115. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 25. Mai 1976 um 9.03 Uhr



[9901] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 25. Mai 1976 um 9.03 Uhr.

(115. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am ersten Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte sind anwesend:

Just. O. Sekr. Janetzko

Just. Ass. z. A. Scholze

Die Angeklagten sind nicht anwesend[1]

Als Verteidiger sind anwesend:

RAe Eggler, Künzel, Schnabel, Schwarz, Herzberg (als ministeriell bestellter Vertr. für RA Schlaegel) und Grigat.

Als Sachverständiger ist anwesend:

Dipl. Psych. Hecker

Ich bitte Platz zu nehmen. Wir können die Sitzung fortsetzen. Zunächst einige Hinweise: Ein Gespräch mit Herrn Prof. Azzola am Montag, den 10.5.1976, über einen von ihm damals für Frau Meinhof gestellten Antrag betreffend die Haftbedingungen hat ergeben, daß er alle für Frau Meinhof[2] gestellten Anträge als hinfällig betrachtet. Das wird vom Senat auch für den am 17.3.76 gestellten Antrag, Herrn Ruhland[3] als Zeugen zu laden, angenommen. Für den Antrag bitte ich zu vergleichen Tonbandniederschrift Blatt 7976. Wir haben hier in der Presse gelesen, einmal in der „Rhein-Neckarzeitung“ und einmal in der „Frankfurter Rundschau“, das ist auch in den Stuttgarter Zeitungen veröffentlicht worden, daß in Düsseldorf im Prozeß[4] die Rechtsanwältin Krabbe vier Briefe ... die Angeklagte Krabbe vier Briefe der vor knapp 2 Wochen durch Selbstmord aus dem Leben geschiedenen Ulrike Meinhof, so heißt es hier in der Presse, vom März und April dieses Jahres verlesen habe, aus denen hervorgehen solle, daß es die Spannungen, die nach dem Tode von Frau Meinhof erörtert worden sind, zwischen den Angeklagten nicht gegeben habe und außerdem - so heißt es jedenfalls in [9902] der „Rhein-Neckarzeitung“ - wonach auch Frau Meinhof Andreas Baader eindeutig zum Führer der Deutschen Guerillas erklärt und ihn als solchen anerkannt habe. Das Gericht legt Wert auf die Feststellung, daß solche Briefe nicht durch die Zensur gegangen sind. Diese Briefe müssen also aus den Zellen auf eine Weise wieder gelangt sein, die der Senat nicht kontrollieren konnte. Es ist dann auf folgendes hinzuweisen, wir haben inzwischen die Vernehmungsprotokolle betreffend die Vernehmung der Zeugin Sorenson bekommen, es handelt sich um insgesamt fünf Blatt, Vernehmung vom 3.7. und 17.11.75. Diese Protokolle liegen zur Einsicht auf der Geschäftsstelle bereit. Es handelt sich um Durchschriften, die aber durch die Bundesanwaltschaft überschickt worden sind, so daß sie dadurch schon ihrer Beglaubigung erfahren. Wir haben außerdem ja vorgesehen, die Vernehmungsbeamten, die Frau Sorenson gehört haben, zu hören und zwar laut neuem Terminsplan am 9.6.1976 um 9.00 Uhr.

Vors.:

Nun zum neuen Terminsplan: Sie haben ihn vor sich liegen und werden feststellen, daß wir im Augenblick lediglich terminieren konnten bis zum 10.6. Der Terminsplan, so wie er gegenwärtig läuft, und die Kenntnisse des Senats über die noch zu treffenden Beweiserhebungen sind für die Zukunft sehr schwierig vorauszusagen. Wir sehen noch vor,

die Zeugin Sturm zu hören,

und ich möchte jetzt gleich den Beteiligten auch in dem Zusammenhang die Termine für diesen Fall nennen. Ich würde Sie bitten, wenn Sie das mitnotieren könnten, denn es wird fraglich sein, ob wir, wenn jetzt in Zukunft bei der Terminierung doch etwas rascher und offenbar auch gelegentlich überraschender terminiert werden müßte, daß dann keine schriftlichen Hinweise mehr folgen können, sondern daß sie eben jeweils in der Sitzung morgens bekanntgegeben wird.

Es ist vorgesehen, die

Zeugin Sturm am Dienstag, den 15.6.

hier zu laden und gleichzeitig den vernehmenden Richter am Bundesgerichtshof

Buddenberg.

Für diese Vernehmung ist dieser Tag vorgesehen.

Es ist vorbehalten für die Sitzung, ohne daß ich im Augenblick ein Programm benennen könnte,

der 16.6. als Sitzungstag.

[9903] Weitere Sitzungstage in der Woche sind nicht vorgesehen; es beschränkt sich also in dieser Woche auf zwei Sitzungstage. Wir haben, wie ich schon verschiedentlich angekündigt habe, uns bemüht zu klären, wie es um die Vernehmung eines Schweizer Zeugen, der ja den Prozeßbeteiligten aus den Akten bekannt ist, bestellt ist. Hier ist dadurch, daß auch die Staatsanwaltschaft Stuttgart im Zuge eines anderen Ermittlungsverfahrens sich um diesen Zeugen bemüht, eine Doppelspurigkeit eingetreten, die dazu führte, daß unsere Bemühungen verkannt wurden; man hielt sie als einen Teil der Bemühungen der Staatsanwaltschaft Stuttgart. Es wird demnächst geklärt werden, ob dieser Zeuge bereit ist, in der Schweiz Angaben zu machen. Die Erklärung, daß er in die Bundesrepublik nicht reisen werde, liegt bereits vor. Als Termin, wenn er bereit wäre dort Aussagen, zu machen, habe ich inzwischen mit der Staatsanwaltschaft Stuttgart vereinbart, die Tage zwischen dem

21. und 23. Juni,

ohne daß ich jetzt sagen kann, welcher Tag es nun tatsächlich ist. Ich glaube nicht, daß wir mehr als einen Tag dazu benötigen würden, wenn eine kommissarische Vernehmung bei der Schweizer Bundesanwaltschaft[5] beantragt werden müßte. Wir wissen ja nicht mal, ob der Zeuge dort aussagebereit ist. Aber ich bitte also diesen Zeitraum vorzusehen. Ich muß nun gleichzeitig, um die Fristen wahren, noch in dieser Woche einen anderen Sitzungstag mit einplanen, jedenfalls einen Vormittag, den ich mir vorbehalten muß, daß hier eine Unterbrechungssitzung stattfindet. Denn wenn wir in der Schweiz diese Vernehmung durchführen müssen wir trotzdem, um die Frist vom 16. her zu wahren,[6] einen Anschluß finden. Ich möchte also dann vorsehen

Donnerstag, den 24.6.[a]

Auf jeden Fall aber wäre das nur eine Vormittagsverhandlung. Donnerstag 24. muß damit gerechnet werden. Sie werden nach der Pfingstpause so rasch wie möglich natürlich genau über diesen weiteren Ablauf unterrichtet werden. Donnerstag, 24., jedenfalls nur vormittags und möglicherweise Vernehmung im Rechtshilfewege des Schweizer Zeugen zwischen dem 21. und 23. Juni, wobei ich natürlich den Herren Verteidigern es dann freistellen muß, wer [9904] an einem solchen Vernehmungstermin teilnehmen möchte.

Weitere Terminierungen habe ich im Augenblick nicht, kann ich auch überhaupt nicht voraussagen. Ich möchte nachher, wenn uns die Zeit dazu bleibt, was ich annehmen kann, vielleicht eine Pause einlegen von einer halben Stunde oder dreiviertel Stunde mit der Bitte, daß sich die Herren Verteidiger mal schlüssig werden, ob sie nach dieser dreiviertel Stunde bereits Beweisanträge ankündigen oder gar stellen können, wenn irgendwelche gestellt werden sollen. Ich darf darauf hinweisen, Herr Rechtsanwalt Künzel, Sie haben schon im Zusammenhang mit den Zeugen zur Person[7] bestimmte Wünsche gegenüber dem Gericht geäußert. Den Wünschen ist im Terminsplan im Augenblick nicht Rechnung getragen. Wir wollen sehen, ob Sie in diese Richtung Anträge stellen. Die unterschiedliche Behandlung, das darf ich gleich sagen, daß zum einen Angeklagten Personenzeugen geladen sind oder nicht, ergibt sich ausschließlich daraus, ob schriftlich hinreichende und schlüssige und bis zum letzten Zeitpunkt reichende Unterlagen gegeben sind, die eingeführt werden können. Das trifft zum Beispiel bei Herrn Raspe zu; deswegen war es - dort nicht notwendig, zur Auffüllung der Lebensdaten weitere Zeugen zu benennen. Es trifft nicht zu bei Herrn Baader, deswegen ist dort die Mutter vorgesehen. Wenn aber in dieser Richtung, die Sie angedeutet haben, Wünsche sind, könnte das vielleicht gerade nach dieser Pause erklärt werden. Unterstellen wir, es würden weitere Anträge kommen nach dem Programm, das also jetzt am 24. Juni endet, dann möchte ich mal dafür einen weiteren Zeitraum einsetzen von vielleicht 2 Wochen, so daß ich bitte, sich ab Mitte Juli auf die Plädoyers einzurichten, Mitte Juli. Das ist jetzt der vorläufige Stand; das kann natürlich auch unter Umständen der 10. oder 11. Juli werden; das kann sich genauso verschieben, wenn entsprechende Anträge kämen und Beweiserhebungen notwendig würden. Ich hänge in der Beziehung, was die Terminierung anlangt, natürlich gegenwärtig in der Luft. Und schließlich möchte ich noch in Anwesenheit von Ihnen, Herr Hecker, mitteilen, daß Sie ja am Dienstag, 8.6. nochmals gehört werden. Ich bitte Sie an diesem Tag noch ein weiteres Gutachten zu vertreten, das bis jetzt noch nicht im Sitzungsprogramm aufgeführt ist. Es handelt sich um das Aktenzeichen V 1 802 und 882/73, [b] Gutachten vom 24.1.1973. Die Fundstelle findet sich in Ordner 14 Seite [c] 84 j und k. [9905] Dieses Gutachten bezieht sich auf die bereits im Terminsplan aufgeführten Asservate. Es sind also keine neuen Asservate. Es handelt sich um das Asservat G 2.1 Pos. 55.

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann und Herr Rechtsanwalt Schily lassen mitteilen, Sie würden sich wegen unaufschiebbarer Mandantengespräche verspäten. Heute früh haben wir lediglich Herrn Diplompsychologen Hecker wieder als Gutachter.

Der Sachverständige Dipl. Psych. Hecker wird gem. §§ 72, 57 u. 79 StPO[8] belehrt.

Der Sachverständige Dipl. Psych. Hecker ist mit der Aufnahme seiner Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.[9]

Der Sachverständige Dipl. Psych. Hecker macht folgende Angaben zur Person:

Sachverst. He[cker]:

Manfred Hecker, 34 Jahre,

verheiratet, Diplompsychologe,

wohnhaft in Wiesbaden.

Mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert; wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Wir werden Ihnen Asservate vorlegen, die hier dem Gericht übergeben worden sind. Wir bitten Sie dann, anhand der Asservate uns zu erklären, ob Ihnen diese Asservate zu Schriftvergleichen vorgelegen haben, wenn ja mit welchem Ergebnis.

Dem Sachverständigen werden die Asservate

MEINHOF-Material Pos. II/1-6

ENSSLIN-Material Pos. II/10/1

ENSSLIN-Material Pos. II/27/139-142

MEINHOF-Material Pos. I/3.5

zur Erstattung seines Gutachtens vorgelegt.

Ich darf darauf hinweisen, die Prozeßbeteiligten, es handelt sich um Asservate, die abgebildet sind im Ordner 123 Bl. 219 bis 231, sonst sehe ich keine Abbildungen, die Belegstellen sind im Ordner 123 Blatt 98 - die Gutachtenbelegstellen - und 124, Blatt 423/29 und 30. Diese Materialien sind verlesen worden am 18.5.

Sachverst. He[cker]:

Was das Asservat I/3.5 betrifft, so habe ich festgestellt, daß die Schriftzüge ... also man muß bis hier mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit urheberschaftsidentisch sind mit dem Schriftmaterial der Frau Meinhof.

[9906] Vors.:

Das war, um nochmals das Asservat anzugehen.

Sachverst. He[cker]:

I 3.5.

Vors.:

Dankeschön.

Sachverst. He[cker]:

Während die Schriftzüge mit Kugelschreiber auf der Rückseite „in Sonntag in Essen“ bis „hat“ mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit urheberschaftsidentisch sind mit Schriftmaterial des Herrn Rechtsanwalt Stroebele.

Bei den handschriftlichen Aufzeichnungen II 10/1 handelt es sich um Schriftzüge, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit urheberschaftsidentisch sind mit dem Schriftmaterial der Frau Ensslin.

Vors.:

Ich darf davon ausgehen, daß die Herren Prozeßbeteiligten, soweit Sie weitere Fragen an den Herrn Sachverständigen haben, jeweils dann im Anschluß an seine Ausführungen sich melden, danke.

Sachverst. He[cker]:

Bei den handschriftlichen Aufzeichnungen II 27/139 - 142, und zwar auf dem Blatt 141 dieser vier Blätter, Schreibmaschinenseite 3 „schw. sept. Papier auch“, handelt es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um Schriftzüge, die urheberschaftsidentisch sind mit dem Schriftmaterial der Frau Ensslin.

Vors.:

Ist in diesen Nummern, 139 bis 142 sonst nichts enthalten, das auswertbar wäre; Sie haben also jetzt Blatt 141 erwähnt oder die Position 141. Wenn Sie sich 140 und 142 mal ansehen wollten, ob da irgendwelche handschriftlichen Einträge sind, die verwertbar gewesen wären.

Sachverst. He[cker]:

Auf Blatt 140 sehe ich nur eine Versetzungsklammer ...

Vors.:

Gut, also nichts Verwertbares, und wie ist es bei 142?

Sachverst. He[cker]:

Bei 142 liegt das Wort „die“ vor und „FNLA“; diese Schriftzüge passen in die Variationsbreite der Schrift von Frau Ensslin. Sie sind aber für sich genommen von relativ geringem Umfang, so daß hier kein sicheres Urteil abgegeben wurde. -

Vors.:

Danke.

Sachverst. He[cker]:

Bei den handschriftlichen Aufzeichnungen II 1 Vorder- und Rückseite, II 2 Vorder- und Rückseite, II 3 Vorder- und Rückseite, II 4 Vorder- und Rückseite, II 5 Vorder- und Rückseite und II 6 Vorder- und Rückseite handelt es sich mit unterschiedlichen Graden der Wahrscheinlichkeit ebenfalls um Schriftzüge, die urheberschaftsidentisch sind mit dem Schriftmaterial der Frau Ensslin, wobei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit umfangreichere Schreibleistungen zugeordnet werden können, wie beispielsweise auf II 5 „Geizhals, Quäker“ usw., [9907] während einzelne Buchstaben aufgrund des Umfanges nicht mit diesem Wahrscheinlichkeitsgrad zugeordnet werden können.

Vors.:

Kann man davon ausgehen, daß lediglich diese Schreibleistung auf Seite 5 einen sicheren Schluß oder ein an Sicherheit grenzendes Wahrscheinlichkeitsurteil zuläßt?

Sachverst. He[cker]:

Nein, auch beispielsweise die Aufzeichnungen auf II 1 im unteren Bereich des Blattes „subjektiven“, „kl“, „gew.“, „Organisationsführung“, „objektive“ und so weiter, auch hier handelt es sich um ausreichende Schreibleistungen.

Vors.:

Ausreichend für dieses Wahrscheinlichkeitsurteil bis an die Grenze der Sicherheit.

Sachverst. He[cker]:

Ja.

Vors.:

Sonstige? Sie haben also jetzt 1 und 5 erwähnt, wie ist es bei 2, 3, 4, 6?

Sachverst. He[cker]:

Auch hier beispielsweise bei 2/4 „mit Durchschlag an“, „also auch Marcuses Erkenntnisse“, „Ps.: Was ist RAF zack zack weiß ich, kenn ich einfach nicht“, hierbei handelt es sich auch um Schreibleistungen von genügendem Umfang.

Vors.:

Es genügt, daß Sie sich einen kurzen Eindruck verschaffen, ob Sie noch bezüglich weiterer Blätter dieses Urteil erlauben können, wenn nicht, dann ist das ja, da das[d] zusammengehört, bereits ein entsprechendes Gutachten.

Sachverst. He[cker]:

Vielleicht noch auf II 2 zum Beispiel „die Syntigrafie“ oder „was A angeht“, nur auch diese Schriftzüge sind ausreichend, auch die Schriftzüge auf II 6 deshalb alle Gef. revolutionierte schon reichen für eine mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Zuordnung aus.

Vors.:

Dankeschön. Damit wären diese Asservate, die übergeben worden sind, von Ihnen jetzt erläutert und das Gutachten dazu vorgetragen.

Dem Sachverständigen werden die Asservate

H 4/74 III 5/2/65/11, 12 u. 13.3

- je 1 Blatt „Baader-Ausbruch-Plan“ -

zur Erstattung seines Gutachtens vorgelegt.

Vors.:

Herr Bundesanwalt Zeis.

OStA Zeis:

Das Baader-Material Pos. 7, soll dazu nicht auch der Sachverständige noch ein Gutachten erstatten? Jedenfalls im Terminsplan ist es aufgeführt.

Vors.:

Das ist das Gutachten Nr. 9 laut Auftrag ... 7/1.2

OStA Zeis:

Ich sehe es nur hier auf der Terminsladung das ...

[9908] Vors.:

Ja es kommt nachher das Gutachten ...

OStA Zeis:

Es kommt noch?

Vors.:

Es kommt noch. Es ist nur eine andere Reihenfolge bei uns.

OStA Zeis:

Ja, danke.

Sachverst. He[cker]:

Die mir hier vorliegenden Asservate habe ich untersucht. Es handelt sich hierbei um zwei ... jeweils zwei zusammengeklebte DIN A 4 Seiten mit Grundrissen und handschriftlichen Aufzeichnungen, sowie eine maschinenbeschriftete DIN A 4 Seite, ebenfalls mit einer Zeichnung und Erläuterungen. Diese handschriftlichen Aufzeichnungen sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit urheberschaftsidentisch mit Schriftmaterial von Herrn Baader. An Schriftmaterial von Herrn Baader standen zur Verfügung, insgesamt vier Bände Gefangenenakten, Gefangenenpersonalakten der Strafanstalt Kassel, in der sich zahlreiche Anträge befinden, die mit „A. Baader“ unterschrieben sind.

Vors.:

Dankeschön. Zu diesem Gutachten Fragen? Sehe ich nicht. Dieses Asservat ist verlesen worden am 20.5. in der Sitzung.

Dem Sachverständigen wird das Asservat

KT 51 - 4378/72

- 1 Broschüre, „Stadtguerilla und Klassenkampf“ -

zur Erstattung seines Gutachtens vorgelegt.

Verlesen ist dieses Asservat am 19.5. Abbildung 118, 6.53 1 bis 47.

Sachverst. He[cker]:

Mir hat auch dieses Asservat zur Untersuchung vorgelegen. Es handelt sich dabei um 42 fotokopierte Seiten, auf denen sich zum Teil originäre Eintragungen mit Bleistift befinden, handschriftliche Eintragungen mit Bleistift, sowie originäre Korrekturen mit Kugelschreiber. Diese originären Schreibleistungen oder Schriftzüge konnten keinem Schreiber zugeordnet werden. Hingegen handelt es sich bei den in der Kopie befindlichen, also mitkopierten handschriftlichen Eintragungen, die in dem hiesigen Gutachten näher differenziert sind, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um die Handschrift von Frau Meinhof, wobei offen bleiben muß, wie diese Handschrift dort hin gelangt ist, das heißt also, es müssen hier die für Kopien geltenden Einschränkungen gemacht werden, denn rein theoretisch könnte es sich beispielsweise um eine Fotomontage handeln, das ist an der Kopie nicht erkennbar. Es ist aber erkennbar, das Schriftbild; und dabei handelt es sich um das Schriftbild der Frau Meinhof.

[9909] Vors.:

Könnten Sie uns einen Eindruck verschaffen von dem Umfang der Schreibleistung, die Sie hier der Handschrift von Frau Meinhof mit diesem Wahrscheinlichkeitsurteil zuordnen.

Sachverst. He[cker]:

Es handelt sich um folgende Eintragungen:

Auf Seite 8 das Wort „Konzentration“.

Auf Seite 9 „öffentliche Gelder, Kapitalexport“, „um Transportkosten beim Warenkauf auf ausländischen Märkten zu sparen“.

Auf Seite 10 die Worte „erst Bayer-BASF-Farbwerke Höchst“.

Auf Seite 11a „die Stärke der Kapitalistenklasse“.

Auf Seite 12 „hat die Vorbereitung der Streiks“, „für die Arbeiterklasse ...“.

Auf Seite 13 „stattliche Unterstützung für die Kapitalistenklasse“.

Seite 14 „kamen“, „der Verrat von Rheinland-Pfalz“, „Streikt“.

Auf Seite 15 „war“.

Auf Seite 17 „mußten, bevor die Polizei den Streikbrechern den Weg freimachen konnte ...“ „Klassenjustiz“.

Auf Seite 19 „die Militarisierung der Klassenkämpfe ...“.

Auf Seite 20 „muß“.

Auf Seite 21 „die legale Linke und der Staatsfeind Nummer 1“.

Auf Seite 24 „Armut in der Bundesrepublik“.

Auf Seite 26 „Sie sind kriminell ... “ „die Aktualität der Eigentumsfrage ...“.

Auf Seite 28 „Sozialdemokratismus und Reformismus“, „vor allem“.

Auf Seite 30 „Aus: Der Untergang der Bild-Zeitung“.

Auf Seite 31 „Die Dialektik von Revolution und Konterrevolution ...“, „Kim Il Sung“, „der RAF“, „nur die Apathie“ „Bürokraten“.

Auf Seite 33 „nur die Eigentumsfrage in allen Bewegungen zur Hauptfrage machen!“ „Gegen die reaktionäre Militarisierung die revolutionäre Guerilla propagieren“.

Auf Seite 34 „gewesen“.

Auf Seite 36 „käuflich und“.

Und auf der Rückseite „Dem Volk dienen“, letzte Seite.

Vors.:

Vielen Dank.

Dazu irgendwelche Fragen? Sehe ich nicht.

Dem Sachverständigen wird das Asservat

E 29 Schlafzimmer Pos. 140

- 5 Blatt DIN A 5 Funknotizen -

zur Erstattung seines Gutachtens vorgelegt.

- Ablichtungen sind im Ordner 54 Bl. 102 abgelegt.

[9910] Das Asservat wird vom Gericht in Augenschein[10] genommen.

Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit am Augenschein teilzunehmen.

Sachverst. He[cker]:

Diese 5 Blätter habe ich ebenfalls geprüft. Bin zu dem Ergebnis gelangt, daß sich bei diesen Schriftzügen ... oder daß diese Schriftzüge mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit urheberschaftsidentisch sind mit dem Schriftmaterial der Frau Irmgard Möller.[11]

Vors.:

Dankeschön. Dazu Fragen? Sehe ich nicht.

Gem. § 249 StPO[12] wird das erste Blatt des Asservats E 29 Schlafzimmer Pos. 140 verlesen.

Richter Mai[er]:

Die übrigen Blätter enthalten ähnliche Aufzeichnungen.

Vors.:

Dankeschön.

Dem Sachverständigen wird das Asservat

B 47 Spur 152

- 1 Zettel mit Unterschrift „CREMER“ -

zur Erstattung seines Gutachtens vorgelegt.

- Ablichtungen sind im Ordner 87 Bl. 4 abgelegt. -

Das Asservat wird vom Gericht in Augenschein genommen.

Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit am Augenschein teilzunehmen.

Sachverst. He[cker]:

Dieses Asservat hat mir ebenfalls zur Untersuchung vorgelegen. Ich kam bei der Untersuchung zu dem Ergebnis, daß dieser Schriftzug „Cremer“ mit ... daß er wahrscheinlich urheberschaftsidentisch ist mit Schriftmaterial des Herrn Gerhard Müller.[13]

Vors.:

Woraus ergibt sich die Einschränkung?

Sachverst. He[cker]:

Die Einschränkung ergibt sich zum einen aus der Belegbarkeit der Merkmalsausprägungen. Es ist beispielsweise in dem Schriftmaterial das mir vorgelegen hat, mit dem Schriftmaterial des Herrn Müller kein „C“[e] enthalten. Es ist dieser Einleitungszug also nur als Tendenz bei anderen Buchstaben nachzuweisen.

Vors.:

In Ihrem schriftlichen Gutachten ist erwähnt, daß eben bei Berücksichtigung der gesamten Population davon ausgegangen werden müsse, so könne unter Umständen auch ein anderer schreiben. Wenn man es für sich allein betrachten würde und diese Gesamtpopulation außer Betracht ließe, käme man zu einem anderen [9911] Ergebnis. Wenn ich Ihnen das nochmals in Erinnerung rufen darf, können Sie dazu etwas nochmals ausführen?

Sachverst. He[cker]:

Ich glaube, hier liegt eine Verwechslung vor. In dem Gutachten das ich hier vorliegen habe, ist nur davon die Rede, daß man möglicherweise bei Schriftproben des Herrn Müller im Wortlaut dieses Namenszuges zu einem weitergehenden Urteil kommen könnte.

Vors.:

Gut, dankeschön. Dazu noch irgendwelche Fragen? Ich sehe nicht.

Gem. § 249 StPO wird das Asservat

B 47 Spur 152

- Zettel mit der Unterschrift „CREMER“ -

verlesen.

Dem Sachverständigen werden die Asservate

C 6.4.2 Pos. 108

- 1 Schlüssel mit Etui - Aufschrift „LAUBE“ -

C 6.4.2 Pos. 113

- 1 Schlüssel mit Aufschrift „SACK“ - und

C 6.4.2 Pos. 109

- 4 Schlüssel mit Etui - Aufschrift „HOF“ -

 zur Erstattung seines Gutachtens vorgelegt.

Vors.:

Diese Asservate sind erörtert worden im Zusammenhang mit der Beweisaufnahme über die Festnahme der Frau Meinhof.[14]

Sachverst. He[cker]:

Ein Schriftzug ist hierbei nicht enthalten der möglicherweise damals Gegenstand der Untersuchung war, das Wort „unten“. Bei den beiden Schriftzügen „Laube“ und „Sack“ hatte ich festgestellt, daß diese Schriftzüge mit dem höchsten Grade der Wahrscheinlichkeit urheberschaftsidentisch sind mit dem Schriftmaterial der Frau Meinhof.

Vors.:

Dankeschön. Dazu noch Fragen?

Richter Mai[er]:

Es ist noch ein weiterer Schlüssel dabei, der ist allerdings ...[f] da ist die Aufschrift in Blockbuchstaben geschrieben, da werden Sie vermutlich nicht sagen können wo ...

Sachverst. He[cker]:

Da ist keine Zuordnung zu treffen.

Vors.:

Sonst sehe ich keine Fragen. Dankeschön.

Dem Sachverständigen wird das Asservat

ENSLIN-Material Pos. III/3.1 - 3.12

- 6 Blatt „Konkret - Wirtschaft“ -

zur Erstattung seines Gutachtens vorgelegt.

Vors.:

Diese Blätter sind verlesen worden am 18.5.

[9912] Sachverst. He[cker]:

Diese Originale haben mir ebenfalls zur Untersuchung vorgelegen. Ich habe festgestellt, daß diese Schriftzüge ausnahmslos mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit urheberschaftsidentisch sind mit dem Schriftmaterial der Frau Ensslin.

Vors.:

Danke. Dazu noch Fragen? Sehe ich nicht.

Dem Sachverständigen wird das Asservat

BAADER-Material Pos. 7 1.2

- 1 Blatt „es gibt die Notwendigkeit ...“ -

zur Erstattung seines Gutachtens vorgelegt.

Vors.:

Verlesen am 18.5.

Sachverst. He[cker]:

Auch dieses Asservat hat mir vorgelegen. Ich habe festgestellt, daß die darauf enthaltenen Schriftzüge mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit urheberschaftsidentisch sind mit dem Schriftmaterial des Herrn Baader.

Vors.:

Dankeschön. Sonstige Fragen dazu? Sehe ich nicht.

Dann sind noch einige Fragen zu stellen zu Bankbelegen[g]. Herr Dr. Foth, bitteschön.

Ende von Band 563.

[9913] Richter Dr. Foth:

Herr Sachverständiger, wir hatten Ihnen bzw. Ihrem Herrn Kollegen Philipp noch drei Bankbelege zugeleitet; am 31. März 1976 hatte Ihr Kollege Philipp ein Gutachten erstattet über Durchschriften von Bankbelegen. Es war dann von der Verteidigung beantragt worden, die Urschriften beizuziehen. Wir haben getan, was möglich war, nämlich:

bei der Commerzbank zwei mikroverfilmte Originale, bei der Stadtsparkasse Frankfurt konnte leider nur eine weitere Durchschrift erhoben werden.

Herr Sachverständiger, können Sie zu diesen drei Belegen eine Stellungnahme abgeben?

Sachverst. He[cker]:

Ich kann also nur das Ergebnis der Untersuchung mitteilen, die Herr Philipp durchgeführt hat.

Er hat festgestellt, daß, was diesen Beleg Wolfgang Pflug, Esslingen und K. Schuster, Inheidner Straße - das ist der Beleg für Februarmiete -, daß es sich dabei wiederum um eine Durchschrift handelt, daß diese aber deckungsgleich ist mit der seinerzeit begutachteten Durchschrift. Das würde bedeuten, daß zumindest bei diesen beiden Durchschriften keine Verschiebung stattgefunden hat.

Was die beiden anderen Belege angeht, so geht nach Auffassung von Herrn Philipp aus dem Anschreiben nicht hervor, daß es sich dabei um Mikrokopien von Originalbelegen handelt; sie sind auch nicht maßstabsgetreu. Laut Herrn Philipp aber sind die darauf befindlichen Schriftzüge jeweils wiederum deckungsgleich mit den bereits begutachteten, so daß auch hier keine Verschiebung eingetreten wäre.

Richter Dr. Foth:

Also die Beiziehung war beantragt worden zum Beweis dafür, daß die Originale mit jenen am 31.3. eingeführten Durchschriften nicht übereinstimmten - das war also sozusagen das Thema.

Und was können nun Sie bzw. Herr Philipp zu diesem Satz nochmals sagen? Ergeben diese jetzt beigezogenen Belege, daß keine Identität besteht, oder was ist dazu zu sagen?

Sachverst. He[cker]:

Das Material, das jetzt vorliegt, ist deckungsgleich mit dem bereits begutachteten, wobei bei den ersten beiden wiederum nicht feststeht, ob es die Originale sind oder nur [9914] Durchschriften, während es bei dem dritten Beleg feststeht, daß es sich nur um eine weitere Durchschrift handelt.

Richter Dr. Foth:

Können Sie jetzt dieses Gutachten auch selbstverantwortlich erstatten, oder können Sie nur vortragen, was Herr Philipp ...?

Sachverst. He[cker]:

Ich habe die Deckungsgleichheit nicht geprüft; ich kann nur den Untersuchungsbefund des Herrn Philipp, wie er mir zur Kenntnis gelangt ist, wiedergeben.

Richter Dr. Foth:

Danke schön.

Vors.:

Sind dazu Fragen? Keine Fragen mehr - seh ich.

Das Gericht beabsichtigt, das von Herrn Philipp vorliegende schriftliche Gutachten als Behördengutachten gem. § 256 StPO[15] zu verlesen. Bestehen dagegen irgendwelche Bedenken?

Ich sehe nicht.

Herr RA Schnabel, bitte sehr.

RA Schn[abel]:

Es bestehen insofern Bedenken, als es ein Leichtes ist, selbigen Herrn hier persönlich vorzuladen und dann als Sachverständigen zu hören.

Vors. (nach geheimer Umfrage):

Der Senat hat beschlossen:

Das Gutachten soll gem. § 256 StPO verlesen werden.

§ 256 StPO gibt ja gerade die Möglichkeit, bei Behördengutachten und -erklärungen die persönliche Einvernahme durch die Verlesung zu ersetzen - das ist der Sinn dieser Vorschrift.

Bitte, Herr Dr. Foth.

RA Schn[abel]:

Herr Vorsitzender, ...

Vors.:

Herr RA Schnabel.

RA Schn[abel]:

... ich hätte in diesem Zusammenhang dann nur eine Frage: Weshalb wurde eigentlich bislang nicht ständig von dem § 256 StPO Gebrauch gemacht? - Man hätte dann also sehr viele Sachverständige hier sparen können.

Das ist nur eine Frage meinerseits.

Vors.:

Die Frage darf gestellt und wird auch beantwortet werden.

Es ist eine Ermessenssache.[16]

Hier handelt sich’s nicht um ein Gutachten, das originär erstellt wurde zu bestimmten Beweisstücken, sondern zur Überprüfung be- [9915] reits durch ein anderes mündliches Gutachten belegter Beweisstücke. Hier erscheint es nach dem Ermessen des Senats nicht notwendig, den Herrn, der lediglich die Deckungsgleichheit feststellen sollte, extra hierherzubitten.

Gem. § 256 StPO wird das Gutachten des Sachverständigen Philipp vom 12.5.1976 - Az.: KT 51 - 4576/76 - verlesen.

Das Gutachten (einschl. Vermerk, Sparkassenbeleg u. Fotokopie zweier Einzahlungsbelege) wird als Anl. 1 zu Protokoll genommen.

Ich darf noch auf folgendes hinweisen:

Herr RA König hat einen Satz der hier ursprünglich übergebenen Ordner frei; ich kann’s leider nicht an die Herrn, die häufig gebeten haben, solch einen Satz zu bekommen, sagen, weil sie nicht zur Sitzung erscheinen. Aber ich möcht’s doch so, daß es im Protokoll festgehalten ist, bekanntgeben:

Wenn also einer der Herrn Verteidiger interessiert ist, einen Satz unserer Unterlagen hier zu bekommen - Herr RA König ist bereit, die seinen abzugeben.

Wir machen jetzt eine halbstündige Pause wie angekündigt. Ich wäre sehr dankbar, wenn sich die Herrn Verteidiger in dieser Zeit das überlegen würden, ob Anträge jetzt schon gestellt werden können; die Bitte geht insbesondere an Sie, Herr RA Künzel, weil Sie ja das schon angedeutet haben. Nach eventueller Antragstellung werden wir dann nah Verlesungen vornehmen.

Der Herr Sachverständige kann wohl - wie bisher - unbeeidigt bleiben. Kein Antrag?

Anträge auf Vereidigung des Sachverständigen Hecker werden nicht gestellt.

Der Sachverständige Hecker bleibt gem. § 79 StPO unbeeidigt[17] und wird im allseitigen Einvernehmen um 9.56 Uhr entlassen.

[9916] Also Fortsetzung um 10.30 Uhr.

Pause von 9.56 bis 10.33 Uhr.

Fortsetzung der Hauptverhandlung um 10.33 Uhr.

RA Schwarz und OStA Holland sind nicht mehr anwesend[h].

Wollen Sie die Anträge jetzt gleich stellen, oder ist es Ihnen angenehmer, Herr RA Künzel, wenn wir [i] warten bis zum Schluß nach den Verlesungen? Mir ist es gleichgültig.

RA Kü[nzel]:

Herr Vorsitzender, ich benötige zur Formulierung der Anträge die Protokolle - ich kann’s also heute nicht machen.

Wenn Ihnen gedient ist, daß ich umreiße [j] die Anträge, ich denke, dann könnte ich’s machen.

Vors.:

Das wäre uns doch angenehm, denn das würde für die Terminierung jedenfalls schon einen[k] gewissen Boden dann bilden[l].

RA Kü[nzel]:

Also ich denke zunächst an einen Antrag zur Unfähigkeit eines serienmäßigen Schraubendrehers für die Setzung individueller Tatspuren.

Dann kündige ich einen Antrag an zur Frage der Belastung des Telefonnetzes des Springer-Hochhauses um die Zeit, zu welcher der Anschlag dort stattfand.

Zur Festnahme der Frau Ensslin werde ich einen Antrag stellen zur Frage der Geschwindigkeit, innerhalb welcher ein einigermaßen geübter Schütze aus einem schußbereiten Revolver einen Schuß abgeben kann.

Möglicherweise Anträge zur Überprüfung der möglicherweise übereinstimmenden Ursache der nicht hochgegangenen Bomben bei einzelnen Anschlägen.

Schließlich wäre daran zu denken, daß die Angeklagten aus dem Düsseldorfer Verfahren[18] gehört werden zur Frage ihrer Verantwortung für die hier angeklagten ... für die hier ja angeklagten Sprengstoffattentate,

und dann noch zwei Anträge zum persönlichen Werdegang der Frau Ensslin.

[9917-9918][19] [9919][20] [9920][21] [9921] Vors.:

Danke schön.

Ist einer der andern Herrn schon imstande, uns eine solche Übersicht, die doch immerhin für die zukünftige Vorausplanung eine gewisse Bedeutung erlangen kann, zu geben?

Ich sehe, es wird nichts Weiteres angekündigt.

Dann werden wir jetzt mit der Verlesung beginnen.

Gemäß § 249 StPO wird aus dem Original der Zeitschrift „Agit 883“ Nr. 63 auszugsweise verlesen:

S. 4 „STADTGUERILLA“ „Im folgenden ...“ bis „... ermordet wurde“.

„Was ist ein Stadtguerillero?“ bis „... der großen brasilianischen Städte.“

Die Überschriften:

„Persönliche Eigenschaften des Stadtguerillero?“

„Wie lebt und unterhält sich der Stadtguerillero?“

„Die Technik des Stadtguerillero.“

Richter Dr. Beu[cker]:

Diese Textproben und diese Überschriften legen den Schluß nahe, daß es sich um das „Minihandbuch des Stadtguerilla“[22] handelt, das bereits hier insgesamt veröffentlicht wurde in einer früheren Sitzung. Es wurde verlesen damals.

Bundesanwalt Dr. Wunder verlässt um 10.37 Uhr den Sitzungssaal.

Gemäß § 249 StPO wird aus dem Urteil des Schwurgerichts Berlin vom 21. Mai 1971

- Az.: (500) 2 P Ks 1/71 (50/70) -

(rechtskräftig seit dem 11.4.1972)[23]

- abgelegt in Ergänzungsband Urteile Bd. I S. 160 ff. -

auszugsweise verlesen, soweit es die Angeklagten Ingrid Schubert und Irene Goergens[24] betrifft:

S. 7 ab II „Die Tat“ bis S. 60 „3. Verhalten des Angeklagten Mahler[25] während des Tatgeschehens“.

[9922] S. 61 ab „4. Folgen der Tat“ bis S. 63 „b) Der Zeuge Wetter ...“

S. 64 ab „D. Suche nach den Angeklagten“ bis S. 72 „III. Angabe der Beweismittel und Beweiswürdigung“.

Während der Verlesung:

Rechtsanwalt Künzel verlässt um 11.18 Uhr den Sitzungssaal.

Bundesanwalt Dr. Wunder erscheint wieder um[m] 11.19 Uhr im Sitzungssaal.

OStA Zeis verlässt um 11.20 Uhr den Sitzungssaal.

Vors.:

Ich gehe davon aus, daß die Herrn Prozessbeteiligten keine weiteren Wünsche in Richtung Verlesung von weiteren Teilen des Urteils haben. Nein.

Ich darf noch nachträglich feststellen, daß sich Herr Rechtsanwalt Schwarz schon vor Rückkehr des Gerichts entschuldigt hat für den weiteren Teil der Vormittagsverhandlung. Die Herren Rechtsanwälte Schily und Dr. Heldmann sind entgegen der Ankündigung auch heute früh nicht erschienen.

Wir setzen morgen fort mit 3 Zeugen noch. Es handelt sich um die Zeugen Eickler, Noetzel und Mauritz. Maßgeblich sind die Ordner 112 und 95.

Damit ist die Sitzung für heute beendet. Fortsetzung morgen 9.00 Uhr.

Ende der Sitzung um 11.59 Uhr

Ende des Bandes 564


[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - Az.: 1 StE 1/74 - StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[2] Am Morgen des 9. Mai 1976 wurde Ulrike Meinhof tot in ihrer Zelle aufgefunden. Die Umstände ihres Todes - offiziell Suizid durch Erhängen - wurden, nicht zuletzt durch die Vertrauensverteidigung, erheblich angezweifelt. Meinhofs Tod wurde zu einem medial breit diskutierten Ereignis (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 394 ff.; Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 268 ff.; März, Linker Protest nach dem Deutschen Herbst, 2012, S. 159 ff.; Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa, 2014, S. 398 ff.). Der Angeklagte Raspe erklärte am 109. Verhandlungstag: „Wir glauben, daß Ulrike hingerichtet worden ist; wir wissen nicht, wie, aber wir wissen, von wem“ (S. 9609 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[3] Der Schlosser Karl-Heinz Ruhland wurde im Dezember 1970 verhaftet. Erst wenige Monate zuvor hatte Ruhland wohl aus Geldsorgen begonnen, die RAF mit dem Frisieren gestohlener Autos zu unterstützen. Am 29. September 1970 beteiligte sich Ruhland an den Berliner Banküberfällen. Bis zu seiner Verhaftung kundschaftete er u.a. gemeinsam mit Meinhof und Jansen mögliche Einbruchsziele aus und beging Diebstähle. In mehreren Verfahren gegen RAF-Mitglieder fungierte Ruhland, der sich von der RAF losgesagt hatte, als umstrittener Belastungszeuge. Mit Urteil vom 15.3.1972 wurde er vom OLG Düsseldorf wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt; nach nur zweieinhalb Jahren wurde er vom damaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann begnadigt. Im Laufe seiner verschiedenen Aussagen verstrickte er sich in zahlreiche Widersprüche (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 243 ff., 253 ff., 260, 271 ff.; Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 243 ff.). Rechtsanwalt Heinrich Hannover bezeichnete ihn auch als „berühmtesten oder richtiger ruhmlosesten aller bisherigen Kronzeugen“ (Hannover, Terroristenprozesse, 1991, S. 140).

[4] Vor dem OLG Düsseldorf fand die Hauptverhandlung gegen die am Stockholm-Attentat Beteiligten statt: Am 24. April 1975 überfiel das RAF-Kommando „Holger Meins“ die deutsche Botschaft in Stockholm und forderte die Freilassung von 26 inhaftierten RAF-Mitgliedern, darunter von Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof. Dem Kommando gehörten Karl-Heinz Dellwo, Siegfried Hausner, Hanna Krabbe, Bernhard Rössner, Lutz Taufer und Ulrich Wessel an. Zur Durchsetzung ihrer Forderungen nahmen sie zwölf Geiseln, von denen sie zwei erschossen. Anders als zwei Monate zuvor bei der Lorenz-Entführung durch die Bewegung 2. Juni lehnte die Bundesregierung nun Verhandlungen mit den Geiselnehmer/innen ab. Ihr Ende fand die Geiselnahme durch eine nicht geklärte Sprengstoffexplosion im Inneren des Botschaftsgebäudes, die sich noch vor dem Zugriff schwedischer Sicherheitskräfte ereignete. Bei der Explosion wurde Ulrich Wessel tödlich verletzt. Siegfried Hausner erlag seinen Verletzungen Anfang Mai 1975 in der JVA Stuttgart-Stammheim. Die übrigen vier Geiselnehmer/innen wurden verhaftet und am 20. Juli 1977 zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 312; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 361 ff.; Stuberger, Die Akte RAF, 2008, S. 263; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 69)

[5] Ausländische Zeug/innen können nicht dazu verpflichtet werden, vor einem deutschen Gericht zu erscheinen. Zwangsmittel stehen nicht zur Verfügung. Im Falle einer Weigerung des/der Zeug/in besteht aber die Möglichkeit der kommissarischen Vernehmung: § 223 StPO ermöglicht die Vernehmung durch eine/n ersuchte/n oder beauftragte/n Richter/in, wenn dem Erscheinen von Zeug/innen in der Hauptverhandlung nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen, oder ihnen das Erscheinen wegen großer Entfernungen nicht zugemutet werden kann. Das Ergebnis der Vernehmung kann gem. § 251 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StPO a.F. (heute: § 251 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StPO) durch Verlesen des richterlichen Vernehmungsprotokolls in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Während der/die „beauftragte“ Richter/in dem mit der Sache befassten Spruchkörper angehört und von diesem mit einer bestimmten Prozesshandlung betraut wird, gehört der/die „ersuchte“ Richter/in dem an sich zuständigen Spruchkörper gerade nicht an, sondern wird für diesen im Wege der Rechtshilfe tätig (vgl. §§ 361 Abs. 1, 362 Abs. 1 ZPO). Letzteres kann insbesondere erforderlich werden, wenn sich Zeug/innen im Ausland aufhalten und der Aufenthaltsstaat einer Vernehmung durch beauftragte Richter/innen nicht zustimmt; in diesem Fall kann die Vernehmung durch Richter/innen des Aufenthaltsstaates im Wege der Rechtshilfe erfolgen (Arnoldi, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl. 2016, § 223 Rn. 17 ff.).

[6] Nach § 229 Abs. 1 StPO a.F. durfte die Verhandlung grundsätzlich nur für maximal zehn Tage unterbrochen werden (heute: drei Wochen), im Falle von zehn vorher stattgefundenen Verhandlungstagen aber immerhin einmal auch für 30 Tage (§ 229 Abs. 2 Satz 1 StPO a.F.). Bei Überschreitung der Frist hätte mit der Hauptverhandlung von neuem begonnen werden müssen (§ 229 Abs. 3 StPO a.F.).

[7] Die Vernehmung der Angeklagten zur Person nach § 243 Abs. 2 StPO dient in erster Linie der Feststellung der Identität, sowie der Klärung weiterer Prozessvoraussetzungen. Verweigern Angeklagte entsprechende Angaben, kann das Gericht die fehlenden Informationen im Wege des Freibeweises, etwa durch Würdigung des Akteninhalts, feststellen. Darüber hinausgehende Informationen über die persönlichen Verhältnisse, wie das Vorleben, familiäre und wirtschaftliche Verhältnisse, beruflicher Werdegang etc., gehören zur Vernehmung zur Sache und unterliegen dem Strengbeweis. Fehlende Angaben können insbesondere durch die Vernehmung von Verwandten als Zeug/innen in den Prozess eingeführt werden (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 243 Rn. 10 ff.).

[8] § 72 StPO erklärt die Vorschriften für Zeug/innen auch für Sachverständige anwendbar, wenn nicht in den nachfolgenden Vorschriften Abweichendes geregelt ist. § 79 StPO enthält eine solche Abweichung im Vergleich zu § 57 StPO a.F. im Hinblick auf die Vereidigung: Während die Vereidigung für Zeug/innen im Regelfall vorgesehen war, findet die Vereidigung von Sachverständigen nach dem Ermessen des Gerichts statt; die Regel ist hier die Nichtvereidigung. Heute ist auch die Vereidigung für Zeug/innen nur noch in Ausnahmefällen vorgesehen (§ 59 StPO).

[9] Zu den Besonderheiten dieses Verfahrens gehörte es, dass sich die Prozessbeteiligten darauf einigten, ein gerichtliches Wortprotokoll als Arbeitsgrundlage anzufertigen (s. dazu S. 4 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Nach der damaligen Rechtsprechung bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung stets der Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 - Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 - Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 339). Heute wird die gerichtliche Tonbandaufnahme z.T. auch ohne Zustimmung der Beteiligten für zulässig erachtet (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 35; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 13).

[10] Die Inaugenscheinnahme gehört zu den zulässigen Beweismitteln im sog. Strengbeweisverfahren, welches zum Beweis von Tatsachen Anwendung findet, die die Straf- und Schuldfrage betreffen, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe. Sie erfolgt durch eine unmittelbare sinnliche Wahrnehmung. Anders als der Wortlaut vermuten lässt, ist diese nicht auf die Wahrnehmung durch Sehen beschränkt, sondern umfasst mit den Wahrnehmungen durch Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen auch alle anderen Sinneswahrnehmungen (BGH, Urt. v. 28.9.1962 - Az.: 4 StR 301/62, BGHSt 18, S. 51, 53).

[11] Irmgard Möller schloss sich im Sommer 1971 der RAF an. Zuvor lebte sie in der Münchner Kommune Wacker Einstein, hatte 1969 als Teil der „Rechtshilfe der APO“ zum „Knastcamp“ aufgerufen und war Mitglied der Tupamaros München. Am 8. Juli 1972 wurde sie verhaftet, am 30. Juni 1975 begann das Verfahren gegen sie und Gerhard Müller vor dem Landgericht Hamburg. Irmgard Möller wurde mit Urteil vom 16.3.1976 u.a. wegen Urkundenfälschung und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. 1976 erfolgte ihre Verlegung zu den Angeklagten Baader, Ensslin und Raspe nach Stammheim. Dort überlebte sie als Einzige die sogenannte Todesnacht von Stammheim (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 68; Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 111 ff.; Sturm, in Weinhauer/Requate/Haupt [Hrsg.], Terrorismus in der Bundesrepublik, 2006, S. 99, 100 f.).

[12] § 249 StPO enthält Vorschriften über den Urkundenbeweis. Diese werden durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt (heute ebenfalls möglich: Einführung im Selbstleseverfahren, § 249 Abs. 2 StPO). Ein Beweisstück kann Gegenstand sowohl des Augenscheins-, als auch des Urkundenbeweises sein. Beide Beweisarten zielen auf unterschiedliche Erkenntnisse. Während mittels Inaugenscheinnahme Merkmale wie das Vorhandensein an sich, die äußere Beschaffenheit o.ä. festgestellt werden können, dient der Urkundenbeweis der Kenntnisnahme des (durch Schriftzeichen verkörperten) Inhalts einer Erklärung (Meyer-Goßner, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 249 Rn. 7).

[13] Gerhard Müller war ein ehemaliges Mitglied der RAF und einer der Hauptbelastungszeugen in diesem sowie in weiteren Verfahren gegen Mitglieder der RAF. Er wurde ab dem 124. Verhandlungstag als Zeuge vernommen. Das LG Hamburg verurteilte ihn mit Urteil vom 16.3.1976 u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Beihilfe zum Mord, Beteiligung an Bombenanschlägen und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 113 ff.; Riederer, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 29).

[14] Ulrike Meinhof wurde zusammen mit Gerhard Müller am 15. Juni 1972 in einer Wohnung in Langenhagen (Region Hannover) festgenommen. Dieser Vorgang war am 59. Verhandlungstag Gegenstand der Beweisaufnahme.

[15] § 250 StPO enthält den Grundsatz der persönlichen Vernehmung. Nach § 250 Satz 2 StPO darf die Vernehmung einer Person über Tatsachen, die sie wahrgenommen hat, nicht durch die Verlesung einer früheren Vernehmung oder einer schriftlichen Erklärung ersetzt werden. Die §§ 251 ff. StPO enthalten enge Ausnahmen von diesem Grundsatz. § 256 StPO benennt bestimmte Arten verlesbarer Erklärungen, darunter die „ein Zeugnis oder Gutachten enthaltenden Erklärungen öffentlicher Behörden“ (§ 256 Abs. 1 Satz 1, 1. Var. StPO a.F.; heute: § 256 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StPO).

[16] Unterfällt ein Gutachten der Vorschrift des § 256 StPO (Fn. 15), kann - sofern die Aufklärungspflicht gemäß § 244 Abs. 2 StPO nicht die persönliche Anhörung der Beweisperson gebietet - der/die Vorsitzende die Verlesung nach pflichtgemäßem Ermessen anordnen (Diemer, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 256 Rn. 10). Wird die Entscheidung des/der Vorsitzenden beanstandet, entscheidet gem. § 238 Abs. 2 StPO das Gericht.

[17] Die Vereidigung von Sachverständigen erfolgt nach dem Ermessen des Gerichts (§ 79 Abs. 1 StPO), wenn besondere Umstände die Vereidigung zweckmäßig erscheinen lassen; der Regelfall ist die Nichtvereidigung (BGH, Urt. v. 22.2.1967 - Az.: 2 StR 2/67, BGHSt 21, S. 227, 228). Nach damaliger Rechtslage war die Vereidigung aber zwingend, wenn dies durch die Staatsanwaltschaft, Angeklagte oder die Verteidigung beantragt wurde (§ 79 Abs. 1 Satz 2 StPO a.F.).

[18] S. Fn. 4.

[19] Anlage 1 zum Protokoll vom 25.5.1976: Gutachterliche Äußerung des Dipl. Psych. Philipp.

[20] Einzahlungsbeleg: Miete Januar und Kaution Inheidener Straße.

[21] Empfangsbestätigung: Kassenbeleg (Original); Vermerk zum Sparkassenbeleg; Sparkassenbeleg.

[22] Der brasilianische Revolutionär Carlos Marighella (1911-1969) kämpfte ab 1967 mit der von ihm gegründeten Ação Libertadora Nacional (ALN) gegen die brasilianische Militärdiktatur. Die ALN verstand sich als Stadtguerilla. Ihr theoretisches Fundament wurde von Marighella selbst aufgestellt, das seinen Niederschlag vor allem in dem 1970 veröffentlichten „Minihandbuch des Stadtguerilleros“ fand. Diese Schrift wurde international unter anderem von der RAF rezipiert. In der Bundesrepublik fanden daneben auch die Tupamaros München und West-Berlin Anleihen für ihre Organisation und Aktionen bei Marighella (Rübenach, in Straßner [Hrsg.], Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 411 f., 424 ff., 433 f.).

[23] Ein gerichtliches Urteil erwächst in (formeller) Rechtskraft, wenn kein Rechtsmittel mehr dagegen erhoben werden kann, es also im selben Verfahren unanfechtbar geworden ist. Dies ist der Fall, wenn die Frist zur Einlegung eines Rechtsmittels abgelaufen ist, oder wenn alle Rechtsmittel ausgeschöpft sind und eine letztinstanzliche Entscheidung ergangen ist. Mit der Rechtskraft entfaltet die Entscheidung auch ihre dauerhafte Wirkung, die nur in Ausnahmefällen wieder durchbrochen werden kann (Nestler, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3.1, 1. Aufl. 2019, § 449 Rn. 27). Die sog. materielle Rechtskraft, setzt die formelle voraus und betrifft den Inhalt des Urteils. Sie ist in zweifacher Hinsicht beschränkt: Zum einen bezieht sie sich nur auf die Personen, gegen die das Verfahren gerichtet war (Kudlich, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Auflage 2014, Einleitung Rn. 510). Zum anderen entsteht sie auch nur im Hinblick auf den Tenor, also die Entscheidungsformel, die im Falle einer Verurteilung den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch (sowie bestimmte Nebenentscheidungen) umfasst. Die Entscheidungsgründe entfalten daher keine Bindungswirkung für die Zukunft - weder für andere Straf- noch für Zivilgerichte (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, Einl. Rn. 170). Gleichwohl ist es anderen (Straf-)Gerichten nicht verwehrt, die auch in den Entscheidungsgründen dokumentierten Ergebnisse der Beweiserhebung im Wege des Urkundenbeweises in die Hauptverhandlung einzuführen und sie zur Grundlage der eigenen Überzeugungsbildung (§ 261 StPO) zu machen; dies gilt sogar für nichtrechtskräftige (z.B. aufgehobene) Entscheidungen (BGH, Urt. v. 18.5.1954 - Az.: 5 StR 653/53, BGHSt 6, S. 141; Diemer, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019 § 249 Rn. 17).

[24] Das Verfahren gegen die RAF-Mitglieder Ingrid Schubert, Irene Goergens und Horst Mahler vor dem Landgericht Berlin war einer der ersten Prozesse gegen Mitglieder der RAF (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz 2. Juni, 2009, S. 71 ff., 328). Verhandelt wurden Taten im Zusammenhang mit der gewaltsamen Befreiung Baaders’ aus der Haft am 14. Mai 1970. Als Ort der Aktion diente die Bibliothek Zentralinstituts für Soziale Fragen in Berlin-Dahlem, wo Baader unter Bewachung von zwei Vollzugsbeamten ein Gespräch mit Ulrike Meinhof für ein Buchgespräch zugestanden worden war. Während der Aktion wurde ein Schuss auf einen unbeteiligten Bibliotheksmitarbeiter abgegeben, der schwer verletzt wurde. Die gewaltsame Befreiung Baaders aus der Haft wird auch als „Geburtsstunde der RAF“ bezeichnet (Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 177 ff.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, S. 21 f.). Schubert wurde zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von sechs Jahren, Goergens zu einer Jugendstrafe von vier Jahren verurteilt (Diewald-Kerkmann, in Weinhauer/Requate/Haupt [Hrsg.], Terrorismus in der Bundesrepublik, 2006, S. 222 Fn. 26).

[25] Rechtsanwalt Horst Mahler war bei der Aktion selbst zwar nicht anwesend; er hatte aber das die Befreiung ermöglichende Treffen bei der Gefängnisleitung durchgesetzt. Er wurde zunächst in erster Instanz freigesprochen. Nachdem er im Februar 1973 in einem anderen Verfahren vom Kammergericht Berlin wegen gemeinschaftlich begangenen Raubes in Tateinheit mit der Gründung einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von 12 Jahren verurteilt worden war, verurteilte das LG Berlin ihn nach Aufhebung des freisprechenden Urteils durch den BGH schließlich auch für seine Beteiligung an der Baader-Befreiung im November 1974 (unter Einbeziehung der früheren Strafe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von 14 Jahren (Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 21 ff.; Wieland, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 332, 343).


[a] Handschriftlich ergänzt: 24.6.

[b] Handschriftlich durchgestrichen: vom

[c] Handschriftlich durchgestrichen: 4

[d] Maschinell ersetzt: alles durch da das

[e] Handschriftlich eingefügt: „C“

[f] Maschinell eingefügt: der ist allerdings...

[g] Handschriftlich ersetzt: Bandbelegen durch Bankbelegen

[h] Maschinell ersetzt: anwesend durch mehr anwesend

[i] Handschriftlich durchgestrichen: zu

[j] Handschriftlich durchgestrichen: an

[k] Handschriftlich eingefügt: einen

[l] Handschriftlich ersetzt: finden durch bilden

[m] Maschinell ersetzt: um durch wieder um