103. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 27. April 1976, um 9.02 Uhr



[9127] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 27. April 1976, um 9.02 Uhr

(103. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte sind anwesend:
Just. Ass. Clemens
Just. Ass .z. A. Scholze

Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]

Als deren Verteidiger sind erschienen, Rechtsanwälte Eggler, Künzel, Schnabel, Schwarz, RA’in Zuber (als Vertreterin von RA König), Grigat.

Als Zeugen sind erschienen:
Klaus Horster,
Jürgen Kleidt,
Heinrich Meyer.

Vors.:

Wir haben zwar schon drei der Herren Zeugen, die für heute früh geladen sind,[a] anwesend, wollen aber zunächst einiges bekanntgeben.

Herr Rechtsanwalt Schlaegel hat sich für heute Vormittag entschuldigt. Die Verteidigung ist gewährleistet.

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz hat mitgeteilt, daß er Herrn Raspe nicht mehr verteidige. Es handelt sich um ein Schreiben vom 21.4.1976, gestern beim Gericht eingegangen.

Oberstaatsanwalt Holland verläßt um 9.03 Uhr den Sitzungssaal.

Vors.:

Frau Rechtsanwältin Gottschalk-Solger vertritt den[b] auf den 4.5. geladenen Zeugen Allers und teilt mit, daß Herr Allers beabsichtige, seine Aussage dadurch einzuschränken, daß er sich auf § 55 StPO[2] beruft.

Rechtsanwalt Linke erscheint um 9.03 Uhr im Sitzungssaal.

[9128] Es wird angefragt, ob er unter diesen Umständen erscheinen müsse. Das Gericht selbst würde, da die Aussage wohl nahezu ausnahmslos unter diese Vorschrift zu bringen wäre,[3] unter diesen Umständen auf die Vorladung des Zeugen verzichten. Er muß extra aus Hamburg anreisen und bloß um zu erfahren - nicht - deswegen möchte ich die Prozeßbeteiligten dazu befragen.

Die Zeugen Rudolf Schielke, Friedrich Witte und Günter Lechte erscheinen um 9.04 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Also, Herr Allers ist derjenige, der eine Wohnung angemietet hat, die dann besprochen werden soll, oder angemietet haben soll.

Herr Rechtsanwalt Pfaff (als Vertreter von Rechtsanwalt Dr. Heldmann) erscheint um 9.04 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Es kann vielleicht so gehandhabt werden, daß mir im Laufe des Vormittags von den Prozeßbeteiligten noch darüber Auskunft gegeben wird, ob der Zeuge Allers kommen soll oder nicht. Das Gericht, wie gesagt, würde von sich aus keinen Wert darauf legen.

Herr Rechtsanwalt Pfaff - für Herrn Rechtsanwalt Dr. Heldmann - ich darf Sie gleich darauf hinweisen, daß der Zeuge Allers durch seine Rechtsanwältin mitteilen ließ, daß er sich auf § 55[ StPO] berufen werde, für den Fall, daß er hier vernommen wird und das Gericht legt nun von sich aus unter diesen Umständen keinen Wert auf das Erscheinen des Zeugen.

Oberstaatsanwalt Holland erscheint um 9.05 Uhr wieder im Sitzungssaal.

Vors.:

Wir wollen aber den Prozeßbeteiligten Gelegenheit geben, sich dazu zu äußern. Ich würde also bitten vielleicht vor Abbruch der Sitzung heute früh dann das dem Gericht bekanntzugeben. Wenn, vielleicht können wir es so vereinfachen, keine gegenteiligen Mitteilungen im Laufe der Vormittagssitzung dem Gericht zugehen, gehe ich davon aus, daß alle Prozeßbeteiligten davon ausgehen, daß der Zeuge Allers nicht zu erscheinen brauche.

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, das ist für Sie noch, Herr Rechtsanwalt, hat mitgeteilt, daß er Herrn Raspe nicht mehr verteidige.

[9129] Wir haben dann noch im Zeugenprogramm einige kleine Verschiebungen. Zunächst ist am 29.4.76, vormittags, der Zeuge KOK Heinze geladen, er ist verhindert an diesem Tage.

Am morgigen Tag, 28.4.1976, ist noch zusätzlich geladen, der ... zu dem Zeugen Wernicke, der Zeuge Skrandies - Fundstelle Ord. 67, Bl. 6 - es ist der Polizeibeamte, der bei der dpa Hamburg ein Schreiben abgeholt haben soll. Ein Schreiben, das sich zum Anschlag auf das Springer-Hochhaus äußert.

Die Zeugen Hans Dietrich Franz Sellmann und die Zeugin Helga Kern erscheinen um 9.06 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Da der Zeuge Allers möglicherweise am 4.5. wegfällt, haben wir vorsorglich den Zeugen Gronau von 14.00 Uhr am 4.5. auf vormittags 9.00 Uhr vorgezogen.

Jetzt können wir uns den Zeugen widmen, die sich inzwischen vervollständigt haben. Ich darf die Namen verlesen und bitte jeweils, daß ich kurz die Meldung dann höre.

Wir haben also geladen Frau Kern, dann die Herren Horster, Herr Kleidt, Herr Meyer, Herr Sellmann, Herr Schielke, Herr Witte und Herr Lechte.

Die Zeugen Horster, Kleidt, Meyer, Sellmann, Schielke, Witte und Lechte, sowie die Zeugin Kern werden gemäß § 57 StPO[4] belehrt.

Die Zeugen Horster, Kleidt, Meyer, Sellmann, Schielke, Witte und Lechte, sowie die Zeugin Kern erklären sich mit der Aufnahme ihrer Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.[5]

Die Zeugen Horster, Kleidt, Meyer, Schielke, Witte und Lechte, sowie die Zeugin Kern werden um 9.08 Uhr in Abstand verwiesen.

Her Zeuge Sellmann macht folgende Angaben zur Person:

Hans Dietrich Franz Sellmann, 54 Jahre,
Korrektor, 2082 Uetersen, [Anschrift],

mit den Angeklagten rieht verwandt und nicht verschwägert.
[9130] Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Herr Sellmann, sind Sie in diesem Berufe auch schon 1972 tätig gewesen?

Zeuge Sellmann:

Jawohl.

Vors.:

Im Springer-Verlag?

Zeuge Sell[mann]:

Jawohl.

Vors.:

Haben Sie dort den Sprengstoffanschlag miterlebt?

Zeuge Sell[mann]:

Jawohl.

Vors.:

Bitte, wenn Sie uns schildern wollen im Zusammenhang, wo Sie ihn miterlebt haben, wie Sie den Hergang beobachtet haben und welche Folgen für Sie persönlich eingetreten sind.

Zeuge Sell[mann]:

Also vorweg, für mich sind keine persönlichen Folgen, gesundheitliche Folgen entstanden. Der Anschlag - die Uhrzeit ist ja bekannt - es war 15.40 Uhr. 15.00 Uhr ist Schichtwechsel, ja und dann saßen wir zufällig alle im Raum. Wir waren ... wir sind etwa 14, 13, 14 Mann sind wir in der Schicht, und im Druckereigewerbe[c] ist das so, ehe die Arbeit anläuft, die Arbeit für die Zeitung war noch nicht voll im Gange. Wir saßen also ruhig an unseren Plätzen - Zufall - ja, mit einem Mal[d] knallte das ganz furchtbar, wie das eben ist, wenn eine Bombe losgeht. Und dann sah man die Wände auf sich zukommen, ja, und ich hatte eine kleine Verletzung am Kopf von der Decke, was da so untergebaut worden ist. Ja, und alles, die Sogwirkung, erst die ganzen Scheiben kaputt und dann kam wieder alles zurück durch den Sog. Und dann war im Moment ja eine Schockwirkung, rührte sich nichts, und dann wollte alles flüchten, so schnell wie möglich. Und dann haben, das ist im 3. Stock, der Korrektorenraum, da hat ein Vordach oder ... ja, der Raum hat ein Vordach, dahin konnten wir die Verletzten rausschaffen, auf’s Dach legen - da lagen sie eben -. Dann ging, ich glaube, das war die Bombe im 5. Stock, die da hochging, und da kamen wieder die Mauerbrocken runter, und da entstand fast Panik. Ja, es nützte trotzdem nichts, wir mußten abwarten, die Verletzten haben wir dann wieder in einen anderen Raum geschafft im Hochhaus. Ja, und dann habe ich mich nachher, habe ich noch gesehen, [e] die Wirkung alles hoch - so hoch voll Schutt -. Und dann habe ich mich runterbegeben, da waren die anderen alle schon weg. Und ich bin dann durch den[f] Ausgang in der Druckerei gegangen.

Vors.:

Ja, das war wohl das wesentliche, was Sie beobachten konnten. Wieweit ... [9131] Wissen Sie ungefähr, wo sich die Detonation ereignet hat?

Zeuge Sell[mann]:

Ja, ich muß das bestätigen, daß sie da in der Toilette, wie es wohl bekannt ist, zwischen Korrektorenraum ist hier ... hier ist ein Gang von etwa 1.50 Meter - 1.40 Meter Breite ...

Vors.:

Uns kommt es nur darauf an, Herr Sellmann, wie weit sind Sie von dem Ort entfernt gesessen, von dem Sie annehmen, daß sich dort die Detonation ereignet hat? Wieviel Meter etwa, würden Sie ...?

Zeuge Sell[mann]:

8 bis 10 Meter.

Vors.:

8 bis 10 Meter, wir haben hier eine ...

Zeuge Sell[mann]:

Na, 10 ist vielleicht schon zu viel.

Dem Zeugen wird die Skizze aus Ord. 66, Bl. 200/3 mit der Bitte um Erklärung vorgelegt, ob in der Skizze sein Sitzplatz richtig eingetragen ist.

Zeuge Sell[mann]:

Jawohl, ist richtig.

Vors.:

Und dort, wo der Stern ist, das ist die angenommene Detonationsstelle. Stimmt das mit Ihrer Vorstellung überein?

Zeuge Sell[mann]:

Jawohl.

Vors.:

Dann wäre die Entfernung nach dem Maßstab dieser Skizze etwa 6 bis 7 Meter, könnte das auch stimmen?

Zeuge Sell[mann]:

Jawohl, ich kann das bestätigen.

Vors.:

Die Verletzungen, die Sie erlitten haben, die waren, wie Sie sagen, geringfügig ...

Zeuge Sell[mann]:

Geringfügig, also ...

Vors.:

... folgenlos verheilt.

Zeuge Sell[mann]:

Ja, das ist in Ordnung.

Vors.:

Sonstige Fragen an den Herrn Zeugen? Ich sehe beim Gericht nicht. Die Herren der Bundesanwaltschaft? Nein. Die Herren Verteidiger? Ebenfalls nicht.

Der Zeuge Sellmann bleibt bis zur später erfolgenden Vereidigung im Sitzungssaal.

Der Zeuge Schielke erscheint um 9.16 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge Schielke macht folgende Angaben zur Person:

Rudolf Schielke, 40 Jahre alt,
Korrektor, Glinde bei Hamburg,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert.
[9132] Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Herr Schielke, wir können wohl davon ausgehen, daß Sie den Beruf schon 1972, zur Zeit des Anschlags auf das Springer-Hochhaus ausgeübt haben?

Zeuge Schielke:

Ja.

Vors.:

Haben Sie den Anschlag miterlebt?

Zeuge Schi[elke]:

Ja.

Vors.:

Bitte schildern Sie uns, wo Sie ihn miterlebt haben, wie Sie den Hergang beobachtet haben und ob Sie verletzt worden sind.

Zeuge Schi[elke]:

Ja, also das war an dem Tag, ich habe immer Kaffee raufgeholt für die Kollegen und war also gerade wieder runtergekommen[g] von der Kaffee... habe mich hingesetzt, wir haben gerade alle gesessen, als es dann eben zu dieser Explosion kam. Ich saß ziemlich nahe an dem Ort, wo ich also vermutete, daß die Bombe explodiert ist, und mein Glück war, daß der Schrank umkippte. Ich saß also ... hier war der Gang und da kippte der Schrank hier mitgegen und das ist mein Glück gewesen, daß das größte bei mir oben drüber ging. An Verletzungen habe ich ... der Rücken tat mir weh, also irgendwas muß da am Rücken gewesen sein. Ich hatte vermutet, daß mir ein paar Splitter, aber es stellte sich im Krankenhaus raus, daß doch nichts gewesen ist. Dann war ich an den Händen verletzt, durch Glassplitter, am Kopf hatte ich auch eine Beule und das ist zum Glück alles gewesen.

Vors.:

Und folgenlos verheilt im Zweifelsfall.

Zeuge Schi[elke]:

Ja.

Vors.:

Haben Sie sonstige Beobachtungen machen können, die etwa auf die Wucht der Detonation und dergleichen Rückschlüsse zuließ oder sind Sie eben im Anschluß daran auch möglichst rasch aus dem Raum heraus?

Zeuge Schi[elke]:

Ja, nachdem es dann geknallt hatte, hatte der Kollege Lechte, hat dann danach gleich gesagt: „Alles raus“ und dadurch sind wir durch die Fenster auf das Vordach gelaufen.

Vors.:

Ist das Kaffeeholen eine regelmäßige Einrichtung? Ich bitte es also nicht falsch zu verstehen ...

Zeuge Schi[elke]:

Nein, das war also nur ...

Vors.:

... es geht nur um die Präzisierung der Zeit.

Zeuge Schi[elke]:

Nein, nein, das war ... ein Kollege mußte sich oder hat sich immer dafür bereitgefunden, um 15.00 Uhr zum Dienstbeginn Kaffee runterzuholen.

Vors.:

Ja, und Sie meinen schon, 15.00 Uhr Kaffee holen, und gleich danach ...?

[9133] Zeuge Schi[elke]:

Nein, also das war ja etwas später, nicht; das dauerte immer, bis alle Kollegen ihre Tassen zusammenhaben, bis das Geld zusammen ist.

Vors.:

Welche Uhrzeit würden Sie annehmen für die Detonation?

Zeuge Schi[elke]:

Also, wenn ich das so sagen sollte, ich würde sagen, daß ich 15.15 Uhr wieder zurück war, ja, und dann haben wir alle gesessen, also 15.20 Uhr - 15.21 Uhr also mußte das gewesen sein. So jetzt aus dem Gedächtnis heraus.

Vors.:

Haben Sie bei diesem Gang zum Kaffeeholen irgendetwas bemerkt was auffällig gewesen wäre?

Zeuge Schi[elke]:

Nein, nein.

Vors.:

Irgendein Gegenstand, der ursprünglich nicht in den Räumen stand?

Zeuge Schi[elke]:

Nein, ich hab sonst an und für sich immer nochmal zur Klimaanlage geguckt, zum Klimaschrank, weil da eine Regelmöglichkeit für unseren Raum war, aber an dem Tag, aus irgendwelchen Gründen, habe ich nicht dahingeguckt. Ich bin also gleich wieder zurückgegangen mit dem vollen Tablett und habe zum Glück, also nichts bemerkt.

Vors.:

Weitere Fragen an den Herrn Zeugen?

Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. Wu[nder]:

Eine kurze Frage, Herr Zeuge. Gelegentlich Ihrer polizeilichen Vernehmung vom 31. Mai 72 haben Sie noch angegeben, daß Ihnen in der Setzerei damals 2 Männer aufgefallen waren. Sie wollten denen auch später nochmal begegnet sein in der Waschanlage. Sind Sie heute noch im Stande, dazu noch ergänzendes anzugeben?

Zeuge Schi[elke]:

Habe ich das gesagt?

BA Dr. Wu[nder]:

Ja. Darf ich Ihnen vorhalten aus Bl. 430 des So. ord.

- Vernehmung vom 31.5.72 - So. Ord. 66.

„Auf dem Wege dorthin“, also zu Ihrem Arbeitsplatz, „sind mir[h] in der Setzerei zwei mir unbekannte Männer aufgefallen. Ich sah noch, wie sie sich mit der Zusammenstellung von Überschriften beschäftigten“.

- Und später war es dann: „Nachdem ich dann den Kaffee geholt hatte - auf dem Weg zum 5. Stock und zurück, habe ich auch nichts besonderes bemerkt -, war ich dann noch gegen 15.30 Uhr auf der Toilette. Hier begegneten mir die beiden in der Setzerei zum ersten Mal gesehenen Herren wieder“.

Nun meine Frage, können Sie heute dazu noch näheres angeben, oder ist Ihnen das nicht möglich?

Zeuge Schi[elke]:

Nein, das ...

BA Dr. Wu[nder]:

Danke.

Vors.:

Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Ich sehe nicht.

[9134] Wenn Sie sich diese Skizze, die vor Ihnen liegt, ansehen wollen.

Der Zeuge besichtigt die aufliegende Skizze aus Ord. 66, Bl. 200/3.

Vors.:

Schauen Sie zunächst, ob Ihr Sitzplatz richtig eingetragen ist.

Zeuge Schi[elke]:

Ja, mein Name ist zwar nicht hier angegeben, aber - sehe ich gerade - aber ... da ist er.

Vors.:

Also Sie sind angegeben zwischen Herrn Markmann und Herrn Schulz.

Zeuge Schi[elke]:

Aus meiner Erinnerung heraus; ich meine, ich habe neben dem Kollegen Lechte gesessen.

Vors.:

Auf diesem freien Sessel, der ...?

Zeuge Schi[elke]:

Ja, auf dem Sessel, der frei angegeben ist.

Und das war nämlich ... da ist der Schrank, der da neben dem Gang eingezeichnet ist, der ist ja auf die Tischkante gefallen und das war ...

Vors.:

Also der Schrank fiel an den Schreibtisch oder einer der Schränke, an dem Sie gesessen haben?

Zeuge Schi[elke]:

Ja, der eine Schrank, ja.

Vors.:

Ja, dann müßten Sie ja schon an der Außenseite gesessen haben. Wenn Sie mal das Bild betrachten wollten auf der Skizze, besagt Ihnen dieses Bild etwas?

Zeuge Schi[elke]:

Ja. Das ... wo der Schrank mit der offenen, die etwas geöffnete Schublade, das ist der ...

Vors.:

Wieweit wären Sie entfernt gewesen, jetzt ohne Skizze zu der Detonations...?

Zeuge Schi[elke]:

2 ½ Meter bis 3.00 Meter waren es.

Vors.:

Sie wissen, daß die Detonationsstelle, die hier ja durch ein Stern gekennzeichnet ist, bei dieser Klimaanlage wohl gewesen sein dürfte?

Zeuge Schi[elke]:

Ja, das wurde ...

Vors.:

Und von dort aus haben Sie es berechnet?

Zeuge Schi[elke]:

Ja.

Vors.:

Danke.

Sonstige Fragen? Sehe ich nicht.

Der Zeuge Schielke bleibt bis zur später erfolgenden Vereidigung im Sitzungssaal.

Der Zeuge Lechte erscheint um 9.24 Uhr im Sitzungssaal.

[9135] Der Zeuge Lechte macht folgende Angaben zur Person:

Günter Lechte, 40 Jahre alt,
Korrektor, Hamburg,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert.
Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Herr Lechte, sind Sie 1972 schon im Springer-Verlag beschäftigt gewesen?

Zeuge Lechte:

Ja.

Vors.:

Haben Sie den Anschlag miterlebt?

Zeuge Le[chte]:

Ja.

Vors.:

Bitte schildern Sie uns wo, wie Sie ihn erlebt und welche Folgen eingetreten sind.

Zeuge Le[chte]:

Ich saß an meinem Arbeitsplatz in der Korrektur; plötzlich hat es geknallt, und das ist im Grunde genommen alles, was ich weiß. Einiges ist runtergekommen und Möbel sind umgestürzt, die Decke ist runtergekommen, die Bude war voll Staub und Schmutz. Ja, und dann haben wir einen großen Sprung zum Fenster rausgemacht und das ist im Grunde genommen alles, was ich Ihnen sagen kann.

Vors.:

Die Uhrzeit, können Sie die ungefähr beziffern?

Zeuge Le[chte]:

Zwischen 15.30 Uhr und 15.45 Uhr.

Vors.:

Und sind für Sie irgendwelche Folgen eingetreten, wurden Sie verletzt?

Zeuge Le[chte]:

Für mich nicht, nein.

Vors.:

Überhaupt keine Verletzungen davongetragen?

Zeuge Le[chte]:

Nein.

Vors.:

Gibt es da eine Erklärung dafür, ich meine, sind da irgendwelche besonderen Umstände, die Sie selbst beobachtet haben?

Zeuge Le[chte]:

Absolut nicht, Glück gehabt. Rechts und links neben mir, die Leute waren verletzt.

Vors.:

Wieweit saßen Sie von der Detonationsstelle, wenn wir die annehmen bei der Klimaanlage, entfernt?

Zeuge Le[chte]:

Ca. 3 Meter.

Vors.:

Wenn Sie sich die Skizze, die vor Ihnen liegt mal besehen wollen. Hier ist Ihr Name eingetragen.

Der Zeuge Lechte besichtigt die aufliegende Skizze aus Ord. 66, Bl. 200/3.

[9136] Vors.:

Stimmt das?

Zeuge Le[chte]:

Ja, das stimmt.

Vors.:

Dort sind Sie gesessen. Also nach dieser Skizze wäre die Entfernung ungefähr bei 4 Metern gelegen, könnte das auch gewesen sein?

Zeuge Le[chte]:

Könnte etwa hinkommen, ja.

Vors.:

Irgendwelche Beobachtungen, die auffällig gewesen wären vor oder nachher?

Zeuge Le[chte]:

Absolut nichts.

Vors.:

Gar nichts?

Zeuge Le[chte]:

Nein.

Vors.:

Sonstige Fragen an den Herrn Zeugen? Ich sehe nicht beim Gericht. Bundesanwaltschaft?

Bitte, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. Wu[nder]:

Herr Zeuge, eine Frage habe ich. Gelegentlich Ihrer polizeilichen Vernehmung vom 31. Mai 72, Bl. 422, So. ord. 66., hatten Sie angegeben, daß Ihnen beim Eingang in das Springer-Hochhaus ein Paket aufgefallen war, das dort hingetragen wurde. Können Sie das vielleicht nochmal kurz schildern?

Zeuge Le[chte]:

Das war etwas anders. Da wurde so viel von Paketen geredet, in die die Bombe eingepackt gewesen sein soll - oder die Bomben - daß es im Grunde genommen [i] eine Suggestivfrage des Polizisten war, des vernehmenden Beamten: „Haben Sie etwas gesehen“. Es kann möglich sein, ich habe ihm damals auch schon gesagt, mit Bewußtsein oder mit klarem Bewußtsein kann ich nichts sagen. Jetzt wo so viel davon geredet ist, und immerhin war noch eine gewisse Schockeinwirkung vorhanden, kann das möglich sein, aber ich habe von Anfang an gesagt, daß ich nicht eindeutig sagen kann, daß ich das gesehen habe.

BA Dr. Wu[nder]:

Sie haben damals noch gesagt, wenn ich Ihnen das vorhalten darf, daß es ein Mann gewesen sein dürfte, der das Paket getragen hat. Können Sie das heute noch bestätigen?

Zeuge Le[chte]:

Bestätigen möchte ich es nicht. Da war inzwischen so viel passiert mit Fotos ...

BA Dr. Wu[nder]:

Danke.

Vors.:

Sonstige Fragen? Sehe ich nicht an den Herrn Zeugen.

Der Zeuge Lechte bleibt bis zur später erfolgenden Vereidigung im Sitzungssaal.

[9137] Der Zeuge Witte erscheint um 9.28 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge Witte macht folgende Angaben zur Person:

Friedrich Witte, 62 Jahre alt,
Korrektor, Henstett-Ulzburg,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert.
Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Herr Witte, waren Sie 1972 in diesem Beruf auch schon tätig?

Zeuge Witte:

Jawohl, war ich.

Vors.:

Im Springer-Verlag?

Zeuge Wi[tte]:

Ja.

Vors.:

Haben Sie eine besondere Funktion?

Zeuge Wi[tte]:

Ja, ich bin Schichtführer, stellvertretender Abteilungsleiter damals gewesen.

Vors.:

Es ist uns hier auch mal der Name von Herrn Brunkhorst in dem Zusammenhang genannt worden. Sind Sie auf derselben Ebene tätig?

Zeuge Wi[tte]:

Naja, also eine halbe Ebene höher, wollen wir mal sagen. Ich war also Vertreter des Abteilungsleiter gewesen, und bin heute Abteilungsleiter. Der Herr Könnecke, der auch geladen war, der ist inzwischen verstorben, und deshalb bin ich auch in dem Raum selber gar nicht gewesen.

Vors.:

Sie hatten offenbar einen für den Abteilungsleiter bestimmten Raum?

Zeuge Wi[tte]:

Ja.

Vors.:

Zum Zeitpunkt des Anschlages?

Zeuge Wi[tte]:

Jawohl.

Vors.:

Daraus können wir schließen, daß Sie den Anschlag miterlebt haben. Wenn Sie uns bitte schildern wollen, wo Sie ihn miterlebt haben, wie Sie ihn erlebt haben und welche Folgen für Sie eingetreten sind?

Zeuge Wi[tte]:

Ich bin morgens um 8.00 Uhr angefangen, und sollte dann 15.30 Uhr - 16.00 Uhr Feierabend machen und da ist Herr Könnecke gekommen, der mich ablöste. Im Zeitungsbetrieb wird früh und spät und nachts gearbeitet, wissen Sie, wir arbeiten früh und spät miteinander. Und wir haben ... anfangs haben wir draußen gestanden, im großen Raum, und haben mit den Kollegen da gesprochen.

Vors.:

Das wäre also der Korrekturraum gewesen?

Zeuge Wi[tte]:

Der Korrekturenraum. Und, naja, ich wollte nach Hause, und dann [9138] bin ich mit Herrn Könnecke nebenan in den Raum gegangen, in dem sind zwei Tische nebeneinander. Herr Könnecke saß am Fenster, ich daneben, und naja, dann haben wir vielleicht 2-3 Minuten gesessen, und da sagte er, gib mir das und das mal. Ich habe mich runtergebeugt zum Schreibtisch und in dem Moment hörte ich einen Knall. Dann war Staub und Wasser spritzte und alles Mögliche. Es war also in dem kleinen Nebenraum.

Die Scheibe, die vor uns war, die etwa Schreibtischbreite vor mir war, die ist nicht zu uns reingekommen, sondern durch den Sog nach draußen gefallen, in den großen Raum rein. Und da - der Kollege war ja schon wahrscheinlich hier - der hatte das ganze Glas ins Gesicht bekommen. Wir selber haben Gott sei Dank nichts abbekommen, außer so ein paar kleine Kratzer; woher ich die habe, das weiß ich nicht. Herr Könnecke war damals schon krank; er hatte einen Herzinfarkt gehabt - vorher - und er steht unter Marcumar, das heißt, er hat keinen Gerinnungsfaktor mehr im Blut, und deshalb war ich erstmal besorgt darum, ob er was abgekriegt hat. Er hat aber nichts abbekommen. Bei uns selber ist, von schräg herüber - etwa in dieser Höhe - hier hinter uns ist die Wand, in der Höhe waren zwei Löcher - Tennisballgröße ungefähr -. Die Tür, die zwischen dem kleinen und dem großen Raum war, die war ungefähr so weit eingerissen, das ist alles Eisen gewesen. Die Außentür zum Flur, die klebte an meinem Schreibtisch, der untere Teil. Der obere Teil ist über den Schreibtisch rübergesaust, und das Schloß mit dem Türgriff, die war dann also in die Scheibe draußen oder vielmehr nach draußen auf den Balkon rausgefallen. Ja, und das war das, was ich erlebt habe bis dahin.

Vors.:

Wieviel Personen fasste Ihre Schicht an diesem Tag, wissen Sie das heute noch?

Zeuge Wi[tte]:

Ja, also da unten ... müssen es insgesamt 13 Leute gewesen sein.

Vors.:

Mit Ihnen beiden?

Zeuge Wi[tte]:

Mit uns zusammen, ja.

Vors.:

Es sind früher mehr Namen, Personen gezählt worden.

Zeuge Wi[tte]:

Ich weiß es nicht, es können auch 14 gewesen sein.

Vors.:

Sie sagten bei Ihrer Vernehmung oder sollen gesagt haben bei Ihrer Vernehmung bei der Polizei, am 29.5.1972, das ergibt sich aus Bl. 435 des Ord. 66.: „Der Korrekturraum war zu der Zeit mit insgesamt 15 Personen besetzt.“

Zeuge Wi[tte]:

Es könnte auch sein, da waren wir beiden noch damit drin.

[9139] Vors.:

Daß es also 13 Personen im Korrekturraum waren, und Sie und Herr Könnecke noch dazukamen.

Zeuge Wi[tte]:

Ja.

Vors.:

Das wäre denkbar. Von Herrn Könnecke haben Sie schon berichtet, daß ihm nichts geschehen ist. Haben Sie selbst, nun, da Sie ja immerhin der Abteilungsleiter waren quasi, irgendwelche Zusatzbeobachtungen gemacht bei der Versorgung Ihrer Kollegen oder ...?

Zeuge Wi[tte]:

Nein, also wir sind dann ... die Kollegen, die wenig oder gar nichts abbekommen haben, die sind dann also rausgesaust, durch’s Fenster und zum anderen Fenster wieder rein - im vorderen - im Hochhaus vorne wieder rein. Und dann haben wir ... dann haben wir uns also Handtücher besorgt, weil ja einige bluteten, haben ihnen den Kopf ... naja, wie man eben solche Leute versorgen soll. Herr Könnecke selber ist nach unten gelaufen, und hat dann dem Betriebsarzt Bescheid gesagt, der aber dann nichts machen konnte, sondern inzwischen war dann die Polizei und die Feuerwehr da. Und dann waren Einsatzwagen da, die dann also [j] die Kollegen alle ins Hafenkrankenhaus gebracht haben.

Vors.:

Der Anschlag kam für Sie offenbar alle überraschend?

Zeuge Wi[tte]:

Wir haben davon nichts gewußt.

Vors.:

Keine Vorwarnung. Wenn Sie sich jetzt mal die Skizze, die vor Ihnen liegt,[k] ansehen wollten, ob Sie die Sitzverteilung, wie sie im Korrekturraum und in Ihrem Zimmer angegeben ist, bestätigen können? Wo Sie keine Erinnerung daran haben, müssen Sie eben sagen ...

Der Zeuge besichtigt die aufliegende Skizze aus Ord. 66, Bl. 200/3.

Zeuge Wi[tte]:

Also Könnecke[l] und mein Platz ist richtig. Thiel, der ist falsch hier; der Thiel hat direkt am Fenster gesessen.

Vors.:

Ja, das ist bereits so korrigiert, das hat Herr Thiel auch gesagt.

Zeuge Wi[tte]:

Ach so, nein, ich weiß nur, ich hatte die Namen damals auch geben müssen; Thiel, Schneider, Burgmann, Lechte, Hoffmann, Röhrs[m] , Elsner, Schulz, Schielke[n], Gottschalk, die anderen Namen stimmen.

Vors.:

Wieweit würden Sie annehmen, wenn wir annehmen, daß die Detonation sich in der Klimaanlage oder auf der Klimaanlage ereignet hat, sind Sie entfernt gewesen von dieser Stelle?

Zeuge Wi[tte]:

Ja, etwa 4 ½ bis 5.00 Meter war ich davon weg ... schräge rüber in den Raum rein.

Vors.:

Und Herr Könnecke?

[9140] Zeuge Wi[tte]:

Ja, wenn man also durch die Wand geht, dann ist Herr Könnecke 7.00 Meter etwa. Das sind so[o] Schreibtische, die sind, na, in dieser Größe und dann der nächste daneben.

Vors.:

Also nach dem Maßstab, der hier auf der Skizze angegeben ist, sind Ihre Entfernungen etwas zu weit geschätzt. Herr Könnecke würde da etwa 5 Meter entfernt gewesen sein, Sie bei 4.00 Meter.

Zeuge Wi[tte]:

Naja, das kann ja auch sein, so genau kann ich das nicht ... Ich habe es nicht abgemessen; ich habe ja die Frage ja auch nicht erwartet, aber naja.

Vors.:

Haben Sie heute über die Uhrzeit noch genauere Vorstellungen?

Zeuge Wi[tte]:

Nein, das habe ich nicht. Ich habe nur gesehen, daß es so ungefähr um 15.40 Uhr, 15.45 Uhr gewesen sei. Ehe wir richtig in Gange kommen, dann war die Uhr 16.00 Uhr und dann ... nicht, ehe wir da nun alles ...

Vors.:

Danke.

Sonstige Fragen? Bitte, Herr Berichterstatter.

Richter Mai[er]:

Herr Witte, wie war Ihr Raum von dem eigentlichen Korrekturraum getrennt, war da eine Wand dazwischen?

Zeuge Wi[tte]:

Ja, die Wand war in Schreitischhöhe gemauert und darauf war, über beide Schreibtische rüber, war ein Glasrahmen - das war also ein dickes Fensterglas da drin - und daneben war die für. Ich habe hier gesessen, da war die Tür zu dem Korrekturenraum, und dahinten war die Tür zum Gang, das kann man hier auch ersehen. Herr Könnecke hat daneben gesessen, und von der Höhe an[p] war Glas über beide Schreibtische.

Richter Mai[er]:

Sie sagten vorher, die Türe zum Flur klebte an Ihrem Schreibtisch.

Zeuge Wi[tte]:

Ja, jawohl.

Richter Mai[er]:

Was war mit der Türe zum Korrekturraum?

Zeuge Wi[tte]:

Das weiß ich nicht mehr, das kann ich also nicht sagen. Die muß noch drin gewesen sein, denn die Seite war ja nicht verletzt, also kaputt war die andere Seite.

Richter Mai[er]:

Und die Glasscheibe, die den Korrekturraum von Ihnen abgetrennt hat, war wohl ...

Zeuge Wi[tte]:

Die ist durch den Sog in den großen Raum geflogen.

Richter Mai[er]:

Dankeschön.

Vors.:

Weitere Fragen? Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. Wu[nder]:

Eine Frage, Herr Zeuge, bitte. Können Sie mir sagen, wie lange es gedauert hat, bis diese baulichen Schäden in diesem Stockwerk wieder [9141] behoben war, Tage, Wochen?

Zeuge Wi[tte]:

Wochen. Wir haben, ich schätze - ich weiß es nicht genau - aber 5 bis 6 Wochen haben wir den Raum gar nicht benutzen können und nachher ging es ... und es muß ja alles neu ... es mußte ja alles neu gemacht werden. Wir konnten danach nicht mal durch, wir sind, um in die Setzerei zu kommen, von der unsere Sachen ja kamen, mußten wir durch das Fenster von der Setzerei über eine Treppe auf den Balkon da rauf oder auf dies Dach von dem Unterbau, denn dadurch ...; und hinten mußten wir wieder rein. Wir konnten ja da über den 3.[q] Stock, über diesen sogenannten Schlauch konnten wir nicht gehen.

BA Dr. Wu[nder]:

Dankeschön.

Vors.:

Sonstige Fragen an den Herrn Zeugen? Sehe ich nicht.

Rechtsanwalt Schily erscheint um 9.38 Uhr im Sitzungssaal.

Die Zeugen Sellmann, Schielke, Lechte und Witte werden einzeln vorschriftsmäßig vereidigt und im allseitigen Einvernehmen um 9.38 Uhr entlassen.

Der Zeuge Horster erscheint um 9.39 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge Horster macht folgende Angaben zur Person:

Klaus Horster, 33 Jahre alt,
Verlagskaufmann, 403 Ratingen,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert.
Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Herr Horster, haben Sie den Sprengstoffanschlag im Mai 72 auf das Springer-Hochhaus miterlebt?

Zeuge Horster:

Ja.

Vors.:

Wenn Sie uns bitte schildern wollen, wo, wie und welche Verletzungen möglicherweise für Sie eingetreten sind.

Zeuge Hor[ster]:

Ich habe den Sprengstoffanschlag miterlebt im 6. Stockwerk des Springer-Hochhauses, während einer Konferenz im Raume des damaligen stellvertretenden Verlagsleiters von Bild, Herrn Arndt Pötter. [9142] Wir hatten dort eine Konferenz mit etwa 8 Personen, die sich befasste, aus meiner Erinnerung, mit den Planungen für den neu errichteten Druckort Kettwig. Während dieser Konferenz gab es plötzlich eine laute Detonation. Der Boden erbebte, wir stürzten aus dem Zimmer in den Vorraum, in das Sekretariat und schauten aus dem Fenster, und sahen dabei in Höhe des 3. Stockwerkes Rauch aus dem Fenster steigen. Wir wußten, daß dort ein Teil der Technik untergebracht ist und vermuteten eine technische Panne, die eine Explosion zur Folge gehabt haben könnte und überlegten, welche Hilfe zu leisten wäre. Es hat, aus meiner Erinnerung dann Herr Pötter versucht, über unsere Rufanlage mit dem Verlagsleiter von Bild, mit Herrn Herford Kontakt aufzunehmen und zu hören, ob schon Hilfsmaßnahmen eingeleitet worden sind. In diesem Augenblick gab es eine weitere, noch viel schlimmere und lautere Detonation, die direkt in unserer unmittelbaren Nähe sein mußte. Ich wurde zu Boden geschleudert, irgendetwas Schweres fiel auf meinen Körper. Es wurde stockfinster im Raum, und die Luft zum Atmen wurde knapp; es waren also lauter kleine Staubpartikels im Raum verteilt. Irgendeiner rief, „wir brauchen Luft, Fenster auf“, es kann sein, daß ich es selbst war, ich weiß es nicht mehr. Es hat sich jemand zum Fenster durchgetastet und das Fenster geöffnet. Ich habe mich dann unter den schweren Gegenständen, die auf mir lagen, irgendwie befreit, und bin ebenfalls ans Fenster gekrochen, gerobbt und habe mich da hochgezogen. Es war am Fenster, an der Außenfront des Hauses ein Gerüst von Malerarbeiten, glaube ich, angebracht; da nach vorne zum Gang hin, die Situation völlig unübersichtlich war, wir wußten nicht, ob die Vorderseite des Hauses abgerissen war - am Gang - oder ob dort etwa vielleicht eine weitere Detonation erfolgen würde, haben wir den Entschluß gefasst, aus dem Fenster herauszuklettern und uns über dieses Gerüst bis in die Höhe des 3. Stockwerkes hinunterzuhangeln - dort war ein Vordach angebracht - und auf dieses Vordach uns in Sicherheit zu bringen. Ich bin als einer der ersten dann irgendwie heruntergeklettert, bin auf dieses Vordach gekommen. Und dort unten waren bereits Feuerwehrleute und Helfer, die mich in Empfang nahmen, weil ich offensichtlich Verletzungen hatte. Und ich bin dann dort am Boden gebettet worden und wurde in relativ kurzer Zeit mit einer Bahre ins Hafenkrankenhaus geschafft. Im Hafenkrankenhaus wurde ich sofort von einer Reihe von ärztlichen Helfern im Empfang genommen, untersucht. Die sämtlichen [9143] Behandlungsmaßnahmen zielten zunächst darauf ab, auf einen Kreislaufschock, den ich erlitten hatte, wieder in Ordnung zu bringen. Die übrigen Verletzungen, es waren kleinere Fleischwunden von der Hüfte an abwärts, und heftige Schmerzen in der Hüft- und Lendengegend wurden zunächst nicht behandelt. Nachdem [r] die Kreislaufsituation wieder in Ordnung war, aus der Sicht der Ärzte, bin ich dann zum Röntgen gebracht worden, und dort wurde geprüft, ob es zu weiteren Verletzungen gekommen war. Das war nicht der Fall, wie mir gesagt wurde, man wolle mich aber unbedingt noch einige Zeit im Krankenhaus auf der Wachstation behalten, weil die Befürchtung bei den Ärzten bestand, daß ich innere Verletzungen erlitten hatte. Ich habe dann, ich glaube 2 Tage in der Wachstation im Krankenhaus gelegen und habe mich dort dann freiwillig entlassen lassen, weil mir die Atmosphäre im Krankenhaus etwas unheimlich vorkam und ich mich also immerhin so wieder hergestellt fühlte, daß ich zuhause liegen konnte. Meine Frau hat mich dann in Empfang genommen, zuhause, und ich bin dann etwa 6 Wochen der Arbeit ferngeblieben.

Vors.:

Haben alle die Teilnehmer, die bei der Besprechung im Büro Pötter anwesend waren, das Zimmer verlassen und sind die alle in dieses Sekretariat gegangen?

Zeuge Hor[ster]:

Das kann ich nicht mehr mit Sicherheit sagen. Ich glaube aber, ja, es haben einige Teilnehmer, und zwar die Teilnehmer aus der technischen Organisation den Raum verlassen. Es waren, aus meiner Erinnerung, die Herren Winterbach und noch zwei weitere Leute aus der technischen Organisation, die die Räume im 6. Stockwerk verlassen haben, nach der ersten Detonation. Die übrigen waren noch anwesend.

Vors.:

Würden Sie heute noch die Zimmernummern angeben können, die damals angebracht waren, Raum Pötter, Sekretariat?

Zeuge Hor[ster]:

Kann ich auswendig nicht mehr sagen. Ich habe da nebenan gesessen - jahrelang - ich bin jetzt in Kettwig tätig, seit einigen Jahren, ich kann es nicht mehr sagen.

Vors.:

Sie können es[s] also nicht mehr sagen. Wir wollen Ihnen dann eine Skizze zeigen, Bl. 200/1 aus dem Ord. 66 mit der Bitte, daß Sie die Räumlichkeiten besichtigen, die hier angegeben worden sind, ob die Lage so richtig angegeben ist, Sekretariat, Sie sehen rechts Büro Pötter.

[9144] Dem Zeugen Horster wird die Skizze aus Ord. 66, Bl. 200/1 vorgelegt.

Zeuge Hor[ster]:

Ja.

Vors.:

Das trifft also zu?

Zeuge Hor[ster]:

Sind korrekt angegeben.

Vors.:

Und dort, wo also der Name Ode erscheint, dort wären Sie auch gewesen im[t] Zeitpunkt der Detonation. Haben Sie irgendwelche Anhaltspunkte bekommen, wo die Detonation genau stattgefunden haben müßte? Also ich meine, in der Skizze ist ja ein Ort eingezeichnet, aber das ist jetzt nicht das maßgebliche[u] ob Sie selbst in diese Richtung ...?

Zeuge Hor[ster]:

Wo sie genau stattgefunden hat, habe ich nur Presseberichten entnommen.

Vors.:

Danke. Weitere Fragen an den Herrn Zeugen?

Bitte, Herr Berichterstatter.

Richter Mai[er]:

Sie sagen, Sie wurden von etwas Schwerem getroffen. Haben Sie eine Erinnerung, um was für Gegenstände es sich handelte?

Zeuge Hor[ster]:

Nein, absolut nicht. Es war stockfinster in diesem Büro, und ich hatte nur das eine Bedürfnis, Luft und raus aus diesem Raum. Ich weiß es nicht.

Richter Mai[er]:

Danke.

Vors.:

Weitere Fragen? Ich sehe nicht. Bei der Bundesanwaltschaft? Nicht. Bei der Verteidigung? Nicht.

Der Zeuge Horster bleibt bis zur später erfolgenden Vereidigung im Sitzungssaal.

Ende Band 511

[9145] Der Zeuge Kleidt erscheint um 9.49 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge Kleidt macht folgende Angaben zur Person:

Jürgen Kleidt, 34 Jahre alt,
Industriekaufmann, 2055 Wohltorf,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert, wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Herr Kleidt, haben Sie den Sprengstoffanschlag im Jahre 72 im Springer-Hochhaus miterlebt?

Zeuge Klei[dt]:

Jawohl.

Vors.:

Wenn Sie uns schildern wollen, wo, wie und welche Folgen für Sie eingetreten sind?

Zeuge Kle[idt]:

Wir waren zu einer Besprechung im 6. Stock des Hochhauses, in dieser Blase. Und dort ... beziehungsweise die erste Bombe explodierte ja im 3. OG. Wir gingen in das Vorzimmer, um zu sehen, was los war und konnten noch nicht ahnen, daß es eine Bombenexplosion war, hatten das Fenster aufgemacht und dann ein paar Minuten später explodierte quasi neben uns die nächste Bombe. Wir wurden also zugeschüttet mit den Wänden und den Türen und Schrankteilen, alles, was also zum Flur hin stand, fiel auf uns zu. Die Eigenverletzung bei mir war eine Platzwunde am Kopf.

Vors.:

Hat diese Verletzung Sie länger ins Bett geworfen oder?

Zeuge Kle[idt]:

Nein, ich war 1 Woche krank eschrieben.

Vors.:

Folgenlos verheilt?

Zeuge Kle[idt]:

Ja.

Vors.:

Wieviel Gesprächsteilnehmer waren damals bei dieser Besprechung?

Zeuge Kle[idt]:

Wir waren im Anfang eine relativ große Runde und ich glaube, es muß so Viertel nach drei, Halbvier gewesen sein, daß ein Teil dieser Gesprächsteilnehmer den Raum verlassen hat. Und ich glaube, wir waren letztendlich 6 Teilnehmer noch.

Vors.:

Sind diese Teilnehmer geschlossen rübergegangen in dieses Sekretariat?

Zeuge Kle[idt]:

Wenn ich mich recht entsinne ja.

[9146] Vors.:

Haben Sie heute noch, ich weiß nicht, ob Sie es gesagt haben, es könnte sein, daß ich es überhört habe, Vorstellungen von der Uhrzeit?

Zeuge Kle[idt]:

Ja, es ist ungefähr 20 vor Vier gewesen.

Vors.:

Wenn Sie hier die Skizze, die links von Ihnen liegt, sich mal besichtigen wollen.

Der Zeuge besichtigt die aufliegende Skizze aus Ordner 66, Blatt 200/1.

Vors.:

Ist der Besprechungsraum der, der mit dem Namen Pötter gekennzeichnet ist?

Zeuge Kle[idt]:

So ist es.

Vors.:

Und Sekretariat gekennzeichnet mit dem Namen Ode.

Zeuge Kle[idt]:

Ja, ist richtig.

Vors.:

Haben Sie sonstige Beobachtungen vor oder nachher gemacht, die irgendwelche Aufschlüsse hier geben könnten?

Zeuge Kle[idt]:

Nein.

Vors.:

Danke. Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Ich sehe beim Gericht nicht. Bei der Bundesanwaltschaft? Nicht. Die Herren Verteidiger? Nicht.

Der Zeuge Kleidt bleibt bis zu seiner später erfolgenden Vereidigung im Sitzungssaal.

Der Zeuge Meyer erscheint um 9.52 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge Meyer macht folgende Angaben zur Person:

Heinrich Meyer, 42 Jahre alt,
Diplomkaufmann, Hamburg,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert, wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Sind Sie im Springer-Verlag beschäftigt?

Zeuge Mey[er]:

Ja.

Vors.:

Haben Sie dort 1972 den Anschlag miterlebt?

Zeuge Mey[er]:

Ja, habe ich.

Vors.:

Schildern Sie uns bitte, wo Sie ihn miterlebt haben, wie, also welchen Hergang Sie beobachtet haben und die Verletzungen, die Sie eventuell erlitten haben.

Zeuge Mey[er]:

Ich war im 6. Obergeschoß des Haupthauses, in einer Besprechung und im ... etwa gegen 15.30 Uhr, 15.40 Uhr [9147] herum ertönte ein lauter Knall und wir gingen dann in ein Nebenzimmer, in das Sekretariat. Und stellten fest dort unten, daß aus dem Korrektorenraum Mitarbeiter auf die Empore strömten, zum Teil verletzt, konnten wir beobachten, weil wir am Fenster standen. Und ein Kollege von mir, Herr Kleidt, öffnete das Fenster, und innerhalb einer kurzen Zeit, maximal 5 Minuten oder in der Richtung etwa, kam der zweite Knall und wir standen im Sekretariat, wie gesagt, in einer Gruppe zusammen. Ich stand etwa in der Mitte des Raumes, und dann ein furchtbarer Staub. Und ich bekam etwas an Kopf. Und wir versuchten dann über den Flur diese Zimmer zu verlassen. Das war vollkommen dunkel, eine furchtbare Staubentwicklung und wir hatten das Gefühl, daß man ein[v] bißchen in Erstickungsnähe kam. Und dann stellten wir aber fest, daß durch das geöffnete Fenster, und an der Seite war ein Gerüst aufgebaut, und durch dieses Gerüst sind wir dann blitzschnell heruntergeklettert, auf die Empore gesprungen und, ich stand vermutlich ein bißchen vermutlich[w] unter Schock, denn erst als ich dann über diese Empore das anliegende Bürogebäude erreichte, bin ich dann zusammengeknackt. Und [x] man hat dann später im Krankenhaus festgestellt, daß ich eine etwa 3-4 cm große Kopfwunde hatte, die ist dort genäht worden und ich bin dort genäht worden und ambulant behandelt und am gleichen Abend des Tages wieder entlassen worden.

Vors.:

Was war das für eine Verletzung, die Sie eben am Arme erwähnten?

Zeuge Mey[er]:

Eine Kopfverletzung war es ...

Vors.:

Nein, am Arm?

Zeuge Mey[er]:

Am Arm hatte ich keine.

Vors.:

Da hatten Sie keine, dann habe ich Sie falsch verstanden. Also eine Kopfplatzwunde[y] im Zweifelsfall. Irgendwelche sonstigen Verletzungen noch?

Zeuge Mey[er]:

Weitere Verletzungen, Schock natürlich, aber das ist da nicht Verletzung.

Vors.:

Früher hatten Sie noch von Schnittwunden gesprochen und zwar erwähnt größere Schnittwunden.

Zeuge Mey[er]:

Ja, Schnittwunden, das ist, ich hatte hier noch ein bißchen, irgendwelche Splitter sind dort rangekommen. Das [9148] war aber nicht weiter tragisch.

Vors.:

Man kann wohl davon ausgehen, daß diese Verletzungen folgenlos verheilt sind?

Zeuge Mey[er]:

Ja, das möchte ich annehmen.

Vors.:

Waren Sie längere Zeit arbeitsunfähig?

Zeuge Mey[er]:

Ja, etwa 10 Tage.

Vors.:

Die Zahl der Besprechungsteilnehmer, könnten Sie die heute noch nennen?

Zeuge Mey[er]:

Das müssen gewesen sein ...

Vors.:

Also jetzt im Bereich der Detonation? Nicht etwa, wenn sich die Zahl verschoben haben sollte ...

Zeuge Mey[er]:

Diese Zahl hat sich zwischendurch verschoben, weil ein Teil der Mitarbeiter den Raum verlassen hat. Ich glaube, es waren 6 Mitarbeiter insgesamt, 5 bis 6 Mitarbeiter, die noch dort in den Räumen verblieben sind.

Vors.:

Haben Sie selbst irgendwelche zusätzlichen Beobachtungen machen können über die genaue Sprengstelle. Oder sonstige Beobachtungen, die irgendeinen Aufschluß über den Hergang geben können?

Zeuge Mey[er]:

Nein, das war nicht möglich.

Vors.:

Wir haben hier eine Skizze, die Sie vor sich liegen haben, wenn Sie sich diese Skizze besehen wollen,

Der Zeuge Meyer besichtigt die aufliegende Skizze aus Ordner 66, Blatt 200/1.

und uns angeben wollen, ob das richtig eingezeichnet ist. Büro Pötter war wohl der Besprechungsraum und Sekretariat ist durch den Namen Ode gekennzeichnet.

Zeuge Mey[er]:

Ja und etwa in der Höhe, wo hier der große Stein gezeigt ist, dort habe ich etwa gestanden.

Vors.:

Haben Sie diesen, weil Sie das als großen Stein erkennen, etwa schon damals beobachtet?

Zeuge Mey[er]:

Nein, es war nicht möglich, was zu erkennen, weil ja der Raum vollkommen voller Staub und vollkommen dunkel war. Es war nicht möglich.

Vors.:

Danke. Sonstige Fragen an den Herrn Zeugen? Ich sehe nicht. Herr Rechtsanwalt Schnabel.

RA Schn[abel]:

Herr Zeuge, haben Sie sich im Zusammenhang einmal über die Stellung eines Strafantrags positiv oder negativ ausdrücklich erklärt?

Zeuge Mey[er]:

Das ist mir nicht gegenwärtig, nein.

[9149] RA Schn[abel]:

Kann es sein, daß Sie ausdrücklich geschrieben haben, ich stelle keinen Strafantrag?[6]

Zeuge Mey[er]:

Das ist mir nicht mehr in Erinnerung. Das kann ich nicht bestätigen und auch nicht dementieren.

RA Schn[abel]:

Ich darf Ihnen vorhalten, Blatt 294 Ihrer Vernehmung, Sonderordner 66, unterschrieben von einem Herrn Ritzmann. In dem, unter Nr. 5, steht: „Stellen Sie Strafantrag wegen Körperverletzung“ usw. „Wenn ja, dann schreiben Sie“ und so weiter. Und dort steht dann vermerkt: „Nein“. Und ist das Ihre Unterschrift, die anschließend hier enthalten ist?

RA. Schnabel legt dem Zeugen eine Ablichtung von Blatt 294 aus dem Ordner 66 vor.

Zeuge Mey[er]:

Ja, es ist meine Unterschrift.

Vors.:

Und die übrige Antwort, ist die gegeben worden? Keine.

Danke. Alle Fragen beantwortet.

Der Zeuge Meyer bleibt bis zu seiner später erfolgenden Vereidigung im Sitzungssaal.

Rechtsanwalt Oberwinder erscheint um 9.59 Uhr im Sitzungssaal.

Die Zeugin Kern erscheint um 9.59 Uhr im Sitzungssaal.

Die Zeugin Kern macht folgende Angaben zur Person:

Helga Kern, [Tag].[Monat].25,
Putzfrau, Hamburg 54, [Anschrift],

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert. Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Frau Kern, wo üben Sie Ihren Beruf aus?

Zeugin Ke[rn]:

Ja, im Moment bin ich überall.

Vors.:

Ah ja, dann will ich fragen, wo haben Sie Ihren Beruf im Frühjahr 1972 ausgeübt?

Zeugin Ke[rn]:

Oben 12. Stock im Hochhaus.

Vors.:

Im Springer-Hochhaus in Hamburg?

[9150] Zeugin Ke[rn]:

Ja.

Vors.:

Haben Sie den Anschlag auf das Springer-Hochhaus selbst miterlebt?

Zeugin Ke[rn]:

Nein.

Vors.:

Haben Sie, nachdem der Anschlag passiert war, etwas davon erfahren? Ist Ihnen das mitgeteilt worden, erzählt worden?

Zeugin Ke[rn]:

Durchs Fernsehen.

Vors.:

Haben Sie in der Folge dann irgendetwas beobachtet, im Hause, was in Verbindung mit diesem Anschlag oder einem solchen Anschlag hätte stehen können?

Zeugin Ke[rn]:

Ja, ich bin am drauffolgenden Tag am 20., bin ich raufgegangen zum 12. Stock. Da habe ich eine Bombe gefunden.

Vors.:

Sind Sie damals gleich der Meinung gewesen, das ist eine Bombe?

Zeugin Ke[rn]:

Nein.

Vors.:

Dann müssen Sie es uns so schildern, wie Sie es damals erlebt haben. Wenn Sie uns sagen wollen, wann Sie dorthin gekommen sind, wo Sie dann etwas gefunden haben, wie das ausgesehen hat und was Sie dann getan haben. Also welche Uhrzeit war das etwa?

Zeugin Ke[rn]:

Die Uhrzeit kann ich Ihnen nicht mehr genau angeben.

Vors.:

Ungefähr, wüßten Sie das?

Zeugin Ke[rn]:

Zwischen 6 und Halbsieben morgens.

Vors.:

Morgens, also Frühdienst. Und den Tag, wüßten Sie denn heute noch.

Zeugin Ke[rn]:

Es war Pfingstsonnabend, den 20. Mai.

Vors.:

20. Mai, richtig. Und da wollten Sie nun rein in den 12. Stock.

Zeugin Ke[rn]:

Ja.

Vors.:

Wo im 12. Stock? In einem der Räume oder auf dem Flur?

Zeugin Ke[rn]:

Ja, also sonnabends machen wir die ganzen Räume oben, das bei Herrn Springer oben in diesem 12. Stock. Da leeren wir dann Papier aus und Aschenbecher und im Vorraum, da hinter dem Stuhl, in einem Filzbeutel, ungefähr in der Größe einer Gasmaske, es war rund, wie gesagt, war Filz über, dunkelgrüner Filz. Die obere Platte war lose. Die habe ich abgehoben, was soll ich sagen, das [9151] war wie so ein Tacho, nicht, mit Zahlen. Ich habe da nicht so drauf geachtet. Und dann bin erst runter, und hab es zu einem Boten gesagt. Und der Bote hat den Chef angerufen, der Chef hat sich das angeguckt, und der hat dann das Sprengkommando angerufen.

Vors.:

Ja und Sie selbst, hatten Sie, als Sie dieses, diesen Fund nun besichtigt haben, irgendwie einen Zusammenhang gesehen mit einem Sprengkörper?

Zeugin Ke[rn]:

Nein, ich habe gedacht, das wäre irgendwie ein Meßgerät.

Vors.:

Ein Meßgerät.

Zeugin Ke[rn]:

Ja, weil da so eine Uhr dran war.

Vors.:

Also Sie hatten nicht auf irgendwas Gefährliches geschlossen?

Zeugin Ke[rn]:

Nein.

Vors.:

Und warum haben Sie es dann dem Boten mitgeteilt?

Zeugin Ke[rn]:

Ich fand das komisch, ich habe nur gesagt, daß da oben so ein komisches Ding steht. Aber ich habe da nicht dran gedacht, daß das eine Bombe sein könnte.

Vors.:

Haben Sie sich denn im Zusammenhang mit diesem Fund irgendwelche Verletzungen zugezogen?

Zeugin Ke[rn]:

Nein.

Vors.:

Sind Sie sich dessen heute noch ganz sicher?

Zeugin Ke[rn]:

Ja.

Vors.:

Oder könnte es sein, daß Sie an diesem Tag irgendwo gegengerannt sind?

Zeugin Ke[rn]:

Achso ja, da bin ich dann, nachdem, wie wir, dann kam das Sprengkommando rauf[z] [aa] und die sagten, daß das Gebäude gleich geräumt werden muß. Daraufhin bin ich dann die Treppen heruntergelaufen vom 12. Stock. Wie, kann ich Ihnen heute nicht mehr sagen. Ich kann nur sagen, daß ich mich gestoßen habe und bin dann auch, weil ich die drauffolgende Woche in Urlaub ging, war ich dann noch krank.

Vors.:

Also es war jedenfalls so, erschrocken sind Sie erst, als Sie durch das Sprengkommando erfahren haben, daß das ein Sprengkörper ist?

Zeugin Ke[rn]:

Ja.

Vors.:

Können Sie uns die genaue Stelle, wo Sie den Fund gemacht haben, nochmals angeben. Insbesondere, indem Sie zum Beispiel sagen, vor welchem Raum das gestanden hat? Wie es [9152] verborgen gewesen ist?

Zeugin Ke[rn]:

In einem Raum überhaupt nicht. In dem Vorraum.

Vors.:

Im Vorraum. Und nun der Vorraum grenzt ja im Zweifelsfall an irgendein Büro dort an. Welches Büro unmittelbar grenzte daran an, wissen Sie das heute noch?

Zeugin Ke[rn]:

Nein, es ist nicht so ein Vorraum, also das ist ... von diesem Vorraum aus geht ein langer Gang, und da von diesem langen Gang aus gingen die ganzen Zimmer ab, die einzelnen Büroräume. Und in diesem Vorraum, hinter dem Stuhl, rechter Hand, da hat es gestanden.

Vors.:

Und grenzte dieser Sprengkörper an irgendein bestimmtes Büro? Ich meine, der Vorraum muß ja irgendwo sein Ende haben, da kommt auch eine Mauer, und hinter der Mauer ist wieder ein Raum.

Zeugin Ke[rn]:

Mauern. Kein irgendwie Büroraum.

Vors.:

Ist Ihnen das Büro Hügelmann ein Begriff?

Zeugin Ke[rn]:

Bitte?

Vors.:

Das Büro des Herrn oder einer[bb] Frau Hügelmann, kennen Sie das?

Zeugin Ke[rn]:

Das kenne ich gar nicht, weil ich nur eine Aushilfe gemacht habe.

Vors.:

Sie kennen sich oben in den Räumen also offenbar nicht so genau[cc] aus?

Zeugin Ke[rn]:

Nein, das ist an und[dd] für sich nicht mein festes Revier.

Vors.:

Wir wollen der Frau Zeugin dann die Skizze aus Ordner 66, Blatt 200/4 vorlegen.

Der Zeugin wird die Skizze aus Ordner 66, Bl. 200/4 vorgelegt.

Vors.:

Schauen Sie sich diese Skizze bitte in Ruhe an, ob Sie sich an dieser Skizze zurechtfinden. Wenn ja, dann geben Sie uns bitte an, ob die Eintragungen, so wie Sie sie in Erinnerung haben, hier richtig wiedergegeben wurden.

Zeugin Ke[rn]:

Ja, sehe ich[ee] so schon.

Vors.:

Sie sind jetzt gerade beim Betrachten. Wenn Sie sich insbesondere auf die Stelle konzentrieren würden, die bezeichnet ist mit „2. Fund.“ Können Sie dazu was sagen, ich meine, trifft das zu, so?

Zeugin Ke[rn]:

Ja, bis auf daß ich die Tür, die da hinter dem Stuhl ist, die hatte ich vorweg geöffnet, und da habe ich ... das ist nämlich, da oben der Selbstschließer. Normalerweise schließt die Tür ja von selber. Damit sie [9153] aufbleibt, stellen wir immer den Stuhl davor.

Vors.:

Also das ist die Türe, die zu dem Raum führt, wo oben dann Frau Pape steht, wenn ich das recht sehe? Oder welche Tür meinen Sie?

Zeugin Ke[rn]:

Ja von Nr. 2.

Vors.:

Ach Sie meinen jetzt das Bild, Sie betrachten das Bild hier drauf.

Zeugin Ke[rn]:

Ja.

Vors.:

Dazu wollen wir Ihnen aber noch die Bilder 181 und Blatt 184 aus dem Ordner 66 übergeben.

Der Zeugin werden die Lichtbilder aus dem Ordner 66, Blatt 181 und 184 übergeben.

Vors.:

Vielleicht können Sie anhand der Bilder noch näheres beschreiben.

Zeugin Ke[rn]:

Also ich kenne nur das Bild hier an dem Stuhl ... so war es, nur die Tür war auf. Die hatte ich ja selber aufgemacht.

Vors.:

Sie haben jetzt, glaube ich, das Bild 181 vor sich.

Zeugin Ke[rn]:

Ja.

Vors.:

Und Sie sagen mit[ff] Ausnahme dessen, daß die Türe geöffnet war, von Ihnen, ist das Bild richtig?

Zeugin Ke[rn]:

Ja, aber die Tür habe ich selber aufgemacht. Die sind ja alle abgeschlossen, nur den Morgen sind sie ja auf gewesen.

Vors.:

Aber so haben Sie also dieses Paket vorgefunden oder diesen Gegenstand?

Zeugin Ke[rn]:

Ja.

Vors.:

Sonstige Fragen an die Frau Zeugin? Ich sehe nicht beim Gericht. Bei der Bundesanwaltschaft? Auch nicht. Die Herren Verteidiger? Auch nicht.

Die Zeugin Kern bleibt bis zu Ihrer später erfolgenden Vereidigung im Sitzungssaal.

RA. Oberwinder verläßt um 10.09 Uhr den Sitzungssaal.

Die inzwischen erschienenen Zeugen Claus-Dieter Burzlaff und Günter Schiller erscheinen um 10.09 Uhr im Sitzungssaal.

[9154] Die Zeugen Burzlaff und Schiller werden gem. § 57 StPO belehrt.

Die Zeugen Burzlaff und Schiller erklären sich mit der Aufnahme ihrer Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.

Der Zeuge Schiller wird um 10.10 Uhr in Abstand verwiesen.

Der Zeuge Burzlaff macht folgende Angaben zur Person:

Claus-Dieter Burzlaff, 36 Jahre alt,
Rotationer, Hamburg 61,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert.
Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Rotationer als Beruf, waren Sie zum Zeitpunkt des Anschlages auf das Springer-Hochhaus in diesem Beruf dort tätig?

Zeuge Bur[zlaff]:

Ja.

Vors.:

Haben Sie den Anschlag selbst miterlebt?

Zeuge Bur[zlaff]:

Ja.

Vors.:

In der Rotation?

Zeuge Bur[zlaff]:

Ja.

Vors.:

Können Sie uns ganz kurz schildern, wie man das in der Rotation erlebt hat?

Zeuge Bur[zlaff]:

Ja also, ich befand mich ...

Vors.:

Wir wollen noch klären, die Rotation ist im wievielten Stock?

Zeuge Bur[zlaff]:

Im 1. Stock. Also im 1. bis zur Decke des 2. Stocks. Und da waren wir mit beschäftigt, die Vorbereitung für die nächste Produktion zu treffen, als so gegen kurz vor Vier, die erste Bombe hochging, zumal ja ein Erschüttern des Hauses erfolgte, und kurz darauf die Zweite. Und da sahen wir dann aus dem Fenster, daß vom 5. Stock oben die Steine und Glasscherben runterfielen.

Vors.:

Aber irgendwelche Schäden in Ihrem Arbeitsraum scheinen nicht eingetreten zu sein?

Zeuge Bur[zlaff]:

Nein.

Vors.:

Auch keine Verletzungen?

Zeuge Bur[zlaff]:

Nein.

Vors.:

Haben Sie dann in der Folge oder haben Sie vorher oder nach [9155] dieser[gg] Detonation irgendwelche Beobachtungen machen können, die Aufschluß über das Geschehen hätten geben können?

Zeuge Bur[zlaff]:

Nein.

Vors.:

Haben Sie dann in der Folge irgendwelche Feststellungen getroffen, die im Zusammenhang mit dem Geschehen ...

Zeuge Bur[zlaff]:

Nein, auch nicht.

Vors.:

Ist Ihnen bekannt geworden, daß im 2. Stock später noch etwas gefunden wurde?

Zeuge Bur[zlaff]:

Ja, das wurde uns nächsten Tag erzählt, daß bei uns direkt, also von mir vielleicht 5 Meter entfernt, noch eine Bombe gelegen haben soll. Also, ich selbst habe das nur gehört, ob das stimmt, kann ich nicht sagen.

Vors.:

Sie selbst haben also diesen Gegenstand nicht mehr gesehen?

Zeuge Bur[zlaff]:

Nein.

Vors.:

Könnten Sie uns etwa beschreiben, wo nach den Ihnen gegebenen Hinweisen diese Bombe gelegen haben soll.

Zeuge Bur[zlaff]:

Die im 2. Stock?

Vors.:

Ja.

Zeuge Bur[zlaff]:

Am Fahrstuhl im Treppenhaus blau. Und zwar ist da, in der Ecke, da ist da noch so eine kleine Nische, wo, links ist der Paternoster, also von uns gesehen jetzt links der Paternoster und rechts der Fahrstuhl, und da ist noch so ne kleine Nische, an der Ecke von der Schlosserei da. Da läuft die Schlosserei so.

Vors.:

Sind dort irgendwelche Gegenstände normalerweise, in die man etwa Abfall oder sonstwas reinbringt, aufgestellt?

Zeuge Bur[zlaff]:

Soweit mir bekannt war, war da der Arbeitsraum von den Reinigungsleuten für die Toiletten, also Handtücher und Toilettenpapier und Reinigungsmittel für die Toilette.

Vors.:

Und Sie sagen nun, oder haben eine bestimmte Entfernung angegeben, wenn dieser Platz stimmen sollte, wie weit davon entfernt arbeiten Sie?

Zeuge Bur[zlaff]:

Ja, das sind also ungefähr 5, 6 Meter.

Vors.:

Und wie ist die Abtrennung zu der Fundstelle?

Zeuge Bur[zlaff]:

Da war vorher eine Glasscheibe, und vom Fußboden halbhoch war eine Steinmauer.

[9156] Vors.:

Ist das eine, nun ja, wenn es nur eine halbhohe Mauer ist, also keine tragende Mauer?

Zeuge Bur[zlaff]:

Nein, das war quasi, daß man da nicht runterfallen kann.

Vors.:

Und diese Scheibe, ist das eine ...

Zeuge Bur[zlaff]:

Das war eine normale Glasscheibe, nehme ich an, das kann ich nicht genau sagen.

Vors.:

Wieviel Personen arbeiteten damals an diesem Tag, als die Detonationen passierten, in dem Raum?

Zeuge Bur[zlaff]:

Ja, in dem Raum die volle Schicht, und bei uns an der Maschine 6 Mann.

Vors.:

Insgesamt im ganzen Raum oder ist das nur die Maschine?

Zeuge Bur[zlaff]:

Das war jetzt nur die Maschine. Also ich weiß nicht, wie hoch unsere Schicht ist. Ich glaube 60 Leute.

Vors.:

Die alle in der Rotation tätig sind?

Zeuge Bur[zlaff]:

Ja und dann die Packerei noch, und das sind, glaube ich, auch 60, 70 Leute.

Dem Zeugen wird die Skizze aus Ordner 66, Blatt 200/2 zur Erläuterung vorgelegt.

Vors.:

Also Sie sehen ja, dort ist eingezeichnet der Paternoster, dann sieht man einen Winkel, in dem zwei runde Gegenstände dargestellt sind, auf der rechten Seite. Ist das der Winkel, den Sie meinten?

Zeuge Bur[zlaff]:

Ja, oben in der Ecke ja.

Vors.:

Und ist das nun auch die Stelle, die man Ihnen bezeichnet hat als Fundstelle?

Zeuge Bur[zlaff]:

Ja.

Vors.:

Stand da noch irgendwas herum, wo man sagte, da drin ist es gewesen oder?

Zeuge Bur[zlaff]:

Nein, also man hat uns nur gesagt, daß da oben in der Ecke, bei auch am Fenster da oben, am 2. Stock, die Bombe gefunden wurde.

Vors.:

Danke. Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Herr Berichterstatter bitte.

Richter Ma[ier]:

Herr Burzlaff, Sie sagen, Sie standen etwa 5 bis 6 Meter entfernt von dieser Fundstelle, die Sie ja auf der Skizze sehen. Wo befanden sich denn die übrigen Mitglieder Ihrer Schicht. Die übrigen 5 Personen.

Zeuge Bur[zlaff]:

Die auch, also in der Druckeinheit von der 14/15. [9157] Und ich war jetzt im 1. Stock von der Maschine, also das ist die Decke des 2., also der Fußboden vom 1. Stock, und die anderen, die befanden sich zwischen der Maschine, beziehungsweise hinter der Maschine.

Richter Ma[ier]:

Ja, in welcher Entfernung würden Sie annehmen?

Zeuge Bur[zlaff]:

Ja, wie lange ist die Maschine, das sind dann doch schon wieder 20, 25 Meter.

Richter Ma[ier]:

Und die übrigen Angehörigen der Schicht. Sie sagten, insgesamt seien es 60 Personen gewesen, die waren dann weiter entfernt noch? Von dieser Stelle?

Zeuge Bur[zlaff]:

Ja.

Richter Ma[ier]:

Dann sehe ich, auf der Skizze ist hier eingezeichnet, „Besucherbrücke“, in dem Teil, wo dieser Sprengkörper gefunden worden sein soll. Kann ich daraus schließen, daß da auch ein gewisser Publikumsverkehr herrschte, daß also Besucher von auswärts durch diese Glaswand hindurch[hh], den Betrieb in der Rotation beobachtet haben?

Zeuge Bur[zlaff]:

Ja.

Richter Ma[ier]:

Kam das nur gelegentlich vor oder kam das öfters vor, daß hier Besucher in Erscheinung getreten sind?

Zeuge Bur[zlaff]:

Da würde ich beinahe sagen, das kommt öfters vor.

Richter Ma[ier]:

Täglich?

Zeuge Bur[zlaff]:

Fast.

Richter Ma[ier]:

Danke.

Vors.:

Sonstige Fragen an den Herrn Zeugen? Ich sehe nicht.

Der Zeuge Burzlaff bleibt bis zu seiner später erfolgenden Vereidigung im Sitzungssaal.

Der Zeuge Schiller erscheint um 10.18 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge Schiller macht folgende Angaben zur Person:

Günter Schiller, 41 Jahre alt,
Diplomkaufmann, Berlin,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert. Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

[9158] Vors.:

Herr Schiller, Sie sind wahrscheinlich informiert darüber, daß 1972 auf das Springer-Hochhaus in Hamburg ein Sprengstoffanschlag verübt worden ist. Haben Sie damals mit der Schadensfeststellung zu tun gehabt?

Zeuge Schi[elke]:

In gewisser Weise ja.

Vors.:

Und um welche Schäden ging das. Waren das die reinen Sachschäden.

Zeuge Schi[elke]:

Das waren die reinen Sachschäden.

Vors.:

Also die Sachschäden ...

Zeuge Schi[elke]:

Die Sachschäden an Gebäuden.

Vors.:

Kosten, die durch Behandlung von Personen usw. entstanden sind, die sind da nicht eingeschlossen.

Zeuge Schi[elke]:

Nein.

Vors.:

Und zu welchem Ergebnis sind Sie damals gelangt?

Zeuge Schi[elke]:

Wir haben etwa einen Aufwand von 336 000,- DM feststellen müssen.

Vors.:

Wir haben hier im Ordner 66, Blatt 314/1 ein Schreiben das trägt die Unterschrift eines Herrn Schiller.

Dem Zeugen wird eine Ablichtung[ii] des Blattes 314/1 aus Ordner 66 mit der Bitte um Erklärung vorgelegt, ob es sich um seine Unterschrift handelt.

Zeuge Schi[elke]:

Ja.

Vors.:

Danke. Hier wird die Gesamtschadenssumme angegeben mit 339 575,- DM.

Zeuge Schi[elke]:

Das ist ohne weiteres möglich, daß da gewisse Korrekturen später erfolgt sind. Wir sind zum Schluß zu einer Summe von 336 800 und etwas gekommen.

Vors.:

Das ist also der endgültige Stand. Und Sie, ist das bei Ihnen zentral zusammengelaufen, was an Schadensmeldungen einging?

Zeuge Schi[elke]:

[jj] ... zu dem Rechnungswesen zusammengelaufen.

Vors.:

Aber Sie können also die präzise Summe aus eigenem Wissen benennen?

Zeuge Schi[elke]:

Ja.

Vors.:

Ja. Danke. Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Ich sehe beim Gericht nicht. Bitte Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. Wu[nder]:

Herr Zeuge, sind Sie Leiter der Verwaltungsabteilung ...

Zeuge Schi[elke]:

Ich bin Leiter der Verwaltung, ja.

BA Dr. Wu[nder]:

Dann habe ich noch zwei Fragen dazu. Können Sie mir [9159] sagen, wieviel Beschäftigte in diesem Gebäudekomplex sich aufgehalten haben an dem Tag, an dem die beiden Bomben detonierten und die anderen gefunden wurden?

Zeuge Schi[elke]:

Das ist schwer zu sagen.

BA Dr. Wu[nder]:

Das wird eine Schätzzahl sein.

Zeuge Schi[elke]:

Wir hatten damals in der Hamburger Betriebsstätte etwa 6000 Mitarbeiter, die sehr stark verteilt waren auf viele Dependancen. Wir arbeiteten weiterhin im Drei-Schicht-Betrieb. Und ich schätze, daß in dem fraglichen Gebäudekomplex vielleicht zweieinhalbtausend Menschen tätig gewesen sein mögen. Es ist eine reine Schätzung.

BA Dr. Wu[nder]:

Danke. Darf ich Sie um eine weitere Schätzzahl bitten. Und zwar, wenn dieses Gebäude auf ein Signal hin, unterstellt es hätte in allen Stockwerken, in allen Räumlichkeiten gleichzeitig ertönt, wenn dieses Gebäude hätte geräumt werden müssen, wie lange schätzen Sie, als Leiter der Verwaltungsabteilung, daß es gedauert hätte, bis alle das Gebäude verlassen hätten.

RA Schn[abel]:

Herr Vorsitzender, das ist keine Frage an einen Zeugen, allenfalls an einen Sachverständigen.[7] Das hat nichts damit zu tun, daß der Zeuge Leiter der Verwaltungsabteilung ist.

Vors.:

Ich halte die Frage für zulässig, da sie in der vorliegenden Form, nur nach einer Schätzung des Herrn Zeugen gerichtet ist. Das ist eine innere[kk] Tatsache,[8] die er bekanntgeben kann. Frage wäre vielleicht voraus, in der Richtung, ich darf es dahin ergänzen, sind in der Richtung irgendwelche Erfahrungen schon gesammelt worden oder müssen Sie da völlig aus dem Gefühl ...?

Zeuge Schi[elke]:

Ich muß völlig aus dem Gefühl sprechen, weil es bis dahin eine Übung, eine derartige Übung in unserem Hause nicht gegeben hat. Es hat später Räumungen gegeben, aber da waren die Mitarbeiter anders motiviert. Ich würde sagen ...

RA Schn[abel]:

Herr Vorsitzender, ich darf nochmal den Einspruch insofern geltend machen, daß doch wohl das Gericht nicht dazu da ist, daß irgendjemand vollkommen aus dem Gefühl heraus Schätzungen hier von sich gibt.

Vors.:

Ja, es ist inzwischen, Herr Rechtsanwalt Schnabel, wie [9160] Sie bemerkt haben, vom Herrn Zeugen ein Hinweis gegeben worden, daß nachträglich Erfahrungen gesammelt worden sind. Ich weiß nicht, ob Ihnen damit gedient wäre, Herr Bundesanwalt ...

BA Dr. Wu[nder]:

Das wäre mir sehr wichtig, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Ja, die Erfahrungen die nachträglich gemacht worden sind.

Zeuge Schi[elke]:

Da brauchen wir etwa 10 bis 15 Minuten.

BA Dr. Wu[nder]:

Danke. Eine letzte Frage, Herr Zeuge. War im 2. Obergeschoß irgendjemand büromäßig untergebracht, der in diesem Verlag eine wichtige Funktion hatte - Chefredakteur, Abteilungsleiter - oder befanden sich dort nur die Druckereiarbeiter?

Zeuge Schi[elke]:

Im 2. Stock war keine derartige Person untergebracht.

BA Dr. Wu[nder]:

Danke.

Vors.:

Sonstige Fragen an den Herrn Zeugen? Ich sehe nicht.

Die Zeugen Horster, Kleidt, Meyer, Kern, Burzlaff und Schiller werden einzeln vorschriftsmäßig vereidigt und im allseitigen Einvernehmen um 10.24 Uhr entlassen.

Vors.:

Wir sind am Ende des heutigen Vormittagsprogrammes. Heute Nachmittag Fortsetzung mit der Vernehmung der beiden Sachverständigen, Dr. Kissling und Dr. Grooß. Bis dahin Unterbrechung, 14.00 Uhr.

Pause von 10.24 Uhr bis 14.05 Uhr

Ende des Bandes 512.

[9161] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 14.05 Uhr.

Rechtsanwalt Schlaegel ist nunmehr auch[ll] anwesend.

Als Sachverständige sind erschienen:
Dr. Ekkehard Kissling
Dr. Klaus-Dieter Grooß

Vors.:

Wir können die Sitzung fortsetzen. Ich erteile Ihnen gleich das Wort, Herr Rechtsanwalt Schily. Ich möchte bloß zunächst noch bekanntgeben, daß Herr Rechtsanwalt Pfaff heute früh mitgeteilt hat, daß die Abwesenheit von Herrn Rechtsanwalt Dr. Heldmann in den letzten Sitzungstagen krankheitsbedingt gewesen ist. Herr Rechtsanwalt Pfaff hat es schon versucht, in der letzten Woche mir mitzuteilen. Das kann ich bestätigen, aber ich war da für ihn nicht erreichbar. Es wäre noch darauf hinzuweisen, daß Herr Rechtsanwalt Eggler für den weiteren Nachmittag dann ab etwa 15 Uhr entschuldigt ist. Wir haben in der Zeugenliste noch folgende Veränderungen mitzuteilen: Der Zeuge Brosch, geladen auf den 29.4., das ist am kommenden Donnerstag, ist entschuldigt durch ärztliches Attest. Ebenso Herr Dr. Koll, der auf den 12.5. geladen ist.

Herr Rechtsanwalt Schily, bitteschön.

RA Schi[ly]:

Ich wollte der Ordnung halber zu Protokoll geben und ankündigen, daß die Verteidigung am 4. Mai beabsichtigt, mehrere umfangreiche Beweisanträge zu stellen. Der Herr Vorsitzende wird uns, wie wir besprochen haben, etwa ab 14 Uhr dazu Gelegenheit geben.

Vors.:

Ja. Ich darf darauf hinweisen also, daß zunächst das Angebot seitens des Senats gemacht worden ist, an sich morgen, wäre der günstigere Termin gewesen. Es wäre auch die Möglichkeit gegeben gewesen, wenn je noch eine Änderung bei Ihnen möglich ist, nach dem 13.5., in der folgenden Woche bei der Neuterminierung, die ja demnächst herauskommen muß, Rücksicht darauf zu nehmen. Wenn aber die Anträge am 4.5., wie besprochen, gestellt werden sollen, dann läßt sich das verwirklichen nicht ganz mit voller Gewähr, die Zeit 14.00 Uhr. Wir hoffen, daß wir vormittags das gesamte Beweisprogramm [9162] durchbekommen, zumal dann, wenn der Zeuge Allers an diesem Tag morgens wegfällt. Wir haben mit Rücksicht auf diese Mitteilung der Herrn Verteidiger den Sachverständigen Hecker, der auf 14 Uhr an diesem Tag geladen war, schon vormittags geladen auf 10.30 Uhr. Das bitte ich also auch zu vermerken. Herr Hecker ist auf 10.30 Uhr am 4.5. bestellt. Das ist bereits ausgeführt. Er hat auch sein Erscheinen zugesagt.

Wir haben jetzt die Herren SV Dr. Kissling und Dr. Grooß.

Die Sachverständigen Dr. Kissling und Dr. Grooß werden gem. §§ 72, 57, 79 StPO[9] belehrt.

Die Sachverständigen Dr. Kissling und Dr. Grooß erklären sich mit der Aufnahme ihrer Aussagen auf das Gerichtstonband einverstanden.

RA Schi[ly]:

Verzeihen Sie bitte, der Herr Dr. Koll, der war für 12. Mai.

Vors.:

Dr. Koll, ja.

RA Schi[ly]:

Ja, dankeschön.

Vors.:

Er hat ausdrücklich darauf hingewiesen in seinem Entschuldigungsschreiben, daß Herr Dr. Megges, der ja mitaufgeführt ist, die Berichte vertreten könne vor Gericht. Er selbst leidet an einer Krankheit, die sein Erscheinen unmöglich macht.

Herr Dr. Kissling, darf ich Sie gleich um die Personalien bitten?

Der Sachverständige machte folgende Angaben zur Person:

Sachverständige Dr. Kissling

Dr. Ekkehard Kissling, wissenschaftlicher Direktor im Bundeskriminalamt, 39 Jahre alt, wohnh. Taunusstein,
mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert, wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Dem Sachverständigen Dr. Kissling werden die Asservate E 37 A 49.4 - 1 Geschirrtuch - und B 51 12. Stockwerk/Flur Pos. 1.4 - 1 Geschirrtuchstück - vorgelegt.

Diese Asservate werden vom Gericht in Augenschein[10] genommen.

Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit, am Augenschein teilzunehmen.

[9163] Vors.:

Ich möchte Sie zunächst fragen, Herr Dr. Kissling, sind Ihnen diese Asservate zu Vergleichsuntersuchungen vorgelegen?

Sachverst. Dr. Kis[sling]:

Ja.

Vors.:

Dann bitte ich Sie, das Ergebnis Ihrer Untersuchung zu berichten.

Sachverst. Dr. Kis[sling]:

Ja diese beiden Stoffstücke lagen mir zur Untersuchung vor, und zwar wurden diese laut Anschreiben, laut Untersuchungsantrag gesichert. Einmal das größere Stoffstück, das man als Geschirrtuch bezeichnen kann, in Hamburg, Paulinenallee 36 und das kleinere Stoffstück, das man als Geschirrtucheckteil ansprechen kann zwischen der Zündeinrichtung und der Rohrbombe eines Sprengkörpers der im 12. Flur des Verlagsgebäudes Axel Springer gesichert worden ist, im 12. Stock, im Flur des 12. Stockes selbstverständlich. Nun zunächst wurde ein Vergleich der Stoffgewebe durchgeführt und dabei festgestellt, daß beide Gewebe in Leinwandbindung gefertigt wurden. Das Kettgarn und sämtliche Farbmusterstreifen sind aus Baumwolle und das Schußgarn aus Flachs. Einen derartigen Stoff bezeichnet man als Halbleinengeschirrtuch. Das weiße Kettgarn stellt einen Doppelfaden in zwei Z-S-Drehung dar, und die Fadendichte beträgt 18 Fäden auf den[mm] cm. Wir haben ebenfalls in Kettrichtung einen 3,2 mm breiten Musterstreifen aus 6 dunkelgrünen Doppelfäden in S-Drehung, wiederum also das Drehungsschema zwei Z-S.

Ebenfalls in Kettdrehung befindet sich ein 1,5 cm breiter Randstreifen aus dunkelroten Doppelfäden in S-Drehung, Drehungsschema zwei Z-S. Und am Randstreifen, ca. 0,4 cm von der Außenkante entfernt befindet sich eine Längsnaht aus weißem Garn. Das weiße Schußgarn besteht, wie ich schon erwähnt habe, aus Flachs und es handelt sich dabei um einen einfachen Faden in Z-Drehung. Die Dichte auf einen cm beträgt 15 Fäden. Ebenfalls in Schußrichtung haben wir einen roten Farbmusterstreifen; und dieser Farbmusterstreifen wurde gefertigt ebenfalls aus einfachen Garnen in Z-Drehung und zwar aus 4 Garnen. Ebenfalls aus 4 Garnen wurde gefertigt der blaue Farbmusterstreifen in Schußrichtung, wiederum aus einfachen Garnen in Z-Drehung. Und schließlich haben wir noch in Schußrichtung einen ca. 1 cm breiten Randstreifen, wiederum aus einfachem Garn in Z-Richtung, dunkelrot. Und wir haben auch hier eine Randlängsnaht, die sich in etwa 0,5 bis 1 cm von der Randkante entfernt befindet. Aus diesen Merkmalen, die ich nun vorgetragen habe, kann man den Schluß ziehen, daß beide Stoffstücke hinsichtlich des Materials und [9164] seiner Verarbeitung übereinstimmen[nn]. Das Geschirrtuch hat die Maße 50 x 65 cm und an einer Ecke dieses Geschirrtuches wurde ein Stoffstück herausgetrennt. Das Stoffstück, das zur Fertigung des Sprengkörpers gedient hat, entspricht dieser herausgetrennten Stelle in seinen Maßen. Man kann es also in das Geschirrtuch einfügen, wir haben davon Abbildungen gefertigt, aus denen das sehr schön zu sehen ist. Es ist bereits makroskopisch zu erkennen, daß die beiden Stoffteile im Schnitt- und Rißverlauf und hinsichtlich der Stoffmusterung, einschließlich der Rand- und Musterstreifen, zueinander passen.

In Schußrichtung verläuft nahezu vertikal nach unten gehend eine 6,5 cm lange Stoffdurchtrennung, die im mittleren Teil sich etwas bogenförmig darstellt. Der waagerechte Saumrand ist im Durchtrennungsbereich stärker korrodiert und ausgefranst und zu beiden Seiten der Trennstelle fehlt etwa 1 cm der Randkante. In diesem Bereich sind an den beiden Stoffproben gebräunte Fadenstellen mit angekohlten Enden zu erkennen. Es handelt sich hier offensichtlich um Sengspuren. Der rote Musterstreifen, der in Schußrichtung verläuft, wurde durch diese Stoffdurchtrennung ebenfalls durchtrennt, und dabei entstanden vier Fadenenden auf jeder Seite und zwar jeweils zwei längere und zwei kürzere Fadenenden. Und wenn man nun diese beiden Stoffstücke aneinanderhält, dann stellt man fest, daß an der Stelle, wo auf dem Gegenstück die beiden längeren Fadenenden sind, sich auf der anderen Seite die kürzen befinden und umgekehrt. Es handelt sich also hier um echte Anschlußstellen. Bei[oo] beiden Stoffstücken ist in Kettrichtung eine Rißdurchtrennung gemeinsam. Sie hat eine Länge von ca. 8 cm. Durch die Freilegung von 9 Kettfäden entstanden zu beiden Seiten dieser Rißdurchtrennung pinselförmig ausgefranste Schußfadenenden von etwa 5-6 mm Länge. Und dieses Rißbild hat auf beiden Seiten eine große Ähnlichkeit. Es findet dann in waagerechter Richtung im Geschirrtuch selbst seine Fortsetzung, und zwar in Form einer ca. 3 cm langen Rißbeschädigung.

Aus den angeführten Gründen handelt es sich bei den beiden Stoffstücken um Paßstücke mit charakteristischen Anschlußstellen, die gerade bei mikroskopischer Betrachtung als solche zu erkennen sind. Der Stoffrest, der zur Fertigung des Sprengkörpers gedient hatte, der im Axel-Springer-Verlagsgebäude in Hamburg gefunden worden ist, [9165] stammt somit ohne jeden Zweifel aus dem Geschirrtuch, das man in Hamburg, Paulinenallee 36 gefunden hatte.

Vors.:

Dankeschön. Wollen wir sagen, gefunden haben soll. Ja, für Sie ist es nur eine Meldung gewesen.

Sachverst. Dr. Kis[sling]:

Ja, ich gehe davon aus, daß man es dort gefunden hat.

Vors.:

Das Gutachten basiert also einmal auf der Übereinstimmung des Materials, das Sie ja festgestellt haben, des Stoffmaterials, der Farbmuster. Überhaupt aller äußerer Kennzeichen und der Spuren, die entstanden sind beim Abtrennen dieses Stoffteils aus dem größeren Geschirrtuch.

Sachverst. Dr. Kis[sling]:

Ja. Wobei diese Anschlußstellen in ihrem Beweiswert wesentlich höher einzuschätzen sind.

Vors.:

Ja natürlich. Ich meine, dasselbe Material könnte aus derselben Fertigung her sein. Das ist nur ein Hinweis, daß es nicht auszuschließen ist, daß es davon stammt. Wogegen die Anschlußstellen in ihrer charakteristischen Gestaltung der Entsprechung beim einen und anderen Teil für Sie diesen Schluß zulassen, ohne Zweifel sind das Paßstücke, die zusammengehören.

Sachverst. Dr. Kis[sling]:

Ja.

Vors.:

Dankeschön. Weitere Fragen zu diesem Gutachten? Herr Berichterstatter, bitte.

Richter Ma[ier]:

Kann man vielleicht gerade noch die Stelle sehen, wo Sie sagten, daß an beiden Stücken Sengspuren vorhanden sind. Können Sie uns das zeigen?

Der Sachverständige Kissling erläutert am Richtertisch anhand der ihm vorgelegten Asservate B 51/12. Stockwerk/Flur Pos. 1.4 und E 37 A 49.4 die Sengspuren der Geschirrtücher.

Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit, die Ausführungen des Sachverständigen am Richtertisch mit zu verfolgen.

Sachverst. Dr. Kis[sling]:

Das ist hier eine Randkante, und wie Sie sehen, also hier kann man nun jetzt nicht 1 cm wörtlich nehmen, ca. 1 cm fehlt auf beiden Seiten dieser Randkante hier, hier ist es besser zu sehen, fehlt etwa 1 cm. Und hier sieht man vielleicht mit bloßem Auge schon eine leichte Bräunung, diese Fadenstellen und unter dem Mikroskop sieht man dann, daß es sich offenbar um Sengspuren hier handelt, die also möglicherweise von einem heißen Bügeleisen oder, ich mein, das sind jetzt reine Hypothesen, herrühren.

Richter Ma[ier]:

Und die waren, diese Sengspuren an beiden Stücken, zueinander passend?

[9166] Sachverst. Dr. Kis[sling]:

An beiden Stücken. Hier sind sie und hier sind sie.

Richter Ma[ier]:

Dankeschön.

Vors.:

Wenn weitere Fragen an den Herrn Sachverständigen sind, anhand des hier vorliegenden Materials, bitte ich die Fragen gleich zu stellen.

Zunächst die Herrn der Bundesanwaltschaft oder beim Gericht. Hat niemand mehr Fragen? Herr Bundesanwalt Zeis, bitteschön.

OStA Z[eis]:

Ich hätte eine Frage, Herr Vorsitzender, nach der Ausbildung und der Sachkunde des Herrn Sachverständigen. Wenn Sie vielleicht, Herr Dr. Kissling, ganz kurz dazu ein paar Sätze sagen könnten.

Sachverst. Dr. Kis[sling]:

Meinen Sie jetzt den Studiengang?

OStA Z[eis]:

So genau will ich es nicht wissen. Aber nur in etwa die Ausbildung, die Sie befähigt, solche Urteile hier abzugeben.

Sachverst. Dr. Kis[sling]:

Ich habe zunächst mein Studium begonnen mit zwei Semester technische Chemie und habe dann Biologie und Chemie fürs Lehrfach studiert. Und habe dann aber mein Studium abgeschlossen mit der Promotion, wobei als Hauptfächer Mikrobiologie und Botanik waren. Und als Nebenfächer Zoologie und Chemie.

OStA Z[eis]:

Vielleicht noch, Herr Dr. Kissling, wie lang Sie im Bundeskriminalamt als Sachverständiger schon tätig sind?

Sachverst. Dr. Kis[sling]:

Knapp 9 Jahre.

OStA Z[eis]:

Dankeschön. Ich habe keine weiteren Fragen mehr.

Vors.:

Bitte, Herr Rechtsanwalt Schnabel, Sie haben sich zunächst gemeldet.

RA Schn[abel]:

Herr Zeis kam mir zuvor.

Vors.:

Hat sich erledigt, dankeschön.

Der Angeklagte Raspe erscheint um 14.24 Uhr für kurze Zeit im Sitzungssaal.

Dem Sachverständigen Dr. Kissling werden die Asservate C 2.1 Pos. 7 und E 25-Schlafzimmer- Pos. 44 - Lederhandschuhe - vorgelegt.

Diese Asservate werden vom Gericht in Augenschein genommen.

Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit, am Augenschein teilzunehmen.

Vors.:

Auch in diesem Zusammenhang, Herr Dr. Kissling, die Frage an Sie, ob Ihnen diese Asservate zur Untersuchung vorgelegen haben?

Sachverst. Dr. Kis[sling]:

Ja.

[9167] Vors.:

Wenn ja, dann bitte ich um die Bekanntgabe des Ergebnisses.

Sachverst. Dr. Kis[sling]:

Und zwar lag mir zunächst zur Untersuchung vor, ein linker roter Damenhandschuh, der laut Anschreiben vorgefunden wurde in Hamburg, Ohlsdorferstraße 1-3. Und nach diesem Untersuchungsantrag sollte festgestellt werden, ob sich an den Handschuhen biologisch auswertbare Spuren befinden, vor allem hinsichtlich der Frage, ob dieser Handschuh einer bestimmten Person zugeordnet werden könnten. Als zweite Frage war gegeben, ob sich bereits in der Kriminaltechnik ein Ergänzungsstück zum Paar befindet. Zunächst zu der ersten Frage, die die biologisch auswertbaren Spuren betrifft. Derartige Spuren konnten nicht gefunden werden. Als einzige mögliche Spuren kamen in Betracht, Schweißabsonderungen im Inneren der Handschuhe, die also auf den Träger einen gewissen Rückschluß zulassen würden. Es wurden daher aus dem Innern der Handschuhe Proben entnommen, und im Absorbtionsverfahren nach Holzer überprüft. Dabei konnten aber keine gruppenspezifischen Substanzen nachgewiesen werden. Dann zu der zweiten Frage, was das Ergänzungsstück zum Paar anbetrifft. Bei dem Beweismittel aus der Ohlsdorferstraße handelte es sich um einen linken roten Damenlederhandschuh. Und ein rechter Damenlederhandschuh mit gleichartigem Aussehen befand sich bereits in der Fachgruppe Biologie, und zwar war es ein Handschuh, der seinerzeit Gudrun Ensslin bei ihrer Festnahme abgenommen worden war. Wir haben auch hier von diesen Handschuhen Aufnahmen gefertigt, aus denen das gleichartige Aussehen dieser Handschuhe zu ersehen ist. Zunächst zog ich in entsprechenden Fachgeschäften Erkundigungen ein. Und dabei wurde mir übereinstimmend die Auskunft erteilt, daß es sich hierbei um Schweinslederne, chromgebeizte Handschuhe der Größe 6 ½ handelt. Als auffallend wurde bezeichnet, einmal die geringe Größe - 6 ½ ist die kleinste Damengröße - und zum anderen die ausgefallene rote Farbe. Denn diese Farbe neigt zum Abfärben. Es wurde auch die Vermutung übereinstimmend geäußert, daß diese Handschuhe von der Firma Grupp KG in Weißenstein Württenberg hergestellt worden sind. Nun zu den eigenen Untersuchungen. Diese ergaben zunächst, daß beide Handschuhe aus gestanzten Einzelteilen gleicher Größe gefertigt wurden, und zwar wurden sie teils von Hand und teils maschinell genäht. Die beiden Seitenaußenkanten, die Finger und die Daumen wurden von Hand genäht. Und dabei fand ein dreifacher Zwirn in drei S-Z-Drehung aus weinroter merzerisierter Baumwolle Verwendung. Die Abschluß- [9168] kanten der Handgelenke und die großen Löcher am Handschuhrücken wurden maschinell gesäumt, und auch das Annähen der Verschlußlaschen erfolgte mit der Maschine. Als Obergarn kam hier jeweils zur Anwendung ein dreifacher Zwirn in drei S-Z-Drehung aus weinroter Seide Und als Untergarn ein zweifacher Zwirn in zwei S-Z-Drehung aus weinroter merzerisierten Baumwollfaser. Weiterhin war an beiden Handschuhen - und zwar an den Außenkanten im Handgelenk - jeweils ein Wulststreifen, und dieser wurde angenäht mit der Maschine mit einer Zickzacknaht. Und zu dieser Zickzacknaht wurde als Obergarn ein zweifacher Zwirn in zwei S-Z-Drehung aus beigen merzerisierten Baumwollfasern benutzt, und als Untergarn ein vierfacher Zwirn in vier Z-2 S-Drehung aus roten merzerisierten Baumwollfasern. Darüber hinaus waren beide Handschuhe mit gleichartigen roten Druckknöpfen versehen, und beide Handschuhe wiesen auch einen etwa vergleichbaren, einen ähnlichen Abnutzungs- und Verschmutzungsgrad auf. Aufgrund dieser Befunde spricht somit nichts dagegen, daß diese Handschuhe ehemals ein Paar gebildet haben, und man könnte umgekehrt sagen, daß diese Befunde dafür sprechen, daß die untersuchten Handschuhe ehemals zusammen gehörten und als Teile ein und desselben Paares anzusehen sind.

Vors.:

Dankeschön. Kann man davon ausgehen, daß es sich dabei um ein Serienprodukt handelt?

Sachverst. Dr. Kis[sling]:

Ja, es ist also ein Serienprodukt selbstverständlich in dem Sinn, daß man sagt, es ist keine Einzelanfertigung, aber da kann ich nun nicht aus Erfahrung sprechen, daher auch meine Erkundigungen in entsprechenden Fachgeschäften. Es ist ein etwas ausgefallener Handschuh, es ist ein sogenannter Autofahrerhandschuh, aber es ist keine Massenware, aber selbstverständlich auch keine Einzelanfertigung.

Vors.:

Abgesehen von dem Abnutzungsgrad und Verschmutzungsgrad, den Sie eben erwähnt haben, gibt es an solch einem Produkt irgendwelche individuellen Spuren die, sagen wir mal, nur einem oder wenigen Paaren anhaften würden?

Rechtsanwalt Oberwinder erscheint wieder um 14.32 Uhr im Sitzungssaal.

Sachverst. Dr. Kis[sling]:

Ja derartige Spuren sind prinzipiell grundsätzlich möglich. Da könnte man jetzt also seiner Fantasie freien Lauf lassen, und, sagen wir mal, in beiden Handschuhen gleichartige Pollen feststellen [9169] oder irgend etwas. Man sucht das Beweisstück ab nach irgendwelchen Spuren und sieht zu, ob man diese Spuren, in diesem Fall biologischer Natur natürlich, ob man die bei dem anderen Handschuh auch findet. Es kann der Zufall es bringen, daß man ganz ausgefallene biologische Spuren an beiden Handschuhen findet. Das war aber in diesem Fall nicht der Fall. Im Gegenteil, es waren überhaupt keine entsprechenden[pp] Spuren, die jetzt in irgendeiner Weise einen Hinweis auf eine Person oder auf irgendeine Tätigkeit, die mit diesen Handschuhen durchgeführt worden wäre, gestattet hätte.

Vors.:

So daß also das Gutachten getragen wird von der Tatsache a. kleine Größe, die offenbar nicht so häufig zu sein scheint, wenn ich Sie recht verstanden habe ...

Sachverst. Dr. Kis[sling]:

Nein, es ist die kleinste Damengröße, und dem entsprechend eben nicht so häufig in der Produktion.

Vors.:

Die Farbe dazu, die offenbar nicht allzu sehr geeignet ist ...

Sachverst. Dr. Kis[sling]:

... die nicht farbecht ist ...

Vors.:

... farbecht ist und schließlich noch der Verschmutzungsgrad und die Abnutzungsspuren, die nach außen jedenfalls den Eindruck erwecken, als seien diese beiden Handschuhe gleichlang etwa benutzt worden. Kann man das so etwa beurteilen?

Sachverst. Dr. Kis[sling]:

Ja, ja.

Vors.:

Dankeschön. Ich mein, von der Materialgleichheit und der Verarbeitungsweise, die auch korrespondiert bei beiden Handschuhe, abgesehen.

Sachverst. Dr. Kis[sling]:

Ja.

Vors.:

Dankeschön. Weitere Fragen dazu? Ich sehe beim Gericht nicht. Die Herrn der Bundesanwaltschaft? Keine Fragen. Herr Rechtsanwalt Schnabel oder Herr Rechtsanwalt Schily bitte. Herr Rechtsanwalt Schily, es ist Ihre Mandantin, Herr Rechtsanwalt Schnabel läßt Ihnen den Vortritt.

RA Schi[ly]:

Herr Dr. Kissling, wie kommen Sie zu der Auffassung, daß die Größe, die kleinste Damengröße, wie Sie sagen, in relativ kleiner Zahl produziert wird?

Sachverst. Dr. Kis[sling]:

Das ist etwas, was ich bei diesen Erkundigungen festgestellt hab und ich meine, daß das eine Schlußfolgerung ist, die man daraus ziehen kann. Die kleinste Damengröße wird wohl nicht von der Masse der Damenwelt getragen.

RA Schi[ly]:

Woher wissen Sie das, wie kommen Sie zu dieser Erklärung? Haben Sie darüber irgendwelche wissenschaftliche Feststellungen getroffen?

[9170] Sachverst. Dr. Kis[sling]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Das ist also eine Vermutung, die Sie aufstellen.

Sachverst. Dr. Kis[sling]:

Ja ich sagte schon vorhin, die Tatsache, daß es sich hier um die Größe 6 ½ handelt, die habe ich durch Erkundigungen festgestellt. Das heißt, ich nicht selber, sondern diese Auskunft habe ich bekommen, und ich habe auch die Auskunft bekommen, daß diese kleinste Damengröße entsprechend seltener hergestellt wird, als die durchschnittliche Damengröße. Mir selbst liegt aber kein statistisches[qq] [rr] Material vor, wieviel Prozent der Damenhandschuhe in der Größe und wieviel in einer anderen Größe hergestellt werden.

RA Schi[ly]:

Können Sie überhaupt etwas darüber aussagen, in welcher Auflage solche Handschuhe produziert werden in Serien?

Sachverst. Dr. Kis[sling]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Können Sie gar nichts darüber berichten.

Sachverst. Dr. Kis[sling]:

Nein. Ich habe mich erkundigt danach, gibt es solche Handschuhe häufiger oder sind die seltener. Und dabei wurde ich vor allen Dingen hingewiesen auf die geringe Größe und auf die ausgefallene Farbe.

RA Schi[ly]:

Ahja, das sind ja nicht eigene Erkenntnisse, sondern das ist, was Sie erfahren haben. Aber über die Auflage können Sie nichts sagen?

Sachverst. Dr. Kis[sling]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Dankeschön.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schnabel, bitte.

RA Schn[abel]:

Herr Sachverständiger, Sie äußerten vorher, es sei Ihnen in Fachgeschäften gesagt worden, vermutlich stammten diese Handschuhe von einer bestimmten Firma?

Sachverst. Dr. Kis[sling]:

Ja.

RA Schn[abel]:

Haben Sie dann bei dieser Firma nachgeforscht, ob sie auch wirklich von dort stammen?

Sachverst. Dr. Kis[sling]:

Nein, ich glaube auch nicht, daß das meine Aufgabe gewesen wäre. Das wäre eine Ermittlungssache gewesen.

RA Schn[abel]:

Nein, das wäre insofern, Herr Sachverständiger, wohl keine Ermittlungssache, sondern Ihre Aufgabe gewesen, als Sie dann nämlich schon eher hätten[ss] beantworten können, was vorhin der Kollege Schily gefragt hat ...

Vors.:

Gut, also Sie haben die Frage mit „Nein“ beantwortet ...

RA Schn[abel]:

Denn dann hätte man feststellen können, warum haben Sie es nicht getan. Ja dann frage ich weiter. Warum haben Sie es nicht ge- [9171] tan?

Sachverst. Dr. Kis[sling]:

Weil ich das, wie gesagt, nicht[tt] als meine Aufgabe im Rahmen der kriminaltechnischen Untersuchungen [uu] angesehen habe. Denn mir ging es darum, bei diesen Erkundigungen, ob ich[vv] in entsprechenden Fachgeschäften irgendwelche Anregungen bekommen könnte, welche Merkmale man für vergleichende Untersuchungen heranziehen könnte. Und diese Merkmale hätte ich dann in eigenen Untersuchungen miteinander verglichen.

RA Schn[abel]:

Herr Sachverständiger, in wieviel Fachgeschäften waren Sie denn?

Sachverst. Dr. Kis[sling]:

Das kann ich Ihnen jetzt nicht sagen. Ich bin also in mehreren Fachgeschäften gewesen. Und nachdem man mir übereinstimmend diese Auskünfte gegeben hat, ich finde diese Auskünfte auch jetzt nicht so ungeheuer wichtig ...

RA Schn[abel]:

Ja ich mein, Sie haben sie ja eingeführt in Ihr Sachverständigengutachten. Wenn sie nicht gewichtig sind, hätten Sie sie ja gar nicht bringen brauchen.

Vors.:

Das ist nun keine Frage. Wenn Sie meinen, daß Sie das in Frageform an den Herrn Sachverständigen stellen wollen, um darüber Aufklärung zu bekommen, die Möglichkeit ist gegeben.

RA Schn[abel]:

Ja sicher, dann stelle ich es eben umgekehrt. Herr Sachverständiger, warum haben Sie dann lange Ausführungen darüber gemacht und sagen jetzt, es sei unwichtig?

Vors.:

Ausführungen, ob sie lang waren im Verhältnis, das ist eine andere Frage.

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender, wir beanstanden den Vorhalt. Der Herr Sachverständige hat gesagt, für mich war die Frage nicht ungeheuer wichtig. Herr Rechtsanwalt Schnabel ...

RA Schn[abel]:

Also dann mache ich es noch exakter. Warum haben Sie dann überhaupt Ausführungen gemacht, wenn es nicht wichtig ist. Ich gehe doch davon aus, daß ein Sachverständiger nur wichtige Ausführungen hier macht.

OStA Z[eis]:

Der Vorhalt ist immer noch unrichtig, Herr Vorsitzender.

RA Schn[abel]:

Nein, der ist nicht unrichtig.

Vors.:

Ja ich glaube, Herr Rechtsanwalt Schnabel, das läßt sich auch ohne die Bemühung des Herrn Sachverständigen beantworten. Es gibt eben Fakten, die ein gewisses Gewicht haben ...

RA Schn[abel]:

Entschuldigung, Herr Vorsitzender, ich stelle an den Herrn Sachverständigen Fragen und erwarte die Antwort von ihm, und nicht von Ihnen, Herr Vorsitzender.

[9172] Vors.:

Die Frage geht dahin bei Ihnen, warum er Ausführungen gemacht habe, wobei Sie voraussetzen, daß er grundsätzlich nur Ausführungen macht, die ungeheuer wichtig sind.

RA Schn[abel]:

Herr Vorsitzender, das ist unrichtig. Ich habe nicht von „ungeheuer“ gesprochen. Dieses Wort gebrauche ich nicht im Gegensatz vom Herrn Bundesanwalt.

Vors.:

Gut, also aber jedenfalls besonders wichtig seien.

RA Schn[abel]:

Ich habe nur wichtig gesagt, wenn man schon Wortklaubereien hier durchführt.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, Sie setzen voraus, daß der Sachverständige nur wichtige Aussagen macht. Wenn Sie also die Fragen an ihn stellen wollen, ob er nur wichtige Aussagen macht, bitte, die kann der Herr Sachverständige jederzeit beantworten.

RA Schn[abel]:

Diese Frage habe ich auch nicht gestellt. Ich habe an den Herrn Sachverständigen die Frage gestellt ...

Vors.:

Aber diese Frage müssen Sie voraussetzen, sonst können Sie Ihre Frage nicht stellen.

RA Schn[abel]:

Nein, die muß ich nicht voraussetzen. Ich habe die Frage gestellt, weshalb haben Sie diese Ausführungen gemacht überhaupt, wenn sie nicht wichtig sind.

Vors.:

Gut.

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender, ich ...

Vors.:

Ich bitte, ich glaube wir lassen die Frage ...

OStA Z[eis]:

Nein, es liegt mir daran, falls der Herr Rechtsanwalt mich mit der Wortklauberei gemeint haben sollte, dann verwahre ich mich dagegen ganz energisch, Herr Rechtsanwalt Schnabel.

Vors.:

Ich glaube nicht. Ich bin überzeugt, daß er mich damit gemeint hat. Aber ich verwahre mich in diesem Falle nicht dagegen. Ich bitte jetzt, die Frage zu beantworten.

Sachverst. Dr. Kis[sling]:

Ja ich finde die Frage, wichtig oder nicht, ist relativ. Ich glaube, daß bei so einem Vergleich man alles anführen sollte, was irgendwie in einer Weise dienlich sein könnte. Ich wollte mit meinen Ausführungen nur sagen, daß diese Auskünfte, die ich bekommen habe ad 1) chromgebeizt, ad 2) schweinsledern, ad 3) Größe der Handschuhe, daß diese Ausführungen[ww] nicht völlig unwichtig sind, aber umgekehrt gesehen in ihrer Gewichtung durchaus in Grenzen sind. So wollte ich das verstanden sehen.

Rechtsanwalt Pfaff verläßt um 14.40 Uhr für kurze Zeit den Sitzungssaal.

[9173] RA Schn[abel]:

Herr Sachverständiger, wenn Sie sie nicht für vollkommen unwichtig halten, dann wird es wohl auch noch mit meine Aufgabe als Verteidiger sein, nachzuprüfen, wie Sie zu diesen Ausführungen kommen. Und deswegen nochmals die Frage, in wieviel Fachgeschäften waren Sie denn, denn das ist dann eine wichtige Frage meinerseits, wenn Sie dann hier Ausführungen darüber machen, daß diese Handschuhe relativ gering hergestellt werden und daß es die kleinste Größe sei, und ähnliches, was Sie hier ausgeführt haben, dann möchte ich gern nachprüfen, aufgrund welcher Auskünfte von wieviel Fachgeschäften und gegebenenfalls auch noch welcher Fachgeschäfte Sie zu diesen Ausführungen kommen.

Vors.:

Die Frage ist im Augenblick gestellt und beantwortet worden. Der Herr Sachverständige hat gesagt, er sei bei mehreren Geschäften gewesen, wüßte aber heute nicht mehr im einzelnen, um welche es sich gehandelt hat und auch die Zahl nicht mehr.

RA Schn[abel]:

Ja dann frage ich weiter, ich mein, das ist ja dann, wenn man hier als Sachverständiger Ausführungen macht ...

Vors.:

Ja fragen Sie doch weiter, Herr Rechtsanwalt.

RA Schn[abel]:

... dann kann man ja nicht dann sagen, das weiß ich nicht mehr. Waren Sie in zwei Geschäften, waren Sie etwa in 10 Geschäften oder waren Sie in 100 Geschäften?

Sachverst. Dr. Kis[sling]:

Ich müßte einen Näherungswert angeben, 5-10.

RA Schn[abel]:

Ja. In welcher Stadt denn, wissen Sie das noch?

Sachverst. Dr. Kis[sling]:

In Wiesbaden.

RA Schn[abel]:

Nur in Wiesbaden?

Sachverst. Dr. Kis[sling]:

Ja.

RA Schn[abel]:

Danke

Vors.:

Sonstige Fragen an den Herrn Sachverständigen? Ich sehe nicht.

Wird ein Antrag auf Vereidigung des Herrn Sachverständigen gestellt? Anträge auf die Vereidigung des Sachverständigen Dr. Kissling werden nicht gestellt.

Der Sachverständige Dr. Kissling bleibt gem. § 79 StPO[11] unbeeidigt und wird im allseitigen Einvernehmen um 14.42 Uhr entlassen.

Vors.:

Herr Dr. Grooß, darf ich nochmals um Ihre Personalien bitten?

Der Sachverständige Dr. Grooß machte folgende Angaben zur Person:

[9174] Sachverständige Dr. Grooß

Dr. Klaus-Dieter Grooß, 40 Jahre alt, wissenschaftlicher Oberrat am Bundeskriminalamt,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert,
wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Dem Sachverständigen Grooß werden die Asservate B 51 12. Stockwerk/Toilette Pos. 1.3.1 und E 23 V/ 5 Pos. 313 - Plastikteile - vorgelegt.

Diese Asservate werden vom Gericht in Augenschein genommen.
Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit, am Augenschein teilzunehmen.

Sachverst. Dr. Grooß:

Diese beiden Asservate sind mir zur Untersuchung vorgelegt worden. Es ging um die Frage, ob beide Teile zusammengehörten. An beiden Plastikteilen sind Sägespuren erkennbar oder die Spuren eines zum Sägen geeigneten Werkzeuges. Der Außendurchmesser des zylinderischen Teils ist bei beiden Plastikteilen gleich und beträgt K 75,3 - 75,8 mm. Das Material ist Plastik, und hat eine Stärke von 1,3 bis 1,4 mm. Von dem mit 12/2 gekennzeichneten Plastikteil ist am zylinderischen Teil ein Stück entfernt worden von der Größe ungefähr 36 x 13 mm. Auch an dem Plastikteil, das in Frankfurt sichergestellt worden sein soll, fehlt ein Stück Material. Die beiden Plastikteile wurden an der Trennsägung[xx] aneinander gepaßt, dabei ergaben sich folgende Feststellungen: Die zwei Plastikteile lassen sich an einer Strecke von ca. 55 mm aneinanderpassen, entlang eines charakteristischen Schnittverlaufs. Eine ca. 19 mm lange Trennsägung durchschneidet quer die rund verlaufende Sägespur. Der Trennschnitt verläuft höhengleich in einer Richtung. Unmittelbar an dieser Stelle - und zwar innen - durchkreuzt schräg ein tiefer ca. 16 mm langer Kratzer die rund verlaufende Trennsägung. Diese Linien liegen an dem Schnittpunkt übereinander. Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit wurde der Kratzer vor dem Auseinandertrennen der zwei Plastikteile verursacht. Innen der Trennsägung gegenüber liegend, befindet sich in einer Höhe rechts und links neben dem rundverlaufenden Trennsägung im Material der Plastikteile mehrere Kratzer. Diese Kratzer dürften bei einem sägeartigen Vorgang entstanden sein. Nach Gesamtbetrachtung der Paß- [9175] stücke und der Werkzeugspuren auf den Plastikteilen kann gesagt werden, daß die zwei übersandten Plastikteile ursprünglich ein Ganzes gebildet haben. Es dürfte sich hierbei um die Gießform zum Gießen von Kunstharz gehandelt haben.

Vors.:

Dankeschön. Nur zu zwei Sätzen. Sie haben bei dem Kratzer erwähnt, daß er nach oder mit erheblicher Wahrscheinlichkeit vor dem Sägevorgang schon entstanden sein dürfte. Habe ich das recht verstanden. Das ist zwar für Ihr Gutachten, wenn ich es recht verstehe, nicht von ausschlaggebender Bedeutung, aber gibt es dafür wirklich Anhaltspunkte?

Sachverst. Dr. Grooß:

Auf beiden Plastikteilen hat dieser Kratzer die gleiche Stärke und es fehlen in beiden Fällen in der Spur individuelle Merkmale.

Vors.:

Und wieso können Sie annehmen, wenn das bei dem Sägevorgang entstanden wäre, würde das anders aussehen?

Sachverst. Dr. Grooß:

Weil die Spur über die Trennfläche rüberläuft.

Vors.:

Und ... wir können es vielleicht hier, wenn Sie uns das mal vorführen wollen, besichtigen.

Rechtsanwalt Oberwinder verläßt um 14.47 Uhr den Sitzungssaal.

[9176] Der SV Dr. Grooß gibt anhand der ihm vorgelegten Asservate
B 51/12. Stockwerk/Toilette Pos. 1.3.1 und
E 23 V/5 Pos. 313 - Plastikteile -
Erläuterungen am Richtertisch ab.

Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit, die Ausführungen des SV am Richtertisch mit zu verfolgen.

Sachverst. Dr. Grooß:

Das sind hier die beiden Teile. Hier ist die in dem Bereich verlaufene Sägespur mit einer charakteristischen Trennsägung, hier ist der durchgehende ... Durchtrennung von rund 19 mm. Hier innen befindet sich dieser durchgehende Kratzer auf beiden Teilen. Und hier auf der Seite sind rechts und links Spuren eines Werkzeuges erkennbar.

Vors.:

Ja, er ist gut zu sehen, er läuft so diagonal drüber.

Sachverst. Dr. Grooß:

Ja.

RA Schi[ly]:

Können Sie ihn nochmals zeigen, Herr Dr. Grooß?

Sachverst. Dr. Grooß:

Ich habe auch nicht gesagt, daß es den ganzen Umfang passt; und zwar ist unter der Lupe erkennbar, daß hier in diesem Bereich ganz eindeutige Sägespuren sind. Dann kommen hier in dem Bereich, wo die Übereinstimmung nicht mehr gegeben ist, Spuren eines Werkzeuges, das ich nicht identifizieren kann. Es ist hier eine plastische, so[yy] daß also das Material an dem Schmelzpunkt teilweise noch angebracht war.

Vors.:

Danke, die Asservate können wir Ihnen wieder ... Herr Dr. Grooß wenn Sie sie mitnehmen wollen, wir müssen ja nachher verpacken. Sind weitere Fragen an den Herrn Sachverständigen? Herr Berichterstatter, Fragen? Keine Fragen. Beim Gericht sehe ich nicht. Die Herren der Bundesanwaltschaft, Fragen an den Herrn Sachverständigen? Ich sehe nicht. Herr Rechtsanwalt Schily, Sie haben sich gemeldet. Bitteschön.

RA Schi[ly]:

Herr Dr. Grooß, habe ich das richtig mitbekommen oder habe ich Sie da mißverstanden? Bei diesem Sägevorgang, das ist die Stelle, Sie sagen, da seien verschiedene Werkzeuge verwendet worden bei der Trennung dieser beiden Teile, einmal eine Säge und einmal irgendein anderes Werkzeug, das Sie nicht identifizieren können.

Sachverst. Dr. Grooß:

Ja. Auch die Säge kann ich nicht identifizieren. Ich kann das Werkzeug nicht benennen. Wir haben also Versuche gemacht, was es hätte sein können. Die Versuche haben zu keinem eindeutigen Ergebnis geführt.

[9177] RA Schi[ly]:

Ja. Und nur; an dem ... an der ... wie soll man sagen, an dem Stück, wo also Sie ... nach Ihrer Auffassung gesägt worden ist, da gibt es dann Paßstücke oder Paßpartien, die nun zueinander passen oder wie?

Sachverst. Dr. Grooß:

Nein, es gibt in dem Fall prinzipiell bei der Säge keine Paßspuren in der Form, wie man sie bei einem Schnitt hat, sondern hier ist nur auswertbar die Sägespur als solche, um es genauer zu sagen, der Verlauf der Sägespur.

RA Schi[ly]:

Ja wie ... also die ... sollen wir sagen, die Länge der Sägespur die ist entsprechend oder kann man auch sagen, der ... daß da Merkmale die ...

Sachverst. Dr. Grooß:

Die Wellenform der Sägespur, wenn man es vielleicht so ausdrücken kann, die Welligkeit.

RA Schi[ly]:

Ja würden Sie denn bei jedem Material, wenn ich zum Beispiel einen Baumstamm, also mal ein ganz simples Beispiel, auseinandersäge, könnten Sie dann ... da könnten Sie vielleicht[zz] sogar noch nach den Ringen oder was ... vielleicht ein schlechtes Beispiel ... Nehmen wir also irgendein Material, in dem solche Merkmale nicht vorhanden sind ...

Sachverst. Dr. Grooß:

Metall.

RA Schi[ly]:

... Metall, könnten Sie denn da ... dann feststellen am Sägevorgang „Paßstücke“?

Sachverst. Dr. Grooß:

Ja wenn Sie ein ... mit einer Hand geführten Säge ein Stück Messingblech, beispielsweise, auseinandersägen, werden Sie diese charakteristischen Trennsägung, beziehungsweise deren Verlauf erhalten, aus der Sie die Aussage machen können.

RA Schi[ly]:

Haben Sie darüber Versuche angestellt?

Sachverst. Dr. Grooß:

Ja.

RA Schi[ly]:

Wann, wenn ich Sie fragen darf?

Sachverst. Dr. Grooß:

Eigentlich haben wir uns beschäftigt ... oder beschäftigen uns ständig mit Sägespuren.

RA Schi[ly]:

Ich frage nun, welcher Art und wann haben Sie Versuche da entsprechender Art angestellt, also um nun zu diesem Satz zu kommen, daß da bei solchen Sägespuren sich individuelle Merkmale finden, die also einen Schluß gestatten in der Richtung, daß man sagt ...

Sachverst. Dr. Grooß:

Ich habe hier in dem Zusammenhang auch nicht von individuellen Merkmalen gesprochen ...

RA Schi[ly]:

Sondern?

Sachverst. Dr. Grooß:

... sondern nur von charakteristischen Merkmalen.

[9178] RA Schi[ly]:

Was ist denn der Unterschied?

Sachverst. Dr. Grooß:

Das charakteristische Merkmal ist ein Hinweis - hier in dem Fall - zur Zusammengehörigkeit, aber nicht ein Beweis.

RA Schi[ly]:

Ah, das ist also hier kein Beweis, sondern nur ein Hinweis, das ist ja schon ... bei individuell meinen Sie, wäre es ein Beweis?

Sachverst. Dr. Grooß:

Ja, wenn die individuellen Merkmale in einer Spur hier vorhanden wäre, dann hätte ich als Schlußsatz nicht gesagt: ... Nach Gesamtbetrachtung kann gesagt werden, sondern hätte gesagt: Nach Gesamtbetrachtung steht fest.

RA Schi[ly]:

Aha, also ist Ihr Satz, den Sie hier sagen, eigentlich allenfalls eine Wahrscheinlichkeit oder eine Möglichkeit, kann man so sagen?

Sachverst. Dr. Grooß:

Eine Wahrscheinlichkeit.

RA Schi[ly]:

Eine Wahrscheinlichkeit, deren Grad Sie aber nicht festlegen können.

Sachverst. Dr. Grooß:

Ja.

RA Schi[ly]:

Dankeschön, ich habe keine Fragen mehr.

Vors.:

Bitte, Herr Dr. Breucker.

Richter Dr. Br[eucker]:

Trifft diese Wahrscheinlichkeitsaussage auch für diese Kratzspur zu oder kann man dieser Kratzspur ...

Sachverst. Dr. Grooß:

Auch in diesen Spuren ist kein individuelles Merkmal drin. Wir haben auf beiden Teilen des Körpers eine Spur mit ... von der man ... die aussieht wie ein individuelles Merkmal, von der ich aber nicht ausschließen kann, daß es sich um eine Fertigungsspur handelt, deshalb habe ich diese Spur überhaupt nicht betrachtet.

Vors.:

Kann man feststellen, daß von diesen charakteristischen, nicht individuellen Merkmalen hier eine größere Anzahl vorhanden ist?

Sachverst. Dr. Grooß:

Es ist ...

Vors.:

Ich meine jetzt zum Beispiel, durch den Sägevorgang entstehen doch wahrscheinlich viele Spuren, die alle für sich genommen zwar nicht individuell sind, aber möglicherweise charakteristisch. Oder gilt das nur für ein Merkmal?

Der SV Dr. Grooß gab nochmals anhand der ihm vorgelegten Asservate
B 51/12. Stockwerk/Toilette Pos. 1.3.1 und
E 23 V/5 Pos. 313 - Plastikteile -
Erläuterungen am Richtertisch ab.

[9179] Sachverst. Dr. Grooß:

Das ist hier also diese verlaufende Trennlinie, das ist das, was ich als charakteristisch bezeichnet habe.

Vors.:

Setzt das nicht voraus, daß, wenn man das hier wieder so deckungsgleich aufeinander setzen kann, wie das jedenfalls der praktischen Probe nach hier möglich erscheint, daß dann auch die Bearbeitungsmerkmale auf der Trennfläche weitgehend übereinstimmen. Ist das irgendwie untersucht worden?

Sachverst. Dr. Grooß:

Das ist untersucht worden. Dies Plastikmaterial ist ein sehr stark schmierendes Material, was also zur Aufnahme von Spuren recht ungeeignet ist.

Vors.:

Dankeschön. Dann bitte ich, diese Asservate wieder zu verwahren. Wir können dann zum nächsten Gutachten kommen.

Dem Sachverständigen werden dazu die Asservate
E 37 H 2 - Zylinderschloß - und
C 2.1 Pos. 38 - 2 Schlüssel -
vorgelegt. Die Asservate werden vom Gericht in Augenschein genommen. Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit am Augenschein teilzunehmen.

Sachverst. Dr. Grooß:

Da es sich in den nächsten Gutachten um Profilzylinder handelt, halte ich es für sinnvoll, einige Einführungen in die Problematik des Zylinderschlosses zu geben und auch dem Gericht die DIN 18 252[aaa] - Schließzylinder mit Stiftzuhaltung für Türschlösser - zu überreichen.

Der Sachverständige übergibt die DIN-Vorschrift 18 252 über Schließzylinder mit Stiftzuhaltungen für Türschlösser dem Gericht.

Diese übergebene DIN-Vorschrift wird als Anlage 1 zum Protokoll genommen.

Sachverst. Dr. Grooß:

Diese Profilzylinder sind eine der verbreitetsten Schlösser, was auf verschiedene Ursachen zurückzuführen ist, unter anderem die relativ preiswerte Herstellung und der praktische Schlüssel. Und außerdem die sehr hohe Anzahl von Schließungen, die das System zuläßt.

Der Sachverständige erläuterte die Konstruktion des Zylinderschlosses am Richtertisch anhand eines Modellkastens.

Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit, die Ausführungen des Sachverständigen am Richtertisch mit zu verfolgen.

[9180-9181][12] [9182] Sachverst. Dr. Grooß:

Das Zylinderschloß besteht aus folgenden wesentlichen Teilen: Das Gehäuse, der Zylinder, der Schlüssel und hier beweglich in diesem Fall in 5 Bohrungen 5 Kernstifte. Diesen 5 Kernstiften stehen in diesen Bohrungen, die man hier sieht, 5 Gehäusestifte gegenüber, die von Federn nach oben gedrückt werden. Beim Einführen des Schlüssels werden die Gehäusestifte ... die Kernstifte so angehoben, daß sie mit der Mantellinie des Zylinders übereinstimmen. Wenn nun ein falscher Schlüssel in den Schlüsselkanal eingeführt wird, liegen die Kernstifte entweder oberhalb und würden dann also in diese Bohrung reingeschoben werden und dort eine Drehung des Zylinders verhindert oder wie hier, bei dem ersten Stift, würde der Gehäusestift in die Bohrung reinfallen und auch eine Drehung verhindern, also das, mit diesem Schlüssel, wäre der Zylinder gesperrt gegen Drehen. Der Schlüssel hier passt zwar in den Schlüsselkanal hinein, es ist aber nicht möglich, mit diesem Schlüssel den Kern zu drehen. Das hier müßte also dann nochmal der richtige Schlüssel sein. Um die Sache hier nochmal am Schnittmodell zu zeigen, also hier auch erst mal wieder die Übereinstimmung von Schließkanal und Schlüsselprofilierung, so daß der Schlüssel in den Schließkanal eingeführt werden kann. Die Kernstifte werden durch den Schlüssel so weit angehoben, daß sie mit der Zylinderoberfläche abschließen und der Schlüssel somit den Kern drehen kann.

Vors.:

Also hier ist charakteristisches Merkmal, daß die Federn eben unterschiedliche Höhen annehmen, um sich anzupassen.

Sachverst. Dr. Grooß:

Ja, das ist bedingt durch die unterschiedliche Länge ... Zu dem System als solches ist zu sagen, daß bei 5 Zuhaltungsstiften oder, wenn man das Paar als Zuhaltungsstift bezeichnet, von 10 Stiftlängen 105 Schließungen möglich sind, das sind also 100 000 Schließungen. Davon verbietet unter anderem die DIN 18 252 einige und zwar diejenigen, bei denen mehr als 3 Einschnitte gleich sind, und zwei gleich tiefe nebeneinander.

RA Eggler verläßt um 15.03 Uhr den Sitzungssaal.

Der Unterschied zwischen dem Höchsten und dem Tiefsten muß mindestens drei Stufensprünge betragen, dann, das spielt hier keine Rolle, daß Maßnahmen gegen das Hobbsche Verfahren ergriffen [9183] worden sein müssen. Wichtig hier in dem Zusammenhang ist die 2.5. Die Stufensprünge der Schlüsseleinrichtungen müssen mindestens 30 000 unterschiedliche Schließungen ergeben.

Vors.:

Sind an den Herrn Sachverständigen zu diesen Ausführungen irgendwelche Fragen im Augenblick? Hier, bitte.

RA Schw[arz]:

... nur die eine, Herr Dr. Grooß. Wie verhält es sich bei den Anlagen, die eine sogenannte „Generalschließanlage“ sind, so daß also beispielsweise in einem Gebäude die Haustüre mit einem Schlüssel sämtlicher Bewohner, das könnten mehrere 100 sein, geschlossen werden können, während aber mit dem selben Schlüssel individuell jeweils die Zugangstüren geschlossen werden. Was ist da der Unterschied.

Sachverst. Dr. Grooß:

Das kann man also über zwei Verfahren machen. Entweder über unterschiedliche Profilierung der Schlüssel bei gleicher Einschnitttiefe, so daß die Schlüssel jeweils gegenseitig nicht in den Schlüsselkanal reinpassen oder man kann es durch die Stifttrennung machen, daß einer dieser Kernstifte oder mehrere Kernstifte zweiteilig oder mehrteilig sind, so daß er also jeweils angehoben wird auf einer Trennfläche, das ist also quasi so ein Scheibchensystem, statt einem ...

RA Schw[arz]:

... vielleicht später nochmal ...

Sachverst. Dr. Grooß:

Das sind die beiden Verfahren für Zentralschloß- und Hauptschlüsselanlagen.

Vors.:

Wir danken Ihnen für diese Unterrichtung und, glaube ich, können dann zum Gutachten kommen.

Sachverst. Dr. Grooß:

Dreht es sich nur um die Asservate E 37 H 2 und C 2.1 Pos. 38 a?

Vors.:

Ja, wir sind gerade bei der Prüfung, ob die Nummer 2.8 f aus E 25/Flur auch da ist.

Sachverst. Dr. Grooß:

Die habe ich.

Vors.:

Die haben Sie dabei?

Der Sachverständige legt das Asservat
E 25/Flur 5 Pos. 2.8 f
dem Gericht vor.

Das Asservat wird vom Gericht in Augenschein genommen.

Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit, am Augenschein teilzunehmen.

[9184] Sachverst. Dr. Grooß:

Also das ist das Asservat E 37 H 2. Es handelt sich um einen ABUS-Zylinder, und hier das Asservat E 25/Flur 2.8f ein ABUS-Schlüssel. Und mit diesem Schlüssel läßt sich das Profilzylinderschloß beidseitig einwandfrei betätigen.

Der Sachverständige demonstriert die beidseitig einwandfreie Funktion des Zylinderschlosses E 37 H 2 mit dem Schlüssel E 25/Flur 2.8f.

Vors.:

Ferner noch das Asservat C 2.1 Pos. 38a, das Sie jetzt im Augenblick in der Hand haben.

Sachverst. Dr. Grooß:

Auch mit diesem Schlüssel läßt sich das Schloß einwandfrei betätigen.

Der Sachverständige demonstriert die einwandfreie Funktion des Zylinderschlosses E 37 H 2 mit dem Schlüssel C 2.1 Pos. 38a.

Vors.:

Und was ist die Schlußfolgerung, die gezogen werden kann?

Sachverst. Dr. Grooß:

Weiterhin waren an dem Schloß für die Funktion keine wesentlichen Veränderungen oder Beschädigungen erkennbar. Damit kann gesagt werden, daß diese Schlüssel vorgesehen sind für die gleiche Schließanlage.

Vors.:

Individuelle Spuren, die etwa drauf hindeuteten, daß sie irgendwie mal zusammen gewesen sind, das läßt sich wohl bei so etwas nicht feststellen.

Sachverst. Dr. Grooß:

Nein.

Vors.:

Dankeschön.

Sachverst. Dr. Grooß:

Es dreht sich natürlich um die gleiche Schließanlage und nicht um dieselbe Schließanlage.

Vors.:

Weitere Fragen zu diesem Gutachten? Beim Gericht, sehe ich nicht. Die Herren der Bundesanwaltschaft? Die Herren Verteidiger? Auch nicht. Dann können wir diese drei Asservate wieder zurückgeben. Wird diese Nummer f hier[bbb] belassen oder nehmen Sie die wieder zurück? E 25/Flur 5 2.8.f?

Sachverst. Dr. Groo[ß]:

Das spreche ich mit Herrn Mauritz ab.

Die können alle hier bleiben.

Vors.:

Das sollten wir zu einem späteren Beweisvorgang noch hier beim Gericht haben. Dankeschön.

Jetzt sollten wir dem Herrn Sachverständigen übergeben die Asservate E 25 I/5 Pos. 87 ...

Sachverst. Dr. Grooß:

Kann ich die Gutachten-Nummer dazu haben?

[9185] Vors.:

Ja, das ist die Gutachtennummer 671/73. VI 3 671/73 vom 13. Februar.

Sachverst. Grooß:

671 ...

Vors.:

671/73, 13. Februar.

Sachverst. Dr. Grooß:

Ist das mit auf der Ladung gewesen?

Vors.:

Ja.

Sachverst. Dr. Grooß:

671/73, Entschuldigung.

Den Sachverständigen werden die Asservate
E 23 I/5 Pos. 87 - 1 Schloß - und
C 2.1 Pos. 37 d - 1 Schlüssel -
vorgelegt.

Die Asservate werden vom Gericht in Augenschein genommen.

Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit am Augenschein teilzunehmen.

Vors.:

Auch hier jeweils mit der Bitte, ob Sie ... uns zu erklären, ob Sie solche Asservate zu Vergleichsuntersuchungen gehabt haben und welches Ergebnis, wenn das der Fall sein sollte.

Sachverst. Dr. Grooß:

Es geht um das Asservat G 2.1 Pos. 37d und um die Asservate C 98 24 d und E 34 III/Pos. 3.

Vors.:

Diese Asservate, die Sie eben erwähnt haben, nämlich C 89 24 d sind für uns ohne Bedeutung. Für uns kommt es darauf an, diesen Vergleich zwischen den Positionen C 2.1 Pos. 37d und dem Asservat E 23 1/5 Pos. 87. Das heißt also dem Zylinderschloß und diesem Zylinderschloßschlüssel.

Sachverst. Dr. Grooß:

Das hier ist also das Asservat G 2.1 Pos. 37d und mit diesem Schlüssel läßt sich das Schloß E 23 I/5 87 einwandfrei betätigen.

Vors.:

So daß dieselbe Schlußfolgerung gerechtfertigt ist.

Der Sachverständige demonstriert die einwandfreie Funktion des Zylinderschlosses E 23 I/5 Pos. 87 mit dem Schlüssel C 2.1 Pos. 37d.

Sachverst. Dr. Grooß:

Ja, nur kann ich hierzu nicht sagen, wieviel Schlüssel hier hergestellt werden. Da müßte also der Hersteller des Schlosses Auskunft geben, denn ich glaube, daß bei diesen kleinen Zylindern diese Zahl 30 000 nicht eingehalten wird.

Vors.:

Dankeschön. Es handelt sich hier also offensichtlich nicht um eine große Schließanlage, sondern für ...

Sachverst. Dr. Grooß:

Ein Möbelschloß oder so was, Briefkastenschloß.

Vors.:

Dankeschön. Sind zu diesen Ausführungen des Herrn Sachverständigen [9186] irgendwelche weiteren Fragen? Beim Gericht nicht. Bundesanwaltschaft? Nein. Die Herren Verteidiger? Nein.

Dann können wir auch diese Asservate wieder verwahren.

Dem Sachverständigen werden die Asservate
E 25/5/Flur Pos. 2.8 d+c - 2 Pkwschlüssel -
B 47 Pos. 7-1 Pkw - Lenkradschloß - und
B 47 Pos. 9-1 Pkw - Türschloß -
vorgelegt mit der Bitte anzugeben, ob ihm diese Asservate vorgelegen haben und ob er zu einem bestimmten Ergebnis gekommen ist.

Das Gericht nimmt die Asservate in Augenschein.

Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit am Augenschein teilzunehmen.

Sachverst. Dr. Grooß:

Das sind die Asservate, die mir vorgelegen haben. Und zwar geht es um 2 Schlüssel „KASI“ mit der Asservatennummer B 44 8 f 2.

Vors.:

Das ist kein Asservat, das für uns von Interesse ist. Wenn Sie sich auf die Asservate konzentrieren würden E 25/5/Flur 2.8 d+c.

Sachverst. Dr. Grooß:

Das Asservat E 25/Flur 2.8 d hat die Schließungsnummer 18 M 108 ... 100 087 ... Augenblick. Hiermit läßt sich der Türgriff einwandfrei betätigen.

Der Sachverständige demonstriert die einwandfreie Funktion des Türschlosses B 47 Pos. 9 mit dem Schlüssel E 25/5/Flur Pos. 2.8 c.

Vors.:

Das war die Schlüsselnummer d oder c?

Sachverst. Dr. Grooß:

E/25/Flur 28c.

Vors.:

C, dankeschön. Jetzt bitte die Nummer d.

Sachverst. Dr. Grooß:

E 25/5/Flur 2.8 d und hier das Zündanlaßschloß läßt sich einwandfrei mit betätigen.

Der Sachverständige demonstriert die einwandfreie Funktion des Lenkradschlosses B 47 Pos. 7 mit dem Schlüssel E 25/5/Flur Pos. 2.8 d.

Vors.:

Dankeschön. Das bezog sich jetzt auf B 47/5/7.

Sachverst. Dr. Grooß:

Hierzu muß ich sagen, daß es sich hierbei um Schlösser völlig anderer innerer Konstruktion handelt wie die Profilzylinderschlösser. Es handelt sich um Schlösser, die in der Herstellung ganz wesentlich billiger sind, dadurch, daß hier Teile gestanzt und gegossen werden müssen, die bei den Profilzylinderschlössern spanabhebend bearbeitet werden müssen. Es handelt sich um Schlösser mit Plättchenzuhaltung, und hier wird gefordert seitens [9187] der Zulassung, daß ein Schloß 1 000 Schließungen erlaubt.

Vors.:

Es könnte also sein, daß unter 1 000 Fällen, wobei natürlich 1 und 2 auch mal zusammen kommen könnte, eine Wiederholung auftrete.

Sachverst. Dr. Grooß:

Ja. das 1 001., - auch das kann ich dem Gericht zur Verfügung stellen ...

Der Sachverständige übergibt den 5. Richtlinienentwurf für Anforderungen an Schließzylinder in Sicherungseinrichtungen gegen unbefugte Benutzung von Kraftfahrzeugen mit Stand vom 20. August 1973 dem Gericht.

Diese übergebene Richtlinienentwurf wird als Anlage 2 zum Protokoll genommen.

Sachverst. Dr. Grooß:

Das 1001. Schloß müßte also wieder schließungsgleich sein. Es ist uns bekannt, daß ein Teil der Firmen mehr herstellen als die Norm.

Vors.:

Sind zu diesem Gutachten Fragen zu stellen? Ich sehe nicht. Dann können wir auch diese Asservate zunächst wieder verwahren. Das nächste Gutachten, Herr Dr. Grooß, müßte das vom 25. Juli 73, 57 91/73 sein.

RA Schi[ly]:

... Herr Dr. Grooß, eine Frage ...

Vors.:

Bitte.

RA Schi[ly]:

Gelten diese Anforderungen auch für Kraftfahrzeugschlosser ausländischer Fabrikate?

Sachverst. Dr. Grooß:

Das gilt für die Typzulassung hier in Deutschland.

RA Schi[ly]:

Ah, ja, dankeschön.

Dem Sachverständigen werden die Asservate
B 54 II/5 Pos. 94 - 1 Zylinderschloß -,
B 54 II/5 Pos. 26 - 1 Schlüssel - und
E 54.15.e - 1 Schlüssel -
vorgelegt.

Die Asservate werden vom Gericht in Augenschein genommen.

Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit, am Augenschein teilzunehmen.

Sachverst. Dr. Grooß:

Es handelt sich also um das Asservat B 54 II/5 94 ein Zeiss-Profilzylinderschloß und um das Asservat B 54 II/5 26 ein Zeiss-Zylinderschloßschlüssel, beziehungsweise ein Schlüssel, auf dem eingeprägt ist die Markenbezeichnung „Zeiss“. Mit diesem Schlüssel läßt sich das Profilzylinderschloß beidseitig einwandfrei betätigen.

[9188-9192][13] [9193] Der Sachverständige demonstriert die einwandfreie beidseitige Funktion des Profilzylinderschlosses B 54 II/5 Pos. 94 mit dem Zylinderschloßschlüssel B 54 11/5 Pos. 26.

Sachverst. Dr. Grooß:

Desgleichen mit dem Schlüssel, der mir damals mit der Asservatennummer E 34.15.e vorgelegen hat. Auch hier ist auf beiden Seiten einwandfreie Betätigung möglich.

Der Sachverständige demonstriert die einwandfreie beidseitige Funktion des Profilzylinderschlosses B 54 11/5 Pos. 94 mit dem Schlüssel E 34.15.e.

An dem Schloß sind Veränderungen oder für die Funktion wesentliche Beschädigungen nicht erkennbar.

Vors.:

Dankeschön. Weitere Fragen? Nicht.

Gem. § 249 StPO[14] wird die Aufschrift auf dem Anhänger zum Asservat B 54 II/5 Pos. 26 „RO“ verlesen.

Vors.:

Das nächste Gutachten Herr Dr. Grooß, müßte die Nummer 81 87 sein.

Dem Sachverständigen werden die Asservate
C 6.4.2 Pos. 112 - 1 Schlüssel - und
E 25/Wohnzimmer 5/33.2 - 1 Schloß -
vorgelegt.

Die Asservate werden vom Gericht in Augenschein genommen.

Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit, am Augenschein teilzunehmen.

Sachverst. Dr. Grooß:

Ein ABUS-Profilzylinderschloß E 25/5/33.2 Wohnzimmer und ein ABUS-Schlüssel der die Bezeichnung auf der einen Seite „Mister Minit“ eingeprägt hat mit der Asservatennummer G 6.4.2 Pos. 112. Mit diesem Schlüssel läßt sich das vorliegende Schloß beidseitig einwandfrei betätigen.

Der Sachverständige demonstriert die einwandfreie beidseitige Funktion des Profilzylinderschlosses E 25/Wohnzimmer 5/33.2 mit dem Schlüssel C 6.4.2 Pos. 112.

Veränderungen sind erkennbar.

Vors.:

Dankeschön. Zu diesem Gutachten noch Fragen. Ich sehe, beim Gericht nicht. Bundesanwaltschaft? Verteidigung? Ebenfalls nicht, [9194] dankeschön. Dann können wir die Asservate gleichfalls verwahren. Für Sie Herr Dr. Grooß, die nächste Nummer müßte sein 57 58/72 beziehungsweise 56 36/72 das ist eine Klammernummer 17. August 72.

RA Schn[abel]:

Das ist aber hier nicht aufgeführt.

Vors.:

Ja, es ist richtig, im Band 54 ist ein zweites Gutachten zum selben Thema. Es betreffen beide Gutachten das gleiche; es ist hier der 15.8. ab Nummer 55 77/72. Die Nummer, die ich zuvor erwähnt habe betrifft dasselbe, ist ja gelegentlich mal an den Ordnern verschieden angebracht worden.

Sachverst. Dr. Grooß:

55?

Vors.:

Ja, 55 77, 15. August.

Dem Sachverständigen werden die Asservate
C 6.4.2 Pos. 111 b -1 Schlüssel-
E 27.1 -1 Schloß
vorgelegt.

Die Asservate werden vom Gericht in Augenschein genommen.

Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit am Augenschein teilzunehmen.

Sachverst. Dr. Grooß:

Es handelt sich um ein Profilzylinderschloß „Winkhaus“ mit der Asservatennummer E 27.1. Einen Profilzylinderschlüssel B 43, 14 3, bei dem die Reide entfernt ist beziehungsweise da ...

Vors.:

Interessiert hier nicht, wir interessieren uns für die Position C 6.4.2 Pos. 111b.

Sachverst. Dr. Grooß:

Hier ist eine Kunststoffkappe drauf und auch hier ist[ccc] die die Reide entfernt, beziehungsweise eine großflächige Beschädigung eingebracht. Mit diesem Schlüssel läßt sich das Schloß beidseitig betätigen.

Der Sachverständige demonstriert die einwandfreie beidseitige Funktion des Profilzylinderschlosses E 27.1 mit dem Schlüssel C 6.4.2 Pos. 111 b.

Vors.:

Irgendwelche Schwierigkeiten, irgendwelche Veränderungen, Funktionsstörungen erkennbar?

Sachverst. Dr. Grooß:

Dieses Schloß sehe ich heute nach meiner Erinnerung das erste Mal. Äußerlich sind keine Spuren erkennbar. Dies Gutachten ist auch nicht von mir [ddd] gemacht worden, sondern von meinem ehemaligen Mitarbeiter, Herrn Winkler.

Vors.:

Zu dieser Feststellung, daß der Schlüssel zum Schloß passe und die Funktionen[eee] auslöst ohne irgendwelche Schwierigkeiten, [9195] weitere Fragen? Ich sehe nicht. Dann könnten wir jetzt zu dem Gutachten 57 29 ...

Dem Sachverständigen werden die Asservate
G 6.4.2 Pos. 108 - 1 Schlüssel -
und E 23 I 5/Pos. 85 - 1 Schloß -
vorgelegt.

Die Asservate werden vom Gericht in Augenschein genommen.

Die Verfahrensbeteiligten haben die Möglichkeit, am Augenschein teilzunehmen.

Sachverst. Dr. Grooß:

Es handelt sich um ein Profilzylinderschloß der Firma Zeiss mit der Asservatenbezeichnung E 23 I 5/85, dazu ein Schlüssel E 23 ... oder ist der nicht von Bedeutung?

Vors.:

C 6.4.2.

Sachverst. Dr. Grooß:

Ein Schlüssel C 6.4.2 Pos. 108. An diesem Schlüssel ist auch ein erheblicher Teil der Reide entfernt worden. Es ist, wenn man das Firmenemblem der Fa. Zeiss kennt, erkennbar, daß es ein Zeiss-Schlüssel gewesen ist. Das Schloß läßt sich beidseitig einwandfrei mit dem Schlüssel betätigen. Ohne Zuhilfenahme optischer Geräte sind Beschädigungen an dem Schloß nicht erkennbar.

Der Sachverständige demonstriert die einwandfreie beidseitige Funktion des Profilzylinderschlosses E 23 I 5/Pos. 85 mit dem Schlüssel C 6.4.2 Pos. 108.

Gem. § 249 StPO wird die Aufschrift „Laube“ auf dem gelben Leinwandstreifen des Etuis zum Schlüssel
- Asservat C 6.4.2 Pos. 108 -
verlesen.

Vors.:

Sind zu diesem Gutachten Fragen? Ich sehe nicht. Dann kämen wir jetzt - wenn ich es[fff] recht sehe - zum letzten Gutachten; das wäre jetzt die Nr. 57 52.

Ende von Band 514.

[9196] Dem SV. Dr. Grooß werden die Asservate
E 29.1 Pos. 1- 1 Zylinderschloß - und
C 2.1. Pos. 37 b - 1 Schlüssel - vorgelegt.

Diese Asservate werden vom Gericht in Augenschein genommen.

Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit, am Augenschein teilzunehmen.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Es liegt hier vor ein BKS-Rundzylinderschloß E 29.1 und ein Schlüssel C 2.1. Pos. 37 b. Das Zylinderschloß läßt sich beidseitig mit dem vorliegenden Schlüssel einwandfrei sperren und entsperren.

Der Sachverständige demonstriert die einwandfreie beidseitige Funktion des Zylinderschlosses E 29.1. Pos. 1 mit dem Schlüssel C 2.1 Pos. 37 b.

Vors.:

Keine Beschädigung erkennbar?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Keine Beschädigungen erkennbar.

Vors.:

Vielen Dank. Wir wären damit, wenn keine Fragen sind ...

Herr Rechtsanwalt Schwarz bitte.

RA Schw[arz]:

Ich hab keine Frage. Wenn die Vernehmung des Herrn Dr. Grooß abgeschlossen ist, möchte ich eine Erklärung nach § 257[ StPO][15] abgeben.

Vors.:

Wir wollen dann sehen, sind irgendwelche Fragen? Ich sehe nicht. Wird ein Antrag auf Vereidigung des Herrn Sachverständigen gestellt?

Anträge auf Vereidigung des Sachverständigen Dr. Grooß werden nicht gestellt.

Der Sachverständige Dr. Grooß bleibt gem. § 79 StPO unbeeidigt und wird im allseitigen Einvernehmen um 15.33 Uhr entlassen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schwarz, Sie haben dann die Gelegenheit, sobald Sie das Wort ergreifen wollen, bitte.

RA Schw[arz]:

Ich möchte für den Angeklagten Baader folgende Erklärung abgeben:

Die Verteidigung hat beim 1. Auftreten des Sachverständigen Dr. Grooß diesen Sachverständigen gem. § 74 der Strafprozeßordnung abgelehnt,[16] weil er nach Auffassung der Verteidigung im Ermittlungsverfahren nicht nur beratend tätig geworden ist, sondern auch sicherheitspolizeiliche Aufgaben wahrgenommen hat.[17] Der Senat hat diesen Antrag abgelehnt. Dessen [9197] ungeachtet scheint es mir aus der Sicht des Angeklagten Baader nunmehr aber geboten, auf folgendes hinzuweisen: Es unterliegt größten Bedenken, daß der Senat als Sachverständige grundsätzlich die Personen lädt und vernimmt, die im Ermittlungsverfahren für das BKA und die Bundesanwaltschaft tätig geworden sind und deren Gutachten die Grundlage der Anklage geworden ist. Auf die Fixierung solcher Gutachter braucht wohl nicht besonders hingewiesen zu werden. Gleichzeitig ist festzustellen, daß beispielsweise in der Person des Sachverständigen Dr. Grooß ein Sachverständiger immer wieder auftritt, der über ein bewundernswert weit gefächertes Sachwissen verfügt, obwohl es mit Sicherheit Sachverständigt gibt, die auf dem jeweiligen Sachgebiet nicht nur über ein umfassenderes Sachwissen verfügen, sondern, die auch aus der Sicht des Angeklagten den Vorteil hätten, daß Zweifel an ihrer Unvoreingenommenheit gar nicht aufkommen könnten. Da der § 244 der Strafprozeßordnung[18] dem Senat bisher offensichtlich keinen Anlaß gegeben hat, solche mit größerem Fachwissen und neutrale Sachverständigen zu hören, wird die Verteidigung möglicherweise gezwungen sein, Anträge auf Vernehmung von Obergutachtern zu stellen, wobei wir mit der Schwierigkeit zu kämpfen haben, daß bei bisherigen Anfragen, bei geeigneten Obergutachtern, jeweils mit der Bitte um Vorlage der zu untersuchenden Beweisstücke an uns herangetreten wurde, und wir hier selbstverständlich Schwierigkeiten haben, solchen Bitten zu entsprechen.

Vors.:

Sonstige Äußerungen? Sehe ich nicht. Dann wären wir heute am Schluß ...

BA Dr. Wu[nder]:

Ich möchte eine kurze Erklärung noch dazu abgeben.

Vors.:

Bitte, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. Wu[nder]:

Erklärung der Bundesanwaltschaft nach [§ ]257 Strafprozeßordnung.

Der Sachverständige Dr. Grooß hat von ihm persönlich zu verantwortende Gutachten abgegeben. Seine Gutachten sind von ihm persönlich erstattet worden ohne Weisung und ohne Einflußnahme seiner Vorgesetzten. Die Eingliederung des Sachverständigen in die Abteilung des KT, des Bundeskriminalamts, ist unter diesen Umständen ohne jegliche Bedeu- [9198] tung.

Vors.:

Danke. Wir haben morgen vor, die Vernehmung der Zeugen Möhlau, Wernicke, Skrandies und Tews. Es wird benötigt - unverbindlich - Ordner 67, 115, 116, 121 und 122, wobei diese beiden letzten Ordner, insbesondere im Hinblick auf die vorgesehenen Verlesungen, auch von Bedeutung sind. Damit für heute Schluß. Fortsetzung morgen Früh um 9.00 Uhr.

Ende der Hauptverhandlung um 15.37 Uhr

Ende des Bandes 515.


[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - Az.: 1 StE 1/74 - StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[2] Nach § 55 Abs. 1 StPO steht Zeug/innen ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, wenn sie sich selbst oder ihre Angehörigen (§ 52 Abs. 1 StPO) durch die Beantwortung einer Frage der Gefahr aussetzen würden, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt werden.

[3] Ausnahmsweise kann sich das Recht aus § 55 StPO, die Auskunft auf einzelne Fragen zu verweigern, zu einem umfassenden Auskunftsverweigerungsrecht verdichten, wenn der gesamte Inhalt der Aussage die Gefahr einer Strafverfolgung begründen würde; dies kann insbesondere bei Beteiligten an den angeklagten Straftaten (bzw. bei an der Beteiligung Verdächtigen) der Fall sein (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 55 Rn. 2; BGH, Beschl. v. 11.6.2002 - Az.: 2 StE 7/01 - 6 StB 12/02, NStZ 2002, S. 607; s. auch bereits BGH, Urt. v. 15.1.1957 - Az.: 5 StR 390/56, BGHSt 10, S. 104, 105).

[4] Nach § 57 StPO werden die Zeug/innen vor der Vernehmung zur Wahrheit ermahnt und über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage belehrt, sowie auf die Möglichkeiten der Vereidigung hingewiesen; diese war damals, anders als heute, der Regelfall (§ 59 StPO a.F.). § 79 StPO enthält die Vorschriften für die Vereidigung von Sachverständigen. Diese erfolgt nach dem Ermessen des Gerichts.

[5] Zu den Besonderheiten dieses Verfahrens gehörte es, dass sich die Prozessbeteiligten darauf einigten, ein gerichtliches Wortprotokoll als Arbeitsgrundlage anzufertigen (s. dazu S. 4 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Nach der damaligen Rechtsprechung bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung stets der Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 - Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 - Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 339). Heute wird die gerichtliche Tonbandaufnahme z.T. auch ohne Zustimmung der Beteiligten für zulässig erachtet (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 35; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 13).

[6] Die einfache Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB a.F. ist ein sog. relatives Antragsdelikt. Das bedeutet, dass die Tat nur verfolgt wird, wenn entweder ein Strafantrag (§ 62 StGB a.F.; heute: § 77 StGB) gestellt oder ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bejaht wird (§ 232 Abs. 1 StGB a.F.; heute § 230 Abs. 1 StGB). Das fehlende besondere Interesse in diesem Fall anzunehmen, scheint allerdings abwegig. Zudem war die Tat auch im Hinblick auf den Zeugen Meyer als versuchter Mord (in Tateinheit mit der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion) angeklagt (vgl. S. 10 und 19 der Anklageschrift). Körperverletzungsdelikte waren nicht Bestandteil des Anklagevorwurfs.

[7] Die Aufgabe von Zeug/innen ist es, eine persönliche Wahrnehmung über einen in der Vergangenheit liegenden Vorgang zu bekunden (BGH, Urt. v. 12.3.1969 - Az.: 2 StR 33/69, BGHSt 22, S. 347, 348), wobei es nur auf Tatsachen ankommt. Im Unterschied dazu vermitteln Sachverständige Sachkunde oder wenden diese bei der Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts an. Bei der Bekundung von Tatsachen ist zu unterscheiden: Wurde die bekundete Tatsache im Rahmen eines behördlichen Auftrages aufgrund der besonderen Sachkunde wahrgenommen, fällt auch die Tatsachenbekundung in den Aufgabenbereich der Sachverständigen. Wurde die Tatsache hingegen ohne Auftrag, aber dennoch aufgrund einer gewissen Sachkunde wahrgenommen, sind die Regeln für den Zeugenbeweis anwendbar (sog. sachverständiger Zeuge, § 85 StPO; s. zur Abgrenzung Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 85 Rn. 2 f.).

[8] Zu den persönlich wahrgenommenen Tatsachen, über die Zeug/innen im Rahme ihrer Vernehmung aussagen können, gehören auch sog. innere Tatsachen, wie die eigene Überzeugung, bestimmte Motive etc. (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, Vor § 48 Rn. 2).

[9] § 72 StPO erklärt die Vorschriften für Zeug/innen auch für Sachverständige anwendbar, wenn nicht in den nachfolgenden Vorschriften Abweichendes geregelt ist. § 79 StPO enthält eine solche Abweichung im Vergleich zu § 57 StPO a.F. im Hinblick auf die Vereidigung: Während die Vereidigung für Zeug/innen im Regelfall vorgesehen war, findet die Vereidigung von Sachverständigen nach dem Ermessen des Gerichts statt; die Regel ist hier die Nichtvereidigung. Heute ist auch die Vereidigung für Zeug/innen nur noch in Ausnahmefällen vorgesehen (§ 59 StPO).

[10] Die Inaugenscheinnahme gehört zu den zulässigen Beweismitteln im sog. Strengbeweisverfahren, welches zum Beweis von Tatsachen Anwendung findet, die die Straf- und Schuldfrage betreffen, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe. Sie erfolgt durch eine unmittelbare sinnliche Wahrnehmung. Anders als der Wortlaut vermuten lässt, ist diese nicht auf die Wahrnehmung durch Sehen beschränkt, sondern umfasst mit den Wahrnehmungen durch Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen auch alle anderen Sinneswahrnehmungen (BGH, Urt. v. 28.9.1962 - Az.: 4 StR 301/62, BGHSt 18, S. 51, 53).

[11] Die Vereidigung von Sachverständigen erfolgt nach dem Ermessen des Gerichts (§ 79 Abs. 1 StPO), wenn besondere Umstände die Vereidigung zweckmäßig erscheinen lassen; der Regelfall ist die Nichtvereidigung (BGH, Urt. v. 22.2.1967 - Az.: 2 StR 2/67, BGHSt 21, S. 227, 228). Nach damaliger Rechtslage war die Vereidigung aber zwingend, wenn dies durch die Staatsanwaltschaft, Angeklagte oder die Verteidigung beantragt wurde (§ 79 Abs. 1 Satz 2 StPO a.F.).

[12] Anlage 1 zum Protokoll vom. 27. April 1976: DIN-Vorschrift 18 252 (Begriffe und Güteranforderungen an Schließzylinder mit Stiftzuhaltungen für Türschlösser).

[13] Anlage 2 zum Protokoll vom 27. April 1976: 5. Richtlinienentwurf für Anforderungen an Schließzylinder in Sicherungseinrichtungen gegen unbefugte Benutzung von Kraftfahrzeugen.

[14] Urkunden und andere als Beweismittel dienende Schriftstücke werden durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt (§ 249 StPO; heute ergänzt durch die Möglichkeit des Selbstleseverfahrens). Ein Beweisstück kann Gegenstand sowohl des Augenscheins-, als auch des Urkundenbeweises sein. Beide Beweisarten zielen auf unterschiedliche Erkenntnisse. Während mittels Inaugenscheinnahme Merkmale wie das Vorhandensein an sich, die äußere Beschaffenheit o.ä. festgestellt werden können, dient der Urkundenbeweis der Kenntnisnahme des (durch Schriftzeichen verkörperten) Inhalts einer Erklärung (Meyer-Goßner, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 249 Rn. 7).

[15] Der Verteidigung ist auf Verlangen - ebenso wie der Staatsanwaltschaft - nach § 257 Abs. 2 StPO nach jeder einzelnen Beweiserhebung die Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären.

[16] S. dazu die Ablehnung des Sachverständigen Dr. Grooß am 53. Verhandlungstag, S. 4645 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung; s. auch den zurückweisenden Beschluss des 2. Strafsenat auf S. 4662 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, ebenfalls 53. Verhandlungstag.

[17] Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 StPO können Sachverständige aus denselben Gründen abgelehnt werden, die auch zur Ablehnung von Richter/innen berechtigen. Damit wird auf § 24 Abs. 1 StPO Bezug genommen, wonach Richter/innen sowohl in den Fällen, in denen sie von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen sind, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden können. Zu den gesetzlichen Ausschlussgründen gehört auch § 22 Nr. 4 StPO. Nach dieser Vorschrift sind Richter/innen kraft Gesetzes u.a. ausgeschlossen, wenn sie in der Sache als Beamter/innen der Staatsanwaltschaft oder als Polizeibeamt/innen tätig gewesen sind. Der Ausschluss nach § 22 Nr. 4 StPO erfordert allerdings, dass ein/e Polizeibeamt/in durch ihr Amt zur Strafverfolgung kraft Gesetzes oder Auftrags der Staatsanwaltschaft berufen ist. Die Erstellung wissenschaftlicher oder kriminaltechnischer Gutachten fällt gerade nicht unter diese Vorschrift (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 22 Rn. 14). Auch abseits der Voraussetzungen des § 22 Nr. 4 StPO kommt für Sachverständige aufgrund des Dienstverhältnisses eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit (§§ 74, 24 Abs. 2 StPO) in Betracht. Entscheidend kommt auch hier darauf an, ob die abgelehnte Person eigenständige Ermittlungstätigkeiten unternimmt. Mit Urteil vom 11.1.1963 entschied der BGH, dass „Beamte des Bundeskriminalamtes, die im Ermittlungsdienst als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft eingesetzt sind, [...] in aller Regel als Sachverständige mit Erfolg wegen Befangenheit abgelehnt werden“ (amtl. Leitsatz). In dem konkreten Fall stellte der BGH jedoch explizit darauf ab, dass der Sachverständige als Mitglied der Sicherungsgruppe und nicht etwa in der kriminalwissenschaftlichen Abteilung des BKA tätig gewesen sei (BGH, Urt. v. 11.1.1963 - Az.: 3 StR 52/62, BGHSt 18, S. 214 ff.).

[18] § 244 StPO enthält Vorgaben zur Beweisaufnahme, darunter in Absatz 2 die umfassende gerichtliche Aufklärungspflicht: „Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.“


[a] Maschinell eingefügt: sind,

[b] Handschriftlich eingefügt: den

[c] Handschriftlich ergänzt: Druckereigewerbe

[d] Handschriftlich eingefügt: mal

[e] Handschriftlich durchgestrichen: wie

[f] Maschinell ersetzt: einen durch den

[g] Maschinell ersetzt: runterholt durch runtergekommen

[h] Handschriftlich ersetzt: mit durch mir

[i] Maschinell durchgestrichen: von

[j] Handschriftlich durchgestrichen: dann

[k] Maschinell eingefügt: liegt,

[l] Maschinell eingefügt: Könnecke

[m] Maschinell eingefügt: Hoffmann, Röhrs,

[n] Maschinell eingefügt: Schilke

[o] Handschriftlich ersetzt: durch durch so

[p] Handschriftlich eingefügt: an

[q] Handschriftlich ersetzt: ... durch 3.

[r] Handschriftlich durchgestrichen: sie

[s] Maschinell eingefügt: es

[t] Handschriftlich ersetzt: zum durch im

[u] Handschriftlich ergänzt: maßgebliche

[v] Maschinell ersetzt: ein durch man ein

[w] Maschinell eingefügt: vermutlich

[x] Maschinell durchgestrichen: lag da

[y] Maschinell ergänzt: Kopfplatzwunde

[z] Maschinell ersetzt: ... durch dann kam das Sprengkommando rauf

[aa] Maschinell durchgestrichen: noch rauf

[bb] Maschinell eingefügt: einer

[cc] Maschinell eingefügt: genau

[dd] Maschinell eingefügt: und

[ee] Maschinell eingefügt: sehe ich

[ff] Maschinell eingefügt: mit

[gg] Handschriftlich ersetzt: diesem durch dieser

[hh] Maschinell ergänzt: hindurch

[ii] Maschinell eingefügt: eine Ablichtung

[jj] Handschriftlich durchgestrichen: Was an Schaden

[kk] Maschinell eingefügt: innere

[ll] Maschinell eingefügt: nunmehr auch

[mm] Handschriftlich ersetzt: dem durch den

[nn] Handschriftlich ersetzt: übereinstimmt durch übereinstimmen

[oo] Maschinell eingefügt: Bei

[pp] Handschriftlich ergänzt: entsprechenden

[qq] Handschriftlich ergänzt: statistisches

[rr] Handschriftlich durchgestrichen: es

[ss] Maschinell eingefügt: hätten

[tt] Maschinell eingefügt: nicht

[uu] Maschinell durchgestrichen: nicht

[vv] Maschinell eingefügt: ob ich

[ww] Handschriftlich ergänzt: Ausführungen

[xx] Handschriftlich ersetzt: Brennsägung durch Trennsägung

[yy] Maschinell ersetzt: ... durch so

[zz] Maschinell eingefügt: vielleicht

[aaa] Handschriftlich ersetzt: Text unleserlich durch 252

[bbb] Maschinell eingefügt: hier

[ccc] Maschinell eingefügt: ist

[ddd] Handschriftlich durchgestrichen: fertig

[eee] Maschinell ergänzt: Funktionen

[fff] Maschinell eingefügt: es