlich alles zu meiden, was nicht zur Ausführung und zur sachlichen Begründung der Vorwürfe gegen die Angeklagten dienlich scheint.

Ich bitte fortzufahren.

RA Dr. He[ldmann]:

Ihre Bemerkung, Herr Vorsitzender, rechtzeitig zu erscheinen ...

OStA Zeis:

Hat der Herr Rechtsanwalt oder ich das Wort bekommen, Herr Vorsitzender?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich kann Ihnen jetzt nicht das Wort erteilen. Wenn Sie keine Beanstandung, wie Sie ausdrücklich sagten, hier vortragen wollen, dann muß ich jetzt weiterhin der Bundesanwaltschaft das Wort geben.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich habe beanstandet, Herrn Zeis nicht weiter von Sachen reden zu lassen, die mit diesem Verfahren und dieser Anklage nichts zu tun haben.

Vors.:

Das ist nichts neues, was Sie vortragen.

Ich habe im Augenblick dasselbe auch ausdrücklich betont. Ich bitte nur das vorzutragen, was der Begründung der Vorwürfe gegen die Angeklagten sachdienlich zu sein scheint. Bitte, Herr Bundesanwalt Zeis.

[11788] OStA Zeis setzt daraufhin seine Ausführungen fort.

Während der weiteren Ausführungen von OStA Zeis verläßt RA Dr. Heldmann um 14.48 Uhr den Sitzungssaal.

Nach Beendigung der Ausführungen von OStA Zeis erklärt der Vorsitzende:

Ich glaube, jetzt wird die zusammenfassende und abschließende Erklärung von Ihnen, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder gegeben. Ich würde aber vorschlagen, daß wir doch 10 Minuten Pause einlegen. Es wird sich dann nachher doch noch eine längere Ausführung anschließen.

Ich benütze allerdings die Gelegenheit, für das Protokoll festzustellen: Die Vertretung von Herrn Rechtsanwalt Eggler durch Herrn Rechtsanwalt Dr. Augst wird genehmigt.

Um 3.00 Uhr Fortsetzung.

Pause von 14.50 Uhr - 15.01 Uhr

Bei Fortsetzung der Hauptverhandlung ist RA Geulen nicht mehr anwesend.

Vors.:

Die Verteidigung ist gewährleistet.

Bitte, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BuAnw. Dr. Wunder gibt zunächst folgende Erklärung ab, zu der er sein Einverständnis zur Aufnahme auf das Gerichtstonband[8] abgibt:

BA Dr. Wu[nder]:

Bevor ich beginne, möchte ich darauf hinweisen, [11789] daß sich der rechtliche Gesichtspunkt in einigen Punkten gegenüber der Anklage geändert hat.

Wir kommen auch bei dem Angeklagten Raspe zur Rädelsführerschaft.[9]

Bei den Bombenanschlägen vertreten wir als Tatmotiv auch den niedrigen Beweggrund.[10]

Bei den Festnahmen Baader und Raspe ebenfalls den niedrigen Beweggrund neben Verdeckungsabsicht.[11]

Bei Ensslin dagegen nur den niedrigen Beweggrund als Tatmotiv.

Außerdem ergibt sich eine Änderung bei der Zahl der von uns angenommenen Tötungsversuche in Frankfurt: jetzt 7 statt 4. Die Verringerungen dagegen in Heidelberg und Hamburg dürften hier ohne Bedeutung sein.

Im Gegensatz zur Anklage hat unserer Auffassung nach der Beweisaufnahme der Angeklagte Baader bei dem Schußwechsel in Frankfurt, Hofeckweg, in Alleintäterschaft[12] gehandelt.

Bundesanwalt Dr. Wunder setzt daraufhin seine Ausführungen fort.

Während der Ausführungen von BuAnw. Dr. Wunder erscheint RA Geulen um 15.04 Uhr wieder im Sitzungssaal.

Nach Erteilung der Genehmigung zur Aufnahme auf das Gerichtstonband stellt BuAnwalt Dr. Wunder folgende Anträge:

BA Dr. Wu[nder]:

Unter Berücksichtigung aller dieser Umstände stelle ich folgende Anträge:

1. Für die bei den Sprengstoffanschlägen in Frankfurt und Heidelberg verübten, in Tateinheit mit der Herbeiführung [11790] von Explosionen und Mordversuchen stehenden gemeinschaftlichen Morde, schreibt das Gesetz, § 211 StGB, die absolute einheitlich und unveränderlich für jeden Mörder geltende Strafe, eine lebenslange Freiheitsstrafe vor. Diese erscheint auch angemessen für den Mordversuch an dem Richter Buddenberg.

Die Angeklagten Baader, Ensslin und Raspe haben für jede dieser drei Straftaten eine lebenslange Freiheitsstrafe verwirkt.

Ich beantrage, sie schuldig zu sprechen und entsprechend zu verurteilen.

2. Daneben ist es erforderlich, auf weitere Strafen zu erkennen:

a) Wegen der drei in Augsburg, München und Hamburg tateinheitlich mit der Herbeiführung von Explosionen verübten gemeinschaftlichen Mordversuche beantrage ich für jeden der Angeklagten je eine dem § 211 i.V.m. §§ 23, 49 Abs. 1 StGB[13] zu entnehmende Freiheitsstrafe von 14 Jahren;

b) für die aus Anlaß der Festnahmen der Angeklagten tateinheitlich[14] mit Widerstandshandlungen begangenen Mordversuche, wobei die Strafe wiederum dem § 211 i.V.m. §§ 23, 49 Abs. 1 StGB zu entnehmen ist, beantrage ich, und zwar für die beiden Handlungen Baaders je eine Freiheitsstrafe von 10 Jahren, für den Angeklagten Raspe eine Freiheitsstrafe von 10 Jahren und für die Angeklagte Ensslin eine Freiheitsstrafe von 8 Jahren;

c) diese zeitigen Freiheitsstrafen beantrage ich gemäß § 54 StGB[15] bei allen Angeklagten auf eine Gesamtstrafe von 15 Jahren zurückzuführen.

[11791] 3. Schließlich stelle ich den Antrag, gemäß § 74 StGB diejenigen Gegenstände einzuziehen,[16] die durch die von den Angeklagten begangenen Straftaten hervorgebracht oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht oder bestimmt gewesen sind.

Es kommen für die Einziehung alle diejenigen Gegenstände in Betracht, welche hier in der Hauptverhandlung den Zeugen und Sachverständigen vorgelegen haben und vom Gericht sowie von den Verfahrensbeteiligten in Augenschein[17] genommen oder die durch Verlesen[18] insbesondere der betreffenden Asservatenlisten genannt und damit eingeführt worden sind. Es sind dies insbesondere Waffen, Waffenteile, Munition, Sprengkörper, Sprengmittel und Zubehörteile, welche den Angeklagten bei ihrer Festnahme gehörten oder ihnen zustanden, in den polizeilicherseits entdeckten Schlupfwinkel der Angeklagten vorgefunden wurden.

Ausgenommen davon sind diejenigen Beweisstücke, die mit Rechten Dritter behaftet sind.[19] Ich habe sie in einer Liste zusammengefaßt und übergebe diese gesondert für das Protokoll.

BuAnw. Dr. Wunder übergibt die Liste, die als Anlage 1 zum Protokoll genommen wird.

4. Außerdem beantrage ich, gem. § 465 StPO[20] die Kosten des Verfahrens den Angeklagten aufzuerlegen.

Vors.:

Damit sind wir am Ende der Schlußvorträge der Bundesanwaltschaft. Es wäre an sich angemessen, nun die Sitzung abzuschließen. Das ist aber technisch nicht möglich. Bedauerlicherweise fehlt Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann. Das Gericht[b] muß wissen, ob Anträge gestellt werden auf weitere Zeugenvernehmungen[21] - welche -, denn sonst würden wir genötigt sein, entweder von amtswegen angedeutete Zeugen zu holen. Das geschehe dann am nächsten Mittwoch, 13.10., oder aber könnten [11792][22] [11793] wir sonst nur den Termin festsetzen für den Beginn der Schlußvorträge der Herren Verteidiger.

Ich mache jetzt eine Pause von einer Viertelstunde.

Ich wäre Ihnen, Herr Rechtsanwalt Geulen, dankbar, wenn Sie uns Herrn Rechtsanwalt Dr. Heldmann beschaffen würden, so daß wir wissen, wie es nun weitergehen soll.

16.30 Uhr Fortsetzung.

Pause von 16.00 Uhr - 16.20 Uhr

Ende von Band 696.

[11794] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 16.20 Uhr

Rechtsanwalt Dr. Heldmann ist nunmehr wieder anwesend.

Vors.:

Wir können die Sitzung fortsetzen und jetzt zum Abschluß bringen, zunächst mit der Frage an die Herren Verteidiger ob beabsichtigt ist, vor den Schlußvorträgen der Verteidigung noch Beweiserhebungen zu beantragen?

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Ja, das möchten wir.

Vors.:

Bitte.

Kriegen wir die Anträge, die gestellt werden sollen, schriftlich?

RA Dr. He[ldmann]:

Das war mir nicht möglich ...

Vors.:

Ja, wir nehmen sie dann zu Protokoll.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich nehme also mit diesem ersten Antrag Bezug auf die Mitteilung, die Sie gestern gemacht haben, daß Herr Wolf, den die Verteidigung als Zeugen bereits benannt hatte, vom 10.10. an als Zeuge in der Hauptverhandlung zur Verfügung stehen wird und beantrage deswegen

Herrn Wolf, zu laden über das Bundeskriminalamt in[c] Bad-Godesberg, als Zeugen darüber zu hören

1. daß Vernehmungsbeamte versucht haben mit verschiedenen Mitteln den jetzigen Zeugen Müller[23] von seiner Verhaftung an zu Aussagen gegen die RAF zu bewegen, daß Vernehmungsbeamte dem Zeugen Müller in Aussicht gestellt haben, er würde auch finanziell gut wegkommen, wenn er aussagen würde; daß dem Zeugen Müller durch Vernehmungsbeamte andererseits bedeutet worden ist - verschiedentlich bedeutet worden ist - daß man auch anders könne, wenn er nicht aussage.

2. Zum Beweis für die Tatsache, daß Ermittlungsbehörden dem Zeugen Gerhard Müller als Gegenleistung für eine Aussage gegen die Angeklagten in diesem Verfahren unter anderem angeboten haben, Strafnachlaß oder Straferlaß, sowie Pressekontakte mit entsprechenden Honorierungsmöglichkeiten, und daß Vernehmungsbeamte andererseits dem Zeugen Müller bedeutet haben, er habe anderenfalls mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe zu rechnen.

[11795] 3. Zum Beweis für die weitere Tatsache, daß der Zeuge Gerhard Müller versucht hat, andere Personen durch wahrheitswidrige Tatsachenbehauptungen zu belasten, insbesondere auch den Zeugen Dierk Hoff,[24] und daß die von dem Zeugen Wolf und anderen Ermittlungsbeamten angestellten Ermittlungen die Unrichtigkeit zahlreicher, von dem Zeugen Gerhard Müller aufgestellten Tatsachenbehauptungen ergeben haben.

4. Zum Beweis für die Tatsache, daß der Zeuge Gerhard Müller mehrfach Sachverhalte unrichtig geschildert hat, um von ihm selbst begangene Straftaten zu verschleiern, und daß sich diese Unrichtigkeiten aus den Ermittlungen des Herrn Wolf und anderer Ermittlungsbeamten ergeben haben.

5. Zum Beweis für die Tatsache, daß der Zeuge Gerhard Müller erklärt hat, Andreas Baader habe Ingeborg Barz[25] erschossen, daß jedoch nach den Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden die Behauptung des Zeugen Gerhard Müller unrichtig ist.

Zu den[d] unter den Ziffern 3 bis 5 genannten Beweisthemen beantrage ich, das Gericht möge entsprechende Aussageerlaubnis,[26] die insoweit bis heute noch nicht vorliegt, beim Bundesminister des Innern einholen.

Dieses ist der erste Beweisantrag.

Ich habe ferner dem Gericht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hamburg[27] vom 4. Oktober 1976 bekanntzugeben:

„In der Verwaltungsstreitsache Andreas Baader gegen Freie- und Hansestadt Hamburg, vertreten durch die Behörde für Inneres, der Polizeipräsident“.

Der Beschluß unter dem Aktenzeichen VIII VG 2362/76 lautet wörtlich:

„Der Antragsgegnerin - also der Polizeipräsident in[e] Hamburg - wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, dem Kriminalhauptkommissar Opitz die Genehmigung zu erteilen, als Zeuge vor dem Oberlandesgericht Stuttgart in der Strafsache 2 STE 1/74 zu folgenden Beweisthemen auszusagen:

a) daß der Zeuge Gerhard Müller Andreas Baader beschuldigt hat, Ingeborg Barz getötet zu haben.

b) daß die diesbezüglichen Angaben Müllers als unwahr erkannt [11796] worden sind.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

gez.: Bless Stallbaum Ramsauer.“

Das Verwaltungsgericht Hamburg hat also meinem Antrag in dieser Sache in vollem Umfang stattgegeben und hat im Unterschied zum Verwaltungsgericht Köln[28] hier nicht eine Bescheidungsanordnung, sondern eine unmittelbare Verpflichtungsanordnung[29] dazu erlassen, die, wie Ihnen bekannt sein wird, sofort vollstreckbar[30] ist.

OStA Zeis verlässt um 16.26 Uhr den Sitzungssaal.

Ich wiederhole deswegen meinen früher gestellten Antrag, nämlich

Kriminalhauptkommissar Opitz, im Kriminalamt der Stadt Hamburg, als Zeugen zu hören zu den Tatsachen

1. daß der Zeuge Gerhard Müller Andreas Baader beschuldigt hat, Ingeborg Barz getötet zu haben;

2. daß die diesbezüglichen Angaben Müllers als unwahr erkannt worden sind.

Vors.:

Darf ich [f] bitten, daß Sie uns eine Ablichtung der Entscheidung dann zu den Akten geben.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich habe sie telefonisch durchgesagt bekommen, im Wortlaut, wie ich verlesen habe; sie ist also im Moment in meinem Büro. Aber ich werde nachher, im Anschluß an die Sitzung, telefonieren, daß das[g] heute noch per Eilboten an Sie abgeschickt werden wird.

Vors.:

Danke.

RA Dr. He[ldmann]:

Diese hier beantragte Zeugeneinvernahme wird über das unmittelbare, das konkrete Beweisthema hinaus ergeben, daß der Zeuge Müller aus[h] Hass gegen Andreas Baader diesen bewußt wahrheitswidrig des Mordes bezichtigt hat.

OStA Zeis erscheint um 16.28 Uhr wieder im Sitzungssaal.

Sie wird ergeben, daß der Zeuge Müller unglaubwürdig ist.

Dritter Beweisantrag:

[11797] Ich beantrage

den Vorsitzenden Richter am Schwurgericht Kaiserslautern, Herrn Stiefenhöfer, als Zeugen dafür zu vernehmen,

daß Gerhard Müller als Zeuge in dem Strafverfahren vor dem Schwurgericht Kaiserslautern gegen Grashof, Grundmann, Jünschke[31] ausgesagt hat, an dem Sprengstoffanschlag in Frankfurt demjenigen, welcher Gegenstand auch dieses Verfahrens ist, habe Klaus Jünschke als Täter mitgewirkt.

Die hier beantragte Zeugenaussage wird ergeben, daß Gerhard Müller entweder als Zeuge vor dem Oberlandesgericht Stuttgart - das ist hier - oder als Zeuge vor dem Schwurgericht Kaiserslautern die Unwahrheit gesagt hat. Denn am 8. Juli 1976 hat Müller als Zeuge in diesem Verfahren ausgesagt, den Sprengstoffanschlag in Frankfurt hätten allein die drei Angeklagten in diesem Verfahren - also Baader, Ensslin und Raspe - sowie Holger Meins[32] verübt.

Die Aussage des hier als Zeugen benannten Herrn Stiefenhöfer wird so ergeben, daß der Zeuge Müller, daß Herr Müller als Zeuge Falschaussagen vor Gericht gemacht hat. Sie wird ein weiteres Mal aufzeigen, daß Müller unglaubwürdig ist.

Ich beantrage schließlich

Herrn Rolf Pohle, derzeit Justizvollzugsanstalt Straubing - wenn ich richtig informiert worden bin - als Zeuge zu vernehmen zu den Tatsachen

1. daß der Zeuge Gerhard Müller in Gesprächen im Herbst 1971 in Gegenwart des hier als Zeugen benannten Rolf Pohle die Erschießung des Polizeibeamten Schmid[33] in Hamburg zugegeben hat;

2. daß die von den übrigen Gesprächsteilnehmern an dieser Handlungsweise des Zeugen Müller geübte Kritik wirkungslos geblieben ist, vielmehr der Zeuge Müller, seinen eigenen Äußerungen zufolge, stolz darauf war, den Polizeibeamten Schmid erschossen zu haben.

3. Für die Tatsache, daß der Zeuge, daß der hier als Zeuge benannte Rolf Pohle aus eigenem Wissen sagen kann, wo der Zeuge Müller die Tatwaffe versteckt hat.

Danke.

[11798] Vors.:

Danke. Will sich jemand zu den Anträgen äußern oder eigene Anträge stellen?

Herr Rechtsanwalt Geulen.

RA Geu[len]:

Ich möchte nur noch folgendes beantragen, nämlich

daß wir Einsicht in das gerichtliche Protokoll erhalten und zwar nicht nur in der Form, in der stenografisch vorliegt, sondern in einer abgeschriebenen Form.

Voraussichtlich war das sowieso vorgesehen, daß das noch morgen oder Anfang der Woche abgeschrieben wird. Ich würde[i] bitten, daß das möglichst bald geschieht, und daß wir dann möglichst bald Einsicht nehmen können.

Vors.:

Darüber gebe ich Ihnen dann nach Schluß der Sitzung Auskunft, wie das gedacht ist mit den Aufschrieben der Urkundsbeamten. Sonstige Ausführungen zu den Anträgen?

Bitte, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. Wu[nder]:

Vielleicht nur eine ganz kurze Stellungnahme, Herr Vorsitzender. Den Vernehmungen der Zeugen, Polizeibeamter Wolf und des Herrn Pohle, wird die Bundesanwaltschaft nicht entgegentreten. Was die Vernehmung des Zeugen Opitz dagegen betrifft, so möchte ich nur darauf hinweisen, daß Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann nicht, und ich kann es ebensowenig, nicht erklären konnte, ob die ergangene Entscheidung rechtskräftig[34] ist. Danke.

Vors.:

Bitte, Herr Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Eine einstweilige Anordnung ist vorläufig vollstreckbar,[35] nicht? Die ist sofort vollstreckbar.

Vors.:

Ja, sofern sie nicht angefochten wird.

RA Dr. He[ldmann]:

Hemmt den Vollzug nicht ... mit Zwangsmitteln.[36]

Vors.:

Das ist also eine Rechtsfrage, die noch zu prüfen ist. Den Anträgen 1, 2 und 4, auf die Einvernahme von den Zeugen Wolf, Opitz und Pohle, gebe ich[j] unter den Vorbehalten statt, daß es zuerst geklärt werden muß, ob es sinnvoll ist z. B. Herrn Opitz hierherzubitten. Bei Herrn Wolf muß der Vorbehalt gemacht werden, daß die Aussagegenehmigung noch in ihrem Umfang festgelegt werden muß. Herr Pohle kann gehört werden. Zur Vernehmung dieser Zeugen wird bestimmt, Mittwoch 13.10., 9.00 Uhr. Mit Fortsetzung am 14.10. muß gerechnet werden.

Über den Antrag, den Herrn Stiefenhöfer zu hören, wird entschieden werden. Ich bitte aber die Beteiligten sich für alle Fälle auch auf [11799] die Möglichkeit einzurichten, daß er als Zeuge in diesen 2 Tagen bemüht wird.

Damit sind wir am Schluß der Sitzung.

Fortsetzung am Mittwoch um 9.00 Uhr.

Ende der Hauptverhandlung um 16.33 Uhr

Ende Band 697.


[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 – Az.: 1 StE 1/74 – StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[2] Nachdem der Vorsitzende Dr. Prinzing am Ende des 148. Verhandlungstages die Beweisaufnahme geschlossen hatte (S. 11767 des Protokolls der Hauptverhandlung), plädierte die Bundesanwaltschaft bereits seit dem 149. Verhandlungstag.

[3] § 183 Satz 1 GVG lautet: „Wird eine Straftat in der Sitzung begangen, so hat das Gericht den Tatbestand festzustellen und der zuständigen Behörde das darüber aufgenommene Protokoll mitzuteilen.“

[4] Sachleitungsbezogene Anordnungen des/der Vorsitzenden können als unzulässig beanstandet werden (§ 238 Abs. 2 StPO). Über die Beanstandung entscheidet sodann das Gericht, in diesem Fall der Senat in voller Besetzung.

[5] Ehrengerichtsverfahren (heute: anwaltsgerichtliche Verfahren) können im Falle einer Verletzung berufsrechtlicher Pflichten von Anwält/innen durch die Staatsanwaltschaft vor speziellen Anwaltsgerichten, früher „Ehrengerichte“ eingeleitet werden (§ 121 BRAO). Diese können verschiedene Maßnahmen gegen den Rechtsanwalt/die Rechtsanwältin verhängen; diese reichen – je nach Schwere des Verstoßes – von einer Warnung (§ 114 Abs. 1 Nr. 1 BRAO) bis zum Ausschluss aus der Rechtsanwaltschaft (§ 114 Abs. 1 Nr. 4 BRAO a.F.; heute: § 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO). Gegen die Verteidiger/innen in den RAF-Prozessen wurden zahlreiche solcher Ehrengerichtsverfahren eingeleitet (s. dazu etwa das Interview mit von Plottnitz, in Diewald-Kerkmann/Holtey [Hrsg.], Zwischen den Fronten, 2013, S. 91, 95 f.; s. auch die Dokumentation von Ehrengerichtsverfahren von Spangenberg, Kritische Justiz 1976, S. 202).

[6] Insbesondere den Rechtsanwälten Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele wurde vorgeworfen, durch die Beteiligung am „INFO“ – einem Informations- und Kommunikationssystem, das einen Austausch von Rundbriefen, Zeitungsartikeln etc. unter den inhaftierten RAF-Mitgliedern ermöglichte – dazu beigetragen zu haben, dass die inhaftierten RAF-Mitglieder auch aus der Haft heraus ihre kriminelle Vereinigung hätten fortführen können. Dabei ging es nicht um das INFO an sich, sondern um die Weiterleitung ganz bestimmter Unterlagen (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 521 ff.; s. auch die Interviews mit Groenewold und Ströbele, in Diewald-Kerkmann/Holtey [Hrsg.], Zwischen den Fronten, 2013, S. 49, 58 f., 70 f. sowie S. 121, 132 f.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 52).

[7] § 129 StGB enthält den Straftatbestand der Bildung krimineller Vereinigungen. Strafbar ist gem. § 129 Abs. 1 StPO nicht nur die Gründung und Beteiligung als Mitglied (Satz 1), sondern auch die Unterstützung, sowie das Werben um Mitglieder oder Unterstüter/innen (Satz 2).

[8] Bundesanwalt Dr. Wunder hatte am 141. Verhandlungstag erklärt, die Vertreter der Bundesanwaltschaft seien nicht bereit, den Schlussvortrag (mit Ausnahme der Anträge) auf das Tonband aufnehmen zu lassen (S. 11457 des Protokolls der Hauptverhandlung). Nach der damaligen Rechtsprechung bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung stets der Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 – Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 – Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 339). Heute wird die gerichtliche Tonbandaufnahme z.T. auch ohne Zustimmung der Beteiligten für zulässig erachtet (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 35; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 13).

[9] Der Anklagevorwurf beschränkte sich in Bezug auf den Angeklagten Raspe noch auf eine einfache Mitgliedschaft in der kriminellen Vereinigung (§ 129 Abs. 1 StGB); die Beteiligung als Rädelsführer/in, wie sie auch den Angeklagten Baader und Ensslin vorgeworfen wurde, stellte hierzu nach § 129 Abs. 4 StGB a.F. einen zwingenden besonders schweren Fall mit erhöhtem Strafrahmen dar (heute nach § 129 Abs. 5 Satz 2 StGB als Regelbeispiel ausgestaltet).

[10] Der Tatbestand des Mordes (§ 211 StGB) enthält sog. Mordmerkmale, darunter auch verschiedene subjektive Beweggründe, die die vorsätzliche Tötung eines Menschen nicht mehr nur als Totschlag, sondern als Mord qualifizieren. So ist etwa wegen Mordes strafbar, wer „aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen“ einen Menschen tötet. Die „sonstigen niedrigen Beweggründe“ stellen dabei eine Generalklausel für höchststrafwürdige Tötungsbeweggründe dar. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein solcher Tötungsbeweggrund niedrig, der nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht, und deshalb besonders verwerflich und verachtenswert ist (BGH, Urt. v. 25.7.1952 – Az.: 1 StR 272/52, BGHSt 3, S. 132, 133).

[11] Das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht umfasst auch solche Fälle, in denen zwar die Tat selbst, nicht aber die Täterschaft bekannt ist und der/die Täter/in handelt, um unerkannt zu entkommen. Gleiches gilt, wenn der/die Täter/in der Tat zwar bereits verdächtig ist, die genauen Tatumstände aber noch nicht in einem die Strafverfolgung sicherstellenden Umfang aufgedeckt sind. Nicht ausreichend ist, wenn der/die Täter/in bei bekannter Tat und Täterschaft lediglich handelt, um sich der Verhaftung zu entziehen (BGH, Urt. v. 17.5.2011 – Az.: 1 StR 50/11, BGHSt 56, S. 239, 244 f.).

[12] In der Anklage war die Bundesanwaltschaft noch von einer Mittäterschaft (§ 47 StGB a.F., heute: § 25 Abs. 2 StGB) mit dem damals Mitbeschuldigten Holger Meins ausgegangen (s. den abstrakten Anklagesatz unter C.1. bzw. E., S. 12 f. der Anklageschrift). Die Mittäterschaft ermöglicht die wechselseitige Zurechnung von Tatbeiträgen der Mittäter/innen, die auf der Grundlage eines gemeinsamen Tatplans ausgeführt werden.

[13] Wurde eine Straftat nur versucht, so kann die Strafe gemildert werden (§ 23 Abs. 2 StGB; zum Tatzeitpunkt: § 44 StGB a.F.). Die Milderung geschieht durch eine Herabsetzung des Strafrahmens; anstelle einer lebenslangen Freiheitsstrafe, die § 211 StGB vorsieht, kann so auf eine zeitige Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren erkannt werden (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB; zum Tatzeitpunkt: § 44 Abs. 2 StGB a.F.). Nach § 2 Abs. 2 StGB a.F. (heute: § 2 Abs. 1 StGB) ist für die Bestimmung der Strafe und ihrer Nebenfolgen das zum Zeitpunkt der Tat geltende Gesetz anzuwenden, sodass hier weiterhin die früheren Vorschriften anzuwenden gewesen wären. Eine Ausnahme gilt nur, soweit das zum Zeitpunkt der Verurteilung geltende Recht milder ist; in diesem Fall ist das mildere Gesetz anzuwenden (§ 2 Abs. 2 StGB a.F.; heute: § 2 Abs. 3 StGB). § 2 StGB ist Ausdruck des in Art. 103 Abs. 2 GG verankerten Rückwirkungsverbots.

[14] Nach § 52 StGB (zum Tatzeitpunkt: § 73 StGB a.F.) wird nur auf eine Strafe erkannt, wenn „dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals“ verletzt (Tateinheit). Was unter einer Handlung zu verstehen ist, ist im Einzelnen durchaus umstritten. Auch bei mehreren Einzelakten kann unter bestimmten Voraussetzungen eine einheitliche Handlung angenommen werden (v. Heintschel-Heinegg, in Joecks/Miebach [Hrsg.], Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 4. Aufl. 2020, § 52 Rn. 12 ff.). Die Strafe wird nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht; weist einer der verwirklichten Tatbestände eine Mindeststrafe auf, so darf die Strafe nicht milder sein.

[15] Hat eine Person mehrere Straftaten begangen, wird auf eine Gesamtstrafe erkannt (§ 53 Abs. 1 StGB; zum Tatzeitpunkt: § 74 StGB a.F.). Diese wird im Falle von zeitigen Freiheitsstrafen durch Erhöhung der höchsten Einzelstrafe gebildet, wobei die Summe aus allen Einzelstrafen nicht erreicht werden und die Gesamtfreiheitsstrafe nicht mehr als 15 Jahre betragen darf (§ 54 Abs. 1 und 2 StGB, bzw. § 75 Abs. 1 und 2 StGB a.F.). Mit dem zweiten Strafrechtsreformgesetz vom 4. Juli 1969 (BGBl. I, S. 717), das zum 1.1.1975 in Kraft trat, wurde in § 54 Abs. 1 S. 1 StGB zudem eine Regelung eingeführt, wonach als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt wird, wenn eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe ist.

[16] Nach § 74 Abs. 1 StGB (zum Tatzeitpunkt: 40 Abs. 1 StGB a.F.) können Gegenstände, die durch eine vorsätzliche Tat hervorgebracht, oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind, eingezogen werden. Die Einziehung war nur zulässig, wenn die Gegenstände zur Zeit der Entscheidung dem/der Täter/in oder Teilnehmer/in gehörten oder zustanden oder von ihnen eine Gefahr (für die Allgemeinheit oder die Begehung weiterer mit Strafe bedrohten Handlungen) ausging (§ 40 Abs. 2 StGB a.F.; heute: § 74 Abs. 3 Satz 1, 74b Abs. 1 Nr. 2 StGB.). Zum Zeitpunkt des Antrages war die Einziehung zwar schon in § 74 StGB geregelt; zum 1.1.1975 wurde aber in § 2 Abs. 5 StGB eine Regelung eingeführt, wonach das Rückwirkungsverbot ausdrücklich auch für die Einziehung gilt, sodass für die Einziehung weiterhin § 40 StGB a.F. anzuwenden gewesen wäre (zur vorher vom BGH vertretenen Auffassung bzgl. solcher Einziehungsmaßnahmen, die der Sicherung dienten, s. BGH, Urt. v. 25.7.1963 – Az.: 3 StR 4/63, BGHSt 19, S. 63, 69). Das System der Einziehung wurde zuletzt mit Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017 (BGBl. I, S. 872) umfassend reformiert.

[17] Die Inaugenscheinnahme gehört zu den zulässigen Beweismitteln im sog. Strengbeweisverfahren, welches zum Beweis von Tatsachen Anwendung findet, die die Straf- und Schuldfrage betreffen, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe. Sie erfolgt durch eine unmittelbare sinnliche Wahrnehmung. Anders als der Wortlaut vermuten lässt, ist diese nicht auf die Wahrnehmung durch Sehen beschränkt, sondern umfasst mit den Wahrnehmungen durch Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen auch alle anderen Sinneswahrnehmungen (BGH, Urt. v. 28.9.1962 – Az.: 4 StR 301/62, BGHSt 18, S. 51, 53).

[18] Urkunden wurden zum damaligen Zeitpunkt ausschließlich durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt (§ 249 Satz 1 StPO a.F.). Heute ist zu diesem Grundsatz eine weitere Möglichkeit des Urkundenbeweises hinzugetreten: Anstelle der Verlesung kann die Urkunde in einigen Fällen mittels Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführt werden (§ 249 Abs. 2 StPO), was eine Ausnahme zum sonst im Strengbeweis geltenden Mündlichkeitsgrundsatz darstellt (Kudlich, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, Einl. Rn. 185, 189).

[19] Die Einziehung von Gegenständen, von denen keine Gefahr (für die Allgemeinheit oder die Begehung weiterer rechtswidriger Taten) ausgeht, ist nur zulässig, wenn die Gegenstände zur Zeit der Entscheidung dem/der Täter/in oder Teilnehmer/in gehören oder zustehen (zum Zeitpunkt des Antrags: § 74 Abs. 2 Nr. 1 StGB a.F.; heute: § 74 Abs. 3 Satz 1 StGB).

[20] Die Kosten des Verfahrens hat im Falle einer Verurteilung grundsätzlich der/die Angeklagte zu tragen (§ 465 Abs. 1 StPO). Sind besondere Kosten entstanden durch Untersuchungen, die zugunsten des/der Angeklagten ausgegangen sind, hat das Gericht die Kosten ganz oder teilweise der Staatskasse aufzuerlegen, wenn eine Belastung des/der Angeklagten unbillig wäre (§ 465 Abs. 2 StPO).

[21] Auch nach Schließung der Beweisaufnahme bleibt ein Wiedereintritt möglich. Die Verfahrensbeteiligten haben bis zum Beginn der Urteilsverkündung das Recht, Beweisanträge zu stellen, das Gericht ist zur Entgegennahme verpflichtet (BGH, Urt. v. 3.8.1966 – Az.: 2 StR 242/66, BGHSt 21, S. 118, 123). Der Wiedereintritt wird – auch konkludent – angenommen, sobald Verfahrensvorgänge durchgeführt werden, die für die Sachentscheidung des Gerichts von Bedeutung sein können; dies sind insbesondere Prozesshandlungen, die in den Bereich der Beweisaufnahme fallen, aber auch wenn sonst der Wille des Gerichts erkennbar wird, es wolle mit den Prozessbeteiligten in der Beweisaufnahme fortführen. Dies kann bereits bei der Erörterung von Anträgen der Fall sein (BGH, Beschl. v. 5.2.2019 – Az.: 3 StR 469/18, NStZ 2019, S. 426 f. m.w.N.).

[22] Anlage 1 zum Protokoll vom 7.10.1976: Liste der einzuziehenden Asservate (Antrag der Bundesanwaltschaft).

[23] Gerhard Müller war ein ehemaliges Mitglied der RAF und einer der Hauptbelastungszeugen in diesem sowie in weiteren Verfahren gegen Mitglieder der RAF. Er wurde ab dem 124. Verhandlungstag als Zeuge vernommen. Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass die umfassende Aussage Müllers, mit der er die Angeklagten schwer belastete, u.a. durch das Versprechen diverser ungesetzlicher Vorteile unzulässig beeinflusst worden war (s. hierzu etwa die Beweisanträge in den Anlagen 4 bis 19 zum Protokoll zum 20.7.1976, S. 10643 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 128. Verhandlungstag; s. zu den Vorwürfen der Verteidigung auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 305 ff.).

[24] Der Zeuge Dierk Hoff, der in seiner Werkstatt einige der später von der RAF verwendeten Sprengkörperhüllen hergestellt hatte, wurde als einer der Hauptbelastungszeugen ab dem 68., sowie am 98. Verhandlungstag vernommen.

[25] Ingeborg Barz war ein frühes Mitglied der RAF. Zuvor war sie Teil der Hilfsorganisation Schwarze Hilfe und bildete u.a. gemeinsam mit Angela Luther, Inge Viett, Verena Becker und Waltraud Siepert eine feministische Gruppe namens Die schwarze Braut. Über Barz’ Position in der RAF ist nicht viel bekannt. 1971 soll sie beim Überfall auf eine Bank in Kaiserslautern mitgewirkt haben. Von der Verhaftungswelle 1972 war Barz nicht betroffen, gilt aber wie Angela Luther seitdem als verschwunden. Über ihren Verbleib existieren nur Spekulationen. Unter anderem stand der Verdacht im Raum, dass sie als Spitzel des Verfassungsschutzes enttarnt und von Baader erschossen worden sei (Kraushaar, Verena Becker und der Verfassungsschutz, 2010, S. 31 ff., 37 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S 299, 820). Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass die Behauptung, Baader habe Barz erschossen, von Gerhard Müller aufgestellt worden sei, um Baader wahrheitswidrig zu belasten (s. den Beweisantrag des Rechtsanwalts Dr. Heldmann am 142. Verhandlungstag, S. 11467 des Protokolls der Hauptverhandlung). Durch den Beweis der Unwahrheit dieser Tatsache sollte die Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen Müller insgesamt erschüttert werden (s. dazu etwa die Diskussion um den am 147. Verhandlungstag gestellten Beweisantrag, S. 11684 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Zu den Angaben, die Müller über in diesem Zusammenhang gemacht haben soll, s. auch die Ausführungen des Vernehmungsbeamten KHK Opitz am 152. Verhandlungstag (S. 11855 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[26] Landes- und Bundesbeamt/innen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet bezüglich aller Angelegenheiten, die ihnen im Rahmen ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgeworden sind. Aussagen vor Gericht hierüber sind nur nach und im Umfang der Genehmigung durch den jeweiligen Dienstherrn gestattet (heute geregelt in § 37 Abs. 1 und 3 BeamtStG für Landesbeamt/innen und in § 67 Abs. 1 und 3 BBG für Bundesbeamt/innen; für den Stand 1975 galten für Landesbeamt/innen noch Landesgesetze, die sich allerdings an § 39 des Beamtenrechtsrahmengesetzes vom 1.7.1957 orientieren mussten; für Bundesbeamt/innen galt § 61 BBG a.F.). § 54 Abs. 1 StPO stellt sicher, dass die Verschwiegenheitspflicht auch im Falle einer Vernehmung als Zeug/in in einem Strafprozess fortbesteht.

[27] Rechtsanwalt Dr. Heldmann hatte im Namen von Andreas Baader vor dem VG Hamburg Klage auf Erteilung einer zuvor versagten Aussagegenehmigung erhoben, sowie einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 123 VwGO) gestellt. Der Antrag befindet sich in Anlage 1 zum Protokoll vom 21. September 1976 (S. 11597 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 145. Verhandlungstag).

[28] Auch vor dem VG Köln hatte Rechtsanwalt Schily im Namen von Gudrun Ensslin auf Erteilung einer Aussagegenehmigung geklagt, sowie einen Antrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (§ 123 VwGO) gestellt. Zum Antrag auf einstweilige Anordnung s. Anlage 2 zum Protokoll vom 31. August 1976 (S. 11426 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 141. Verhandlungstag). Urteil und Beschluss des VG Köln vom 15 September 1976 sind in Anlage 1 a zum Protokoll vom 28. September 1976 enthalten (nach S. 11699 des Protokolls der Hauptverhandlung, 48. Verhandlungstag).

[29] Ist die Ablehnung eines begehrten Verwaltungsakts (hier: die Aussagegenehmigung) rechtswidrig, und wird der/die Kläger/in dadurch in seinen/ihren Rechten verletzt, sieht § 113 Abs. 4 VwGO a.F. (heute: Abs. 5) zwei mögliche Urteile vor: Das sog. Vornahmeurteil (§ 113 Abs. 4 Satz 1 StPO a.F.) verpflichtet die Verwaltungsbehörde unmittelbar zum Erlass des begehrten Verwaltungsaktes. Dies ist allerdings nur möglich, wenn die Sache spruchreif ist, d.h. die Sache durch das Gericht selbst entschieden werden kann und kein weiterer Entscheidungsspielraum der Behörde besteht. Andernfalls ergeht ein sog. Bescheidungsurteil (§ 113 Abs. 4 Satz 2 VwGO a.F.), das die Verwaltungsbehörde verpflichtet, den/die Kläger/in unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

[30] Die einstweilige Anordnung selbst ist ein Vollstreckungstitel (§ 168 Abs. 1 Nr. 2 VwGO) und damit aus sich heraus vollstreckbar. Sie hat daher den Vorteil, dass es für ihre Vollstreckbarkeit – anders als bei der Vollstreckung aus Urteilen (§ 168 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) – keiner weiteren Voraussetzungen bedarf, die Entscheidung also weder rechtskräftig sein noch für vorläufig vollstreckbar erklärt werden muss.

[31] Vor dem LG Kaiserslautern fand zu dieser Zeit die Verhandlung gegen die RAF-Mitglieder Manfred Grashof, Wolfgang Grundmann und Klaus Jünschke statt. Vorgeworfen wurden ihnen neben der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung verschiedene Straftaten im Zusammenhang mit einem Banküberfall in Kaiserslautern am 22. Dezember 1971, bei dem der Polizeiobermeister Herbert Schoner erschossen wurde, sowie im Zusammenhang mit der Verhaftung von Grundmann und Grashof am 2. März 1972, bei der der Kriminalhauptkommissar Eckhart durch einen Schuss durch Grashof schwer verletzt wurde und schließlich am 22. März 1972 seinen Verletzungen erlag; dem Angeklagten Jünschke ferner die Beteiligung an der Herbeiführung der Explosion in Frankfurt am Main am 11.5.1972. Jünschke und Grashof wurden am 2.6.1977 je zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe, Grundmann zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von vier Jahren verurteilt (Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 30 ff., 322; s. zu den Tatvorwürfen und späteren Verurteilungen auch DER SPIEGEL, Ausgabe 24/77 vom 6.6.1977, S. 104).

[32] Holger Meins war ursprünglich Mitangeschuldigter im Stammheim-Prozess, starb aber noch vor Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) am 9. November 1974 in Untersuchungshaft in Wittlich an den Folgen des dritten Hungerstreiks. Für seinen Tod machten die Angeklagten staatliche Akteure, u.a. den Vorsitzenden Dr. Prinzing sowie die Bundesanwaltschaft verantwortlich (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 117 ff.).

[33] Der Polizeibeamte Norbert Schmid wurde bei einem Festnahmeversuch des RAF-Mitglieds Margrit Schiller erschossen. Er war das erste Todesopfer der RAF. Der genaue Tatvorgang, insbesondere die Täterschaft, konnte bis heute nicht aufgeklärt werden. Schiller selbst belastete Gerhard Müller schwer, der mit Urteil vom 16.3.1976 vom LG Hamburg zwar für andere Taten, darunter Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und Beihilfe zum Mord, nicht aber für den Mord an Schmid verurteilt wurde (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 113 ff.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 29). Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass der Freispruch Müllers in Bezug auf den Mord an Norbert Schmid Teil einer unzulässigen Absprache mit den Strafverfolgungsbehörden gewesen sei (s. dazu etwa die Beweisanträge in den Anlagen 8 und 12 zum Protokoll vom 20.7.1976, S. 10649 f., 10659 des Protokolls der Hauptverhandlung, 128. Verhandlungstag).

[34] Ein Gerichtsbeschluss erlangt (formelle) Rechtskraft, wenn er (im selben Verfahren) unanfechtbar geworden ist. Dies ist der Fall, wenn die Frist zur Einlegung eines Rechtsmittels abgelaufen ist, oder wenn alle Rechtsmittel ausgeschöpft sind. Gegen einstweilige Anordnungen nach § 123 VwGO ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung das Rechtsmittel der Beschwerde statthaft (§§ 146, 147 VwGO).

[35] Fn. 30.

[36] Kommt eine Behörde der ihr im Wege der einstweiligen Anordnung auferlegten Verpflichtung nicht nach, so kann das Gericht gegen sie ein Zwangsgeld festsetzen (§ 172 VwGO).


[a] Maschinell eingefügt: mit

[b] Maschinell eingefügt: Gericht

[c] Maschinell eingefügt: in

[d] Maschinell eingefügt: Zu den

[e] Maschinell eingefügt: in

[f] Handschriftlich durchgestrichen: Sie

[g] Maschinell eingefügt: das

[h] Maschinell eingefügt: aus

[i] Maschinell eingefügt: würde

[j] Maschinell eingefügt: ich